Vom Wolf und der Schlange von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 9: Schlaflose Nächte ---------------------------- Severus war gegangen. Severus war gerannt. Severus war geflüchtet. Das hatte sogar Remus einsehen müssen. Er hatte Remus noch für den Bruchteil einer Sekunde angestarrt, bevor er Hals über Kopf zwischen den Bücherregalen hindurch gestürzt war. Remus wusste, dass es zutiefst irrational war, doch er stürzte Severus direkt hinterher. Severus hatte eine gute Ausdauer, anscheinend, aber die von Remus war besser. Draußen auf dem Gelände ging ihm die Puste aus, und Remus holte ihn ein. Severus hatte sich im Schneidersitz auf den Rasen gesetzt und schien vor sich hin zu schmollen. "S... Severus.." setzte er schließlich schüchtern an. "Lass mich!" grollte Severus ihm entgegen, ohne ihn anzusehen. Severus klang ziemlich aufgelöst. "Severus..." Remus fasste sich ein Herz. "Du sollst weggehen!" Severus klang nun eher wie ein bockiges kleines Kind und schlang die Arme um die Knie. Remus war noch zu wenig bei vollem Verstand, um jetzt schon aufzugeben. Er ging neben Severus in die Hocke. "Severus..." versuchte er noch einmal und legte Severus eine Hand auf die Schulter. Das war eine schlechte Idee. Remus war überrascht, ja schockiert, als Severus seine Hand beinahe panisch beiseite schlug und sich hektisch erhob. Er starrte Remus mit unlesbaren Augen an - etwas, das nicht oft vorkam, in letzter Zeit. Dann drehte er sich wieder herum und stapfte mit riesigen, raumgreifenden Schritten nach drinnen. Remus starrte ihm entgeistert nach. Sirius wedelte mit der Hand vor Remus' Augen herum. "Hey, Rem." Remus schreckte auf und starrte Sirius an. "Hmhm?" meinte er abgelenkt. Er war grad nicht da. Vor seinen Augen sah er Severus'. Dunkel und tief. Er roch Severus statt der Wärme des Feuers. Er schmeckte Severus in seinem Tee. Er fühlte Severus statt seines Kopfkissens. Es war nicht mehr zum Aushalten. Langsam hing einem das wirklich zum Hals heraus. Er wusste nicht mehr, was er tun sollte oder wohin er schauen sollte. Er hatte schon wieder Angst einzuschlafen, aber diesmal, weil er Angst hatte, von Severus zu träumen. Wände waren schon dünn - aber die Vorhänge seines Bettes waren es noch mehr. Nicht auszudenken, wenn er wieder von der Bibliothek träumte. Oder von noch mehr... er stützt den Kopf in die Hand und schnaubte wie ein alter Hund. Er war hoffnungslos. Verliebt. Er war so nah dran gewesen. Er wünschte sich, dass alles wäre nie passiert. Dann wüsste er nicht, wie Severus schmeckte. und er wüsste nicht, wie warm Severus sich anfühlte. Und wie gut. Wie muskulös. Wie sanft seine Fingerspitzen... Remus schloss die Augen und rieb sich die Stirn. "Ich hab Kopfschmerzen." grummelte er und erhob sich so schnell er konnte. Sirius und James sahen seiner Flucht mit großen Augen nach. "Irgendwas stimmt mit Remus nicht." stellte Sirius ernstlich verstört fest. "Stimmt - diese dauernden Kopfschmerzen..." Sirius starrte James an, als wäre er vollkommen übergeschnappt. Lustlos kritzelte Severus die letzten Zeilen seines Zaubertränke-Aufsatzes auf das Pergament und warf dann seine Feder soweit von sich, wie es der beschränkte Platz des Bibliothekstisches zuließ. Lucius drehte demonstrativ den Kopf noch etwas zur Seite. Lucius strafte ihn mit Ignoranz. Und er wusste nicht recht, ob er darüber erleichtert oder besorgt sein sollte. De facto war er recht rüde gewesen zu Lucius, das sah er ja ein, aber er war müde und geschafft - und der Winkel seines rechten Auges hatte begonnen, zu zucken. Ein lästiger Umstand, welcher den Zustand seines ohnehin angegriffenen Nervensystems nicht unbedingt verbesserte. Nun ja, und Lucius übersah ihn nun mit hoheitlicher Arroganz. So hatte er wenigstens Zeit, nachzudenken. Aber eigentlich wollte er nicht nachdenken. Er hatte keine Lust, in dem dunklen Gewässer zu gründeln, das diese chaotische Aktion in der Bibliothek eingeleitet hatte. Er hatte Angst, auf irgendwas zu stoßen, mit dem er nichts anfangen und nicht umgehen konnte. Es gab genug, mit dem er nicht umgehen konnte, er brauchte keine Probleme mehr! Er musste aufpassen, nicht über seinen Gedanken einzuschlafen. In seinen Träumen irrte er meistens durch irgendwelche vernebelten Gänge (Vernebelte Gänge! Was hatte das wohl zu bedeuten! Lief er vor sich davon? Musste er seine "Zukunft erkennen"? Sollte er Teeblätter befragen?), während ihn unablässig eine Stimme rief. "Severus... Severus..." Eine Stimme, die Honig war, wie die Augen zu denen sie gehörte. Und die ihn unablässig lockte, sich ihm näherte, sich entfernte, und ihn so laufen ließ, immer wieder durch dieselben Gänge. Eine Stimme, vor der er selbst davon gelaufen war. Er ließ seine Stirn auf die Tischplatte fallen und begrüßte den dumpfen Aufschlag und den kurzen, ebenso dumpfen Schmerz in seiner Stirn. Er lebte also noch. Warum ließ er sich eigentlich locken? Warum wachte er immer in einer Art freudiger Erregung auf, wie die Freude darauf, die Stimme endlich zu erreichen, und sie wieder in die Arme schließen zu können, die Lippen, aus welchen sie gekommen, endlich wieder mit seinen zu erkunden... Bevor ihm eiskalt wurde und er sich die Decke bis zu den Ohren zog und den Rest der Nacht mit ruhelosem Nachdenken verbrachte. Und nicht mehr einschlafen konnte, weil er sich viel zu viele Sorgen machte. So konnte das jedenfalls nicht weitergehen, das hatte er früh beschlossen. Er wusste nur überhaupt nicht, wie es sonst weitergehen konnte. Er würde Remus jedenfalls keine Stunden mehr geben. Nicht Remus, nicht Remus verdammt! Diesem Lupin. Diesem Lupin würde er also keine Stunden mehr geben. Diesem Lupin mit der weichen Haut, die den Ton von Elfenbein hatte, und den Lippen wie sterbende Schmetterlinge... diesem Lupin, der seine Küsse erwidert hatte. Severus hob seinen Kopf wieder und packte seine Schreibsachen zusammen. Er durfte seinen Gedanken nicht mehr freien Lauf lassen, das nahm einfach Überhand. Er würde sie einfach wegschließen, irgendwo in einem tiefen Loch und sie nie wieder herauslassen... als erstes sollte er sich bei Lucius entschuldigen. Lucius konnte für Ablenkung sorgen. Für Unterhaltung. Lucius konnte so etwas, und wenn er Crabbe und Goyle für sich wie Tanzbären kreisen ließ. Severus erhob sich, räusperte sich diskret. Ging auf Lucius zu. Wenig später spazierten sie den Innenhof entlang, in Diskussionen versunken. Einfach wegschließen. Es war leicht. Das musste er sich nur lange genug einreden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)