Vom Wolf und der Schlange von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 11: Veritaserum ----------------------- Remus betrachtete stumm seine Füße, wie sie sich in den Schnee versenkten und tiefe, farblose Spuren darin hinterließen. Severus kaute währenddessen an einem großen, gedanklichen Klumpen, der sich in den Windungen seines Gehirns festgesetzt hatte. Er versuchte verzweifelt, sich von seinen Schuldgefühlen zu befreien. Er suchte nach Worten, um Remus zu erklären, dass sie doch noch zusammen Lernen könnten und dass er Remus - für einen Gryffindor - eigentlich gar nicht so übel gefunden hatte, aber er fand keine. Das mochte an der einfachen Tatsache liegen, dass er selbst nicht daran glaubte. Es schien einen kleinen Teil in seinem Kopf zu geben, der die Aussprache dieser Dinge einfach unterdrückte. Severus hätte Unmengen dafür gegeben, zu wissen, was Remus gerade dachte. Eigentlich wollte er es gar nicht. Remus wollte, wenn er genauer darüber nachdachte, nicht hier mit Severus so gemütlich durch den Schnee spazieren, als wäre gar nichts geschehen. Es machte ihn ziemlich mürbe. Er war ja normalerweise immer ziemlich ruhig, aber er konnte nicht so ruhig sein, wenn Severus in der Nähe war. Er fühlte sich dann so... aufgeregt. So unkontrollierbar. Unkontrollierbar war das ja auch gewesen, in der Bibliothek. Er hatte das Gefühl, innerlich zu zittern, wenn er daran zurück dachte. Der Gedanke daran machte ihn ganz warm und kribbelig, und das war einfach nicht gut. Immerhin war Severus... ...hetero. Es konnte doch nicht so schwer sein, einfach nur ganz normal zu sein. Aber passierte "normalen" Jungen so was wie damals in der Bibliothek auch? Mussten die auch dauernd an andere Jungen denken? Hatten die das furchtbare Bedürfnis, einen anderen in den Arm zu nehmen? Konnte man mit Remus etwas anderes machen, als ihn in den Arm zu nehmen? Severus fühlte einen Seufzer in seiner Kehle aufsteigen. Remus war so süß, und warm, und so zerbrechlich... vielleicht war es ganz normal, ihn in den Arm nehmen zu wollen. Er roch und schmeckte doch so gut... Severus ließ sich davontragen von diesem warmen Rieseln in seinen Adern, das auch den Klumpen in seinem Gehirn irgendwie aufzuweichen schien. Wahrscheinlich weichte er alles ziemlich auf, denn Severus blieb auf einmal stehen. Remus tat dasselbe und sah Severus das erste Mal fragend an. "Remus, ich..." Remus konnte nicht umhin festzustellen, dass es irgendwie schön klang, wenn Severus seinen Namen aussprach. So, als würde dieser irgendwas bedeuten oder als hätte er ihm etwas wirklich Wichtiges zu sagen. So, wie der Anfang zu einem Gedicht vielleicht. Er hörte zu. Er hatte ja eh gerade nichts zu sagen. "..ich war'n ziemlicher Idiot, oder?" Kam diese glorreiche Erkenntnis gerade von dir, du großer Entdecker? Seit wann hatte Severus eine fiese kleine Stimme in sich?! Severus runzelte irritiert die Stirn. Das hatte er auch eigentlich nicht sagen wollen. Aber wenn er Remus so ansah, schien es irgendwie gestimmt zu haben. Was ihn noch mehr irritierte. Ihn irritierte gerade sowieso alles. "Ich...ich weiß selber nicht richtig, was los war... ist... ich... äh." ...Ich sollte mich kürzer fassen. "Ich hätte nicht weglaufen sollen oder so, aber ich weiß gar nicht richtig, was ich eigentlich sonst hätte tun sollen, ich meine, ich weiß gar nicht so richtig, was ich will, das heißt, doch, das weiß ich eigentlich schon, aber vielleicht will ich es einfach nicht wissen und..." Severus unterbrach seinen Redeschwall wieder, als er in Remus Augen sah, mehr aus Versehen. "Tut mir leid." Meinte er und ließ den Kopf hängen. "Was willst du denn?" Es kostete Remus eine ganze Menge, diese Frage zu stellen und seine Stimme klang auch so angestrengt. Severus sah zur Seite. "Ich weiß nicht..." Remus holte tief Luft. "Gerade eben hast du gesagt, du weißt es. Also.. was ist es?" Eigentlich wollte er es gar nicht wissen, aber er hatte sich schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt, wie es schien. Er konnte nicht mehr zurück. Wieder entstand eine Stille zwischen den beiden, aber diesmal war sie davon bestimmt, dass Remus Severus ansah und Severus seinen Blick mied, weil irgendetwas Schlimmes passieren würde, wenn er das nicht tat. Severus studierte seine Schuhe, den Schnee, die Spuren die sie hinterlassen hatten, die weißen Schneeflöckchen auf Remus' dunklem Festumhang, die Sterne neben Remus' Haar und... da waren sie. Unausweichlich wie bernsteinfarbene Magneten. "....Dich." Er hatte gewusst, es würde etwas Schlimmes passieren. Bis jetzt allerdings war es nicht schlimm. Eigentlich sogar ganz angenehm, die sachte Berührung zweier Lippen auf seinen, fragend und ganz vorsichtig, als hätten sie Angst, wieder weg gestoßen zu werden. Aber er konnte Remus jetzt nicht wegstoßen. Nicht, nachdem sowieso alles vorbei war. Er hatte es gesagt, und das hieß, dass er nichts rückgängig machen konnte, nichts von dem, was passiert war und vielleicht war es da einfach besser er ergab sich und... genoss. Remus stand einfach nur da und spürte den sanften Druck von Severus Lippen, als sich plötzlich eine Hand um seinen Nacken schloss, ebenso fragend und sanft wie seine Lippen gewesen waren, als könnte sie irgend etwas kaputtmachen. Ein sanfter Druck mit seinen Fingern und schon bald klammerten sie sich aneinander wie zwei Ertrinkende, wankten leicht unter ihrem eigenen Sturm und blieben doch fest stehen, unfähig, sich zu regen, unfähig, sich zu lösen. Severus hielt Remus fest und erstaunte milde darüber, wie schön es sich anfühlte, Remus so zu halten. Es war anders als in der Bibliothek. Es war ruhig und bestimmter und er konnte es viel bewusster wahrnehmen. Er (oder besser gesagt, sein Körper) hatte die alte Erinnerung willkommen geheißen und er hatte festgestellt, dass ihm nicht bewusst gewesen war, wie sehr er darauf gewartet hatte. Remus schmeckte so weich und süß wie er sich anfühlte, nach Honig und Abendwind in Herbstblättern. Sein Duft - ein wenig wie alte Bücher und frisch gewaschene Wäsche - vermischte sich mit dem klaren Geruch des fallenden Schnees um sie herum. Remus schien eine Art Wärme auszustrahlen, stärker als sonst, die Severus ummantelte und ihn nicht frieren ließ, trotzdem der Schnee in kalten, kleinen Flocken auf sie nieder rieselte. Severus war überrascht gewesen, als er den bestimmten Griff von Remus' Händen auf seinen Schultern fühlte. Sie waren sanft, aber es schlummerte eine Art verborgene Kraft in ihnen. Severus wusste, was es war - das war der ruhende Wolf, der Schuld daran war, dass Remus nicht halb so zerbrechlich war wie er wirkte. Diese heimliche Kraft und der Gedanke daran ließen Severus leicht erschaudern. Remus fühlte das winzige Zittern, das Severus' Rückgrat hinauf kroch, einfach, weil er ihm so nah war. Sein Griff lockerte sich ein wenig. Wie abgesprochen lösten sie die Verbindung ihrer Lippen. Remus machte ein kleines, unwilliges Geräusch, ein unbewusster Laut. Er wollte das Gefühl der Wärme und diesen furchtbar anziehenden Geschmack nicht verlieren. Er blinzelte und vor seinen Augen tauchte Severus auf. Seine Wangen sahen aus, als wäre ihm ziemlich warm, trotz der Kälte, und in seinem schwarzen Haar lagen kleine Flecken weißen Schnees. Remus schmunzelte und zupfte eine Schneeflocke aus Severus' Haar. Severus hob eine Hand und strich mit dem Daumen über Remus' Augenbraue. Remus hielt ganz still, obwohl ihn diese Berührung irritierte. Es fühlte sich seltsam an, von Severus berührt zu werden. Remus wurde allgemein nicht gern berührt. Er schreckte davor zurück, immer schon. Seltsam. Aber schön. Es fühlte sich unerklärlich gut an. Er vergrub seine Hände in Severus Haar, seine schlanken, langen Finger verfingen sich darin und er löste sie vorsichtig wieder. Er berührte kurz Severus Nacken, seine Schultern, seinen Hals, während er spürte, die Severus Finger vorsichtig seine Gesichtszüge, die Rundung seines Halses, seine Haare erkundeten. Vollkommen versunken in das Spiel ihrer Finger standen sie nur da und studierten den jeweils anderen sorgfältig. Helles, goldenes Licht schnitt in den Schnee vor dem Portal. "Remus?!" durchdrang Sirius' laute Stimme die ruhige, intime Stille die die beiden verbunden hatte. Remus' Hand zuckte von Severus zurück, als hätte er sich verbrannt. "Remus, ich weiß dass du hier irgendwo bist!" Sirius hatte noch nie Probleme gehabt, eine Stille mithilfe seiner lauten Stimme einfach so zu beenden. Severus packte kurz entschlossen Remus' Kragen und zog ihn an eine dunkle Stelle der Schlossmauer. Ihre Lippen trafen sich in einem atemlosen Kuss, Remus hielt seine Hände fest verschränkt in Severus' Haar, als wolle er ihn nie wieder los lassen. Der Moment verging allerdings viel zu schnell, und Severus stand allein, schwer atmend, gegen die Mauer gelehnt. Remus trottete hinter dem Schloss vor, eine vollkommen indifferente Miene ziehend. Stillschweigend war etwas geschehen. Eine Abmachung war getroffen worden, etwas, das geheim und verborgen bleiben würde. Und Remus hatte Angst, aus irgendeinem Grund, als Sirius ihm einen schweren Arm um die Schulter legte und ihn nach drinnen zog. So war es nun mal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)