Tanzende Worte von abgemeldet (Magie der Worte) ================================================================================ Kapitel 8: Zigeunerdorf ----------------------- D er leicht beißende Geruch von orientalischen Räucherstäbchen stieg Samantha in die Nase, als sie den alten Wohnwagen betrat. Er war beinahe schon ein Relikt aus den Zeiten, als die Zigeuner noch zu hunderten die ganze Welt durchreisten und sehr angesehen waren. Doch schon seit mindestens dreihundert Jahren war ihre Zahl immer mehr zurück gegangen und ebenso war auch ihr Ansehen unter den Menschen gesunken. Heute tat man ihre Kultur und ihr uraltes Wissen nur noch als Ammenmärchen ab und zollte ihnen kaum noch Respekt. Doch dieses kleine Lager von Zigeunern, die es aufgegeben hatten zu wandern und die Länder zu bereisen, gab es tatsächlich. Der alte Wald mit seinen hohen Bäumen, seinen verschlungenen Pfaden und der noch fast unberührten Natur war zur Heimat der Ruhelosen geworden. Sie hatten sich auf einer kleinen Lichtung neben einer Wiese und einem Bach niedergelassen und hatten ihre Wohnwagen, wie schon früher, in einem Kreis aufgestellt. Spielende Kinder in altertümlich wirkender Kleidung rannten zwischen den alten Holzwagen umher, kreischten vergnügt und verschwanden lachend im Wald. Einige Frauen, deren meist lockigen langen Haare mit einem kunstvollen Tuch zurück gebunden waren, wuschen ihre Wäsche in dem klaren Wasser des kleinen Flusses während vor einem der Wohnwagen ein älterer Mann im Schatten genüsslich an seiner antiken Pfeife zog. Samantha liebte diese Atmosphäre. Sie hätte stundenlang einfach nur in der Mitte des Wagenkreises stehen können und den Zigeunern zusehen, wie sie ihr Leben lebten. Es erfüllte sie mit einer gewissen Ruhe und Zufriedenheit. Hier ging es nicht so hektisch und stressig zu wie in der Stadt, in der mehr oder weniger zivilisierten Welt. Es war beschaulich und trotz der scheinbaren Unordnung von vorne bis hinten durchgeplant. Jeder wusste was er oder sie zu tun hatte, auch wenn man sich bei den einzelnen Aufgaben ruhig mal Zeit lies. "Hallo Señorita!" Freudestrahlend rannte ein kleiner Junge, vielleicht 10 oder 12 Jahre alt, auf Samantha zu. "Hallo Enriko!" Auch Samantha lächelte den jungen Zigeuner an, der nun mit einem breiten grinsen vor ihr stand und sie vergnügt ansah. "Ich habe schon auf dich gewartet! Dachte schon du kommst uns gar nicht mehr besuchen ..." "Ach Quatsch! Versprochen ist versprochen." Wieder grinste Enriko und zeigte seine strahlend weißen Zähne. Seine schwarzen kurzen Locken glänzten im Licht der warmen Sonne wie dunkle Seide. "Dann erzählst du uns wieder Geschichten?!" Auffordernd nahm er die Hand der Studentin und wollte sie schon mit sich ziehen, als Samantha stehen blieb und sich nicht vom Fleck rührte. Verwundert sah Enriko sie an. "Tut mir leid Kleiner, aber ich habe nicht so viel Zeit. Ich wollte Saria besuchen. Ich habe eine Frage an sie bezüglich dieses alten Buches." Stumm deutete sie auf den dicken Wälzer, den sie sich unter den Arm geklemmt hatte. Enrikos Gesichtszüge erschlafften augenblicklich und wechselten die Stimmung. Nun sah er eher traurig als glücklich aus. Mit wehmütiger Stimme sagte er: "Schade, und ich hatte mich schon so gefreut wieder eine deiner Geschichten zu hören als ich dich hab kommen sehen ..." Niedergeschlagen lies er ihre Hand los und sah zu Boden. "Jetzt mach nicht so ein Gesicht wie 7 Tage Regenwetter!" Aufmunterst strich sie ihm durch die wirren Haare. "Ich versprech dir, wenn ich wieder Zeit habe, dann komm ich noch einmal vorbei. Und dieses Mal dann nur um euch wieder was zu erzählen, versprochen!" Augenblicklich hellte sich das Gesicht des spanischen Jungen wieder auf. "Gut!" Lächelnd und mit einem vergnügten Pfeifen auf den Lippen rannte Enriko wieder zu seinen Freunden, die außerhalb des Wohnwagenkreises auf ihn warteten. Lachend verschwanden sie am Ufer des Baches. Seit sich Samantha einmal hier her verirrt hatte, war sie immer wieder regelmäßig auf die Lichtung und besuchte die Zigeuner. Und seit einigen Monaten hatte sie damit begonnen, den Kleinen aber auch den Großen Geschichten, vor allem Mythen, zu erzählen. Durch ihr Studium kannte sie schließlich eine ganze Menge. Nicht selten erfand sie aber auch einfach etwas hinzu oder erzählte von der Stadt und den Menschen dort. Enriko hatte sich zu ihrem treusten und interessiertestem Fan entwickelt. Doch dieses Mal hatte sie keine Zeit. Sie hatte wichtigeres im Kopf. Im Inneren des Wohnwagens war es düster und ein bisschen stickig. Die Fenster waren mit dichten Vorhängen verdeckt und sperrten das grelle Sonnenlicht aus. In der Mitte des Raumes saß eine alte Frau auf einem kunstvollen Ohrensessel vor einem kreisrunden Tisch und sah die junge Frau mit einem wissenden Lächeln an. "Ah, Samantha, ich hatte dich schon erwartet ...", sagte sie mit leicht krächzender Stimme. Das war der Standartsatz von Saria Kalarmo, der 102 Jahre alten Wahrsagerin und Witwe. Schon bei ihrer aller ersten Begegnung, als sich Samantha hier her verlaufen hatte, hatte sie sie schon so begrüßt. Die Alte wurde ihrem Ruf als Wahrsagerin und Seherin in allen Punkten mehr als gerecht. "Hallo Saria." Leicht lächelnd setzte sich Samantha auf den ebenso alten Stuhl gegenüber der weißhaarigen Frau an den Tisch, legte das Buch auf ihren Schoß. Sie wollte es ihr erst etwas später zeigen. "Was führt dich dieses Mal zu mir?!" Wieder dieses Leise Lachen, dass Samantha an eine alte Hexe aus den Märchen erinnerte. Ihre weißblinden Augen musterten die junge Frau. Das hörte sich eigenartig und unlogisch an, aber trotz ihres fehlenden Augenlichtes konnte Saria sehen wie jeder andere Mensch auch. "Also wusstest du das nicht schon längst ..." Samantha schmunzelte. Sie fand, das die Alte ihre doch beträchtlichen geistigen Fähigkeiten viel zu oft herunterspielte. Dabei wusste Saria mehr wie alle anderen, das nicht jeder Tarotkarten so legen konnte wie sie. Außerdem konnte sie aus den Händen der Menschen lesen wie aus einem offenen Buch. Wieder dieses Hexenlachen. "Ja, da hast du wohl recht." Ihre knochigen Finger, die von einem langen und nicht immer leichten Leben berichteten, ordneten die großen Karten mit den verschiedenen Symbolen und Bildern darauf und legten sie auf die Seite. Der kleine kunstvoll geschnitzte Schrank wurde mit einem ohrenbetäubenden Quietschen geschlossen und verbarg ihre 'Augen in die Außenwelt', wie sie ihr Tarot, ihre Kristallkugel und das ihre anderen Hellsehersachen nannte. "Ich wollte dir ...-" Dich weiter kam Samantha nicht, die wurde von Saria unterbrochen. "Du kannst deine Freundin übrigens ruhig reinbitten. Ich habe nichts dagegen, wenn sie auch mit am Tisch sitzt. Sie muss sich da draußen auf der alten Linde ja schon zu Tode langweilen. Außerdem spielt sie bei deinen Fragen keine unwichtige Rolle, habe ich nicht recht?!" Diese frage brauchte keine Antwort, sie hatte natürlich recht. Samantha staunte trotzdem darüber, das Saria Tala bemerkt hatte. Sie war leicht geknickt, hatte sie doch gehofft, das die Wahrsagerin die Nemek nicht entdecken würde. 'Naja, da kann man nichts machen ...', dachte die junge Frau schulterzuckend, stand auf, öffnete die Wagentür und pfiff einmal kurz auf den Fingern. Der helle Ton hallte noch an den Stämmen der alten Bäume zurück, als Tala auch schon mit schnellen Sprüngen auf dem Treppenabsatz ankam und schnurrend um Samanthas Beine strich. "Ein schönes Tier.", sagte Saria, als sich Samantha wieder setzte und Tala auf ihren Schoß sprang. Das Buch lag nun auf dem weichen Teppichboden neben Samanthas Stuhlbeinen. "Sehr außergewöhnlich ..." Zittrig strichen ihre Finger über das kuschlig weiche Fell der katzenähnlichen Tala. "Na, sprich ..." Lächelnd sah Saria Tala an, die etwas verdutz aus dem Pelz schaute. Doch nach einem prüfenden Blick zu Samantha, die der Nemek zunickte, lies sie etwas zaghaft ihre helle Stimme vernehmen. "Es freut mich sehr ihre Bekanntschaft zu machen." Höfliche setzte sich Tala vor die Alte auf den Tisch und neigte leicht en Kopf. 'Sie hat ja auch Manieren ...', dachte Samantha hämisch und grinste in sich hinein. Sichtlich vergnügt zwinkerte Saria ihr zu und meinte: "Nenn mich Saria, Tala." In diesem Moment wäre ihr als eine der Letzten ihrer uralten Katzenrasse beinahe der Mund offen gestanden. Samantha, was ... Fast hilfesuchend sah Tala ihre Herrin an. Doch die schüttelte beruhigend den Kopf. Mach dir nichts draus. Sie weiß fast alles. Deshalb sind wir ja auch hier. "Und die Telepathie beherrscht ihr also auch, sehr interessant." Samantha lächelte Tala an, der nun wirklich der Mund offen stand und ihre spitzen Reiszähne zeigte. So war das eben mit Saria. Vor ihr konnte m an kaum etwas geheimhalten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)