Tanzende Worte von abgemeldet (Magie der Worte) ================================================================================ Kapitel 14: Vision ------------------ Langsam öffnete Samantha die knarrende Tür zu dem Wohnwagen der alten Wahrsagerin. Im Inneren brannte an jedem erdenklichen Fleck eine Kerze und erhellten den Wohnwagen großzügig. Doch der etwas aufdringliche Geruch der Raucherstäbchen war immer noch genau auszumachen, auch wenn Samantha keine brennen sah. "Komm näher Kind, ich habe dich erwartet ..." Saria sagte wieder ihren Standartsatz. Auch wenn es nicht immer ganz der Selbe war, kamen doch immer die Worte 'ich habe dich schon erwartet' darin vor. Samantha hatte schnell begriffen, dass es nicht nur eine Floskel war, sondern das Saria so etwas tatsächlich wusste. Sie besaß eben das 'allwissende Auge' wie sie ihre Gabe in die Zukunft zu blicken nannte. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen und dicht gefolgt von Tala trat Samantha in den Wohnwagen ein und verschloss die alte Tür hinter sich wieder. "Schön zu sehen das es dir gut geht, mein Liebes ..." Sarias Stimme klang etwas krächzend und auch unheimlich. Aber Samantha störte das nicht. Sie genoss es beinah, auch wenn sie es nie freiwillig zugeben würde, dass die Alte sie etwas bemutterte, so wie sie es mit allen anderen auch tat. Sie war das Oberhaupt, das älteste Mitglied der Zigeuner hier in diesem Wald. Ihre langen weißen Haare hatte sie unter einem feinen Netz aus schwarzen Fäden zusammengeflochten. Samantha setzte sich auf den Stuhl gegenüber von der Wahrsagerin und streife ihren schwarzen Mantel glatt. Wie immer war sie ganz in schwarz, nur die Silberkette mit dem Saphir in seiner kostbaren Fassung blitzen auf dem dunklen Untergrund ihrer Brust im flackernden Licht auf. Tala war einmal, zur Begrüßung, um Sarias Beine gestrichen und hatten sich kurz von ihren ausgezehrten Händen kraulen lassen, ehe sie sich neben Samanthas Stuhl auf dem Teppichboden eingerollt hatte. Saria Kalarmos bleiche Augen sahen Samantha eindringlich an. Doch die hielt dieser lautlosen Musterung ihres Äußeren und auch ihres Geistes stand. Schließlich meinte Saria seufzend, während sie ihre alten vergilbten Tarotkarten aus ihrem Schränkchen holte: "Es ist lange her seit ich einen Beschützer das letzte Mal gesehen habe. Und auch der, wie die meisten anderen auch, war ausgestopft gewesen." Sie spielte eindeutig auf Xeron an, der zwischen den dicken Stämmen der alten Linden auf dem Waldboden lag und wartete. Samantha hatte ganz gewusst warum sie sich nicht die Mühe gemacht hatte den Chimera besser zu verstecken. Saria hatte es wahrscheinlich ohne hin mit ihrem 'allwissenden Auge' gesehen oder wenn nicht, es auf sonst irgendeine Art herausgefunden. Doch Samantha staunte nicht schlecht über ihre Aussage, dass sie solche Geschöpfe wie Xeron kannte. "Ich wusste nicht, dass es sie immer noch gibt oder jedenfalls bis vor kurzem noch gegeben hat ..." In aller Seelenruhe mischte Saria weiter die Karten. "Du weißt noch von vielem nichts, aber das wirst du wohl selbst schon erkannt haben. In der Tat, es wird wohl noch ein paar Exemplare geben, die noch aus lebendigem Fleisch und Blut sind. Aber sie sind über den ganzen Planeten verstreut, leben in den unwirtlichsten Gebieten und müssen jeden Tag ihren Göttern auf Knien danken, das sie Menschen sie nicht entdeckt haben. Es ist unwürdig ..." Traurig senkte Saria ihren Blick, lies für einen Moment ihre Hände ruhen und schüttelte betroffen den Kopf. "Aber wie ich sehen konnte hast du ihn aus seinem Gefängnis am Himmel befreit. Gut, gut ... Ich wusste das du diesen Teil der Prophezeiung mit Hilfe deiner Freundin da unten erfüllen könntest." Mit einem kurzen Kopfnicken deutete sie auf den Boden rechts von Samanthas Stuhl. Ohne Zweifel hatte sie Tala damit gemeint. Saria, ich bitte dich, zeig ihr was Xeron zu verhindern versucht ... Tala hatte die fehliche Bitte telepathisch an die alte Hellseherin übermittelt. Doch die schüttelte, ohne das Samantha es sehen konnte, den Kopf. 'Tut mir leid du altes Geschöpf, aber es ist mir verboten anderen etwas über ihre Seele zu berichten. Und das weißt du auch. Sie wird es wohl selbst herausfinden müssen ...' Sie war sich sicher, das Tala diesen Gedankengang gelesen hatte. Unbeirrt fuhr sie fort die Karten zu mischen. "Aye ... das hatte ich nicht erwartet ..." Grübelnd beugte sich Saria über das verworrene und in Samanthas Augen total chaotische Legesystem der 78 Tarotkarten. Sie kannte zwar die Bedeutung einiger Karten, aber angesichts eines gesamten Decks war sie hilflos überfordert. Deshalb wagte sie es auch nicht Saria in irgendeiner Weiße zu stören. Mit angestrengtem Blick und äußerst aufmerksam folgte sie Sarias linker Hand, die mit erfahrenen Bewegungen auch die letzten Karten sorgfältig auf dem ganzen Tisch auslegten, bis von der goldbestickten schwarzen Tischdecke kaum noch etwas zu sehen war. Und als Saria damit begann die Karten nacheinander zu deuten und dabei leise vor sich hin murmelte, wurde es Samantha immer unwohler zu mute und sie konnte kaum noch still sitzen bleiben. Aber sie wusste, wenn sie sie jetzt unterbrechen würde, würde sie das nur in ihrer Konzentration stören und sie müsste noch länger auf eine Antwort warten. Schließlich lehnte sich die alte Frau z6urück an die Lehne ihres alten Ohrensessels und seufzte beinah erschöpft auf. "Du hast ein interessantes Leben gehabt ..." Samantha stockte der Atem bei den Worten der Wahrsagerin. "Wie ... meinst du das? Ein interessantes Leben gehabt?? Sterbe ich denn bald?" Ihr Herz begann beinah unkontrolliert zu rasen und ihr stand der Angstschweiß in feinen Tröpfchen auf der Stirn. Ihre Hände krallten sich verkrampft in den schwarzen leicht glänzenden Stoff ihrer langen Hose. Sie hatte eigentlich nicht vorgehabt in naher Zukunft das Zeitliche zu segnen. Doch Saria winkte ab. "Nein, du wirst nicht sterben, jedenfalls nicht in den nächsten Jahrzehnten." Sie legte eine kurze Pause ein und sah Samantha mit einem leichten Lächeln an. Der war ein riesen Steinbrocken vom Herzen gefallen das sie bangen müsste man hätte den Aufprall gehört. ""Ich wollte dir keinen Schrecken einjagen, wirklich nicht. Ich sprach von deinem früheren Leben, das im alten Ägypten. Dein Leben als Serana, der Hohlenpriesterin von Ischtar." Mit einem fast un merklichen Zittern deutete Saria auf die Karten im Zentrum des komplizierten Legesystems. "Das ist das 'Gericht', in deinem Fall steht es für Reinkarnation. Ich denke, diese Karte spricht für sich ..." Ihr linker Zeigefinger deutete auf die 'Hohepriesterin'. Samantha nickte. Die Alte brauchte ihr nicht mehr dazu erklären, denn in dem Zusammenhang zählte nicht die genauere Bedeutung der Hofkarte. Es reichte völlig aus, denn das Zentrum beschrieb das Wesen und die Natur der Person über die die Karten ausgefragt wurden. Also hatte Samantha tatsächlich noch immer die Aura einer Priesterin an sich. Natürlich! Seelen verändern sich nicht, auch wenn sie noch so lange auf ihre Wiedergeburt gewartet haben ... Talas Stimme klang hell und vertraut in Samanthas verwirrten Gedanken. Schon wollte sie wieder zu einem vernichteten Gedankengang ansetzten, doch dann lies sie es. Sie konnte es Tala nicht verübeln, sicherlich hatten sich Serana und sie immer so unterhalten wenn andere Menschen anwesend waren. 'Die Macht der Gewohntheit ...', dachte Samantha seufzend und widmete sich dann wieder ganz Sarias Erklärungen der Karten. Letztendlich deutete sie auf zwei Karten, die übereinander lagen. Ihr Gesicht verdunkelte sich und sie sagte mit einer unheimlichen Stimme, die Samantha an ihr noch nie gehört hatte düster: "Und schließlich die Umstände deines, Seranas Todes. Das hier sind die Zehn der Schwerter. Sie bedeuten diesem Fall Opfer, Hinterhalt, Schmerz und Hass auf sich ziehen. Und das ist die Königin der Kelche. Sie steht für Missgunst, Neid, Hass und falsche Schlange." Saria sah Samantha abwartend an und blickte dann auch kurz auf Tala, die auf Samanthas Schoß gesprungen war um auch zu sehen, was die Zigeunerin da gelegt hatte. Ihre Augen waren schreckgeweitet. 'Oh mein Gott, die Karten sprechen tatsächlich die Wahrheit. Und trotzdem hat sie die dunkle Seite von ihrer Seele nicht mitgelegt ...' Talas Schanz zuckte unwillig und nervös hin und her. Samantha bemerkte es nicht. Sie war ganz mit den Karten geschäftig und damit Sarias Worten zu lauschen und jedes einzelne in sich auszusaugen wie ein gieriger Schwamm. "Wie du dir denken kannst Kind wurdest du von einer missgünstigen und von Neid zerfressenen Frau, der 'falschen Schlange', durch einen Hinterhalt getötet." Saria schwieg einige Sekunden und setzte dann hinzu: "Ich denke du weißt, was es heißt ..." Samantha nickte langsam. "Natürlich, Geschichte kann sich wiederholen ..." Schmerzlich schossen ihr die Gesichter von Hanna, Tamara, Rina und besonders das von Silvia durch den Kopf. Würden sie wirklich so weit gehen und ihr ernsthaft etwas antun, sie vielleicht sogar umbringen? Samantha schüttelte entschieden den Kopf, das war doch blanker Unsinn was sie da dachte! Und doch wurde ihr Angst und Bange bei dieser Vorstellung. Schnurrend und mit dem festen Willen Samantha von ihren düsteren Gedanken abzubringen schmiegte sich Tala an ihre Brust und schnurrte. Mit einem steinharten Gesicht, das keine Emotionen zu zeigen schien, sammelte Saria die Karten auf dem Tisch wieder ein. Und während sie sie wieder in ihrem Schrank verstaute, die bemalten Türen schloss und den Schlüssel herumdrehte sagte sie: "Quäle dich nicht mit diesem Wissen Samantha, du weißt nicht ob du es nicht noch ändern kannst. Schicksal ist eine vielseitige Sache. Wir können uns entweder in unseren Zimmern verkriechen und uns ihm ergeben oder wir können hinaus in die Welt gehen und unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen." Mit einer Geste, die Samantha sie sehr an ihre eigene, schon seit ihrem achten Lebensjahr verstorbene Großmutter erinnerte fasste Saria nach Samanthas Hand, die bleich und blutleer auf der Tischplatte lag. Ihre alte und mit Falten überzogene Hand fühlte sich warm und doch kühl auf ihrer eigenen an und schenkte ihr ein unerwartet starkes Gefühl von Zuneigung und Trost. "Denk immer daran, wer nicht bereit ist für eine Sache zu kämpfen, hat schon verloren." Doch als Saria Samantha anlächelte, fuhr sie plötzlich zusammen. Schmerzverzerrt war ihr Gesicht und sie zog schnell ihre Hand von Samanthas weg als hätte sie einen Stromschlag erhalten. Besorgt sprang Samantha auf, ungeachtet der erschrocken Tala die bei dieser plötzlichen Bewegung von ihrem Schoß rutschte. "Saria, was hast du? Hast du Schmerzen? Geht es dir nicht gut? Soll ich Hilfe holen?" Panik, Hilflosigkeit und ein unerklärliches Schuldgefühl kämpften in Samantha um die Oberhand und liesen ihren Puls sprunghaft in die Höhe schnellen. Doch bevor sie aus dem Wohnwagen springen konnte um die anderen zur Hilfe zu rufen, hatte sich Saria wieder gefangen. Beschwichtigen und sanft sagte sie: "Keine Angst Samantha, es ist schon vorbei. Es war nur ein kurzes Stechen und ist schon wieder weg. Das ist in meinem Alter nun einmal so das der Körper nicht mehr so mitmachen will wie man es gern hätte. Nun beruhige dich." Samantha war noch immer ganz aufgewühlt. Doch langsam, in kleinen Schritten, beruhigte sich ihr Herz wieder und die Panik verlies ihren Körper wieder. "Sicher, das es dir wieder gut geht? Soll ich nicht vielleicht doch die anderen holen?" "Nein nein, ich sagte doch schon das es wieder vorbei ist. Aber trotzdem solltest du dich jetzt auf den Heimweg machen ..." Langsam und unter leisem Ächzen erhob sich Saria aus ihrem Stuhl. Samantha hatte sie nur selten stehend sehen und sah ihr besorgt entgegen. Doch die nur 1,58m große Frau wehrte entschieden ihre helfenden Hände ab als Samantha sie stützen wollte. "Lass nur, ich schaffe das schon. Der Tag muss erst noch kommen an dem man mich wie eine gewöhnliche hutzelige alte Greisin stützen und durch die Gegend tragen muss!" Amüsiert zwinkerte sie Samantha zu und ging, für ihr Alter noch sehr beschwingt, mit Samantha und Tala zu der Tür ihres alten Holzwohnwagens. Sie verabschiedeten sich kurz und schon waren Samantha und die Nemek draußen in der Dunkelheit hatten schon einige Schritte auf die Waldgrenze zugemacht, rief Saria sie noch einmal zurück. "Was ist?", fragte Samantha als sie sich umgedreht hatte. "Lass mir den Chimera ein paar Tage da, ich möchte mich mit ihm unterhalten." Samantha stockte und sah Tala fragend an. Die meinte leidenschaftslos: "Schau mich nicht so an, es ist ganz die Entscheidung von dir und Xeron ..." Und als hätte er es vorhergesehen, stand Xeron auch schon neben Samantha. Die fuhr vor Schreck zusammen als sie seinen feuchtwarme Nase an ihrer Hand spürte. "Wenn ihr beide es wünscht, werde ich einige Tage hier verweilen, doch wenn ihr in Schwierigkeiten seit müsst ihr es mit sofort mitteilen." Xerons blaue Augen funkelten im Licht der unzähligen Sterne am dunkelblauen Nachhimmel. "Gut, dann bleib hier im Wald. Und wenn du zurück kommst, dann tu das in der Nacht." Schnurrend streifte Xerons Kopf Samanthas Hand als er zu Saria hinüber ging und sich neben die Treppe, auf der die alte Witwe stand, hinsetzte. Samantha seufzte und schüttelte lächelnd den Kopf bevor sie sich umwandte und im Gehen meinte: "Dann sehen wir uns in einigen Tagen wieder Xeron! Auf Bald Saria!" Und kaum waren die Worte verklungen waren Samantha und Tala auch schon im Wald verschwunden. Xeron sah zu Saria auf und die erwiderte seinen Blick. "Du hattest eine Vision ehrenwerte Saria?", fragte er in ungereimter Form mit seiner tiefen Stimme. Die Alte nickte und in ihrem Gesicht machten sich dunkle Schatten breit. "So ist es. Sie wird sterben ..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)