Wer braucht schon Psychologie?! von Niemue (Andrew und Nuka) ================================================================================ Kapitel 9: Der Brief und dessen Auswirkungen -------------------------------------------- Der Brief und dessen Auswirkungen Nuka saß mit einem vollkommen ausdruckslosen Gesicht in einem Sessel und musterte Andrew, der konzentriert auf ein Blatt Papier starrte. Die Vorladung. Der Brief. Weil Nuka ziemlich angespannt war, nahm er nur am Rande wahr, dass Andrew mit der Lesebrille, die er sich eben aufgesetzt hatte, unglaublich süß aussah. Solche Gedanken gehörten jetzt nicht dorthin. Sie hatten seit ungefähr einer halben Stunde ihr Abendessen beendet. Es hatte Soljanka zur Vorspeise, Schaschlik als Hauptgang und zum Nachtisch russische Apfeltorte -wobei sie von dem Kuchen jeweils nur ein Stück gegessen hatten, damit sie für den nächsten Tag noch etwas für das Mittagessen hatten- gegeben. Sie hatten zusammen den Abwasch gemacht und sich um ein wenig zu Reden ins Wohnzimmer gesetzt. Dann hatte Nuka seinem Psychologen wortlos den Brief gegeben. Auch jetzt sagten sie kein Wort. Andrew schien über den Brief nachzudenken. Er las nicht mehr; seine Augen bewegten sich nicht. "Du erwartest, dass ich mit dir da hinfahre? Das ist in Colorado?" Nuka lehnte sich leicht zurück. "Nein. Das erwarte ich nicht, ich erwarte, dass du einen Bericht über meinen Geisteszustand schreibst, den ich vorlegen kann. Das dürfte genügen." Andrew hob den Blick. "Glaubst du, dass das reicht?" Nuka nickte. "Es ist nur der Form halber. Ich denke, das ist nicht sehr wichtig." Ein ungläubiges Schnauben war Andrews Reaktion. "Nicht sehr wichtig?! Natürlich ist das wichtig! Das könnte erreichen, dass man dich endgültig entlässt! So etwas ist verdammt wichtig!" Nuka seufzte auf und schüttelte den Kopf. "Es geht auch ohne deine Hilfe, glaube mir. Es gibt Beweise, die mich entlasten!" "Beweise, die vor fünf Jahren noch nicht da waren?!" Nuka erhob sich und ging leicht aufgebracht durchs Wohnzimmer. "Ja! Ein Zeuge ist aufgetaucht, der mich entlasten wird! Glaube mir, es ist nicht nötig, dass du dir so einen Aufwand machst! Verstehe mich bitte, ich will nicht, dass du mitkommst. Du solltest dich um Rob und um deinen anderen Patienten kümmern. Bitte, Andrew. Verstehe das." Ein Seufzen, das ihn erleichtert aufatmen ließ, kam als Antwort. "Ich weiß zwar nicht, warum du das nicht willst, aber wenn es unbedingt sein muss..." Nuka nickte und lächelte dankbar. "Danke sehr, Drew. Das ist mir alles sehr wichtig." Der Psychologe winkte ab und lehnte sich im Sessel zurück. "Du musst am 17. da sein...das ist in fünf Tagen. Wann fährst du los?" "Morgen." "Du hast schon gepackt?" "Ja..." "Und du willst wirklich alleine fahren?!" "Jonas kommt mit. Ich habe ihn bereits gefragt." Ein kalter Blick traf ihn. "Gut, dann ist das geklärt." Nuka nickte leicht. "Ja...das ist es dann wohl..." Andrew fühlte sich mies. Er hatte die halbe Nacht nicht geschlafen, war am Morgen wegen einem Albtraum früh aufgewacht und hatte starke Kopfschmerzen. Außerdem fuhr Nuka nach Colorado. Und es war noch abzuwarten, ob er wirklich wiederkam. Wenn er keine Beweise dagegen fand...Dann würde der positive Bericht über seine Psyche noch mehr Probleme verursachen. Dann müsste er seine Strafe wirklich im Gefängnis absitzen. "Bläst du immer noch Trübsal?" Andrew sah auf und warf Rob einen etwas gereizten Blick zu. "Ich blase keinen Trübsal. Ich habe Kopfschmerzen." "Natürlich." Andrew schnaubte auf und nahm einen Schluck Orangensaft. Er war angespannt. Und das schlug sofort auf seine Laune. Nuka würde gleich vorbeikommen und sich verabschieden. Andrew hatte Angst vor diesen Moment. Dann wäre er wieder allein. Allein mit Rob, allein mit seinen Geldproblemen, allein mit der drohenden Gefahr seines Vaters und allein mit sich selbst. Und das war am schlimmsten. Er wollte nicht allein sein. Er wollte nicht nachdenken müssen! Er wollte tot sein, wenn er allein war. Denn das war nichts anderes für ihn. Dann würde er sich wenigstens nicht immer wegen allem Sorgen machen müssen. Andrew stöhnte leise auf und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. /Warum kann das alles nicht endlich ein Ende haben?! Ich bin es Leid, immer wieder vom Leben enttäuscht zu werden.../ Es klingelte an der Tür. "Das ist bestimmt Nuka..." Andrew stand auf und öffnete die Tür. Nuka sah ihm ungewohnt ernst entgegen. "Es tut mir Leid." Andrew runzelte die Stirn. "Was tut dir Leid?" "Das, was ich dir angetan habe. Die Küsse und all das...Es tut mir Leid, dass du dich darüber aufregst. Aber ich kann nicht anders." Andrew verstand. Doch er sagte nichts. Er nickte nur kurz. "Nuka! Bring mir was aus dem Gericht mit! Einen von den Hämmern, die die Richter immer haben! Klau einen für mich!" Ein Lächeln legte sich auf die Züge des Russen und er grinste, als er Rob, der aus der Küche gerufen hatte, antwortete. "Klar, Little! Das mache ich glatt für meinen Lieblingshosenscheißer!" Lachen erscholl aus der Küche. Der Psychologe fand es nicht komisch. Nuka war so vertraut. Er war in sein Leben gebrochen und gehörte nun bereits dazu! Wie ein Parasit, der sich in einen fremden Organismus eingräbt und ihn langsam übernimmt. Genauso fühlte sich Andrew. Übernommen. Gefangen. Krank. Vollkommen bewegungsunfähig. Er war sich sicher, dass sein Leben nie wieder so sein würde wie vorher, auch wenn Nuka nicht mehr wiederkommen würde. Der Russe hatte ihn geprägt. Und Andrew gestand sich ein, dass er mehr für Nuka empfand, als er für den Patienten empfinden sollte. Der Russe würde ihn nie wieder loslassen. Andrew wäre von den Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit gefangen. "Was denkst du?" Nukas tiefe, wohltuende Stimme ließ ihn aufblicken. "Wie das Leben ohne dich wohl aussehen würde." "Und? Ist es schön ohne mich?" Andrew schüttelte den Kopf und schlug die Augen nieder. "Nein...Es ist traurig und einsam. Trostlos und grau..." Nuka trat an ihn heran und legte seine Stirn an Andrews. "Übertreibe nicht, du kleiner Poet...So schlimm wird es nicht sein." "So schlimm würde es nicht sein! Du hast selbst gesagt, dass du eine große Chance hast, freigesprochen zu werden!" "Ja, du hast Recht, aber es könnte ja sein..." Andrew schüttelte abermals den Kopf und unterbrach ihn somit. "Reden wir nicht darüber. Ok? Du rufst mich an, wenn es irgendwelche Neuigkeiten gibt. Einverstanden?" Nuka nickte leicht und schenkte ihm ein warmes Lächeln. "Du bist wundervoll, Andrew." Er spürte, wie sein Gesicht langsam warm wurde. Da lief er doch tatsächlich rot an! Verlegen senkte er seinen Blick und starrte auf seine bestrumpften Füße. Nukas sympathisches Lachen ließ ihn wieder aufblicken. "Du hast schon wieder diese süßen Flecken im Gesicht!" Andrew fiel in das Lachen mit ein. Er wusste selbst nicht, warum. Wahrscheinlich nur um des Lachens Wille. Aber es löste die Spannung. Andrew seufzte ein wenig erleichtert auf und schloss kurz die Augen. Er wurde plötzlich ganz ruhig. Ihm wurde etwas klar. Und wenn Nuka wegfuhr, dann war er wieder allein. "Fahr nicht weg, Nuka, bitte." Ein Seufzen antwortete ihm. "Ich muss, Darling, ich muss." "Aber...Dann nimm mich mit!" "Andrew, hör mir zu. Es ist ziemlich viel passiert damals, ziemlich miese Dinger wurden gedreht. Ich war nie beteiligt, aber ich hatte viel mit den Leuten zu tun, die so etwas getan haben. Das meiste ist nicht gut ausgegangen. Und wenn die wissen, dass du zu mir gehörst, dann könnten die dir die Hölle heiß machen! Andrew, ich will meine Zukunft nicht mit meiner Vergangenheit zusammenbringen! Verstehst du?!" "Aber du nimmst Jonas mit!" "Ja...Aber Jonas ist mir auch nicht so verdammt wichtig, wie du es bist..." Stille breitete sich zwischen ihnen aus. "Nuka?" Der Russe sah auf. Andrew senkte sofort wieder seinen Blick und schüttelte leicht den Kopf. Er konnte es nicht ertragen in diese schönen, grünen Augen zu sehen. "Nein...vergiss es..." Eine warme Hand legte sich auf seine Wange. "Nein, sag es ruhig." Andrew presste seine Augen zusammen. Er spürte, wie ihm die Tränen aufstiegen, doch er schaffte es sich zurückzuhalten und seine Sorgen in den Hintergrund zu drängen. Er trat an Nuka heran und krallte sich an sein Hemd. Zwei Arme legten sich sanft um ihn und ließen ihn spüren, wie warm eine Umarmung sein konnte. "Wenn du wiederkommst...und ich bin nicht mehr da, dann...dann kümmere dich um Rob. Bitte." Nuka schob ihn verwirrt von sich und sah ihm verwundert ins Gesicht. "Warum solltest du nicht mehr da sein?! Wo solltest du denn sein?!" Andrew seufzte auf. /Natürlich versteht er nicht...Wie könnte er auch wissen, dass ich wohlmöglich bald wieder bei ihm bin oder tot oder noch Schlimmeres...Ach, das ist alles so verfahren!/ "Vergiss es...Es ist nichts...Nur falls mir etwas passiert, ein Unfall mit dem Auto oder so etwas...Fünfzig Prozent der Toten in Kalifornien starben bei einem Autounfall und..." "Schon gut, Andrew. Ich werde mich um Rob kümmern. Du brauchst dich nicht herauszureden. Komm her..." Andrew lehnte sich dankbar an Nukas Brust und atmete den angenehmen, warmen Duft ein. /Wie kann ein Mann nur so gut riechen?! Ich dachte immer nur Frauen riechen gut...Ich hab wohl verloren.../ "Hmm...heute so zutraulich, Darling?!" Nukas Stimme an seinem Ohr ließ Andrew leicht erschauern. /Er ist so nah...Das gefällt mir nicht so richtig...Vielleicht wäre es besser wieder etwas Abstand zu gewinnen.../ Andrew räusperte sich leicht und versuchte sich von dem Russen zu lösen, was jedoch mit einem Lachen und einer kleinen Kitzelattacke vereitelt wurde. Schließlich resignierte Andrew. Mit einem Seufzen vergrub er sein Gesicht in Nukas Halsbeuge und genoss die leicht streichelnden Hände auf seinem Rücken. Er konnte ihn ja eh nicht aufhalten. Doch irgendwie ging ihm der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass er ihn auch gar nicht mehr aufhalten wollte. "Lässt du das auch zu, wenn ich wieder da bin oder muss ich dir dafür erst noch zwei Jahre den Hof machen?" Andrew zuckte leicht die Schultern. "Ich weiß nicht...Ich denke, die Zeit ist gut um nachzudenken...vielleicht für uns beide...was du an mir findest...was...ich an dir finde..." Nuka löste sich von ihm und sah ihn lächelnd an. Dann nickte er und verwuschelte ihm wieder die Haare. "Du hast Recht...Wir sollten einen klareren Kopf bekommen, damit wir uns wie erwachsene Menschen unsere Kriegspläne ausdenken können." Nuka grinste ihn an und zwinkerte. Andrew lächelte warm zurück. "Du bist lieb, Nuka." "Ja, und ich bin verdammt spät dran...Jonas sitzt wahrscheinlich unten und wartet...Ich sollte mich beeilen." Andrew stockte. Langsam runzelte er die Stirn. "Was...empfindest du eigentlich für Jonas...was empfindest du für mich?" Nuka seufzte leise und schloss seine Augen. "Das sage ich dir, wenn ich wieder da bin und wir beide über unsere...Gefühle im Klaren sind..." Andrew nickte, dann lächelte er wieder. "Pass auf dich auf, ja, Nuka?!" "Natürlich, Darling. Das werde ich. Pass du auch auf dich auf! Und wenn du irgendwelche Probleme hast, egal welcher Art, dann ruf mich an! Du hast meine Handynummer? Gut! Also denk daran, ich bin für dich da, wenn du Sorgen hast. Oder ruf mich an, wenn du nur reden willst! Deshalb werde ich dich wohl auch noch öfters anrufen. Ok?" Andrew nickte. Sie umarmten sich noch einmal, dann hetzte Nuka jedoch regelrecht die Treppen hinunter. Andrew hörte noch wie die Haustür vier Stöcke unter ihm ins Schloss fiel, dann schien sich alles im Nebel aufzulösen. Mit einem Mal fühlte er sich so einsam wie noch nie zuvor. Nuka hatte gewusst, dass es hart werden würde. Er musste sich alles noch einmal vor Augen führen und im Gerichtssaal erzählen. Alles. Die ganze Geschichte. Die ganze Vorgeschichte. Und das beinhaltete viel von seiner Privatsphäre. Eigentlich zu viel für seinen Geschmack. Aber es musste sein. Todd war Gott sei dank nicht da. Catherine hatte direkt nach ihm selbst ausgesagt. Wahrscheinlich um die Feinheiten haarklein zu überprüfen. Ob ihre Geschichte zusammenpasste. Nuka hatte während Catherines Aussage die ganze Zeit über den Kopf gesenkt. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. In die wundervollen, hellblauen Augen. Nach dem ersten Gerichtstermin musste er auf die Toilette gehen und sich zweimal übergeben. Und das nur, weil er kurz ihr rotes Haar gesehen hatte. Er wollte nicht mehr. Er starb vor Angst und Selbstmitleid, wenn er sie ansah. Alles tauchte wieder vor ihm auf! Wie er entsetzt und mit gebrochenen Rippen in ihrer Wohnung gestanden hatte, wie er wie wild um sich geschlagen und geschrieen hatte, als sie sie vergewaltigten. Vor allem wie Todd ihn danach vergewaltigte. Alles kam wieder hoch. In jedem Augenblick, in dem er ein kleines Stück von ihr auch nur einen Millimeter sah, spürte er die Sorge, die Angst die Schmerzen und die verdammten Demütigungen wieder. Und das alles in einer Sekunde. Alles auf einmal. Ohne Vorwarnung. Nuka wimmerte leise auf. Er lag auf dem Bett seines kleinen, etwas unordentlichen Hotelzimmers. Jonas hatte eben an der Tür geklopft, sich erkundigt, ob er etwas brauche. Er hatte nicht geantwortet und so getan, als wäre er nicht da. Dabei wusste er doch, dass es Mord war, wenn er dies alleine durchzustehen versuchte. Aber er wollte nicht Jonas. Er wollte Andrew. Seinen Darling. Sein süßes Fleckengesicht. Zitternd stieß er den Atem aus. Es schien ihm, als liege ein Lastwagen auf seiner Brust und schnüre ihm die Luft ab, breche ihm alle Knochen im Leib und zerriss ihm die Seele. Tränen liefen über sein bleiches, besorgniserregend krank aussehendes Gesicht und nahmen ihm die Sicht. Als ob er irgendetwas sehen würde außer die schrecklichen Bilder, die er versucht hatte zu verdrängen, die ihn nur in den Träumen heimsuchten und ihn nun auch hier erreichten. /Ich schaffe das nicht! Ich schaffe es nicht ohne ihn! Ich werde ihn anrufen...Ich werde ihn bitten zu mir zu kommen! Er wird mir helfen das durchzustehen!/ Seine Hände zitterten heftig, als er das Telefon vom Nachttisch nahm und eine ihm sehr bekannte Nummer wählte. Doch kurz bevor er die letzte Taste drückte, schüttelte er den Kopf. Er löschte die Nummer wieder und tippte stattdessen eine andere ein. /Bitte! Heb ab! Heb ab! Sei wieder für mich da! Oh Gott, bitte!/ Ein Klacken ließ ihn zusammenzucken. Es wurde abgenommen. "Thompson?!" Andrew wetzte mit vor Angst weit aufgerissenen Augen durch eine dunkle Gasse. /Verdammt! Warum muss ausgerechnet heute mein Auto nicht richtig anspringen! Warum muss ich es ausgerechnet heute in die Werkstatt bringen! Und warum kann ich mir ausgerechnet heute kein Taxi leisten?! So ein Mist!/ Er war gerade bei seinem Patienten gewesen. Nun war es später Abend. Er hatte beschlossen, nachdem man sein Auto abgeschleppt hatte, zu Fuß nach Hause zu gehen. Ein dummer Entschluss. Die Gegend war nicht gerade sicher. Doch das, war nicht das, was ihn solche angst einflößte. Jemand verfolgte ihn. Er warf einen verängstigten Blick nach hinten. Die Person war näher gekommen, jedoch konnte Andrew nichts erkennen. Es war nur eine Gestalt. Ein Schatten. Doch er kam immer näher. Andrew beschleunigte seine Schritte, fiel dann in einen Trab. Panik stieg in ihm auf und ließ ihn immer wieder Blicke über die Schulter werfen. Laute Schritte, die plötzlich ganz nah hinter ihm waren, veranlassten, dass er noch schneller lief, nun schon rannte. Er rannte um sein Leben. Bilder tauchten vor ihm auf, wie er als kleiner Junge durch kalte, unpersönlich eingerichtete Flure lief, weinend, mit zerrissener Kleidung. Er verscheuchte die Gedanken daran. Ein lautes, schadenfrohes Lachen erscholl hinter ihm. Andrew stoppte erschrocken. Vor ihm war eine Mauer. Dicker Backstein. Keine Möglichkeit das Hindernis zu umgehen oder zu überwinden. Er war eingesperrt. In die Falle getappt. /Verdammt! Was mache ich jetzt?!/ Mit einem Wimmern drehte Andrew sich um und sah die Gestalt an. Eigentlich war der Mann schon so nah, dass er etwas hätte erkennen sollen, doch so war es nicht. Andrew konnte die Dunkelheit, die die Person zu umgeben schien, nicht durchdringen. "Wer...Wer bist du?! Was soll das hier alles?!" Ein Lachen als Antwort. Ein Lachen, das ihm durch Mark und Bein ging. Ein Lachen, das er kannte! Im nächsten Moment wurde er gegen eine kalte Wand gedrückt. Die Gestalt drehte ihn um und hauchte ihren heißen Atem, der ihm vor Angst erschauern ließ, in seinen Nacken. Hände legten sich an seine Hose und versuchten sie hinunterzuziehen. Andrew presste seine Augen zu. Er schrie auf, versuchte sich zu wehren. Doch seine Hände wurden einfach nur verdreht und über seinem Kopf gegen die kalte Wand gedrückt. Ganz einfach, wie Spielzeug. "Nein...hör auf! Was tust du?! Hör auf damit!" Lachen erscholl wieder, doch dann kam eine Antwort. "Etwas, das ich schon immer tun wollte..." Andrew erstarrte. Eine eiskalte Hand legte sich um sein Herz und presste es zusammen. Dieser Satz. Er kannte ihn, hatte ihn selbst gehört. Diese Stimme... Langsam drehte er den Kopf, versuchte das Gesicht des Mannes zu sehen. Nun erkannte er alles. Entsetzen lähmte ihn. Braune, unordentliche Haare, ein schmales Gesicht mit großen, dunkel blauen Augen, eine kleine Stupsnase, ein kleiner Mund. Sein Gesicht! Andrew schrie entsetzt auf. Andrew schrie entsetzt auf und fuhr im Bett hoch. Er schlang seine Arme um seinen Oberkörper und wimmerte gepeinigt. Seine Augen starrten starr nach vorne an die Wand. Seine Haut war von einer Gänsehaut überzogen. /Nicht schon wieder! Immer dieser Traum! Nein!/ Andrew musste würgen. So schnell er konnte sprang er aus dem Bett und rannte zur Tür. Er prallte schmerzhaft mit der Schulter und dem Fuß gegen den Türrahmen, hinkte durch den Flur ins Badezimmer. Er übergab sich im Klo, schmeckte bittere Galle in seinem Mund. Bebend und mit gebeugtem Kopf blieb er vor dem Klo hocken. "Drew...? Was ist denn los?" Andrews Körper bebte ein wenig. Robs leise, zaghafte Stimme riss ihn aus seiner Starre. Er wischte sich flüchtig mit der Hand über den Mund und wandte sich zu seinem kleinen Bruder um. "Es ist nichts, Robbie. Geh...geh wieder schlafen...Mir geht es gut...Es ist nichts..." Rob kniete sich neben ihn und musterte ihn mit gerunzelter Stirn. "Du hast doch was..." Andrew schüttelte entschieden den Kopf. "Es ist nichts. Geh wieder schlafen." Er versuchte aufzustehen. Jedoch wankte er so sehr, dass Rob ihn stützen musste. "Natürlich geht es dir nicht gut! Du bist ganz heiß! Verdammt, du hast Fieber!" Andrew schüttelte den Kopf. Er hatte Kopfschmerzen, sah verschwommen. "Mir geht es gleich wieder gut, das ist nichts. Mach dir keine Sorgen." Rob ignorierte ihn einfach. Er schleppte ihn in sein Zimmer ins Bett und deckte ihn zu. "Ich hole das Fieberthermometer. Bleib liegen." Andrew blieb wirklich liegen. Er starrte fast apathisch an die Decke, war völlig in Gedanken versunken. /Es ist so lange her, dass ich so einen Traum hatte! Schon so lang her! Seit ich Nuka besser kenne, ist das alles weg! Gott...er soll wiederkommen! Ich brauche ihn! Ich bin vollkommen allein ohne ihn! Vollkommen einsam und schutzlos!/ In dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Nuka lehnte leicht zitternd an der Wand. Er hatte den Kopf gesenkt und wollte partout nicht aufblicken, nicht in Catherines Gesicht sehen, die ihn nach dem Gerichtstermin abgefangen hatte. "Nuka...Alles in Ordnung?" Nuka nickte leicht. Seine Lippen pressten sich zusammen. Er wollte nichts sagen, nicht reden. Er wollte ihr nicht in die Augen sehen. Wollte nicht alles noch einmal erleben. Er wollte einfach nicht!! "Nuka, du musst nicht mit mir reden. Wirklich nicht...Lass mich einfach nur reden. Ok?" Nuka gab ihr keine Antwort. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Sein ganzer Körper spannte sich an. /Sie wird mir die Schuld geben. Sie weiß, warum Todd das getan hat. Wegen mir. Ganz allein wegen mir...Gott, das werde ich nicht aushalten können!/ "Ich...weiß, dass hört sich jetzt komisch an, aber...sobald ich aufgewacht war, da galt mein erster Gedanke dir. Ich...Ich habe mir unglaubliche Sorgen um dich gemacht...Du hast gesagt, dass er...Todd...Ich will das nicht glauben! Er hat dir so vieles angetan! Und...Wir haben viel gemeinsam, was?!" Nuka hob den Kopf. Tränen liefen seine Wange hinab. Langsam realisierte er, was sie gesagt hatte. Sie hasste ihn nicht. Sie machte sich Sorgen um ihn. Er drängte die Bilder zurück und sah sie an. Ihr Lächeln ließ ihn alles um sich herum vergessen. Er sah sie wieder lächeln! "Nuka, du musst mir erzählen, wie es dir geht! Ich will wissen, wie es dir ergangen ist, was mit dir passiert ist...Vor allem, wer es geschafft hat dich davon zu überzeugen, dass deine Langhaarfrisur grauenhaft aussah." Ihr warmes Lachen ließ ihn aufatmen. Seine Muskeln entspannten sich wieder. Sie gab ihm keine Schuld. "Das war meine eigene Entscheidung. Die langen Haare wurden langsam unpraktisch..." Seine Stimme war rau. Ihm steckte ein Klos im Hals. Sie nickte und lächelte wieder. "Wo lebst du jetzt?" "In San Francisco, in einer Wohnung. Eigentlich müsste ich...im Gefängnis sein, aber da ich...sagen wir es mal so, ich habe einen Weg gefunden die Zellen ein wenig zu umgehen..." Catherine nickte. Ihre roten Locken wippten mit. Nuka wollte etwas sagen, er wusste selbst nicht genau, was. Etwas was seine Gefühle ausdrückte, dass er das alles nicht gewollt hatte, aber er brachte nichts heraus. Er konnte es nicht. Es hätte alles wieder aufgewühlt. "Catherine! Catherine kommen Sie! Ich bringe Sie wieder in ihr Hotel!" Ihr Anwalt hetzte auf sie zu und ergriff sie am Arm. "Noch einen Moment bitte. Sie sehen doch, dass ich mich hier gerade unterhalte!" Der ungeduldige Blick des Anwalts ließ Nuka aufseufzen. "Es ist in Ordnung, Catherine. Geh ruhig." Catherine lächelte ihm zu, doch dann begann sie in ihrer Tasche zu wühlen. Auf einem Zettel schrieb sie eine Telefonnummer auf. Ihre Telefonnummer. "Hier. Du kannst mich zu Hause anrufen. Ich bin umgezogen. Gib mir deine auch. Dann können wir uns gegenseitig anrufen." Nuka nickte und nannte ihr seine Nummer. Sie verabschiedete sich mit einem letzten warmen Lächeln. Dann war sie weg. Nuka seufzte auf und fuhr sich durch die Haare. "Jetzt brauche ich erst einmal meinen Andrew..." Er ging in sein Hotel, aß etwas mit Jonas und rief dann bei Andrew an. Doch niemand hob ab. /Nun ja, vielleicht sind die beiden ja unterwegs! Dann versuche ich es morgen wieder!/ Nuka lächelte in die Sonne. Er war frei. Frei wie ein Vogel! Man hatte die Anklage gegen ihn fallen gelassen! Und ihm seine Zeit im Gefängnis ersetzt. Er hatte Schmerzensgeld bekommen. Sein Lächeln wandelte sich zu einem breiten Grinsen. Mit dem Geld würde er Andrew schick zum Essen ausführen! Das hatte er sich fest vorgenommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)