Die Träne des Mondes von Hayami_Tetsu ================================================================================ Kapitel 1: Recall ----------------- Die folgenden kapitel hätten eigendlich schon mit dem Prolog draußen sein, hab aber Mist gebaut. Zu den beiden ersten Kommentaren: DSanke! Maha hält doch auch mit Tsukasa zwiesprache, ok miaut nicht, aber sollte ich schreiben er bewegt die lippenngeräuschlos? Egal. Mein prereader sagte, der Ernst des Prologs geht in den folgenden Kapiteln flöten^^. Schaut selber. Kapitel 1 Recall Pechschwarze Dunkelheit umhüllte mich. Ich konnte weder sehen noch etwas hören und an Bewegung war überhaupt nicht zu denken. Trotz größter Anstrengung bewegten sich meine virtuellen Gliedmaßen einfach nicht. Obwohl ich von Dunkelheit umgeben war fühlte ich Wärme auf meiner Haut. Diese Wärme war noch vor wenigen Monaten für die Programmierer von "The World" ein Traum gewesen; Fühlen wie in der "Realen Welt". Aber vor drei Monaten hatten sie den Durchbruch geschafft und eine möglichst realistische Welt kreiert. Jetzt konnte man z.B. die Feuchtigkeit von Regen auf der Haut spüren, Wärme von Lagerfeuern, Kerzen und Ähnlichem und sie hatten es doch tatsächlich geschafft den Duft von Blumen zu Digitalisieren, welche natürlich reißenden Absatz bei den Player-Characters hatten und so den PC-Händlern einen unsäglichen Reichtum bescherten. Aber dieser "Luxus" des Fühlens war bis jetzt noch nicht vollkommen, und hin und wieder konnte es passieren, dass man z.B. in ein Stück Brot biss, und es nach Pferdeäpfeln schmeckte. Ich hatte vorher natürlich noch nie Pferdeäpfel gegessen, aber so stellte ich mir ihren Geschmack vor. Ich lag oder stand nun in dieser licht- und geräuschlosen Umgebung, die nichts darüber aussagte, ob ich in einem Zimmer, einer Höhle oder überhaupt vorhanden war. Doch, etwas konnte ich hören, wenn ich mich darauf konzentrierte. Aber es war nur ein informationsloses und leises an- und abschwellendes Summen, das in meinen Kopf drang. "Was war geschehe?" Diese Frage schwirrte kreisend durch meinen Kopf. Ich wusste nichts mehr, konnte mich an nichts erinnern. Alles leer - NICHTS. Sollte mir etwa das gleiche Schicksal wie diesem Wavemaster Tsukasa bevorstehen, von dem alle noch vor einigen Monaten gesprochen hatten? Als ich vor etwas weniger als einem halben Jahr mit "The World" angefangen hatte, war ich noch ein blutiger Anfänger wie viele andere es schon vor mir gewesen waren. Ein Freund von mir, Kenji Honda, brachte mich zu "The World". Ich hatte den neuesten Computer, der auf dem Markt war und die schnellste Leitung im meinem Zimmer stehen, die es damals gab und bis dahin wohl nur bei den wenigsten 16 Jährigen im Zimmer stand. Mein Vater war viel in Sachen der Firma, für die er arbeitete, unterwegs, hatte aber immer seine Versprechen gehalten, bei meinem Geburtstag oder ähnlichen Ereignissen zu Hause zu sein. Außer an einem Tag, an dem er nicht kam. Für mich war es nicht schlimm gewesen, da dies meiner Meinung nach, jedem mal passieren konnte und es mir wegen meiner Vergesslichkeit häufiger passierte. Um sich zu entschuldigen schenkte er mir diesen Computer. Und obwohl ich nichts damit anfangen konnte, nahm ich ihn an, um meinen Vater nicht zu kränken. Ich war das einzige Kind unserer Familie und dadurch deren ganzer Stolz. Von meiner Mutter und meinem Vater wurde ich sehr verhätschelt und ich konnte behaupten eines der meist umsorgten Kinder Japans zu sein. Ich lernte Kenji kennen, als wir neu nach Tokyo gezogen waren, weil mein Vater zum Leiter eines Teilbereichs, im Hauptsitz der Firma, ernannt worden war. Der Hauptsitz lag natürlich in Tokyo - wieso sollten wir auch sonst dort hingezogen sein? In der Schule kannte ich niemanden und mich, das "Landei", wollte niemand kennenlernen. Davon konnte ich mich schmerzhaft an meinem ersten Schultag überzeugen. Vier Schulbekannte Schläger hatten noch vor der ersten Stunde in der Jungentoilette auf mich gewartet und bereiteten mir einen Empfang an meiner neuen Schule, den ich so schnell nicht wieder vergessen würde. Als ich mit Pinkeln fertig war, wollte ich mir die Hände waschen. Also beugte ich mich übers Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. In der nächsten Hundertstel Sekunde spürte ich nur wie mein Kopf nach vorne gegen etwas prallte, wahrscheinlich gegen den Spiegel, und ich einen brennenden Schmerz an meiner Stirn spürte. Ein roter Schleier legte sich über meine Augen und ich bekam nur nach Bruchstücke von dem mit, was in der nächsten Minute geschah. Ich torkelte und fiel zu Boden. Einer der vier Kerle sagte etwas wie: "Seht nach, wieviel Geld er dabei hat!" Ich konnte spüren, wie sie mich auf den Rücken drehten und meine Taschen durchsuchten. "Hier ist es." Sie schienen fündig geworden zu sein, aber kurz darauf hörte ich Schmerzensschreie. In dem Moment wusste ich nicht, ob ich derjenige gewesen war, der aufgeschrien hatte, weil sie mir noch ein paar Tritte verpasst hatten, oder ob jemand anderes verletzt wurde. Was dann passierte konnte ich nicht sagen. Ich wurde Ohnmächtig und wachte erst im Krankenzimmer wieder auf. Die Schulärztin kam und erzählte mir, dass mich ein gewisser Kenji Honda hergebracht und mich ohne etwas zu sagen aufs Bett gelegt hatte. Sie hatte mich sofort untersucht und als sie aufblickte war dieser Kenji verschwunden. Ich hatte ein riesiges Pflaster am Kopf und wusste nicht, ob die Wunde genäht worden war. Nach einem kleinen Koordinations- und Gleichgewichtstest wurde ich entlassen. Ich fragte bei meinen Mitschülerinnen, von denen ich mir mehr Freundlichkeit erhoffte als von meinen Mitschülern, wo ich Kenji Honda finden könnte. Aber sie guckten mich nur verständnislos an, als ob ich sie gefragt hätte, ob ich mit ihnen ins Bett hüpfen darf. Einige zeigten mir sogar einen Vogel und ich verstand nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, dass ich Kenji wohl oder übel alleine finden musste. Also irrte ich durch die Schule und hielt Ausschau nach einem Jungen, der wie ein Kenji Honda aussah. Wie ich so durch die Schule irrte und glaubte an dieser Stelle schon zum vierten mal vorbeigekommen zu sein, wurde mir klar, dass mein Orientierungsinn auch nicht der Beste war. Hatte ich schon erwähnt, dass ich ziemlich schusselig bin? Auf jeden Fall muss ich ziemlich hilflos ausgesehen haben, als ich die Treppe genau inspizierte, um herauszufinden ob ich schon einmal hier gewesen bin. Wenn nicht jetzt, dann bestimmt in einem früheren Leben. Ich stierte so vor mich hin, als mir gegen den Arm getippt wurde. Vor Schreck lies ich meine Tasche fallen und drehte mich langsam um, in der Erwartung noch ein paar Schläge abzubekommen. Aber vor mir stand ein Mädchen in Schuluniform, mit schulterlangen schwarzen Haaren, braunen Augen und lächelte mich an: "Dich habe ich hier ja noch nie gesehen. Du Bist anscheinend neu hier. Ich heiße Ikegami. Yuki Ikegami und du?" Sie trat ganz nah an mich heran und betrachtete aus nächster Nähe neugierig das Riesenpflaster auf meiner Stirn. "Das sind bestimmt Osamu und seine Idioten gewesen. Die können auch fast alles machen, was sie wollen und kommen ungestraft davon. Nur weil ihre Väter so hohe Tiere bei der Regierung sind. Das ganze Land geht einfach vor die Hunde." Ich verstand nicht und sagte: "Ich versteh nicht." "Halb so schlimm. Warum stehst du hier und gaffst durch die Gegend? Hast du keinen Unterricht?" "Du etwa nicht," fragte ich kleinlaut. Sie blickte auf ihre Uhr: "Oh, Mist ich komme wieder zu spääät!" Sie rannte die Treppe rauf und verschwand hinter einer Ecke. Drei Sekunden später tauchte sie wieder auf und rief von oben runter: "Du hast dich ja gar nicht vorgestellt. Wie heißt du eigentlich?" "Äh...Mitsuro. Mitsu..." "OK Mitsuro bis später," und noch während sie das gerufen hatte, war sie verschwunden. "...ro Negishi." Da stand ich wieder. Allein und verlassen. Wie Schlangen sofort nach ihrer Geburt auf sich allein gestellt sind, nur mit dem Unterschied, dass sie die dafür nötigen Gene hatten und ich nicht. Also fügte ich mich in mein Schicksal und trottete weiter meines Weges. Die Sonne schien und nur wenige weiße Wolken standen am Himmel. Auf dem Schulhof saß unter einer Buche, die ein wenig Schatten spendete, ein Typ mit schwarzrotem Zottelhaar, in einer zerschlissenen Lederhose, einem T-Shirt mit dem Cover einer J-Rock-Band und abgeschnittenen Ärmeln, Springerstiefeln und mit mehreren Nietengürteln und -bändern am Körper. Er hatte eine Kippe im Mundwinkel und sah nicht wie ein Schüler der hiesigen Schule aus. Von einer Schuluniform konnte ja keine Rede sein, aber dennoch entschied ein Teil meines Gehirns, der sich anscheinend für den Schlausten hielt, diesen Kerl in seiner Naivität für einen Schüler dieser Schule und einen besseren Informanten, als alle anderen Schüler dieser Schule zu halten. Obwohl ich bei seinem Aussehen eher Schläge zu erwarten hatte als von den vier, die mich vermöppt hatten, sagte mein Klugscheißergehirnteil anscheinend: "DAS ist der netteste Mensch, dem DU je begegnet bist, ABGESEHEN von deiner Mutter UND deinem Vater, ALSO FRAG IHN, WO DU KENJI HONDA finden kannst!" Kaum hatte mein Klugscheißer das gedacht, da hatte ich es schon ausgeprochen: "Weißt du, wo ich Kenji Honda finden kann?" Und kaum hatte ich das gesagt, erwachte mein rationaler Verstand, der sich in den seltensten Fällen bequemte und aus seinem Schönheitsschlaf zu erwachten und gesellte sich zu meinem Klugscheißer: "Na was hast du jetzt wieder angestellt. Wie soll dieser PUNK wissen, wer unter diesen 1300 Schülern Kenji Honda ist. Mal wieder nicht nachgedacht, oder?" Das war das letzte, was er sagte, bevor er wieder in seinem Dornrößchenschlaf verschwand - ohne ein kluges Wort oder einen guten Rat. Er hinterließ nur ein Gefühl des Versagens auf rationaler Ebene beim KS, der sich kleinlaut in eine Ecke stellte und sich für sein unüberlegtes Handeln schämte. "Was willst du von ihm?" Klein KS fürchtete sich davor, dass rationaler Verstand noch einmal aufgestanden war um ihm eine Kopfnuss zu verpassen und Duckte sich vorsichtshalber unter den imaginären Schlägen, die nicht kamen. Auf jeden Fall fuhr ich zusammen und stammelte: "Ich...äh...ich suche ihn." "Hätte ich jetzt nicht gedacht." Mir wurde bewusst, dass eben nicht mein rationaler Verstand gesprochen hatte, sondern dieser Typ. Und wieder hatte ich geantwortet ohne nachzudenken. "Und weißt du wo er steckt?" Wieder nicht nachgedacht. Gleich würde er mich anspringen und mich, wegen meines fordernden Tons in meiner Stimme, in Stücke hacken. "Ja." "Und wo?" Wieder der gleiche Tonfall. Ich bin definitiv nicht lernfähig, ein hoffnungsloser Fall. Mama, Papa, ich geb' mir die Kugel - es hat keinen Sinn mehr mit mir, ich bin einfach dumm. "...Direkt vor deiner Nase." Ich war fasziniert und verwirrt zu gleich. Verwirrt, nicht zum ersten mal an diesem Morgen. Dieser Kerl hatte mir geholfen und hatte sehr wahrscheinlich mein Leben vor diesen blutrünstigen Meuchlern gerettet. Sollte mein restliches Schulleben darin bestehen jeden Tag verprügelt zu werden? Sollte ich jeden Morgen mit dieser Angst aufwachen, bis zu dem Tag, an dem die Welt im Chaos versinken würde?!? Auf jeden Fall überhäufte ich meinen Retter mit tausend Dankesworten und verbeugte mich ein paar mal tief. "Bist du fertig?" Ich gelangte zurück in die Realität und sah wie dieser Typ, ich meine Kenji, wieder an seiner Zigarette rauchte, für die er definitiv zu jung war. Ihm drohte dadurch ein Tadel, wenn nicht sogar ein Verweis von der Schule, wobei mir sowieso nicht klar war, warum er bei seiner "Schuluniform" noch immer auf der Schule war. Aber hier konnte anscheinend jeder machen was er wollte. "Ich glaube du bist noch zu jung zum Rauchen, oder?" Ich konnte es einfach nicht lassen, gleich würde er mich bestimmt in klitzekleine Stücke hacken und mich in verschiedenen Mülltonnen über die ganze Stadt verteilen. Wie sollte ich da je wieder gefunden werden? Und wie konnte ich so in Einzelteile zerlegt meinen Eltern unter die Augen treten? Wie würden sie von mir denken, wenn ich nicht rechtzeitig zum Abendessen zurück sein würde? Aber sollte es so weit kommen, war das bestimmt meine geringste Sorge. Aber anstatt mich zu zerstückeln, zuckte er nur mit den Schultern und unser höchst interessantes Gespräch schien beendet. An diesem Morgen hatte ich zwei neue Freunde gefunden, was sich erst später herausstellte und die nun mit mir in einer Party "The World" erkundeten. In den nächsten zwei Wochen hing ich wie eine Klette an Kenjis Versen, und nach dem ich ungefähr ganze zehn Wörter oder waren es ganze Sätze, mit ihm in unserem Monolog gewechselt hatte, sagte er eines schönen Tages, dass er mit zu mir nach Hause kommen würde. Meine Mutter war skeptisch, als ich meinen ersten Freund aus Tokyo mit nach Hause brachte. Sie war nicht erstaunt darüber, dass ich einen Freund mit nach Hause brachte, sondern eher über dessen Aussehen, sagte der Höflichkeit halber aber nichts. Und da sich meine Noten in der folgenden Zeit nicht verschlechterten, sagten meine Eltern nichts zu dieser Verbindung und wir hatte ihren Segen. Als wir mein Zimmer betraten, viel sein Blick sofort auf den neuen Computer. "Spielst du auch "The World"?" "..."The World" was?" Er sah mich mit einem Blick an, der sagen sollte: "Wohnst du hinterm Mond?" Dann hatte er mir kurz erklärt, dass "The World" ein Online RPG auf Fantasy Basis sei, in das man eintauchen kann. Natürlich sagte mir das sehr viel und am nächsten Tag, stand er, zu meiner Überraschung, mit einem großen Pappkarton in den Armen vor meiner Tür. Darin waren zwei VR-Brillen, zwei paar VR-Handschuhe und ein Laptop. Nachdem er mir eine dieser Dinger in die Hand gedrückt hatte und sich seine aufsetzte, tat ich es ihm gleich. Dann erklärte er mir, auf welche Webseite ich gehen sollte um mich anzumelden. Eine Junge Dame in einer langen auberginfarbenen Robe, welche mit Perlen bestickt war, empfing mich. Sie hatte kurzes, gelocktes Haar und in der Hand hielt sie einen Stab, an dessen Spitze ein blauer Kristall funkelte. Mit diesem Wirbelte sie durch die Luft und ein Wortschwall brach über mich hinein: "Willkommen bei "The World". Mit 3 Millionen Mitgliedern, dem größten MMORPG auf diesem Planeten. Bitte melden sie sich an, um in den Genuss von "The World" zu gelangen. Wenn sie sich registrieren wollen, klicken sie bitte auf den eingeblendeten Link "registrieren". Wollen sie noch weitere Informationen über "The World" dann lassen sie mich einfach reden. Also bei "The World"..." Ich wollte diesen Redeschwall beenden und klickte auf den Link - was sich als Fehler erwies. "Sie haben sich für die Anmeldung entschieden. Folgen sie bitte den Anweisungen im rechten Fenster." Zu früh gefreut. Anstatt sie los zu werden, war sie wieder da. Aber jetzt schien sie den Mund zu halten zu. Während ich mich durch die Anmeldung arbeitete, fragte sie nur hin und wieder, ob sie helfen könne. Daraus folgerte ich, dass sie nur ein Programm war. Nach einigen Minuten hörte ich wieder ihre Stimme. Sie haben sich registriert. Willkommen bei "The World" nun können sie einen neuen Player-Character erstellen. Viel Spaß bei "The World" - Vielleicht sehen wir uns ja mal XD." Ein Spieler war anscheinend Vorbild für die Empfangsdame und bei dem vorangegangenen Wortschwall hoffte ich, dass ich nie auf sie treffen würde. Dann stand ich vor einem neuen Problem. Was für einen Chara sollte ich machen. Einen Wavemaster, der die verschiedenen Spielarten der Magie beherrschen konnte. Oder einen Heavyblade, der ein hervorragender Kämpfer sein konnte und für Anfänger empfohlen wurde. Oder einen Archer wie Robin Hood mit Pfeil und Bogen, der es den Reichen nimmt und den Armen gibt, einen Monk, Twinblader, Thief. Usw. Ich entschied mich für den Heavyblader, der ja für Newbies angepriesen wurde. Dann gestaltete ich ein wenig mein Äußeres und nannte ihn oder besser gesagt mich Musashi. Wie einen der berühmtesten Schwertkämpfer Japans: Musashi Miyamoto. Dann drückte ich auf den Startbutton und es ging los. Plötzlich fand ich mich auf der Straße, einer mir fremden mittelalterlichen Stadt wieder. Überall um mich herum, liefen und redeten die verschiedensten Personen in den verschiedensten Größen, Farben und Klamotten. Hier stand ein Schrank von einem Krieger mit Körperbemalung aus Waid, neben einem zierlichem Mädchen mit einer Axt, die dem Schwert des Kriegers in nichts nachstand. Dort eine Frau mit Pfeil und Bogen, in der Begleitung eines Magiers oder Wavemasters, wie sie hier heißen auf einem drolligen Reittier mit Kulleraugen - einem Puchiguso, wie ich später erfuhr und, und, und. "Da bist du ja endlich!" Auf meine mir typische Art zuckte ich zusammen und eine Person neben mir fing an zu lachen. Nachdem der Kerl sich beruhigt hatte fing er an: "Ich bin's Kenji, aber in diesem Spiel nenne ich mich Tyr." Es war das erste Mal, das ich Kenji lachen gesehen habe. Sein ansonsten düsterer Blick war zum fürchten, wenn man ihn nicht besser kannte und wusste, dass er immer so guckt. "Ich bin ein Assassin, aber das hat nicht wirklich was mit dem eigentlichen Begriff zu tun. Ich töte eigentlich keine Menschen, es geht mir eher um die Kampftechniken dieses "Berufs", als um Attentate. Ich Benutze zur Zeit zwei Langdolche, Wakizashis, für den Nahkampf, und kleinere Wurfmesser zum werfen. Du siehst aus wie ein Heavyblader - sieht gut aus, aber was soll das mit den rosa Haaren?" Er zeigte auf meine Haare. Ich blickte in ein Schaufenster eines Gassenladens. Die Haare waren eigentlich so wie ich sie haben wollte, kurz und stachelig in alle Richtungen abstehend, aber sie waren tatsächlich rosa. "Arrrgh!" Ich sprang erschrocken vor meinem virtuellen Spiegelbild zurück. "So ein Mist!" Aber da ich nicht noch einen neuen Chara anfangen wollte, fügte ich mich in mein Schicksal. Ich schaute an mir herunter und sah, dass ich nur ein einfaches Leinenhemd, eine Leinenhose und Lederhalbschuhe trug. Auf dem Rücken trug ich an einem einfachen Schultergurt und ein ebenso einfaches Heavyblade, welches ich im Schaufenster sah. Kenji oder jetzt Tyr trug eine schwarze Lederhose, schwarze Lederstiefel, ein schwarzes kurzarmiges Wollhemd, über dem er eine scharlachrote Weste mit keltischen Ornamenten trug, die silbern hervorstachen und hatte einen blutroten Umhang um die Schultern geschlungen. An den Handgelenken trug er lederne Armschienen und ein Tuch vom gleichen Rot und den gleichen Ornamenten wie der Weste verdeckte seinen Mund, Nase und Hals. Aber seine Haare waren die gleichen rotschwarzen Zotteln, seine Augen waren gletscherblau und kalt und er überragte mich auch hier um fast einen Kopf, wie in der realen Welt. "Jetzt kaufen wir dir erst einmal eine passende Rüstung. Komm mit," forderte mich Tyr auf und ich trottete hinter ihm her. Natürlich war ich davon überzeugt, dass all die Spieler ,die wir sahen und die uns sahen, ihre Köpfe zusammensteckten und tuschelten, weil ich mit meiner Frisur ganz unbewusst dem neuesten Modetrend aus Paris entsprach und bald alle mit rosa Haaren herumliefen und mich als neuen Gott der Mode feiern würden. Damit belog ich mich natürlich selbst, aber was soll's. Nach kurzer Zeit kamen wir an einem Rüstungsmacher an, der seinen Laden "Schild und Schutz" nannte. Von dem Besitzer wurden wir freundlich begrüßt: "Guten Tag die Herren, was kann ich für sie tun?" "Wir brauchen eine Rüstung. Eine gute Krötenhaut mit Schulterstücken und Kettengeflecht. Dann noch ein Paar verstärkte Lederstiefel - die müsstest du am Anfang schon benutzen können und metallene Armschienen, einfach...Und noch Knie- und Ellbogenschützer." "War es das meine Herren?" "Ja" "Das macht dann 1850 Goldstücke, wenn ich bitten darf." Ich wollte bezahlen, als ich bemerkte, dass ich ja kein Geld hatte. Aber bevor ich mich entschuldigen und die Waren zurück geben konnte, hatte Tyr schon für mich bezahlt. "Danke die Herren, beehren sie meinen Laden bald wieder." Tyr ging ohne ein weiteres Wort aus dem Laden und ich sagte nur etwas wie: "Auf Wiedersehen," und folgte ihm. Als wir durch die Stadt gingen erklärte mir Tyr kurz, wie ich die einzelnen Menüs benutzen musste, ich meine E-mails abfragen und wie ich welche verschicken konnte und den Unterschied zwischen PCs und NPCs. Irgendwann meinte er, dass er noch etwas besorgen müsste, drückte mir eine Geldbörse in die Hand und sagte: "Hol dir davon eine gute Waffe und die üblichen Items." Ich wiederholte wie ein Automat oder ein guter Soldat: "Gute Waffe und übliche Items. Verstanden (Sir)!" Natürlich ohne zu überlegen, bis mir klar wurde dass ich nicht wusste, was er mit "übliche" Items gemeinte hatte. Und als mir das klar war, war Tyr schon in der Menge verschwunden. Da stand ich, mit neuer Rüstung und Geld in den Taschen. Also suchte ich einen Waffenladen - fand aber keinen. Orientierungslos wanderte ich deswegen mit meinen neuen rosa Stachelhaaren durch die Stadt, wo ich kein Schwein kannte und mich auch prompt verlief. Falls man sich überhaupt in einer Stadt verlaufen kann, die man nicht kennt. Ich stand vor einem Wegweiser und versuchte ihn auswendig zu lernen; zum reinen Zeitvertreib. Als mich jemand antippte, hätte ich bestimmt mein Schwert fallen gelassen, wenn ich es in den Händen gehalten hätte. Ich drehte mich um und sah in ein Gesicht, das ich irgendwoher zu kennen schien, ich konnte mich aber nicht entsinnen woher. Ich blickte in das Gesicht eines Mädchens. Da sie einen Stab in den Händen hielt, der Aufwendig verziert war, schlussfolgerte ich daraus, mit einer Schärfe, bei der selbst der gute, alte Sherlock Holmes vor Neid erblasst wäre, dass sie ein Wavemaster war. Sie starrte mich an und schien zu überlegen: "Bist du das Mitsuro...ich bins Yuki." "Yuki wer?" Überlegte ich - ach so die. Ja jetzt fiel mir wieder ein wer sie war. In den vergangenen zwei Wochen hatte ich sie kaum gesehen und noch weniger mit ihr gesprochen. Und erkannt hätte ich sie sowieso nicht. Sie hatte jetzt weiße Haare, rote Augen und trug ein einfaches weißschwarzes, mit Goldfäden besticktes Kimonodingsbus. "Äh...hi. Wie hast du mich erkannt?" "Ich habe dich beobachtet und als du, anscheinend etwas suchend, vier mal über den gleichen Platz an mir vorbeigekommen warst, dachte ich mir: "Dem Kerl müsste man helfen. Das Ganze kam mir einfach bekannt vor und ich hab dich auf gut Glück angesprochen - mit Erfolg." "Wie klein "The World" doch war," dachte ich bei mir. "Was suchst du denn? Ach ich heiße hier übrigens auch Yuki." "Ich nenne mich Musashi und ich hab' grad' angefangen zu spielen. Ich war auf dem Weg zu einem Schmied, um mir eine Waffe zu besorgen." Yuki lächelte: "Du meinst, du irrtest durch die Gegend nach einem Waffenschmied. Aber ich kann dir helfen, wenn du willst. Ich weiß zufällig, wo man gute Waffen für wenig Geld kriegt. Wir machen eine Party und laufen zusammen durch die Gegend." "Ich verstehe nicht so ganz." "Eine Party bedeutet, dass man mit anderen Spielern eine Gruppe bildet und mit ihnen durch "The World" marschiert und Quests löst." "Quests?" "Du hast anscheinend noch nie zuvor Rollenspiele gespielt, oder?" Und in der nächsten viertel Stunde erläuterte sie mir die Grundbegriffe von "The World" mit einem rasenden Tempo, dass ich nur die Hälfte von dem behalten hatte, was sie mir erzählte. Wir hielten vor einem Laden der "Der wunderliche Houdindi GmbH" hieß und gingen rein. Wir wurden freundlich von dem Verkäufer empfangen und Yuki meinte zu mir: "Lass mich das machen Musashi," sie wandte sich an den Verkäufer: "Guter Mann wir brauchen eine Waffe für meinen Freund, am besten einen $%§*#." Ich hatte beim besten Willen nicht verstanden, was sie gemeint hatte. Aber der Mann schien zu verstehen und ging in sein Lager. Fünf Minuten später kam er mit einer länglichen Schachtel wieder und drückte sie Yuki in die Hand. "Ne, Meister, das ist für den jungen Mann neben mir und er bezahlt auch," sie zwinkerte mir zu, während sie das sagte. Ich gab dem Mann sein Geld und wir gingen. Ich hatte eine neue Waffe, der Geldbeutel war zwar leer, aber ich war glücklich. Wir setzten uns auf eine Bank an der Brücke, wo ich mich von Tyr getrennt hatte. Die Pappschachtel lag auf meinen Beinen und jetzt konnte ich sie in aller Ruhe öffnen, was ich auch, neugierig wie ich war, tat. Mein Blick fiel auf etwas, das wie ein Florett aussah. Geschockt von dem lächerlichen Anblick, den diese zierliche Waffe bot, fragte ich zaghaft: "...Was...ist DAS?" "Das ist das neueste Modell des Wavemaster-Degen mit Elementarschaden. Wieso," Informierte sie mich. Tyr kam in diesem Moment über die Brücke, sah mich und kam auf uns zu. Er zeigte auf die Schachtel auf meinen Beinen und fragte mich mit einer dunklen Vorahnung: "Hi Musashi, bin wieder da...was ist das? Doch nicht etwa..." "Doch ich fürchte, das ist meine neue Waffe." "Wie konntest du dir nur so 'nen Mist andrehen lassen?" "Yuki hat sie ausgesucht." Tyrs Augen wanderten von mir zu der Person die neben mir saß. Yuki blickte ihn mit einer Unschuldsmine an: "Hab ich was verbrochen?" Ich konnte sehe, wie Tyr rot anlief: "Bist du verrückt, ihm so einen Schrott zu kaufen. Was soll er damit anfangen, er ist doch kein Wavemaster." Sein Blick schwenkte wieder zu mir: "Wie konntest du dich nur mit ihr einlassen. Jeder auf unserer Schule weis doch, dass sie nicht ganz dicht ist! Und du musst dir auch noch von ihr eine Waffe kaufen lassen!" "Jetzt mach mal halb lang! Ich kann doch nichts dafür. Ich wollte ihm nur helfen und das ist jetzt der Dank. Ich habe wenigstens einige Freunde, im Gegensatz zu dir." Und so stritten sie noch eine Weile und alles leise Flehen: "Könnt ihr nicht bitte aufhören, die Leute gucken schon," von meiner Seite wurde schlicht und einfach überhört. Langsam sammelte sich eine riesige Menschenmasse um uns und betrachtete das Treiben, dessen Mittelpunkt wir nun waren. Yuki war mal wieder an der Reihe: "Ich weiß wenigstens wie man "The World" spielt und besser als du bin ich auch!" "Ach! Immer wenn wir aufeinandertreffen, bist du nur im Weg. Was war den letzten Montag, als ich in Jotunheim, auf einer Eisscholle mit dem Orgrim beschäftigt war? Du bist vor einem Rudel Schneewölfe davongelaufen und natürlich direkt auf mich zu und hast mich mit ins Meer gerissen und dann hättest du mich fast ertränkt, als du dich an mir festgekrallt hattest!..." Aber irgendwann kühlen sich auch die erhitztesten Gemüter ab und sie wurden ruhig und der enttäuschte Menschenauflauf verschwand. "Hast du denn wenigstens noch was Geld?" Wollte Tyr wissen. "...Nö," gab ich kleinlaut zur Antwort und es ging wieder los: "Ihr habt 12000 Goldstücke verbraten?!?! Seid ihr des Wahnsinns? Meine ich wiederhole MEINE 12000 Goldstücke?!?!!...Ich hab' doch gewusst, dass ich dir nicht mein Geld anvertrauen kann!" Auf diese rhetorische Frage sollte man Tyr lieber auch nicht zum Spaß eine Antwort geben. Danach waren wir zusammen zu einem Waffenschmied gegangen und ich bekam endlich ein neues Schwert und Tyr einen leeren Geldbeutel und war nun vollkommen pleite. Yuki und Tyr entschieden, dass ich mich jetzt im Kämpfen üben sollte und wir verließen die Stadt. Als wir die Stadt durch ein großes Eisentor verließen, kamen wir auf eine weite mit saftig grünem Gras bewachsene Ebene. Tyr und Yuki sahen sich an und sagten im Duett: "Hier sind wir richtig. Hier gibt es die leichtesten Monster und das ist für einen Anfänger genau richtig. Du kannst jetzt was Üben. Keine Angst, wir werden auf dich aufpassen. Und lauf nicht so weit weg, bleib immer da, wo wir dich sehen können." Dachten sie etwa ich wäre blöd. Ich hatte eine neue Rüstung und neue Waffe und fühlte mich schon wie ein Held. Um ihnen beiden eins auszuwischen sagte ich nur: "Ja Mama, ja Papa," Was den gewünschten Effekt hatte und beide die Schamröte ins Gesicht stieg. Ich ließ beide stehen und pirschte leise durchs hüfthohe Gras. Der Himmel war blau und kleine Schäfchenwolken zogen vorüber. Gestärkt mit dem Wissen, das ich nun ein Held war bahnte ich mir einen Weg durch die gefährliche Umgebung, bis ich auf mein erstes ahnungsloses Opfer traf, das meiner scharfen Klinge, an so einem schönen Tag, zum Opfer fallen würde. Ich duckte mich und an einer plattgetretenen Stelle im Gras sah ich ein rundes Etwas mit weißem Plüschfell, das sich hin und her bewegte. Ich konnte es sehen, aber es konnte mich nicht sehen. "Der perfekte Anschlag," dachte ich mir mit einem diabolischen Grinsen und als es mir den Rücken zuwandte, beging es den größten Fehler seines Lebens. Ich steckte meinen Zeigefinger in den Mund, hielt ihn in die Höhe und überprüfte die Windrichtung. Die Jagdgötter waren auf meiner Seite und ich konnte gegen den Wind angreifen - es würde nur allzu einfach werden. Dann stürmte ich mit einem Kriegsschrei der die gesamte Ebene erzittern ließ und gezücktem Stahl aus meiner Deckung und holte zum Schlag aus, als ich bewusstlos wurde. Ich wachte wieder auf, als mir jemand ein paar Ohrfeigen verpasste. Es war Tyr. "Hast du keine Heiltränke gekauft, wie ich es dir gesagt hatte?" Mir wurde schlagartig bewusst, dass er das mit den "üblichen Items" gemeint hatte. "Das kann doch jedem mal passieren," verteidigte mich Yuki. "Aber er hat auch noch gegen einen Fluffel abgeloost. Etwas schwächlicheres kannst du in "The World" nicht finden. Was für eine Blamage. Hoffentlich hat das keiner gesehen..." Und von da an wusste ich, dass noch mehr Erfahrung nötig war um ein Held zu sein. Aber das waren alles nur Erinnerungen an meinen ersten Tag in "The World". Aber Moment mal! Wenn ich mich noch an all das erinnern konnte, dann war mir nicht das gleiche wie diesem Tsukasa passiert. Aber DAS bedeutete, dass ich wieder einmal bewusstlos war - welch eine Schande. Bei dieser Erkenntnis öffnete ich die Augen und sah in die Gesichter von Tyr und Yuki. Sie schienen von meinem spontanen Schläferstündchen nicht sehr begeistert zu sein. "Wir haben dir doch gesagt, dass du warten sollst," meckerte Yuki. "Der wird sich nie ändern," verkündete Tyr. Ich dachte nur: "Ja Mama, ja Papa," und schloss wieder die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)