Longing von abgemeldet
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Prolog:
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Longing
I may be numberless, I may be innocent
I may know many things, I may be ignorant
Or ride with kings and conquer many lands
Or win the world at cards and let it slip my hands
I may be cannon food, destroyed a thousand times
Rebourn as a fortune's child to judge another's crimes
Or wear a pilgrims clook, or be a common thief
I've kept this single faith, I have but one belief
I still love you
I still want you
A thousand times these mysteries unfold themselves
Like galaxies in my hand
And on and on these mysteries unwind themselves
Eternities still unfold
'till you love me
-a thousand years' sting
Kapitel 1:
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Hinweis: Ich lade das Kapitel hiermit noch einmal hoch, denn seltsamerweise
wurde es beim bis letzten Mal mit Adult-Warnung angezeigt, obwohl ich die für
dieses Kapitel gar nicht angegeben hatte. Is doch ganz harmlos, dieser Teil...
Na ja, hoffe, diesmal klappt's. Würde mich sehr über weitere Kommis freuen!
Longing
Bereits in dem Moment, in dem er die Augen aufschlug, wusste er, dass etwas
nicht stimmte.
Doch zunächst erblickte er nur die Dunkelheit, die ihn in seinem Schlafgemach
umhüllte.
Offenbar war es noch mitten in der Nacht. Es dauerte eine zeitlang, bis seine
eisblauen Augen
sich daran gewohnt hatten und zumindest die Umrisse der Möbel wahrnahmen.
Langsam
richtete Titius sich auf und versuchte das Gefühl, dass ihn aufgeweckt hatte,
näher zu
ergründen.
Es war zweifellos Nervosität, die ihn befallen hatte. Sein Herz klopfte
aufgeregt, in seinem
Magen breitete sich dieses unruhige Kribbeln aus und sein ganzer Körper war
angespannt.
Aber warum? Was war passiert? Hatte er etwa wieder geträumt? Aber nein, wenn er
diese
Träume hatte, konnte er sich immer ganz genau daran erinnern und er wachte zwar
immer
schweißgebadet und zitternd auf, aber es war dennoch ein anderes Gefühl als
das, welches er
jetzt verspürte.
Aber was war es dann? Sein Körper schien irgendwie alarmiert zu sein, als
würde er etwas
wittern.
In diesem Moment klopfte es an seine Tür, jedoch so plötzlich dass Titius vor
Schreck kurz
zusammenzuckte, während er immer noch mitten im stockdunklen Zimmer in seinem
Bett
saß.
"Titius-sama! Seid ihr wach?" ertönte die Stimme einer Bediensteten vor der
Tür, während sie
nochmals klopfte.
"Ja... ja, ich bin wach. Was ist denn los?" fragte der Stellvertreter des
Dämonenfürsten etwas
verwirrt.
"Herr Laures schickt nach euch, es ist etwas geschehen und ihr sollt sofort
runter ins
Kellergewölbe kommen."
Kellergewölbe? Was gab es dort außer... außer... nein, das konnte nicht sein!
Sieben Jahre war
es nun her, sieben Jahre waren vergangen seitdem sie den schlafenden Zadei dort
unten
untergebracht hatten. Titius hatte schon begonnen, sich zu fragen ob er
überhaupt noch mal
aufwachen würde. Die ganze Zeit hatte er ja irgendwie damit gerechnet, dass es
irgendwann
soweit sein würde und zumindest geglaubt, einigermaßen darauf vorbereitet zu
sein. Aber
jetzt traf es in wie ein Schlag. Was, wenn es wirklich wahr war, was er
vermutete? Wenn
Zadei jetzt wirklich da unten... Hatte sein Unterbewusstsein es bereits
registriert und deshalb
so darauf reagiert, ihn aufgeweckt, obwohl er beim Schlafengehen noch gar nicht
hatte wissen
können, dass es heute Nacht passieren würde?
Dem weißhaarigen Dämon schnürte sich die Kehle zusammen, als er sich wie in
Trance aus
der raschelnden Bettdecke wickelte und unendlich langsam sein Schlafgewand gegen
eine
seiner weißen Roben tauschte.
Anschließend betrat er den durch Kerzen ausreichend erleuchteten Gang vor
seinem Gemach
und begab sich langsam in Richtung der Katakomben unter dem Schloss. Bedienstete
huschten an ihm vorbei, das ganze Schloss schien auf den Beinen zu sein, obwohl
es mitten in
der Nacht war. Titius Kopf war wie benebelt, er konnte kaum klar denken, konnte
nur seinen
Gefühlen nachhängen, einer Mischung aus Angst, Aufregung, Verzweiflung und...
vielleicht
gleichzeitig auch eine gewisse Erleichterung. Es fühlte sich an wie ein
Strudel, positive und
negative Gefühle verschwammen miteinander, ließen ihn keinen klaren Gedanken
mehr
fassen...
************************Etwas früher in dieser
Nacht****************************
Die dicken Mauern waren mit Fackeln ausgestattet, die den Raum zwar erhellten,
aber nicht
zu grell, wofür Zadei durchaus dankbar war, als er unendlich langsam die Augen
aufschlug. In
seinem Kopf herrschte Leere, erst ganz langsam fing sein Geist wieder zu
arbeiten an, es war
wie eine dichte Nebelwolke, die sich erst langsam lichtete. Seine Augen bewegten
sich,
tasteten langsam die Decke ab. Es war ein sehr hoher Raum mit einer steinernen
Decke. Ja, es
kam ihm bekannt vor, aber er konnte sich nicht erinnern... Was war überhaupt
geschehen, wo
war er hier? Unter seinem Rücken fühlte er weichen Stoff, aber durch diesen
spürte er die
eiserne Kälte harten Steines.
Aber es half nichts, wenn er rausfinden wollte, wo er hier war, konnte er nicht
länger einfach
hier rumliegen. Vorsichtig begann er sich aufzurichten, wobei ihm allerdings
jedes Gelenk
schmerzte.
"Verflucht!" zischte er und erschrak selbst über das Echo, das an den Wänden
abprallte und
mehrmals widerhallte. Noch bevor es vollends verklungen war, öffnete sich die
große
schwere Holztür und das verschreckte Gesicht eines Wachmannes erschien durch
den
Türspalt.
Dessen Augen weiteten sich, als er Zadei sah, aufrecht sitzend, mit seiner
mächtigen Rüstung
bekleidet auf dem mit Tüchern bedeckten Altar, auf den sie ihn damals auf Herrn
Titius
Befehl hin gebettet hatten.
Er hatte auch befohlen, dass vor dem Raum permanent Wache gehalten werden
sollte, für den
Fall, dass Zadei aufwachte. Der Mann schauderte, warum musste das auch
ausgerechnet
während *seiner* Schicht passieren?! Mit zittriger Stimme rief er dem noch
immer verwirrt
dreinblickenden Shôgun entgegen: "Wa... wartet hier Zadei-sama! Ich... ich hole
sofort
jemanden." Und damit verschwand der hochrote Kopf aus der Tür und man hörte,
wie sich
seine Schritte schnell entfernen.
Zadei war noch zu sehr mit seinem schmerzenden Körper und seiner Überraschung
beschäftigt, um darauf zu reagieren. Aber dann blickte er sich weiter in diesem
Raum um
und... ja, natürlich, das waren die Katakomben des Schlosses des
Dämonenfürsten! Das würde
also heißen er war tatsächlich im Laures Schloss!? Aber wie war das möglich?
Was war
geschehen? Er hatte offenbar geschlafen, aber wie lange? Einige Stunden,
vielleicht sogar
Tage? Es war ein tiefer, traumloser Schlaf gewesen. Zadei hatte jegliches
Zeitgefühl verloren
und sofort taten sich tausend Fragen auf, sein Gedächtnis wies klaffende
Lücken auf, von dem
was sich nach dem Kampf mit Laures ereignet hatte... nur an eines konnte er sich
ganz genau
erinnern.
Titius.
Wo war er, ging es ihm gut? "Zum Teufel, was ist hier eigentlich los?" fluchte
er, noch immer
auf dem Steinaltar sitzend, den Kopf in die Hände vergraben.
"Das kann ich dir sagen, alter Freund." Laures Stimme klang kristallklar. Zadei
schreckte
hoch, blickte sich um und sah den Dämonenfürsten den Raum betreten. Warum
musste dieser
Typ auch immer so durch die Gegend schleichen?
"Na toll, ich dachte schon, schlimmer könnte ich mich nicht mehr fühlen, aber
das ich jetzt
auch noch deine Visage sehen muss..." Egal wie fertig Zadei auch war und in
welcher Lage er
sich befand, er konnte einfach nicht anders, als seinen Lieblingsfeind auf diese
Weise zu
begrüßen.
"Das tut mir leid für dich, erträgst du meine Anwesenheit denn noch solange,
wie ich dir
erzähle was passiert ist? Oder möchtest du es gar nicht wissen?" erklang
Laures Stimme nur
gelassen, fast schon amüsiert.
Wie Zadei das hasste! Warum fühlte er sich in seiner Gegenwart nur immer wie
ein kleines
Kind?!
"Hngh... ich werde es schon durchstehen. Dann lass mal hören," schnaufte er.
Auch wenn er
sich wie gerädert fühlte und jede Bewegung ihm Schmerzen bereitete, vor diesem
verdammten Laures würde er sicher keine Schwäche zeigen.
Dieser hingegen lächelte nur das für ihn so typische Lächeln. Zadei war
offenbar wieder ganz
der alte.
Und so berichtete er ihm von den Dingen, die geschehen waren, nachdem der Titan
fast völlig
Besitz von Zadei genommen hatte.
"...schließlich haben wir alle eine neue Chance erhalten, die Kraft die ich
freisetzten konnte,
hat auch dir ein neues Leben geschenkt. Dann fielst du in diesen Schlaf, das ist
jetzt sieben
Jahre her," schloss Laures.
"Sieben Jahre?!" Die Augen des Dämonengenerals weiteten sich. Solange hatte er
geschlafen?!
"So ist es. Inzwischen hat sich einiges verändert. Das wirst du schon noch
bemerken..." wollte
Laures fortfahren, wurde von Zadei jedoch unterbrochen.
"Und Titius? Was ist mit Titius?!" wollte dieser aufgebracht wissen. Der
Dämonenkaiser
schüttelte mit einem Seufzer den Kopf. Nein, Zadei hatte sich wirklich nicht
geändert.
"Ich habe nach ihm schicken lassen, er müsste eigentlich längst hier sein..."
Just in diesem
Augenblick hörten sie Schritte durch den Gang hallen. Es waren leichte,
federnde Schritte.
Zadeis Herz krampfte sich zusammen.
*******************
Unendlich langsam kamen ihm seine Schritte vor, als Titius sich dem Raum
näherte, dessen
Tür er mit den Augen fixierte, als würde sie ihn gleich angreifen.
Mittlerweile hatte er keine
Zweifel mehr, dass seine erste Vermutung richtig gewesen war: Zadei war bestimmt
aufgewacht. Aber wie würde es jetzt weitergehen? Laures hatte Zadei damals in
die
Verbannung schicken wollen. Aber Titius hatte ihn darum gebeten, dies nicht zu
tun,
zumindest nicht, bevor er nicht aufgewacht war und sie nicht sicher waren, dass
er sich
vielleicht geändert hatte.
Genau, vielleicht hatte dieser lange Schlaf ihn ja verändert, vielleicht war
durch die
Wiedergeburt sogar sein Gedächtnis gelöscht worden. Wenn dem so war, konnte er
ein sehr
wertvolles Mitglied des Hofstaats sein, wenn er Laures Treue schwor.
Titius hatte damals genauso argumentiert und als er sich jetzt daran erinnerte,
schöpfte er
wieder etwas Mut. Diese Argumentation hatte durchaus Hand und Fuß und Laures
war
schließlich darauf eingegangen, auch wenn er sich sicher war, dass hinter
Titius Engagement
noch etwas anderes steckte. Was das aber genau war, wusste sein Stellvertreter
mit dem
silbernen Haar offenbar selber nicht.
Die Tür rückte immer näher, bis Titius schließlich vor ihr stand. Jetzt
konnte er es nicht mehr
hinausschieben, vermutlich hatten sie ihn drinnen schon gehört, ihre Stimmen
waren nämlich
verstummt. Zum Glück war Laures bereits da! Er atmete einmal tief durch und
legte die Hand
auf die schwere Eisenklinke, drückte sie langsam.
**************
Zadei hielt unmerklich den Atem an. Als er höre, wie die Schritte kurz vor der
Tür innehielten
und dann einige Sekunden später die Klinke gedrückt wurde. Und dann trat er
ein, sein Engel.
Die katzenartigen Augen des schwarzhaarigen Dämons verengten sich, als würden
sie
geblendet.
War er es wirklich? Er sah erholt aus, schien wieder ganz bei Kräften zu sein.
Sein weißes
Haar schien heller zu schimmern als jemals zuvor, seine ganze Gestalt schien aus
sich selbst
heraus zu leuchten. Und dann war da der Flügel. Der Flügel, den Zadei ihm
genommen hatte,
aus Wut und Verzweiflung und aus dem Wunsch heraus, dass sein Engel ihm nie
wieder
würde wegfliegen können.
Aber jetzt hatte Titius einen neuen. Jetzt sah er wieder genauso aus, wie der
Titius, den er
erstmals erblickte, als er aus seinem Gefängnis befreit worden war. Was hatte
Zadei damals
nur aus ihm gemacht? Natürlich, Titius eigentlicher Schönheit hatte selbst die
Eiswüste, in die
er ihn gesperrt hatte, nichts anhaben können. Aber Zadei erinnerte sich an den
gebrochenen
Blick, die wunde Haut, den blutigen Flügelstumpf und den geschwächten Körper.
Aber nach diesen sieben Jahren waren davon keine Spuren mehr zu sehen, zumindest
keine
körperlichen.
Das engelsgleiche Wesen schritt lautlos durch den Raum, nur das Rauschen seines
Gewandes
auf dem Boden war zu hören, als er sich knapp hinter Laures stellte und sich
kurz verbeugte,
als Laures ihn ansah.
"Ihr habt mich rufen lassen?" Eine melodische, aber dennoch unendlich eisige
Stimme
erklang aus seiner Kehle. Währenddessen sah Titius Zadei nur flüchtig mit
einem
gleichgültigen Blick an, wandte sich dann aber wieder Laures zu.
"Ja, ich denke du siehst, warum," meinte Laures nur gelassen mit einem Nicken in
Richtung
Zadei, der immer noch wie versteinert dasaß und kein Wort rausbrachte und den
Dämonenengel anstarrte. Was hätte er auch sagen können. In der Tat, im Grunde
gab es
tausend Dinge, die jetzt gesagt werden müssten, aber Zadei wusste nicht, wo er
beginnen
sollte. Was war jetzt das richtige? Hey, seit wann dachte er überhaupt darüber
nach, was er
sagte oder tat?
************
Titius schwitze Blut und Wasser, während er versuchte, seine Maske
aufrechtzuerhalten. Er
wollte so unbeteiligt wie nur möglich wirken, aber wie sollte er dass schaffen,
wenn sein Herz
bis zum Hals klopfte. Hatten sie es bemerkt? Laures bestimmt, er kannte Titius
genau und
hatte ein Gespür für so was. Aber Zadei? Er warf einen flüchtigen Blick zu
ihm rüber. Was
starrte er ihn denn so an? Titius wurde noch nervöser, wenn das überhaupt
möglich war. Aber
es war kaum zu glauben, der Dämon mit den goldenen Augen, die ihn so fixierten,
schien
davon wirklich nichts zu bemerken.
Wie auch, Zadei-sama war nun mal ein ungehobelter Klotz, der nicht die Spur von
Sensibilität
besaß. Im Gegensatz zu Laures,
Noch dazu machte Zadei nicht wirklich den Eindruck, als hätte er sein
Gedächtnis verloren.
Er musterte Titius zwar, als sähe er ihn zum ersten mal, aber dennoch verrieten
seine Augen,
dass er nichts von all dem vergessen hatte, was zwischen ihnen beiden
vorgefallen war. Titius
schluckte.
Laures bemerkte Titius' Sprachlosigkeit und wandte sich wieder an Zadei. "Ich
denke, hiermit
beantwortet sich deine Frage von selbst. Titius geht es gut. Aber nun zu dir."
Laures wanderte
ein paar Schritte durch den Raum. Seine Bewegungen waren kaum zu hören, nur
sein
schwerer dunkler Mantel rauschte im Luftzug. Mit seinen violetten Augen fixierte
es den
Zadei, wie nur er, der König der Dämonen, es konnte.
"Es gibt nur einen Grund, warum ich dich nicht gleich in die Verbannung schicke
oder dich
töten lasse... Ich weiß, dass du mich nicht leiden kannst, aber ehrlich
gesagt, ist mir das
ziemlich egal. Es ist nur so, das Titi mich darauf hinwies, dass du durchaus ein
Gewinn für
uns wärst, würdest du dich auf unsere Seite schlagen und mich als deinen Herrn
akzeptieren.
In gewisser Weise hat er damit recht. Ich rede nicht gerne um den heißen Brei:
Wenn du hier
im Schloss bleiben willst, wirst du tun, was ich dir sage und dich benehmen.
Wenn du das
nicht willst, sag es und du kannst gehen. Aber wenn du sagst, du bleibst, dann
bist du
verpflichtet, Wort zu halten. Tust du es nicht, töte ich dich."
Titius blickte etwas betreten zu Boden. Musste Laures-sama unbedingt erwähnen,
dass es
seine Idee gewesen war? Aber andererseits freute er sich, dass sein Herr klipp
und klar sagte,
wie die Dinge lagen. Titius selbst hatte damals, als das heilige Licht sie beide
gerettet hatte,
Zadei selbst die Leviten lesen wollen, aber er war gerade im Moment kaum in der
Lage dazu.
Jetzt wartete er nur gespannt Zadeis Entscheidung ab. Er wusste selbst nicht,
was er jetzt am
liebsten hören wollte...
Der Dämon mit den wirren schwarzen Haaren war für einige Minuten sprachlos.
Sein Gehirn
arbeitete auf Hochtouren. Er sollte hier am Hof bleiben? Und dann womöglich
noch als Lakai
dieses Kerls?! Soweit kam es noch...! Aber was war die Alternative? Ins Exil
gehen und allein
vor sich hinvegetieren, während Titi hier im Schloss saß? Warum sagte sein
Engel eigentlich
nichts? Seit er den Raum betreten hatte, hatte er Zadei noch nicht einmal
richtig angesehen.
Aber was hatte Laures gesagt? Titius selber hatte diesen Vorschlag gemacht...
vielleicht...
wenn das stimmte...
Zadei sah Laures arrogant an. "Nun, wenn ihr meine Anwesenheit so schlecht
entbehren
könnt, dann denke ich, tu ich euch den Gefallen und bleibe hier."
Da! Jetzt sah Titi tatsächlich zu ihm auf! Sein Gesicht schien allerdings
Bände zu sprechen.
Als ob er denken würde...
<> Titius rümpfte die Nase. Allerdings musste er mit
Schrecken
feststellen, dass ihn das tatsächlich ein wenig amüsierte.
"Zadei, ich meine es ernst, ich hoffe du bist dir dessen bewusst" Die Schärfe
in Laures
Stimme hätte einen kampfwütigen Drachen in die Flucht schlagen können. "Wenn
du auch
nur versuchst, irgendetwas anzustellen oder die Personen, die mir etwas
bedeuten, auch nur
ansatzweise bedrohst, bin ich sofort zur Stelle! Ich töte dich, ohne mit der
Wimper zu
zucken." Zadei war vollkommen klar, dass das keine leere Drohung war, auch wenn
er nicht
wusste, welche 'Personen' er genau meinte. Was war eigentlich mit Hilda? Na, das
würde er
schon noch rausfinden.
Jedenfalls war es nicht allein Laures Drohung, die ihn mit fester Stimme sagen
ließ: "Hab
schon verstanden. Ich werde mich benehmen." Zadei war sich durchaus im Klaren
darüber,
dass er Laures sein Leben verdankte, und nicht zuletzt auch das von Titi, auch
wenn er es
nicht gerne zugab. Und irgendwo hatte auch er seinen Stolz. Er beglich seine
Schulden in der
Regel. Auch wenn er dadurch mit Laures unter einem Dach leben musste. Außerdem
konnte
er Titius sehen, was allein schon Grund genug war, Laures jeden Wunsch von den
Lippen
abzulesen, wenn es sein musste.
Die Frage war nur, wie es in seinem Engel aussah...
Laures nickte feierlich, als hätten sie soeben einen großen Deal
abgeschlossen. "Gut, ich
würde sagen, wir besprechen alles weitere dann morgen. Es ist mitten in der
Nacht und du
musst wohl auch erst mal wieder zu Kräften kommen. Titius wird sich um ein
Zimmer für
dich und alles weitere kümmern." Anschließend nickte er seinem Diener zu,
nachdem er den
Befehl erteilt hatte und verließ den Raum. Die Sache war für ihn hiermit
erledigt.
Für einen kurzen Moment hatte Titius das Gefühl, den Boden unter den Füßen
zu verlieren.
Laures verließ einfach den Raum und ließ sie beide allein hier zurück.
Abermals musste er
schlucken. Warum musste *er* dass hier übernehmen? Nun ja, er war für diese
Aufgaben
normalerweise zuständig und natürlich würde er niemals einem Befehl seines
Herrn
wiedersprechen. Also blickte er nur auf und sah Zadei an, immer bemüht, sein
Gesicht nichts
von seiner Angst zeigen zu lassen
"Also, Zadei-sama, dann folgt mir bitte. Ich werde euch zu eurem Zimmer
führen."
Wenn das mal gut ging! Ohne Zadeis Reaktion abzuwarten, wandte er sich um und
steuerte
schnellen Schrittes auf die Tür zu.
Wortlos begann Zadei, sich von diesem Steinding runter zu bewegen, was aber nur
sehr
langsam vonstatten ging, da ihm jede Bewegung Schmerzen bereitete. Er fragte
sich schon, ob
er eingerostet war und vielleicht etwas Öl gebrauchen könnte... na ja, nach
sieben Jahren war
das ja auch kein Wunder. Er fühlte sich vollkommen kraftlos und ausgelaugt. Ja,
er würde
sich wirklich erholen müssen und auch wenn es komisch klang, er würde wohl
eine ganze
Mütze voll Schlaf brauchen, um wieder fit zu werden. Und was zu Essen. War es
nicht
seltsam, dass er jetzt am liebsten schlafen wollte, obwohl er die letzten Jahre
nichts anderes
getan hatte? Nun ja, man konnte wohl diesen Zustand nicht wirklich als
erholsamen Schlaf
bezeichnen, er war einfach bewusstlos gewesen, hatte noch nicht mal geträumt.
Aber im Moment gab es andere Dinge, über die er sich Gedanken machen sollte,
als sein
körperlicher Zustand. Schweigend schritt er hinter Titius her, der sich nicht
umdrehte, obwohl
er Zadei vor Schmerzen stöhnen hörte. Warum sagte sein Engel nichts? Warum nur
war er
wieder so kühl? Im Moment wäre es Zadei sogar recht gewesen, wenn er ihn
angeschrieen,
ihm Vorwürfe gemacht hätte. Aber dieses Schweigen war unerträglich.
Zu zweit schritten sie durch die endlosen Gänge und Flure des Schlosses, in
denen man sich
verlaufen konnte. Hin und wieder huschte ein Diener mit einer nervösen
Verbeugung an ihnen
vorbei. Sein Erwachen schien einiges Aufsehen erregt zu haben, dachte der
Dämonengeneral
bei sich.
Aber warum nur gab es von Titi keine Reaktion, kein einziges Wort? Es gab so
unendlich viel
zu sagen...
"Du siehst gut aus Titius. Es scheint dir ja wirklich gut zu gehen," versuchte
Zadei es.
Dieser zuckte unmerklich zusammen, als er die tiefe Stimme hinter sich vernahm.
Oh Gott,
wie sehr wünschte er sich jetzt an einen anderen Ort!
"Wohingegen ihr keinen sehr guten Eindruck macht. Es wird eine Weile dauern, bis
sich eure
Kräfte regeneriert haben, Zadei-sama," war die Antwort.
"Habe ich dir nicht mal gesagt, du kannst das 'sama' weglassen?"
"...."
"Laures hat mir erzählt, du hättest dich damals dafür eingesetzt, dass ich
bis zu meinem
Erwachen hier aufbewahrt werde? Stimmt das?" fragte Zadei nun rund heraus. Er
wollte es
von Titi selbst wissen und vor allem den Grund dafür.
"So, hier rechts wird also euer Gemach sein." Der weißhaarige Dämon öffnete
zwei, mit
aufwendigen Holzschnitzereien versehene, Flügeltüren, die zu einer
ausgedehnten
Räumlichkeit führten, bestehend aus einem kleinen Salon, einem Schlafzimmer
mit einem
riesigen mit blutrotem Samt bezogenem Himmelbett und einem aus Stein
gemeißeltem
Balkon. Titius eilte in den Raum und erledigte einige Handgriffe im Zimmer, tat
so, als hätte
er Zadeis Frage nicht gehört. Nein, bitte nicht jetzt! Es war alles zuviel und
zu plötzlich, er
konnte jetzt nicht darüber sprechen, zu sehr mischten sich seine wirren
Gefühle. Wie sollte er
auch auf eine Frage antworten, auf die er selbst noch nicht mal eine Antwort
wusste?
"Ich habe dich was gefragt. Warum antwortest du nicht?" beharrte Zadei dennoch
weiter.
Verflucht, warum hatte Zadei selbst in seinem so geschwächten Zustand diesen
herrischen
Ton an sich? Titius bekam eine Gänsehaut und ohne, dass er es stoppen konnte,
tauchten auch
schon wieder die Bilder der Vergangenheit vor seinem geistigen Auge auf. Bilder,
die sich in
den letzten Jahren so oft in seine Gedanken geschlichen hatten, mitten am Tag
genauso wie
nachts in seinen Träumen. Er kannte Zadeis Stimme nur zu gut, wenn sie diesen
Ton hatte.
Alles krampfte sich in ihm zusammen.
"Es ist schon sehr spät, es wäre wirklich besser, ihr würdet euch erst mal
ausruhen, Zadei-
sama. Ich werde dem Koch Bescheid geben. Er wird noch etwas zu Essen für euch
zubereiten." Erneut versuchte Titius mit diesen Worten abzulenken und wandte
sich im
gleichen Moment auch schon der Tür zu. Als er jedoch an Zadei vorbeischritt,
hielt dieser ihn
mit seiner Dämonenklaue am Arm fest, zog ihn zurück und drehte den
weißhaarigen Dämon
zu sich.
"Nun hör schon auf mit diesem Getue, hast du etwa schon vergessen, dass ich das
nicht leiden
kann?" brauste er auf.
Titius' Augen weiteten sich vor Schreck, als er plötzlich so nah an Zadei war,
wie es
eigentlich nie wieder hatte sein wollen. Seine Lippen waren wie gefroren, keinen
Laut wollte
seine Kehle hervorbringen.
Wie hatte er nur denken können, dass sich irgendetwas ändern würde? Die
aufbrausende
Natur des Dämonengenerals würde nicht einfach vergehen, nur weil er für ein
paar Jahre
geschlafen hatte! Es würde sich nie etwas ändern... Waren sie beide dazu
verdammt, ewig in
diesem Teufelkreis gefangen zu sein?
Seine Augen mussten irgendetwas von dem, was er empfand, verraten haben, denn
plötzlich
änderte sich auch Zadeis Gesichtsausdruck. Die wütend funkelnden goldenen
Augen wurden
plötzlich matt und auf einmal wurde auch die Umklammerung an Titius Arm
lockerer.
"Tut... tut mir leid, Titi, ich...!" Nervös blickten goldene Augen hin und her,
suchten Titius
Augen auszuweichen. "Ich will doch nur wissen, was hier los ist. Ich meine, ich
war darauf
vorbereitet im Kampf mit Laures zu sterben. Oder durch dich. Und jetzt wache ich
plötzlich
auf und alles ist so anders, so verwirrend. Ich weiß nicht, was ich machen
soll. Was erwartest
du, was jetzt geschieht?"
Jetzt war Titius erst recht überrascht! Lag es an Zadeis momentanen
körperlichen Zustand,
dass er nicht wieder ausrastete? Oder an Laures Drohung? Wie auch immer, nachdem
der
erste Schreck überwunden war, gelang es ihm nun, seine Gedanken wieder
einigermaßen zu
sammeln und ein paar Worte zu formulieren.
"Ich erwarte von euch, dass ihr euch an eure Abmachung mit Laures-sama haltet.
Das ist eure
Schuld, die ihr ihm gegenüber zu begleichen habt, allein schon, weil er die
Güte hatte, euch
am Leben zu lassen. Und wenn ihr den Grund wissen wollt, warum ich euch nicht
tötete: auch
ich begleiche meine Schuld auf diese Weise bei euch. Was ihr getan habt, euch
mit dem Titan
zu vereinen und den Dämonenkönig anzugreifen, ist unentschuldbar. Allerdings
habt ihr es
getan, um mein Leben zu retten, was diese Sache zwar in keiner Weise
rechtfertigt, aber im
Nachhinein bin ich euch trotzdem etwas schuldig und diesem Umstand will ich
Abhilfe
schaffen. Gibt es noch mehr, was ihr zu wissen wünscht?" erklärte er mit der
trockenen
Sachlichkeit eines hohen Bediensteten.
"Wie du das formulierst... Es geht also nur um diese Sache mit der Schuldigkeit,
nicht wahr?
Oder gibt es dafür noch andere Gründe?" hakte Zadei weiter nach. Er konnte
diesen
Hoffnungsschimmer, auch wenn er noch so klein war, nicht aufgeben. Wenn Titi nur
nicht so
kühl wäre! Oder schien es vielleicht nur so? Warum hatte er versucht ihm
auszuweichen?
Doch jetzt verengten sich die Augen des Dämonenengels zu Schlitzen, aus denen
er Zadei
anfunkelte. "Was sollte es denn noch für Gründe geben?!" fragte er mit
überraschender
Schärfe, die schon fast drohend klang.
Selbst so war sein Engel einfach umwerfend, dachte der schwarzhaarige Dämon bei
sich. Es
war zum verrückt werden! Nach allem, was geschehen war, nach all dem Leid, dass
ihnen
beiden wegen Zadeis Selbstsucht widerfahren war und nachdem er aus all dem doch
eigentlich gelernt haben müsste, wie war es da möglich, dass er sich noch
immer nichts
sehnlicher wünschte, als seinen Engel jetzt an sich zu reißen, seinen Körper
zu spüren, ihn
unter dem eigenen zu begraben?! Das weiche Haar zu berühren, die glatte Haut zu
ertasten...
wenigstens seinen Körper zu besitzen, auch wenn sein wunderschöner Engel sich
wehrte, das
war es, was er sich jetzt am sehnlichsten wünschte.
Aber er konnte nicht schon wieder diesem Verlangen nachgeben. Nicht jetzt, wo er
die
Hoffnung auf eine neue Chance hatte! Er musste es wenigstens einmal schaffen,
wahre Stärke
zu zeigen!
"Wenn es keine anderen gibt, dann ist es wohl wirklich besser, wenn du jetzt
gehst. Ich werde
mich an die Abmachung halten," sagte Zadei auf einmal sehr reserviert, worauf
Titi auch
schon schlagartig erleichtert wirkte, schneller als gewöhnlich seine übliche
Verbeugung
machte und schon zur Tür eilte, als Zadei ihm noch einen Satz nachrief, der
Titius wie ein
Blitz traf:
"Aber das heißt nicht, dass ich aufgebe Titi. Ich liebe dich noch immer und
daran wird sich
nichts ändern!"
Für zwei Sekunden verharrte Titius regungslos mit dem Rücken zu Zadei, eilte
dann aber mit
hoher Schnelligkeit weiter auf die Tür zu, die er ohne sich auch nur einmal
umzudrehen oder
etwas zu sagen durchschritt und schnell hinter sich zuwarf, als könnte er das
Unheil so von
sich wegsperren.
Dann lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Tür und vergrub das Gesicht in
den Händen.
Die Worte, die er am meisten gefürchtet hatte, waren nun doch gefallen!
************
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und auch die schweren Samtvorhänge
konnten ihre
hellen Strahlen nicht völlig aus Zadeis Schlafzimmer fernhalten. Nachdem dieser
sich min-
destens ein Dutzend mal von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, gab er
sich mit einem
wütenden Knurren endlich geschlagen und öffnete die Augen. Keinen Augenblick
zu früh,
denn just in diesem Moment steckte ein Dienstmädchen den Kopf vorsichtig durch
die Tür.
Und als sie feststellte, dass der Dämonengeneral bereits wach wahr, wünschte
sie etwas
schüchtern einen guten Morgen und begann, ihre Arbeit zu verrichten, die zum
Beispiel darin
bestand, die Tabletts und das Geschirr wegzuräumen, dass von Zadeis
nächtlichem Imbiss
übriggeblieben war.
Diesem hingegen ging das Herumgewusel der Untergebenen so auf die Nerven, dass
er sich
entschloss, nun doch endlich aufzustehen. Immerhin fühlte er sich heute schon
etwas besser.
Er hatte kaum noch Schmerzen in den Knochen, wozu dass reichliche Mahl in der
Nacht und
der erholsame Schlaf wohl beigetragen hatten. Nun ja, so erholsam war er nun
auch wieder
nicht gewesen, hatte er doch die ganze Zeit nichts anderes als seinen Engel im
Kopf gehabt.
Bis in seine Träume hatte er ihn verfolgt. Wie würde es jetzt wohl
weitergehen? Diese Frage
hatte er sich immer und wieder gestellt, aber noch keine Antwort darauf
gefunden.
Missmutig erhob er sich aus dem Bett, schlurfte zur Waschschüssel und schöpfte
sich Wasser
ins Gesicht. Allerdings ging ihm das Gewusel des Mädchens derart auf den Geist,
dass er sie
am liebsten in guter alter Manier in Stücke gerissen hätte... das heißt,
früher hätte er es getan.
Aber davon abgesehen, dass er sich hier benehmen musste, war er gar nicht so
sicher, ob ihm
dass noch genauso viel Spaß machen würde wie früher. Alleine schon, weil
allein bei dem
Gedanken daran, automatisch Titius missbilligendes Gesicht wie eine Warnmeldung
vor sei-
nem geistigen Auge auftauchte. <>
stöhnte er in-
nerlich auf, entschloss sich aber, zu versuchen, sich mit dem Frühstück
abzulenken, dass be-
reits im kleinen Salon für ihn bereitstand.
Da er allerdings nur mit seiner Hose bekleidet war, suchte er zuerst seine
Rüstung, die noch
irgendwo herumlag und war gerade dabei sie anzulegen, als die große
Eingangstür sich plötz-
lich ganz leise und langsam öffnete. Zadei sah es nur aus dem Augenwinkel.
Welcher idioti-
sche Diener war denn so dreist, nicht anzuklopfen, bevor er das Zimmer eines
seiner Herren
betrat? Da hatte man's: Laures konnte noch nicht einmal seine Bediensteten
richtig ausbilden!
Und so was wollte König sein?!
Gerade wandte er sich in Richtung Tür, um dem Eindringling gleich einen
entsprechenden
Kommentar an den Kopf zu schmeißen, als er stutze. In der halb geöffneten Tür
war niemand!
Zumindest nicht in seiner Augenhöhe. Langsam senkte er den Blick, senkte ihn
sogar ein gan-
zes Stück, bis seine verblüfften Augen an der Ursache für die geöffnete Tür
hängen blieben.
"Hallo Onkel, darf ich reinkommen?!" Es war ein... kleines Mädchen?!
Die Kleine trat durch die Tür und befand sich nun völlig in Zadeis Blickfeld.
Sie mochte etwa
6 Jahre alt sein, hatte pechschwarz glänzende Haare, die sie auf dem Kopf
rechts und links zu
jeweils einem Zopf zusammengebunden hatte. In weichen und hübsch geschwungenen
Wel-
len fiel ihr Haar ihr von dort auf die Schultern. Bekleidet war sie mit einem
fliederfarbenen
Spitzenkleid mit Puffärmeln. Fast wie eine Puppe, hätte Zadei gedacht, aber
dass stimmte
nicht. Für eine Puppe verströmte sie viel zu viel Lebensenergie. Sie hatte
geheimnisvolle, aber
auch sehr lebhafte Augen mit einer undefinierbaren Farbe, die Zadei irgendwie
bekannt vor-
kamen. Das Mädchen hatte offenbar etwas Dämonisches an sich, aber trotzdem
meinte er
doch ganz schwach auch den Geruch von Mensch wahrzunehmen.
Das er sie mit stechendem Blick musterte, schien die Kleine jedoch nicht davon
abzuhalten,
weiter unaufgefordert in den Raum zu tapsen und ihn genauso zu mustern.
"So siehst du also aus, aha. Du bist ja wirklich so groß wie alle sagen. Und
ich dachte, die
Bediensteten übertreiben bloß wieder," stellte sie trocken fest.
"Verschwinde," meinte Zadei nur von oben herab. Das war genau das, was er jetzt
brauchte:
ein Balg, das ihn auf den Wecker fiel! Doch dieses schien keineswegs von seinem
Befehl be-
eindruckt zu sein.
"Oh, der Onkel ist wohl ein Morgenmuffel. Mama sagt, wenn man morgens schlecht
aufste-
hen kann, dann sollte man abends früher ins Bett gehen," erklärte sie, dann
tapste sie lässig an
dem großen Dämonen vorbei und setzte sich auf den großen Ohrensessel vor dem
Tisch, auf
dem das Frühstück stand.
Zadei traute weder seinen Augen noch seinen Ohren. Was bildete sich diese Gör
eigentlich
ein?
"Sag mal, hast du überhaupt eine Ahnung, wer ich bin? Was zum Kuckuck willst
du?" Wenn
er herausfand, welches der Dienstmädchen hier ihr Kind einfach so durch die
Gegend laufen
ließ, dann...
"Ich weiß wer du bist, Onkel. Du bist Zadei und du bist gestern Nacht hierher
gekommen,
dass ganze Schloss war total in Aufregung. Es heißt, du hast sieben Jahre lang
geschlafen.
Und da wollte ich dich halt mal kennen lernen... Sag mal, ist dieses riesige
Frühstück hier
allein für dich?"
"Wahh, das geht dich überhaupt nichts an! Toll, jetzt hast du mich ja gesehen,
jetzt geh zu-
rück dahin, wo du hergekommen bist! Haben dir deine Eltern keine Manieren
beigebracht?!"
herrschte Zadei sie nun an.
Daraufhin machte das Mädchen für einen kurzen Augenblick ein erschrockenes
Gesicht und
Zadei dachte schon, er hätte es endlich geschafft, sie ein wenig
einzuschüchtern, als sie plötz-
lich vom Sessel sprang und sich mit einer Hand vor die Stirn schlug. "Manieren,
genau! Tut
mit leid, ich habe ja ganz vergessen, mich vorzustellen! Hoffentlich erfährt
Papa nichts davon,
sonst gibt's wieder Ärger!" Daraufhin vollführte sie einen eleganten, für ein
Kind diesen Al-
ters ungewöhnlich grazilen Knicks und gab mit perfekter Gestik bekannt: "Mein
Name ist
Sherril, ich bin die erstgeborene Tochter des Königs der Dämonen- und der
Unterwelt und
Thronerbin des Reiches. Es ist mir eine große Ehre, ihre Bekanntschaft zu
machen." Dann
ließ sie sich entgegen aller Anmut wieder in den Sessel fallen und sah ihn
wieder so frech an
wie vorher.
Zadei riss vor Verblüffung die Augen auf. "Du bist WAS?!" fragte er fast
hysterisch.
"Hab ich doch gesagt, Onkel Zadei, hast du mir denn nicht zugehört?" Sie
verdrehte vor-
wurfsvoll die Augen und Zadei kam sich langsam vor wie der letzte Trottel.
"Ich bin die Prinzessin der Dämonenwelt, mein Vater ist der Dämonenkönig
Laures und mei-
ne Mutter seine menschliche Frau Hilda. Du müsstest sie doch kennen?!" Jetzt
war es an Za-
dei, sich in einen Sessel fallen zu lassen. Konnte das wahr sein? Hatte der Kerl
sich jetzt auch
noch fortgepflanzt? Aber jetzt wurde ihm durchaus einiges klar: die glänzenden
schwarzen
Haare der Kleinen und die seltsamen Augen, das hatte sie eindeutig von ihrem
Vater, darum
war sie ihm gleich so bekannt vorgekommen. Ihre Gestik erinnerte ganz deutlich
an Hilda,
ebenso wie das Temperament. Jetzt wurde auch klar, was Laures gemeint hatte, als
er sagte,
es hätte sich einiges verändert und es gäbe hier Personen, die ihm viel
bedeuteten.
Und ihr Name! Hatte er den nicht auch schon mal gehört?
"Dein Name kommt mir bekannt vor," meinte er nachdenklich. Es wollte ihm einfach
nicht
einfallen.
"Mama sagt, sie hat mir den Namen ihrer besten Freundin gegeben. Sie ist zwar
schon tot und
ich habe sie nie kennen gelernt, aber Mama meint, dass das der liebste Mensch
der Welt für
sie war. Bis auf Papa natürlich." Die Kleine plapperte fröhlich vor sich hin,
während sie an-
fing, sich an Zadeis Frühstück gütlich zu tun, was dieser zunächst nur
nebenbei registrierte.
"Und Titius sagt sogar, dass sie ein Engel gewesen sein soll und wunderschön.
Und er hat
auch gesagt, dass ich bestimmt auch mal so schön werde, wenn ich älter bin,"
verkündete sie
stolz.
Genau, jetzt fiel es ihm wieder ein, Sherril war das Mädchen gewesen, das sich
damals vom
Turm gestürzt hatte. Damals hatte er es nur am Rande mitbekommen, er war ja
nicht dabei
gewesen und außerdem hatte es ihn auch nicht interessiert.
Seufzend bediente er sich nun auch an dem Frühstück und warf der Kleinen einen
missbilli-
genden Blick zu, da sie sich gerade die besten Früchte angelte, was diese aber
nicht weiter zu
stören schien. Hatte es nicht mal eine Zeit gegeben, in der die Menschen
schreiend wegliefen,
wenn sie nur seinen Namen hörten? Er musste wirklich viel von seinem
ehrfurchtgebietenden
Auftreten eingebüßt haben, wenn er nicht mal mehr ein Kind beeindrucken
konnte... anderer-
seits war sie das Kind von Laures, also konnte man nicht erwarten, dass sie
besonders viel
Grips aufwies. Er führte gerade einen Becher Wasser zum Mund, um etwas gegen
seinen tro-
ckenen Hals zu tun, als Sherril fröhlich weiterplapperte.
"Und es ist wichtig dass ich später mal ganz wunderhübsch werde, denn wenn ich
alt genug
bin, werde ich schließlich Titius heiraten..."
Zadei prustete den eben in den Mund genommen Schluck Wasser in hohem Bogen
wieder
hinaus.
"Du wirst WAS?! Wer hat das beschlossen?!" keifte er sie ungläubig an.
Nun war sie tatsächlich ein wenig erschrocken, verstand seine Reaktion nicht so
ganz.
"Na ja, eigentlich keiner. Das war meine Idee," sagte sie mit großen Augen. In
diesem Mo-
ment klopfte es zaghaft an der Tür und Zadei fragte sich schon, ob er hier wohl
den Tag der
offenen Tür hatte. Schließlich brummte er ein "Ja, herein." als auch schon die
Tür geöffnet
wurde und eine etwas rundliche Frau eintrat, die sich suchend im Zimmer umsah.
"Entschuldigt Zadei-sama, aber habt ihr zufällig... ah da bist du ja! Ich
wusste doch, dass du
wieder etwas ausgeheckt hast. Was fällt dir eigentlich ein, immer wegzulaufen?"
Die Backen
aufblasend stampfte die Frau auf Sherril zu, die aufquietschte, vom Sessel
aufsprang und weg-
rennen wollte, doch Zadei hielt sie grinsend an einem ihrer Zöpfe fest.
"Tja, das war's dann wohl für dich. Erwischt!" meinte er gehässig. Aber die
6-jährige fing
anstatt zu weinen, an zu giggeln und zu lachen, worauf Zadei sich mit der Hand
vor die Stirn
schlug.
Und schon war die Kinderfrau bei ihr und zog das Mädchen nun an der Hand hinter
sich her
aus dem Raum, während sie sich nochmals entschuldigte. "Verzeiht bitte die
Störung,
manchmal ist Lady Sherril nicht zu halten."
Besagte "Lady" ließ sich zwar mitziehen, schnitt aber Grimassen hinter Frau.
"Dabei haben
wir uns gerade so gut unterhalten. Onkel Zadei ist echt lustig! "
"Sag nicht, du hast schon wieder rumerzählt, dass du Herrn Titius heiraten
willst?" meinte
diese nur genervt.
"Aber das werde ich, bäh!" Als sie nun die Tür erreicht hatten, drehte Sherril
sich noch ein-
mal um und winkte mit ihrer kleinen Hand. "Bis dann Onkel Zadei!" rief sie noch,
bevor sie
schließlich verschwand und die Tür geschlossen wurde.
"Ich bin nicht dein Onkel!" rief Zadei noch hinterher, war sich aber nicht
sicher, ob sie es
noch gehört hatte. Das er sich von einer kleinen Göre auf der Nase rumtanzen
ließ, war echt
unglaublich! Noch dazu hatte er für einen kurzen Moment tatsächlich einen
Schreck bekom-
men, als sie Titius erwähnte.
Oh Mann, er war echt ein Wrack! Stöhnend ließ er sich ins weiche Polster
zurückfallen und
versuchte, diesen Morgen erst mal zu verarbeiten. Doch viel Zeit hatte er dazu
nicht, denn
schon bald erschien ein Bediensteter, der ihm die Nachricht überbrachte, dass
Laures ihn in
seinem Arbeitszimmer erwartete. Na toll, das fing ja alles super an!
Kapitel 2:
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Titius war heute schon vor Sonnenaufgang aufgestanden, wie es seine Gewohnheit
war. Im-
merhin hatte er als oberster Diener und engster Vertrauter des Königs auch
immer reichlich zu
tun. Aber heute fiel es ihm schwer, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren. Er
hatte in der
Nacht kaum ein Auge zugemacht und noch immer drehten sich seine Gedanken im
Kreis.
Er hatte gerade ein paar Anweisungen an die Bediensteten gegeben und war nun
dabei, die
neuesten Berichte über die Drachenzucht durchzugehen, die eigens für
Drachenritter des
Schlosses durchgeführt wurden, als es an der Tür zu seinem Arbeitszimmer
klopfte. Nachdem
er bestätigt hatte, öffnete sich die Tür und die Gestalt von Hilda erschien.
Sie trug ihre wallenden blonden Locken zu einem lockeren Zopf gebunden, aus dem
einzelne
Strähnen frei herausfielen und ihre Gestalt umrahmten. Sie trug eine
hellgrüne, weitgeschnit-
tene Robe, die die Wölbung an ihrem Bauch jedoch kaum verdeckte. Mit einem
Lächeln auf
den Lippen trat sie ein und sah Titius fröhlich an.
"Na, gibt es wieder viel zu tun, Titius?"
Der angesprochene sah auf und setzte eine tadelnde Miene auf.
"Aber Lady Hilda, ihr sollt euch doch ausruhen. Es ist nicht gut für euch, wenn
ihr in eurem
Zustand ständig durch die Gegend lauft. Ihr seid kaum besser als eure Tochter."
Titius Stim-
me klang zu sanft, als das Hilda sich wirklich von ihm getadelt fühlte.
"Einfach nur rumzusitzen oder zu liegen ist auch nicht gesund. Nur weil ich
schwanger bin,
müsst ihr mich nicht alle wie ein rohes Ei behandeln. Die erste Geburt habe ich
immerhin
auch überlebt. Aber wo du gerade von Sherril sprichst, sie hatte heute morgen
die fixe Idee,
dass sie unseren ,Gast' doch unbedingt kennen lernen müsste. Bei all der
Aufregung im
Schloss ist ihr natürlich nicht entgangen, was heute Nacht passiert ist, du
kennst sie ja. Nun,
ich habe es ihr natürlich ausgeredet und Laures hat es ihr sogar verboten, aber
dass hat sie
offenbar nicht davon abgehalten, heute früh direkt in Zadeis Zimmer zu
spazieren."
Titius, der gerade Hilda seinen Arm angeboten hatte und die Hochschwangere zu
einem Ses-
sel geleitete, sah sie entsetzt an. "Und, ist ihr was passiert?!"
"Nein, sie ist noch an einem Stück. Nicht nur das, sie sagt, sie hätte sich
gut unterhalten und
Zadei sei ,witzig'," erwiderte sie.
Titius seufzte. "Uff, wenn sie sich einmal was in den Kopf gesetzt hat, ist sie
nicht mehr da-
von abzubringen! Sie ist viel zu arglos."
"Na, ich mache mir keine allzu großen Sorgen deswegen. Sherril hat eine
besondere Art, auf
andere zuzugehen. Außerdem, wenn Laures ernsthaft in Erwägung ziehen würde,
dass Zadei
sich nicht an die Abmachung hält, dann würde er ihn nicht auf zehn Meilen in
unsere Nähe
lassen. Er weiß genau, was er tut und ich vertraue auf sein Gespür.
Aber der eigentliche Grund dafür, dass ich gekommen bin, ist, weil ich sehen
wollte, wie es
dir geht." Hilda rückte sich im Sessel solange zurecht, bis sie einigermaßen
bequem saß. Oh
Gott, würde sie froh sein, wenn das Baby endlich auf der Welt war. War Sherril
damals auch
so schwer gewesen? Sie versucht sich zu erinnern, es lag immerhin schon etwa
sechs Jahre
zurück.
Sie war sich sicher, dass Kind war direkt in der ersten gemeinsamen Nacht mit
Laures ge-
zeugt worden, die sie mit ihm verbracht hatte. Denn kurz nachdem der Kampf
zwischen ihm
und Zadei beendet war und ihr Geliebter zu ihr zurückgekehrt war, um sie zu
sich in die Dä-
monenwelt mitzunehmen, hatte sie die Schwangerschaft bemerkt. Seitdem lebte sie
jetzt hier
unten. Laures hatte den Kampf nicht nur überlebt, er war durch die Kraft, die
er freigesetzt
hatte, sogar noch stärker geworden. Deswegen kostete es ihn kaum noch Mühe,
die Luft um
sie herum reinzuhalten. Außerdem hatten die Ärzte festgestellt, dass sie sich
im Laufe der
Jahre sogar immer mehr anpasste. Für Sherril war das sowieso kein Problem, sie
war ja Halb-
dämonin. Genauso wie das Kind, dass sie jetzt unter dem Herzen trug. Diesmal
würde es ein
Junge werden, da war sie sich sicher.
"Wie soll es mir gehen? Wie immer natürlich," antwortete der Angesprochene
trocken.
"Na, und dass Zadei quasi von den Toten auferstanden ist, tangiert dich gar
nicht, wie? Du
hast schon mit ihm geredet, meinte Laures. Welchen Eindruck hattest du von ihm?
Hat er sich
geändert?"
"Was fragt ihr mich das? Weiß ich denn mehr über ihn als ihr alle?" fragte
Titius nachdenk-
lich, mit tonloser Stimme.
"Ja, ich denke, du kennst ihn besser als wir alle zusammen. Du musst doch
irgendetwas dazu
denken," beharrte die junge Frau weiter. Titius sah sie daraufhin nur traurig an
und wandte
sich dann ab, als er mit leiser Stimme sagte: "Zadei wird sich nie ändern. Es
war dumm, dies
anzunehmen."
"War es wirklich so dumm? Zadei ist gerade erst erwacht, wie kannst du es da
wissen?" frag-
te sie mit sanfter Stimme. Titius drehte sich wieder etwas zu ihr.
Hilda war immer noch bildschön. Ja, selbst jetzt, während der Schwangerschaft
wirkte sie
unglaublich grazil und anmutig. Die Luft hier unten hatte irgendeine komische
Wirkung auf
sie, sie war in den letzten Jahren kaum gealtert. Aber reifer war sie geworden.
Das lag ver-
mutlich daran, dass sie nun Mutter war. Und sie liebte Laures noch immer von
ganzem Her-
zen, genauso wie er sie. Dazu musste man nur kurz in ihre sanften hellen Augen
schauen, sie
sprachen Bände.
Am Anfang hatte er sie damals dafür gehasst, aber jetzt... ja, jetzt war alles
anders. Seit er
damals von Laures aus der Eiswüste gerettet worden war, hatte sich sein
Verhältnis zu ihr
geändert. Sie hatten viel Zeit hier in diesem Schloss miteinander verbracht und
Titius hatte
den Eindruck, dass sie ihn recht gut verstand. Sie hatte als erste die
Veränderung in ihm be-
merkt, die sich durch die Gefangenschaft im ewigen Eis in ihm vollzogen hatte.
"Ich habe ihn gestern Nacht gesehen, habe in seine Augen gesehen. Er wird sich
vielleicht an
die Abmachung mit Laures-sama halten, aber er hat sich nicht geändert." Er
erinnerte sich an
die Szene gestern im Salon. An Zadei, wie er ihn brutal packte, an seine Augen,
die wieder
Funken sprühten, an seine letzten Worte.
"Ein Mensch - oder ein Dämon - ändert sich auch nicht, in dem er einfach
sieben Jahre lang
schläft. Es sind die Menschen um uns herum, die Veränderungen in uns
hervorrufen. Du
*hast* dich verändert, aber auch das geschah nicht von allein, nicht wahr? "
Erstaunt drehte
Titius sich zu Hilda um. Diese Frau schaffte es immer wieder, die richtigen
Worte zu finden.
Sie hatte recht mit dem, was sie sagte. Und es stimmte, er selber war schon
lange nicht mehr
derselbe wie zu der Zeit, als Zadei für ihn noch nicht existiert hatte. Aber
die Frage war, zu
welchem Preis diese Veränderung vonstatten gegangen war...
"Wir werden sehen, ob ihr recht habt, Lady Hilda. Ich für meinen Teil, werde
mich aus der
Sache raushalten, so gut es geht. Ich habe mit diesem Mann nichts mehr zu tun,
es gibt nichts,
was mich mit ihm verbindet."
Seufzend erhob Hilda sich von ihrem Sessel. "So ist es wohl, die Zeit wird es
zeigen." Sie
wusste genau, dass Titus' Worte nicht der Wahrheit entsprachen. Er würde es
allerdings nie-
mals zugeben, er gestand es sich ja noch nicht einmal selber ein. Aber auch das
war verständ-
lich. Titius hatte zu viel gelitten, seine Seele hatte Risse bekommen. Diese
Bruchstücke konn-
te man manchmal sehen, wenn man ihm tief Augen sah. Sie fragte sich, wenn Zadei
Titius
wirklich so sehr liebte, warum war ihm das denn nicht aufgefallen? Oder wusste
er einfach
nur nicht, damit umzugehen?
Titius tat ihr leid. In den letzten Jahren hatte er ihr oft zur Seite gestanden,
sie konnte sich
immer auf ihn verlassen. Ohne dass sie ihn je darum gebeten hatte, erfüllte er
seine Pflicht als
Diener und Vertrauter auch ihr gegenüber. Und im Laufe der Zeit hatte sie
begonnen, ihn
wirklich zu mögen.
Ohne das ein weiteres Wort zu diesem Thema zwischen ihnen fiel, geleitete Titius
sie ihn ihre
Gemächer. Es war ja auch alles gesagt und Hilda bohrte nicht weiter. Die Zeit
würde zeigen,
was geschehen würde...
***************
Es war bereits Nachmittag, als Zadei seine Unterredung mit Laures beendet hatte.
Nachdenk-
lich schritt er einen langen Säulengang entlang, zu dessen linker Seite sich
die Gartenanlage
befand, die anscheinend extra für Hilda angelegt worden war. Zumindest konnte
Zadei sich
nicht daran erinnern, das Gelände zuvor schon mal gesehen zu haben. Es war
reichlich be-
pflanzt und recht weitläufig und mitten drin befand sich ein See.
Gedankenverloren hielt er
innen und ließ seinen Blick darüber schweifen.
Laures hatte ihm mitgeteilt, dass er vorhatte, Zadei das Kommando der
Drachenkompanie zu
übertragen. Eine sehr arbeitsreiche und nicht ganz leicht Aufgabe, denn sie
beinhaltete nicht
nur das Training und die Ausbildung der Drachenritter sondern auch dass
Aufziehen, Einfan-
gen und Zähmen der Drachen. Für Laures Position war diese Aufgabe einfach zu
zeitraubend,
er benötigte eine rechte Hand in dieser Sache und Zadei eignete sich am besten
für diese Auf-
gabe. Denn wie auch immer sein Charakter aussah, keiner konnte bestreiten, dass
er ein fähi-
ger Feldherr und ein großartiger Kämpfer war.
Vielleicht war es ja gar keine so schlechte Idee, dachte Zadei bei sich. So
hatte er zumindest
eine ernsthafte Aufgabe. Das würde ihm wahrscheinlich etwas Ablenkung
verschaffen und es
war gleichzeitig eine Herausforderung.
So sehr war er mit seinen Gedanken beschäftigt, dass er unheimlich erschrak,
als plötzlich
etwas an
seinem Mantel zog. Verwirrt blickte er nach unten und sah direkt in zwei große
Kulleraugen,
die ihn fröhlich anblickten.
"Hallo, Onkel Zadei! Stimmt es, dass du jetzt die Drachenkompanie leitest?"
Genau, jetzt wusste er es! Die Kleine war die Personifikation der geballten
Hass- und Rache-
gefühle aller Wesen, die er jemals in seinem Leben getötet hatte! Sie hatten
ihm einen Fluch
in der unscheinbaren Gestalt eines kleinen Mädchens geschickt!
Zadei schlug sich mit der Hand vor die Stirn und knurrte etwas von:
"Woher weißt du das jetzt schon wieder?"
"Ach, ich hörte, dass du zu meinem Vater gerufen wurdest und da..."
"...da bist du deiner Kinderfrau wieder entwischt und hast gelauscht,"
vollendete Zadei den
Satz. Es fiel ihm nicht schwer, die Gedankengänge von Sherril nachzuvollziehen,
vielleicht,
weil sie seinen eigenen vom Prinzip her nicht unähnlich waren?
"Na ja, gelauscht nicht direkt, aber ich habe halt gute Ohren und wenn ich halt
zufällig an der
Tür vorbeikomme... Aber was ich dich fragen wollte, Onkel Zadei, ist, ob du
mich mit zu den
Drachen nimmst?! Bitte!!" Die kleine setzte einen klassischen Hundeblick auf,
der bei Zadei
aber statt Mitleid eher ein Gefühl von Übelkeit hervorrief.
"Erstens: nenn mich nie wieder Onkel, zweitens: nein, eher hänge ich mich mit
der Zunge an
der Turmspitze auf, bevor ich dich mitnehme und drittens: VERSCHWINDE!!"
Zadei hatte von vorneherein dass Gefühl, dass sie sich nicht einmal davon
abschrecken lassen
würde. Aber man konnte doch wohl noch hoffen?! Aber nein, als sie nun empört
die Backen
aufblies, die kleinen Ärmchen verschränkte und sich zur ihrer vollen Größe
aufbaute (Zadei
also nicht mal bis zur Hüfte reichte), war klar, dass er sich zu früh gefreut
hatte.
"Dann häng dich doch mit der Zunge an der Turmspitze auf, wenn's dir Spaß
macht! Aber ich
verschwinde nicht eher, bis du mir nicht versprochen hast, mich mitzunehmen und
mir die
Drachen zu zeigen!" Um ihren Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen, klammerte
sie sich
nun mit Armen und Beinen an seinem linken Bein fest.
"Lass sofort los, du kleines Monster, sonst...!"
"Du kannst mir gar nichts tun, weil mein Papa es dir nämlich verboten hat! Also
sag, dass du
mich mitnimmst, biiiittöööö."
Manche Leute durften sich einfach nicht fortpflanzen, beschloss Zadei, wenn die
Gefahr be-
stand, dass *so* etwas wie das Ding an seinem Bein da dabei herauskam. Obwohl,
als Thron-
erbin würde sie vielleicht sogar eine gute Figur abgeben. Das Dämonenreich
erwartete ein
neue Ära der Schreckensherrschaft...
In diesem Augenblick, hörten sie beide Schritte auf sich zukommen und Sekunden
später er-
schien Titius auf dem Gang, der sich die Szene etwas verwundert ansah. Er atmete
tief durch.
An solche Zufallsbegegnungen würde er sich wohl gewöhnen müssen.
Augenblicklich ließ Sherril von ihrem Eroberungsfeldzug gegen Zadeis Bein ab,
welcher den
weißhaarigen Dämon aus Dankbarkeit am liebsten umarmt hätte und rannte auf
Titius zu.
"Morgen Titius! Du hast mich doch nicht etwa gesucht?" zwitscherte sie
fröhlich, während
Titius sich zu ihr hinunterbeugte und ihr durch die Haare strich.
"Habe ich dir nicht gesagt, du sollst nicht mehr einfach so deiner Amme
weglaufen? Das ist
sehr ungehörig für ein Lady und für eine Prinzessin erst recht. Was hast du
nur wieder ge-
macht?" Meinte er tadelnd, jedoch mit so sanfter Stimme, dass es Zadei
gleichzeitig im Herz
schmerzte.
"Ich habe mich nur mit Onkel Zadei unterhalten. Er will mir vielleicht die
Drachen zeigen, die
er jetzt befehligt!" gab sie zuckersüß zur Antwort, während sie Titius
anstrahlte. Sie liebte es,
wenn der wunderschöne Engel sie als Lady bezeichnete! Dieser hingegen richtete
sich nun auf
und blickte den fassungslosen Zadei durchdringend an, als er mit trockener
Stimme fragte:
"Ist das wahr? Ihr solltet wirklich wissen, Zadei-sama, dass ein Drachennest
nicht gerade der
passende Ort für ein Kind ist."
"He-hey, Moment mal, ich habe nie gesagt, dass ich...!"
"Schimpf bitte nicht mit Onkel Zadei, Titius. Er ist doch so nett, es ist immer
ganz lustig mit
ihm. Er hat gesagt, er wird sich mit der Zunge am Turm aufhängen, ich glaube
aber nicht,
dass er das schafft," sagte sie kichernd, machte dann aber einen artigen Knicks
und kündigte
an, dass sie nun freiwillig wieder zurück zu ihrer Amme gehen würde. Sie
wollte ja nicht ris-
kieren, dass ihr geliebter Titius ihr böse wurde.
Einige Sekunden später war sie davon gewetzt. Die beiden Dämonen blieben
allein auf dem
Flur zurück. Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Titius blaue Augen
waren noch
immer auf die Stelle gerichtet, an der Sherril zuletzt gewesen war.
"Ich habe bestimmt nicht vor, dieses kleine Monster irgendwohin mitzunehmen. Wer
lässt die
eigentlich immer aus ihrem Käfig?!" Im gleichen Moment traf ihn ein stechender
Blick aus
eisblauen Augen, so dass er sich hätte ohrfeigen können, dass er nicht seine
Klappe gehalten
hatte.
"Ihr solltet etwas mehr Respekt vor den Mitgliedern der Königsfamilie haben!
Aber das war
ja noch nie eure Stärke. Da hilft es wohl auch nicht mehr viel, wenn ihr euch
mit der Zunge
am Turm aufhängt... Warum sagt ihr der Kleinen so etwas überhaupt?"
"Nein, dass war in einem anderen Zusammenhang, ich meinte... ach, ist ja auch
egal. Aber du
scheinst dich ja rührend um sie zu kümmern..."
"Ist das etwa ungewöhnlich? Mein Aufgabenfeld hier im Schloss ist nun mal sehr
ausgedehnt.
Ich bin der Familie des Königs gegenüber ebenso verpflichtet wie dem König
selber." Titius
schritt langsam auf dass Geländer der einen Seite des Säulengangs zu und
blickte auf die Gar-
tenanlage, während seine Hand auf dem Geländer ruhte.
"Trotzdem scheint ihr euch ja außergewöhnlich gut zu verstehen. Sie sagte
sogar, dass sie
dich heiraten will," meinte Zadei amüsiert, obwohl er zugeben musste, dass er
allein bei dem
Gedanken schon ein wenig eifersüchtig wurde, obwohl das natürlich völlig
grundlos war.
Der Dämonenengel sah ihn daraufhin von der Seite mit einer hochgezogenen
Augenbraue an,
meinte aber nur: "Sherril ist nun mal etwas lebhaft, ihr fällt immer
irgendetwas Neues ein.
Das legt sich bald wieder. Aber ich werde mich auch noch um sie kümmern, wenn
sie wirk-
lich verheiratet ist. Ich weiche nicht von der Seite der kleinen Lady." Nun
blickte er wieder
etwas gedankenverloren auf die Anlage.
Es war fast schon surrealistisch, dachte Zadei. Dass sie beide sich so
unterhalten würden...
damit hätte er nicht gerechnet. Außerdem sah sein Engel mit einem mal so
traurig aus. *Sein*
Engel?! Was wusste er eigentlich genau über ihn? Eigentlich doch so gut wie
nichts! Aber er
hatte ja auch nie gefragt. Dabei interessierte es ihn ja, er wollte alles über
dieses Wesen neben
ihm wissen, aber er war nicht gut in solchen Dingen. Einmal hatte er Titius dazu
gekriegt,
etwas aus seiner Vergangenheit zu erzählen, aber es war so wenig gewesen, weil
Zadei die-
sen Augenblick wie immer zerstört hatte.
Warum nur fiel ihm das erst jetzt auf? Er hatte immer alles kaputtgemacht, immer
Hals über
Kopf gehandelt. Er war immer rastlos, haltlos gewesen, war immer vorangeprescht,
ohne zu-
rückzublicken und ohne zu wissen, wohin er eigentlich wollte. Aber nun waren
seine Grenzen
zum ersten mal festgelegt. Er durfte sich keinen Fehler mehr erlauben, sonst war
es wirklich
aus. Er hatte diese Chance bekommen, sein Erwachen war wie eine Wiedergeburt
gewesen.
Und er musste jetzt auch nicht mehr voranhasten, es bestand keine Notwendigkeit
dazu, er
hatte Zeit... Zeit, um nachzudenken.
"Hat das etwas mit dem Mädchen zu tun, das sich damals das Leben nahm? Ihr Name
war
auch Sherril, nicht wahr?" fragte er vorsichtig, in der Hoffnung, keinen Fehler
zu machen.
Für einen Augenblick schloss Titius seine Augen. Als er sie öffnete, waren sie
so voller Trau-
er, dass es Zadei allein bei deren Anblick fast das Herz brach. Allerdings hatte
Titus so we-
nigstens kurz seine kühle Maske vor ihm abgelegt, was ihn gleichzeitig fast
freute, auch
wenn es unfair war.
"Es war meine Schuld, dass sie damals sprang. Es ist, als hätte ich sie mit
eigenen Händen
getötet." Während er dies mit belegter Stimme sagte, schaute er auf seine
Hände, als würde er
erwarten, dort noch ihr Blut zu sehen. "Ich habe in meinem Leben viel Schuld auf
mich gela-
den, aber diese war eine der größten. Und dennoch hat sie mir verziehen."
Zadei wusste nicht, was er sagen sollte. Diese Situation war völlig neu für
ihn. Er hatte noch
nie jemanden trösten müssen. Aber was sollte er auch sagen? Eine der üblichen
Phrasen? ,Es
tut mir leid' oder ,Es ist nicht deine Schuld'?! Diese Worte klangen in Zadeis
Ohr so abge-
schmackt, so inhaltslos. Aber etwas anderes viel ihm nicht ein, also schwieg er
erst mal und
blickte etwas hilflos umher. Doch Titius redete von alleine weiter. Es schien
mehr ein Mono-
log zu sein. Registrierte er überhaupt, mit *wem* er sich da überhaupt
unterhielt?!
"Deswegen habe ich das Gefühl, dass ich eine Chance bekommen habe, es wieder
gutzuma-
chen, indem ich dafür sorge, dass der kleinen Sherril nichts zustößt. Ganz
werde ich die
Schuld natürlich nie abtragen können, aber ich habe einfach das Gefühl, dass
sich die alte
Sherril darüber freut, wenn sie es von dort aus sieht, wo auch immer sie jetzt
ist."
So war das also. Titius glaubte also auch an eine zweite Chance! Der kleine
Hoffnungs-
schimmer wurde zu einem Funken. Ob er jemals zu einem Feuer werden würde?
"Die kleine Sherril hat wirklich Glück, muss man sagen." Zadeis Worte rissen
Titius offenbar
abrupt aus seinen Gedanken. Etwas verwirrt blickte er Zadei nun an. Irgendwie
war dieser
seltsam heute. Auf diese Art kannte er ihn gar nicht. Und schon fuhr dieser
fort: "Sie hat
Glück, dass sie dich hat. Wem du einmal die Treue geschworen hast, dem ist
deine Loyalität
sein Leben lang gewiss, so ist es doch, nicht wahr?! Der einzige, für den das
nicht gilt, bin
ich." Unverholen sprach der Sarkasmus aus Zadeis Worten.
Diesen Wink mit dem Zaunpfahl hatte Titius durchaus verstanden. <> dachte er bei sich. Aber er hatte nicht vor, mit Zadei über die
Vergangenheit zu
sprechen. Auch gestern war er ihm deswegen ausgewichen.
Es wäre ihm am liebsten, es könnten diese Dinge einfach aus ihrer beider
Gedächtnisse ge-
löscht werden. Aber das war nun mal unmöglich.
"Ihr habt mich die Schuld für meinen Verrat an euch mehr als gründlich
abzahlen lassen. Da-
mit sind wir wohl quitt und die Sache ist vom Tisch." Oh Gott, das hörte sich
an, als ginge es
um irgendein Geschäft! Aber das war gut so. Er musste sich nur so kalt wie
möglich geben,
dann würde auch Zadei irgendwann begreifen, dass er nicht mehr darüber reden
wollte. Nicht
einmal daran denken. Wie hätte er sonst die letzten Jahre hinter sich bringen
können, wenn er
die Vergangenheit nicht verdrängt hätte? Im Grunde wusste Titius selber, dass
das eine
Selbstlüge war, denn die Vergangenheit holte ihn immer wieder ein. Er
schauderte bei dem
Gedanken an die endlosen, kalten, grauenvollen Nächte, in denen er von
Alpträumen gequält
wurde.
Bevor Zadei etwas erwidern konnte, stieß er sich vom Geländer ab und wandte
sich zum Ge-
hen, während er das Thema rasch wechselte: "Übrigens findet in zwei Tagen die
Geburtstags-
feier der kleinen Lady statt. Laures-sama hat ein großes Fest angeordnet. Nur
damit ihr es
wisst..." damit verschwand Titius hinter der nächsten Ecke und ließ einen
ratlosen Zadei zu-
rück.
Vielmehr war er sauer auf sich. Warum musste er auch diesen kurzen Moment des
Friedens
zwischen ihnen beiden nur wieder zerstören? Seine letzte Bemerkung war wirklich
überflüs-
sig gewesen, aber er hatte es nun mal nicht lassen können. Aber warum nur ging
Titius nicht
richtig darauf ein? War er so kalt, dass er das wirklich angehackt hatte?
Empfand er rein gar
nichts? Hatte er sich damals, als sie sich auf Leben und Tod gegenüberstanden,
wirklich nur
eingebildet, dass er sich zumindest ein klein wenig Titius Akzeptanz erkämpft
hatte?
************
Keine seiner Fragen hatte sich seit seinem Erwachen auch nur ansatzweise
geklärt. Und auch
in den nächsten zwei Tagen tat sich absolut nichts. Titius war mit den
Vorbereitungen für dass
große Fest voll ausgelastet und schließlich hatte auch Zadei seine Aufgaben.
Wenn es vor-
kam, dass sie beide sich zufällig begegneten, dann kamen von Titius nur die
üblichen höfli-
chen Worte, was bei Zadei jedes mal stille Frustration hervorrief. Er konnte
fast von Glück
reden, dass er seine Aufgabe mit den Drachen hatte, sonst wäre er vermutlich
verrückt gewor-
den
Am Abend vor dem Tag des großen Festes saß Zadei grummelnd in seinem Zimmer
und starr-
te gelangweilt das Kristallglas in seiner Hand an, das mit blutrotem Wein
gefüllt war. Lang-
sam wiegte er es in der Hand hin und her. Er hasste es, nichts zu tun zu haben.
Wie eine Ant-
wort auf seine Gedanken, öffnete sich plötzlich wieder einmal seine Tür und,
wie sollte es
auch anders sein, Sherril trat ein. Sie trug ein schneeweißes Nachthemd, dessen
Saum über
den Boden schleifte, als sie mit nackten Füßen über den weichen Teppich
schritt. Ihre Haare
waren offen und reichten ihr nun bis zur Hüfte.
Sich im hellen Licht des Zimmers die Augen reibend, meinte sie: "Ich kann nicht
einschlafen
heute Nacht. Ich bin so aufgeregt wegen morgen." Zadei hatte mittlerweile
begriffen, dass es
vollkommen sinnlos war, sie anzuschreien, wie er es anfangs probiert hatte. In
den letzten
Tagen hatte die Kleine zwar ihren Plan mit der Drachenbesichtigung (vorerst)
aufgegeben,
aber sie hatte trotzdem jede Menge neue Einfälle gehabt, so dass Zadei sich
beinahe schon
daran gewöhnt hatte.
"Aha und warum kommst du dann zu mir? Geh deine Eltern oder Titius nerven,"
brummte er.
"Nein, Mama und Papa schimpfen mit mir und Titius will ich nicht stören," gab
sie als Ant-
wort, während sie wie selbstverständlich wieder auf den riesigen Ohrensessel
kletterte.
"Na toll, Titius willst du nicht stören, aber mir gehst du gerne auf den Geist,
was?!" Sie sah
ihn mit großen Augen an, machte dann aber zu Zadeis Erstaunen eine ernste
Miene. "Nein, so
ist es nicht. Es ist nur, weil Titius immer so wenig schläft. Man braucht doch
viel Schlaf und
wenn er schon mal schläft, will ich ihn nicht noch stören."
Bei diesen Worten horchte er auf, wie immer, wenn es um Titius ging. "Was meinst
du damit?
Wieso schläft er nicht?"
"Na ja, genau weiß ich das nicht. Aber ich glaube, er hat manchmal Alpträume.
Manchmal
werde ich auch nachts wach und dann laufe ich durchs Schloss und hole mir Wasser
oder was
Süßes... aber pssst!" sie legte den Finger an die Lippen, bevor sie ihren
Bericht fortsetzte:
"Aber nicht Mama oder Papa sagen, ja? Jedenfalls sehe ich dann Titius ganz oft.
Er steht dann
auf dem Balkon oder manchmal auch im dunklen Garten. Er sieht dann immer so
traurig aus
und ich traue mich nicht, ihn anzusprechen, weil ich ja eigentlich um diese Zeit
nicht wach
sein darf. Verstehst du jetzt, wenn er so schlecht schlafen kann, dann will ich
ihn nicht stören,
*wenn* er denn mal schläft."
Sieh einer an, dachte Zadei, die Kleine kann ja richtig taktvoll sein.
Genaugenommen war die
6jährige taktvoller als er es jemals in seinem Leben gewesen war. Es wurde ihm
schwer um's
Herz bei dieser Erkenntnis. Er hatte soviel falsch gemacht. War er vielleicht
der Grund für
Titius Alpträume? Was sonst?! Aber sein Engel würde das niemals zugeben. Er
wollte ja nicht
mal über das Geschehene reden, blockte alles ab, als sei es nie geschehen.
Man sagt, Selbsterkenntnis sei der erste Schritt zur Besserung, nur in Zadeis
Fall war er sich
nicht wirklich sicher, ob er sich überhaupt bessern konnte... da war dieses
allgegenwärtige
Verlangen, dass Zadeis Körper gefangen hielt, dessen er sich nicht lossagen
konnte und das
seinen Verstand einfach ausschaltete.
"Was ist los, Onkel Zadei? Du siehst so nachdenklich aus. Ist etwas passiert?"
Dieser hatte für
einen kurzen Moment ihre Anwesenheit fast vergessen. Im gleichen Moment wunderte
er
sich, dass das quirlige Mädchen offenbar auch ganz ernsthaft sein konnte. Er
grinste um von
seiner Verwirrtheit abzulenken. "Du machst dir Sorgen um mich? Hm, du solltest
jetzt doch
lieber ins Bett gehen. Wenn du nicht schläfst, kommst du morgen nicht raus,
auch wenn mich
das nicht sonderlich stören würde," meinte er in seinem üblichen gehässigen
Ton, den sie aber
wie immer überhörte.
Und ein weiteres mal überraschte sie ihn an diesem Abend, denn sie tat
tatsächlich, was er
sagte. "Ja, vom reden bin ich müde geworden. Ich geh jetzt wieder zurück. Aber
du musst
schwören, dass du meinen Eltern nicht sagst, dass ich hier war, ja?!" "Zisch
ab, ich schwör
hier gar nichts."
"Dann sag ich Titius und Papa, dass es deine Idee war, mich zu den Drachen
mitzunehmen,"
meinte sie plötzlich wieder im normalen, frechen Tonfall, der Zadeis Ohren
wesentlich ver-
trauter war. "Ok, ich schwöre, dass ich nichts sagen werde und jetzt geh
endlich."
"Zum schwören musst du aber die Hand he..."
"Abgang!!!"
"Iiiieeks!" machte es und verschwand mit trippelnden Schritten aus dem Zimmer.
Aber im
Türrahmen drehte sie sich noch mal um. "Gute Naa-haa-cht!" Und schon war sie
verschwun-
den und das Zimmer kam Zadei mit einem mal leerer vor als vorher.
Kapitel 3:
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Hinweis: So, jetzt ist hoffentlich wieder alles an Ort und stelle. Die
Adult-Warnung kommt hier hin, wo sie hingehört. Puh... ich hoffe, ich habe beim
Neubarbeiten die Schnitt wieder richtig gemacht, habe nämlich vergessen, wo ich
ursprünglich beim zweiten Kapitel abgebrochen habe. Ich hoffe, ich verwirre
hier niemanden... zumindest nicht mehr als mich selber!
**********
An diesem Abend war Titius erst spät ins Bett gekommen. Es hatte so viel zu tun
gegeben und
er war todmüde. Jetzt lag er eingehüllt in seinen weißen Seidenlaken, blickte
an die dunkle
Decke und dachte nach. Natürlich über das Thema, dass ihm jetzt seit Tagen
keine Ruhe ließ.
Er hatte Zadei jetzt zwei Tage lang kaum gesehen. Es waren nur flüchtige
Begegnungen ohne
besondere Vorkommnisse gewesen, wofür er seinerseits auch sehr dankbar war.
Er konnte auch jetzt noch kaum glauben, dass er dem schwarzhaarigen Dämon so
etwas Per-
sönliches erzählt hatte. Aber immerhin hatte dieser zugehört. Na ja,
zumindest eine Weile.
Ganz interessant war auch, dass Sherril offenbar einen Narren an ihm gefressen
hatte. Titius
musste lächeln. Ja, mit ihrer freien Art auf andere zuzugehen und zunächst
immer nur das
beste im Menschen zu sehen, stand sie ihrer Namensvetterin in nichts nach. Es
war auf jeden
Fall besser, wenn sie nie erfuhr, warum er selber mit Zadei nicht so gut
zurechtkam, was sie
ihn, unwissend wie sie war, auch schon gefragt hatte.
Langsam merkte Titius. Wie seine Augenlider schwerer wurden und ihm das
Nachdenken
zunehmend schwerer fiel, bis er schließlich in einen tiefen Schlaf glitt.
[Das Tosen des Eissturmes hat wieder zugenommen, wovon Titius aus seinem Schlaf
er-
wacht. Der kalte Wind pfeift unheimlich, als er um die kleine Höhle fegt, in
die er sich zu-
rückgezogen hatte. Etwas benommen rafft er sich vom gefrorenen Boden auf und
lehnt sich
gegen eine Eiswand. Wie spät ist es jetzt? Aber das ist eigentlich
gleichgültig, er hat ohnehin
schon seit langem kein Zeitgefühl mehr. Er zieht das Gewand, dass Zadei ihm
gegeben hatte,
etwas zu Recht. Wenigstens schützt es ein wenig vor der beißenden Kälte. Zum
Glück ist er
ein Dämon, ein menschliches Wesen hätte bei diesen Temperaturen nicht lange
überlebt.
Mit einemmal hört er Schritte durch den Gang hallen, die trotz des tosenden
Sturms zu hören
sind. Ein Schauder überkommt ihn allein bei diesem viel zu vertrauten
Geräusch. ER kommt
wieder. Zögernd blickt Titius nun auf und erkennt auch schon Zadeis Silhouette,
die sich auf
ihn zu bewegt.
Und erkennt auch, dass dieser offenbar sehr geladen ist. Sein Gesicht spricht
Bände, wahr-
scheinlich hat ihn irgendetwas in der Menschenwelt oder wo auch immer er gewesen
ist, wie-
der gereizt.
"Ist irgendwas geschehen? Ihr seht nicht gerade fröhlich aus," spricht Titus
ihn an.
"Selbst wenn, würde es dich interessieren?" kommt die gereizte Frage zurück.
Und schon
geschieht der Fehler, der den ohnehin kochenden Zadei zum explodieren bringt.
"Nein, nicht wirklich," Titius' nebenbei formulierte Antwort, die so typisch
für ihn ist, lässt
Zadei rot sehen. Wütend packt er Titius an den Schultern, zieht ihn hoch und
presst ihn gegen
die Wand.
"Wenn's dich nicht interessiert, dann frag gefälligst nicht. Ich mag es nicht,
wenn du dich
über mich lustig machst! Aber das treibe ich dir auch noch aus!!"
"Ich mache mich nicht lus...!" In diesem Moment ist es schon zu spät, Zadei
presst seinen
Mund auf den seines Engels, fixiert derweil sein Kinn mit der linken Hand, dass
er sich nicht
entziehen kann und zwängt nun seine Lippen auseinander, dringt mit der Zunge
gierig in sei-
nen Mund, so dass Titius kaum noch Luft bekommt. Entsetzt kneift er die Augen zu
und ver-
sucht, Zadei mit den Händen wegzustoßen, erreicht aber nur, dass der Kuss noch
härter, der
Griff mit dem er festgehalten wird, noch fester wird.
Dann löst Zadei den Kuss, lässt seinen kreidebleichen Engel aber nur kurz
aufatmen. Seine
rechte Klaue fährt flink über die Verschlüsse des Gewandes, das er seinem
Engel gerade erst
geschenkt hat und entblößt schneeweiße Haut. Die Klaue streift nun über die
nackte Haut der
Schulter, fährt den Arm entlang nach unten und wieder hoch, während er dem
verzweifelt
aufstöhnenden Titius abermals einen heftigen Kuss aufzwingt. Die sich wehrenden
Hände und
die flehenden Worte ignoriert er, hat nun Titius ganzen Oberkörper entblößt
und drückt ihn
nun grob zu Boden.
"Zadei, nicht! Wartet!" versucht Titius es weiter, aber vergeblich. Schon spürt
er den harten
Boden wieder im Rücken und dann Zadeis schweren Körper, der sich auf seinen
legt, wäh-
rend dieser sein Gesicht nun in Titius' Halsbeuge vergräbt, sich in der zarten
Haut festbeißt.
Erste Tränen der Verzweiflung lösen sich aus himmelblauen Augen, tropfen
lautlos auf den
Eisboden. Doch Zadei bemerkt es nicht, ist zu sehr in seinen eigenen Emotionen
gefangen, in
seiner Wut und gleichzeitig in seinem Verlangen. Unfähig, überhaupt noch etwas
um sich
herum wahrzunehmen, nimmt er den engelsgleichen Körper in Besitz. Seine Hände
erkunden
jeden Zentimeter Haut, als wäre es das erste mal, seine Lippen setzten Küsse
auf den Ober-
körper.
Titius schließt die Augen, versucht, jedes Gefühl in sich abzutöten, wie er
es sonst immer tut.
Doch in diesem Moment spürt er, wie eine Hand sich in seinen Haaransatz krallt
und daran
zieht. Erschrocken öffnet Titius die Augen, erneut rollen Tränen des Schmerzes
über seine
Wangen.
"Sieh mich an Titius! Ich will mich in deinen Augen sehen!!" herrscht Zadei ihn
an, den Titi-
us aber nur noch verschwommen erkennen kann.
"Warum tut ihr das? Lasst mich gehen, bitte!" fleht Titius nun, erkennt aber mit
Schrecken an
Zadeis boshaftem Lächeln, dass es genau das war, was er von ihm hören wollte.
Noch immer bedrohlich lächelnd senkt dieser nun seinen Kopf ganz nah zu Titius'
Ohr herab
und flüstert: "Habe ich's nicht gesagt?! Ich habe dir doch versprochen, dass
ich deinen Stolz
zerschmettern werde! Hättest nicht gedacht, das ich das schaffe, was?! Aber nun
sieh dich an,
du kannst am Ende überhaupt nichts gegen mich ausrichten..." Damit beißt er
Titius ins Ohr-
läppchen und lacht ein heiseres Lachen.
Titius starrt entsetzt an die Decke, wünscht sich in diesem Moment nichts mehr
als den Tod.
Aber noch nicht einmal sterben kann er ohne Zadei, diese bittere Erkenntnis und
die Tatsache,
dass er wirklich völlig ausgeliefert ist, bringt ihn fast um den Verstand.
Dann, plötzlich,
schieben sich Hände unter seinen Rücken und die schmale Hüfte, das Gewand
wird ihm voll-
ständig ausgezogen und er wird schnell und unsanft auf den Bauch gedreht. Alles
geschieht,
ohne dass Titius es noch richtig realisieren kann. Seine schmalen Handgelenke
hält Zadei mit
seiner Klaue über dem Kopf fest. Als er in Titius eindringt, ist dieser zu
keiner Bewegung
mehr fähig, nicht mal seine Stimmbänder arbeiten noch. Unbeschreibliche
Demütigung und
Panik schnüren ihm die Kehle zu. Nur ein leichtes Wimmern entflieht seiner
Kehle, als Zadei
endlich nach einer schier endlosen Zeit von ihm ablässt und mit seinem ganzen
Gewicht nun
auf Titius liegt, seinen Engel fest umarmt und an sich drückt.
Wieder lösen sich heisere Töne aus Zadeis Mund, ganz nah an Titius Ohr formen
seine Lip-
pen Worte, die dieser mittlerweile mehr hasst als alles andere:
"Ich liebe dich."]
Schlagartig fuhr Titius hoch. Noch ganz benommen vom Schlaf, realisierte er
zunächst kaum,
dass er senkrecht im Bett saß. "Nicht schon wieder" flüsterte seine
tränenerstickte Stimme
wie von selbst. Er hatte die gleichen Symptome wie immer nach diesem Traum, sein
ganzer
Körper zitterte wie Espenlaub, seine Haut war feucht vom Schweiß, sein Mund
war trocken
und schmeckte gleichzeitig den salzigen Geschmack der Tränen. Erst langsam
löste sich der
eiserne Griff der Panik, der sein Herz so fest gepackt hatte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sein Körper sich etwas beruhigt hatte, das
Blut nicht mehr so
schnell durch die Venen raste und das Zittern so weit abgeklungen war, das
Titius sich trauen
konnte, aufzustehen, ohne gleich umzukippen. Obwohl noch immer Tränen
ungehalten und
still über sein Gesicht flossen, wühlte er sich aus seinem Bett und wanderte
durch das Zim-
mer.
Warum musste er diesen Traum noch immer träumen? Sieben Jahre lang hatte er ihn
gequält
und auch Zadeis Erwachen und die Tatsache, dass noch nichts schlimmes passiert
war, hatten
nichts daran geändert.
Er versuchte, es tagsüber zu verdängen, was ihm ja auch einigermaßen gelang,
nachts jedoch,
wenn er allein in seinem Zimmer war und alles um ihn herum so schrecklich still,
dann konnte
er sich selber nicht entkommen.
Als er so durch den Raum schritt, kam er an seinem Kleiderschrank vorbei. Aus
einem Reflex
heraus öffnete er eine der Türen davon, die er sonst selten benutze und griff
nach dem Klei-
dungsstück, das dort sorgfältig aufgehängt war. Es war das Gewand, dass Zadei
ihm damals
geschenkt hatte. Es war völlig fleckenlos, dass Weiß des mantelartigen
Überwurfs strahlte
noch immer so hell wie am ersten Tag. Nie hatte Titius sich dazu durchringen
können, es
wegzuschmeißen, wobei ein Teil in ihm es am liebsten verbrannt hätte. Aber
dieser Teil war
in dieser Beziehung seltsamerweise nicht der Stärkere.
Traurig schüttelte Titius den Kopf und hängte es wieder zurück. Nachdem er
den Schrank
wieder verschlossen hatte, schritt er auf den kleinen Balkon dieses Raumes zu,
öffnete die
Vorhänge und Tür und trat hinaus in die kühle Nachtluft. Ein leichter Wind
wehte und spielte
etwas mit seinen Haaren und dem ebenfalls schneeweißen Nachtgewand.
So stand er da, wie so oft in den Nächten, in denen er von Alpträumen der
Vergangenheit ge-
quält wurde und sah gedankenverloren in die Finsternis, noch immer Tränen in
den Augen.
Und ihm wurde klar, dass Zadei nicht nur von seinem Körper Besitz ergriffen
hatte, sondern
auch von seiner Seele. Irgendwie war er immer allgegenwärtig, in irgendeiner
Form war er
immer in Titius Gedanken. Und es war nicht immer so schlecht wie in diesen
Nächten.
Manchmal kamen ihm auch ganz einfach so irgendwelche anderen Szenen ins
Gedächtnis.
Die Umarmung von Zadei, kurz vor seinem Abschied, sein Gesicht, als Titius ihm
den Ring
geschenkt hatte oder der Moment, in dem Zadei den Arm verlor, als er sich
schützend vor
Laures Attacke vor Titius warf.
So viel Titius auch darüber nachdachte, er kam zu keinem Ergebnis. Zu sehr
fühlte er sich
zwischen den unterschiedlichen Gefühlen hin- und hergerissen. Wie konnte Zadei
sich nur
seiner Gefühle immer so sicher sein? Wie konnte er immer noch behaupten, Titius
zu lieben,
nach allem was geschehen war, nach all der Zeit? Aber selbst wenn es eine
Antwort auf alle
von Titius' Fragen gab, wollte er sie überhaupt wissen?
*************
Dichtes Stimmengewirr erfüllte den Raum. Der ganze Hofstaat war im Ballsaal
versammelt.
Zadei rümpfte die Nase, als er den Raum betrat. "Bälle" -so etwas hatte es zu
seiner Zeit hier
im Dämonenschloss nicht gegeben. Man sah ziemlich deutlich, dass in den letzten
Jahren mit
Hilda die weibliche Note hier Einzug gehalten hatte. Kein Wunder, wo Laures ihr
wie ein
verliebter Trottel noch immer jeden Wunsch von den Augen ablas. Besagtes Paar
saß im Üb-
rigen ganz hinten im Saal auf zwei goldenen Thronen. Zadei hätte kotzen
können, wie er die
beiden sah.
Aber er unterdrückte seinen Würgreiz und bemerkte, dass heute nicht wirklich
dass Königs-
paar im Mittelpunkt stand, sondern der nun 7jährige Nachwuchs. Klein-Sherril
stand in einem
dunkelgrünen Seidenkleid, mit aufwendigem Faltenwurf und jeder Menge Nippes
be-
schmückt, auf den Stufen zum Thron und ließ sich gerade beschenken. Titius
stand bereits
neben ihr und beobachtete sie mit einem Lächeln.
Langsam schritt Zadei auf sie zu. Eigentlich hatte er keine Lust auf das Getue
hier, aber ver-
dammt, wie sollte man denn in Ruhe in seinem Zimmer hocken und Trübsal blasen,
während
hier ein rauschendes Fest stattfand?!
Als er näher kam und Sherril ihn erspähte, fing sie heftig an zu winken und
als er in Hörweite
war, drehte sie sich kurz zur Seite und hob vom Geschenktisch neben sich einen
Gegenstand,
den sie mit einem Grinsen wild hin und her schwenkte. "Guck mal Zadei, guck mal
was ich
von Titius geschenkt bekommen habe!" Ihr Grinsen hätte fast einmal um den Kopf
herum
gereicht, wären die Ohren nicht im Weg gewesen, als sie stolz verkündete: "Er
hat mit ein
Schmuckkästchen geschenkt, ist das nicht hübsch!" Wild fuchtelte sie damit
Zadei unter der
Nase herum.
"Ja, ganz toll, ich bin begeistert," ließ dieser nur in sarkastischem Tonfall
verlauten, als er
Titius missbilligenden Blick auf sich fühlte.
"Und was hast du für mich? Was, sag schon?" kam die hibbelige Frage.
"Was sollte ich schon für dich haben, hä?"
"Ach komm, du musst doch was für mich haben, sag schon." Alles was recht war,
da die
Kleine sonst schon so hyperaktiv war, wirkte sie heute, als stünde sie unter
Drogen. Erwar-
tungsvoll sah sie ihn mit riesigen Kulleraugen an, dass er schon Angst hatte,
sie würden ihr
gleich herausfallen und zu seinen Füßen landen.
Zadei grummelte etwas Unverständliches, sah kurz zu Titius, den Eltern, die
Kleine, wieder
Titius, die Kleine... wurde rot um die Nasenspitze und kramte aus seiner
Hosentasche etwas
Kleines hervor und legte es mit seiner riesigen Dämonenklaue in die kleine
Kinderhand.
Verwundert führte das Mädchen den Gegenstand näher ans Gesicht und
betrachtete ihn ein-
dringlich. Es war ein Stein. Ein seltsam aussehender heller Stein, ganz glatt
und etwas mil-
chigtrüb. In ihrem Gesicht stand ein großes Fragezeichen geschrieben.
"Bist du blöd oder was?! Du musst ihn ins Licht halten," grummelte Zadei nun
endgültig ner-
vös, die Blicke, die ihn aufgrund seines herben Ausdrucks der Prinzessin
gegenüber trafen,
ignorierte er.
Die Prinzessin selber schien es im Übrigen auch nicht im geringsten zu
stören.
Sherril hielt nun den Stein gegen das Licht einer nah stehenden Kerze und...
staunte nicht
schlecht, als das Licht sich brach und der Stein es in tausend bunte, leuchtende
Farben ver-
wandelte. Es war wie ein kleines Feuerwerk, die unterschiedlichen Farbtöne
schillerten jedes
mal anders, wenn sie den Stein nur einen Millimeter anders ins Licht hielt. Es
war faszinie-
render als ein Prisma es jemals sein könnte.
Mit offenem Mund starrte sie in das Lichtspiel in ihrer Hand.
"Hab ihn zufällig in der Nähe eines Drachennestes gefunden. Es ist die
versteinerte Schuppe
eines weißen Drachen, die gibt's heut nur noch selten," murmelte er kaum
hörbar, wand sich
dann augenblicklich um und steuerte eine Tisch an, auf dem prall gefüllte
Weinkaraffen auf
ihn warteten. Jetzt brauchte er Alkohol! Er hätte selbst nicht gedacht, dass er
das hier tatsäch-
lich tun würde. Obwohl er genau wusste, dass er in dem Moment, in dem er das
seltene Stück
gefunden hatte, als erstes an den Geburtstag von Sherril gedacht hatte. Das
konnte doch alles
nicht wahr sein!
Das Geburtstagskind hingegen fing an, in die Luft zu springen und hüpfte auf
ihrem Platz
herum vor Freude, als sie Zadei ein lautes "Daannnkeeeeee!" hinterher rief.
Vermutlich wäre
sie ihm sogar noch hinterher gerannt um ihm um den Hals zu fallen, aber im
rechten Moment
kam Zadeis Rettung, der schon dabei gewesen war, eine Fluchtroute durch den Saal
festzule-
gen. Die Rettung kam in Form von Musik. Ja Musik. Die Kapelle spielte einen
Walzer auf
und die Paare, darunter auch das Königspaar, schritten zur Tanzfläche.
Und während Zadei schon wieder ein Würgreiz überkam, fing die kleine
hyperaktive Prinzes-
sin vor Freude fast an, zu hyperventilieren. Quietschend griff sie nach Titius
Robe, der noch
immer hinter ihr stand und zog quengelnd daran. Zadei konnte von seinem
Standort, am Tisch
mit den Getränken in einer Ecke des Saales, zwar nicht verstehen, was sie
sagte, konnte es
sich aber lebhaft vorstellen, als der Dämonenengel sie nun schließlich an der
Hand nahm und
sie zur Tanzfläche geleitete, wo sie zu tanzen begannen. Obwohl Sherril nur
halb so groß war
wie er und er sich deshalb etwas runterbeugen musste, sahen beide auf ihre Weise
sehr ele-
gant aus.
Sherril strahlte über das ganze Gesicht, hatte offenbar wieder ihren "elegant
und geschmei-
dig"-Modus eingeschaltet und stand trotz ihres kindlichen Körpers ihrer Mutter
in nichts nach,
die im übrigen mit Laures ebenfalls über die Tanzfläche schwebte und
gemeinsam mit ihrem
Mann über ihre Tochter lächelte.
Zadei lehrte sein Weinglas, dass er gerade in der Hand hatte, mit einem Zug und
griff sich das
nächste. Dieses romantische Gesülze war wirklich zu widerlich! Wenn er sich an
die früheren
Feste in diesem Dämonenschloss erinnerte, die mehr als Gelage oder Orgien zu
bezeichnen
waren, konnte er kaum seinen Augen trauen.
Er wendete seinen Blick wieder Titius zu, der für ihn der größte Blickfang im
Saal war. Seine
weißen Flügel waren weit ausgebreitet und schienen das Licht der Kronleuchter
zu reflektie-
ren. Gelegentlich löste eine schneeweiße Feder daraus und tanzte schwebend zu
Boden. Sie
sahen aus wie Schneeflocken. Versunken betrachtete Zadei das Schauspiel und
ohne, dass er
es bewusst registrierte, wanderten ein drittes und ein viertes Glas Wein in
seinen Magen.
Ein fünftes folgte, die Musik wechselte zu einem anderen Stück, beim sechsten
waren seine
goldenen Augen zu Titius lächelndem Gesicht weitergewandert. Wann hatte er
jemals die
Gelegenheit gehabt, ihn so zu sehen? Die hellen blauen Augen waren mild, zeigten
echte Zu-
neigung, eine Art väterliche Liebe zu dem kleinen Mädchen. Ein siebtes, ein
achtes Glas, Za-
dei hörte auf zu zählen.
Er wurde zunehmend verdrossener. Warum war es für andere so leicht, Titius
Zuneigung zu
erringen, nur ausgerechnet für ihn unmöglich? Was dachte Titius denn nun über
ihn? Auf der
einen Seite hatte er ihn nicht töten lassen, sondern ließ ihn hier im Schloss
bei ihm leben, auf
der anderen Seite sprach er kaum mit ihm, ging ihm aus dem Weg, fühlte sich in
seiner Ge-
genwart offensichtlich unwohl. Wollte er Zadei nun loswerden oder nicht? Oder
war das gan-
ze gar einer seiner raffinierten Pläne, wollte der intrigante Dämonenengel
sich vielleicht an
ihm rächen und heckte irgendetwas aus?!
Zadeis Gesicht verfinsterte sich, während er ein weiteres Glas Wein an seine
Lippen führte.
*************
Es war schon weit nach Mitternacht, als Sherrils schier unerschöpfliche Kräfte
doch endlich
nachließen; dafür geschah es aber schlagartig. Vollkommen erschöpft vom
vielen Tanzen und
Feiern nickte sie auf ihrem Platz ein. Titius bekam den Auftrag, sie ins Bett zu
bringen und so
hob er sie sanft auf die Arme und trug das schlafende Mädchen aus dem Saal und
brachte sie
in ihr Zimmer, dass auf der anderen Seite des Schlosses lag. Da fast der ganze
Hofstaat im
Ballsaal versammelt war, waren die Flure wie leergefegt und dunkel und auch die
laute Musik
wurde immer leiser, je weiter sie sich entfernten, bis schließlich Stille um
Titius und das
schlafende Mädchen herrschte.
In ihrem Zimmer angekommen zog er sie vorsichtig bis auf ihr Unterkleid aus und
legte sie
vorsichtig in ihr Bett, immer darauf bedacht, sie nicht zu wecken. Als er sie
zugedeckt hatte,
löschte er die Kerzen und verließ das Zimmer. Leise schloss er die Tür hinter
sich und trat
langsam auf den dunklen und stillen Flur hinaus, der nur ein wenig vom Mondlicht
erhellt
wurde, das durch die Fenster hinein schien.
Deswegen erschrak er umso mehr, als er im Augenwinkel plötzlich etwas
aufblitzen sah.
Schnell wandte er sich in die entsprechende Richtung, als er auf einmal ein
goldenes Augen-
paar erkannte, dass ihn fixierte, so wie ein Raubtier seine Beute fixiert,
scheinbar in völliger
Ruhe, aber dennoch jederzeit sprungbereit.
Titius hielt unwillkürlich den Atem an, als er sich nach dem ersten Schreck dem
Bann der
feuersprühenden Augen entziehen konnte und nun Zadeis Konturen ausmachen
konnte. Was
machte er hier? Titius war die ganze Sache irgendwie unheimlich.
"Zadei-sama, ihr seid es! Ich habe mich richtig erschreckt." Er bemühte sich,
seine Stimme so
kühl wie möglich klingen zu lassen.
"Oh, entschuldige Titius. Das lag gewiss nicht in meiner Absicht." Obwohl diese
Worte so
harmlos waren, klang jedes einzelne wie eine Drohung. Zadeis Stimme glich einem
grollen-
den Vulkan, von dem man zwar wusste, dass er ausbrechen würde, aber nicht wann.
Langsam
wurde die Situation Titius mehr als unbehaglich.
"Wenn... wenn ihr mich entschuldigen würdet, ich bin müde und würde mich
gerne zurück-
ziehen," versuchte er es höflich wie immer, allerdings mit etwas fahriger
Stimme.
Das Element von Dämonen ist die Dunkelheit. Freilich, auf Titius traf dies
nicht gerade zu.
Die Helligkeit seiner Haut, das silbrig-weiße Leuchten seiner Flügel, Haare
und Kleidung
reflektierte selbst das wenige Licht, das es hier gab, so dass er selbst schon
wie eine Licht-
quelle wirkte.
Aber bei Zadei war es anders. Als er sich nun langsam auf Titius zu bewegte,
schien er mit
den Schatten zu verschmelzen, die über ihn hinweghuschten. Einzig seine Augen
stachen her-
vor, den Rest seines Gesichtes sowie dessen Ausdruck konnte Titius nicht
erkennen. Instink-
tiv wich er zurück.
"Ich glaube dir, dass du müde bist. Aber ein paar Minuten wirst du doch noch
Zeit haben für
mich, oder? Ich möchte mich nur etwas mit dir unterhalten, das ist alles."
Titius wich noch
weiter zurück, je näher Zadei kam, bis er plötzlich den kalten Stein der
Mauer in seinem Rü-
cken fühlte.
"Es wird wohl kaum so wichtig sein, dass wir das nicht auf morgen verschieben
könnten, o-
der?" Mit diesen Worten wollte Titius sich rasch wegdrehen und gehen, aber
augenblicklich
versperrte ihm ein Arm links neben seinem Kopf den Weg. Als er sich nun nach
rechts wand-
te, stemmte sich auch hier ein Arm gegen die Mauer und Titius war zwischen ihnen
gefangen.
Schockiert blickte er in die Katzenaugen direkt vor ihm.
"Oh nein, diesmal läufst du nicht weg, mein Engel. Ich will jetzt endlich
wissen, was los ist.
Glaubst du, das hier ist ein Spiel? Glaubst du, ich lebe jetzt einfach so die
nächsten paar Jahr-
hunderte neben dir her, als wäre nichts?! So naiv kannst nicht mal du sein.
Immerhin habe ich
dir gesagt, was ich fühle, nicht war?"
"Lasst mich in Ruhe, wenn Laures-sama das erfährt, da..."
"Unser lieber Laures-sama ist jetzt leider nicht hier, der ist vermutlich
momentan mit seiner
verehrten Gemahlin beschäftigt, im Schlafgemach, wenn du verstehst, was ich
meine. Er kann
dir jetzt nicht helfen und ich lasse dich nicht eher gehen, bis du mir
geantwortet hast." Zadeis
Stimme war ruhig, gefährlich ruhig, was Titius fast noch mehr Angst machte, als
wenn er ihn
einfach wie sonst anschrie. Seine Augen funkelten noch immer in der Dunkelheit,
die lange
Narbe über dem einen Auge war in einen dunklen Schatten gehüllt.
Titius Herz begann schneller zu schlagen. Was sollte er tun? Zadei schien es
wirklich ernst zu
meinen.
Aber was sollte er Zadei antworten? Er wusste doch selbst nicht, was er
erwartete oder wie er
selber zu dem schwarzhaarigen Dämonen stand. Innerlich völlig zerrissen,
schwieg er betre-
ten, so dass die Stille zwischen ihnen fast zu knistern begann.
Zadei hingegen, der ungeduldig auf ein Wort seines Engels wartete,
interpretierte Titius'
Schweigen auf seine Weise.
Seine Augen begannen auf einmal noch mehr zu glühen, was Titius mit Schrecken
feststellte.
Er zuckte zusammen, als sich plötzlich Zadeis Klaue auf seine Wange legte.
Schnell wollte
Titius sie von sich wegschieben, aber blitzschnell hatte Zadei mit seiner linken
Hand Titius
Rechte gepackt und so heftig gegen die Wand geschlagen und dort festgenagelt,
dass Titius
erschreckt aufstöhnte. Jetzt hatte er nur noch die eigene linke Hand frei,
womit er nicht viel
gegen Zadeis Klaue ausrichten konnte, die nun sein Kinn fest umklammert hielt.
"Glaubst du wirklich, du kannst deine Spielchen mit mir treiben? Ich habe mich
einmal von
dir für dumm verkaufen lassen, Titius. Aber das wird mir nicht noch einmal
passieren!" Mit
dem Daumen seiner Kralle fuhr Zadei nun über Titius Wange, sein Nagel
hinterließ dabei
einen feinen Streifen, aus dem nach einigen Sekunden Blut quoll.
Schockiert hielt Titius den Atem an, als er fühlte, wie die warme Flüssigkeit
seine Wange
hinunterlief.
Was sollte er tun? War er denn nicht mal im Schloss seines mächtigen Herrn vor
Zadei si-
cher? Aber Laures war doch auch hier im Schloss, Zadei konnte ihm nichts
anhaben. Sollte er
schreien? Aber nein, Titius besann sich und erkannte mit Schrecken, dass Zadei
recht hatte.
Laures würde ihn nicht hören, niemand würde es, denn alle waren beim Ball,
sie waren in
diesem Teil des Schlosses völlig abgeschnitten von all dem Trubel. Das einzige
Lebewesen in
Hörweite wäre Sherril in ihrem Zimmer.
Aber das war dass letzte, was der weißhaarige Dämon gewollt hatte: Sherril da
mit hinein zu
ziehen, ihr den Anblick dieser Szene hier anzutun. Wieder war Titius ganz allein
auf sich an-
gewiesen.
"Ich weiß nicht, was euer krankes Hirn sich wieder zusammen spinnt, aber ich
treibe keine
Spielchen," antwortete mit versucht kalter Stimme, dennoch zitterte sie, was
Zadei sehr wohl
bemerkte.
"So, langsam kannst du ja doch wieder Emotionen zeigen. Seit meinem Erwachen
hast du mir
nur die kalte Schulter gezeigt, dabei war ich mir damals sicher gewesen, dir
diese verdammte
Arroganz ausgetrieben zu haben!" Mit dem Daumen wanderte er nun weiter zu
Titius' Mund,
fuhr die schmalen, aufeinander gepressten Lippen langsam nach.
Der Dämonenengel versuchte den Kopf zu entziehen, die Dämonenklaue hielt ihn
jedoch in
eisernem Griff. Wieder kamen ihm die Erinnerungen an damals in den Sinn. Es war
schon
wieder alles genauso wie damals. Und genau davor hatte er am meisten Angst
gehabt. Er
fühlte, wie sein Herz sich zusammenkrampfte und ihm die Tränen in die Augen
stiegen. Wie
weit würde Zadei gehen, er würde doch nicht...?
"Ja, vielleicht ist es so, wie ihr sagt, vielleicht hasse ich euch ja wirklich,
vielleicht will ich
mich ja wirklich an euch rächen, vielleicht habe ich mir ja schon einen Plan
zurechtgelegt!
Vielleicht will ich mich rächen für all das, was ihr mir angetan habt, für
all die seelischen und
körperlichen Demütigungen, die ihr mir angetan habt! Dafür, dass ihr mich
soweit gebracht
habt, euch anzuflehen mich zu töten!", schrie Titius ihn nun mit dem Mut der
Verzweiflung
an, "Und wenn es so ist, was wollt
ihr dann machen, wollt ihr mich wieder mitnehmen, mich in einer Eiswüste
einsperren?! Ist es
das, was ihr wollt?! Ist das die einzige Lösung, die ihr parat habt?!!!" Fast
wie ein Echo hallte
Titius Stimme durch die Gänge, er selbst bemerkte kaum, wie sehr er schrie und
wie ihm da-
bei Tränen in Strömen die Wangen hinunterliefen. Er hatte das alles nie wieder
aussprechen
wollen, hätte es am liebsten für immer totgeschwiegen. Aber nun war es zu
spät.
Für einen Moment stand Überraschung über Titius' Ausbruch in Zadeis Gesicht
geschrieben.
Aber nach Sekunden verfinsterte sich sein Ausdruck wieder.
"Ja, du hast recht. Am liebsten würde ich dich wieder einsperren, irgendwo weit
weg von al-
len anderen und vor allem von Laures. Ich will dich wegsperren von allen Wesen,
denen du
auch nur ein Lächeln schenkst! Ganz tief in einen Kerker, wo niemand dich
sieht, wo niemand
außer mir sich in deinen Augen spiegelt... Ich würde am liebsten ohne mit der
Wimper zu
zucken jedes Wesen töten, das sich dir auch nur auf hundert Meilen nähert!"
Die scharfe
Stimme Zadeis ließ Titius zu Eis gefrieren. Mit weit aufgerissenen Augen
starrte er Zadei nur
an, der nun mit etwas leiserer Stimme weiter sprach.
"Aber das kann und werde ich nicht tun. Jedoch nicht wegen Laures und seinen
Drohungen,
nein. Ich bin vielleicht nicht besonders schlau oder lernfähig, aber ich will
nicht, dass es noch
einmal so endet wie damals... Wer von uns beiden trägt mehr Schuld dafür, dass
es soweit
kam? Wer von uns hat den entscheidenden Fehler gemacht und was war es für
einer?" Plötz-
lich wurde Zadeis Stimme sanfter, er ließ seine Klaue nun hoch wandern zu
Titius Haaran-
satz, wo er liebevoll eine der seidenen Strähnen zwischen seine Finger nahm und
vorsichtig
an ihr entlang strich. Titius sah ihn immer noch tränenüberströmt an, konnte
den plötzlichen
Wandel in Zadei nicht ganz verstehen, der nun fort fuhr zu sprechen, nachdem
seine Fragen
eine Zeit zwischen ihnen in der Luft geschwebt hatten
"Ich kann es nicht sagen, egal wie viel ich darüber nachdenke. Wahrscheinlich
gibst du mir an
allem die Schuld und vielleicht hast du recht. Und das schlimme ist, dass ich
die Vergangen-
heit nicht ändern kann. Aber vielleicht gibst du mir ja noch eine Chance? Ich
kann nicht in
deinen Kopf gucken, weiß auch nicht, was du gerade denkst. Vielleicht, nein,
wahrscheinlich
hasst du mich jetzt sogar mehr als jemals zuvor und schmiedest weiter deine
Rachepläne. A-
ber ich gebe trotzdem nicht auf. Ich werde es solange versuchen, bis du mich mit
eigenen
Händen tötest! Erst dann geben ich auf."
Ohne eine Reaktion von Titius abzuwarten, der ohnehin noch zu perplex und
schockiert
zugleich war, um irgendetwas zu sagen, zog Zadei dessen Gesicht nun zu sich
heran, ließ die
rechte Hand des Dämonenengels wieder frei, nahm seine eigene linke Hand noch
zur Hilfe,
um das tränenüberströmte Gesicht in beide Hände zu nehmen und die schmalen
Lippen zu
küssen.
Stille und die Dunkelheit senkten sich für einige Sekunden über sie, die
Titius wie die Ewig-
keit vorkamen. Seine Glieder waren schlaff und bewegungsfähig, er fühlte sich,
als hätte man
ihm jeden Funken Energie entzogen. Darum ließ er es einfach geschehen, nahm es
nur noch
wie durch eine Art Schleier war. Dann löste Zadei ihre Lippen voneinander,
ließ auch Titius
Gesicht los und ging einen Schritt nach hinten. "Das ist alles, was ich dir
sagen wollte."
Kurz sah er mit einem undefinierbaren Blick Titius noch einmal von oben bis
unten an, wand-
te sich aber dann ohne ein weiteres Wort um und verließ Titius so lautlos wie
er gekommen
war.
Noch eine ganze Weile, nachdem Zadeis Schritte in den langen Fluren verklungen
waren,
starrte Titius, unbeweglich an die Wand gelehnt, ins Leere. Das Blut aus dem
Schnitt an der
Wange tropfte leise zu Boden, aber selbst dieses Geräusch war laut genug, um
Titius aufhor-
chen zu lassen und ihn aus seiner Trance zu reißen. Zadei war weg, er war
allein. Und nichts
war geschehen, der Dämon hatte ihm nichts angetan. Ein Zittern durchlief seinen
Körper, als
die Anspannung sich mit einemmal löste.
Mit einer Hand befühlte er seine Wange, wo soeben noch Zadeis Hand gelegen
hatte und ließ
sich langsam an der Wand entlang zu Boden sinken, bis er schließlich mit
angewinkelten
Knien auf dem kalten Boden saß. Dann verschränkte er die Arme auf den Knien
und vergrub
den Kopf darin, als er anfing, hemmungslos zu schluchzen. Ganz für sich allein
ließ er seiner
ganzen angestauten Angst und Ratlosigkeit freien Lauf. Er konnte es nicht
verhindern, für
diesen Moment hatte seine eiserne Selbstdisziplin ihn völlig verlassen. Die
Tränen kamen
einfach von allein, sein Körper zitterte wie unter Krämpfen.
Wie lange er so da saß, wusste er nicht.
***********
So in seinem Gefühlsausbruch versunken, merkte er nicht, wie sich hinter einer
Ecke am Ende
des Flures hinter einer Säule geräuschlos ein Schatten von der Wand löste.
Violette Augen
blickten etwas besorgt in Titius Richtung. Dann jedoch wandte sich Laures um und
ver-
schwand leise wie ein Geist, so lautlos und unscheinbar, wie er gekommen war.
Mit langsa-
men Schritten machte er sich auf den Weg zurück in seine und Hildas gemeinsame
Gemächer
und ließ Titius allein zurück, der ihn nicht einmal wahrgenommen hatte.
Die Szene, die Laures beobachtet hatte, gab ihm zu denken, beruhigte ihn aber
trotzdem, weil
sie in sein Szenario passte. Es war durchaus eine positive Entwicklung in Zadei
vorgegangen,
seiner Meinung nach. Das hatte er auch erwartet, jedoch zeichnete sich Zadei
durch seine be-
rechenbare Unberechenbarkeit aus, weswegen Laures ihn seit seinem Erwachen immer
heim-
lich beobachten ließ, manchmal auch selber diese Aufgabe übernahm. Ansonsten
hätte er na-
türlich niemals zugelassen, dass Sherril einfach so Kontakt zu ihm aufnahm. Was
seine ge-
liebte Familie anging, ging er nicht das geringste Risiko ein. Hätte Zadei auch
nur ansatzwei-
se versucht, seiner Frau oder Tochter ein Haar zu krümmen, Laures hätte ihn
mit einem Fin-
gerzeig endgültig ins Jenseits befördert.
Aber mittlerweile war er sich sicher, dass Sherril keine Gefahr seitens des
Dämonengenerals
drohte. Zadei war nämlich durchaus in der Lage, jemanden zu mögen. Und Sherril
mochte er
in jedem Fall, auch wenn der temperamentvolle Dämon jedem an die Kehle springen
würde,
der das laut aussprach.
Einzig um Titius machte Laures sich Sorgen. Darum war er Zadei auch gefolgt, als
dieser
kurz nach dem der Engelsdämon mit Sherril gegangen war, ebenfalls aus dem Saal
ver-
schwunden war. Laures hatte Zadei schon den ganzen Abend nicht aus den Augen
gelassen
und als dieser so kurz entschlossen und dazu noch angetrunken verschwand, hatte
er sich doch
ein wenig Sorgen gemacht.
Dank seiner verstärkten Kräfte war es ihm ein leichtes gewesen, seine Aura so
zu verhüllen,
dass nicht einmal Zadei ihn bemerken konnte. Die ganze Zeit hatte er sich dann
im dunklen
verborgen gehalten und einfach nur beobachtet, allerdings bereit, jeden
Augenblick einzugrei-
fen, falls Zadei zu weit gehen sollte. Zadei hatte wirklich etwas von einem
Barbaren, dachte
Laures bei sich, aber er war der einzige, der wirklich an Titius herankommen
konnte.
In den letzten Jahren hatte Titius sich sehr verschlossen. Er investierte wohl
all seine Kraft
dafür, so zu wirken, als hätte er alles Geschehene völlig vergessen. Aber
Laures kannte seinen
engsten Vertrauten zu gut, um nicht zu merken, wie sehr die Vergangenheit an ihm
nagte, ihn
langsam von innen zerfraß. Aber nicht einmal Hilda, mit der Titius sich
mittlerweile so über-
aus gut angefreundet hatte, kam an ihn heran, was seine schöne Frau sehr
mitnahm.
Und ihm selber gegenüber würde Titi sich niemals öffnen, das verbot sein
Stolz ihm wohl.
Aus diesem Grund hatte Laures sich auch jetzt bei ihm nicht bemerkbar gemacht.
Auch wenn
ihm unwohl dabei war, Titius in seiner Verfassung allein zu lassen; hätte er
sich ihm gezeigt,
hätte er dessen Leid noch dadurch verschlimmert, dass Titi auch noch Scham und
Demüti-
gung gegenüber seinem Herrn ertragen musste. Titius war einfach zu stolz, er
hätte den Ge-
danken nicht ertragen können, dass Laures diese ganze Szene mit Zadei gesehen
und gehört
hatte und ihn nun in Tränen aufgelöst am Boden fand.
Also konnte der Dämonenkaiser nur die Rolle des stillen Beobachters einnehmen.
Aber er
fühlte sich in seiner Annahme, dass es doch noch Hoffnung für Zadei gab,
durchaus bestätigt.
Nun gut, Zadei hätte bei Titius beinahe einen Herzinfarkt verursacht und
während der ganzen
Szene, hatte Laures mehrmals befürchtet, Titi würde zusammenbrechen, aber
offenbar war es
genau diese Art von Zadei, mit der er Titi aus der Reserve locken konnte. Auch
wenn dieser
jetzt verzweifelt schien, immerhin war er wieder fähig, seinen Emotionen freien
Lauf zu las-
sen. Das würde auf Dauer bestimmt eine erste Erleichterung für ihn sein.
Trotzdem würde Laures auch in Zukunft wachsam bleiben, beschloss er für sich.
Ansonsten
konnte er nichts tun, außer abzuwarten, wie sich die Sache entwickeln würde.
Es hing alles
davon ab, ob Zadei Titi dazu bringen konnte, über seinen eigenen Schatten zu
springen.
Mit dieser Erkenntnis erreichte Laures das Schlafgemach, in dem Hilda schon auf
ihn wartete.
Als er die goldene Klinke drückte, entschloss er sich, diese Gedanken nun zu
vertreiben und
sich angenehmeren Dingen zuzuwenden, wie zum Beispiel seiner wunderschönen
Frau, die
ihn wie immer mit offenen Armen und einem warmen Lächeln empfing. Ja, hier war
er zu
Hause.
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Kapitel 4:
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Die Sonne stand hoch am Himmel und Zadei war schon seit Stunden mit seiner
Arbeit bei den
Drachenställen im Schloss beschäftigt. Gerade war er dabei, die Stallungen zu
inspizieren und
erste Überlegungen zu unternehmen, wie sie die Ställe am besten erweitern
konnten, da er
geplant hatte, die Drachenkompanie zu vergrößern und zu verstärken, als eine
Seitentür zu
dem riesigen Gebäude sich öffnete und ein bekannter, schwarz gelockter
Haarschopf zum
Vorschein kam.
Zadei stand mit dem Rücken zu dieser Tür, aber als er sie sich öffnen hörte,
brauchte er sich
nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, wer der Störenfried war.
"Guten Morgen. Na, hat unsere erlauchte Prinzessin ihren Schönheitsschlaf aus
und geruht
nun, ihrem ergebenen Untertanen mal wieder auf den Sack zu gehen?" murmelte
Zadei sar-
kastisch. So kaputt, wie die kleine Nervensäge gestern gewesen war, hätte sie
doch mindes-
tens zwei Tage durchschlafen müssen. Das hatte er zumindest gehofft.
"Titius sagt immer, ich bin von Natur aus schön genug und brauche deswegen
keinen Schön-
heitsschlaf," erwiderte die Kleine wie immer gelassen und Zadeis Wortwahl
gänzlich ignorie-
rend. Sie hatte sich mittlerweile dran gewöhnt, Zadei war halt immer so.
"Titius sagt das also? Er sollte aufhören mit diesem Gesülze, das macht mich
ganz krank."
Erwiderte Zadei etwas gereizt. Musste das Thema ihn schon wieder einholen? Was
für ein
Scheißtag, er hatte seit dem Morgen eine unglaublichen Kater und jetzt musste
auch noch die
Göre auftauchen und ihn an das Thema erinnern, dass er die ganze Zeit schon zu
verdrängen
suchte.
Sherril trippelte an ihm vorbei, kletterte dann auf einen großen Strohballen an
der Wand, ließ
die Beinchen hinunterbaumeln und sah Zadei seltsam an.
"Weißt du, du solltest wirklich etwas netter über Titius reden. Irgendwie
scheint es ihm heute
nicht so gut zu gehen. Und er hat auch eine Verletzung an der Wange. Ich habe,
das Gefühl,
irgendetwas stimmt nicht mit ihm in letzter Zeit. Er sieht so traurig aus..."
"Hat er irgendwas zu dir gesagt?" fragte Zadei plötzlich ein bisschen panisch.
Wenn Laures
von der Sache gestern etwas erfuhr, konnte es durchaus sein, dass er ihn
endgültig verbannte...
Er war eigentlich davon ausgegangen, dass Titius die Sache für sich behielt.
Mittlerweile
meinte er den Engelsdämon gut genug zu kennen, um zu wissen, wie er sich
verhalten würde.
Aber Sherril schüttelte nur den Kopf, dass die Zöpfe durch die Luft
wirbelten.
"Nein, Titius sagt nie etwas, wenn ich ihn frage. Er spricht nie viel über
sich. Als ich ihn nach
der Wunde gefragt habe, hat er gesagt, er hätte sich versehentlich
geschnitten..." Sherril hatte
die ganze Zeit im Raum umhergeblickt und es war wohl Zufall, dass ihr Blick
genau während
des letzten Satzes Zadeis Dämonenkralle streifte, an der ihre violetten Augen
plötzlich hängen
blieben. Ein nachdenklicher Ausdruck legte sich über ihr Gesicht, sie schien zu
grübeln, als
sie die spitzen Krallen betrachtete.
Zadei wurde das überaus unangenehm und unwillkürlich zog er seine Klaue etwas
zurück, so
dass sie halb von seiner Hüfte verdeckt wurde. Nach ein paar Minuten Stille, in
denen Sherril
kein Wort gesagt hatte und immer noch nachzudenken schien, startete Zadei nun
einen ver-
zweifelten Ablenkungsversuch, der diese peinliche Stille unterbrechen sollte.
"Warum bist du eigentlich gekommen? Ich habe viel zu tun. Wir haben einen neuen
Jungdra-
chen, den wir aufziehen müssen, da er verletzt war, als wir ihn fanden."
Sherril wurde sofort hellhörig. "Was, ihr habt einen Jungdrachen hier? Darf ich
den mal se-
hen? Oh Bittebittebitte!" fragte sie direkt aufgeregt.
"Na ja, ich weiß nicht, der Drache ist zwar schon fast gezähmt, aber du
würdest dir sowieso in
die Hosen machen, du traust dich bestimmt nicht auf zehn Meter an ihn ran..."
meinte Zadei
mit übertrieben herablassender Stimme. Doch Sherril sprang sofort drauf an.
Aufgeregt
sprang sie von dem Strohballen runter und hüpfte von einem Fuß auf den
anderen.
"Doch, doch, ich traue mich ganz bestimmt! Bitte lass mich den Jungdrachen
sehen, ja?
Nimm mich bitte mit, ja?!" quengelte sie und Zadei atmete innerlich erleichtert
auf. Die Klei-
ne war tatsächlich drauf reingefallen! Sie hatte ihre Gedanken von eben
wahrscheinlich schon
wieder völlig vergessen.
"Na gut, wenn's denn sein muss und du danach aufhörst, mich zu nerven. Also
komm mit."
Er durchquerte die weitläufigen Stallungen und während Sherril aufgeregt und
mit großen
Augen neben ihm her trippelte, begann er zu erzählen, um ihre Aufmerksamkeit
bloß nicht
wieder abschweifen zu lassen:
"Wie du wahrscheinlich weißt, befinden sich hier im Schloss nur die gezähmten
Drachen. Es
sind gerade so viele, dass die Drachenritter mit ihnen bei einem spontanen
Angriff gut genug
gewappnet sind, um das Schloss zu verteidigen. Aber die Trainingsgelände für
die Drachen
befinden sich weit außerhalb des Schlosses, damit nichts passiert, wenn beim
gefährlichen
Zähmen und Trainieren wilder Drachen etwas schief geht. Und die Gefahr besteht
ja immer.
Aber bevor wir sie Zähmen können, müssen wir sie erstmal einfangen. Das ist
eine sehr ge-
fährliche Sache, deshalb versuchen wir sie nach Möglichkeit direkt nach dem
Schlüpfen zu
fangen. Deshalb ist es wichtig, die Drachennistplätze zu kennen, die es
überall in der Makai
gibt..."
"Nistplätze? Du meinst, wo die Dracheneier liegen, aus denen dann die Babys
schlüpfen?
Aber woher wisst ihr denn, wo die sind?" Sherrils Wangen glühten vor Aufregung,
so dass
Zadei fast schon versucht war, zu schmunzeln, was er im letzten Moment zum
Glück noch
verhindern konnte. Dieses kleine Biest!
"Na ja, wenn durch Zufall Nester entdeckt werden, tragen wir sie in Karten ein.
Und wir ha-
ben schon Jahrhunderte alte Karten, auf denen die Drachennistplätze verzeichnet
sind. Weißt
du, Drachen pflegen immer wieder an ihren eigenen Geburtsort zurückzukehren und
dort auch
selbst zu nisten."
"Und wo sind diese Karten?" fragte das Mädchen weiterhin aufgeregt.
Zadei wunderte sich in der Tat ein wenig, dass sie das interessierte, dachte
sich aber weiter
nichts dabei und gab ihr Auskunft: "Die befinden sich bei den anderen
Aufzeichnungen über
die Drachenzucht in der Bibliothek." In diesem Moment hatten sie das letzte
Stallungsgebäu-
de erreicht und waren vor einem großen massiven Holztor angekommen, das mit
zwei sehr
schweren Eisenriegeln verschlossen war, die Zadei zurückschob. Dann öffnete er
das Tor und
bedeutete Sherril, ihm zu folgen. Sie betraten einen großen Raum, dessen Boden
vollkommen
mit einer dicken Strohschicht bedeckt war. "In diesem Stall behandeln wir kranke
Tiere, es ist
besser, wenn sie von den anderen getrennt sind," kommentierte Zadei beiläufig,
während
Sherrils Augen tellergroß wurden. In der Mitte des Raumes, mit einer Eisenkette
angebunden,
lag ein mittelgroßer, dunkelgrüner Drache auf dem Boden. Er hatte wohl
geschlafen, als er die
Besucher jedoch bemerkte, öffnete er seine scharlachroten Augen und breitete
majestätisch
seine Flügel aus und erst jetzt sah die kleine Prinzessin die verbundene Wunde
am rechten
Flügel.
Begeistert hüpfte sie von einem Bein aufs andere. Für die anderen Dämonen
mochte der Um-
gang mit Drachen etwas Alltägliches sein, aber da ihr Vater sie ja immer so
behandelte, als
wäre sie aus Glas, war sie noch nie näher als 30 Meter an einen Drachen
herangekommen.
"Darf... darf ich ihn anfassen?" fragte sie begeistert.
"Wenn's sein muss. Er ist ja schon zahm. Aber sei vorsichtig!" <> fluchte Zadei insgeheim, lehnte sich
aber dann
mit verschränkten Armen an die Stallwand und beobachtete, wie die Kleine sich
dem großen
Tier vorsichtig näherte und dann mit den kleinen Händen zaghaft über die
schuppige Haut
fuhr. Der Drache ließ es sich gefallen. Sherrils Wirkung auf lebende Wesen war
wirklich ein
Phänomen, dachte der Dämonengeneral, während er eine Weile schweigend die
Szene beo-
bachtete. Sherril war vollkommen versunken. Ein paar Minuten herrschte eine fast
schon
friedliche Stille zwischen ihnen.
"Was ist eigentlich passiert?"
Diese plötzliche Frage von Sherril, die die Stille zwischen ihnen zerriss, traf
Zadei so unvor-
bereitet, dass er deren Inhalt erst gar nicht richtig wahrnahm.
"Was?"
"Na ja, ich meine, du hast sieben Jahre im Keller unseres Palastes geschlafen,
ich weiß prak-
tisch seit meiner Geburt, dass es dich gibt. Aber sonst weiß ich nichts. Die
Bediensteten haben
manchmal über dich geredet. Oft habe ich ihr Geschwätz durch Zufall
mitbekommen. Es
machte mich neugierig. Besonders die jüngeren Dienerinnen und Mägde, die noch
nicht so
lange hier im Schloss sind, erzählten sich schauerliche Dinge. Sie sagten Dinge
wie, dass ein
sehr mächtiger, gefährlicher und blutrünstiger Dämon unten in den Katakomben
ruhen würde
und dass sein Erwachen Unheil über uns bringen würde. Einige sagten sogar, du
wärst ein
Rachegespenst oder so was. Ich habe so viele Geschichten gehört. Aber weder
Mama, noch
Papa oder Titius sprachen je ein Wort darüber." Während Sherril erzählte, um
ihre Frage nä-
her zu erläutern, sah sie Zadei nicht an. Gedankenverloren fuhr sie immerzu
fort, den Drachen
zu streicheln, ihre Stimme war ernst. Wieder hatte sie dieses kindliche Etwas
verloren, das
ansonsten ihr Wesen ausmachte. Zadei hatte das Gefühl, mit einer Erwachsenen zu
reden.
Aufmerksam lauschte er ihren Worten. Währenddessen musste er sich eingestehen,
dass er
geirrt hatte: Sherril hatte sich keineswegs durch sein Ablenkungsmanöver mit
dem Drachen
von ihrem Gedankengang abbringen lassen. Also war die ganze Aktion hier völlig
unnötig
gewesen und Zadei selber war hier der naive Kindskopf. Am liebsten hätte er
sich mit der
Hand vor den Kopf geschlagen. Die Kleine war wirklich nicht dumm! Aber diesen
Gedanken
schob er nun beiseite, kommentierte dabei Sherrils Aussage mit einem: "Klingt ja
echt gruse-
lig. Ist ja interessant, dass man innerhalb von so kurzer Zeit schon fast so was
wie ein Mythos
wird, über den man sich Geschichten erzählt."
Das kleine Mädchen lächelte kurz über den Kommentar, fuhr dann aber fort zu
erzählen: "Ich
sprach meine Eltern und Titius darauf an, aber sie sagten mir nichts, außer
dass ich diesen
Gruselmärchen keine Beachtung schenken sollte. Nur wurde Titius immer sehr
nervös, wenn
ich mit dem Thema anfing. Das hat mich halt so unheimlich neugierig gemacht und
deshalb
bin ich des Öfteren am Kellereingang rum geschlichen und habe festgestellt,
dass dort unten
wohl regelmäßig Wache gehalten wurde. Die Wachposten haben sich Tag und Nacht
immer
abgewechselt."
Zadei musste fast schmunzeln, als er sich vorstellte, wie Sherril sich auf die
Lauer gelegt und
in der Erwartung, ein großes Geheimnis zu lüften, die Geschehnisse um den
mysteriösen Kel-
lereingang genau verfolgt hatte. Was sie aber nun erzählte, ließ ihn den Atem
anhalten.
"Und dann habe ich gemerkt, dass Titius öfter hinunterging! Und das, obwohl
niemand sonst
außer den Wachen dies tat. Es war ja allen anderen -und vor allem mir-
verboten, dort hinun-
ter zu gehen. Na ja, und als ich öfter gesehen hatte, wie Titius herunter
gegangen und erst
nach einer ganz schön langen Zeit wieder heraufgekommen ist, bin ich irgendwann
halt ein-
fach hinterher geschlichen..." Sherril erzählte dies wie nebenbei, war sich
absolut keiner
Schuld bewusst, dass sie ein Verbot gebrochen hatte, was Zadei auch sehr
gewundert hätte.
Sie handelte halt ohne lange darüber nachzudenken. Irgendwie kam Zadei das
bekannt vor...
Aber das Gesagte gab ihm zu denken: "Titius... Titius ist nach unten gegangen?"
fragte er
etwas aufgeregt und auch ein klein wenig ungläubig.
"Ja, sag ich doch! Also, ich bin jedenfalls hinterher. Ich folgte ihm heimlich
bis in das Ge-
wölbe, in dem du lagst und beobachtete alles von einem Versteck aus. Ich hatte
mit den gruse-
ligsten Sachen gerechnet und hatte ganz schön Angst! Ich glaubte zwar nicht das
Geschwätz
von einem Geist oder Ähnlichem, aber ich hatte trotzdem was Schlimmes erwartet.
Einen
brutalen, kaltblütigen Tyrannen vielleicht, bar jeden positiven Gefühls. Aber
bereits nach ein
paar Sekunden wusste ich, dass das gar nicht stimmen konnte. Dass das alles nur
Geschichten
und Geschwätz waren, denen man keine Beachtung schenken sollte. Denn du bist ja
gar nicht
so, wie alle gesagt haben. Das habe ich in diesem Moment begriffen."
Zadei war etwas verwirrt, dass ging ihm alles ein wenig schnell. Sherrils Worte
gaben keinen
richtigen Sinn. "Woher glaubst du, zu wissen, wie ich bin? Und vor allem damals,
ich meine,
ich habe doch geschlafen, da konntest du wohl schlecht meinen Charakter
feststellen, oder?"
fragte er skeptisch. Eigentlich ärgerte es ihn, dass er sein Image des
grausamen und mächtigen
Dämonen in ihren Augen wohl verloren hatte, wodurch auch immer, aber zunächst
wollte er
diese Frage geklärt haben. Wie kam sie darauf, ihn so einzuschätzen?
"Na, weil ich Titius Blick gesehen habe, als er dich ansah. Das hat mir
gereicht, um zu wis-
sen, was du bist. Den Ausdruck in seinen Augen werde ich nie vergessen, dass
habe ich noch
nie bei ihm gesehen."
Einige Minuten lang herrschte Stille in dem kleinen Stall. Nur das Schnauben des
Drachen
war gelegentlich zu hören, während Sherril ihn weiterhin unermüdlich
streichelte. Zadei war
verwirrt, tausend Gedanken schossen durch seinen Kopf und doch war er unfähig,
einen da-
von genau zu erfassen. Sherrils Worte klangen wie eine Endlosschleife in seinem
Kopf nach.
<>
Die Stille zwischen ihnen füllte sich mit unausgesprochenen Worten. Was auch
immer Zadei
sagen wollte, es erreichte Sherrils Ohren nicht.
Nichts geschah und erst nach einer ganzen Weile sprach Sherril langsam weiter.
Aus ihrer
Stimme sprach Aufrichtigkeit, nichts davon war gelogen, daran bestand kein
Zweifel.
"Titius Augen sind immer so kalt. Ich meine, er ist immer so lieb und herzlich
zu mir und
auch Papa scheint sehr viel von ihm zu halten, Titi ist ja sein engster
Vertrauter. Aber seine
Augen sind so seltsam, sie machen mich traurig, wann immer ich hineinblicke.
Meistens sind
sie kalt und leer. Ich kenne ihn so seit meiner Geburt. Aber als wir in diesem
Kellergewölbe
waren, da war es irgendwie so anders. Ich meine, er wirkte zwar so unheimlich
traurig, aber,
na ja, seine Augen waren auch... na, lebendig halt."
Nun sah Sherril ihn direkt an. Sie musterte genau sein Gesicht, schien etwas
darin zu suchen,
als sie fragte: "Du magst ihn, nicht wahr?"
Zadei schluckte, als diese Frage so direkt an ihn gerichtet wurde. Die Kleine
war wirklich
nicht dumm!
Kaum zu glauben, wenn man sich die Eltern so ansah... aber diese nervende Art
sich in alles
einmischen zu müssen, hatte sie definitiv von ihrer Mutter!
Aber zurück zu seinem Problem: Was sagen?
"Und wenn es so wäre?" Er würde dieser kleinen Rotznase bestimmt nicht auf die
Nase bin-
den, was er wirklich für Titius empfand. Obwohl Zadei absolut keinen Schimmer
hatte, wie
viel die Kleine eigentlich wirklich wusste...
"Dann hast du ein Problem. Zwischen euch steht eine Mauer. Und Titius verstärkt
sie immer
mehr..."
"Hör mal du Klugscheißer, ich weiß nicht, wo du das alles her hast, aber ich
brauche ver-
dammt noch mal nicht den Rat eines Quälgeistes wie dir!" fauchte Zadei das
Mädchen nun
ungehalten an. Was ging sie das überhaupt an? Aber innerlich musste er sich
eingestehen,
dass das Problem eigentlich eher daran lag, dass er die ganze Misere nicht noch
mal vor Au-
gen geführt bekommen wollte. Verdammt, er wusste selber, dass sie in einer
gottverdammten
Sackgasse steckten! Aber war er gestern Nacht nicht noch zuversichtlich gewesen?
Er hatte
mit Titius Klartext geredet und so was wie ein Versprechen, auch sich selber
gegenüber, ab-
gegeben: Er würde nicht aufgeben!
Sherril verengte die Augen etwas zu Schlitzen und zog ob des lauten Tonfalls
Zadeis eine
Augenbraue hoch. Mit seinen Ausbrüchen konnte er sie nicht einschüchtern!
"Ich bin selbst darauf gekommen! Ich bin doch nicht blöde! Jedes mal, wenn ihr
euch begeg-
net, fängt die Luft Feuer! Aber ich weiß nicht warum. Was ist vor meiner
Geburt passiert?
Bevor du in den Schlaf gefallen bist? Du und Titi, ihr habt euch doch vorher
schon gekannt?
Und irgendetwas muss passiert sein, weswegen Titius so ist... na ja, wie er halt
ist."
Zadei konnte nur noch schnaufend den Kopf schütteln. Mit Gebrüll würde er
hier nicht wei-
terkommen. Mit normaler Stimme, die allerdings bitter und sarkastisch klang,
antwortete er:
"Nein Sherril, das willst du nicht wissen, glaub mir. Und ich werde es dir auch
nicht sagen.
Nur eines: in der Vergangenheit ist soviel passiert, dass Titius Grund genug
hat, mich ab-
grundtief zu hassen. Das ist nun mal Tatsache und keiner kann es ändern, denn
niemand ist in
der Lage, die Vergangenheit zu ändern."
"Die Vergangenheit nicht, aber man kann sich selber ändern. Auch wenn es
schwierig ist.
Und man kann es auch nicht alleine," erwiderte sie mit fester Stimme. Und dann
folgte wieder
Stille. Zadei fiel nichts mehr ein, was er sagen konnte. Es gab auch nichts mehr
zu sagen.
Sherril hatte ihm einen Rat gegeben. Auf ihre Weise. Auch sie schien alles
gesagt zu haben,
was sie wollte. Offenbar hatte sie akzeptiert, dass Zadei ihr nichts über die
Vergangenheit
erzählen wollte. Eigentlich wäre es typischer für sie gewesen, jetzt noch so
lange nachzuha-
ken, bis sie hatte, was sie wollte. Aber sie tat es nicht, erstaunlicherweise.
"Lass uns gehen, bestimmt suchen sie dich schon. Und wenn rauskommt, dass ich
dich hier
rein gelassen habe, sind wir beide dran. Also komm jetzt," forderte Zadei sie
schließlich.
"Du hast recht," stimmte das Mädchen zu, beugte sich dann zu dem Ohr des
Drachen hinüber
und flüsterte etwas, wobei sie allerdings Zadei genau ansah. Ihre Stimme war
gerade laut ge-
nug, dass er sie verstehen konnte.
"Das ist hier ist unser kleines Geheimnis. Niemand außer uns wird es erfahren,"
meinte sie in
verschwörerischem Ton. Dann aber sprang sie auf und setzte ein Grinsen auf und
hopste an
Zadei vorbei in Richtung Tür, nachdem sie sich von dem Tier verabschiedet
hatte. "Komm
schon du Transuse, sonst finden sie uns echt noch." Jetzt war sie wieder ganz
die alte, dachte
Zadei bei sich. Und doch hatte er die Doppeldeutigkeit ihrer Aussage vorhin
durchaus ver-
standen. Ihr "Geheimnis" betraf nicht nur die Tatsache, dass er sie
verbotenerweise zu dem
Drachen gebracht hatte. Es ging vor allem darum, was in diesem Raum gesprochen
worden
war. Keines dieser Worte würde diesen Raum verlassen, dass war ihrer beider
stummes Ver-
sprechen.
Draußen angekommen, verließen sie die Stallungen und überquerten den Hof, als
sie von wei-
tem schon zwei Gestalten hektisch auf sich zulaufen sahen. Es waren Hilda und
die Amme.
Obwohl Hilda bereits hochschwanger war, stand sie der anderen Frau in
Geschäftigkeit in
nichts nach (auch wenn es sie in ihrem Zustand wesentlich mehr Kraft zu kosten
schien.)
Schon von weitem rief sie vorwurfsvoll: "Sherril! Wo hast du nur gesteckt? Wir
haben dich
überall gesucht!"
Besagtes Mädchen, das neben Zadei ging, quiekte mal wieder erschrocken auf, als
sie die bei-
den durchaus verstimmten Frauen auf sich zukommen sah und setzte wieder zur
Flucht an.
Und diesmal war sie schlau: Mit den Händen hielt sie ihre Zöpfe rasch fest, so
dass Zadei
nicht danach greifen und sie festhalten konnte, wie er es schon einmal getan
hatte. Fast schon
siegessicher begann sie in die entgegengesetzte Richtung zu rennen. Doch leider
hatte sie die
Reaktionsgeschwindigkeit des Dämonengenerals unterschätzt. Dieser streckte
nämlich nur
blitzschnell den rechten Fuß aus, was die Kleine zu spät bemerkte, da sie ja
damit beschäftigt
war, ihr Haupt zu schützen. Somit stolperte sie über den ausgestreckten Fuß
und klatschte der
Länge nach auf den Boden, war somit erfolgreich außer Gefecht gesetzt.
Dort lag sie dann einige Minuten mit dem Gesicht auf dem Boden, ohne sich zu
bewegen.
Zadei grinste inzwischen über beide Ohren. "Tja, netter Versuch, aber um mich
auszutricksen,
musst du schon früher aufstehen." Die Tatsache, dass es für einen
Dämonengeneral kein
Kunststück sein sollte, ein kleines Mädchen am Weglaufen zu hindern,
ignorierte er geflis-
sentlich. Vom besagten Mädchen kam im Übrigen keine Reaktion. Sie lag
weiterhin regungs-
los am Boden. "Hey, Kleine, was soll das denn jetzt?" Mit der Stiefelspitze
stupste er leicht in
ihre Seite, worauf er endlich ein paar Worte vernehmen konnte, die gegen den
kalten Stein
gemurmelt wurden:
"Lass mich, ich bin jetzt tot. Das hast du nun davon."
Noch bevor er etwas sagen konnte, waren die beiden Frauen endlich bei ihnen
angekommen.
Sie hatten das kleine Spiel nicht genau mitbekommen, glaubten, Sherril sei über
ihre eigenen
Füße gestolpert. Das Kindermädchen zog sie mit einem Ruck auf die Beine und
Hilda meinte:
"Siehst du, das hast du nun davon. Warum hörst du nur nie auf uns und haust
immer einfach
ab?!" Da mischte sich jedoch die Amme ein. "Mit Verlaub Lady Hilda, ihr solltet
auch besser
auf die Ratschläge des Arztes hören. In eurem Zustand dürftet ihr gar nicht
mehr so hier he-
rumlaufen. Ich bitte euch, geht wieder in eurer Gemach. Herr Laures wird mir den
Hals um-
drehen, wenn er erfährt, dass ich zugelassen habe, dass ihr hier herumlauft!
Und vielen Dank an euch, Herr Zadei, dass ihr sie gefunden habt!" meinte sie an
besagten
Dämon gewandt, wurde aber sogleich energisch von Hilda angesprochen.
"Keine Sorge, ich weiß was ich tue. Und ich habe definitiv nicht vor, den
ganzen Tag nur in
meinem Zimmer rum zu sitzen und abzuwarten. Und jetzt bringt Sherril bitte schon
mal rauf,
ich komme gleich nach." Die Amme konnte nach diesen Worten nur seufzend nicken.
Gegen
die Energie ihrer Herrin kam sie nicht an. Also tat sie, wie ihr geheißen. Sie
verbeugte sich
vor Zadei höflich und zog Sherril mit sich, die Zadei noch einmal die Zunge
rausstreckte um
ihm klarzumachen, was sie davon hielt, dass er sie "verraten" hatte.
Als die Amme und das Kind außer Sichtweite waren, erlaubte Hilda sich nun doch,
ange-
strengt Luft zu holen. Sie stützte sich mir einer Hand an einer Mauer ab und
man sah ihr
plötzlich deutlich an, dass sie die Herumlauferei doch ziemlich viel Kraft
kostete. Zadei sah
sie an. "Versteh mich nicht falsch, Lady Hilda, es interessiert mich eigentlich
nicht wirklich
und ich habe auch nicht viel Ahnung von Schwangerschaft, aber es scheint ja ganz
schön an-
strengend zu sein, so herum zu rennen. Wäre es da nicht wirklich klüger, sich
auszuruhen? Ich
frage nur, weil du so aussiehst, als würdest du gleich zusammenklappen."
Hilda sah ihn daraufhin nur verbissen an. "Natürlich wäre es angenehmer für
mich, wenn ich
einfach auf meinem Zimmer bliebe, aber ich will beweisen, dass ich mir nichts
vorschreiben
lasse, von niemandem!"
"Ich fürchte, ich kann nicht ganz folgen..."
Die blonde Frau strich sich eine Haarsträhne aus dem verschwitzten Gesicht.
"Na, Laures und
Titius würden mich am liebsten in einen goldenen Käfig sperren, sie behandeln
mich als wäre
ich aus Glas! Also..." "...rennst du allein aus Trotz hier rum und verausgabst
dicht total,"
schloss Zadei, während er eine Augenbraue hochzog. Einen Moment lang war er
sich nicht
sicher, ob er Sherril oder ihre Mutter vor sich stehen hatte. Denkensweise und
Dickschädel
waren exakt dieselben. Hilda hatte durch ihre Mutterschaft offenbar doch nicht
soviel an Ver-
nunft hinzugewonnen, wie er anfänglich geglaubt hatte.
Diese bemerkte Zadeis herablassenden Blick und meinte: "Ich weiß genau, was du
jetzt
denkst. Wahrscheinlich denkst du, ich bin total irre. Aber es ist nun mal meine
Art, ich kann's
nicht ändern. Ich hasse es, wenn man mich bevormunden oder einsperren will. Ich
weiß, dass
Laures das alles tut, weil er mich liebt. Er will nur das beste für mich. Aber
manchmal habe
ich das Gefühl, dass er mich am liebsten vor jedem und allem wegsperren würde,
um mich
ausschließlich für sich allein zu haben. Darum muss ich regelmäßig zeigen,
dass ich so etwas
nicht will, damit er wieder auf den Teppich kommt."
<>
Zadei erinnerte sich seiner eigenen Worte, die er zu Titius in jener Nacht nach
dem Ball ge-
sagt hatte.
"Aber ist es denn nicht normal, dass man das Wesen, welches man liebt, allein
für sich haben
möchte?"
"Ja, aber es ist auch egoistisch."
"Liebe ist egoistisch. Wie alles andere, was wir tun auch."
"Das stimmt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Man darf in seinem Egoismus
nicht soweit
gehen, dass man den anderen einschränkt oder ihn verletzt. Solange das der Fall
ist, handelt es
sich nicht um Liebe. Es ist etwas anderes. Begehren, Verlangen vielleicht, aber
keine Liebe."
Sie sah Zadei direkt an und er sie. Eine Weile tauschten sie nur ihre Blicke,
bis Zadei sich
schließlich abwandte.
"Interessant. Deine Tochter hat auch schon versucht, mir Ratschläge zu
erteilen. Wer kommt
als nächstes? Will dein ungeborenes Baby mir vielleicht auch noch ein paar
Tipps geben?"
sagte er mürrisch. Allerdings herrschte er sie nicht an wie sonst jemanden, der
versuchte, ihm
Ratschläge zu geben. Wahrscheinlich hatte ihn Sherril schon zu mürbe gemacht.
Aber Hilda sah ihn nicht mit einem missbilligendem Blick an, wie Titi es
vielleicht getan hät-
te, sondern sie lachte auf. Es war ein klares, helles Lachen, wie der Klang
kleiner Glöckchen.
"Nun, du kannst ihn ja mal fragen. Aber ich fürchte, du wirst dich noch etwas
gedulden müs-
sen. Der Arzt meinte, es kann noch zwei, vielleicht auch drei Wochen dauern, bis
Laures
Sohn das Licht der Welt erblickt. Ich bin mir sicher, dass es ein Junge wird..."
Damit strich
sie liebevoll über die Wölbung unter ihrem Kleid."
Zadei verdrehte die Augen. Na toll, noch so'n Balg, dass ihm auf die Nerven
ging! Vielleicht
sollte er Titius doch aufgeben und das Weite suchen, so lange er noch konnte...
Aber als er in
Hildas liebevoll lächelndes Gesicht sah, verkniff er sich zum ersten Mal eine
derartige Be-
merkung, warum, wusste er selber nicht. "Na, dann werd ich mal. Hab noch zu
tun," verab-
schiedete er sich kurz angebunden und ließ die junge Frau stehen. Hilda war
etwas überrascht
über Zadeis fluchtartigen Abgang, zuckte dann aber nur mit den Schultern und
beschloss,
doch lieber wieder in ihr Zimmer hinauf zu gehen. Man musste ja nicht zu sehr
übertreiben...
**********
Der restliche Tag hielt für Zadei noch ziemlich viel Arbeit bereit, so dass er
recht schnell ver-
ging und Zadei abends mit der Feststellung ins Bett ging, Titius nicht einmal zu
Gesicht be-
kommen zu haben. Es war doch alles in Ordnung? Die Wunde, die er ihm zugefügt
hatte, war
ja wohl nicht so schlimm gewesen... er hatte ihn ja nur etwas einschüchtern
wollen, um ihn
aus der Reserve zu locken, was ihm scheinbar auch gelungen war. Nun, es würde
sich für Za-
dei schon noch eine Gelegenheit bieten, sich mit eigenen Augen davon zu
überzeugen, wie es
seinem Engel ging.
Diese Gelegenheit bot sich schon am nächsten Morgen, allerdings für beide
ziemlich unver-
hofft. Zadei war auf dem Weg zu Laures Arbeitszimmer, um mit ihm über seine
Pläne bezüg-
lich der Erweiterung der Dracheställe zu sprechen. Dort angekommen, klopfte er
an die Tür,
aber wie es nun mal seine Art war, wartete er nicht auf eine Antwort, sondern
betrat einfach
das Zimmer, auch wenn er sich dafür wieder einen Verweis einhandeln würde. Er
mochte es
einfach zu sehr, den Dämonenfürsten zu provozieren. Aber der Verweis blieb
aus, aus dem
einfachen Grunde, dass Laures nicht im Zimmer war. Dafür allerdings Titius, der
erschreckt
aufblickte, als er so plötzlich Zadei durch die Tür treten sah. Fast hätte er
den Stapel Papiere
fallen lassen, den er soeben auf den riesigen Schreibtisch seines Herrn legen
wollte.
Auch Zadei war im ersten Moment etwas verdutzt, sprach ihn dann aber in völlig
gewöhnli-
chem Tonfall an. "Ich hatte eigentlich Laures erhofft zu sehen. Ich wollte was
mit ihm be-
sprechen. Weißt, wo er ist?" Der Dämon mit den weißen Flügeln begann, die
Blätter wieder
zu ordnen und sie gut sichtbar auf die Mitte des Schreibtischs zu legen. Er
bemühte sich
merklich um einen ebenso nebensächlichen Tonfall, hielt dabei aber den Kopf
gesengt, so
dass sein Haar sein Gesicht verdeckte und Zadei es nicht sehen konnte. Er konnte
ihm offen-
bar nicht in die Augen schauen.
"Ich hatte auch geglaubt, ihn hier zu finden, normalerweise ist er um die Zeit
immer hier.
Vielleicht kommt er ja gleich. Wenn ihr ihn seht, könnt ihr ihm bitte
ausrichten, dass ich die
Papiere auf den Schreibtisch gelegt habe?" Damit wandte Titius sich zum Gehen,
noch immer
ohne ihn anzusehen. Trotzdem bemerkte Zadei seine angespannte Haltung, als Titi
an ihm
vorbeiging.
"Du hast Sherril gesagt, du hättest dich versehentlich geschnitten?" fragte er
ganz unvermit-
telt.
Titi blieb stehen und hob den Kopf. Der kleine Schnitt unter dem Auge war schon
fast wieder
verheilt, wie Zadei mit Erleichterung feststellte.
"Hätte ich ihr etwa die Wahrheit sagen sollen?"
"Hättest du es getan, würde Laures mich mit Sicherheit aus dem Schloss
verbannen." Er be-
merkte genau, wie Titius sich auf die Unterlippe biss. Zadei hätte jetzt gerne
eine Antwort
gehört, die ihn weiterbrachte. Aber dazu kam es nicht, denn in diesem Moment
wurde die Tür
zum Arbeitszimmer aufgerissen und Sherrils Kinderfrau stürzte hektisch hinein.
"Oh, Zadei-sama, Titius-sama, gut, dass ich euch hier finde! Wo ist Sherril?
Haben sie sie
gesehen?" Die gute Frau wirkte eigentlich immer irgendwie hektisch, aber diesmal
war es
schlimmer als sonst.
"Nun, hier ist sie nicht", stellte Zadei fest, sah aber sicherheitshalber noch
mal an seinem Bein
hinunter, nur um sicherzustellen, dass nicht doch das gewünschte Objekt daran
klebte. Aber
nein, da war nichts.
Doch nun wurde die Amme geradezu panisch. "Oh, nein, dass sie bei ihnen wäre,
war unsere
letzte Hoffnung. Dann hat Laures-sama doch recht..." Plötzlich begann sie zu
schluchzen und
schlug die Hände vors Gesicht. Zadei überkam ein ziemlich unangenehmes Gefühl
und auch
Titius wurde sichtbar nervös. Er eilte zu der Frau und fasste sie sanft, aber
bestimmt an den
Schultern.
"Was ist denn passiert? Womit hat Laures-sama recht?"
Schluchzend blickte sie ihn an: "Als ich heute Morgen in ihr Zimmer kam, war ihr
Bett leer.
Ich dachte, sie ist halt wie sonst wieder ausgebüchst, aber auch nach langem
Suchen konnte
ich sie nicht finden, obwohl ich schon alle Bediensteten eingespannt habe. Also
musste ich es
dem Herrn sagen und er hat gleich gesagt, dass er ihre Aura nicht in der
unmittelbaren Nähe
spüren kann. Wo kann sie nur sein?"
Wie auf Bestellung kam nun einer der Soldaten angehetzt, rannte ins Zimmer und
fiel vor den
höher gestellten Dämonen auf die Knie, ehe er atemlos verkündete:
"Zadei-sama, der Jung-
drache, den wir neulich fanden, der Verletzte, er ist weg! Ich habe es nur durch
Zufall be-
merkt!"
Zadeis Augen weiteten sich für einen Augenblick, als er eins und eins
zusammenzählte. Er
blickte die Amme an, die erneut in Tränen ausbrach und dann zu Titius, der
seinen Blick mit
versteinerter Miene erwiderte.
"Zadei-sama, der Drache... meint ihr, Sherril hat... sie kann doch nicht... und,
wo sollte sie
denn hin...?" stammelte er fassungslos, als der Soldat fort fuhr, ehe Zadei
antworten konnte.
"Bitte kommen sie beide sofort in den Hof, es wird eine groß angelegte
Suchaktion gestartet!
Laures-sama hat angeordnet, dass die ganze Kompanie ausrücken soll. Kommen sie
bitte
schnell, er ist völlig außer sich!"
Die Amme sank auf einem Sessel in sich zusammen. "Was kann sie nur wieder
vorhaben?
Warum hat sie das Schloss verlassen?" Zadei blickte einen Moment zu Boden, als
er
nachdachte. Ja, was konnte der Grund dafür sein? Konnte es vielleicht sein,
dass...?!
Titius wandte sich augenblicklich zum Gehen, blickte sich aber nach Zadei um.
"Was ist, Za-
dei-sama? Wir müssen uns beeilen! Der Befehl gilt auch für euch!"
Aus seinen Gedanken gerissen blickte Zadei auf. "Titius, geh schon mal vor, ich
komme so-
fort nach. Ich muss nur noch etwas nachprüfen!" Damit ging er schnellen
Schrittes an dem
verdutzten Titius vorbei. Er eilte die Flure entlang, durchquerte im Laufschritt
das halbe
Schloss, bis er endlich den Raum erreicht hatte, den er suchte.
Er öffnete die großen Flügeltüren der Bibliothek, eilte an den zahllosen
Bücherregalen vorbei
bis in den hinteren Teil der großen Halle, wo sich die wichtigeren
Aufzeichnungen des
Schlosses befanden. Und mit einem Blick auf einen großen Holztisch, der vor den
Regalen
stand, bestätigte sich seine Vermutung, ohne dass er näher hinsehen musste.
Trotzdem ging er
zu dem Tisch und betrachtete die ausgebreiteten Papiere und Karten, die fast den
ganzen
Tisch bedeckten. Es waren die Aufzeichnungen über die Drachennistplätze.
Natürlich. Darum
hatte Sherril ihn also nach deren Aufbewahrungsort gefragt! Und er hatte es ihr
auch noch so
genau erklärt! Sie hatte ihren Plan, die Drachennistplätze zu sehen, also
nicht aufgegeben.
Und da Zadei sie nicht mitnahm, versuchte sie es nun auf eigene Faust. Dieser
verdammte
Sturkopf!
Wütend fegte Zadei mit einer einzigen Bewegung die Papiere zum Tisch. Ein
kleines Mäd-
chen, allein mitten in der Makai! Und wenn sie tausendmal die Tochter des
Dämonenfürsten
war, die dummen Monster und Unterdämonen, die hier hausten, fragten nicht lange
nach dem
Rang des Opfers, dass sie gerade im Begriff waren zu fressen! Zadei schlug mit
der Faust auf
den Tisch. Was war er auch so dumm gewesen, ihr den Jungdrachen zu zeigen! Er
hatte sie ja
förmlich zu dieser Tat eingeladen!
Aber die Grübelei half jetzt auch nicht. Sie mussten sie so schnell wie
möglich finden. Er zog
aus dem Gewühl eine große Karte hervor, auf denen die Nistplätze mitsamt den
vermuteten
Schlüpfdaten verzeichnet waren. Er überflog die Daten. Es kamen fünf Nester
in Frage, in
denen entweder gerade junge Drachen geschlüpft waren oder in denen es
vermutlich in diesen
Tagen dazu kommen würde.
Welches hatte Sherril gewählt? Das größte, das kleinste, das, was am
nächsten lag oder das,
was am weitesten weg war? Herr Gott, sie würden einfach alle abklappern
müssen! Hektisch
packte Zadei die Karte und eilte auch zum Schlosshof, wo sich bereits die
komplette Kompa-
nie rüstete.
Es herrschte reges Chaos, der Hof wimmelte von Drachen, die bereit gemacht
wurden. Schon
von weitem sah er Laures und Titius mitten im Gewühl. Es war nicht schwer, denn
Laures
verströmte eine Aura, die man nur schwer übersehen konnte. Seine Aura hatte
momentan et-
was von einem Sturm, eine Gewitternacht über dem tosenden Meer. Auch die
Bediensteten
und Soldaten, die um ihn herum liefen, merkten es: sie machten alle einen
großen Bogen um
ihn, nahmen seine herrischen Kommandos mit bleichen Gesichtern entgegen.
Zielstrebig hielt Zadei auf ihn zu. "Laures! Es scheint so, als ob Sherril
aufgebrochen ist, um
ein Drachennest zu sehen. Ich habe hier eine Karte mit möglichen Zielen!"
Laures drehte sich um, als er Zadeis Stimme hinter sich vernahm. Titius tat es
ihm nach. Za-
dei stockte einen Augenblick. Sein Engel war kreidebleich.
"Was sagst du da?! Woher weißt du das?" Laures packte Zadei am Kragen und zog
ihn zu
sich heran. Und dieser musste zugeben, dass die Bediensteten gut daran taten,
Abstand von
ihm zu halten. So hatte selbst er den Dämonenfürsten selten erlebt. Laures,
der doch immer
diese gewisse Überlegenheit ausstrahlte, diese Gelassenheit, die Zadei immer
den letzten Nerv
geraubt hatte. Aber genau dieser Mann zeigte nun mehr den je, was er eigentlich
war: Ein
Dämon. Seine unergründlichen violetten Augen versprühten Funken und eine
stumme Dro-
hung, das Lächeln war einer steinernen Maske gewichen, die keinen Zweifel daran
ließ, dass
er bereit war, jeden ohne mit der Wimper zu töten, der sich ihm den Weg
stellte. So hatte Za-
dei ihn wirklich selten erlebt. Eigentlich immer nur dann, wenn es um Laures
geliebte Hilda
ging. Und jetzt ging es um seine Tochter. Seine Familie schien wirklich das
einzige zu sein,
was ihn aus der Fassung bringen konnte. Dafür aber so richtig.
Zadei beschloss klugerweise, sich jetzt nicht unbeliebt zu machen. Laures jetzt
zu provozie-
ren, konnte ziemlich gefährlich sein; er war völlig außer sich. Also meinte
Zadei mit betont
ruhiger Stimme:
"Ich kann es mir denken, weil sie mir gegenüber oft erwähnte, dass sie gerne
mal ein Dra-
chennest sehen wollte. Ich habe es ihr natürlich verboten und darum ist sie
jetzt wohl auf ei-
gene Faust los!" Den Teil über die Tatsache, dass er selber ihre Neugier noch
geschürt und ihr
den Jungdrachen gezeigt hatte, ließ er geflissentlich erst mal weg. Verdammt,
er hatte doch
auch nicht ahnen können, dass das solche Konsequenzen nach sich ziehen würde!
Und Laures ließ ihn tatsächlich los, blickte ihn nur weiterhin finster an.
"Dann kümmere dich
schnell darum, dass alle von den Zielen erfahren. Ich will keine Sekunde mehr
verlieren. Ich
will, dass alles verfügbaren Soldaten ausrücken. Erste Trupps habe ich schon
rausgeschickt,"
donnerte er im Befehlston, wandte sich dann seinem eigenen, riesigen schwarzen
Drachen zu.
Auch Titius ließ sich ein Tier bringen. Die Sorge um Sherril stand ihm ins
Gesicht geschrie-
ben, natürlich wollte er bei der Suche helfen.
In diesem Moment hörte man einen Tumult, der vom Schlosstor herrührte. Mehrere
Bediens-
tete stürmten aus dem Schloss hektisch auf den Platz und auf Laures und Titius
zu. Bei ihnen
angekommen, warfen sie sich in den Staub und der erste brachte atemlos hervor:
"Laures-
sama, verzeiht, Lady Hilda geht es nicht gut! Sie war so geschockt von der
Nachricht von
Lady Sherrils Verschwinden. Die Wehen haben eingesetzt!"
"Oh nein, nicht jetzt!" Laures sprang wieder von seinem Drachen, fasste aber
augenblicklich
einen Entschluss. "Titius!" Allein der Name klang wie ein Befehl und
augenblicklich stand
dieser neben seinem Fürsten. "Titius, du nimmst nicht an der Suchaktion teil.
Du bleibst hier
im Schloss und kümmerst dich um die Geburt. Du trägst die Verantwortung!"
"Aber Laures-sama, ich will auch helfen! Wir brauchen doch jeden Mann, den wir
kriegen
können. Und der Arzt ist doch da... Ich kann doch nicht hier bleiben, wenn
Sherril..." Blitz-
schnell hatte Laures ihn am Hals gepackt und mehrere Zentimeter hoch in die Luft
gehoben.
Seine Stimme war ein einziges Donnergrollen.
"Wage es nicht, mir ausgerechnet jetzt zu widersprechen! Du warst bei der ersten
Geburt da-
bei, Hilda vertraut dir! Du musst sie beruhigen, weil ich es jetzt nicht kann.
Du trägst die Ver-
antwortung dafür, dass dieses Kind gesund zur Welt kommt!" Dann zog er den
entsetzten
Engelsdämon noch näher an sich heran und durchbohrte ihn mit seinen Blicken.
"Wenn mei-
ner Frau oder dem Kind etwas zustößt, ziehe ich dich dafür zur Rechenschaft,
hast du das
verstanden?!" Titius nickte nur stumm, mit aufgerissenen Augen, worauf Laures
ihn unsanft
zu Boden fallen ließ.
Zadei beobachtete die Szene von einigen Metern Entfernung. Als er sah, wie
Laures Titius so
schroff behandelte, wollte er eingreifen, wurde aber von mehreren Soldaten
eingekeilt, die ihn
mit Fragen und der Bitte nach Anweisungen bestürmten. Zu seiner Erleichterung
stellte er
fest, dass Laures seinen Diener wieder losließ, mehr bekam er nicht mit, da er
versuchen
musste, den chaotischen Haufen zu koordinieren. Die Soldaten waren überaus
hektisch, wuss-
ten sie doch, dass vielleicht ihr letztes Stündlein geschlagen hatte, sollte
der kleinen Lady
etwas zustoßen. Ihr Fürst war zwar besonders in den letzten Jahren zu einem
sehr gerechten
Herrscher geworden, aber wenn er selber geladen war, würde er nicht zögern,
allein aus Wut
alle zur Hölle zu schicken, die sich in seiner Nähe befanden.
Auch wenn der Dämonengeneral es sich nicht gerne eingestand, er begann selber,
ziemlich
hektisch zu werden und die Soldaten anzubrüllen, als gelte es, einen Krieg zu
gewinnen, der
dass Ende der Welt entschied. Es konnte doch nicht sein, dass ihn das ganze so
mitnahm?!
Verdammtes Gör!
Er teilte schnell Geschwader ein, nannte ihnen Ziele und Vorgehensweise, bis er
sich schließ-
lich selbst an die Spitze des letzten Trupps stellte. Alle anderen Geschwader
rückten aus und
Laures war schon längst alleine los geflogen. Gerade wollte Zadei seinen
eigenen Drachen
besteigen, als er spürte, wie jemand ihn am Arm zurückhielt. Er fuhr herum und
wollte den
Idioten gerade anschnauzen, der immer noch nicht kapiert hatte, in welche Reihe
er gehörte,
als er mit Überraschung feststellte, dass es sich um Titius handelte, der ihn
am Arm festhielt
und mit verzweifelter Miene anschaute. Zadei liebte die helle, sanfte Haut
seines wunder-
schönen Engels, aber so bleich, wie dieser jetzt war, sah es selbst bei ihm
ungesund aus.
"Zadei-sama... ihr werdet Sherril doch sicher zurückbringen, oder?" fragte er
mit zitternder
Stimme.
"Ich kann nicht mithelfen, dabei wollte ich doch auf sie aufpassen! Ich hatte...
doch geschwo-
ren...", seine blauen Augen füllten sich mit Tränen, die Unterlippe zitterte,
"Wenn Sherril
etwas zustößt, dann..."
Zadei legte einen Finger auf Titius bebende Lippen. "Keine Sorge. Wir wissen, wo
wir sie
suchen müssen. Und wir finden sie. Bestimmt," sagte Zadei mit fester Stimme,
verzog dabei
seine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln.
Und zu seiner Überraschung entspannten die Gesichtszüge des weißhaarigen
Engelsdämonen
etwas, der Griff an Zadeis Arm ließ etwas nach. Dann ließ er schließlich ganz
los und ging
einen Schritt zurück. Im Hintergrund hörte man ein Dienstmädchen rufen:
"Titius-sama! Lady
Hilda ruft nach ihnen! Und wir haben die Tücher, wie viel heißes Wasser
brauchen sie?"
Titius blickte sich kurz um. "Ich komme sofort, einen Moment!" Schnell wandte
Titius sich
wieder an Zadei. Er zwang sich sichtlich zur Ruhe, um seinen Pflichten
nachkommen zu kön-
nen.
"Zadei-sama, Lady Sherril verfügt noch nicht über Angriffsmagie. Sie
beherrscht bis jetzt nur
ein paar einfache Schutzzauber. Ich dachte, es ist gut, wenn ihr das wisst,"
erklärte er noch
hastig.
"Gut zu wissen. Also, wird schon schief gehen. Ich bring sie zurück!" versprach
Zadei. Er
musste sehr zuversichtlich wirken, denn Titius' Züge entspannten sich noch
mehr. Nickend
trat er zurück, um den Drachen beim Abheben nicht im Weg zu sein. Und Zadei
glaubte sogar
den Ansatz eines kleinen Lächelns zu sehen, als er sich nun mit dem großen
Tier in die Lüfte
erhob. Es war so schön, zu sehen, dass er sich wünschte, dass er sein
Versprechen halten
konnte. Aber leider war er nicht so zuversichtlich, wie es wohl ausgesehen
hatte. Die
Dämonenwelt außerhalb des Schlosses bot viele Gefahren. Nicht nur für ein
kleines Mädchen.
Aber Titius vertraute ihm doch nicht etwa wirklich? Nie, kein einziges Mal, seit
Zadeis Erwa-
chen, war der Dämonenengel ihm freiwillig so nah gekommen. Wahrscheinlich
wusste dieser
in dieser Ausnahmesituation, in der er voller Sorge um Sherril war, gar nicht
wirklich was er
tat. Aber er war zu Zadei gekommen. Er hatte Zadei darum gebeten, seinen
Schützling wieder
zurückzubringen. Das bedeutete Zadei mehr, als alles andere.
**********
Eine ganze Weile waren Zadei und seine Truppe nun schon unterwegs zu einem Nest,
dass
Zadei ganz bewusst für sich ausgesucht hatte. Er hoffte inständig, dass sein
Gefühl richtig
war, das ihm sagte, dass Sherril sich genau dieses ausgesucht hatte. Es war
nämlich das, in
dem auch ihr Jungdrache geschlüpft war. Und Sherril war nicht dumm. Sie hatte
Zadei wohl
genau zugehört und wusste, dass Drachen ihren eigenen Geburtsort immer quasi
blind wieder
fanden. So ersparte sie sich das Kartenlesen.
Eigentlich müssten sie sie bald eingeholt haben, wenn sie wirklich diese Route
genommen
hatte. Sie hatte zwar einen enormen zeitlichen Vorsprung, allerdings war ihr
kleinerer Drache
um einiges langsamer als die größeren von Zadei und seinen Leuten. Hinzu kam
noch, dass
die Verletzung an dessen Flügel zwar weitestgehend verheilt war, das Fliegen
allerdings im-
mer noch beeinträchtigen würde. Das Mädchen würde also gezwungen sein,
Pausen zu ma-
chen.
Zadei konnte nur hoffen, dass sie das mit dem Fliegen einigermaßen hinbekam und
das Tier
kontrollieren konnte und der Drache sie nicht hintrug, wohin er wollte. Denn
dann war sie
wirklich verloren. Gerade, als ihn dieser Gedanke beinahe entmutigen wollte,
erblickte er am
Horizont einige schwarze Punkte. Er trieb seinen Drachen zu mehr Schnelligkeit
an, so dass
seine Männer kaum noch mithalten konnten, deren Tiere nicht so kräftig und
wendig waren
wie sein eigenes. Dann, endlich erkannte er das Mädchen! Aber diese kurze
Erleichterung
wurde direkt vom nächsten Schreck zunichte gemacht.
Denn sie war nicht alleine. Drei riesige Ungetüme umschwebten sie. Noch nicht
mal Zadei
konnte ihre Rasse genau ausmachen. Sie sahen aus, wie etwas zu groß geratene,
fliegende
Zitterrochen. Es war schon seltsam, was die Makai so an Lebewesen hervorbrachte.
Aber für
solche Gedanken hatte er jetzt keine Zeit. Er trieb seinen Drachen noch einmal
kräftig an. Er
war immer noch zu weit entfernt!
Sherril blickte panisch um sich. Wo waren diese Viecher denn auf einmal
hergekommen?! Sie
kreisten sie ein, umflogen sie in immer enger werdenden Kreisen. Ein paar mal
schlugen sie
mit ihren Tentakeln nach ihr, bis jetzt hatte sie immer entweder ausweichen oder
kurz einen
kleinen Schild erschaffen können. Aber die Dinger schienen sie nur zu testen,
sie wusste
nicht, was sie tun sollte, wenn sie nun anfangen sollten, sie ernsthaft
anzugreifen. Tränen stie-
gen ihr in die Augen. So hatte sie sich das eigentlich nicht vorgestellt. Und
nun kam das erste
der drei Biester mit weit geöffnetem Maul auf sie zu. Sherril schloss die
Augen, errichtete
einen weiteren kleinen Schild und betete, dass er halten würde. Doch dann
hörte sie nur ein
lautes Zischen, dass Vieh gab einen schrillen Laut von sich und dann roch es
nach verbrann-
tem Fleisch.
Erschrocken riss Sherril die Augen auf und automatisch ließ Erleichterung
Tränen über ihre
Wangen laufen, als sie Zadei in einigen Metern Entfernung sah.
"Onkel-Zadei!"
"Freu dich nicht zu früh! Du bist die nächste, die ich mit eigenen Händen
umbringen werde.
Wie viel geballte Blödheit passt eigentlich in deinen kleinen Schädel?!"
knurrte er, musste
sich aber dann auf die beiden Viecher konzentrieren, die ihn nun zu zweit ins
Visier nahmen.
Und dann ging alles plötzlich Schlag auf Schlag. Er kämpfte mit ihnen, wich
aus, attackierte
den einen, verlor dabei für einige Momente das Mädchen aus dem Blick, hörte
sie nur krei-
schen, erledigte auch den zweiten, um mit Erschrecken festzustellen, dass
weitere Tiere auf
der Bildfläche erschienen waren. Die drei ersten waren nur die Kundschafter
für eine ganze
Herde gewesen! Sherril war abermals umzingelt. Ein kurzer Blick nach hinten
sagte Zadei,
dass seine Leute immer noch zu weit entfernt waren, um zu helfen. Und schon
griffen zwei
Monster gleichzeitig das Mädchen an. "Verdammte Mistviecher!"
Der kleine Drache schaffte es, auszuweichen, doch Sherril verlor den Halt und
stürzte nach
unten. Im Schock sah sie nur noch den dichten Wald unter sich näher kommen,
bekam sonst
nichts mehr mit, konnte deshalb auch zunächst kaum realisieren, das etwas sie
auf einmal
festhielt und am weiteren fallen hinderte. Als sie benommen aufblickte, sah sie
über sich Za-
dei, der sie von seinem Drachen aus am Arm festhielt, während sie in der Luft
baumelte. Er
sah sie an, achtete für einen Augenblick nicht darauf, was hinter ihm geschah.
"Alles in Ord-
nung?"
Sherrils Augen weiteten sich. "Pass auf, hinter dir!!!
Doch es war schon zu spät. Eines der Viecher hatte eine Energiekugel
abgefeuert, die direkt
auf Zadei zielte, der erst aufblickte, als das Ding direkt vor ihm war.
Dann war es nur noch gleißend hell. Sherril musste die Augen schließen, hörte
noch das Ge-
schrei der anderen Soldaten, dass Kreischen der Biester, noch mehr Explosionen.
Und das
letzte, was sie spürte, war, wie der eiserne Griff, der die ganze Zeit sicher
ihren Arm hielt,
plötzlich kraftlos wurde und sich langsam löste. Dann stürzte sie abermals in
die Tiefe.
Kapitel 5:
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Seufzend sah Titi aus dem großen Fenster in Hildas Schlafgemach und legte die
Hand an die kühle Scheibe, suchte mit den Augen den blauen Himmel ab.
"Immer noch nichts zu sehen?" erklang hinter ihm die leise Stimme von Hilda.
Titius drehte sich kopfschüttelnd zu der blonden Frau um, die in viele weiche
Kissen und Decken gehüllt halb in ihrem Bett saß. Sie sah sehr erschöpft aus,
war etwas blass und ihre Augen machten einen müden Eindruck.
Aber dennoch wirkte sie unglaublich schön. Ihre blonden Haare waren offen und
flossen in weichen Locken um sie herum über die seidenen Kissen. Und man sah
das Glück in ihren Augen und das sanfte Lächeln, dass ihre Lippen umspielte,
als sie auf das kleine, in warme Decken eingehüllte Bündel in ihren Armen
hinuntersah.
Titius trat an das Bett heran und ließ sich sachte auf die Bettkante gleiten.
Die letzten Stunden waren für alle Beteiligten recht anstrengend gewesen. Hilda
hatte einige Stunden in den Wehen gelegen, bevor es endlich soweit war. Und
ständig waren Dienstboten geschäftig durch das Zimmer gewuselt, die Stimmung
war ungewöhnlich hektisch gewesen. Denn zum einen schwebte nicht nur die Angst
um Sherril die ganze Zeit wie eine dunkle Wolke über ihnen, sondern nun auch
noch die Sorge um das Baby, dass immerhin eine Frühgeburt war. Hilda war von
der Nachricht vom Verschwinden ihrer Tochter derart geschockt gewesen, dass dies
die Geburtswehen ausgelöst hatte.
Aber es war gut gegangen. Das Kind war gesund zur Welt gekommen, wenn auch etwas
kleiner und schwächer als gewöhnlich. Das war allerdings normal für eine
Frühgeburt und würde sich bald legen. Nach dem alles überstanden war hatte
Titius jedenfalls erstmal alle aus dem Zimmer rausgeschickt, damit die junge
Mutter endlich etwas Ruhe haben konnte. Und nun herrschte erstmals seit den
letzten Stunden Ruhe um sie beide.
Liebevoll strich Titius Hilda eine feuchte Strähne aus dem Gesicht. "Es wird
schon gut gehen. Ich meine, die gesamte Drachenkompanie befindet sich draußen.
Sie werden es schon schaffen." Sagte Titius mit beruhigender Stimme, wie er es
die letzten Stunden schon so oft getan hatte, um wenigstens Hilda ihre Angst
etwas zu nehmen. Er versuchte dadurch auch seine eigene Unsicherheit zu
verbergen, die ihn langsam aber sicher von innen immer mehr zerfraß, je mehr
Zeit verstrich.
Laures Frau nickte nur leicht. "Ja, du hast Recht." Allerdings wirkte ihre
Stimme nicht so sicher, wie sie den Engelsdämon glauben machen wollte. "Aber
ich bin froh, dass wenigstens du hier geblieben bist. Wenn ich allein gewesen
wäre, ich glaub ich wäre verrückt geworden. Dabei weiß ich doch, dass du
lieber bei der Suche nach Sherril mitgeholfen hättest...Es tut mir leid." Sie
lächelte Titius entschuldigend an.
"Nein, nein, denkt bitte nicht, dass ihr an irgendetwas Schuld seid! Ich bin
froh, wenn ich euch helfen kann! Ich bin genauso euer ergebener Diener wie der
von Laures-sama!"
"Daran zweifle ich auch gar nicht. Aber glaub mir, wäre mein kleiner
ungeduldiger Sohn nicht dazwischen gekommen, ich hätte mich selber auf einen
Drachen geschwungen und hätte Sherril selber gesucht!"
"Das hättet ihr gewiss, daran besteht kein Zweifel. Und im Notfall hättet ihr
das Kind halt unterwegs zur Welt gebracht. Ihr habt den gleichen Dickschädel
wie eure Tochter." Beide fingen an, leise zu lachen, merkten aber nach wenigen
Sekunden, wie ihnen beiden die Tränen in die Augen stiegen. Sie wurden beide
ganz still und Titius wandte sich hilflos ab, um ein weiteres Mal zum Fenster zu
gehen und wieder hinauszuschauen, wie er es die ganze Zeit immer wieder
hoffnungsvoll tat.
Und obwohl er es jetzt schon kaum mehr erwartete, sah er dieses Mal endlich das
ersehnte. Gerade landeten mehrere Drachen im Hof, wurden von ungeduldigen
Bediensteten umzingelt. Das einzige, was Titius genau ausmachen konnte, war der
große Drachen von Laures, der aus der Menge deutlich hervorstach. Mehr Details
konnte er von hier oben nicht erkennen. Augenblicklich fuhr Titi herum und eilte
schon zur Tür. "Sie sind angekommen. Laures-sama ist da!" rief er Hilda noch
zu.
"Schick ihn bitte zu mir ja?" rief ihm Hilda aufgeregt hinter her, die ihre
Tränen nun nicht mehr zurückhalten konnte, während sie gleichzeitig ein
Stoßgebet zum Himmel schickte, dass ihr Geliebter gute Nachrichten bringen
würde.
Titius nickte ihr eilig zu und war schon aus der Tür. Er würde Laures wohl
nicht extra auffordern müssen, zu seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn zu
gehen. Auch Titius betete inständig, dass Laures und Hilda an diesem Tag nicht
ein Kinderleben gegen ein anderes eintauschen mussten.
Schnell hastete er die Flure entlang, die große Treppe zur Eingangshalle
hinunter und durchquerte diese in Richtung Ausgang, als das große Eingangstor
auch schon aufschwang und eine Gruppe Leute, angeführt von Laures, die Halle
betrat. Titius erstarrte und spürte, wie seine Knie weich wurden. Fast wäre er
zu Boden gesunken, als er die kleine Lady in Laures-samas Armen liegen sah.
Körperlich offenbar unverletzt.
Vor Erleichterung aufseufzend, hielt Titius sich an einem Geländer fest.
"Sherril, Gott sei Dank! Laures-sama, wie ist...?"
"Wo ist meine Frau? Wie geht es ihr und dem Kind?" unterbrach ihn der
Dämonenfürst schroff. Er stand nun direkt vor Titius und erst jetzt viel
diesem auf, dass etwas mit Sherril nicht stimmte. Sie war wohl bei Bewusstsein,
die Augen waren immerhin geöffnet, aber sie schienen irgendwie ins Leere zu
starren. Bewegungslos lag sie in den Armen ihres Vaters.
"Beiden geht es hervorragend. Es ist alles gut gegangen. Aber sagt, was ist mit
Sherril?"
Auf diese Antwort hin wirkte auch Laures mit einem mal erleichtert. Dann jedoch
sah er Titius mit einem merkwürdig traurigen Blick an.
"Sherril steht nur unter Schock. Das wird sich schon legen. Aber...Zadei...wie
soll ich dir das sagen...?!" meinte er vorsichtig, als sich Titius Augen schon
panisch weiteten, als ihm fürchterliches schwante.
"Was...was ist mit ihm passiert?" fragte er mit belegter Stimme. In diesem
Moment kam eine weitere Gruppe herein. Mehrere Soldaten und Diener schienen sich
um etwas Bestimmtes zu drängen. Einige gaben Laute des Entsetzens von sich,
andere riefen etwas von Arzt und man solle ihn nach oben bringen. Titius setzte
sich augenblicklich in Bewegung um mit eigenen Augen zu sehen, was passiert war.
Doch Laures hielt ihn rau am Arm fest, meinte aber dann mit besorgter Stimme.
"Ich weiß nicht, ob du das unbedingt sehen solltest. Es ist..." Doch Titius war
schon längst nicht mehr ganz aufnahmefähig. Ohne auf seinen Herrn zu hören
riss er sich los und hastete zu der Menge, die sofort ein wenig vor ihm wich,
als sie ihn erkannte.
Er bahnte sich einen Weg durch die Leute, zum Mittelpunkt des Tumults, der, wie
er mittlerweile sicher wusste, Zadei sein musste. Aber als er ihn dann
tatsächlich sah, traf es ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Als hätte man ihm
einen kräftigen Stoß versetzt, taumelte er nach hinten und schlug sich
entsetzt die Hand vor's Gesicht. Fassungslos starrte er auf das Bild, das sich
ihm bot.
Sie hatten Zadei auf eine Art provisorische Bahre gelegt, um ihn besser tragen
zu können. Dort lag er bewußtslos, die Klaue hing leblos auf der einen Seite
herunter, war auf seltsame Weise verkrampft, als würde sie etwas festhalten.
Aber das wirklich schlimme war Zadeis linke Körperhälfte, besonders das
Gesicht. Es war zu Hälfte verbrannt, die Haut war dunkel gefärbt, hing
teilweise in blutigen Fetzen herunter. Noch mehr Blut quoll von überall her und
durchtränkte die Stofffetzen, die man provisorisch darauf gelegt hatte. Die
linke Seite seiner Rüstung war förmlich geschmolzen und zum Teil weggefetzt.
Das Gesicht war völlig bewegungslos, das linke Auge unter all dem verkrusteten
Blut kaum zu erkennen. Nur das ganz leichte heben und senken des Brustkorbs
verriet, dass noch Leben in ihm war.
Titius musste hart schlucken. Er hatte schon so viel in seinem Leben gesehen,
aber dieses Bild füllte sogar ihn mit Entsetzen. Langsam und unter Aufwendung
all seiner Kraft zwang er sich, wenigstens halbwegs die Ruhe zu bewahren und
seine Stimme zu erheben, um den Bediensteten, die selber sehr schockiert waren,
Anweisungen zu erteilen.
"Bringt...bringt ihn nach oben in sein eigenes Zimmer. Schnell! Und holt den
Arzt." Er hörte seine eigene Stimme nur wie aus der Ferne und nahm seine
eigenen Handlungen nur war, als würde er sich selber von wo anders her
beobachten. Nur wenige Minuten später befanden sie sich in Zadeis Zimmer und
legten ihn auf sein Bett.
Titius und ein weiterer Soldat bemühten sich, die teilweise verschmolzene
Rüstung von dessen Oberkörper zu entfernen. Nach einiger Zeit gelang es ihnen
auch. Und zur Erleichterung stellten sie fest, dass der Oberkörper weitgehenst
durch die Rüstung geschützt worden war und dort nur leichte Verbrennungen
anzutreffen waren. Aber wirklich Sorgen machte ihnen Zadeis linke
Gesichtshälfte.
Dann traf der Arzt ein, der für heute auch schon überstrapaziert schien. Er
schickte die Diener und auch Titius und die Soldaten erst mal raus, um in Ruhe
seine Untersuchungen durchführen zu können. Dann stand Titi draußen vor der
Tür zu Zadei Gemach und hatte erst mal wieder Zeit zum Durchatmen. Der Stress
hatte ihm kaum Zeit zum Nachdenken und er hatte überhaupt nicht fragen können,
was eigentlich passiert war. Also wandte er sich an den Drachenritter, der ihm
soeben mit Zadeis Rüstung geholfen hatte und der jetzt mit ihm zusammen vor die
Tür gesetzt worden war, und im übrigen genau wie Titius etwas verloren auf dem
Flur rumstand.
Auf Titis Frage hin, musste er sich selber erstmal sammeln, um die chaotischen
Ereignisse dieses Tages in eine Reihenfolge zu bringen. Dann fing er langsam an
zu erzählen, schilderte die Dinge so, wie er sie erlebt hatte.
"Ich war in Zadeis Trupp eingeteilt. Wir flogen zu einem der Drachennester, wo
Zadei-sama Lady Sherril vermutete. Nach einigen Stunden fanden wir sie dann
tatsächlich. Wir sahen sie erst nur von weitem. Sie wurde von drei Monstern
angegriffen. Zadei-sama ist sofort vorrausgeprescht, wir konnten überhaupt
nicht mithalten. Er hatte wirklich so ein halsbrecherisches Tempo, wir konnten
mit unseren Drachen nicht..."
"Ja ja, ist ja gut! Du musst dich nicht rechtfertigen. Erzähl einfach weiter!"
fuhr Titius ihn etwas ungehalten an, so dass der Soldat ihn etwas verwundert
anblickte. Man erlebte den stillen Dämonenengel selten so. Dann fuhr er aber
schnell fort, um sich nicht noch weiter dessen Unmut zu zuziehen.
"Er konnte einen Angriff auf Lady Sherril abwenden, wurde aber dann von den
beiden übrigen Biestern angegriffen. Er kämpfte mit ihnen und plötzlich
tauchten noch weitere Biester auf. Wir waren immer noch zu weit entfernt und es
ging alles so schnell. Eines der Viecher stieß die kleine Lady von ihrem
Drachen runter. Ich weiß nicht wie er das gemacht hat, aber Zadei-sama hat es
tatsächlich geschafft, sie aufzufangen! Er konnte gerade noch ihre Hand
schnappen, als sie fiel."
Der Soldat kniff die Augen zusammen, als er versuchte, alles genauso zu
schildern, wie er es gesehen hatte. "Sie hing in der Luft und er hielt sie mit
seiner rechten Hand, seiner Klaue, fest. Dabei musste er sich ziemlich weit nach
rechts von seinem Drachen runterbeugen. Aber dabei er hat nicht gesehen, wie
eines der Viecher auf ihn schoss, im gleichen Moment wie er sein Flugmanöver
vollendet und die Kleine geschnappt hatte. Es ging alles so schnell und
gleichzeitig. Auf einmal schrie einer der Jungs auf und wir sahen wie
Laures-sama von weitem angeflogen kam, auch so unheimlich schnell. Es passierte
alles so schnell, wir wussten nicht, wo wir hinschauen sollten.
Aber Zadei hatte nur auf Lady Sherril geschaut, er sah den Feuerball erst, als
dieser direkt vor ihm war. Er konnte sich kaum noch schützen und so traf das
Ding ihn mit voller Wucht. Im gleichen Moment hatte Laures uns erreicht und mit
einer einzigen Attacke, machte er der ganzen Herde innerhalb von einer Sekunde
den Garaus!"
Der Mann gestikulierte wild mit den Armen. Titius konnte verstehen, wie sehr er
von Laures Kräften beeindruckt war. Er erinnerte sich an seine Ergriffenheit,
als er seinen Fürsten zum ersten Mal in Aktion gesehen hatte. Damals, als
Laures ihn gerettet hatte...Titius vertrieb den Gedanken. Das gehörte jetzt
wirklich nicht hier her. Außerdem fuhr der Andere weiter fort.
"Ich habe nur noch einen hellen Blitz gesehen, sah noch so gerade eben, wie
Zadei zusammenbrach und das Mädchen fallen ließ. Zum Glück war Laures schnell
genug um sie aufzufangen, sie muß wohl ohnmächtig geworden sein. Sonst hat sie
keine Verletzungen davon getragen. Zadei-sama...war ja vor ihr, als der
Feuerball in ihre Richtung flog. Na ja, und dann..."
"Schon gut, das reicht. Den Rest kann ich mir auch so denken. Danke, du kannst
jetzt gehen." Titius machte eine Bewegung mit der Hand, die deutlich machte,
dass er allein zu sein wünschte. Der Aufforderung kam er nur zu gerne nach.
Titi indes lehnte sich gegen die Wand hinter sich, vergrub das Gesicht in den
Händen. Er konnte sich gut vorstellen, wie das alles abgelaufen war. Und es
machte ihn zunehmend fassungsloser, je mehr er sich darüber klar wurde, was
Zadei getan hatte. Er hatte Sherril festgehalten, konnte in dem Gewühl das
Geschoss nicht bemerken. Und als es auf ihn zukam und er es endlich sah, hätte
er nur die rechte Hand heben müssen um einen Schutzzauber aufzubauen, oder
wenigstens mit der Hand das Gesicht schützen können. Oder mit dem Drachen ein
Ausweichmanöver starten. Das alles aber ging nicht, solange er Sherril
festhielt. Und er hatte sie bis zum Schluss nicht losgelassen...
Er hatte noch nicht lange so da gestanden, als sich wieder Schritte vernehmen
ließen. Doch Titius musste nicht mal aufsehen, um zu wissen, um wen es sich
hier handelte. Die Aura, die Laures verströmte, würde Titi unter tausenden
widererkennen. Als sein Herr vor ihm stand, vollführte der weißhaarige Dämon
seine übliche, ehrerbietende Verbeugung, fragte aber sofort: "Wie geht es
Sherril?"
Laures lächelte milde. Er war soeben bei seiner Frau gewesen und hatte seinen
gesunden Sohn das erste mal sehen können. Außerdem hatte er auch seine Tochter
wieder. Eigentlich hatte er allen Grund, erleichtert zu sein. Wenn da die Sache
mit Zadei nicht wäre...
"Im Moment in ihrem Zimmer. Hilda hat schon versucht mit ihr zu sprechen, aber
sie sagt keinen Ton. Sie muss das alles wohl erst mal für sich verarbeiten. Sie
ist direkt in Ohnmacht gefallen, nachdem Zadei attackiert wurde und ich weiß
nicht, wie viel sie gesehen hat. Sie ist zwar während der Rückreise
aufgewacht, hat aber seitdem kein Wort gesprochen. Es braucht wohl Zeit, bis sie
damit fertig geworden ist."
"Werdet ihr sie strafen?"
Laures seufzte. "Ich denke, der Schock und das, was sie gesehen hat, ist erstmal
Strafe genug für sie. Und es ist ja noch nicht vorbei..." Laures deutete mit
einem Nicken in Richtung Zadeis Zimmertür, bemerkte dabei aus dem Augenwinkel,
wie Titius sich auf die Lippen biss. Sein engster Vertrauter sah nicht besonders
gut aus. Der Tag war lang und anstrengend gewesen und hatte einen Schock nach
dem anderen für sie alle bereitgehalten. Und der vermeintliche Engel schien am
meisten mitgenommen worden zu sein.
Laures streckte eine Hand nach ihm aus und nahm das fein geschwungene Kinn
seines Dieners zwischen die Finger. Dieser schaute ihn etwas verwirrt an.
"Zadei wird sich wieder regenerieren. Er hat die Kraft dazu. In ein paar Tagen
ist er wieder hergestellt. Er schafft es ganz bestimmt. Und wegen der Sache
heute morgen: Ich wollte, dass du deine Aufgabe richtig erledigst, so dass ich
mir nicht so viel Sorgen wegen Hilda machen muss. Ich wusste, dass sie bei dir
in guten Händen sein würde. Ich hätte dich nicht gestraft, wäre bei der
Geburt etwas schiefgegangen. Ich weiß nämlich, dass du immer dein bestes
gibst, wenn ich es von dir verlange. Immerhin...hast du mich noch nie im Stich
gelassen, nicht wahr?!", raunte er leise, nahm dabei eine von Titis silbernen
Haarsträhnen zwischen die Finger und ließ sie zärtlich hindurch gleiten.
Titi sah ihn verwundert an. Versuchte sein Fürst gerade tatsächlich, ihn
aufzumuntern? Und wieder kam ihm der Gedanke, dass an seinem Herrn wirklich
alles so unheimlich perfekt war. Er war durch und durch ein Herrscher, eine
stolze und aufrichtige Seele, die durch nichts beschmutzt werden konnte. Ergeben
sank er auf den Boden, küsste den Saum des Mantels seines Herrn und bekundete:
"Ich würde mich niemals widersetzen, Laures-sama. Ihr könnt euch immer auf
mich verlassen."
In diesem Moment öffnete sich die Tür zu Zadeis Räumlichkeiten und der Arzt
erschien. Als er den Dämonenfürst und seinen Diener erblickte, der noch immer
vor ihm kniete, ging er zu ihnen rüber, verneigte sich und erstattete Bericht.
"Zadei-sama hat schwere Verbrennungen im Gesicht und auch teilweise am
Oberkörper. Aber er hat genügend Regenerationskräfte, ich schätze, in ein
bis zwei Tagen wird die fehlende Haut wieder hergestellt sein. Einzig das linke
Auge macht mir sorgen. Die Verletzung ist sehr schwer, ich kann nicht sagen, ob
es ganz wieder hergestellt werden kann. Um ehrlich zu sein, bezweifle ich es
sehr. Es tut mir leid." Sein Blick fiel dabei auf Titius, der sich langsam
wieder erhob und ihn mit traurigen, blauen Augen ansah.
"Ich habe den Heilungsprozess mit Salben unterstützt. Außerdem habe ich ihm
ein starkes Schlafmittel verabreicht, damit er nicht aufwacht, bevor er
zumindest teilweise wiederhergestellt ist. Er wird vor morgen nicht aufwachen.
Und er muss in dieser Nacht absolute Ruhe haben", meinte er noch, bevor er sich
abermals verbeugte und sich verabschiedete, natürlich mit dem Hinweis, ihn jede
Zeit zu wecken, wenn es Probleme geben sollte. Er war sichtlich erschöpft.
Laures wandte sich darauf wieder an seinen Untergebenen. "Ich denke, wir können
im Moment nicht mehr tun, als abzuwarten. Und vor allem solltest du dich jetzt
etwas ausruhen. Du siehst wirklich fertig aus."
"Ich würde gerne noch mal nach Zadei sehen bevor..." wandte Titi ein, als
Laures auch schon den Kopf schüttelte. "Du hast gehört, was der Arzt gesagt
hat. Er braucht absolute Ruhe. Und du brauchst sie auch dringend."
Titi gab sich daraufhin geschlagen. Er nickte nur schwach, verbeugte sich noch
einmal und wandte sich ab. Er versuchte sich selbst Mut zuzusprechen. Immerhin
hatte Zadei schon einmal seine ganze Hand verloren, damals, als er Titius vor
Laures hatte beschützen wollen. Und die hatte sich ja auch wieder regeneriert.
Und, hey, der Typ hatte auch die Höllendimension überlebt. Auch das hier
würde er irgendwie überstehen...Zadei war nicht so leicht unterzukriegen, wie
der Dämonenengel nun schon allzu oft festgestellt hatte.
Er war schon ein paar Schritte gegangen, als er Laures' Stimme noch einmal
hinter sich hörte.
"Du hast bestimmt schon gehört, was genau passiert ist. Du weißt, was Zadei
getan hat. Und ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er sie noch immer
festhielt, auch als er getroffen wurde... bis er schließlich das Bewusstsein
verlor. Ich ziehe meine Schlüsse daraus. Was ist mit dir?" Titius wollte sich
umdrehen und etwas erwidern, aber als er sich umsah, hatte Laures sich bereits
abgewandt und war schon halb in den Schatten der weiten Flure verschwunden. So
schwebte die Frage unbeantwortet in der Luft, setzte sich in Titius' Kopf fest.
Aber wie auf so viele andere auch, wusste er auch auf diese keine Antwort.
*********
Rastlos lief Titius durch die Gänge. Er war einerseits erschöpft und müde,
andererseits hielt irgendetwas ihn davon ab, in sein Zimmer zu gehen. Er wusste
nicht warum, aber die Vorstellung von der Abgeschiedenheit seines kalten Zimmers
bereitete ihm größtes Unbehagen. Darum wanderte er eine Weile ziellos durch
die Gänge, versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen und seine Gefühle zu
ordnen. Er merkte, wie sehr er sich um Zadei sorgte und das ängstigte ihn
gleichzeitig.
Irgendwann, er wusste nicht wie lange er durch die endlosen Gänge des Palastes
gewandert war, als er sich plötzlich vor der Tür zu Sherrils Zimmer wieder
fand. Einen Moment hielt er inne, musste aber nicht lange überlegen, schon ging
er zur Tür und klopfte. Er hatte ja noch gar nicht mit ihr gesprochen. Wie
musste sie sich fühlen, nach allem, was sie erlebt hatte? Laures hatte gesagt,
Sherril hatte kein Wort gesprochen, seit sie angekommen waren. Bestimmt brauchte
sie Zeit allein, um alles zu verarbeiten und vermutlich hatten Hilda und Laures
schon mit ihr geredet, aber Titius wollte sie trotzdem noch mal sehen, selbst
sehen, wie es ihr ging.
Auf sein Klopfen kam keine Antwort. Er klopfte ein zweites mal und als wieder
nichts geschah, kam er mit dem Gesicht nah an die Tür und sagte mit sanfter
Stimme, die jedoch laut genug war, dass das Mädchen sie hören konnte:
"Sherril? Du bist doch da, nicht war? Ich komme rein, in Ordnung?" Obwohl wieder
keine Antwort kam, drückte Titi langsam die Klinke und trat ein in Sherrils
Zimmer. Es war recht dunkel hier, nur ein paar Kerzen brannten auf den
Nachttischchen um das große Himmelbett, auf dem Sherril lag. Sie lag auf der
Seite und hatte Titi den Rücken zugekehrt. Sie hatte sich zusammengekrümmt wie
ein Embryo und sagte noch immer kein Wort. Ein sehr ungewöhnlicher Anblick bei
dem Mädchen, auch für Titius. Langsamen Schrittes ging er um das Bett herum,
bis er sie von vorne sehen konnte.
Dann strich er den violetten, fast durchsichtigen Vorhang des Himmelbettes
beiseite und betrachtete das Mädchen. "Ich bin's, kleine Lady. Darf ich mich
setzen?"
Jetzt sah Sherril zu ihm auf. Ihre Augen glitzerten feucht in dem schwachen
Licht. "Bist du gekommen, um mit mir zu schimpfen?" kam die leise Frage.
Titi lächelte leicht. "Hat denn bis jetzt jemand mit dir geschimpft? Ich glaube
nicht. Und ich glaube auch, dass das nicht nötig ist. Ich denke du weißt ganz
genau, was du getan hast und welche Konsequenzen es nach sich gezogen hat."
Sherril beobachtete die weiß glänzende Gestalt vor sich, die sich mit
traurigem Gesicht langsam auf die Bettkante sinken ließ. Die weißen Flügel
umrahmten Titius' Gestalt, wölbten sich leicht nach unten. Abrupt richtete sie
sich auf und erneut stiegen ihr Tränen in die Augen.
"Ich hab das wirklich nicht gewollt, Titius, bitte, du musst mir glauben! Du
darfst mir nicht böse sein, bitte...Es tut mir alles so leid, ich...hab das
doch nicht gewollt!" Erst jetzt bemerkte der Engelsdämon, dass sie einen
Gegenstand in den Armen hatte und ihn fest an sich drückte, als würde sie sich
daran festhalten.
"Ich glaube dir, dass du das nicht gewollt hast, Sherril. Du hast einfach
unüberlegt gehandelt...Sag mal, was hast du da eigentlich?" Er deutete mit
einem Kopfnicken auf den Gegenstand in ihren kleinen Ärmchen. Sie folgte seinem
Blick, sah an sich runter und drückte den Gegenstand noch fester an sich.
"Das ist mein Schatz", meinte sie leise, hörte für einen Moment auf zu
Schluchzen.
"Darf ich mal sehen?"
"Wenn du willst..." Das Mädchen öffnete ihre Umklammerung und reichte Titius
den Gegenstand, den Titi als das Schmuckkästchen erkannte, das er ihr zum
Geburtstag geschenkt hatte. Aber es war genauso leicht wie damals.
"Ist da nichts drin?" fragte er irritiert.
"Doch, da ist was drin", meinte Sherril heftig nickend. Skeptisch öffnete er
daraufhin das Kästchen und sein Blick fiel sofort auf das einzige, was es
enthielt: Einen kleinen, unscheinbar wirkenden, milchigtrüben Stein. Titius
seufzte.
"Die Drachenschuppe, die Zadei dir geschenkt hat...das ist dein Schatz?!"
stellte er überrascht fest, dann blickte er auf, sah die kleine Lady aus
traurigen, blauen Augen an.
"Es tut mir so leid! Ich wollte nicht, dass das passiert! Ich wollte doch nur
die Drachen sehen. Es tut mir so..." sie fiel wieder ins Schluchzen zurück und
wiederholte ihre Entschuldigungen tausendfach, ging gar nicht auf Titius Frage
ein, die ohnehin mehr eine Feststellung war. Mit einem milden Lächeln streckte
der Engelsdämon nun eine Hand aus und streichelte dem schluchzenden Mädchen
tröstend über den Kopf.
"Schon gut. Komm, hör auf zu weinen. Einer hübschen Lady wie dir stehen keine
Tränen", tröstete er sie mit sanfter Stimme. Daraufhin sah sie ihn wieder an,
begann aber noch heftiger zu schluchzen und warf sich schließlich in seine
Arme, klammerte sich an den weißen Stoff über seiner Brust und weinte
hemmungslos. Liebevoll nahm er sie in die Arme und streichelte den kleinen
zitternden Körper.
<< "Wem du einmal die Treue geschworen hast, dem ist deine Loyalität sein Leben
lang gewiss, so ist es doch, nicht wahr?! Der einzige, für den das nicht gilt,
bin ich.">> Plötzlich kamen Titius Zadeis Worte in den Sinn, die er zu ihm
gesagt hatte, als sie sich über Sherril unterhalten hatten. Nun war Titi noch
elender zumute als vorher. Irgendwie hatte ja Zadei Recht. Es fiel Titius nicht
schwer, für die Kleine oder Hilda oder Laures da zu sein. Nur bei Zadei war das
anders. Aber woran lag es denn?
Seufzend ließ er sich zurücksinken an die Lehne des Bettes, behielt das
Mädchen dabei in den Armen. Er strich weiter über ihren Kopf, versuchte sie
weiterhin zu beruhigen. "Mach dir keine Sogen mehr, Sherril. Zadei wird das
schon schaffen. Der Arzt sagt, er hat gute Chancen." Von der Sache mit Zadeis
linkem Auge sagte er erst mal nichts.
"Ist das wirklich wahr?" Mit tränennassem Gesicht sah sie zu ihm auf. "Es hat
so schrecklich ausgesehen...als die Feuerkugel auf uns zu kam...es war alles so
hell...ich dachte wirklich, er stirbt...dass er das nicht überlebt und ich auch
nicht. Sein ganzes Gesicht war verbrannt. Ich krieg das Bild nicht mehr aus dem
Kopf", stammelte sie unwirsch, war dabei so aufgewühlt, dass sie zu allem
Überfluss auch noch einen Schluckauf bekam.
Bei diesem Anblick kamen Titius selbst fast die Tränen. Schnell drückte er sie
wieder fest an seine bereits tränennasse Brust. Er versuchte, seine Stimme so
sicher wie möglich klingen zu lassen, als er beschwörend meinte: "Glaub mir,
Zadei-sama hat schon ganz andere Dinge durchgestanden. Er war sogar schon in
einer Höllendimension gefangen und selbst daraus kam er wieder hervorgekrochen.
Er ist wie Unkraut und Unkraut vergeht ja bekanntlich nicht." Seine Worte
verfehlten ihre Wirkung nicht, sie beruhigte sich tatsächlich eine klein wenig.
"Das mit dem Unkraut ist aber ein sehr unschöner Vergleich", murmelte sie unter
ihm.
"Tja, vielleicht hast du Recht. Aber mir fällt...nichts anderes ein." Er
schmunzelte dabei ein wenig, wurde aber plötzlich wieder ernst. <>
Noch eine ganze Weile saßen sie so zusammen. Titius versuchte weiter, sie mit
Worten zu trösten, aber nach einiger Zeit schwiegen sie beide, jeder in seine
eigenen Gedanken versunken. Aber es dauerte gar nicht mehr lange, bis Titi
merkte, wie Sherrils Atmung zunehmend ruhiger wurde, bis sie schließlich
völlig erschöpft auf seinem Schoß einschlief, immer noch fest an ihn
geschmiegt. Einen Moment lang überlegte Titius, ob er sie von sich
runterschieben und in sein eigenes Zimmer gehen sollte, aber wieder kam ihm das
Bild von der kühlen Einsamkeit seines Zimmers in den Sinn. Außerdem wollte er
nicht riskieren, die Kleine wieder zu wecken.
Also ließ er sich noch etwas tiefer in die weichen Kissen in seinem Rücken
sinken, bis er einigermaßen bequem lag bzw. halb saß, und schloss nun auch die
Augen. Auch ihm hatte der Tag reichlich zugesetzt. Darum dauerte es auch bei ihm
nicht lange, bis er in einen tiefen Erschöpfungsschlaf fiel, zum Glück frei
von jedem Traum.
*******
Der nächste Tag begann für Titius erst gegen Mittag, als er und Sherril durch
die Amme geweckt wurden, die ins Zimmer kam um die kleine Lady zum Essen zu
holen. Als sie festgestellt hatte, dass auch Titius sich im Zimmer befand und
sie ihn geweckt hatte, entschuldigte sie sich tausendfach, aber Titius winkte
ab; er hatte sowieso nicht vor gehabt, so lange zu schlafen.
Doch Sherril war bei weitem nicht so gelassen, sie wollte nicht aufstehen und
ihr Zimmer verlassen und schon gar nicht essen. Trotzig klammerte sie sich an
dem Engel fest. Aber schließlich gelang es der Amme und Titius mit vereinten
Kräften, die kleine Prinzessin davon zu überzeugen, dass sie in jedem Fall
etwas essen musste, wenn sie nicht krank werden wollte. Außerdem durfte sie mit
ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder zusammen essen, was sie dann doch schnell
umstimmte und sie beinahe wieder etwas fröhlich werden ließ.
Als die beiden Frauen verschwunden waren, verließ auch Titius das Zimmer. Aber
er hatte keineswegs vor, seinen üblichen Arbeiten nachzugehen. Stattdessen
steuerte er Zadeis Räumlichkeiten an. Der Arzt hatte gesagt, dass er heute
aufwachen würde, also hatte er beschlossen, darauf zu warten. Es war in jedem
Fall besser, wenn jemand da war, wenn er zu sich kam.
Den Dienstboten, denen der engste Vertraute des Dämonenfürsts unterwegs
begegnete, gab er einige Anweisungen und teilte ihnen mit, wo er im Notfall zu
finden sein würde. Und schließlich gelangte er am Zielort an und öffnete
leise die Tür zu Zadeis Zimmer. Es war völlig still hier drin. Langsam schritt
er auf das große, rot bezogene Himmelbett zu, auf dem der Dämonengeneral lag
und zog sachte einen der dunkelroten Samtvorhänge zurück. Irgendwie erschien
es ihm wie ein dejà-vue. Genau so hatte er den schlafenden Zadei schon oft
betrachtet während der vergangenen sieben Jahre, als er unten in den Katakomben
gelegen hatte. Und auch jetzt stellte er sich wieder ungeduldig die Frage, wann
er wohl aufwachen würde.
Titius seufzte. Und wenn er dann aufgewacht war, dann wusste er wieder nicht,
wie er sich verhalten sollte. Und dann würde wieder irgendetwas schiefgehen. Es
war immer das gleiche. Immer wenn Zadei vor ihm stand, kam er sich so hilflos
und gleichzeitig ratlos vor. Und ohne es zu wollen, provozierte er Zadei dann
immer. Warum verstand Zadei ihn denn nur nicht? Aber andererseits...hatte er
seinerseits jemals versucht, Zadei zu verstehen?
Titius nahm sich einen Stuhl, der in einer Ecke des Zimmers stand, schob ihn
neben das Bett und setzte sich darauf. Dann betrachtete er das schlafende
Gesicht unter sich. Um den schwarzhaarigen Kopf war ein Verband gewickelt, der
das linke Auge verbarg. Die zerstörte Haut schien sich schon ziemlich gut
regeneriert zu haben, auch an der bandagierten Brust, soweit Titi es erkennen
konnte. Nein, Unkraut verging wirklich nicht. Egal, was Zadei bis jetzt
zugestoßen war, am Ende landete er irgendwie immer wieder an Titius' Seite. Er
kam immer zurück zu ihm. Warum war Zadei nur so besessen von ihm, der er ja
eigentlich nur ein kleiner Unterdämon war, der nur durch reinen Zufall
überhaupt noch am Leben war?!
Und dabei hatte er Zadei von Anfang von sich gestoßen, ihn immer die volle
Härte seiner Ablehnung und Verachtung spüren lassen. Und Zadei hatte es ihm ja
auch leicht gemacht, nach allem, was er ihm angetan hatte, hatte Titi durchaus
Grund genug, ihn zu verabscheuen. Aber wenn Titius ganz ehrlich mit sich
war...hatte er den anderen nicht schon verurteilt, noch bevor er damals das
Siegel gebrochen und ihn befreit hatte? Angenommen, der Dämonengeneral hätte
sich von Anfang an anders verhalten, hätte Titi nicht verletzt, wäre
vielleicht sogar freundlich zu ihm gewesen und hätte genau so agiert, wie Titi
es in seinem damaligen Plan vorgesehen hatte...hätte er selber sich dann auch
anders verhalten...? Die Erkenntnis, wie die ehrliche Antwort auf diese Frage
lautete, schockierte Titius in diesem Moment selber...
Viele Stunden saß er auf diese Weise grübelnd an Zadeis Seite, ohne eine
Regung seitens des anderen wahrzunehmen. Inzwischen war eine Dienerin gekommen,
hatte ihrem Vorgesetzten etwas zu Essen angeboten, was dieser aber dankend
ablehnte. Ähnlich wie Sherril, hatte auch er keinen Appetit. So verging die
Zeit und Titi fragte sich schon, ob der Arzt sich nicht vielleicht geirrt hatte
oder das Schlafmittel zu stark gewesen war. Aber endlich, es musste schon
später Nachmittag sein, begann Zadei sich zu regen.
Titius bemerkte zunächst nur die etwas zuckende Hand und die unregelmäßiger
werdende Atmung. Aufgeregt blickte er in das maskuline Gesicht, das langsam zu
zucken begann. Und dann öffnete sich tatsächlich Zadeis rechtes Auge und er
gab ein mühsames Stöhnen von sich.
"Zadei-sama! Endlich seid ihr wach. Wie fühlt ihr euch?" fragte Titius etwas
erleichtert.
Etwas verwirrt richtete sich das goldene Auge nun auf ihn. Zadei schien nicht
ganz glauben zu können, das Titius es war, der hier bei ihm saß.
Dann formten seine Lippen Worte, allerdings versagte seine Stimme und er musste
sich erst räuspern, um seine Stimmbänder wieder in Bewegung zu bringen.
"Ähm...na ja, wenn du das genau wissen willst: ich fühle mich, als hätte mich
eine Horde Elefanten überrannt", sagte er mit heiserer Stimme. "Bin ich im
Schloss? Oder vielleicht doch schon tot und im Himmel und du erscheinst mir
jetzt als echter Engel?"
Natürlich. Selbst in diesem Zustand hatte Zadei einen dummen Spruch drauf.
Titius schüttelte den Kopf.
"Ich bezweifle, dass ihr nach eurem Tod in den Himmel kommen würdet. Und ich
wohl genauso wenig...Ich weiß nicht, ob ihr euch erinnern könnt, aber
Laures-sama hat in den Kampf eingegriffen und euch hierher gebracht. Und das ihr
euch so kraftlos fühlt ist normal, euer Körper hat sehr viel Kraft für die
Regeneration verbraucht. Ihr habt sehr schwere Verbrennungen erlitten...aber das
meiste scheint ja wieder verheilt zu sein."
Zadei hörte aufmerksam zu, aber Titius merkte, dass ihm das einige Mühe
bereitete. Sein Körper war vermutlich so ausgelaugt, dass er sich kaum bewegen
konnte und wahrscheinlich hatte er noch Schmerzen, wovon er sich natürlich
nichts anmerken lassen wollte.
"Aha. Und was ist mit dem Monster?"
"Oh, keine Sorge, Laures hat jedes von ihnen vernichtet."
"Herr Gott nein, ich meine nicht die Viecher, sondern Sherril...ist sie noch an
einem Stück?"
Schon machte Zadei sich bereit für einen stechenden Blick von Titius, gefolgt
von einem herablassenden Tadel. Umso erstaunter war er, als nichts dergleichen
folgte. Titius senkte den Blick nur etwas.
"Der kleinen Lady geht es körperlich gut. Sie hat nur einen Schock erlitten."
"Sehr gut, dann kann ich das Gör ja mit eigenen Händen umbringen!", knurrte
Zadei, aber auch jetzt bekam er keine Strafpredigt. Oh Gott, er musste
mitleiderregent aussehen, wenn Titius nicht mal darauf einging!
Stattdessen sah Titi ihn nur mit einem seltsamen Blick an.
"Ihr würdet es ja doch nicht tun." Zadei schwieg daraufhin, richtete seinen
Blick an die Decke.
"Sherrils neuer kleiner Bruder ist im Übrigen auch bei bester Gesundheit. Die
Geburt verlief gut", teilte Titi ihm noch mit, was er aber nur mit einem
gedankenverlorenen Nicken registrierte.
Dann war es einige Minuten still zwischen ihnen. Titius beobachtete Zadei etwas
verwundert, wie er so schweigsam an die Decke starrte. So war er ihn gar nicht
gewöhnt. Als einige Minuten der Stille verstrichen waren, in denen Zadei sich
kein bisschen geregt hatte, hielt Titius es nicht mehr aus, verzweifelt suchte
er nach etwas, um das betretene Schweigen zu unterbrechen.
"Kann...kann ich vielleicht etwas für euch tun, Zadei-sama? Wünscht ihr etwas
zu essen? Oder soll ich den Arzt kommen lassen?"
Damit hatte er den anderen wohl aus seinen Gedanken gerissen, denn erst etwas
verzögert drehte er den Kopf zu ihm, sah ihn mit dem einen goldenen Auge an.
"Was? Ähm, nein danke...obwohl, wenn du den Verband um meinen Kopf abmachen
könntest...Er stört und es ist so dunkel auf dem linken Auge."
"Ja, natürlich." Titius stand auf, beugte sich rüber und begann, vorsichtig an
dem Verband zu nesteln und ihn dann langsam abzuwickeln. Er arbeitete langsam,
um den geschwächten Zadei nicht noch zu verletzen. Bahn um Bahn entfernte er
den weißen Stoff, bis er schließlich auch den letzten Streifen entfernte, doch
was er dann sah, ließ ihn zusammenzucken.
Statt des erwarteten goldenen Auges mit dem katzenartigen Schlitz blickte er in
eine hellgraue, milchigtrübe Iris ohne Pupille. Augenblicklich schlug er eine
Hand vor den Mund, konnte aber den kehligen Laut, der sich ihm vor Schreck
entwand, nicht unterdrücken.
"Was ist, Titi? Ist der Verband schon runter? Es fühlt sich noch immer so
komisch an..." Zadei sah ihn fragend an und Titius glitt zitternd mit dem
Verband in der Hand auf seinen Stuhl zurück.
"Es...es tut mir so leid, Zadei-sama...euer Auge...euer Auge...es..." Noch
während Titius stammelte, hob Zadei eine Hand vor die Augen und kniff dass
rechte zu. Aber alles, was er durch das linke Auge sah, waren ein paar
Lichtreflexe, weder Formen noch Farben. Er konnte seine eigene Hand nicht
sehen...
Für einen Moment verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck, er ballte die Hand
zur Faust und ließ sie langsam wieder auf die Decke sinken, wobei er einmal
hörbar tief einatmete und beide Augen schloss.
Zwei Sekunden blieb er so, dann öffnete er die Augen wieder und drehte den Kopf
zu dem Engel neben sich, der inzwischen verstummt war.
"Tja, auch meine Regenerationskräfte haben scheinbar ihre Grenzen", meinte er
mit einem schiefen Lächeln.
"Es tut mir so leid, Zadei-sama. Das...meine ich wirklich ernst." Titius senkte
den Blick, sah ihn nicht an, aber Zadei blieb der Mund offen stehen. War das
wirklich ein feuchtes Glitzern in den eisblauen Augen seines Engels? Konnte das
wirklich sein?! Zadei reckte den Kopf etwas, um das ebenmäßige Gesicht genauer
betrachten zu können, aber Titius hatte den Kopf so zur Seite geneigt, dass er
es nicht genau sehen konnte.
"Sag mal, kann es wirklich sein, dass du dir Sorgen um mich machst? Weißt du,
Titius, ein Auge reicht vollkommen aus um zu sehen. Es ist in Ordnung, für mich
ist das genug." <>
Titi wandte ihm sein Gesicht noch immer nicht zu, schwieg eine Weile und Zadei
hätte in diesem Moment auch sein anderes Auge dafür gegeben, jetzt die Kraft
zu haben sich aufzusetzen und in das Gesicht seines Engels zu sehen, nur um
sicher zu gehen, dass er sich nicht irrte. Aber sein Körper war wie Blei, sogar
das Atmen fiel ihm sehr schwer, er war einfach zu erschöpft. Also konnte er
nicht feststellen, ob Titi wirklich Tränen wegen ihm vergoss.
Plötzlich erhob sich wieder die sanfte Stimme des Engelsgleichen. "Ich weiß
nicht, warum ihr das getan habt, aber ich bin euch dankbar dafür, dass ihr
Sherril beschützt habt. Und ich denke, ich spreche auch für Laures-sama. Auch
er war beeindruckt von eurer Tat...Danke..."
Zadei konnte seinen Ohren kaum trauen. Was wurde denn hier gespielt?
"Also, ich hatte bestimmt nicht vor, den strahlenden Helden zu spielen. Ich
wollte lediglich verhindern, dass Laures mir den Schädel spaltet, weil ich
seine unerzogene Rotzgöre von ein paar dummen Riesenrochen fressen lasse. Ich
hatte also die Wahl zwischen gegrillt werden oder von ihm persönlich gekillt zu
werden. Und du weißt, dass ich ihn nicht leiden kann, da habe ich den Rochen
halt vorgezogen", erklärte er in einem beiläufigen Ton, hoffte, die Stimmung
dadurch etwas aufzulockern, merkte aber gleichzeitig, wie es ihm zunehmend
schwerer fiel, konzentriert zu bleiben und die Augen offen zu halten.
Er kämpfte gegen den Schlaf an, der ihn wieder überkommen wollte. In diesem
Moment drehte Titius sein Gesicht wieder zu ihm um und Zadei glaubte, sein Herz
würde zerspringen, als er in dem engelhaften Gesicht über sich Tränenspuren
entdeckte und schließlich...ein leichtes, zaghaftes Lächeln. Es war genau das
Lächeln, dass er schon oft in Titius' Gesicht gesehen hatte, das aber nie ihm
gegolten hatte. Aber jetzt lächelte sein Engel ihn tatsächlich zaghaft an.
Dieses Bild war das letzte, was er sah, bevor der Schlaf ihn endgültig überkam
und die leisen Worte "Natürlich, Zadei-sama. Nur aus diesem Grund..." waren das
letzte, was er hörte.
Titius merkte, wie Zadei langsam wegdriftete, wie ihm die Augen zufielen, obwohl
er dagegen ankämpfte. Sein Körper forderte nun mal seinen Tribut für all die
Kräfte, die er verbraucht hatte. Leise stand er auf und ging zum großen
Fenster. Die Abenddämmerung setzte langsam ein und der Himmel über der
Dämonenwelt nahm einen rötlichen Ton an. Vorsichtig tastete er über sein
eigenes Gesicht. Es war tatsächlich etwas feucht. Kaum zu glauben, dass ihn das
ganze so mitnahm. Aber wie er es auch drehte und wendete, er konnte nicht
verleugnen, dass es ihm wehtat, Zadei so zu sehen. Ärgerlich war nur, dass er
sich vor ihm so die Blöße gegeben und seine Gefühle so offen gezeigt hatte.
Aber bei allem was recht war, dies war die friedlichste Konversation zwischen
ihnen gewesen, die jemals stattgefunden hatte...
Er zog die schweren Vorhänge zu, dann ging er durchs Zimmer und entzündete
eine Kerze, die er auf den Nachttisch stellte. Dann setzte er sich wieder auf
seinen Stuhl. Er würde noch ein wenig hier sitzen bleiben, nur noch ein wenig,
etwas anderes hatte er sowieso nicht zu tun.
********
Die Kerze war ausgegangen. Das war es wohl, was Titius geweckt hatte. Etwas
verwirrt blickte er sich in dem dunklen Zimmer um, das nur ganz leicht vom
Mondlicht erhellt wurde, das gedämpft durch die Vorhänge am Fenster fiel. Es
war offenbar mitten in der Nacht. Titius legte eine Hand in seinen steifen
Nacken. Er musste wohl auf dem Stuhl eingeschlafen sein. Na, das hatte er ja
eigentlich nicht geplant. Er warf einen Blick auf die friedlich schlafende
Gestalt im Bett vor ihm. Dann stand er auf und ging auf das Fenster mit dem
Balkon zu, während er sich den schmerzenden Nacken rieb. Er zog die Vorhänge
zurück und öffnete die Tür, trat hinaus ins Mondlicht. Immer, wenn er nachts
wach war, zog es ihn nach draußen. Er betrachtete den weißen, fast vollen Mond
über sich, während der kühle Wind mit seinen offenen Haaren spielte. Wie
viele Nächte hatte er schon so verbracht?
Es kam so oft vor, dass er nicht schlafen konnte, er konnte schon nicht mehr
zählen wie oft er einfach stundenlang auf dem Balkon in seinem Zimmer stand und
darauf wartete, dass es endlich morgen wurde. Die Nacht war seltsam und
beängstigend. Die Zeit schien stillzustehen und alle Gefühle und Emotionen
schienen so viel stärker zu sein als am Tag.
"Du bist wie der Mond, Titius. Genau so strahlend weiß und wunderschön. Aber
auch vollkommen unerreichbar für mich."
Titius fuhr blitzartig herum. Für einen Moment machte sein Herz einen Aussetzer
vor Schreck, als er Zadei im Türrahmen lehnen sah.
"Zadei-sama, ich dachte ihr schliefet...Ihr dürft doch noch gar nicht
aufstehen! Ihr hättet doch nur zu rufen brauchen, wenn ihr etwas wünscht."
"Tja, ich bin halt von Natur aus neugierig und ich wollte halt wissen, warum
meine Balkontür aufstand. Es geht mir schon etwas besser als vorhin. Außerdem
brauche ich frische Luft."
"Entschuldigt, ich wollte eigentlich gar nicht mehr hier sein, aber ich muss
eingeschlafen sein."
"Deine Gegenwart stört mich nicht im Geringsten. Stört dich meine?"
Zadei stieß sich vom Türrahmen ab und trat nun endgültig hinaus in die kühle
Nachtluft. Dabei näherte er sich Titius, der wie immer instinktiv zurückwich.
Und zu seiner Überraschung hielt Zadei tatsächlich inne.
"Ich...werde dich nicht berühren, keine Angst." Mit diesen leise gesprochenen
Worten ging er tatsächlich an Titius vorbei und stützte sich auf das
Geländer, blickte in die Ferne.
Ein paar Minuten haderte Titius mit sich, aber dann fasste er einen Entschluss,
trat neben den anderen, allerdings mit einem gewissen Sicherheitsabstand, und
stützte sich genau wie er auf das Geländer.
"Ihr könnt es einfach nicht lassen, was?", sagte er dann unvermittelt, ohne
Zadei anzusehen.
"Was meinst du?" Der Schwarzhaarige blickte ihn fragend von der Seite an.
"Ihr sagt immer solche Dinge zu mir. Ich frage mich immer wieder, warum ihr das
tut."
"Weil ich dich lie..."
"Shht!" Titius drehte sich nun zu ihm um und legte mahnend den Finger an die
Lippen. "Sagt das nicht! Sprecht diese Worte nicht aus, ohne zu wissen, wovon
ihr redet. Ich...hasse es, diese Worte aus eurem Mund zu hören!"
Zadei zog die Augenbrauen zusammen und sah das helle Geschöpf neben sich mit
seinem goldenen Auge ernst an.
"Und warum glaubst du nicht, dass ich weiß wovon ich rede?"
"Weil eure Taten diesen Worten immer widersprechen. Das tun sie immer." Erneut
wandte Titius seinen Blick ab, konnte selbst nicht ganz fassen, dass er so offen
mit dem anderen sprach. Auch Zadei wendete den Blick wieder in den schwarzen
Nachthimmel und dabei erinnerte er sich Hildas Worte.
<>
"Ich habe dich verletzt. Ich weiß das. Auch neulich Nacht, nach dem Ball. Aber
ich kann es nicht verhindern. Ich will dich, das weiss ich mit jeder Faser
meines Körpers. Und wenn du in meiner Nähe bist, nimmt dieses Gefühl einfach
viel zu sehr überhand. Ich kann dich einfach nicht aufgeben! Es ist genau so,
wie ich dir in jener Nacht sagte: ich gebe erst dann auf, wenn du mich mit
eigenen Händen tötest."
"Lügner!" rief Titius anklagend, wurde dann aber wieder ruhiger. "Im Grunde
habe ich euch schon einmal getötet. Oder habt ihr schon vergessen, dass ich es
war, der euch das Schwert der Azeel in die Brust rammte?"
"Aber es ist dir letztlich nicht gelungen."
"Weil Laures-sama uns alle gerettet hat."
"Natürlich...Laures..." Zadei lächelte bitter. "In deinen Augen ist er immer
der strahlendste Held von allen, egal was er tut. Und nach dem, was er damals
getan hat, musst du ihn ja erst recht vergöttern. Ich kann einfach nicht zu ihm
aufschließen, egal was ich tue, denn er vergrößert den Abstand zwischen sich
und mir immer mehr."
"Ihr hattet von Anfang an keine Chance gegen ihn...ihr konntet gar nicht zu ihm
aufschließen, egal was ihr getan hättet, denn ich hätte es nicht zugelassen."
Titius schloss die Augen, als er in sich ging. "Ihr habt in der Nacht nach dem
Ball gefragt, wer von uns beiden mehr Schuld an der Situation trägt. Ich habe
viel darüber nachgedacht. Ich habe darüber nachgedacht, was gewesen wäre,
wenn ihr euch von Anfang an anders verhalten hättet. Darauf habe ich eine
Antwort gefunden, auch, wenn sie mich selber schockiert hat." Titius schluckte,
als er so ehrlich mit sich selber war wie noch nie zuvor in seinem Leben.
"Ich hätte euch umgebracht. Ihr wart eine Figur in meinem Spiel, ich wollte
euch benutzen um Laures-sama wieder an seine Pflichten zu erinnern. Ich hatte
von Anfang an geplant, euch dafür zu opfern. Und...es hätte nichts geändert,
wenn ihr euch mir gegenüber anders verhalten hättet. Ich hätte euch benutzt,
wie ich auch Sherril für meine Zwecke benutzt habe, eiskalt und das, obwohl ich
sie wirklich mochte. Das ist die Wahrheit."
Er sah Zadei von der Seite aus den Augenwinkeln an. Seine blauen Augen glänzten
so kalt wie eh und je. Sie ließen keinen Zweifel an seiner Entschlußkraft zu.
Zadei schwieg. Obwohl der Inhalt dieser Worte ihm bekannt war, schmerzten sie
trotzdem. Aber er sagte nichts, denn er hatte das Gefühl, dass Titius noch mehr
zu sagen hatte und er behielt recht, denn schon fuhr dieser fort.
"Was ich damit sagen will, ist...ich hatte euch von vornherein verurteilt, ich
hätte in keinem Fall auch nur die geringste Chance gegeben. Diese Schuld nehme
ich auf mich. Aber all das andere...das Siegel, die Eiswüste...all das, was ihr
mir angetan habt, dass kann ich nicht...", seine Stimme versagte, er musste hart
schlucken, als die Bilder der Vergangenheit abermals vor seinem geistigen Auge
auftauchten.
"Aber ich habe dir einen ganz schönen Strich durch die Rechnung gemacht, was?
Hättste nicht gedacht, dass ich doch nicht ganz so blöd bin, wie du
glaubtest?! Ich habe dir das Siegel auferlegt, weil ich ahnte, dass du mich
vielleicht hintergehen würdest. Zumindest war das am Anfang der Grund. Später
diente das Siegel vor allem dazu, dich an mich zu binden. Aber, na ja. Das hat
ja auch nicht geklappt. In dem Punkt hast du mir einen Strich durch die Rechnung
gemacht."
"Ich schätze, wir sind beide ziemlich dickköpfig..."
"...und verbohrt", ergänzte Zadei noch immer mit einem traurigen Lächeln. Dann
sog er die Luft scharf ein. "Das, was ich getan habe...Sherril sagte, du hast
oft Albträume. Ich weiß nicht, was du träumst, aber wenn es dir schlecht
geht, wenn du wieder so etwas träumst, dann...komm einfach rüber und hau' mir
eine rein! Einfach so, egal zu welcher Zeit!"
Titius sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Ihr seid kindisch, Zadei."
"Ich weiß. Und ich meine es ernst. Ich weiß, dass du mir nicht verzeihen
kannst und ich habe nicht das geringste Recht, dich darum zu bitten. Ich kann
nichts sagen, was dir helfen könnte. Ich kann dir zwar sagen, dass so etwas
nicht mehr vorkommen wird, aber du hast keinen Grund, mir zu glauben. Es tut mir
so leid, aber ich kann es nicht ändern, ich kann meine Gefühle nicht ändern,
egal, wie du sie nennst, ob Liebe oder nicht!"
Blaue Augen richteten sich auf ihn, musterten ihn nachdenklich. "Ihr habt euch
verändert, Zadei-sama." Dieser seufzte nur.
"Wahrscheinlich war ich zuviel mit dieser kleinen Rotzgöre zusammen. Vielleicht
hat sie mich ja schon so viel genervt, dass ich langsam wahnsinnig werde. Wenn
ich bald meine Stiefel auf dem Kopf trage und dabei Alle-meine-Entchen singend
durch den Palast hüpfe, dann bring mich bitte um."
"Ich werde dran denken."
Zadei lächelte, als er sah, wie Titius Gesichtszüge wieder etwas milder
wurden. Um so mehr tat es ihm leid, dass er ihm jetzt eine Frage stellen mußte,
die ihm jetzt so sehr auf der Seele brannte.
"Sag mal Titius, hasst du mich?"
Und wie er es vorrausgesagt hatte, verdüsterte sich die Miene des anderen
wieder und am liebsten hätte er sich selbst dafür geohrfeigt, aber er wollte
unbedingt die ehrliche Antwort hören.
Aber wie lautete die Antwort? Titius wußte es selber nicht. So oft hatte er sie
sich selber schon gestellt. In manchen Momenten war er sich sicher, dass er ihn
hasste, zum Beispiel, wenn ihn die Erinnerungen im Traum quälten. In anderen
wiederrum, glaubte er eine gewisse Wärme in sich zu spüren, zum Beispiel wenn
er Zadei beim Schlafen betrachtete. Und es gab Momente wie diesen, in denen er
einfach nur ratlos war.
Er schloss noch einmal die Augen. Was fühlte er jetzt, nur jetzt in diesem
Moment? Er versuchte alle Erinnerungen in den Schatten zu stellen, die positiven
und die negativen. Was blieb übrig?
Langsam öffnete er die Augen. "Ich kann euch nicht hassen", sagte er mit
leiser, aber fester Stimme.
Zadei glaubte, sein Herz würde zerspringen. Eine Welle des Glücks überflutete
ihn mit einem Mal und er spürte nur noch den spontanen Drang, Titius in seine
Arme zu schließen, ihn ganz fest zu halten. Und nur mit größtem Kraftaufwand
gelang es ihm, sich zurück zu halten. Er hatte versprochen, ihn nicht zu
berühren, jetzt musste er ihm beweisen, dass es ihm ernst war, das er ihm
vetrauen konnte. Er durfte nicht wieder alles kaputtmachen.
"Ich danke dir." War das einzige, was er mit bebender Stimme hervorbrachte.
Titius öffnete seine Augen wieder und sah den anderen an. Trotz der Dunkelheit
konnte er erkennen, wie ein Beben durch Zadeis Körper fuhr. Für einen Moment
sah es so aus, als würde er dazu ansetzen, Titius an sich zu ziehen, aber
überraschenderweise tat er es nicht, sondern hielt inne. Aber Zadeis Gesicht
sprach Bände. Ein glückliches Lächeln umspielte seine Lippen, es wirkte
unheimlich warm und dadurch begann auch Titius, sich besser zu fühlen. Und so
begann auch er, zaghaft zu lächeln, schon zum zweiten mal an diesem Tag.
"Tja, ich schätze, damit wäre alles gesagt. Ich denke, es ist besser, wenn ich
jetzt gehe. Es ist kalt", wisperte er, zögerte aber noch.
"Wenn...wenn du meinst", war die etwas traurige Antwort.
Titius nickte und setzte sich schließlich in Bewegung. Den Blick auf den Boden
gerichtet ging er an Zadei vorbei auf die Blakontür zu. Als er so dicht an ihm
vorbei kam, konnte er die Wärme spüren, die vom Körper des anderen ausging.
Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn...?!
In diesem Moment bemerkte er, wie sich eine Hand um sein Handgelenk schloß.
Dann wurde er mit einer schnellen Bewegung zurückgezogen und fand sich
plötzlich in Zadeis Armen wieder, der ihn so fest an sich drückte, als wäre
er eine Rettungsanker.
"Es tut mir so leid. Ich habe schon wieder gelogen. Ich wollte dich nicht
anfassen, aber dennoch...lass mir nur einen Augenblick, bitte."
Titius fühlte das Herz des anderen pochen, wie es stark gegen die breiten Brust
hämmerte. Er roch Zadeis Geruch, der ihm mittlerweile so vertraut war. Und er
fühlte seinen warmen Atem, der über seinen Hals strich, denn Zadei hatte den
Kopf in seiner Halsbeuge vergraben. Ein warmes Gefühl durchströmt Titius. Und
seltsamerweise begann auch sein eigenes Herz schneller zu pochen, schien sich
dem Rythmus des anderen anzugleichen. Irgendetwas in ihm begann zu bröckeln und
er merkte, wie sich etwas in ihm freisetzte, was diese Situation genoss, was
wollte, dass es genau so blieb wie es jetzt war. Es sagte ihm, dass Zadeis Arme
ein guter Ort waren, dass es richtig war, hier zu sein.
Als Titius das registrierte, begann er sofort, sich mit allen Mitteln dagegen zu
wehren. Mit Mühe kratzte er das letzte bisschen Verstand zusammen und zwang
sich zur Beherrschung.
"Lasst mich los, Zadei. Haltet euer Versprechen. Bitte." Im ersten Moment
allerdings verfestigte sich Zadeis Griff noch und Titius spürte, wie der andere
hart schluckte und einmal tief durchatmete. Und dann ließ er ihn tatsächlich
los, trat einen Schritt zurück.
"Entschuldige. Es ist wohl wirklich besser, wenn du jetzt gehst", sagte der
Dämonengeneral mit rauer Stimme und Titius nickte nur. Einmal noch sah er kurz
in Zadeis Gesicht, ließ den Blick über das blinde Auge schweifen, dann über
das andere goldene, dass noch immer die Narbe von damals zierte und das
bewegungslos auf ihn gerichtet war. Dann atmete auch er noch einmal durch und
drehte sich schließlich auf dem Absatz um, verließ diesen Ort, verließ das
Zimmer, verließ Zadei, der allein auf dem Mondlicht beschienenen Balkon
zurückblieb.
Kapitel 6:
-----------
Allmählich begann Zadeis Körper, sich zu erholen. Die restliche Nacht und fast
den ganzen
nächsten Tag hatte er schlafend verbracht und er merkte, wie langsam seine
Kräfte wieder
zurückkehrten. Jetzt saß er wach in seinem Bett und dachte nach. In seinen
Händen hielt er
eine von Titius Federn, die der Engel hier an seinem Bett verloren hatte.
Nachdenklich drehte
er das strahlend weiße Objekt immer wieder zwischen den Fingern. Wenn er sonst
schon
kaum an etwas anderes denken konnte, als an das Wesen, das diese Feder
hinterlassen hatte,
so war es jetzt reine Besessenheit.
Immer wieder überdachte er das Gespräch von gestern. All die Dinge, die Titius
gesagt hatte.
Er hatte gesagt, dass es zum Teil seine Schuld gewesen war, dass es so schlimm
zwischen
ihnen enden musste. Aber, was noch tausendmal wichtiger war, er hasste Zadei
nicht. Das
hatte er gesagt. Und warum hätte er lügen sollen? Nun ja, vielleicht spann er
ja eine erneute
Intrige gegen Zadei und hatte es gesagt, um ihn in die Irre zu führen, aber das
konnte er ein-
fach nicht glauben. Und selbst wenn es so war, dass sein Engel ihn erneut
betrog, dann war es
dieses Gefühl allein wert, welches diese Worte auch jetzt noch in Zadei
auslösten.
Aber Titius Augen hatten so anders ausgesehen als sonst... er musste einfach die
Wahrheit
gesprochen haben. Sein wunderschöner Engel...
Es klopfte an der Tür und Zadei wurde sofort ganz aufgeregt. Kam Titius jetzt
wieder zu ihm?
Er war den ganzen Tag noch nicht bei ihm gewesen. „Herein!“
Auf seine Aufforderung hin öffnete die Tür sich langsam und Zadei sah freudig
in die ent-
sprechende Richtung, in der Erwartung, das Geschöpf zu entdecken, das er so
sehr vermisste.
Aber es war nicht Titius.
„OH NEIN!“
Sherril trippelte herein, schloss die Tür hinter sich und sah kleinlaut zu
Zadei rüber, der sich
gerade überlegte, ob es möglich war, über den Balkon zu fliehen. Na ja, er
befand sich in gut
50 Metern Höhe, aber wenn er vielleicht das Bettlaken in Streifen riss und
verknotete...
„Onkel Zadei, hast du kurz Zeit? Wie geht es dir?“ fragte die Kleine
vorsichtig.
„Bis du herein getreten bist, ging es mir eigentlich recht gut... Warum bist
du hier, willst du
mir jetzt endgültig den Gnadenstoß versetzen? Immerhin bin ich ja nur fast
draufgegangen.“
„Du tust ja fast so, als hätte ich das absichtlich gemacht! Dabei wollte ich
doch nur die Dra-
chen sehen,“ versuchte Sherril sich zu verteidigen, stieß sich dabei aber von
der Tür ab und
trat auf das Bett zu, ließ sich schließlich auf dem gleichen Stuhl nieder, auf
dem auch Titius
gesessen hatte.
Jetzt bemerkte sie auch die Feder in Zadeis Hand. Sie deutete mit einem
Kopfnicken darauf.
„Ist die von Titius?“
„Wer hat denn hier noch weiße Flügel? Und ich halte mir hier auch keine
Hühner, die gerade
in der Mauser sind.“ Angestrengt versuchte Zadei, seine Verlegenheit zu
überspielen. Das sie
ihn auch ausgerechnet so erwischen musste! Schnell legte er die Feder auf den
Nachttisch.
Sherril sah ihm jetzt direkt ins Gesicht und sah nun auch zum ersten Mal Zadeis
blindes Auge.
Sie hatte schon davon gehört und hatte versucht, sich darauf einzustellen. Aber
als sie es sel-
ber sah, die leblose trübe Leere, überkam es sie einfach wieder, ihre Augen
füllten sich mit
Tränen.
„Das mit deinem Auge... das tut mir so leid. Alles, alles tut mir so leid. Ich
habe das echt nicht
gewollt.“
Zadei überkam die blanke Panik, als er sah, wie Sherrils Augen sich mit Tränen
füllten.
„Wa-wa-warte, fang jetzt hier bloß nicht an zu flennen! Ich warne dich! HERR
GOTT
NOCHMAL!!“ Aber er konnte nicht verhindern, dass sich erste dicke Tropfen aus
ihren Au-
gen lösten und ihre Wangen hinunterliefen, auf den Teppich tropften. Warum
hatte er nur
geahnt, dass so etwas passieren würde?!
„Hör zu Sherril! Wenn du heulen willst, dann geh zu deinen Eltern oder zu
Titi. Aber nicht
hier bei mir. Außerdem hast auch keinen Grund dazu. Mir geht es super und ich
habe schon
wesentlich schlimmere Sachen überstanden als das hier. Und ich habe noch ein
vollkommen
gesundes Auge, das reicht völlig aus!“
Schniefend sah Sherril ihn an. „Willst du damit sagen, du bist mir nicht
böse? Du kannst mich
noch leiden?“ Ihre Stimme bebte etwas.
„Ich konnte dich schon vorher nicht leiden. Und das hat sich nicht geändert.
Es ist noch alles
genauso wie vorher!“ Urplötzlich schien sich Sherrils Miene aufzuhellen. Mit
einer Hand
wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und schon geschah das
Unausweichliche: Sie
warf sich Zadei in die Arme und klammert sich an ihm fest. „Danke. Ich bin so
froh!“
„Waaah, lass los, geh sofort darunter! Hast du nicht gehört, was ich gesagt
habe? Ich habe
gesagt, ich kann dich nicht leiden. Und jetzt runter oder ich vergesse mich!“
Damit packte er
Sherril mit beiden Händen und wollte sie von sich runterzerren, aber sie hielt
sich mit Leibes-
kräften fest. „Ich weiß, du sagst mir immer, dass du mich nicht leiden
kannst. Aber ich weiß,
dass es nicht so ist. Und der beste Beweis ist, dass du mir das Leben gerettet
hast. Das einzi-
ge, was für mich zählt, ist, dass du gesagt hast, das sich im Vergleich zu
vorher nichts geän-
dert hat,“ erklärte sie fröhlich, während sie sich fast einen Spaß daraus
machte, sich mit Za-
deis Kräften zu messen, der noch immer versuchte, sie von sich weg zu ziehen,
während sie
sich immer weiter festkrallte.
„Ich glaub, ich muss gleich kotzen! Lass endlich los du Mistvieh!“ Da er zu
ihren Ausführun-
gen nichts mehr sagen konnte, was ihn nicht weiter reinritt und er das Thema
auch nicht wei-
ter vertiefen wollte, konzentrierte er sich jetzt voll und ganz darauf, sie mit
Gewalt von sich
weg zu ziehen, was ihm mit einem kräftigen Ruck auch gelang. Mit einem lauten
„Iiieks“ und
einem dumpfen Plumps landete die kleine Prinzessin auf dem Boden. Etwas benommen
rap-
pelte sie sich nach ein paar Sekunden der Orientierung wieder auf.
Dann jedoch stand sie mit verschränkten Armen wieder neben dem Bett und
verkündete mit
kühler Stimme: „Weißt du, Onkel Zadei, manchmal habe ich das Gefühl, du
hast ein Problem
mit sozialen Kontakten.“
„Ich geb‘ dir gleich soziale Kontakte! Was willst du eigentlich von mir?“
Plötzlich wurde ihre Miene wieder ernster, sie löste ihre Arme, die sie vor
der Brust ver-
schränkt hatte und nestelte nun am Saum ihres heute grünen Kleidchens herum.
„Ich bin eigentlich gekommen, um mich bei dir zu bedanken. Und um mich zu
entschuldigen.
Aber diesen Punkt haben wir ja schon geklärt. Bleibt also nur noch die Sache
mit dem Bedan-
ken.“
„Na toll, dann bedank dich und hau ab!“
„Hm, so schnell geht das nicht, ich möchte mich nämlich noch revangieren.
Oder vielmehr,
möchte ich wieder gut machen, was dir passiert ist, weil du dich für mich
eingesetzt hast.“
„Ich wüsste nicht, wie du dich revangieren könntest,“ meinte Zadei nur
kühl. Diese Gefühls-
duselei ging ihm allmählich mächtig auf die Nerven.
„Oh, unterschätze mich nicht. Ich glaube, ich habe etwas, was dich brennend
interessieren
dürfte. Und ich kann natürlich nicht wieder gut machen, was du erlitten hast,
als du von dem
Feuerball getroffen wurdest. Aber ich kann die Folgen wieder gut machen.“
Damit holte sie
aus ihrer Rocktasche ein kleines Ledersäckchen heraus. Dann holte sie eine Hand
voll violett
schimmerndem Staub daraus hervor.
„Was ist das?“ fragte Zadei skeptisch.
„Vertrau mir einfach. Schließ die Augen.“
„Dir vertrauen? Ich bin doch nicht lebensmüde!“
„Augen zu oder ich verrate Papa, dass _du_ mir den Jungdrachen gezeigt
hast!“
Zadei sah sie überrascht an. „Du hast es ihm noch nicht gesagt?!“
Sie schüttelte empört den Kopf. „Natürlich nicht! Ich weiß, dass das alles
meine Schuld war.
Ich will doch nicht, dass du da mit reingeritten wirst! Das ist unser Geheimnis,
nicht wahr?“
Und plötzlich konnte der Dämonengeneral nicht anders, er musste tatsächlich
leicht Lächeln.
„Mhm, ok. Unser Geheimnis...“ murmelte er, lehnte sich im Kissen zurück und
schloss die
Augen.
„So ist’s gut,“ meinte Sherril und hob die Hand mit dem Pulver über
Zadeis blindes Auge und
ließ ganz langsam das Pulver darauf rieseln. Dann legte sie ihre kleine Hand
über das Lid und
konzentrierte sich. Zadei merkte, wie eine warme Welle ihn durchflutete, es
wurde regelrecht
heiß unter der Hand und sein Blut begann, in seinem Lid zu pochen. Außerdem
wurde er selt-
sam schläfrig.
„Was machst du da?“ fragte er leise.
„Shht, keine Sorge, vertrau mir. Du wirst jetzt etwas müde werden und
vielleicht ein paar
Stunden schlafen. Und danach ist alles wieder in Ordnung.“
Zadei spürte die Wärme weiter durch seinen Körper fluten, ausgehend von der
kleinen Kin-
derhand, aber es war nicht unangenehm, eher im Gegenteil. Es wirkte irgendwie so
beruhi-
gend und langsam merkte er, wie er wegdriftete. Er konnte noch spüren, wie sich
die Hand
entfernte, die angenehme Wärme aber blieb. Durch eine dicke Wand aus Watte
hörte er noch
eine leise, sanfte Stimme an seinem Ohr flüstern.
„Danke für alles, Zadei.“
Leichte Schritte entfernten sich. Das war das letzte, was er wahrnahm, bevor er
endgültig in
tiefem Schlaf versank.
***********
Langsam drückte Titius die Klinke der Tür zu seinem eigenen Zimmer und trat
ein. Als er die
Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte er sich von innen dagegen und ließ
nachdenklich den
Blick durch seinen Raum streifen. Er war jetzt die letzten 48 Stunden nicht mehr
hier gewe-
sen. Und es war kalt hier. Es war bereits Nacht und es brannte keine einzige
Kerze, kein Feuer
im Kamin. Die einzige Lichtquelle war der Mond, der heute Nacht voll war und
durch die
großen Fenster hinein schien.
Keine Farben hier, nur das silbrige Mondlicht und die dunklen Schatten. Mit
einem Mal kam
Titius sein eigenes Zimmer, in dem er jetzt schon so viele Jahre lebte,
schrecklich unpersön-
lich und fremd vor.
Er seufzte. Den ganzen Tag war er nicht ein Mal bei Zadei gewesen. Er war nicht
mal in die
Nähe des Flures gekommen, in dem es lag. Stattdessen hatte er sich in Arbeit
gestürzt, im-
merhin gab es auch reichlich zu tun, nachdem er mehr als einen ganzen Tag
ausgefallen war.
Aber die Stimmung im Palast war wieder ausgelassen, von allen waren die Spannung
und die
Angst mit einem Mal abgefallen.
Und alle freuten sich über den Neuankömmling in der Königsfamilie. Hilda war
so glücklich,
allein in ihrer Nähe zu sein, machte die Menschen um sie herum fröhlich. Alle
schienen zu-
frieden, nur Titius selber konnte nicht wirklich mit ihnen lachen. Zu sehr
quälte ihn seine ei-
gene Ratlosigkeit, die seit dem gestrigen Gespräch mit Zadei noch schlimmer
geworden war.
Außerdem empfand er etwas, was ihm große Angst machte. Er wusste nicht, wie er
es nennen
sollte, aber es zog ihn unweigerlich in Zadeis Richtung. Darum hatte er heute
mit aller Kraft
vermieden, ihm zu begegnen. Wie würde das alles noch enden?
Titius schritt langsam auf sein weißes Himmelbett zu, an dem die fast
durchsichtigen Seiden-
vorhänge leicht im Luftzug wehten. Zadeis Bett war anders, kam ihm der Gedanke.
Die Vor-
hänge bestanden aus schwerem, dunkelrotem Samt und wenn man sie zuzog, war man
im Bett
bestimmt geradezu abgeschirmt von der Außenwelt. Bei Zadei war alles so
unendlich viel
anders als hier, überlegte Titius, als er den Vorhang zur Seite schob, hindurch
schlüpfte und
sich in sein Bett legte. Er hatte keine Lust, sich umzuziehen.
Er zog die weiße Seidendecke über sich und versank in den weichen
Daunenkissen.
Und dann lag er einfach so da und starrte in die Dunkelheit. Er hätte
eigentlich müde sein
müssen, aber er war hellwach. Ein paar mal wälzte er sich hin und her, bis er
schließlich auf
dem Rücken lag und an die hohe Decke starrte, die größtenteils im Dunkel
verbogen lag. Es
war alles so still. Kein Geräusch drang von außen hier herein. Und es war noch
immer so kalt.
Die Decke wärmte ihn nicht wirklich.
Titius zwang sich, die Augen zu schließen und wenigstens zu versuchen zu
schlafen. Aber
alles, was er sah, waren Erinnerungen. Zadeis Gesicht, als er ihn aus dem Kerker
befreit hatte,
Zadeis Gesicht, als dieser den Verrat durch Titius erkannte, Zadeis Gesicht, als
er sich verab-
schiedete, mit dem Versprechen, ihm ein neues Leben zu besorgen. Zadeis Gesicht,
als er
nach sieben Jahren wieder erwacht war und Titius zum ersten Mal ansah, Zadei
gestern
Nacht, das blinde Auge, so leer und ausdruckslos, das andere so voller Feuer.
Doch dann wie-
der die Bilder der Eiswüste. So kalt. So kalt wie hier. Zadeis Gesicht, als
Titius sagte, er wür-
de ihn nicht hassen...
Titius schreckte auf. War er in einen Dämmerschlaf gefallen? Er setzte sich auf
und vergrub
das Gesicht in den Händen. „Ich werde verrückt, ich werde verrückt...“
murmelte er schon
tränenerstickt vor sich hin. Was sollte er nur tun? Er war sich plötzlich
sicher, wenn er sich
jetzt wieder hinlegte, würde es nur genau so weitergehen wie gerade. Was sollte
er tun? Wach
bleiben, bis der Morgen kam? Auf den Balkon gehen? Er befand sich wieder mitten
in einer
dieser trostlosen Nächte, in denen ihm seine eigenen Gefühle zur Last wurden.
Und er war
allein. Es gab niemanden hier, der ihm half. Wenn Sherril einsam war, konnte sie
zu ihren
Eltern gehen. Laures und Hilda hatten einander. Ja, Laures hatte Hilda. Er
sorgte sich zwar
um Titius, aber er war nicht derjenige, der für ihn da sein konnte, zu jeder
Zeit.
Das hatte Titius im Laufe der letzten Jahre begriffen. Es war nicht mehr so
zwischen ihnen,
wie damals. Und es würde auch niemals wieder so sein. Sie waren nicht mehr
allein im
Schloss und herrschten über die Dämonenwelt. Laures Leben hatte einen neuen
Mittelpunkt.
Es hatte keinen Sinn mehr für Titius, sich Tag und Nacht für ihn aufzuopfern.
Früher hatte
ihm das gereicht. Ja, die Pflicht war für ihn alles gewesen. Alles, was der
Engelsdämon ge-
wollt hatte, war, seinen Herrn glücklich zu machen. Etwas anderes hatte es für
ihn nicht gege-
ben. Aber er hatte einsehen müssen, dass nicht er es war, der für Laures‘
Glück zuständig war,
denn das war allein seine Familie.
Und mit einem Mal erschien Titius sein Leben so leer. Was blieb für ihn noch
übrig, wenn er
seines einzigen Lebensinhaltes beraubt wurde? Es war alles leer und kalt, wie
dieses Zimmer.
Er war einfach allein.
Gab es denn wirklich keinen Menschen, der für ihn da war?
Doch, den gab es und das wusste Titius ganz genau. Er musste es nur zulassen...
Aber konnte
er wirklich...? Was, wenn...?
Wie unter Hypnose stand er auf, stieg aus dem Bett und bewegte sich langsamen
Schrittes
durch sein Zimmer. Ohne zu wissen, warum, stand er plötzlich vor seinem
Kleiderschrank
und öffnete eine der Türen. Und schon hielt er jenes Gewand in den Händen.
Zögernd fuhr
seine Hand über den weichen Stoff. Die Halsketten, die vorsichtig um den Kragen
drapiert
waren, klimperten leise. Titius Hand fuhr zitternd darüber, tastete am Kragen
entlang. Die
Verschlüsse ließen sich noch genau so leicht öffnen, wie am ersten Tag. Eine
einzelne Träne
rann über sein Gesicht, tropfte auf den Stoff, als er das schwarz-weiße Gewand
an sich drückte.
Kapitel 7:
-----------
Kommentar: *lach* ich muss mich jetzt erst mal entschuldigen, ich habe die Fic
vor jahren angefangen hochzuladen und dann... schlichtweg vergessen weiter
hochzuladen *lol* Aber ich dachte auch, sie ist von yaoi.de eh schon denen
bekannt, die sich dafür interessieren, darum muss ich das irgendwie geistig
abgehakt haben. Na ja, aber etwas offen lassen ist ja auch nicht schön, also
hier endlich der letzte Teil auch hier auf Animexx^^ Und t´schuldigung
nochmal!
~~~
Zadei lag wach in seinem Bett. Er hatte die letzte Zeit auch wirklich mehr als
genug
geschlafen. Nachdenklich tastete er über sein linkes Auge. Ein weiches
Pflaster, gefüllt mit
Heilkräutern befand sich darauf. Was hatte sie nur gemacht? Was war das für
ein Pulver
gewesen? Er fühlte sich körperlich so erholt wie lange nicht mehr.
Aber was sollte er jetzt anfangen? Es war mitten in der Nacht. Und es war
langweilig.
Vermutlich waren alle im Palast am Schlafen. Oder in bestimmter Weise anders
beschäftigt...
«Wie komme ich denn schon wieder auf so etwas? Ist kein guter Zeitpunkt
jetzt.»
Warum war Titius eigentlich den ganzen Tag nicht erschienen? Obwohl, eigentlich
kannte er
die Antwort ja. Nach dem gestrigen Gespräch war es ihm wahrscheinlich höchst
unangenehm,
Zadei unter die Augen zu treten. Mittlerweile konnte er die Gefühle seines
Engels ja doch
einigermaßen nachvollziehen. Es hatte ihn gestern bestimmt viel Mühe gekostet,
all diese
Eingeständnisse zu machen. Und dazu hatte er noch immer ganz offensichtlich
Angst vor ihm.
Wie konnte er Titius nur diese Angst nehmen? Wahrscheinlich war das unmöglich,
immerhin
hatte er jede Vertrauensbasis zwischen ihnen von Anfang an mehr als gründlich
zerstört. Aber
hatte er seit seinem Erwachen nicht bereits mehrmals bewiesen, dass er eine
gewisse Grenze
Titius gegenüber nicht mehr überschreiten würde?
Er hatte Titius zwar mehrmals einen Schrecken eingejagt, aber er war nie zu weit
gegangen.
Das wollte er auch nicht, er wollte ihm ja nicht mehr wehtun, egal, wie sehr ihn
sein eigenes
Verlangen auch quälte. Er würde diese Grenze zwischen ihnen nie wieder gegen
Titis Willen
überschreiten, ihn nicht mehr berühren, wenn er es nicht wollte.
Warum dachte er eigentlich nur noch daran, ihn zu berühren? Das Gespräch
zwischen ihnen
hatte ihn wohl viel zu euphorisch werden lassen!
Aber... wenn er jetzt nur hier wäre... Er schloss die Augen und hatte nur noch
Titius
wunderschöne Gestalt vor sich. Die helle Haut, dass weiche Haar, Zadei konnte
seinen
Geruch fast riechen, so lebhaft hatte er ihn in Erinnerung.
Und gleichzeitig merkte er, wie sehr ihn diese Vorstellungen nervös machten.
Sollte er sich
vielleicht eins der Mädchen kommen lassen? Im Grunde fand er schon lange nicht
mehr viel
an ihnen, aber andererseits hatte er jetzt schon ziemlich lange in Abstinenz
gelebt. Die sieben
Jahre Schlaf zählte er einfach dazu. Das konnte ja alles nicht so ganz gesund
sein...
In diesem Moment klopfte es prompt an seiner Tür. Etwas verwirrt und aus seinen
schlüpfrigen Gedanken gerissen, setzte Zadei sich aufrecht hin. Wer konnte das
nur sein, um
diese Zeit? Es konnte eigentlich nur Sherril sein... «Oh nein, was tun?!»
Vielleicht half es
ja, wenn er sich schlafend stellte? Prompt ließ er sich in die Kissen fallen
und schloss die
Augen.
Es klopfte noch einmal zaghaft an seiner Tür und als Zadei wieder keine Antwort
gab, wurde
tatsächlich die Klinke leise gedrückt. «Aha, natürlich. Sie ist ganz schön
penetrant, aber ich
tue so, als stünde ich noch unter dem Schlafmittel. Sie wird schon abhauen.»
machte Zadei
sich selber Mut.
Federnde Schritte näherten sich seinem Bett, hielten dann neben ihm inne.
Einige Sekunden
verstrichen, in denen Zadei nur ein gleichmäßiges Atmen über sich vernahm.
Doch dann spürte er plötzlich eine kühle Hand, die sich auf seine Wange legte
und mit feinen
Fingerspitzen sanft darüber strich. Mit einem Mal erstarrte er. Diese Hand,
dieser Geruch...
das war doch nicht Sherril!!
„Titius!“ Ruckartig fuhr Zadei hoch und riss die Augen vor Überraschung
auf. Allerdings war
er nicht der Einzige, der überrascht war. Vollkommen schockiert taumelte Titius
nach hinten,
stolperte über seine eigenen Füße und landete mit einem dumpfen Aufprall auf
dem Teppich.
Augenblicklich war Zadei aus dem Bett gehechtet und bei ihm.
„Das tut mir leid, Titi! Hast du dir was getan?“ fragte er hektisch.
Verdammt, das hatte er
wirklich nicht gewollt! Titius sah ihn noch immer mit weit aufgerissenen Augen
an.
„Ich, ich... ihr habt doch geschlafen... wie....?“
Peinlich berührt kratzte Zadei sich am Hinterkopf. „Na ja, ich dachte, es
wäre Sherril. Da
habe ich mich schlafend gestellt... Warte, ich helfe dir.“ Er griff nach
Titius Hand und zog ihn
wieder auf die Beine.
Dieser war noch immer etwas benommen vom Schreck, begann nervös, seine Haare zu
ordnen.
„Ihr habt euch schlafend gestellt? Manchmal frage ich mich wirklich, wer hier
der größere
Kindskopf ist, das siebenjährige Mädchen oder ihr.“
„Du hast leicht reden, du weißt ja nicht, was ich durchmachen mu...“
Erst jetzt, wo Zadei seinen Engel vor sich stehen sah und bewusst betrachten
konnte,
bemerkte er die Veränderung an ihm. Er schluckte.
„Das... Ist das das Gewand, das ich dir damals geschenkt habe?“ fragte er
atemlos. Titius
wurde sichtlich nervös und blickte ziellos im Zimmer umher.
„Es ist mir irgendwie in die Hände gefallen. Ich weiß auch nicht wie... ich
meine... Herr Gott,
jetzt bin ich kindisch! Verzeiht, ich wollte euch gewiss nicht stören.
Entschuldigt mich bitte.“
Er drehte sich schon um, als Zadei ihn leicht am Arm festhielt.
„Bleib doch, bitte. Das Gewand... du siehst so wunderschön aus.“ Zadei biss
sich auf die
Zunge. Titius hatte ihm gesagt, dass er so etwas nicht gern von ihm hörte, aber
er konnte nicht
anders. Er sah so atemberaubend schön aus wie damals, als er es zum ersten Mal
getragen
hatte. Schon damals hatte der Anblick Zadei fast den Atem geraubt. Er hätte nie
gedacht, dass
er es jemals wieder an ihm sehen würde. Zu viele negative Erinnerungen hingen
daran. Aber
der Anblick machte ihn glücklich und er wollte so sehr, dass sein Engel jetzt
blieb, auch,
wenn er ihn nicht zwingen konnte.
„Warum bist du denn hergekommen? Willst du mir vielleicht eine reinhauen? Tu
das doch,
ich habe doch gesagt, du kannst jederzeit kommen, wenn dir danach ist! Lass es
ruhig an mir
aus, wenn es hilft!“ redete er eifrig auf den anderen ein.
Titius hielt inne und drehte sich wieder zu Zadei, allerdings mit gesenktem
Blick.
„Als ob ich euch schlagen würde... Aber genau genommen weiß ich selbst nicht
so genau,
warum ich hier bin. Ich habe mein Zimmer verlassen und auf einmal war ich hier.
Ich konnte
einfach nicht schlafen,“ erklärte Titius ehrlich. Es war einerseits
unangenehm, sich hier bei
Zadei mit all diesen Fragen und Gefühlen auseinander zu setzen. Aber einerseits
hatte er
schon direkt beim Betreten dieses Raumes diese anziehende Wärme gefühlt, die
ihm in
seinem Zimmer gefehlt hatte.
Hier war es nicht so dunkel. Mehrere Kerzen brannten und tauchten das Zimmer in
warmes
Licht.
Die rötlichen Teppiche und Sitzmöbel und das dunkle Holz, das hier
vorherrschte,
unterstrichen dies. Hier drin war Leben. Und auch wenn es schwierig mit Zadei
war, jetzt
wieder allein in sein zwar elegantes, aber dennoch kaltes Zimmer zurück zu
kehren, erschien
ihm plötzlich wesentlich unangenehmer.
Er hob den Blick und musterte Zadeis Gesicht. „Was ist das für ein Pflaster
auf eurem Auge?“
fragte er interessiert.
„Ich weiß nicht, das kleine Monster war hier und hat irgendetwas damit
gemacht. Sie muss
das Pflaster drüber geklebt haben, als ich bereits schlief... Aber ich denke,
ich sollte es jetzt
abmachen, wer weiß, was sie jetzt wieder angestellt hat.“
Er hob die Hand nach oben, aber plötzlich ergriff Titius seine Hand und hielt
sie fest. „Lasst
mich das machen.“ Verwundert sah Zadei ihn an. „Wenn du meinst.“ Er ließ
seine Hand
wieder sinken und schon hob Titius seine Hände. Etwas zögerlich berührten die
kühlen
Fingerspitzen Zadeis Haut, fuhren über den Rand des Pflasters und begannen, es
vorsichtig zu
lösen. Zadei schloss die Augen, diese sanften Berührungen jagten wohlige
kleine Schauer
durch seinen Körper. Wie dankbar war er plötzlich für dieses Pflaster!
„So, es ist runter, Zadei-sama. Ihr könnt die Augen jetzt öffnen.“ Viel zu
früh, wie Zadei fand,
lösten sich die sanften Finger wieder. Aber er tat, wie ihm geheißen. Langsam
öffnete er seine
Lider und blinzelte eine paar mal, bis er schließlich klar und deutlich vor
sich erkennen
konnte, wie Titius‘ Augen sich vor Verwunderung weiteten und er sich erneut
die Hand vor
den Mund schlug.
„Was ist los, Titi?“
„Merkt ihr es nicht? Euer Auge...!!“ Wo zuvor noch die milchigtrübe Fläche
gewesen war,
funkelte ihn jetzt wieder ein goldener Bernstein an. Die geschlitzte Pupille
bewegte sich flink
hin und her. Es löste so ein Gefühl in Titius aus...
Zadei fuhr unwillkürlich mit der Hand über sein linkes Auge. Es konnte
tatsächlich wieder
damit sehen!
„Wow, wer hätte das gedacht! Die Kleine ist ja doch zu was gut. Es sei denn,
sie hat einen
Fluch über mich verhängt und ich verwandele mich gleich in eine Kröte...“
Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als er plötzlich nicht mehr wusste, wie ihm
geschah. Er
sah nur noch, wie Titius‘ Gesicht sich ihm näherte und dann spürte er
kühle, sanfte Lippen auf
den seinen. Für einen Moment erstarrte er zu Stein, glaubte schon, noch immer
unter Sherrils
Schlafmittel zu stehen und sich alles nur einzubilden.
Aber er konnte ihn fühlen, Titius‘ Hände auf seinen Schultern, das weiche
Haar, das seine
Wange berührte und die Lippen, die leicht zitternd die seinen berührten. Es
musste einfach
real sein!
Mehr automatisch als bewusst hob Zadei langsam seine Hände und legte sie um den
schlanken Körper vor sich, drückte ihn fest an sich. Eine kleine Ewigkeit
schien zu
verstreichen, bis Titi seine Lippen langsam wieder von den seinen trennte. Und
fast
augenblicklich überkam ihn ein Zitterkrampf, als er seine weißen Finger an die
eigenen
Lippen legte. Er schien selbst nicht fassen zu können, was er gerade getan
hatte.
„Titi, alles in Ordnung?“ stieß Zadei ebenso besorgt wie fassungslos
hervor. Der
Engelsdämon sah zu ihm auf, brachte aber kein Wort hervor. Doch Zadei merkte,
wie er
immer stärker zitterte und drückte ihn noch fester an sich, wollte ihn
irgendwie beruhigen.
Seine Klaue fuhr in den weißen Haarschopf und drückte ihn gegen seine Brust.
„Shht, beruhige dich,“ flüsterte er mit beruhigender Stimme. Aber es schien
nur noch
schlimmer zu werden. Der schmächtige Körper begann noch stärker zu beben und
schon
spürte er heiße Tränen, die auf seine Brust tropften. Er konnte Titius leicht
schluchzen hören.
Zadei wurde zunehmend unsicherer. Mit solchen Situationen konnte er nicht
umgehen. Er
wollte Titius ja helfen, aber er begriff auch nicht so richtig, was eigentlich
los war.
„Du... musst mir schon sagen, was los ist, Titi, ich verstehe es nicht. Sag
doch etwas!“
versuchte er es verzweifelt, aber er bekam auch jetzt keine Antwort, außer
Schluchzen. Titius
lag einfach so in seinen Armen, die Hände zu Fäusten geballt gegen seine Brust
gedrückt, und
seinen Körper überkamen immer neue Zitterkrämpfe, während die Tränen
einfach flossen, als
würden sie nie wieder versiegen.
Eine ganze Zeit standen sie so da und Zadei wurde zunehmend hilfloser. Er konnte
nichts
anderes tun, als den anderen fest zu halten. Titius schien wie von einer Art
Krampf befallen
zu sein. Was konnte er nur tun? Immer wieder flüsterte er beruhigende Worte,
vom Inhalt
eigentlich völlig bedeutungslos, aber er hoffte, dass seine Stimme Titius
vielleicht helfen
würde. Dabei hielt er ihn fest an sich gedrückt und er bekam fast schon Angst,
der zarte
Körper könnte in seinen Armen zusammenbrechen. Aber was konnte er nur dagegen
tun,
außer immer wieder beschwörend auf ihn einzureden?!
Und endlich, nach einer ganzen Weile zwar, aber dann doch deutlich spürbar,
begann das
Zittern und auch das Schluchzen abzuebben.
Titius fühlte sich, als wäre in ihm ein ganzer Damm gebrochen. Irgendetwas war
endgültig
aufgesprungen, das Gleiche, was er gestern Abend schon gespürt hatte. Und er
konnte es nicht
länger unterdrücken und das machte ihm unheimliche Angst. So sehr, dass er
jegliche
Kontrolle über sich verloren hatte und einfach psychisch zusammengebrochen war.
Aber
endlich merkte er, wie er langsam wieder in die Realität zurückfand. Zadei war
da. Er konnte
ihn spüren und hören. Er war etwas Reales, etwas, was einfach immer da war, ob
Titi es
wollte oder nicht.
Jetzt ging es ihm langsam wieder etwas besser. Und nach ein paar weiteren
Minuten, in denen
er sich immer mehr beruhigt hatte, konnte er sich langsam wieder aus seiner
Starre lösen.
Zadei bemerkte, wie der andere zusehends ruhiger wurde und schließlich anfing,
sich wieder
zu regen. Da löste er die feste Umarmung ein klein wenig und hob seine linke
Hand, schob sie
unter Titis Kinn und hob es leicht an. Er blickte in ein Tränenüberströmtes
Gesicht.
„Geht’s wieder?“ fragte er besorgt.
„Mhm, ich weiß auch nicht, warum... ich meine, es tut mir leid.“
„Shht, hey, schon gut. Was ist, fühlst du dich nicht gut? Möchtest du lieber
gehen?“ Zadei
wunderte sich über sich selber, dass er das fragte, wobei er ja eigentlich das
genaue Gegenteil
wollte. Er wollte nicht, dass Titi ging, aber andererseits wusste er, dass es
richtig war, ihn das
zu fragen und es ihm freizustellen. Nur so konnte er sein Vertrauen gewinnen,
wenn das
überhaupt möglich war.
Aber auch jetzt reagierte Titius anders als erwartet. Mit einer Hand wischte er
sich die Tränen
aus den blauen Augen, was ihm aber nicht ganz gelang, weil noch immer welche
hinaus
flossen, und sah geradeaus, hatte also gerade mal Zadeis Halsansatz vor Augen.
Dessen Arme
waren immer noch um seinen Körper geschlungen. Leise murmelte er: „Und was
würdet ihr
denken, wenn ich sagen würde, dass ich gar nicht gehen will?“
Zadei schwieg kurz, meinte dann aber, während er an dem weißen Haarschopf
vorbei sah:
„Mhm, zuerst würde ich mich fragen, ob ich mich nicht verhört habe. Und wenn
ich dann
rausfinden würde, dass ich mich nicht getäuscht habe, tja, dann würde ich als
nächstes Angst
bekommen.“
„Angst? Ihr? Wovor solltet ihr denn Angst haben?!“ kam die arglose Frage.
„Vor so vielen Dingen. Zum Beispiel fürchte ich mich davor, dass es alles nur
ein Traum sein
könnte, aus dem ich gleich erwache. Oder auch davor, dass du mir wieder nur was
vorspielst.
Aber am allermeisten Angst habe ich davor, wieder etwas falsch zu machen. Jedes
Wort, jede
Bewegung... mir passieren so oft Dinge, die ich gar nicht will“ meinte er wie
zu sich selber.
„Ist das so...“ In Titius schien es stark zu arbeiten.
„Sag mal, Titius, ich habe dir jetzt gesagt, wovor ich Angst habe. Verrätst
du mir jetzt, wovor
du Angst hast?“
Ein paar Minuten war es still. Titius dachte wohl sehr gut darüber nach, was er
sagen sollte.
Aber während der ganzen Zeit löste er sich keinen Zentimeter von dem anderen
Körper. Dann
schließlich atmete er tief ein und sagte:
„Irgendwie habe ich vor allem Angst. Vor euch auch. Ja, noch immer. Aber das
ist nichts im
Vergleich zu der Angst, die ich im Moment vor mir selber habe. Ich mache Dinge,
die ich
nicht tun dürfte. Ich bin unvernünftig und kindisch. Aber irgendwie kann ich
es nicht mehr
ändern. Ich wäre so gerne wieder der, der ich war. Damals, als ich euch noch
nicht kannte, als
alles noch so einfach war. Da wäre mir so etwas wie gerade nie passiert. Ich
wusste genau,
was ich wollte und ich war zufrieden. Mein Lebensinhalt war, Laures-sama zu
dienen und
mein Leben für ihn zu geben, wenn es notwendig ist. Sein Glück war alles, was
ich brauchte...
Aber im Laufe der letzten Zeit habe ich erkannt, dass das mittlerweile einfach
nicht mehr
ausreicht. Ich bin nicht mehr zufrieden, so wie es ist. Aber ich weiß einfach
nicht, was ich
wirklich will.“
Zadei seufzte. Er senkte den Kopf wieder und sah den anderen wieder an, schob
dabei eine
Strähne des silbernen Haares aus dem hellen Gesicht, das so fein geschnitten
war, dass Titius
glatt als Frau durchgehen konnte. „Du weißt also nicht, was du willst. Aber
vielleicht weißt
du ja, was du nicht willst? Du hast gesagt, du willst nicht gehen...“
„Ich sagte, was *wäre*, wenn ich sagen *würde*...“
„Haha, du bist unverbesserlich.“ Zu Titius Verwunderung fing Zadei leise an
zu lachen. Er
kam mit dem Gesicht dicht an seine Schläfe, strich mit der Nase durch das Haar
und setzte
unvermittelt einen kleinen Kuss darauf. „Weißt du, Titius, es ist immer so
mit uns. Wir finden
nie die richtigen Worte für den anderen. Endlich verstehe ich das!“
Vorsichtig nahm er Titius‘
Gesicht in beide Hände und sah ihn fest an.
„Sag mir einfach, willst du bleiben oder gehen. Du brauchst es nur sagen. Hab
keine Angst,
ich werde dir beweisen, dass ich keine Bedrohung für dich sein will.“
Nachdenklich blickte der vermeintliche Engel in das goldene Augenpaar. Er
wusste, wie
gefährlich sie glänzen konnten, wie sie aussahen, wenn Zadei rasend vor Wut
war oder wenn
er verzweifelt schien. All diese Seiten kannte Titius an dem höher gestellten
Dämon so gut.
Sie waren ihm so vertraut.
Und jetzt konnte er nichts Gefährliches darin erkennen.
Er atmete einmal tief durch. „Ich glaube, ich kann gar nicht mehr zurück.“
Titius selber wurde
die Doppeldeutigkeit seiner eigenen Aussage nicht mal richtig bewusst, aber sie
war eine
Erkenntnis, eine Entscheidung, die er in seinem Herzen bereits gefällt hatte.
Plötzlich zogen Zadeis Augenbrauen sich zusammen und seine goldenen Augen
begannen zu
glitzern, bekamen einen fast traurigen Ausdruck, während er leicht den Kopf
schüttelte. Aber
gleichzeitig umspielte ein Lächeln seine Lippen. Es war ein undefinierbarer
Gesichtsausdruck, irgendwo zwischen Unglauben, Angst, Überraschung und auch
unsagbarer
Freude. Langsam beugte er sich vor zu dem anderen Gesicht, das er in beiden
Händen hielt
und hauchte kaum hörbar:
„Wenn das so ist, dann bleib doch einfach.“ Dann beugte er sich weiter vor
und küsste Titius.
Langsam und vorsichtig berührte er nur seine Lippen. Und eigentlich hatte er
sofort wieder
von ihm ablassen wollen, aber die süßen Lippen hielten ihn gefangen. Und
Titius wich keinen
Zentimeter von ihm.
Denn dieser fühlte sich wie benebelt, hatte die Augen geschlossen und konnte
sich nur auf das
Gefühl der Wärme konzentrieren, das von Zadeis Lippen ausgehend durch seinen
ganzen
Körper flutete. Es war neu für ihn. Zadei hatte ihn schon so oft geküsst,
aber er hatte es
verabscheut, hatte bis jetzt nie etwas Positives daran finden können. Aber im
Moment hatte er
tatsächlich keine Angst. Aus irgendeinem Grund vertraute er einfach blind
darauf, dass Zadei
ihn gehen lassen würde, wenn er es so wollte.
Zadeis Hände ließen inzwischen das Gesicht los, glitten nach unten, den Hals
entlang und die
Schultern. Die Klaue blieb darauf liegen, aber die linke Hand fuhr langsam
weiter nach unten,
Titius‘ rechten Arm hinunter und wieder hinauf. Mit seiner rechten Hand begann
er mit den
einzelnen Haarsträhnen zu spielen, wie er es so gern tat. Es durch die Finger
gleiten zu lassen,
sie darin zu verzwirbeln... Was tat er hier eigentlich?
Unwillig löste er seine Lippen wieder, nahm schnell wieder seine Hände zu sich
und wich
einen ganzen Schritt nach hinten.
Er räusperte sich etwas heiser. „Ähem, ich denke, das war keine besonders
gute Idee.
T’schuldige, kann halt nicht ganz aus meiner Haut.“ Etwas nervös kratzte er
sich am
Hinterkopf. „Tja, was sollen wir jetzt machen? Wir könnten ein wenig... reden
vielleicht. Du
bist doch noch nicht müde? Vielleicht setzen wir uns einfach aufs Sofa...
Möchtest du was
trinken? Wir kriegen die Zeit schon rum!“ plapperte er, während er schnellen
Schrittes zur
Bar ging und auch schon Gläser hervorholte.
Titius hingegen stand etwas verloren im Zimmer herum. War etwas zu schnell
herausgerissen
worden aus seinen Empfindungen, hatte sie gar nicht richtig erkunden können.
Mit den
Blicken folgte er dem schwarzhaarigen Dämon, der sichtlich nervös durchs
Zimmer eilte und
jetzt mit den Gläsern klimperte.
Langsam setzte er sich in Bewegung und war nach ein paar Schritten auf dem
weichen
Teppich neben dem anderen angelangt. Er beobachtete Zadeis Bewegungen, als er
versuchte,
Wein aus einer Karaffe in die Gläser zu füllen.
„Ich weiß nicht, ich bin gar nicht durstig. Ich will nur... bei euch sein...
glaub ich...“ Schon
fiel die Weinkaraffe mit einem lauten Klirren zu Boden, färbte den ohnehin
roten Teppich
noch dunkler.
Völlig konfus sah Zadei die weiße Gestalt neben sich an. Doch Titius legte nur
seine Hand auf
die von Zadei, ergriff sie und führte sie nach oben, schmiegte sein Gesicht
daran.
Der Dämonengeneral schauderte. Wollte sein Engel wirklich von ihm berührt
werden?
„Vorsicht, Titius, du weißt nicht, was du tust...“ warnte er ihn, aber
schon war er wieder an
Titius heran getreten und küsste die süßen Lippen abermals. Allerdings
diesmal etwas
verlangender. Aber als Titius noch immer nicht zurückwich, eher im Gegenteil,
sich
tatsächlich an ihn zu schmiegen begann, wagte er es und strich vorsichtig mit
der
Zungenspitze über die schmalen Lippen. Und tatsächlich öffnete Titi die
seinen fast
augenblicklich. Schon überkam Zadei ein schlechtes Gewissen, immerhin hatte er
ihn schon
so oft geküsst, aber nie hatte er Titius dabei eine Wahl gelassen. Hatte seine
Lippen und
seinen Mund einfach immer in Besitz genommen, ohne Rücksicht zu nehmen.
Umso erstaunlicher war es jetzt, dass er es freiwillig tat. So kam es Zadei fast
vor, als wäre es
das erste Mal, dass sich ihre Lippen berührten. Und Titius fühlte ähnlich.
Nur war es für ihn
etwas noch viel Unbekannteres als für Zadei, immerhin hatte er vor ihm noch
überhaupt
niemanden richtig geküsst...
Vorsichtig ließ Zadei seine Zunge in die warme Mundhöhle gleiten und erkundete
sie langsam
und nur sehr zurückhaltend. Nach mehreren Aufforderungen ließ auch Titius‘
Zunge sich auf
das Spiel ein, wenn auch nur sehr zaghaft. Inzwischen waren auch Zadeis Hände
wieder auf
Wanderschaft gegangen. Die Klaue hatte sich im weißen Haar vergraben und die
andere strich
unermüdlich über Schulter, Hals und Arm. Ohne es zu merken drängte er Titius
dabei etwas
zurück und als sich ihre Lippen wieder trennten, stand Titi bereits mit dem
Rücken zur Wand.
Er schnappte etwas nach Luft und Zadei lachte leise.
Er kam wieder nah an Titis Ohr und flüsterte: „Weißt du, wie du schmeckst?
Nach Honig.
Oder auch Zucker. Weißer Zucker. Jedenfalls ist es sehr süß.“ Neckisch
strich er mit der
Zunge über die Ohrmuschel. Titius‘ errötete und lächelte ein wenig hilflos.
Diese Situation
war zu neu für ihn, er wusste nicht so recht damit umzugehen. Aber schon merkte
er, wie
Zadeis Lippen weiter nach unten glitten, kleine Küsse auf den Hals setzten.
Unwillkürlich bog
Titius ihm den Hals etwas entgegen. Doch weit kam Zadei nicht, denn der enge
Kragen am
Hals war ihm im Weg.
Automatisch hob er seine Hand und begann schon an dem Kragenverschluss zu
nesteln, als er
merkte, wie der andere sich versteifte und sich eine Hand reflexartig auf seine
legte. Er hob
den Kopf und sah in Titius‘ blaue Augen, die ihn etwas unsicher anblickten.
«Wusst ich’s doch, er hat wirklich keine Ahnung, worauf er sich einlässt.»
stellte Zadei
etwas betrübt fest. „Soll ich aufhören? Wäre wohl besser, was? Ist sowieso
total irrsinnig,“
meinte er leise und wollte sich schon lösen, wurde aber überraschenderweise
von seinem
Engel festgehalten.
„Hm, nein, ähm... ich...“ Er atmete tief ein, schien mit sich selber einen
kleinen Kampf
auszufechten, traf aber dann eine Entscheidung. Langsam und etwas zitternd
entfernte er seine
Hand von Zadeis, legte sie an dessen Gesicht und zog ihn zu sich herab. Nur zu
gern kam
dieser der Aufforderung nach, stockte aber, bevor sich ihre Münder erneut
berührten.
„Sag mal, ich freue mich zwar, aber ich verstehe nicht, warum auf einmal?“
Die blauen Augen vor ihm wichen ihm nicht aus. „Wir haben vorhin über Ängste
gesprochen.
Ich will meine endlich loswerden. Die Angst vorm alleine sein und auch die Angst
vor...“
„Aber deswegen musst du nicht...“ Ein schlanker Finger legte sich auf seine
Lippen.
„Schon gut, fragt nicht weiter. Es ist in Ordnung.“
„Aber wenn wir jetzt weiter machen, ich weiß nicht, ob ich dann noch
aufhören kann...“
Diesmal erhielt er als Antwort einen hungrigen Kuss und bald hatte er seine
eigene Frage
vergessen. Erneut spielten ihr Zungen miteinander, Titius verlor etwas von
seiner
Zurückhaltung. Zadei drückte ihn leicht an die Wand, intensivierte den Kuss
immer mehr,
während seine nun wieder freigelassene Hand den Kragen ein paar Zentimeter weit
öffnete.
Etwas widerwillig verließ er die süßen Lippen, nur um sie auf der fast
sahneweißen Haut ein
Stück weiter unten wieder aufzusetzen. Kleine Küsse setzte er in einer Kette
bis zum
Halsansatz hinab, beendete sie bei den Schlüsselbeinen. Titius war so angenehm
kühl und
weich, kein anderes Wesen hatte ihn in all seinen Details je so fasziniert.
Und er spürte von Sekunde zu Sekunde mehr, wie es ihm immer unmöglicher wurde,
von ihm
abzulassen, ganz im Gegenteil. Er wurde immer gieriger nach diesem Körper,
wollte noch so
viel mehr von ihm. Auf der linken Seite verfolgte er seine Spur über den Hals
wieder nach
oben und stellte erfreut fest, wie Titius seinen Kopf mit einem ganz leisen
Seufzer in die
andere Richtung neigte, um ihm mehr Fläche zu bieten, die Augen dabei
geschlossen hielt.
Er war vollkommen versunken in seine Gefühle, konzentrierte sich auf die warmen
Wellen,
die jeder von Zadeis Küssen in ihm auslöste. So ein Gefühl hatte er noch nie
gehabt. Er
spürte, wie Zadei die Kälte aus seinem Körper vertrieb, Stück für Stück.
Und das fühlte sich
einfach gut an, auch wenn er solche Dinge schon aus Prinzip früher immer
verabscheut hatte.
Aber was bedeutete es jetzt noch, was er früher gedacht und empfunden hatte?
Man kann sich
ändern, wenn auch nur langsam und nicht von alleine. Endlich machten Hildas
Worte Sinn für
ihn.
Langsam glitten Zadei Hände zu Titius‘ Schultern, legten sich darauf und
fuhren unter den
weißen Stoff des Mantels, schoben ihn immer weiter nach außen, bis er
schließlich über die
Schultern hinab fiel, über Titius‘ Arme rutschte und zu Boden glitt. Jetzt
stand der Engel nur
noch im pechschwarzen Gewand vor ihm, der Stoff bildete einen scharfen Kontrast
zur der
hellen Haut und den silbernen Haaren. Zadei entfernte sein Gesicht wieder etwas
von dem
anderen und besah sich seinen Engel von oben bis unten. Titi sah ihn etwas
unsicher an,
lehnte mit angehaltenem Atem an der Wand hinter ihm. Dann streckte Zadei seine
Klaue aus,
strich mit dem Zeigefinger und dem langen Nagel über die Öffnung am Kragen,
lenkte ihn
nach unten und löste vorsichtig ein paar weitere Hacken, so lange bis die helle
Brust als
dünner Streifen zwischen dem schwarzen Stoff erschien. Gedankenverloren begann
der
Dämon, diesen schmalen Streifen Haut hinunter zu küssen, dann wieder nach
oben. Seine
Hände legten sich um die schmalen Hüften.
Titius seufzte abermals, überrascht über seine eigenen Gefühle, aber auch
über Zadei. Was er
tat, war ihm einfach fremd. Zadei war der einzige in seinem Leben gewesen, der
ihn
überhaupt jemals so berührt hatte, aber so wie jetzt war es mit ihm noch nie
gewesen. Warum
hatte er das nicht vorher schon mal so gemacht? Na, weil Titi es niemals
zugelassen hätte, so
einfach war die Antwort! Aber jetzt, wo er diese Zärtlichkeiten spürte, merkte
er, wie gut es
seinem Körper und auch seiner Seele tat. Ja, es war gut gewesen, hierher zu
kommen...
Zadei kam wieder an Titis Ohr, während dieser noch mit diesen Gedanken
beschäftigt war,
und fragte mit leiser, etwas rauer Stimme: „Kommst du mit mir?“
Titius nickte. Er wusste nicht, was Zadei meinte, an welchen Ort er mitkommen
sollte und
warum. Aber er nickte.
Und dann fühlte er, wie sich zwei Arme unter ihn schoben und er federleicht
hochgehoben
wurde, sich plötzlich in Zadeis Armen wieder fand.
Dieser lächelte über die leichte Verwirrung seines Engels, wendete dabei
seinen Blick aber
keine Sekunde von den blauen Augen, während er ihn langsam durchs Zimmer trug.
Als sie
an dem großen, dunklen Himmelbett angekommen waren, legte er das leichte
Geschöpf
vorsichtig hinein in die weichen Kissen. Dann kletterte auch er auf die Matratze
und schloss
schließlich alle dunkelroten Samtvorhänge um das Bett herum. Das Bett wirkte
jetzt wie eine
kleine, abgeschlossene Welt, in der es jetzt nur noch sie beide gab. Nichts und
niemand
konnte von außen eindringen. Es war genauso, wie Titius es sich bereits
vorgestellt hatte.
Irgendwie überkam ihn ein Gefühl von Geborgenheit auf der einen Seite. Auf der
anderen
Seite war da aber immer noch die Angst, das leichte Misstrauen.
Zadei selber legte sich erstmal nur neben ihn. Er merkte, wie Titius ein wenig
nervös wurde.
Er küsste ihn auf den Mund, strich mit der rechten Hand beruhigend über dessen
Wange, dann
den Hals hinunter und dann über die Brust, schob dabei das Gewand noch weiter
beiseite.
Schließlich hatte er die weiße Brust und auch die Schultern entblößt.
Allerdings spürte er im
Kuss, wie Titius leise wimmerte.
Er löste ihre Lippen voneinander und sah forschend in die blauen Augen.
„Alles in Ordnung?“
Titius nickte mit dem Kopf, brachte keinen Ton heraus. Es war nicht nur das
Ungewohnte und
die Angst, die er trotz allem irgendwo in sich verspürte, sondern auch ein
gewisses
Schamgefühl. Und das, obwohl er gerade vor Zadei nichts mehr zu verbergen
hatte...
Der schwarzhaarige Dämon senkte seinen Kopf und küsste den nun nackten
Oberkörper
seines Geliebten, strich mit der Hand unermüdlich über die weiche Haut. Dabei
lehnte er sich
automatisch immer weiter rüber, bis er schließlich schon halb auf dem anderen
lag. Eine Zeit
lang verblieb er einfach so, fuhr unermüdlich fort, Titius zu streicheln und zu
liebkosen.
Dabei wurde er selber allerdings immer aufgeregter. Er konnte es selber kaum
fassen.
Eigentlich war es ja stets sein Traum gewesen, dass es zwischen ihnen so war wie
jetzt. Das
war es, was er von Anfang an gewollt hatte. Nicht einen gefühlstoten Körper
unter sich, nicht
die aufgezwungenen Küsse, nicht diese einseitige Befriedigung auf Kosten des
anderen. Erst
jetzt begriff er das vollkommen.
Aber das änderte natürlich nichts daran, dass sein Verlangen nach dem anderen
ihn von
Sekunde zu Sekunde mehr um den Verstand brachte.
Schließlich ging er nun weiter, streifte das Oberteil der Robe ganz von den
schmalen
Schultern. Dazu bewegte er sich nun endgültig auf Titius, schwang sein Bein
über ihn und
kniete über ihm. Das hieß, sein Gewicht hatte er in erster Linie auf seinen
Knien verteilt. Von
oben betrachtete er den freien Oberkörper, dann das Gesicht, um das die
silbernen Haare in
langen Bahnen über das Kissen flossen. Die schön geschwungenen Flügel
wirkten, als hätte
ein Künstler sie bewusst so drapiert, wie sie jetzt lagen.
Titius allerdings sog dabei scharf die Luft ein. So sehr er es auch zu
unterdrücken suchte, die
Bilder seiner Albträume kamen ihm in dieser Situation wieder ins Gedächtnis.
Er schloss die
Augen, versuchte verzweifelt dagegen anzukämpfen. In seinem Magen stieg Panik
auf, als er
Zadei so über sich sah, einen Teil seines Gewichts auf sich spürte, dazu der
Blick aus den
goldenen Augen, deren verlangenden Ausdruck er mittlerweile auch sehr gut
kannte. Auch
wenn diesmal nicht diese Aggressivität und diese Wildheit, die fast an
Besinnungslosigkeit
grenzte, darin zu finden waren. Mühsam kämpfte er gegen die aufkommende Panik
und das
Zittern an, mit dem sein Körper automatisch reagierte.
Zadei sah, wie Titius seine Augen qualvoll schloss, sichtlich unruhig wurde. Das
Zittern
setzte wieder ein und erneute drangen Tränen aus den Augenwinkeln. Die Lippen
waren
aufeinander gepresst und die zarten Hände verkrampften sich. Und ohne
nachfragen zu
müssen, wusste Zadei plötzlich, an welche Szenen sein Engel sich erinnert
fühlte. In diesem
Moment hätte er sich am liebsten selber in Stücke gerissen. Was hatte er nur
getan? Was hatte
er getan?
„Hör zu, Titi... bitte, es tut mir leid! Es tut mir so leid! Was soll ich
denn nur tun? Ich kann es
nicht ungeschehen machen, ich kann einfach nicht, auch wenn ich alles dafür tun
würde!
Alles würde ich ändern, alles! Aber ich kann nicht, ich kann einfach nicht!“
brach es aus ihm
hervor. Er beugte sich vor, legte sich der Länge nach auf Titius, schob seine
Hände unter
seinen Rücken und drückte ihn fest an sich. Ihm kamen die Tränen, ehe er es
verhindern
konnte. „Oh Gott, es tut mir alles so leid!“
Titius öffnete seine Augen wieder, als er spürte, wie Zadei sich an ihm
festklammerte, seinen
Kopf neben seinem im Kissen vergrub. Er selber hob seine Hände, legte sie um
den Rücken
des anderen. Konnte es tatsächlich sein... weinte Zadei? Nur einmal hatte er
ihn so erlebt. Ein
einziges Mal in der Eiswüste. Titius erinnerte sich. Er hatte ihm damals noch
einmal klar
gemacht, dass er seinen Körper wohl haben könne, niemals aber seine Seele.
Und mit einem Mal tat Zadei ihm tatsächlich leid. Über dieses Gefühl vergaß
er im Moment
alles andere. Er schloss seine Arme nun endgültig um den anderen, vergrub eine
Hand in dem
schwarzen Haarschopf, strich liebevoll darüber.
„Es ist okay, Zadei. Ich weiß, du würdest alles tun. Du sagst immer die
Wahrheit.“
Langsam hob Zadei den Kopf, blickte offen in Titis Gesicht. Nicht nur die Worte
hatten ihn
überrascht, sondern auch die Tatsache, dass er ihn duzte, nicht mehr in der
höflichen Form
mit ihm sprach. Ein weiterer Beweis, dass Titius die Distanz zwischen ihnen
einreißen wollte.
„Kannst du mir verzeihen, Titius?“
„Ich weiß nicht. Aber vielleicht... kann ich ja lernen, damit zu leben.“
Titius lächelte leicht.
Und endlich sah Zadei die Wärme in den blauen Augen, die er sich so oft zu
sehen gewünscht
hatte. Von der er gedacht hatte, das sie niemals ihm gelten würde. Aber das Eis
war jetzt
geschmolzen.
„Du brauchst mir nicht verzeihen, das einzige was ich will, ist, dass du keine
Angst mehr vor
mit hast.“
Glücklich küsste er die geliebten Lippen erneut und stieß auch nicht auf
Widerstand.
Nach einiger Zeit versiegte das Zittern sogar abermals und endlich hatte Zadei
das Gefühl, zu
dem anderen durchgedrungen zu sein. Nachdem er noch eine ganze Weile einfach nur
so
verharrt hatte und mit der Hand vorsichtig über den Oberkörper gestrichen
hatte, intensivierte
er den Kuss, strich dann mit der Hand nach unten und streifte nun die schwarze
Robe weiter
nach unten, die Beine hinab, wobei Titius die Augen schloss.
Dann löste er sich kurz, wenn auch unwillig von dem geliebten Körper und zog
ihm das
Kleidungsstück schließlich ganz aus. Aber um Titius nicht zu lange nachdenken
zu lassen und
ihm das Gefühl der Scham zu ersparen, dem er offenbar immer noch unterlag,
legte er sich
sofort wieder auf ihn und zog die Decke über sie beide.
Und Titius fühlte sich so tatsächlich etwas wohler, nahm Zadei in die Arme,
als er wieder zu
ihm kam. Weiter Küsse über dessen Haut verteilend, streichelte Zadei ihn
weiter, fuhr dann
aber mit der rechten Hand immer weiter nach unten, über den Bauch, verharrte
dort. Titius
begann leise zu stöhnen, wusste kaum, wie ihm geschah, als der andere seine
Hand darauf
weiter sinken ließ und schließlich ganz leicht seinen Schritt berührte.
Völlig neue Emotionen
prasselten über ihn herein, er merkte, wie ihm heiß und kalt gleichzeitig
wurde. Aber schon
ließ Zadei wieder von ihm ab, streichelte nun über seine Oberschenkel, erst
herunter, dann an
der Oberseite wieder hinauf.
Sein Stöhnen wurde lauter und ohne es zu registrieren, erregte er Zadei damit
gleichzeitig mit.
Dieser war sich selber nur zu gut darüber im Klaren, dass in der Regel schon
ein Blick zu
Titius, ein Gedanke an ihn ausreichte, um seinen Körper deutliche Signale geben
zu lassen.
Umso extremer war es natürlich jetzt. Verbissen kämpfte er um seine eigene
Beherrschung,
ermahnte sich tausendmal, langsam zu sein, bloß nichts zu überstürzen. Aber
Titius‘ Atem
ging zunehmend schneller, während er in seinen Bewegungen fort fuhr. Außerdem
klammerten die weißen Arme sich fest um seinen Rücken, drückten ihn immer
fester an sich.
Zadei verdrehte die Augen, als er selber mit dem Schritt eher versehentlich kurz
gegen Titis
Schenkel stieß. Und als dieser nun auch noch ein Bein anwinkelte, es gegen
seine Hüfte
drückte, musste er selber laut aufkeuchen, stieß stoßartig die Luft aus. Er
wusste, dass er jetzt
nicht mehr lange würde an sich halten können. Schnell warf er einen Blick in
Titius‘ Augen,
sah allerdings, wie benommen sie wirkten, geradezu glasig. Sein Engel war so von
den neuen
Emotionen, die ihn überfluteten, eingenommen, dass er kaum noch etwas um sich
herum
wahrnahm.
Also fasste auch er jetzt Mut. Schnell, aber nicht zu hastig, öffnete Zadei
auch seine Hose,
zog sie aus. Dann ließ er sich wieder zwischen Titius Beine gleiten, dirigierte
die weißen
Schenkel ganz vorsichtig ein wenig weiter auseinander und in die Richtige
Position, fürchtete
dabei immer noch, Titius würde vielleicht wieder einen Anfall bekommen, würde
mit der
Situation nicht umgehen können. Aber als dieser Zadeis Hüfte spürte, zuckte
er zwar kurz und
seine Atmung beschleunigte sich abermals, er machte aber dennoch keinen
Rückzieher, war
schon gar nicht mehr in der Lage dazu.
Natürlich wusste er, was jetzt kam. Und natürlich erinnerte er sich daran, wie
sehr er sich
immer davor gefürchtet hatte und wie er es verabscheut hatte. Aber er merkte
selber, wie
seine Haut an den Stellen brannte, wo Zadei sie berührt hatte, wie sein ganzer
Körper sich
extrem sensibilisierte. Und er war sich auch der Hitze bewusst, die sich in
seiner eigenen
Mitte sammelte. Sein Körper machte ihm ganz unmissverständlich klar, dass er
jetzt gar nicht
mehr aufhören konnte. Und vielleicht war das auch gut so, viel zu selten ließ
Titius seinen
Körper den Verstand beherrschen.
Und dann spürte er, wie Zadei in ihn eindrang. Keuchend schnappte er nach Luft,
warf den
Kopf nach hinten und kniff die Augen zusammen, als er den ersten Schmerz
spürte, der ihm
mittlerweile gut bekannt war. Aber er spürte Zadeis Lippen, an seinem Ohr die
ein paar
beruhigende Worte flüsterten, dessen Inhalt er nicht mal wirklich verstand.
Dann wieder ein
hungriger Kuss. Und langsam merkte er, wie der erste Schmerz langsam versiegte,
sein
Körper sich ein wenig daran gewöhnte. Dann begann Zadei, sich langsam in ihm
zu bewegen.
Erst in langsamen Rhythmus, dann zunehmend schneller.
Aber es tat schon nicht mehr so weh wie zuvor, zumindest glaubte Titius dies,
wusste
eigentlich gar nicht mehr genau, was er fühlte. Nur noch Hitze. Dann wieder
Kälte. Er schloss
die Augen, konnte kaum noch denken. Er fühlte so vieles. Nie zuvor hatte er so
empfunden,
aber er fühlte sich, als wäre er eins mit Zadei, und das war ein gutes
Gefühl, soviel war sicher.
Er ließ sich vollkommen fallen, merkte, wie ihm immer heißer wurde, bis er
dachte, er müsse
verbrennen, bis er schließlich zu bersten schien. Im selben Moment spürte er,
wie Zadeis
Körper stark erzitterte und sich dann mit einem heftigen, letzten Stoß in ihm
ergoss. Auch in
ihm schien etwas zu explodieren und mit einem erstickten Schrei kam auch er.
Für ein paar Sekunden nahm er gar nichts mehr wahr, erst dann registrierte er,
wie Zadeis
Körper erschlaffte und er sich zitternd auf ihn legte. Erneut schoben sich
starke Arme unter
Titius, drückten ihn diesmal so fest an den größeren Körper, dass ihm fast
die Luft wegblieb.
Aber er fühlte sich wohl, spürte, wie Zadei, sein Gesicht in seinem Nacken
vergrub und ihn
noch immer so fest an sich presste, als fürchte er, sein Engel könnte sich
jeden Moment in
Luft auflösen. In diesem Moment hatte Titi das Gefühl, dass nichts und niemand
ihm mehr
etwas anhaben konnte.
Hier war er sicher, die starken Arme um ihm herum würden das nicht zulassen. Er
war nicht
allein, auch für ihn gab es jemanden, der ihn liebevoll hielt. Und das trotz
allem, was sie sich
gegenseitig angetan hatten. Und jetzt wurde ihm auch klar, dass Zadei ihn schon
die ganze
Zeit auf diese Weise angezogen hatte. Darum war er immer wieder hinunter in den
Keller
gegangen, während Zadei geschlafen hatte, darum waren ihm die einsamen Nächte
so trostlos
vorgekommen, darum hatte sein Körper in der Nacht, als Zadei nach sieben Jahren
endlich
wieder zu sich gekommen war, sofort auf ihn reagiert.
Er war nicht ganz allein. Es war jemand da für ihn. Eine Seite in ihm hatte es
die ganze Zeit
gewusst, er hatte es nur nicht zulassen können. Aber jetzt bereute er es auch
nicht mehr. So,
wie es jetzt war, war es gut. Und mit dieser Erkenntnis schlief er ein.
**********
Trippelnde Schritte tapsten durch den Flur, hielten an einer Ecke an. Ein kurzes
Lauschen, ein
schneller Blick, schon huschte Sherril um die letzte Ecke zu Zadeis Flur. Wie
gut, dass sie so
früh aufgestanden war, noch suchte sie niemand! Da würde sie schnell noch zu
Zadei können.
Schon war die Tür und somit das Ziel in Sichtweite und der Sieg gewiss, als
urplötzlich eine
Hand nach ihr griff und sie an ihrem Kragen festgehalten wurde.
Mit einem Quieken drehte sie sich um. Mist, man hatte sie erwischt! Aber
wer...?
„Oh, guten Morgen, Papa!“ «So ein Mist, ausgerechnet er. Wie schafft er es
nur immer, so
aus dem nichts aufzutauchen?»
„Einen schönen guten Morgen. Wo wollen wir denn so früh hin, junge Dame?“
fragte Laures
mit ernster Miene.
„Wenn ich sagen würde, ich bin extra früher aufgestanden um zu lernen, dann
glaubst du mir
das wahrscheinlich nicht, was?“
„Nein.“
„Ich wollte zu Zadei, wissen, ob das mit dem Auge geklappt hat,“ sagte sie
sofort, sich
rauszureden hatte ja doch keinen Sinn.
„Das kannst du auch später noch. Jetzt ist kein guter Zeitpunkt.“
„Warum nicht?“
„Zadei ist gerade nicht alleine, darum.“
„Wer ist denn bei ihm?“ fragte sie neugierig.
„Das kannst du ihn später selber fragen, aber jetzt wirst du ihn nicht
stören.“ Damit hob er
seine Tochter hoch und nahm sie auf den Arm.
„Du könntest es mir ruhig sagen. Allein schon als Dank dafür, dass ich
gestern für dich den
Boten gespielt habe und Onkel Zadei das Heilpulver gebracht habe, dass du extra
erschaffen
hast. Ich verstehe übrigens immer noch nicht, warum du es ihm nicht selber
gegeben hast.“
Laures lächelte auf seine übliche, geheimnisvolle Art.
„Zadei hätte sich lieber auch noch das zweite Auge ausgestochen, als Hilfe
von _mir_
anzunehmen. Darum habe ich dich geschickt. Außerdem entwickelst du langsam
immer
bessere Heilkräfte, es ist wichtig, dass du sie oft anwendest.“
Sie seufzte plötzlich, als würde eine schwere Last auf ihren Schultern liegen.
Laures sah seine
Tochter an.
„Sherril, ist etwas?“
„Hach, es ist einfach schade, dass du und Zadei nicht so gut miteinander
auskommt. Das
macht alles etwas kompliziert, vor allem, wo ich ihn doch heiraten werde, wenn
ich groß
bin...“
„WAS?!“ Es kam seeehr selten vor, dass Sherril ihren Vater so erlebte, aber
jetzt schienen für
den Bruchteil einer Sekunde seine Gesichtszüge zu entgleisen. Aber er hatte
sich innerhalb
weniger Sekunden wieder gefangen. Lediglich unter seinem rechten Auge zuckte es
ein wenig
verräterisch.
Mit betont ruhiger, aber dennoch bedrohlich klingender Stimmer sagte er dann:
„Ich dachte,
du wolltest Titius heiraten, wenn du groß bist?!“
„Ja klar, mache ich ja auch. Ihn und Zadei. Weißt du, wenn ich erst mal das
Reich regiere,
führe ich die Polygraphie ein,“ verkündete sie fachmännisch.
„Ähm, du meinst wahrscheinlich Polygamie‘?! Wo hast du denn das schon
wieder her?
Außerdem glaube ich nicht, dass Zadei damit so einverstanden wäre. Auch nicht
im Bezug
auf Titius.“
„Ach was, alle sagen immer, als Dämonenfürst ist man die höchste Instanz,
niemand darf sich
unserem Willen widersetzen, nicht war? Im Notfall zwinge ich die beiden einfach
zu ihrem
Glück.“
Laures musste tatsächlich ein wenig schmunzeln. Es war eine durchaus
interessante
Vorstellung, allein Zadeis Gesicht, wenn sie ihm ihren Vorschlag
unterbreitete...
Lächelnd meinte er: „Na ja, ich denke, bis du meinen Platz einnimmst, wird
noch einige Zeit
verstreichen. Und da wird sich sicher noch die eine oder andere Alternative zur
Heirat auftun,
denke ich. Komm jetzt, wir gehen mal nachschauen, wie es deinem Bruder und
deiner Mutter
geht, in Ordnung?“
Sherril nickte zwar und ließ sich bereitwillig von Zadeis Zimmer wegtragen,
ließ es sich aber
nicht nehmen, noch ausführlich zu erklären, dass andere Männer als diese
beiden nicht in
Frage kommen würden, einfach aus den und den Gründen und sowieso und
überhaupt.
Leise diskutierend verschwanden die beiden im Dunkel der Flure, bis wieder
friedliche Stille
vor Zadeis Zimmertür herrschte.
*******
Titius erwachte durch eine Berührung an der Wange. Noch bevor er die Augen auf
hatte,
wusste er, dass es Zadeis Klaue war, die zärtlich an seinem Gesicht entlang
fuhr. Und er hatte
Recht, als er die Augen öffnete, blickte er direkt wieder in die beiden
goldenen über sich.
Verschlafen blinzelte er, bemerkte dann, wie Zadei leicht lächelte.
„Guten Morgen,“ hauchte dieser, streifte dann mit seinen Lippen kurz
Titius‘.
„T’schuldige, ich wollte dich bestimmt nicht wecken, aber ich konnte es
einfach nicht lassen.“
Titius lächelte nun auch, machte aber sogleich ein tadelndes Gesicht. „Ich
weiß, ihr seid
unverbesserlich.“
Aber Zadei verzog das Gesicht. „Schau doch nicht so. Ich bin nun mal, wie ich
bin. Ein
unverbesserlicher Egoist eben. Lächle lieber noch mal, ich will das noch mal
sehen.“
Sein Engel zog eine Augenbraue hoch. „Ich soll was?“
„Lächeln, so wie gerade. Bitte, lass mich das noch einmal sehen.“
Titius kam sich dabei irgendwie doof vor. „Und wenn ich nicht will?“
Zadei verdrehte die Augen. „Du bist echt ein Dickschädel! Du bist kein Stück
besser als ich!“
Damit streckte er entschlossen eine Hand nach einem von den beiden weißen
Flügeln aus und
griff nach einer mittellangen Schwungfeder. Mit einem kurzen Ruck zog er sie
raus und Titius
verzog das Gesicht, blickte ihn dann finster an. „Hey, das tut weh!“
beschwerte er sich.
Zadei grinste nur und drehte das weiße Objekt zwischen den Fingern.
„Die ist doch nicht giftig oder?“
„Das wüsstet ihr jetzt gerne, was? Probiert es doch aus!“
„An dir?“
„Also, Zadei-sama, wenn mein eigenes Gift mir schaden würde, hätte ich ein
gewaltiges
Problem, nicht wahr?“
„Da hast du Recht. Aber mittlerweile kenne ich dich auch gut genug, um zu
wissen, dass die
unteren Schwungfedern bei dir nicht giftig sind. Davon abgesehen schadet mir
dein Gift
sowieso nicht wirklich,“ grinste er triumphierend.
„Schön für euch.“
„Titius, du siezt mich schon wieder,“ fiel Zadei auf. Titius dachte kurz
nach. Stimmt, er hatte
es gar nicht bemerkt.
„Entschuldigt... Entschuldige, ich kann halt auch nicht ganz aus meiner Haut.
Aber ich arbeite
dran, zumindest, wenn wir alleine sind.“
„Dann ist’s gut. Ich bin wahrscheinlich der erste, den du duzt, der nicht im
Rang unter dir
steht. Aber ich glaube es gibt auch noch eine andere Premiere. Du hast vor mir
noch nie mit
jemandem geschlafen, oder?“
Titius sah ihn kleinlaut und mit etwas geröteten Wangen an, im gleichen Moment
begann
Zadei aber, mit der weichen Feder sanft über sein Gesicht zu streifen.
Gedankenverloren fuhr
der schwarzhaarige Dämon die hübschen Gesichtszüge seines, ja _seines_ Engels
nach, der
durch die kitzelnden Berührungen tatsächlich lächeln musste.
Mit kühler Stimme meinte Zadei dann ganz unvermittelt:
„Du gehörst jetzt mir, Titius.“
Einige Sekunden wurde es still, beide sahen einander fest in die Augen.
Titius‘ blaue Augen
wichen Zadeis goldenen nicht aus, als er kaum merklich nickte.
Dann hob er seine Hand an Zadeis Gesicht über sich und zog ihn zu sich runter,
bis sich ihre
Lippen berührten und erneut zu einem Kuss zusammen fanden.
„Ja, so ist es wohl.“
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**Ende**
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