Ascelin Formain von NightStalker ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- "Verdammte Scheiße! Warum muss immer, aber auch jedes einzige, verfluchte Mal, ich die versammelten Idioten dieser Welt retten?" Ascelin fluchte weiter hingebungsvoll, während er sich in dem engen Geheimraum im Keller unter seiner Heimstatt auf den nun unvermeidlich scheinenden Kampf vorbereitete. "Und das alles nur, weil Ormen, dieser Depp, es wieder einmal versaut hat!" Er drehte sich wütend um und ließ den Blick durch seine Zuflucht schweifen. Die aus großen schmucklosen Kalksteinquadern zusammengesetzten Wände des quadratischen Raumes wurden auf allen Seiten von Regalen sowie Gestellen verdeckt, in und auf denen seine Familie genug Waffen und Rüstzeug gelagert hatte, um eine kleine Streitmacht damit zu bestücken. Erhellt wurde Ascelins näheres Umfeld durch eine kleine, rußende Lampe in seiner linken Hand, deren blakende Flamme langsam aber sicher auch das letzte bisschen Sauerstoff aus der ohnehin schon schlechten Luft des fensterlosen Raumes zu ziehen schien. ,Und nebenbei gibt sie der Luft noch eine Duftnote von in der Pfanne verkohltem Fleisch... Ich liebe solch grandiose Tage' dachte Ascelin bei sich, immer noch von Zorn erfüllt. Der hochgewachsene Elf strich sich seufzend eine Strähne des braunen Haares aus der Stirn und trat vor ein anderes Gestell, in dem verschiedene Langschwerter hingen, im Zuge der letzten Überprüfung sorgfältig eingeölt und für eine lange Ruhezeit hier unten im Keller präpariert. Ascelin erinnerte sich noch gut daran, wie diese Prüfung vor knapp einem Jahr stattgefunden hatte... Mindestens ein Dutzend Waffenschmiede, Rüstungsschmiede, Bogner, Gerber und dergleichen hatte im Hof der Burg Er'schabach die Waffen, die Kettenhemden, Lederwämse und den einen oder anderen Kürass überprüft, gereinigt und schließlich eingefettet beziehungsweise -geölt. Unterdessen hatte Warrick, seit langer Zeit treuer Quartiermeister des Geschlechtes derer von Formain, einige wenige vertrauenswürdige des Gesindes immer aufs Neue durch die Burg geschickt, um aus diesem und anderen, ihm sehr ähnlichen, Räumen weitere Gegenstände heranzuschaffen und sie nach der Durchsicht durch die Handwerker wieder an ihre angestammten Plätze zurückzubringen. Ascelin schüttelte den Kopf und versuchte, sich wieder auf die vor ihm liegende Aufgabe zu konzentrieren: Die Rückeroberung seiner Burg. ,Meine Burg - und ich sitze im feuchten Keller darunter, zwischen einem Haufen Waffen und Rüstungen, mit denen ich rein gar nichts anfangen kann, und muss mich verstecken, weil Goeran sich so unglaublich gut auf Ormens Dummheit verlassen konnte...' Kaum dachte er an Goeran von Belzother, denjenigen, der ihm die Burg gestohlen sowie ihn und seine Familie entehrt hatte, verschlechterte sich seine Laune erneut. ,Nicht zuletzt, weil es mein eigener, dämlicher Bruder war, der ihm in seiner grenzenlosen Blödheit das Tor geöffnet hat.' Ascelin kochte vor Wut und Enttäuschung und verfluchte ihren Vater dafür, dass dieser ihm auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen hatte, auf seinen jüngsten Bruder acht zu geben und ihm den Posten des Befehlshabers der Burgwache anzuvertrauen.... "Und das, obwohl dieser Narr genau wusste, dass Ormen sogar zu beschränkt ist, um eine Kartoffel zu schneiden, ohne sich und die Hälfte des Küchenpersonals in höchste Lebensgefahr zu bringen." " 'Mein Sohn, ich weiß, Ormen ist dir lange nicht ebenbürtig; ja, vermutlich ist er auch eine Last für dich - doch versprich mir, dass du mir diesen einen, letzten Wunsch erfüllst' " äffte Ascelin seinen Vater in beißendem Tonfall nach. "Und ich hatte nichts besseres zu tun, als zuzustimmen. Anstatt kurz nachzudenken und zu sagen ,Scher dich zum Teufel' habe ich zugestimmt." Er sah sich immer noch vor dem Totenbette seines Vaters knien, die Ohren ganz dicht an den Lippen seines alten Herrn, als ihm dieser sein Vermächtnis, das Vermächtnis seiner Familie, offenbarte. "Tolles Vermächtnis! Märchen, Wahnvorstellungen alter Männer... Das einzige, was dieses beschissene ,Vermächtnis' mir gebracht hat, war die Aufgabe, Kindermädchen für meinen total minderbemittelten Bruder zu spielen." Hingebungsvoll ließ er seiner Wut freien Lauf. "...und dann muss ich auch noch mit ansehen, wie er alles, was unsere gesamte Familie jemals aufgebaut hat, binnen Augenblicken zerstört...Vermächtnis... Pah... " Murrend griff er sich eines der Langschwerter vom Gestell, wog es in der Hand und machte einige Schläge damit. "Zu schwer. Warum habe ich Volltrottel auch Eleazar zum Schmied gebracht ?" Wütend schleuderte er das Schwert zurück in seine Halterung. Das ganze Gestell wackelte kurz und die Schwerter schlugen gegeneinander und produzierten ein lautes Scheppern. "Hätte ich nicht noch einen, nur einen einzigen Tag warten können ? Wegen einer klitzekleinen Scharte stehe ich jetzt ohne mein Schwert da... Ohne mein Schwert und ohne meine Burg... " Nun heftete er den Blick seiner braunen, eigentlich sanftmütig schauenden, jetzt jedoch vor Zorn blitzenden Augen auf ein weiteres Gestell, diesmal bestückt mit Kurzschwertern sowie einigen Streitkolben. Erneut entrang sich seiner Kehle ein Seufzer. "Allein in diesem Raum ist genug an Waffen, um die Hälfte der Burgwache damit auszurüsten..." Er ballte die behandschuhte rechte Faust und schlug mit voller Kraft gegen das Gestell, welches seine Bemühungen mit einem Krachen quittierte, kurz schwankte und schließlich nach hinten umkippte, worauf sein Inhalt unter lauten Scheppern durcheinandergewürfelt wurde. "SCHEISSE !" Ascelin biss die Zähne zusammen und streckte kurz die rechte Hand. Der fein gearbeitete Lederhandschuh hatte den Aufprall auf dem Eichenholz des Gestells nur leicht abmildern können, so dass er praktisch die volle Wucht des Schlages in seinen Knöcheln zu spüren bekommen hatte. Er benötigte einen Augenblick, um sich zu sammeln und seinen Schmerz zu verdrängen, dann widmete er sich dem umgefallenen Gestell. Oder vielmehr dessen Inhalt. "Und was nützen mir all die Waffen ? Nichts... Ormen, ich schwöre dir..." Während er dies murmelte, zog er ein fein gearbeitetes Kurzschwert hervor und machte auch mit diesem einige Probeschläge. "Schon besser..." Der Elf stellte die Lampe zur Seite und holte von einem Regal nahe der schweren Eichentür, die den einzigen Zugang dieses Raumes darstellte, ein weiches Leinentuch. Mit diesem begann er, den dünnen Ölfilm von Klinge und Griff des Schwertes zu entfernen. Und auch von seiner noch immer schmerzenden Hand - oder vielmehr dem Handschuh, in dem selbige steckte -, denn natürlich hatte er den Griff nicht gesäubert, bevor er die Waffe in die Hand nahm... "Warum auch... Ich bin schließlich Ormens Bruder..." Wieder seufzte er. Sobald er die Klinge sowie seine Handschuhe vom Öl gereinigt hatte, nahm er eine lange Lederschnur von einem Regal an der gegenüberliegenden Wand und wickelte diese langsam und vorsichtig um das Griffstück der Waffe. Nach Vollendung seines Werkes steckte Ascelin das Kurzschwert mit einer geschmeidigen Bewegung in die Scheide an seinem Gürtel. ,Wenigstens kann mich durch die dicken Wände niemand hören...' dachte er bei sich. ,Man würde mich vermutlich nicht einmal bemerken, wenn ich mit einem kompletten Musikzug hier drinnen aufspielen würde... ' Ein erheitertes Lächeln stahl sich auf die Lippen in Ascelins feingeschnittenem Gesicht, als er sich vorstellte, wie der Fanfarenzug derer von Belzother sich hier in diesem Raum zusammenzwängte und mit aufgepusteten Backen versuchte, ein einigermaßen vernünftiges Spiel hinzukriegen. "Nicht, dass irgendwer in diesem gottverlassenen Keller herumlungern würde..." Er schnaubte. "Außer mir natürlich... Aber mit mir kann man es ja machen..." Probehalber zog er das Schwert. Oder vielmehr, er versuchte das Schwert zu ziehen, denn es blieb in der Scheide stecken. "Aaaaaaaargh! Ich hasse es! Warum kann hier nicht plötzlich mein geliebtes Eleazar zwischen dem ganzen Gerümpel liegen ?" Mit verbissenem Gesichtsausdruck zog er stärker am Knauf des Schwertes und befreite es schließlich mit einem langgezogenen Knirschen aus seinem Gefängnis. "Bei meinem heutigen Glück hätte eigentlich die Klinge abbrechen müssen..." Misstrauisch überprüfte er nochmals die Schneide und versuchte, etwaige Schwachstellen oder neu hinzugekommene Schäden zu finden - doch zu seiner Erleichterung konnte er nichts weiter entdecken. Anschließend blickte Ascelin sich erneut im Raum um, fand aber nicht gleich, wonach er suchte. "Irgendwo hier muss es doch eine Scheide für dieses verfluchte Schwert geben... Dutzende Rüstungen, Wämse, Lang- und Kurzschwerter - aber nicht eine einzige Scheide ? Ich fasse es nicht..." Er legte das Schwert aus der Hand, zog seine Handschuhe aus und begann, die Regale systematisch zu durchsuchen. Und nach einiger Zeit fand er tatsächlich einige verschlissene Lederscheiden im untersten Fach des Regals, vor dem er gerade hockte. "Es konnte ja nicht anders sein. Alles, was ich suche, ist immer im letzten Regal, in dem ich schaue..." Missmutig richtete er sich auf und strich sich mit der Linken einmal mehr die Haare aus dem Gesicht, allerdings nicht ohne sich die Hände zuvor an einem weiteren Leinentuch zu reinigen. ,Wenigstens war ich diesmal schlauer und habe die Handschuhe ausgezogen, bevor ich eingefettete Sachen anfasse...' Irritiert stellte Ascelin fest, dass er sich darüber freute, sich nicht wieder die Handschuhe eingesaut zu haben. ,Na Alter, wirst ganz schön bescheiden an so einem beschissenen Tag, oder ?' fragte er sich selbst . Er nahm das Leinentuch, mit dem er gerade seine Hände gereinigt hatte, und entfernte langsam die Fettschicht, mit der die Lederscheide vor Feuchtigkeit und Zeit geschützt worden war. Dann löste er die Scheide seiner Klinge Eleazar von seinem Gürtel und legte sie auf den Boden unter das Regal, bevor er sich die soeben gereinigte umschnallte. Zufrieden stellte er fest, dass sie für das Kurzschwert wie geschaffen schien. Zur Kontrolle zog er die Waffe und machte nochmals einige Übungsschläge, bevor er die Klinge endgültig in der Scheide ruhen ließ. "Immerhin etwas" murmelte er, mit schon deutlich verbesserter Laune. ,Was brauche ich noch?' Ascelin überlegte kurz, bevor er sich entschloss, zuerst eine passende Rüstung herauszusuchen oder gar die gesamte Kleidung zu wechseln bevor er seine Ausstattung mit Waffen komplettierte. Kritisch musterte er die Lederrüstungen, die auf einigen Gestellen untergebracht waren und pickte sich eine heraus, von der er annahm, dass sie ihm halbwegs passen würde. "Warum muss ich auch knapp 2 Meter groß sein - wäre ich so kurz geraten wie Ormen, hätte ich keinerlei Probleme mit diesen verdammten Rüstungen..." Der Gedanke an seinen ungefähr 1,80 Meter messenden Bruder spülte den schon fast versiegten Zorn erneut an die Oberfläche. "Wie kam dieser Trottel eigentlich auf die Idee, das Tor zu öffnen ? Zugegeben, es war das kleine, aber... Verdammt, wir wurden belagert !!" Er schnaubte unwillig. Eigentlich war es unfassbar, das selbst jemand mit der Intelligenz eines Kindes - ,eines Säuglings' korrigierte Ascelin sich schnell - so dämlich sein konnte und das Tor einer belagerten Burg öffnete. "Von innen, versteht sich..." Ascelin schäumte. "Selbst jemand wie Ormen kann nicht so blöde sein und das aus Versehen tun..." Wieder ballte er die rechte Hand zur Faust, hob den muskulösen Arm und hieb auf ein Regal ein. Ein dumpfes Dröhnen erfüllte den Raum, und der Schmerz in Ascelins Hand stand dem vom letzen Mal in nichts nach. "Verdammt..." Ascelin schnappte nach Luft. "Brich' dir ruhig noch die Hand, du Idiot... Es macht bestimmt nichts, wenn du dir die Schwerthand zertrümmerst." Die Stimme des Elfen troff vor Sarkasmus, wenn sie auch durch den Schmerz leicht verzerrt wirkte. "Vielleicht kannst du Goerans Armee auch mit Poesie zu Tode langweilen... Oder ihnen ein Wiegenliedchen singen und sie dann im Schlafe töten, indem du dich mit deinem Elfenarsch auf ihr Gesicht setzt und sie so erstickst..." Langsam ließ das Pochen und Ziehen in seiner Hand nach und die Gedanken fanden zu ihrer normalen Schärfe und Klarheit zurück. Er atmete nochmals tief durch und verdrängte den Schmerz aus seinem Bewusstsein. Anschließend widmete er sich der Frage, ob er es wirklich riskieren konnte, seinen dunkelgrünen Waffenrock mit dem Wappen derer von Formain und den Insignien des herrschenden Lords von Er'schabach anzubehalten. Diese Insignien, ein Bogen, welcher sich mit einem Schwert über einem Turmschild kreuzte, waren gülden auf das Brustteil seines Rocks gestickt. Um den unteren Teil dieses Emblems rankten sich noch Kornähren sowie einige Weinranken. Wie er sich erinnerte, sollte die gesamte Stickerei symbolisieren, dass er und seine Familie der Schild ihrer Untergebenen waren, dass sie dafür sorgten, dass die Bauern und Handwerker unbesorgt ihren Geschäften nachgehen und ruhig schlafen konnten in der Gewissheit, dass von Er'schabach aus über sie gewacht würde. "Pah, ich bin meiner Rolle ja geradezu großartig gewachsen gewesen..." Die Rückenpartie desselben zierte das Wappen seiner Familie: Ein kunstvoll genähter Braunbär unter einer dunkelgrünen Eiche und kennzeichneten ihn als Angehörigen des Hauses Formain. Ascelin überlegte einen Augenblick, dann entschied er sich dazu, sein Gewand nicht abzulegen, da die Rüstung sowohl das Wappen als auch seine persönlichen Insignien auf der Brust verdecken würde. "Und mehr als einen Augenblick werde ich eh nicht haben... Alle, die hier außer Goerans Männern noch leben, sind in dem Augenblick zu ihm übergelaufen, als dieser den Hof betrat... Feiges verräterisches Pack !" Es fiel dem Elfen sichtlich schwer, seine Beherrschung nicht noch einmal zu verlieren, als er sich an den Augenblick erinnerte, in dem Goeran mit seiner Leibgarde in den Hof gestürmt war. "Eine Sekunde, nachdem Ormen, dieser Wichser, das Tor geöffnet hatte... Als wenn Goerans Armee nur darauf gelauert hätte, dass er dieses täte..." Noch immer sah er vor seinem inneren Auge, wie Ormen langsam über den Hof der Burg geschlendert war, scheinbar ziellos, als wolle er sich der Langeweile entziehen. Diese Langeweile, das gespannte Warten auf den nächsten Zug der eigenen oder der gegnerischen Heerführung war jedem Soldaten wohlbekannt. Keiner der Männer vermochte sich ihr zu entziehen und jeder einzelne hatte seine eigene Art, damit umzugehen. Einige verbrachten ihre Zeit damit, herumzuhuren - es könnte ja das letzte Mal sein -, andere pflegten wieder und wieder ihre Waffen zu schärfen, ihre Bögen zu bespannen und ihre restliche Ausrüstung zu überprüfen, wieder andere schlugen die Zeit mit immerdauerndem Training tot. Diese letzte Gruppe war Ascelin die liebste, denn ihre Angehörigen machten keinen Ärger - und etwas zusätzliche Übung hatte noch niemandem geschadet... Eine neue Welle der Erinnerung durchflutete den Elfen, und diese war ebenso schmerzhaft wie die vorherigen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)