Je t'aime von Cowardly_Lion ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Fassungslos starrte Oliver seinen ohnmächtigen Freund an. Im Kopf des Grünhaarigen herrschte heilloses Durcheinander; Robert hatte gerade gesagt, dass er ihn liebte!? Eigentlich war das ja ein Grund zur Freude, aber andererseits war da noch Roberts K.O.... Was machte man da? Mund zu Mund - Beatmung? Elektroschocks? Lieber gleich den Leichenbestatter anrufen? "Ich besorge uns erst mal einen Eimer Wasser, mit dem wir Robert wieder wach kriegen können!", hart bohrte sich Johnnys Stimme durch die Wattebäusche aus Panik in seinem Kopf. "Und icke kümmere mich um Oliver..." Bei diesem Akzent schrillten bei Oliver alle Alarmglocken auf; wenn der omnisexuelle¹ Enrico sich "um ihn kümmerte" war die Knuddelattacke von vorhin noch das Harmloseste, was ihm passieren konnte... Also schnell gaaanz unauffällig weggerobbt! "Alles inne Ordnung bei dir?", als er an dem Bein vor ihm hochschaute, grinste Enrico ihn gespielt treudoof an. Verdammt, warum immer er? Offenbar deutete Enrico sein kalkweißes Gesicht falsch, denn beruhigend fuhr der Blonde fort: "Keine Sorge, bei Robert iste alles in Ordnung! Tut micke so leid, dass Johnny so ausgerastet iste - ihm war einfach nur peinlich, dass Robert unse erwicht hat, wo das mite uns noch so frisch iste." Hatte Oliver das jetzt richtig verstanden? "Du und Johnny seid ein...?!" "Eine Paar? Si!", das Grinsen von Enrico wuchs immer mehr in die Breite, "Und bei diche und Robert iste das nun hoffentliche auch bald die Fall - so, wie ihre euch immer anschaut..." "Apropos anschauen: Wie wäre es, wenn ich euch sozusagen als Wiedergutmachung für den Unfall heute Abend nen Kinobesuch spendiere?", Johnny, der sich von hinten an Enrico angeschlichen hatte, zwinkerte Oliver bedeutungsvoll zu. Entweder hatte der Schotte was im Auge oder das war gerade ein ziemlich offensichtlicher Verkupplungsversuch... "Und du bist dir sicher, dass du in diesen Film reinwillst?", stirnrunzelnd schaute Robert nun schon zum dritten Mal im Kinoprogramm nach, ob er sich nicht vielleicht doch verlesen hatte. "Angriff der außerirdischen Killerzombies" hörte sich nicht gerade nach einer für Oliver typischen Entscheidung an... Heftig nickte der Grünhaarige: Ganz sicher! Aber wenn du lieber in etwas anderes willst..." "Nein nein, schon gut!", seufzend schielte Robert noch mal auf das Filmplakat, das ein mit einer Kettensäge bewaffnetes, grauhäutiges Etwas zeigte; vielleicht hatte das ganze doch einen Vorteil... Oliver reagierte doch immer so emotional und die Aussicht, beim Trösten näher an ihn heranzukommen, war einfach zu verlockend... Stop, halt, völlig falscher Gedankengang! Wenn Oliver herauskriegen sollte, welche Art Gefühle Robert für ihn hegte, würde er ihn sicherlich hassen, immerhin war diese Liebeserklärung vorhin schon verräterisch genug gewesen... ... LIEBESERKLÄRUNG?! Schlagartig lief der Violetthaarige rosa an. Er hatte vorhin doch nicht etwa wirklich... Er musste das ganz dringend möglichst schnell aus der Welt schaffen! Gut gelaunt ließ sich Oliver in den Sitz sinken; gleich würde dieser wundervolle Liebesfilm anfangen, den er schon seit Wochen unbedingt sehen wollte. Und dann auch noch mit Robert neben sich... Vor Vorfreude lief der Franzose rosa an. Endlich ging das Licht im Saal aus, brachte die Dunkelheit die Gespräche und das Knistern von Popcorntüten langsam zum verstummen. Als sich dann auch noch der Filmprojektor flackernd in Gang setzte, kam eben jene Atmosphäre auf, für die Oliver das Kino so liebte... Plötzlich zuckte das Bild eines debil grinsenden, halb verwesten Typs über die Leinwand, der sich gerade an der Leiche einer Frau gütlich tat. Irritiert blinzelte Oliver; das sah jetzt aber irgendwie so gar nicht nach einem Liebesfilm aus... Fünfundvierzig weitere Minuten der Vorstellung, in deren Verlauf sich seine Gesichts- nahtlos seiner Haarfarbe anglich, bestätigten diese Vermutung. Er wollte schon angeekelt den Raum verlassen, da kam ihm eine grandiose Idee: Bei so einem brutalen Film würde Robert bestimmt nichts dagegen haben, wenn er vor Angst schlotternd seine Hand mit der des Deutschen verschränken würde... Oliver stand schon kurz davor, mit seinen Fingerspitzen den Handrücken seines Sitznachbarn zu berühren, da schreckte dieser auf: "Du, ich muss mit dir reden; ganz, ganz dringend!" Ertappt zuckte der Franzose zurück: "Ja? Über was denn?" "Weißt du, als ich gesagt habe, ich würde dich lieben..." "Ja~~~?", nun grinste Oliver wie ein Honigkuchenpferd. Gleich würden sie fallen, die drei magischen Worte, ausgesprochen von dem Mann, der ihm am meisten bedeutete... "Nun, ich hab das nicht so gemeint. Der Schock, weil ich gerade den Fußball an den Kopf bekommen hatte, du verstehst?" Nein, Oliver verstand gerade gar nichts mehr. Langsam sammelten sich Tränen in seinen Augen; er wollte hier nur noch weg, weg vom Grauen der Leinwand, der schlagartig dem realen Horror gewichen war... Sein eigenes Schluchzen mühsam unterdrückend, stand der Grünhaarige wackeligen Schrittes auf und stolperte aus dem Saal. Verwirrt sah Robert ihm hinterher; hatte er da eben tatsächlich Tränen in Olivers Augen aufblitzen sehen? War Oliver etwa abgerauscht, weil... Für einen Moment setzte Roberts Herzschlag aus; was war er nur für ein Idiot! Ein unsensibler, vollkommen verkorkster Idiot! Gemaule und fliegendes Popcorn ignorierend, hastete er aus dem Sessel hoch nach draußen, immer Oliver hinterher; der Mann, den er liebte, hatte gerade einen Nervenzusammenbruch wegen ihm erlitten, wen interessierte da bitte, dass das Publikum (gleich in zweierlei Hinsicht) den cineastischen Weltuntergang miterleben wollte? Kaum raus aus dem Kino, hielt Robert auch schon Ausschau nach seinem Liebsten, konnte jedoch keine Spur von dem Franzosen entdecken. "Oliver!", auch auf das Brüllen des Deutschen kam keine Reaktion. Klopfenden Herzens eilte er die Straße hinab; vielleicht war Oliver ja bloß außer Sicht- und Hörweite?! Als Robert die ganze Straße samt Seitengassen mehrmals auf und ab gelaufen war, gab er es auf. Wahrscheinlich war sein Freund einfach mit einem Taxi zu Roberts Villa unterwegs... Und was wenn nicht? Vielleicht hatte sich irgend so ein perverser Triebtäter seinen armen, gutgläubigen kleinen Liebling geschnappt... Just in diesem Moment klingelte sein Handy. Stimmte ja, hatte er ja aus Rache für den Film in der Hoffnung angelassen, dass er einen Anruf erhalten würde! Genervt hob Robert ab: "Ja, hier Jürgens?" "Hallo, Robert, hier iste Enrico! Icke und Johnny haben gerade Oliver getroffen unde fahren ihne jetzt zu dir. Icke rufe auche nur an, damite du dir keine Sorgen machst. Ciao!" Ein Tuten gab dem Violetthaarigen zu verstehen, dass sein Gesprächspartner gerade ohne eine Erwiderung abzuwarten aufgelegt hatte. So, Oliver war also in einem Auto mit Johnny und Enrico... DAS WAR JA NOCH VIEL SCHLIMMER, ALS ER GEDACHT HATTE!!! Sein Chauffeur! Er musste seinen Chauffeur herbestellen! Während Robert die entsprechende Nummer wählte, fiel sein Blick zufällig auf ein Filmplakat, das ihm vorher entgangen war: Ein engumschlungenes Liebespaar mit dem Untertitel "Je t'aime". Direkt daneben hing das Plakat des Horrorfilms. Konnte es sein...? "...Und dann hat er zurückgenommen, dass er mich liebt!", wie von Sinnen wiederholte Oliver immer wieder diesen einen Satz. Tröstend legte ihm Enrico eine Hand auf die Schulter: "Mache dir nichtse draus, er hat das bestimmt nichte so gemeint!" Eifersüchtig warf Johnny den beiden hinten Sitzenden einen Blick durch den Rückspiegel zu: "Schatz, was habe ich dir über falsche Akzente gesagt?" Unwillkürlich stieß Enrico ein theatralisches Seufzen aus, ehe er sich grinsend zu dem Schotten umdrehte: "Ja ja, ich weiß es doch! Kein Akzent und keine Weiber mehr, sonst ist es aus mit unserer Beziehung; aber manchmal ist es halt so verdammt schwer..." Oliver glaubte, sich verhört zu haben - das war ja... Hieß das etwa...? "Richtig geraten, das war nur eine Masche, um Frauen aufzureißen!", offenbar hatte man seine Verwunderung mehr als deutlich mitgekriegt, denn schmunzelnd fuhr der blonde Italiener fort, "Und ein anderes Mittel ist es, den oder die Angebetete nach allen Regeln der Kunst zu umgarnen, Oliver. Warum schnappst du dir Robert nicht einfach und dann..." Bedeutungsvoll hob sich eine blonde Augenbraue. Verlegen lief Oliver rot an: "Nein, das kann ich nicht! Das will ich nicht! So läuft das nicht ab!" "Wie läuft es deiner Meinung nach denn ab?", erkundigte Johnny sich interessiert. "Äh... Na ja... In Märchen macht die Prinzessin nie so etwas, sie wird immer vom Prinzen gerettet und dann..." "Und dann leben sie glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende? Verdammt, Oliver, du weißt, dass eine Beziehung nicht so funktioniert! Sei doch nicht immer so passiv!", mit sanfter Gewalt beförderte Enrico ihn aus dem Auto, das schon seit einer ganzen Weile vor Roberts Anwesen stand, "Viel Glück noch!" ¹ Mit solchen lächerlichen Begriffen wie homo, hetero oder bi gibt sich unser Enrico doch nicht zufrieden ^.~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)