Kaibas Herz von Idris (Seto x Joey) ================================================================================ Kapitel 10: Ohne Einlass ------------------------ Warnungen: Öhm ... jede Menge sexuelle Anspielungen. ^^** Streckenweise kitschig, Zickenterror ohne Ende und ziemlich viel Roland. oO Vielen Dank an alle, die mir Kommentare oder ENS geschrieben haben und natürlich auch an die, die meine FF empfohlen haben. *__* Ihr seid die Besten! Ihr glaubt gar nicht, was für eine tolle Motivation das ist um weiterzuschreiben, auch wenn man eigentlich ganz dringend lernen müsste. Ich liebe euch! ^___^ Und es tut mir echt leid, dass ich grade so wenig Zeit habe und kaum was anderes hinkriege außer schreiben. *schäm* Wer wieder benachrichtigt werden will bei einem Update - bitte lasst es mich wissen. ^^ Ich habe diesmal echt versucht an alle zu denken. =) Gewidmet ist es diesmal Geburah! ^___^ Vielen Dank - du weißt schon wieso! *___* ~ No one knows what it's like To feel these feelings Like I do And I blame you! ~ (Limp Bizkit: "Behind Blue Eyes") Schulhof? Check. Mensa? Check. Jungentoilette? Check. Bibliothek? Check. Wo zum Teufel steckt der Bastard?! Keuchend halte ich mitten auf dem erschreckend leeren Schulhof inne, stütze die Hände auf die Knie und schnappe erstmal nach Luft. Ich bin grade in der absoluten Rekordzeit von neun Minuten und dreiundvierzig Sekunden durch die gesamte Schule gesprintet, und glaubt mir, das schlaucht. Weit und breit keine Spur von Kaiba. Sonst sitzt er in den Pausen immer irgendwo in einer entlegenen Ecke des Schulhofes oder der Bibliothek, hämmert auf seinem Laptop herum und sieht wahnsinnig beschäftigt aus. Aber überall Fehlanzeige. Er ist auch nicht in der Mensa, wie 80% der Schüler, und prügelt sich um matschige Fischstäbchen. Das wundert mich aber auch nicht wirklich - hat mal jemand gesehen, wie dünn der Kerl ist? Trotzdem ... ich weigere mich zu glauben, dass er sich einfach in Luft aufgelöst hat! Zugegeben, es wäre nicht auszuschließen, dass er für heute genug von der Schule (und mir) hatte und einfach verschwunden ist. Aber das macht er doch nicht, oder? Das wäre doch wie eine Niederlage ... wie ein Eingeständnis dafür, dass ihn doch nicht alles kalt lässt - und ich denke nicht, dass er mir die Genugtuung geben würde. Oder doch ...? Trotz schmerzender Beine und rasselnder Lunge, die meiner achtzigjährigen Oma alle Ehre gemacht hätte, werfe ich den Kopf zurück und renne los. Nein, das macht er nicht. Das kann er nicht. Das darf er nicht, man! Nicht so lange ich da ein Wörtchen mitzureden habe. Wehe, der Penner versucht wirklich sich heimlich aus dem Staub zu machen und mich hier allein mit dem ganzen Schlamassel sitzen zu lassen! Komm schon, Kaiba ... das wäre echt lau! Sogar von dir. Besonders von dir! Ich bin beinah ein wenig enttäuscht von ihm, als seine fette Limousine wirklich das Erste ist, was ich zu sehen bekomme, als ich den Lehrerparkplatz erreiche. Er ist tatsächlich grade dabei hinten einzusteigen ... sich vom Acker zu machen ... mich hier sitzen ... stehen ... was auch immer zu lassen. Ich sehe nur noch, wie die Autotür hinter ihm zugeht und höre, wie der Motor anspringt. Oh nein, Kaiba! So nicht! Der Motor läuft schon und der Knilch am Steuer ist grade dabei loszufahren. Das riesige Schiff hat kaum Platz zwischen den engen Reihen an Autos und manövriert sich ziemlich langsam auf die Straße, aber genau dieser Umstand kommt mir entgegen. Vielleicht ist es einfach der Zorn, der grade in mir aufwallt, oder der Yugi-Mega-Freundschafts-Power-Schub, der noch nachwirkt - aber ich tue es einfach. Ich denke nicht einmal darüber nach. Mir ist nur klar, dass er sich jetzt nicht einfach aus dem Staub machen darf. Also renne ich los. Ohne auch nur daran zu denken, langsamer zu werden, stürze ich mich auf das anfahrende Auto und kriege grade noch einen Türgriff zu fassen. Schwungvoll und ohne Rücksicht auf Leib und Leben reiße ich die Hintertür auf. Reifen quietschen und eine Männerstimme brüllt: "Hey, was zum Teufel ...?!". Ein Ruck geht durch das Auto, als plötzlich jemand abrupt auf die Bremsen steigt und ich werde durch meinen eigenen Schwung nach vorne geschleudert, purzele in das Innere des Wagens ... ... und lande kopfüber auf der Rückbank. Die Tür fällt hinter mir zu, als der Wagen schlingert, und spätestens da presse ich die Augen zu und quietschte nur noch. Rechts und Links um uns hupen Autos, weil wir so abrupt mitten auf der Straße stehen geblieben sind. Sekundenlang denke ich, das war es jetzt, Goodbye, Joey Wheeler, und rechne mit dem großen Crash ... aber, oh Wunder, er kommt nicht. "Oh Gott, was ist das für ein Irrer?!" Das frage ich mich auch grade ... Hechelnd und in einem verdrehten Knäuel aus Armen und Beinen liege ich irgendwo halb auf und halb neben der Rückbank und klammere mich an etwas fest. Mein Rucksack ist scheinbar unter die Sitze gerutscht und liegt jetzt am Boden - direkt neben meinem Stolz. Joey Wheeler ... ungeplanter Suizidversuch, die Zehnte. Macht das ja nicht zu Hause nach. Erst als mein Gehirn endlich aufhört unter meiner Schädeldecke zu rotieren, öffne ich langsam wieder die Augen. Schlagartig werden mir zwei unangenehme Tatsachen auf einmal bewusst. Erstens - irgendjemand hält mir grade eine Waffe ins Gesicht. Zweitens ... ich liege quer auf etwas, dass aussieht, wie ... Kaibas Schoß. Und sich anfühlt wie Kaibas Schoß. Und - oh heilige Scheiße - es IST Kaibas Schoß! Joey Wheeler - ungeplanter Suizid, die Elfte. Er wird mich filetieren! Langsam und schockiert hebe ich den Kopf, nicht sicher, mit welcher der tödlichen Gefahren ich mich zuerst auseinandersetzen soll. "Ähm ... Kaiba, hör zu ... ich ..." Ich habe eine Erklärung! Ganz sicher! Gib mir nur drei Sekunden, um sie mir zu Recht zulegen ...! "Keine Bewegung", knurrt eine tiefe Stimme. Sie stammt von dem Anzugtypen mit Sonnenbrille, der mich vom Beifahrersitz aus bitterböse ansieht und grade dabei ist, seine Automatik zu entsichern. "Hände hoch, Kleiner!" "WAS?! Hey ...!" Entsetzt klammere ich mich an dem Erstbesten fest, was mir zwischen die Finger gerät. Und das ist Kaibas Bein. Oh Gott, Kaibas Bein! "Ich bin unschuldig!" "Wheeler ..." ertönt es tonlos über mir, und ich sehe auf. Sein Gesicht ist vollkommen unbewegt, aber sein Blick sieht tatsächlich ein wenig geschockt aus. Man könnte glatt meinen, er ist irgendwie überrascht mich zu sehen. Aber vielleicht schmeißt sich nicht jeden Tag jemand so suizidal in seinen Wagen und hält den gesamten Verkehr auf, keine Ahnung. Oder es hatte noch nie zuvor jemand so frontalen Kontakt mit seiner Schrittregion. Argh! Kein guter Gedanke, kein guter Gedanke! "Sir, kennen sie den Attentäter etwa?" "Geht's noch? Was heißt hier Attentäter?" fauche ich. Wer zum Teufel ist denn die Pflaume? Etwa sein Bodyguard? Das kann ich um Kaibas Willen nicht hoffen. "Ich wollte nur mit ihm reden. Ist das verboten?" "Ich fürchte, dies ist tatsächlich ein ... ähem ... vager Bekannter von Seto Kaiba", ertönt es in diesem Moment trocken vom Fahrersitz, und eine weitere Sonnenbrille dreht sich zu mir um. Meine Augen weiten sich überrascht, als mir klar wird, wer das ist. "Roland, Kumpel ...", sage ich erleichtert. "Danke, man - sie retten mir grade die Eier ..." "Das reicht jetzt!" Kaibas scharfe Stimme lässt uns alle zusammenzucken. Offenbar hat er sich wieder von dem Schock erholt, dass ich mich grade äußerst südlich seiner Hemisphäre befinde und an sein Bein klammere wie ein verängstigtes Karnickel. "Das ist hier kein Kaffeekränzchen! Packen sie gefälligst die Waffe weg, sie Vollidiot, und versuchen sie sich nächstens nicht ganz so inkompetent anzustellen - sonst werde ich sie feuern." "Aber, Sir ...!" "Roland - wischen sie sich das Grinsen aus dem Gesicht und fahren sie endlich los! Wir halten den gesamten Verkehr auf. Und was dich angeht ..." Der Blick, den er mir zuwirft, ist mehr als Unheil verkündend. "Nimm auf der Stelle die Pfoten von mir! Ich bin nicht dein Kuscheltier, Wheeler!" Was heißt denn hier Kuscheltier?! Also, von dem mentalen Bild bekomme ich garantiert ein Trauma ... So hastig als hätte ich mich an ihm verbrannt, reiße ich die Hände von seinem Bein und krabbele so schnell es geht von ihm weg. Leider scheint Roland sich genau in diesem Moment dazu entschlossen zu haben, der Aufforderung seines Bosses Folge zu leisten und fährt so ruckartig an, dass ich prompt das Gleichgewicht verliere und von der Rückbank taumele. Ich stolpere nach hinten und meine Kehrseite macht schmerzhaft Bekanntschaft mit dem Boden. "Au ..." "Selber schuld", stellt Kaiba mitleidslos fest, während er ein Bein über das andere schlägt, die Arme verschränkt und kalt auf mich hinabsieht. "Und jetzt - raus aus meinem Wagen!" "Hast du sie noch alle?! Wir fahren ja schon!" "Das hat dich doch eben auch nicht aufgehalten." "Vergiss es!" knurre ich ebenso pampig zurück und angele nach meinem Rucksack, der zu seinen Füßen liegt. Langsam rappele ich mich wieder auf und lasse mich neben ihn auf die teure Ledergarnitur fallen. Finster sehe ich ihn an und zische: "Ich weiß, dass es dir sicher am liebsten wäre, wenn ich mich jetzt vor den nächsten Laster werfe, aber den Gefallen tu ich dir bestimmt nicht!" "Ja, das ist zu schade, Wheeler", zischt er zurück. "Verdammt, du kannst mir nicht bis in alle Ewigkeit aus dem Weg gehen ...!" Er schnaubt verächtlich und wendet den Kopf ab. "Bild dir nur nicht zu viel ein. Wer sagt, dass ich dir aus dem Weg gehe?" "Du haust sogar aus der Schule ab, um nicht mit mir reden zu müssen ...wie billig ist das denn?!" explodiere ich. "Ich bin nicht abgehauen." Er versucht ruhig zu klingen, aber ich kann tatsächlich hören, wie seine Zähne knirschen, so fest presst er sie aufeinander. "Ach nein? Wie würdest du das sonst nennen?!" "Ich bitte dich." Er hebt verärgert eine Augenbraue. "Wir hatten gestern Nacht einen unvorhergesehenen Stromausfall, für den ich die Ursache nicht kenne. Was glaubst du, was ich für den Rest der Nacht getan habe?! Ich habe im Augenblick wirklich Besseres zu tun, als mich mit dir zu beschäftigen!" Autsch. Treffer. Versenkt. Er hat doch immer etwas Besseres zu tun, als mich ... "Keine Sorge", beiße ich zurück, "ich hatte nicht erwartet, dass du an mich denkst und dabei wehmütig Rosenblätter auf mein Photo streust!" "Werd nicht lächerlich!" "ICH?! Ich bin nicht derjenige, der sich schon den ganzen Tag aufführt, wie eine Diva auf PMS!" "..." "Was? Was ist ...?" Als er nicht antwortet, folge ich seinem Blick und wende den Kopf nach vorne. Erst dann wird mir bewusst, dass wir nicht allein im Auto sind und dass dieses Gespräch grade mehr als peinlich wird. Zwei Sonnenbrillen sind im Rückspiegel auf uns gerichtet und folgen interessiert jedem Satz, als seien wir eine Nachmittags-Talkshow. "Roland!" "Sir?" "Ich würde es sehr begrüßen, wenn sie beim Fahren auf die Straße sehen." Kaibas Stimme ist frostig. "Ja, Sir. Natürlich." Roland räuspert sich hastig, aber das Grinsen in seinem Gesicht will einfach nicht verschwinden. Wegen der Sonnenbrille kann man ohnehin nicht sicher sein, wo er grade hinsieht. Kaiba gibt ein wütendes und gleichzeitig resigniertes Knurren von sich und massiert sich mit einer Hand die Schläfen. Mit der anderen Hand drückt er einen Knopf, der sich an seiner Armlehne befindet. Sofort beginnt eine schwarze Scheibe, die den Wagen in zwei Hälften teilt, direkt hinter den Vordersitzen hochzufahren. "Rosenblätter...?" zischt er leise in meine Richtung. "Manchmal fasse ich einfach nicht, was in deinem Kopf vor sich geht ..." Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich rot werde. Ich habe selbst keine Ahnung, was mich da geritten hat. "Sorry ...", murmele ich verlegen. "Das ist mir so rausgerutscht ..." "Ohne Worte." Er seufzt und verdreht die Augen. "Und jetzt setz dich hin und schnall dich gefälligst an." "... was?" Hat der grade keine anderen Probleme? Er dreht den Kopf und sieht mich endlich direkt an. "Ich werde dich nicht mehr los, oder? Also schnall dich gefälligst an und hüpf hier nicht rum wie ein Affe. Sobald wir die Kaiba Corporation erreicht haben, wird Roland dich zurück zur Schule fahren." "Aber will nicht in die Schule!" "Und ich will nicht mit dir reden! Schade, dass wir nicht immer kriegen, was wir wollen." Ich seufze und verziehe das Gesicht zu einer frustrierten Grimasse. Irgendwie läuft das alles nicht wie geplant. Widerstrebend greife ich nach dem Gurt und schnalle mich an. Ich wette, das ist sowieso wieder nur so eine versicherungstechnische Geschichte, wieso er darauf besteht, dass ich das mache. Mit Kaiba zu reden, ist manchmal einfach nur, wie gegen eine Betonmauer zu laufen. Es frustriert ohne Ende, weil du keinen Schritt weiterkommst ... und irgendwann beginnt es verdammt wehzutun. Aber ich will da jetzt durch und ...zum Glück weiß ich durch jahrelange Erfahrung, dass ich einen harten Schädel habe. Außerdem ist selbst streiten besser, als wenn er mich anschweigt. Unwillkürlich frage ich mich, ob ich diese Mauer noch einmal so zum Einstürzen bringen kann ... so wie letzte Nacht. Wobei ich immer noch nicht sicher bin, wie ich das eigentlich angestellt habe. Kaiba ohne Kontrolle, ohne tausend Abwehrmechanismen, einfach nur er selbst ... verwirrt, wütend, frustriert, gewalttätig, hilflos ... aber endlich er selbst ... das war es auf jeden Fall wert. Es ist seltsam still zwischen uns, besonders nachdem das Auto eben noch mit unserer lautstarken Auseinandersetzung angefüllt war, und sein Blick ist abwesend und emotionslos aus dem Fenster gerichtet. Seine Arme sind verschränkt und sein ganzer Körper hat eine abweisende, steife Haltung eingenommen. Wieso hat er überhaupt diese private Trennscheibe hochfahren lassen, wenn er doch nicht vorhat, weiter mit mir zu reden? Jetzt wird Roland denken, wir tun hier was ganz Schlimmes. Und ich will nicht mal wissen, was das sein könnte! Irgendwann, als ich die Stille nicht mehr aushalte, beginne ich in meinem Rucksack zu kramen und zerre langsam etwas aus seinen Untiefen hervor. Es ist kühl und unförmig und hat feuchte Spuren auf meinen Schulbüchern hinterlassen. Wortlos halte ich es ihm hin. Er wendet überrascht den Kopf. "Hier, das ist für ..." Ich mache eine vage Bewegung Richtung Schläfe. Er runzelt die Stirn und macht keine Anstalten es entgegenzunehmen. "Was soll das?" "Das ist ein Eisbeutel", fühle ich mich genötigt zu erklären. "Ich habe ihn im Krankenzimmer mitgehen lassen, als ich die halbe Schule nach dir abgesucht habe. Hier ... auch wenn du es nicht verdient hast." "Ich weiß, was das ist", knurrt er unwirsch, aber seine Stimme klingt mehr überrascht, als verärgert. "Du hast ihn mitgehen lassen?" "Nur geborgt. Ich werde ihn natürlich wieder zurückbringen", versichere ich. "Er ist inzwischen leider nicht mehr so kalt, weil ich ihn die ganze Zeit mit mir herumschleppen musste ..." "Wieso?" "Was wieso?" "Was soll das? Wieso machst du das?" Ich sah die Eiswürfel und musste sofort an dich denken? Ich brauchte was Schweres, um es dir notfalls an Kopf zu werfen, wenn du fies zu mir bist? Nein. Ich muss daran denken, was Yugi eben gesagt hat. Karten auf den Tisch. Keine Spielchen mehr. Und da ich widerstrebend zugeben muss, dass Yugi im Durchschnitt wirklich mehr Duelle gewinnt als ich, beschließe ich ausnahmsweise seiner Strategie zu folgen. Herz der Karten. Mut zur Wahrheit. Was auch immer. Vielleicht hat das ja mehr Erfolg als ihn anzubrüllen. "Weil es mir leid tut, okay?" So, das ist die Wahrheit. Ich atme tief durch und werfe ihm einen raschen Seitenblick zu. "Also ... das! Ich meine, es war meine Schuld ... wegen der Taschenlampe ... Und es ... also, es sieht wirklich ziemlich ... schmerzhaft aus." "Hmpf." Er gibt ein unwilliges Geräusch von sich und sieht mich finster an. Trotzdem kommt der herablassende Gesichtsausdruck nicht so gut zur Geltung wie sonst - was tatsächlich an dem bösen Veilchen liegen könnte. Ich muss grinsen. Das kommt sicher nicht gut, wenn man grade dabei ist, sich zu entschuldigen ... aber dieser Anblick hat einfach was. Seto "Ich-bin-ja-so-viel-toller-als-ihr-alle" Kaiba mit den Spuren einer ganz ordinären Schlägerei im Gesicht. Ich komme nicht drüber weg. "Nun, nimm es schon", sage ich. "Das hilft wirklich - glaub mir, ich kenne mich damit aus." Als er immer noch keine Anstalten macht sich zu bewegen, sondern mich nur misstrauisch ansieht, verliere ich die Geduld. Ich hebe die Hand und drücke den Eisbeutel behutsam gegen seine Schläfe. Er zuckt zusammen, ob vor Überraschung oder wegen der plötzlichen Kälte, weiß ich nicht. Sekundenlang rechne ich damit, dass er so weit es geht von mir abrückt - was nicht weit wäre, wenn man in Betracht zieht, dass er am Fenster sitzt. Die Rückbank wäre allerdings lang genug, dass wir miteinander Badminton spielen könnten, wenn er es drauf anlegt - aber er tut es nicht. Er sieht mich nur finster an und lässt es geschehen. "Er ist auch nicht vergiftet", füge ich hilfreich hinzu. "Danke. Ich hatte nicht vor, ihn zu essen." Ich räuspere mich und beiße hastig auf meine Unterlippe, um mir ein Grinsen zu verkneifen. "Das ... ähm ... hatte ich nicht angenommen." "Joseph Jay, ich warne dich." Er wirft mir einen schiefen Blick zu. "Solltest du anfangen zu lachen, werde ich dir sehr, sehr wehtun müssen." "Du ... ähm ... wirst mir das mit der Taschenlampe aber nicht für alle Ewigkeit vorhalten, oder doch?" frage ich vorsichtig. Sekundenlang wendet er den Kopf ab und tut, als hätte er etwas unglaublich Spannendes am Fenster erspäht, bevor er sich wieder zu mir umdreht; aber er ist nicht schnell genug. Ich habe es trotzdem gesehen. Das Lächeln, das drauf und dran war, sich auf seinem Gesicht auszubreiten. "Oh, verlass dich darauf - das werde ich." "Nun sei nicht so nachtragend ... es war doch keine Absicht. Ich wollte nur heldenhaft deine Firma verteidigen! Sei mir lieber dankbar." "Sieh es ein - nicht jeder Straßenköter ist gleich Lassie." "Blödmann", knurre ich. "Versager", erwidert er, und es klingt nicht einmal böse. Danach sind wir still und ich bin damit beschäftigt den Eisbeutel vorsichtig auf die Schwellung zu drücken. Ein paar Haarsträhnen aus seinem methodisch geschnittenen Pony streifen meine Finger, als er den Kopf ein wenig neigt, und seine Augen sind unablässig auf mein Gesicht gerichtet. Ich lache nicht, auch wenn die Situation einiges an komischen Elementen hat. Aber jetzt grade, in diesem Moment, ist mir nicht danach. Ich meine, ich sitze neben Seto Kaiba, in seiner schicken Limousine, und halte ihm einen Eisbeutel an den Kopf. Und den Blick, mit dem er mich die ganze Zeit ansieht, kann ich auch nicht zuordnen - er schwankt irgendwo zwischen Frustration, Verwirrung und vielleicht einem kleinen bisschen Belustigung. Er macht nicht einmal Anstalten den Beutel selbst zu halten, der verwöhnte Bengel. Aber das ist schon in Ordnung so ... ausnahmsweise. Es sind Momente wie diese, wo ich denke ... so schlimm ist er gar nicht. Versteht mich nicht falsch, er ist schon schlimm auf seine Weise - aber eben nicht immer. Nicht jetzt grade. Er ist beinah ... erträglich, wenn er so ruhig ist und still hält und mich einfach da sein lässt, und seine Haarspitzen auf meinen Fingern kribbeln. Unsere Beine liegen so dicht nebeneinander, dass sein Oberschenkel ununterbrochen an meinen entlang streift, und ich muss daran denken, wie ich mich eben noch daran geklammert habe. Allein die lebhafte Erinnerung sorgt dafür, dass mein Gesicht beginnt, in unvorteilhaften Rottönen zu glühen. Aber nicht einmal das führt dazu, dass ich diesen Augenblick beenden will. Da sind nämlich eine ganze Menge Dinge, die ich ihm sagen will und noch mehr Fragen, die ich ihm stellen möchte. Seit letzter Nacht schwirren sie mir im Kopf herum und er ist der Einzige, mit dem ich darüber reden kann. Aber fürs Erste bin ich schon dankbar, dass er zulässt, dass ich so dicht neben ihm sitze. Natürlich auch, dass er mich nicht aus dem Auto und vor den nächsten Laster schubst. Er ist es, der schließlich das Schweigen bricht. "So, das reicht", stellt er abrupt fest und hebt die Hand. "Hast du dein schlechtes Gewissen jetzt genug beruhigt ...?" "Wie bitte?!" "Der schockierte Hundeblick steht dir nicht, Wheeler." Mit einem durch und durch selbstgefälligen Gesichtsausdruck greift er nach dem Eisbeutel und nimmt ihn mir aus der Hand. "Ich hoffe, du fühlst dich jetzt besser und springst nicht vor lauter Schuldgefühlen von der nächsten Brücke." Oh man - das ist so typisch Kaiba, dass mir glatt die Worte fehlen. Ich bin ausnahmsweise nett und er schafft es irgendwie alles so zu drehen, als sei er derjenige, der mir großzügig einen Gefallen tut. "Ein einfaches ,Dankeschön' hätte es auch getan, du Bastard!" knurre ich. Seine Erwiderung besteht darin, den Eisbeutel kommentarlos in meinen Schoß fallen zu lassen. Waaah! Autsch! Kalt! Ungünstige Stelle! Hastig und mit wedelnden Händen entferne ich das Eis von meinen Kronjuwelen, bevor es dauerhaften Schaden anrichten kann und die edlen Teile noch an Wert verlieren. "Sieh es ein - das Chaos, was du rechts und links um dich verbreitest, kannst du nicht immer mit einem Eisbeutel beseitigen." Es klingt nachdenklich. Oder es würde nachdenklich klingen, wenn es nicht Kaiba wäre, der es sagen würde. "Aber es ist typisch für dich, dass du es versuchst." Weltfrieden ... ist nur einen Eisbeutel entfernt! Was für ein Chaos denn? Er ist doch derjenige, der mich mit seinem Verhalten die Wände hochtreibt ... Ich komme nicht mehr dazu, etwas Produktives zu erwidern und auch nicht mehr dazu, ihn zu fragen, was das jetzt wieder bedeuten soll, denn in diesem Moment hält der Wagen an. Verdammter Mist. So lange wir in einem fahrenden Auto festsaßen, konnte er mir wenigstens nicht aus dem Weg gehen. Jetzt sieht das schon gleich ganz anders aus. Ich höre wie jemand aussteigt und um das Auto läuft, dann wird auf Kaibas Seite die Tür geöffnet. Natürlich ist es Roland. "Wir sind da, Sir." Verdammt. Angespannt sehe ich Kaiba an und warte auf etwas von ihm ... irgendetwas, ein Wort, ein Blick, ein Signal, irgendetwas, dass man als Versuch zwischenmenschlicher Kommunikation werten könnte. Irgendetwas, das ... mir irgendetwas sagt. Ich meine, er kann ja jetzt schlecht aussteigen und mich hier sitzen lassen, als ob alles normal und in Ordnung wäre ... "Danke, Roland." Okay. Er KANN. Ohne einen weiteren Blick an mich zu verschwenden, greift Kaiba nach seinem Aktenkoffer und steigt aus. "Bringen sie Wheeler zurück in die Schule. Danach fahren sie wieder hierher und kommen in mein Büro", befiehlt er. Mein Unterkiefer liegt irgendwo auf dem Boden und ich habe Mühe ihn wieder hochzukriegen. Was soll das denn jetzt?! Was denkt der sich? Ich erwarte ja wirklich nicht viel von ihm - aber doch mehr als das! Er kann mich doch nicht einfach so sitzen lassen! Ist das jetzt sein neues Hobby? Lassen wir Joey doch einfach mal irgendwo sitzen?! "Natürlich, Sir." "Verzichte, kein Bedarf." Grade noch halte ich die zufallende Tür auf, krabbele aus dem Auto und stürze hinter ihm her. "Verdammt Kaiba, warte!" "Master Joey - ihr Rucksack!" "Ups ... danke, Kumpel." Hastig reiße ich ihn Roland aus der Hand und sprinte Kaiba hinterher, der mit raschen Schritten auf den Eingang der Kaiba Corporation zugeht. Er sieht nicht nach rechts und nicht nach links, und definitiv nicht zu mir. Er geht so schnell, dass es haarscharf davor ist, als weglaufen klassifiziert zu werden. "Warte gefälligst! Wir sind noch nicht fertig miteinander!" "Roland?" "Sir?" "Ich überlasse ihn ihrer Verantwortung. Sorgen sie dafür, dass er pünktlich zum Englischunterricht wieder in der Schule ist. Irgendwie." "Aber Sir ...?" "Notfalls tragen sie ihn ins Auto." "Master Joey, wenn ich sie höflich bitten darf ..." "Hey, ich kann Karate!" fauche ich vorsichtshalber, auch wenn Roland keine Anstalten macht, mir zu nahe zu kommen. Er sieht einfach nur unsicher zwischen uns beiden hin und her und fährt mit einem Taschentuch über seine feuchte Stirn, während er uns hinterherläuft. "Das halte ich für ein Gerücht." Kaiba hebt seine freie Hand, zieht eine Chipkarte aus seiner Tasche und lässt sie durch einen Schlitz an der Tür gleiten. Sein Blick ist so abweisend, als hätte ich nicht grade Krankenschwester für ihn gespielt und vor weniger als zwanzig Minuten noch in seinem Schoß gelegen. Als wären wir nur so was wie weitläufige Bekannte, die sich grade zufällig begegnet sind, und ich hätte ihn um Geld angebettelt oder so was. Ich meine, ich erwarte ja nicht, dass er mich irgendwie besonders behandelt ... okay, vielleicht doch ... aber nur ein bisschen ... bitte, lass mich nicht hier stehen, Kaiba ...! Frustriert hebe ich die Arme. "Hallo? Sieh mich wenigstens an, wenn ich dich anschreie!" "Oh Bitte. Langsam wird dein Auftritt peinlich ..." "Peinlich?" fauche ich wütend. "PEINLICH?! Du hast keine Ahnung, wie peinlich ich werden kann, wenn du es darauf anlegst! Was soll ich denn tun, damit du mir endlich zuhörst? Mir ein Baströckchen aus Duellmonster-Karten umhängen und Lambada tanzen?!" Roland gibt ein komisches Geräusch von sich, was haarscharf an einem Lachen vorbeischrammt, aber er schafft es grade noch rechtzeitig, es als Räuspern zu tarnen. Kaiba wirft uns beiden einen vollkommen überstrapazierten Blick zu. "Wheeler, ich habe es dir schon einmal gesagt - ich habe im Moment Wichtigeres ..." "Ihr Zugang wurde verweigert." Wir halten beide gleichzeitig inne und starren auf die Tür. Sekundenlang sind sämtliche Differenzen kurzfristig beigelegt. Habe ich das grade richtig gehört? Hat er sich vielleicht in der Haustür geirrt? Seine eigene Firma verweigert ihm den Eintritt? Seinem Blick nach zu urteilen, kann Kaiba es offenbar auch nicht glauben. "Verdammt, was soll das?!" zischt er und lässt die Karte erneut durch den Schlitz gleiten. Man kann einiges über ihn sagen, aber Geduld gehört nicht zu seinen Tugenden. "Ihr Zugriffscode konnte nicht identifiziert werden. Ihr Zugang wurde verweigert", verkündet die mechanische Stimme, und es dauert einen Moment, bis ich trotz des ausdruckslosen Tonfalls erkenne, wessen Stimme das ist. Meine Augen weiten sich überrascht. "M.I.C.A ...!" grollt Kaiba in einem Tonfall, den er sonst nur für sein leidenschaftliches "Wheeler!!" reserviert hat. Er atmet tief durch, und ich kann förmlich sehen, wie er innerlich um Kontrolle ringt. Seine Bewegungen, mit denen er die Karte erneut durchzieht, sind ungewohnt fahrig, beinah hektisch. Man könnte meinen, er kann es wirklich kaum abwarten, von hier wegzukommen. Hat er wirklich so einen Widerwillen dagegen mit mir zu reden ...? "Roland!" "Sir?" Es klingt nervös. "Was hat das zu bedeuten? Ich dachte, wir hätten dieses ...Problem erledigt." "Nun ja, Sir ... nicht direkt ..." "Keine Ausreden! Ich hatte doch angeordnet sämtliche infizierte Programme neu zu konfigurieren!" Ich tausche verwirrte Blicke mit Roland aus - so weit man eben mit jemandem Blick austauschen kann, der eine Sonnenbrille trägt. "Was ist los?" zische ich leise in seine Richtung. Roland sieht vorsichtig zu seinem Boss, der damit beschäftigt ist wütend Zahlen auf eine Schaltfläche einzuhämmern, bevor er zurückflüstert. "Das geht schon den ganzen Tag so. Machen sie sich keine Gedanken. Scheinbar eine ... ähm ... Störung im System." "Störung?" Also bitte, wen versucht er denn davon zu überzeugen? Das ist keine Störung - das ist Zickenterror! Aber irgendetwas an Mika ist komisch. Ihre Stimme ist vollkommen tonlos und sie wiederholt nichts weiter, als die drei einprogrammierten Standardsätze. Da sind keine Beleidigungen, keine bedrohlich herumfahrenden Kameras, keine Laserwaffen, die auf uns gerichtet werden und kein psychopathisches Gelächter. Niemand, der mir an die Wäsche will. Irgendetwas ist nicht in Ordnung hier, so viel ist sicher. "Ihr Zugang wurde verweigert", wiederholt sie grade monoton, und langsam beginne ich, mir ein wenig Sorgen zu machen. Kaiba hat ihr doch wohl nichts angetan, oder? Ich meine, so was wie ein paar lästige Zeugen beseitigt ... Zeugen für gewisse ... unliebsame Ereignisse der letzten Nacht ... Gruseliger Gedanke. Aber zuzutrauen wäre es ihm. "Kaiba!" Ich bin selbst überrascht, als ich mich plötzlich mit ausgebreiteten Armen zwischen ihm und der Tür wiederfinde. "Was machst du denn da?! Wieso bist du so gemein zu ihr?" Mit schmalen Augen sieht er mich an. "Ich weiß nicht, wovon du redest. Und jetzt verschwinde gefälligst, Wheeler." "Verdammt ... 'Wheeler' mich nicht!", zische ich so leise, dass Roland es nicht hören kann. "Geh mir aus dem Weg! Ich kann das jetzt nicht gebrauchen ...!" zischt er ebenso leise zurück. "Sag mir einfach, was hier los ist! Und wag es nicht, so zu tun, als ob mich das nichts angeht!" Ich könnte wetten ... ich könnte so was von wetten, dass das irgendwas mit letzte Nacht zu tun hat - und mit der Tatsache, dass Mika uns gesehen hat ... "Ich habe keine Zeit für ...!" "Ich weiß, ich weiß! Du hast keine Zeit für mich. Erzähl mir doch mal was Neues!" Frustriert fahre ich mir durch die Haare und senke meine Stimme noch mehr. "Denkst du nicht, dass du mir wenigstens das schuldest? Ein bisschen Zeit ...?" "Herrgott ..." Er stützt die Hände rechts und links von mir an der Sicherheitstür ab, schließt sekundenlang die Augen und atmet tief durch. "Joey ..." Überrascht klappe ich den Mund wieder zu und beiße mir auf die Unterlippe, vergesse alles was ich sagen wollte. Es ist nur ein einziges Wort, mein Name ... aber es klingt so gequält und beinah bittend ... wenn man von der Tatsache absieht, dass Kaiba nicht bittet. Ich sehe genauer hin, und zum ersten Mal merke ich, wie müde er aussieht. Müde. Frustriert. Erschöpft. Ist das der Grund, wieso er die ganze Zeit vor mir davonläuft ...? Nicht, weil er nie wieder mit mir reden und mich nie wieder sehen will - auch wenn man diese Möglichkeit nicht außer Acht lassen sollte -, sondern nur, weil ihn das alles genauso überfordert wie mich ... weil er genug andere Probleme am Hals hat und nicht die Energie und den Nerv, sich auch noch mit Klein-Joeys Herzweh auseinanderzusetzen? Er wirkt so gehetzt, als macht es ihm Angst, mit mir zu reden. Als rechnet er jeden Moment damit, dass ich ihm etwas sage, dass er nicht hören will. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wieso er davonläuft ... und ich weiß nicht, was ihm so zusetzt. Alles was ich weiß, ist, dass die ganze Wut auf ihn, die sich in mir angestaut hat, von einer Sekunde auf die andere verschwunden ist. "Hey ...", sage ich leise und schlucke sekundenlang alles andere, was mir auf der Seele brennt hinunter. "Was wenn du mit ihr redest und sie einfach nett bittest? Vielleicht macht sie dir dann auf?" "Nein. Glaub mir, das wird nicht funktionieren." "Wieso nicht?" Er zögert kurz. "... weil ich ihre Persönlichkeit heruntergefahren habe." "Du hast ... WAS?!" Also, das glaube ich jetzt nicht ... "Wie zum Teufel geht das denn?!" Er seufzt und schüttelt den Kopf. "Frag nicht. Frag einfach nicht. Details würden jetzt zu lange dauern." Oh man ... ich wusste es. Er hat sie umgebracht. Mundtot gemacht. Aus dem Weg geräumt! Mit Beton an den Füßen im Fluss versenkt!! Irgendwie so. "Sir? Kann man ihnen helfen?" höre ich Rolands besorgte Stimme hinter uns. Abwartend sehe ich Kaiba an, aber er antwortet nicht. Seine Augen sind geschlossen und er sieht aus, als wünscht er sich überall zu sein, nur nicht hier und jetzt, und nicht mit mir. "Sir ...?" "Ist schon in Ordnung", sage ich in diesem Moment und nehme Kaiba die Antwort ab. Ich lasse meine Finger knacksen. "Lassen sie mich mal ran ... ich kenne mich total aus mit technischen Dingen." Glatt gelogen - aber wir brauchen ein bisschen Optimismus. "Kaiba ...? Ich brauche deine Karte." Blaue Augen öffnen sich und funkeln mich an, aber er sagt nichts und lässt wortlos zu, dass ich sie ihm aus der Hand nehme. Widerwillig richtet er sich auf und lehnt sich neben die Tür, mit dem Rücken an die Wand. Seine Arme sind verschränkt und er sieht mir zu. "Wieso sollte sie ausgerechnet dir aufmachen?" Ich atme tief durch und drehe mich um. "Frauen mögen es einfach nicht, wenn man so unhöflich ist, klar? Tea gibt mir ihre Hausaufgaben auch nur, wenn ich sie darum bitte." So nett wie man einem weiblichen Wesen eben irgendwo irgendwas reinstecken kann, ziehe ich die Karte durch den Spalt. Nichts tut sich. "Okay, was immer er getan hat ... ich rede mit ihm, ja?" verspreche ich der Sicherheitstür. "Er kann es sicher wieder umprogrammieren! Ehrenwort! Aber dafür musst du uns erst reinlassen." Kaiba schnaubt verächtlich, aber er sagt nichts. Ich ziehe die Karte noch einmal durch, so vorsichtig, als wäre sie aus Glas. "Bitte", flüstere ich leise, so leise, dass Kaiba es nicht hören kann. "Er ist echt ziemlich neben der Spur ... nicht, dass er noch anfängt, Amok zu laufen ..." Sekundenlang passiert gar nichts, so als ob Mika das erst mal verarbeiten muss. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, denn laut Kaiba ist das eigentlich nicht mehr möglich. Sekunden später blinken ein paar Lichter auf. "Zugang gestattet. Seto Kaiba ... erkannt." Perplex starre ich auf die Tür. Und auf die Karte in meiner Hand. Tür. Karte. Tür. Karte. "Oh ...!" Das kommt jetzt nicht wirklich intelligent rüber, aber wer hätte schon gedacht, dass das mit dem ,Nett bitten' tatsächlich funktionieren würde?! Euphorisch fahre ich herum, absolut begeistert von mir selbst. "Hey wow - ich habe es tatsächlich ..." Kaiba räuspert sich. "Wenn du mich jetzt netterweise durchlassen würdest ..." ... mal wieder geschafft, mir selbst ans Bein zu pinkeln. Nein ... bitte. Wieso hätte ich mir das eigentlich gleich denken können? Mein Mund klappt zu. Wortlos senke ich den Blick und trete einen Schritt beiseite, meine ganze Euphorie auf einen Schlag verpufft. Innerlich möchte ich mich am liebsten selbst ohrfeigen. Wieso bin ich nur so unglaublich blöde, blöde, blöde?! So lange er noch ausgesperrt war, konnte er wenigstens nicht wegrennen ... und ich gehe hin und ermögliche es ihm höchstpersönlich, sich jetzt vom Acker zu machen und mich ein weiteres Mal einfach stehen zu lassen. Nummer zehn an diesem Tag. Aber wer zählt schon mit. Was musste er auch so fertig aussehen ... Wortlos nimmt er die Karte aus meiner Hand, als er an mir vorbeigeht. Auf ein einfaches ,Danke' zu warten, ist jetzt wohl nicht drin, was ...? Nein, schon okay ... Ich sehe ihm nach und diesmal bin ich stumm. Sogar ich weiß, wann ich verloren habe. "Roland!" "Sir?" "Besorgen sie mir einen ausführlichen Bericht aus der Sicherheitsabteilung. Ich erwarte sie in einer halben Stunde in meinem Büro." "Natürlich, Sir." Das Sicherheitsglas gleitet auseinander, als er darauf zugeht, Roland direkt bei Fuß. Und zum ersten Mal in meinem Leben beneide ich jemanden darum, dass er Kaibas Hund sein und ihm hinterherlaufen darf. Schön dumm, nicht wahr? Gleich werden die Türen zu sein und ich werde mal wieder hier stehen, wie bestellt und nicht abgeholt ... ohne ein Wort von ihm ... ohne eine einzige Antwort auf irgendeine Frage ... und die Fahrmöglichkeit zurück zur Schule habe ich jetzt vermutlich auch verschenkt ... Ich gehöre nicht hier her. In diese Welt, wo man durch Sicherheitstüren muss und Zahlencodes eingeben, wenn man zu seinem Zimmer will ... und wo es eine Sicherheitsabteilung gibt und Hightech-Programme mit Persönlichkeit. Das ist seine Welt ... und ich werde niemals ein Teil von ihr sein. Vielleicht war es in erster Linie dumm ... einfach dumm und hoffnungslos, es überhaupt zu versuchen. Kaiba bleibt stehen. Mitten im Satz dreht er sich zu mir um und sieht mich sekundenlang einfach an. Ich weiche seinem Blick aus, dankbar über den langen, zotteligen Pony, der mir ins Gesicht fällt und meine Augen verbirgt. Vermutlich sehe ich grade jämmerlich aus, lächerlich ...wie ein Hund, der grade sein Herrchen verloren hat. Und wenn er wüsste, dass ich das denke, müsste ich mich umbringen. Verärgert runzelt er schließlich die Stirn. "Was ist? Hast du vor, hier festzuwachsen?" Mein Kopf fliegt hoch. Ungläubig sehe ich ihn an. "...was?" "Du wolltest doch reden, oder?" Seine Miene ist an Herablassung und Desinteresse nicht mehr zu überbieten. Aber da ist noch irgendetwas anderes ... schwer Lesbares in seinem Blick. Ein Gefühl von ihm, dass ich nicht zu fassen kriege. Und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, es ist Unsicherheit ... Mir fehlen die Worte, also nicke ich nur heftig. "Schön." Er verschränkt die Arme. "Ich habe jetzt genau eine halbe Stunde Zeit für dich. Und die Uhr läuft - also setz dich lieber in Bewegung." Er hat eine halbe Stunde Zeit freigeschaufelt ... nur für mich?! Eine ganze halbe Stunde reine, kostbare Kaiba-Zeit ... Das ist das Beste, was ich an dem ganzen Tag höre. Ich kann nicht anders - ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich ihm hinterhersprinte und grade noch so durch die sich schließenden Türen schliddere, die hinter mir mit einem dezenten Geräusch zusammen gleiten. Ein weißer Drache aus Pappe wackelt bedenklich, als ich daran vorbeisause, und ich höre ein paar Leute in Anzügen schockiert nach Luft schnappen. "Master Wheeler, fallen sie nicht hin - der Boden ist frisch gebohnert." "Roland, sie sind ein echter Kumpel!" Kaiba verdreht die Augen und dreht sich um ... aber ich kann grade noch den schwachen Abglanz eines Lächelns auf seinen Lippen sehen. Pass auf Kaiba Corp. - hier kommt Joey! But my dreams they aren't as empty As my conscience seems to be I have hours, only lonely My love is vengeance That's never free ^tbc^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)