Einsamkeit von sayomi (Die Suche eines Herzens nach Liebe) ================================================================================ Kapitel 3: Das Eis bricht ------------------------- 3. Kapitel - Das Eis bricht Am Nächsten Morgen öffnete Kai missmutig die Augen. Sein Wecker piepste ihm mit diesem penetranten grellen Ton entgegen und ließ dem Jungen keine Ruhe. So setzte er sich schwungvoll auf, drückte kräftig den Ausschaltknopf der kleinen Foltermaschine und stand mit den Füßen unangenehmer Weise in einer klaren, kalten Flüssigkeit. "Wasser", murmelte er, als sein Blick von der Pfütze auf das bereits an die Wand gerollte Glas fiel. "Na toll!" Nachdem das Missgeschick beseitigt war, nahm er erst eine schöne, heiße Dusche und schrak dann auf dem Weg in die Küche durch ein unerwartetes Klopfen zusammen. "Kai?", kam es gedämpft durch die Verbindungstür. "Ja?", antwortete er nach einer Weile. "Wollen wir heute zusammen zur Schule gehen?" Er überlegte einen Augenblick, sah nachdenklich zu Boden. "Hm, warum nicht", meinte er schließlich mit seinem üblichen eisigen Tonfall. Rei schloss soeben seine Wohnungstür ab, als er auch schon Kai an der Wand neben sich lehnen sah. Er nickte ihm zu und sie machten sich auf den Weg. "Stört es dich, wenn wir Max, Kenny und Takao abholen?" "Ja!" "Und wieso?" Kai sah starr vor sich hin und seine undurchdringliche Maske war für einen Moment verschwunden. Rei meinte für eine Sekunde so etwas wie Schmerz in Kais Augen zu sehen, doch so schnell wie dieses Gefühl aufgeblitzt war, erlosch es auch wieder. "Ich habe das Gefühl sie mögen mich nicht", zischte der Russe förmlich. "Wie... kommst du darauf? Ihr kennt euch doch gar nicht", antwortete Rei verlegen. Er ahnte, was die Antwort auf seine Frage war und sie wurde ihm auch sofort entgegengeschleudert. "Ich habe auch gestern gehört, als ihr über mich gelästert habt! ... Ich hätte gar nicht auf dich warten sollen!" Wütend beschleunigte er sein Tempo und ließ den verwirrten Chinesen hinter sich. Traurig blickte dieser ihm nach, setzte seinen Weg jedoch fort. Er fragte sich, ob es wirklich Traurigkeit gewesen war, die diese sonst so kalten und von Hass erfüllten Augen widergespiegelt hatten, als er in die Gasse einbog in der Max wohnte. Dieser stand auch schon lächelnd und ihm zuwinkend vor seinem Haus und kam ihm entgegen. Der Schultag verstrich im Eiltempo. Während des gesamten Unterrichts hatte Kai den schwarzhaarigen Jungen keines Blickes gewürdigt und auch auf dem Heimweg, den sie stumm zusammen gingen, hatte er ihn nicht ein einziges Mal angesehen. Rei fand das traurig, denn obwohl der Russe nicht sehr zugänglich wirkte, verspürte er eine gewisse Zuneigung zu ihm. Sei es, weil er ihm Leid tat, oder weil er ihn einfach unheimlich interessant fand, das spielte für den Jungen keine Rolle. Er hatte sich vorgenommen sich mit ihm anzufreunden, egal mit welchen Mitteln und wie lange er dafür brauchen würde. Er beschloss, Kai zu sich einzuladen und nach kurzem Zögern hatte der auch zugesagt. Rei wollte für ihn kochen und da Kai sowieso nichts anderes zu tun hatte, willigte er ein. Unentschlossen stand Kai nach einer halben Stunde vor der Tür die ihre Wohnungen trennte und hielt einen Schlüssel in der Hand. Ein Teil von ihm freute sich auf ein bisschen Gesellschaft, doch ein anderer Teil verhöhnte diese Geste, die seiner Meinung nach durch pures Mitleid hervorgerufen wurde, und nichts hasste er mehr als das. Er schloss die Augen und dachte daran, wie viel Spaß Rei am Tag zuvor mit seinen Freunden gehabt hatte und wie sehr er an dieser Freude teilhaben wollte. Nun hatte er die Chance dazu und getraute sich nicht diesen Schritt zu tun. Ein Kopfschütteln folgte, dann steckte er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum. Die Tür ging in seine Richtung auf und er staunte nicht schlecht, als er den außergewöhnlich eingerichteten Raum erblickte. Vor ihm erhob sich erst einmal ein Podest mit dem er so ganz und gar nichts anfangen konnte, und auch sonst erschien ihm dieser Raum mehr schlecht als recht. Rei kam, mit einem köstlichen Duft begleitet, aus der Küche und direkt auf ihn zu. Er hielt ihm die Hand entgegen, die er dann schüchtern ergriff, und zog ihn zu sich auf die weiche Oberfläche. Kai staunte nun noch mehr. Ihre Wohnungen waren architektonisch gesehen exakt dieselben und dennoch hätten sie nicht unterschiedlicher sein können. Sich umblickend folgte er ihm zum Esstisch und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Es duftete herrlich und schmeckte genauso gut wie es aussah. "Das war wirklich gut", sagte er ehrlich anerkennend als er sich mit Rei an den Abwasch machte. "Danke" Geschmeichelt lächelte er ihn an. Sie verbrachten den gesamten Nachmittag in Reis Wohnung und unterhielten sich. Sie hatten mehr gemeinsam als Kai anfangs gedacht hätte, immerhin hatten sie beide keine Eltern mehr und kamen ursprünglich aus einem anderen Land, eine Tatsache die sie auf eine stumme und schmerzliche Weise verband. Als Rei in seinem Bett lag, dachte er noch viel über Kai nach. Er war an diesem Tag so anders gewesen, keine Spur von dem verbitterten Jungen den er sonst mimte, er wirkte viel mehr verunsichert und verletzlich. Der junge Chinese hatte das als letztes erwartet, doch irgendwie zeigte es ihm, dass er sich in dem Russen nicht getäuscht hatte. Kais Gedanken kreisten ebenfalls um die Zeit mit Rei. Er hatte nicht das Bedürfnis gehabt, sich zu verstellen, er war seit langem wieder einmal einfach er selbst gewesen und es hatte ihm gefallen. Die Gesellschaft des schwarzhaarigen tat ihm gut und er wollte diese öfter genießen, doch er hatte Angst davor aufdringlich zu wirken, wenn er darum bat. Also wollte er warten, bis Rei wieder einmal auf ihn zukam. Mit den Gedanken beim jeweils anderen schliefen die Jungen an diesem Tag ein. Kai musste nicht lange darauf warten bis Rei ihn erneut einlud. So gingen mehrere Wochen vorüber und ihre Freundschaft wurde täglich inniger. Sie gingen den Schulweg immer gemeinsam und mit Max und Kenny kam Kai auch nach einiger Zeit recht gut aus, nur bei Takao wollte einfach keine Sympathie entstehen. Abwechselnd kochten sie gemeinsam in der Wohnung des jeweils anderen und nur noch selten wurde die Verbindungstür überhaupt geschlossen, es war fast, als lebten sie zusammen, einmal in der einen und dann in der anderen Wohnung. Nur des Nachts waren sie jeder für sich und dennoch fühlten sie sich nie alleine. Es war gerade Samstag, neunzehn Uhr, und ein kühler Novembertag neigte sich dem Ende zu. Rei wollte sich nach der Arbeit noch mit Max in dessen Haus treffen und sich einen Film ansehen, und so kam es das Kai auf seinem Sofa lag und gelangweilt in die Flimmerkiste vor sich starrte. Irgendwie machte es ihm keinen Spaß mehr, etwas ohne seinen Freund zu unternehmen und dessen Gesellschaft fehlte ihm. Seufzend drehte er sich auf den Rücken und betrachtete die Decke eingehend, wobei ihm mehrere kleine Risse auffielen. Kopfschüttelnd ging er in die Küche und machte sich etwas zu Essen. Nachdem er es lustlos verspeist hatte, lümmelte er sich wieder auf seine Couch und döste kurz darauf ein. Durch ein lautes Knallen wurde er plötzlich aus seinen Träumen gerissen. Es war inzwischen dunkel geworden und ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es bereits dreiundzwanzig Uhr vorbei war. Er hörte aufgeregte Schritte aus der Nebenwohnung und vernahm deutlich zwei Stimmen. Verwirrt, wer denn um diese Uhrzeit noch bei Rei wäre, stand er auf und streckte den Kopf in dessen Wohnzimmer. "Rei?", fragte er laut. Ein erschrockenes aufkeuchen war die Antwort darauf und eine Sekunde später trat Max durch die Schlafzimmertür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)