Magicas Cross Kapitel4 von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- KAPITEL 4 Nay ging langsam der Wasserfläche entgegen. Charlie war in seinen Armen eingeschlafen und döste vor sich hin. Nay wusste, dass sein Kampf gegen Charlie anderes Ich eine Wendung herbeigeführt hatte... Als er schließlich am See ankam, legte er den Kleinen ab und suchte das Hemd, das er selbst versteckt hatte, damit Charlie nicht auf die Idee käme angezogen zu pennen. Als er es fand und zurückkam, war sein Schützling wach. Das heißt, er war mehr oder weniger wach. Verschlafen gähnte er und steckte seinen Kopf ins Wasser, um den Schlaf aus den Augen zu bekommen, doch so recht konnte er seine Müdigkeit nicht abschütteln. Als er Nay sah, taumelte er benommen auf diesen zu, fiel in dessen Arme und schlief schon wieder halb. Zur Überraschung Nays flüsterte er ihm noch zu: 'Entschuldige Nay, ich wollte dich nicht angreifen... aber du wolltest es ja so!' Er gähnte kurz und kuschelte sich unbewusst näher an Nay. 'Jetzt hast du mich wieder besiegt, verdammt bin ich müde...' Sein Gerede ging ins Murmeln über und schließlich verstummte er ganz. Da seine Beine ihn nicht mehr hielten, fiel er sanft ins Gras, wo er auch bis zum Morgengrauen liegen blieb. Nay hatte es sich neben ihm bequem gemacht und einen Bannkreis zum Schutz der beiden gezogen. Lange noch, betrachtete der größere Magier den Himmel und die Sterne. Sehnsüchtig sah er die Plejaden an, den großen Wagen, Kassiopeia, Kastor und Pollux und all die anderen Gebilde des Universums, die auf sein stummes Gesicht schienen. Mit der sanften Stimme des Windes in seinen Haaren schlief er ein. Das Wasser reflektierte die Mittagssonne. Muster durch das Lichtspiel im Wasser erschienen auf dem Felsen, dem Schilf und auch in Charlies Gesicht. Er stand im Wasser und kühlte seinen Körper ab. Gelangweilt watete er im See herum, aber so das die Flüssigkeit nie über den Bauchnabel stieg.. Er wusste absolut nicht was er machen könnte. Nay wecken kam im Moment nicht in Frage. Irgendwie war ihm alles was in der vorigen Nacht passiert war mehr als peinlich. Nay hatte ich wieder gerettet, doch diesmal war es anders gewesen. Lustlos zupfte er am Schilf, brach einen Halm ab und benutze ihn als Schnorchel. Der See war klar und sauber, dennoch konnte man nicht mal einen Meter unter die Oberfläche schauen. Charlie nahm den Halm in den Mund und tauchte ab. Er bekam genug Luft durch das Schilfrohr, und so sah er nicht ein, weshalb er auftauchen sollte. Ein paar Muscheln übten durch ihren schimmernden Glanz Faszination auf ihn aus. Der Kleine sah sich die Muster glücklich an. Solche hübschen Funde hatte man selten. Doch er wusste das sie an Land, in der hellen, bleichenden Sonne, ihren Glanz verloren. Er tauchte um sie herum wie ein Fisch und wunderte sich weshalb er das Wasser auf einmal so gerne mochte. Nay sah auf. Er konnte sich kaum noch an die letzte Nacht erinnern und versuchte sich alles aus den Teilen, die er noch wusste zusammen zu suchen. Nach einiger Zeit hatte er seine Erinnerung wieder, sah sich suchend um und fragte sich mit der Zeit, wo der Kleine schon wieder sei. Seufzend ging er zum See. Nachdenklich sah er auf die Reflexion der Sonne auf der Wasseroberfläche und sprang mehr oder weniger wissend in das kühle Nass. Charlie nahm eine der Muscheln an sich und schwamm etwas weiter nach oben um sie besser sehen zu können. Ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen drangen unter die Wasseroberfläche, brachen sich an der Innenseite des Fundes und brachten diesen zum glänzen. Der Bruch des Lichtes brachten dem Wasser ein Prisma des Lichtes. Eigentlich hatte Charlie schwimmen nie richtig gemocht. Es dauerte immer eine Ewigkeit bis man trocken war und zudem war einem fast immer arschkalt wenn einem der Wind durch die nassen Haare wehte, doch es war ein stiller Tag. Der Wind stand still und es war warm, fast so gemütlich wie ein Abend am Kamin wenn es draußen schneite. Für einen kurzen Augenblick erschrak der Kleine. Er dachte dass ein Schatten über ihm geschwommen wäre, aber als er sich, noch immer durch das Schilfrohr atmend umsah, konnte er nichts entdecken. Vorsichtshalber tauchte er etwas höher. Dann fiel ihm ein, dass Nay ja noch am Ufer liegen musste. Wenn er aufwachen würde, würde er sich vielleicht fragen wo Charlie sei und ihn dann suchen gehen. Das wollte Charlie nicht. Er fand, dass er Nay schon genug Schwierigkeiten gemacht hatte und reckte seinen Kopf der Wasseroberfläche entgegen. Plötzlich fühlte er einen Sog, spürte wie er nach unten gezogen wurde. Verzweifelt versuchte der Kleine gegen diese Macht anzukämpfen und paddele hektisch mit Armen und Beinen. Er spürte wie es immer kälter würde, je tiefer er gezogen wurde. Vor Panik zappelnd verlor er das lange Schilfrohr. Es trieb langsam nach oben und schwamm dann selig auf der ruhigen Oberfläche. Seine Muskeln spannten sich an und die Luft wurde knapp. Er würde nachschauen müssen was es war... Als er zögerlich nach unten sah erkannte er Nay. Nur einen Tick von einem Lächeln entfernt sah der andere ihn an und ließ ein paar Luftblasen aus dem Mund entweichen. Charlie hörte ihn sprechen : "Na Kleiner, hast du dich erschreckt?" Dieser brüllte wütend zurück "NNNNBBBLAYYYYY BLUUUUUU BLIIIIIBDLIOOOOODD!!!" "Ah ja, das sehe ich genau so.", verkündete Nay amüsiert und schaute den Kleinen merkwürdig an. Als Charlie dann selbst etwas seltsam zurückstarrte, fügte Nay noch hinzu: "Hm... ich dachte immer, dass selbst sooo ein erfahrener Feuermagier noch Luft zum Überleben braucht." Der mittlerweile blau angelaufene Charlie verstand erst nach einiger Zeit den Sinn dieser, Worte um dann ungeschickt und alles andere als elegant, dem Schilfrohr zu folgen. "Keuch", Charlie war oben angekommen und schnappte hastig nach der rettenden Luft. "Hust. Nay du Schwein!", schrie er, obwohl er ganz genau wusste das sein Freund noch unterhalb der Wasseroberfläche war. Er zappelte etwas, ehe er wieder Kontrolle über seinen Körper fand und schwamm dann zurück zum Ufer. Noch einmal wollte er nicht nach unten gezogen werden. Er drehte sich um, aber nichts war zu sehen. Auch war es ungewöhnlich ruhig. Skeptisch nahm er sein Hemd an sich, tauchte es ins Wasser und wrang es aus. Die Sonne stand inzwischen schon ziemlich hoch und es war eine angenehme Abkühlung das feuchte Hemd auf seiner Haut zu spüren. Seufzend lehnte er sich ins Gras zurück und schloss die Augen. Charlie bekam langsam eine Gänsehaut. Nicht das ihm kalt gewesen wäre, aber es klang kein Geräusch an sein Ohr. Die Vögel die er noch am morgen gehört hatte, waren verstummt. Das grüne Laub der Bäume hatte sein Rascheln eingestellt. Ein Schatten senkte sich über Charlie. Die Sonne verdunkelte sich. Jedenfalls konnte er sie nicht mehr auf seiner Haut spüren. Charlie wollte seine Augen nicht öffnen. Er fühlte sich müde und etwas ausgelaugt. *PLATSCH* "AHHH!", Charlie sprang brüllend auf. "BAKA! Was sollte das?", er schrie so laut das Nay sich die Ohren zuhielt. Die Hose hing triefend an Charlies dünnen Beinen und tropfte vor Wasser. Nay hatte ihn von oben bis unten mit dem kühlen Wasser übergossen. "Wehe du machst das noch mal...", schloss der Kleine die Strafpredigt ab. Nay hatte nicht zugehört. Dies regte Charlie so sehr auf, dass er vor Wut knallrot anlief. Er hämmerte mit seinen kleinen Fäusten auf die Brust seines Gegenübers. Unbeeindruckt blickte Nay auf Charlie hinab, bis er keine Lust mehr hatte, zu zusehen wie sein Freund sich lächerlich machte. Er packte beide Hände blitzschnell und hielt sie so fest, dass es Charlie nicht wehtat aber dieser sich kaum bewegen konnte. Zappelnd versuchte er sich heraus zu winden, überdehnte sich dabei allerdings selbst. Charlie verhedderte seine eigenen Arme so ungünstig, dass er sich fast den Arm ausgerenkt hätte, wäre Nay nicht geschickt genug gewesen um ihn zurück zu drehen. Anstatt ihm zu danken, beschimpfte Charlie ihn weiter als ihm schließlich die Luft ausging. Er setzte sich und bibberte leise. Kühler Wind kam nun vom Osten her geweht. Sich selbst umklammernd jammerte Charlie ein bisschen vor sich hin, bis Nay ihn von hinten umarmte. "Ist dir jetzt wärmer?", flüsterte er in das Ohr des anderen. "Du bist eindeutig stockschwul! Verpiss dich!" Nay lächelte leicht. Er wusste, dass Charlie es nicht so meinte. Er stand auf und ging ruhig auf einen Busch ganz in der Nähe zu. Es ärgerte den Kleinen so reagiert zu haben, da er sich eingestehen musste, dass ihm wirklich warm geworden was. Nay packte ihre Sachen zusammen, schulterte sie als wären sie nicht schwerer als eine Feder und bedeutete dem Feuermagier, dass sie weiterziehen würden. Sie gingen erneut in Richtung Wald und der arme Nay musste ertragen, wie Charlie ihn nervte, dass er seine Sachen alleine tragen wolle. Schließlich gab der Stärkere nach, weil der Kleine zu laut war. Nach einiger Zeit mühsamen Laufens über dichtes Unterholz und vereinzelte lichte, weiche Stellen mit Gras, kamen sie an eine Lichtung. Sie war überwuchert mit Moos und Ranken und auf den ersten Blick, schien sie völlig leer zu sein. Doch je näher die beiden Magier kamen, desto deutlicher wurde die Gestalt die auf dem leicht vernebeltem Boden lag. Diese zerbrechliche Figur, die fast von dem Nebel bedeckt schien, war eindeutig weiblich. Oder ein Junge, der noch mädchenhafter aussah als Charlie, was kaum möglich war. Neugierig trat dieser einen Schritt auf das Wesen zu und sprach ein leise "Hallo?" Das Mädchen reagierte jedoch nicht darauf. Ihre langen, dunkelblonden Haare, die offen über ihre Schultern fielen, verdeckten auch ihr Gesicht und ließen so keinen Gesichtszug erahnen. Langsam näherte sich Charlies Hand den Strähnen und wollte sie wegstreichen, doch Nay hielt ihn zurück, meinte, dass es eine Falle sein könnte. Er schob seinen maulenden Freund hinter sich und näherte sich selbst der Gestalt. Behutsam strich er die Strähnen zur Seite. Nichts geschah. Erleichtert machte Nay sich daran das Mädchen zu untersuchen. Er fand keine äußerlichen Verletzungen, doch Innere waren nicht auszuschließen. Skeptisch beobachtete Charlie wie Nay behutsam, fast zärtlich, den Körper des Mädchens in eine andere Lage brachte und er den Körper stellenweise abtastete. Schließlich nahm er sie hoch, wie er es auch schon so oft mit Charlie gemacht hatte. "Wohin willst du sie tragen?", fragte der andere etwas säuerlich, während er hinter Nay hertrottete. "Nach Elftown", antwortete der Magier in einer Stimme die nichts verriet und seinen Freund dem Wahnsinn nahe brachte. Doch diesmal erwiderte er nichts. Ein Gefühl der Beklommenheit überkam ihn, ohne dass er wusste was es war und weshalb. Er beschloss nichts zu sagen und verstummte für lange Zeit. Sie kamen zu einer kleinen Hütte, die auf einer etwas größeren und verwitterteren Lichtung stand. Eifrig endlich wieder etwas tun zu können, klopfte der kleine Feuermagier an die hölzerne Tür. Während er das graubraune Muster der Türbretter betrachtete, wurde ihm klar, dass niemand da war. Er legte seine Hand auf den verschnörkelten Türgriff. Er war auf alles gefasst, seine Aura war hellwach. Die Hütte war offen, doch anstatt einen Trupp von angriffslustigen Trollen, beleuchtete leicht gelbliches, warmes Licht sein zartes Gesicht. Er winkte Nay heran. Die Hütte sah von Innen viel geräumiger aus als sie es von Außen getan hatte. Es gab sogar ein zweites Stockwerk, die sofort von Charlie bestürmt und erobert wurde. Im unteren Geschoss gab es zwar nicht viel Ausstattung, aber das wichtigste war vorhanden. Sogar eine Art Sofa war ordentlich in den Raum gestellt worden. Behutsam legte Nay das Mädchen auf dieses herab und beobachtete sie. Schon nach kurzer Zeit regte sie sich. Leise stöhnend machte sie die Augen auf und sah in das ernste Gesicht des Magiers. Er wollte sie zwar daran hindern, aber trotzdem richtete sie sich auf und sah ihn verträumt an. Sie musterte Nay und versank in seinen Augen. Das Mädchen streckte ihre zarte Hand aus und berührte sein Gesicht, strich über seine Wangen und zog ihn näher an sich heran. In diesem Moment polterte Charlie die Treppe runter und blieb verdutzt stehen. Die Fäuste ballend starrte er unvermittelt auf das Geschehen. Es sah aus als wolle sie ihn küssen, oder er sie... Charlie war sich nicht ganz sicher und wollte es auch gar nicht wissen: "Du Arschloch! Ist sie ein Flittchen oder bist du einfach nur scharf auf sie?", schrie der Kleine aufgebracht. Nay und das Mädchen drehten sich erschrocken zu ihm um. Als Nay Charlie sah, wie dieser dort stand, wutentbrannt und auf eine etwas andere Weise verletzt als sonst, wusste er nicht wie er reagieren sollte. Und das kam selten vor, Nay wusste sonst immer, wie er auf Charlie reagieren musste. Der Feuermagier drehte sich um und rannte mit schnellen Schritten aus der Hütte. Nay wollte hinterher laufen, jedoch hielt ihn das fremde Mädchen zurück. Charlie war schon komplett aus Nays Sicht verschwunden, und selbst als noch einmal über die Wissen hinwegblickte, konnte er den Jungen nirgendwo entdecken. Er drehte sich um und sah in die haselnussbraunen Augen mit ihrem leicht verträumten und fesselnden Schimmer. Sie waren so anziehend, dass Nay sich nicht losreißen konnte und auf ihre Bitte bei ihr zu bleiben blindlings gehorchte. Er wandte sich nicht einmal mehr um, als das Mädchen ihn nach drinnen rief und er, wie in Trance, die Tür schloss. Die geschmeidige Stimme dröhnte in seinem Kopf... "Der Kleine braucht dich doch gar nicht... er brauchte doch nur einen Vorwand, um dich loszuwerden... mich, Mira!" "IDIOT!", schrie Charlie als er hinter einem Baum versteckt zusah wie sein Freund sich wieder umdrehte und ohne noch einmal zurück zu blicken in der Hütte verschwand. "Ich dachte du wärst anders als so viele andere, ich dachte du hättest mein Vertrauen verdient. Verdammt, ich war zu naiv." Enttäuscht lehnte er sich an die Rinde des uralten Baumes, denn seine Beine schienen etwas nachzugeben. Sein Blick schweifte nach oben. Er sah sich die Kronen der Bäume an und die vereinzelten Blätter die von Zeit zu Zeit hinab fielen. Er spürte eine Leere, die ihn schon lange nicht mehr geplagt hat. Einsamkeit. Warum kam sie auf einmal... und wieso war er so aufgebracht, als er Ney und das Mädchen zusammen gesehen hatte? Dabei waren sie sich gestern zu nahe gekommen, und Charlie hatte sich entschlossen, Nay wieder zu vertrauen. Der Magier war anders, und sein verhalten ihm gegenüber, hatte Charlie Sicherheit und Geborgenheit gegeben... doch so schnell ließ er ihn fallen...? ,Vielleicht reagiere ich übertrieben...' doch Charlie war ein Meister darin Zweifel und schlechtes Gewissen zu verdrängen... und so war es auch diesmal. Er beschloss weiter in den Wald zu gehen. Er würde Elftown alleine suchen. Fest entschlossen, dass er Nay nicht mehr brauchen würde, setzte er seinen Weg fort. Als sein Weg ihn über die vielen kleinen Äste laufen ließ, wurde ihm klar, dass ihm dieses Mal keine größeren Schritte folgen würden. Sie würden ihn weder führen noch tragen. Er seufzte leise. "Tja, jetzt wird es wohl wieder so wie früher." Charlie versuchte sich das Ganze schmackhaft vorzustellen. Endlich konnte er wieder Leute verkokeln, ohne ein schlechtes Gewissen eingeredet zu bekommen. Er war sein eigener Führer und frei. Doch eigentlich wusste er nicht was er machen sollte. Sein Geld und alles, was er besaß, hatte er in der Hütte gelassen. Er war vollkommen unterbemittelt, so wie früher eben. Ja, genauso wie damals..., als er dieses merkwürdigen Schloss, welches angefüllt von Sadisten schien, verlassen hatte, war alles verbrannt gewesen was, ihm gehört hatte. Gedanklich verbesserte er sich, ein Schloss voller Sadisten und einer netten Seele, die ihn gerettet hatte. Er wusste bis heute nicht, wer ihm damals zur Flucht verholfen hatte, egal wie oft er es versucht hatte herauszufinden. Seine neugewonnene Freiheit machte ihn keineswegs glücklich. Zeitweise spielte er mit dem Gedanken wieder zurück zu gehen und sich bei Nay und dem Mädchen zu entschuldigen, doch er verwarf den Gedanken so schnell wie er gekommen war. Diese gähnende Leere in sich und auch den Schmerz, den er bei dem Gedanken empfand hielten ihn davon ab, noch einmal diese Idee zu hegen. Die nächsten Tage verbrachte Charlie Tag und Nacht auf einem Baum, der ihm als Wohnung diente. Tatsächlich hätte er auch als eine solche dienen können, denn die Äste waren breit und sehr dick, so dass sie vielleicht sogar einen gewichtigen Steintroll gehalten hätten. Das dichte Blätterwerk schützte vor jeder Art von Regen und Sturm. Fast wie Schuppen einer Schlange waren die Laubblätter angelegt und hinderten selbst den Wind hindurch zu kommen. Die Nächte waren kalt und bewölkt, aber der Regen blieb aus. Kleine magische Trockengewitter brachen die Stille der sternklaren Nächte. Charlie überlegte wie diese magischen Entladungen entstehen könnten, bis ihm einfiel das Elfen sehr viel mit Magie hantierten und nachlässige Schüler dann wohl so etwas herbeibeschwören ohne richtig zu wissen, was sie taten. Er hatte zwar Hunger, denn seit Tagen hatte er nichts mehr gegessen, eben seitdem er Nay verlassen hatte... oder hatte dieser ihn verlassen? Er wusste es nicht... doch irgendwie fand er keinen Antrieb weiterzugehen und den schützenden Baum zu verlassen. Es gefiel ihm, hier oben zu sitzen und einfach nur vor sich hinzuträumen. Als der Hunger immer größer wurde und er sich müde und schlapp fühlte, entschloss er sich zur Ablenkung seine magischen Fähigkeiten zu verbessern. Die Leere die er verspürt hatte, füllte sich nach und nach mit Gefühlen des Hasses an. Er wollte es gar nicht, aber diese blinde Wut gab ihm den Willen sich erneut zu verbessern. Er vergaß wenigstens für kurze Zeit Nay, und musste sich eingestehen, dass er ihn nicht so leicht vergessen konnte, wie er es sich vorgestellt hatte. Deswegen blieb er wahrscheinlich auch in der Nähe des Baumes... er war in der Nähe der kleinen Hütte, vielleicht 2 Stunden entfernt. Insgeheim hoffte, Nay würde irgendwann kommen und ihn wieder zurückholen... Der vierte Morgen, seit Nay ihn der Hütte wohnte, dämmerte. Besorgt sah Nay aus dem hölzernen Fenster durch die Glasscheibe. Charlie war nicht zurück gekommen. Die letzten Tage und Nächte hatte Nay in einer Art Trance verbracht. Er wusste was er tat, aber er konnte sich nicht dagegen wehren. Wie ein Betrunkener der am nächsten morgen merkt, was er alles falsch gemacht hat. Er wusste, dass Mira ihn mit einem Zauber belegt hatte. Er wirkte noch immer. Zwei Nächte lang hatte er nicht geschlafen, in der Hoffnung dass der Bann aufhören würde sobald das Mädchen schlief. Es hatte nicht funktioniert. Nay wäre gerne losgegangen um den Kleinen zu suchen, aber immer wenn er versuchte das Haus zu verlassen, bohrte sich hämmernder Schmerz in seinen Kopf und hielt ihn ab. Seufzend stützte er seine Ellenbogen auf das Fensterbrett und legte seinen Kopf in die nach oben geöffneten Hände. Nay wusste nicht mehr viel von den vergangen Tagen. Schlaflosigkeit hatte ihn ausgelaugt und der Zauber behinderte seine Gedanken, schnürte ihm alle Gefühle ab. Doch eines konnte er nicht vergessen - Charlie. Er sah so verletzt aus, als er ging und diese Erinnerung trieb ihn öfters zur Tür, doch er konnte nichts gegen den Schmerz in seinem Kopf tun, je weiter er auf die Hölzerne Treppe trat, umso mehr befürchtete er, den Verstand und sein Bewusstsein zu verlieren. Wage erinnerte er sich, sie jeden Abend die Treppen hochgetragen und ins Bett gebracht zu haben während sie ihm lieblich ins Ohr gesäuselt hatte. An den darauf folgenden Morgen, war er auf dem Sofa aufgewacht und hatte sich weiter von ihr versklaven lassen. Auf der Lichtung lag, wie jeden morgen, Nebel. Es war ruhig, sehr ruhig. Eigentlich mochte Nay die Stille, doch diese schien nicht freundlich gesinnt zu sein. Schritte. Sie unterbrachen seine Gedanken, an Charlie. "Guten Morgen!", Miras klare, helle Stimme hallte durch den Raum zu ihm herüber. Hastig drehte er sich um. Sie verließ die Treppe mit einem kleinen Sprung, kam auf ihn zu, umarmte ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust. ,Dieser Geruch...', dachte Nay. Ihm wurde schwindelig davon, so magisch und einhüllend war er. Der Duft einer Elfe. Er wusste nicht, wie er mit der Umarmung umgehen sollte, und je länger er zögerte, umso weniger wollte er sich gegen das blonde Mädchen wehren. Zerrissen von sich selbst und dem Bann, ließ er sie gewähren, blieb selbst aber so stehen wie vorher auch. Als sie sich warm und trotzdem fremd lächelnd löste drehte er sich wieder um und schaute stumm zum Wald hinaus. In seinem Kopf herrschte ein Chaos. Sein eigenes Ego versuchte eine Revolution gegen den Bann anzuzetteln. Mira schien das zu bemerken. Der Zauber verstärkte sich und lähmte ihn schon fast. Die Gedanken an sie wurden immer stärker. "Nein!", schrie Nay. Er fiel zu Boden. Sein Körper war überlastet und er wollte nicht mehr an sie denken. In sich zusammen gesunken, presste er seine Hände auf die Ohren und doch hörte er immer wieder ihren Namen. 'Mira, Mira, Mira', schallte es und schien noch ein Echo zu erzeugen. Es wurde unerträglich laut und quälte ihn ohne Unterlass. Er hielt fast fünf Minuten aus. Dann ließ er die Hände matt sinken. Sein Atem verlangsamte sich wieder und er starrte mit leeren, toten Augen ins Nichts. Sie hatte schon wieder gewonnen... "Mach mir keine Dummheiten", flüsterte Mira ihm ins Ohr, strich sanft durch seine blauen Haare und zog ihn zurück auf die Beine. Fast mechanisch reagierend nahm er die Hilfe an und ließ sich von ihr in die Küche ziehen. Charlie stellte fest, dass er mittlerweile nicht mal mehr wusste aus welcher Richtung er gekommen war. Als er sich versuchte zu erinnern, bekam er Kopfschmerzen. Schniefend bemerkte er, dass er sich eine kleine Erkältung eingefangen hatte. Trotzdem stand er schnell auf und nahm sich vor den Flugzauber hinzu bekommen. Er wusste zwar, dass er gerade in einer richtig miesen Verfassung war, da er vor Hunger kaum noch klar denken konnte, doch er hatte nichts besseres zu tun. Er stellte sich auf einen Ast, der nicht allzu hoch war. Niedrig genug, dass er auch so hätte runter springen können. Die Augen geschlossen, sammelte er seine Konzentration aus dem Körper zusammen und zentrierte sie auf seine Magie. Ein bisschen wartete er noch und versuchte es dann: "Firefly!" Er sprang und innerhalb von Millisekunden, wenn nicht schneller, schossen ihm wieder die Flügel aus den Schulterblättern. Er fühlte diesmal eine Verbindung zwischen sich und diesen Flügeln. Eine Brücke von der Materie zur Magie. Das Echo seines Rufes sprang noch zwischen den Bäumen hin und her, bis es schließlich verklang. Seine Magie band ihn an die Flügel und drang in seinen Körper ein um die Verbindung zu festigen. Sein Blut fühlte sich an wie Lava, die heiß brannte, aber nicht weh tat. Eine Ebene tat sich in ihm auf, die er nicht kannte und ihn gleichzeitig mit Freude und Trauer erfüllte. Er fand keine Erklärung dafür. Still dachte er in sich hinein. 'Wie ein Vogel oder ein Drache.. auf und ab... auf und ab... auf und ab...' Noch immer hatte er seine Augen geschlossen, doch er wollte sehen wie er flog. Langsam öffnete er die Lider und sah nach unten. Freude drang in seine Gedanken und ließ ihn die Kontrolle verlieren. Fluchend stürzte er auf den weichen Grasboden. "Man muss wohl so kalt sein wie Nay um sich nicht ablenken zu lassen.", meinte er, "Aber ich bekomm das mal wieder nicht hin. Andrerseits ist es ja das erste Mal dass ich es versuche... oh, verdammte scheiße!" Wütend ging er ins Schreien über, "Jetzt führ ich schon Selbstgespräche! Ich hab aber auch 'ne Macke!" Er machte sich wieder daran den Baum zu erklimmen. Oben angekommen versuchte er es noch einmal mit dem selben Resultat. Nach einer Stunde unermüdlichen Runterfallens, setzte er sich auf einen besonders bequemen Ast, zog die Knie an seinen Körper, legte seine Arme um diese und stütze an ihnen seinen Kopf ab. "Nay, du fehlst mir...", gab der Kleine leise zu. "Du mir auch.", flüsterte Nay. Er stand noch immer an dem Fenster der kleinen Hütte und hatte einen Watermirror geöffnet, um zu sehen wie es dem Kleinen ging. Mira war gerade gegangen um irgendetwas suchen zu gehen. Er hatte seine Kraft zusammengekehrt um den ihn, wenn auch nur für kurze Zeit, beobachten zu können Mit seiner Hand berührte er kurz das Wasser. Es verschwamm etwas und glättete sich dann wieder. Als das Bild wieder klar war, sah er, aus der Sicht von Charlie, eine Person. Er versuchte sie zu erkennen und dann stand es fest: Es war Mira, die sich dem Kleinen näherte. "Was hast du vor?", wisperte Nay. "Was willst du?", fragte Charlie in einem giftigen Ton. Er hatte sie sofort erkannt und starrte nun aufmerksam auf sie herab. "Hallo, ich bin Mira und du?", erwiderte sie ohne auf seine Frage einzugehen. Die Hände in die Hüften gestemmt sah sie ihn an. "Das tut nichts zur Sache! Außerdem kann es dir ja egal sein!" Er ballte wütend seine Fäuste, so dass die Sehnen leicht hervortraten: "Verschwinde, du hast mir meinen Freund genommen, also lass mich gefälligst in Frieden!" Mira blickte nach oben in das Astwerk hinter dem sich Charlie halb verbarg. Ihr Mund zeigte ein leichtes, grausames Lächeln: "Dein Freund? Welcher denn? Nay ist mein Freund! Er gehört mir!" "Nein!", schrie Charlie: "Du lügst! Lass deine dreckigen elfischen Finger von ihm!" Sie legte ihren Kopf etwas schief. "Woher weißt du das ich eine Halbelfe bin?" Er antwortete, dass ihre Aura die selbe wäre wie die der anderen Elfen die ihm in diesem Wald begegnet waren und, dass sie dazu noch die Kraft hätte, Leute in ihren Bann zu ziehen. "Ich habe es nicht sofort bemerkt", gab er zu, "doch jetzt weiß ich es,... du kontrollierst Nay mit deinem Bann!" Genüsslich ließ sie die wütende Stimme des Kleinen in Gedanken zergehen. Ja, sie fand Gefallen daran, Charlie weh zu tun... "Ach ja, entschuldige, ich konnte mich einfach nicht beherrschen, " rief sie hinauf und sprang neben ihn auf den Ast, "aber diese zarten elfischen Finger konnten einfach nicht von ihm ablassen, von seinem Körper. Sie wollten ihn berühren, egal wo und wann", setzte sie ihren Satz in sein Ohr flüsternd fort, "Abgesehen davon steht er nicht in irgendeinem Bann. Sie doch ein, er liebt mich eben. Du bist für ihn wertlos, er brauchte dich nur, um sich an dir zu befriedigen." Fassungslos hörte Charlie zu. Er schaute in die Luft und schluckte leicht... "Nein...", wisperte er, "Das ist nicht wahr" Am ganzen Leib durchzog ihn ein Zittern. Er drehte sich zu ihr um, und sah sie aus einer Mischung aus Angst und Hass an. "Och, mein Kleiner, kannst du es nicht glauben? Nein, du willst es nicht glauben, nicht wahr? Willst nicht wahr haben, dass ich, als Mädchen, viel attraktiver für ihn bin. Das tut mir Leid, ich wollte es dir ja schonend beibringen, aber als ich dich hier so verzweifelt, kaputt und alleine sah, konnte ich nicht anders - es ist mir einfach rausgerutscht." Sie strich sich mit der Zunge über ihre Zähne und Lippen und grinste wieder. Charlie sackte in sich zusammen... er war einfach zu müde, um sich zu wehren, um erneut zu protestieren... er konnte nicht anders, als Mira auf einmal Glauben zu schenken. Nay sah, wie Mira sich freute, Charlie systematisch fertig zu machen. Wut breitete sich in ihm aus, doch er konnte nichts machen. Er war magisch an diese Hütte gefesselt worden. Sobald er versuchte durch die Tür nach draußen zu gelangen machte sein Kopf ihm Höllenqualen. Der Zauber verstärkte dann seine Wirkung und nebelte ihn ein. So musste er wohl oder übel zusehen, wie sie seinem Freund die Seele zerstörte, indem sie jedes Detail einer angeblichen Affäre, aufzählte. 'Wenn meine Kraft bloß reichen würde', dachte er und gab sich Mühe das Portal aufrecht zu erhalten. Warum war er auf einmal so schwach... zu schwach um Charlie diesmal zu beschützen...? Hatte dieser nicht schon genug gelitten? Auf einmal sah er wie Mira vom Baum sprang und elegant auf dem Boden landete. Sie verabschiedete sich mit den Worten: "Auf Wiedersehen, kleiner Nichtsnutz. Ich werde Nay von dir grüßen" So verschwand sie in der Dichte des Waldes. Charlie war fast zeitgleich mit ihr aufgestanden, dann aber auf dem Ast stehen geblieben. Sobald sie außerhalb seines Blickfeldes war, ließ er sich auf die Knie fallen. Er krallte sich nahezu an den Baum und zitterte immer noch. "Hat sie Recht?", fragte er sich leise. Charlie ließ sich ihre umnebelnden Wort erneut durch den Kopf gehen, bis er Kopfschmerzen davon bekam. Als er schließlich versuchte es sich anders vorzustellen, wurde der Schmerz noch schlimmer. "Nein!", schrie Nay. "Kann es wirklich sein, dass ich nur ein kleines dummes Objekt zum Spielen für ihn war?" "Nein!" "Ja, so wird es gewesen sein. Es war kein Bann. Es war sein eigener Wille. Ich war nur zu naiv um es zu sehen. Er war mich satt. Er wollte mich nicht mehr und ich wollte auch noch sein Glück mit dieser Elfe zerstören, indem ich sie, blind durch meine Eifersucht, beschimpfte und beschuldigte, weil ich so ein Egoist bin..." Charlie sagte diese Worte wie in Trance, und sein inneres wollte sich wehren, doch der Kleine war es leid, ewig zu kämpfen. Er war müde... unendlich müde. Und er spürte einen tiefen Schmerz in sich. "Nein, verdammt Charlie!" 'Ich fühl mich so leer, benutzt, zerbrochen, zerschlagen. Ich kann es nicht mehr ertragen. Mein Vertrauen liegt in Trümmer, sowie meine Seele. Ich will nicht mehr.' Charlies Lebensmut sank immer weiter, und depressiv starrte er auf seine dreckigen Hände. ,Ich fühl mich leer, einsam und ich habe Angst... es tut weh, Nay..." Mit diesen Gedanken holte Charlie seinen Dolch hervor, dessen scharfe Klinge Muster auswiesen, die magisch erschienen. Der Griff war verziert und die Trennung zwischen diesem und der Klinge war ein verschnörkeltes, silbernes Abbild einer Schlange. Er schloss die Augen, atmete flach und schwer. "Ich will nicht mehr... ich hab es satt benutzt und verletzt zu werden..." Wie in Trance setzte Charlie den Dolch an seine Kehle, seine Augen starrten leer zum Himmel. "Tu es nicht!" Nay war der Verzweifelung nahe. Er streckte seine Hände dem Portal entgegen, doch anstatt abgestoßen zu werden, wurde er hineingezogen. Ihm wurde schwindelig. Die Ebene, die er erreichte war ,das Nichts' und trotzdem konnte er das ganze Universum und noch viel mehr erkennen. Als er diese Ebene wieder verließ, wurde er nahe seines Freundes herausgestoßen. Es war wahrlich kein eleganter Auftritt, als Nay aus dem Portal geschleudert wurde. Er erwischte nämlich keinen Ast mehr und fiel auf die Wiese vor, dem Baum. Nay spürte wie Charlies erschrockene Augen sich auf ihn richteten. Schnell rappelte er sich auf und blickte zu dem kleinen verängstigten Jungen hinauf. Die kalte Schneide der Klinge schnitt leicht ein und ein wenig Blut perlte über seinen Hals. Verkrampft hatte er den Griff gehalten, doch als Nay aufgetaucht war, hätte er den Dolch fast fallen gelassen. Er hatte Angst, so sehr, dass er zitterte. Was würde Nay tun? Und was sollte er selbst machen? Sich jetzt einfach die Kehle durchzuschneiden, war zu einfach. Er würde wieder nur wegrennen. Eher unfreiwillig ließ er den Dolch in seinen Schoß sinken. Auch wenn ihm nicht danach zumute war schrie er fragend nach unten: "Was ist der Grund für deinen gütigen Besuch?" Er klammerte sich immer noch an Miras Wahrheit. Charlie wich Nays Blick aus, doch der Ältere wusste, dass Charlie verängstigt und verwirrt war. "Kommst du sie suchen? Sie war eben hier und ist in die Richtung verschwunden, wahrscheinlich wartet sie schon, also beeile dich etwas!" "Charlie, was soll das? Du weißt ziemlich genau, dass ich auf der Suche nach einem störrischen, beleidigtem Feuermagier bin!" Nays Blick war herausfordernd auf den Kleinen gerichtet, der sich selbst verzerrt in der Klinge des Dolches betrachtete. "Laber nicht! Ich weiß, dass du mit ihr etwas mit ihr hattest, und dass du mich nur benutzt hast..." Charlies Stimme schrie fast und sein Gesicht war verbittert. "Nein! Das ist nicht wahr. Sie will uns aufs Kreuz legen! Sie ist die dritte Prüfung, verstehst du es nicht? Ihre Aufgabe wird es sein, uns zu trennen und dann einzeln fertig zu machen. Du siehst ja, wohin sie dich getrieben hat!" Mit seinem Zeigefinger deutete der stärkere Magier auf ihn. Daraufhin betrachtete Charlie den Dolch, der ein Erbstück seines Vaters war. Er hatte ihn nach seiner Flucht aus dem Schloss, in Zyl, seinem Heimatdorf, gefunden. Er konnte sich noch wage daran erinnern, wie sein Vater ihn immer stolz an seinem Gürtelbund getragen hatte. "Woher willst du wissen was ich gemacht habe? Ich saß nur hier und habe... geschnitzt.", erklang seine Antwort zögerlich. "Komm runter!", erwiderte Nay. Der Kleine sprang von Ast hinab, kam, geübt von den vielen Stürzen, recht ungehindert auf. Er wagte es nicht seinem Freund ins Gesicht zu sehen, als dieser seinen Kopf nahm und leicht zur Seite kippte. Es war ein kleiner Schnitt zu sehen. "Was schnitzt du denn so? Deine eigenen Körperteile?" Nay nahm ihm den Dolch ab, legte ihn weg und hielt Charlie fest. Der Kleine stand trotzig da, das Gesicht gesenkt, wie ein Kind, welches sich sehr schämte. "Es tut mir Leid.", mehr sagte der andere nicht und fing an leise zu schluchzen. Nay sah ihn ernst an: "Hey, weinst du etwa? Wegen mir? " "Nein! Doch... Scheiße, ich mag dich eben, was sollte ich denn ohne dich anfangen?" Er fiel Nay im die Arme und weinte sich aus, obwohl es ihm mehr als nur peinlich war. Noch vor einiger Zeit wäre Charlie lieber gestorben, als Nay seine Schwäche zu zeigen... es war undenkbar gewesen! Doch nun, konnte er sich nicht zurückhalten. Er konnte den Schmerz, den er empfunden hatte, nicht mehr unterdrücken. Es hatte sich alles angesammelt innerhalb der letzten Tage angesammelt. Doch erst jetzt gab er es zu, gestand es sich selber ein, wie viel ihm an Nay lag. Charlie fühlte sich hilflos, mehr als jemals zuvor und spürte schon beinahe das Verlangen von Nay beschützt zu werden. Er war sich nicht sicher ob Nay dieses Verlangen bemerkte, aber trotzdem hielt letzterer den Kleinen sanft umarmt bei sich. Es fing leicht an zu regnen, allerdings störte das beide wenig. Sie waren glücklich sich wieder vertragen zu haben und Charlie wollte schon gar nicht mehr von Nay ablassen. Die gegenseitige Körperwärme schütze sie vor der Kälte, die sich außerhalb von ihnen ausbreitete. Abgesehen davon, war ihnen nicht nur die Wärme wichtig. "Ich hab dich wirklich vermisst. Es tut mir so Leid dir solche Vorwürfe gemacht zu haben!", flüsterte Charlie in Nays Ohr das ungewöhnlich nahe an seinem Mund war. Nay nickte leicht, sagte aber nichts. Eigentlich wurde der Kleine schnell wütend, wenn Nay ihm nicht antwortete, doch im Grunde wusste er, dass Nay genauso empfand. Charlie hatte sich selten so wohl gefühlt, wie in diesem Augenblick. Nay löste sich halb aus der Umarmung und sah dem Kleinen tief in die blauen Augen. Mit seiner Hand strich er ihm behutsam über die grünen, nassen Haare und zog dessen Gesicht näher zu sich heran. Nay legte seinen Kopf ein bisschen zur Seite und kam langsam etwas näher zu Charlie. "Ich dich auch...", sagte er sehr leise, so dass Charlie es kaum verstand. Alles schien unwichtig zu sein. Der Regen der beide durchnässte war so nebensächlich, wie das Rascheln der Blätter an einem Busch, neben einem tosenden Wasserfall. Nay legte nun auch die zweite Hand an Charlies Gesicht und strich im über die Wange. Während er ihn noch immer zu sich zog, so nah, dass der Kleine Nays Herz hören konnte und sie den Atem des anderen als kalten Hauch auf ihren Gesichtern spüren konnte, berührten sich leicht ihre Lippen. Wie in Trance hielten beide ihre Augen halb geschlossen. Es war etwas völlig neues. Charlie war fast etwas erschrocken darüber gewesen, doch er merkte, dass es ihm nicht unbedingt etwas ausmachte. Viele kleine Momente die zusammen nur wenige Sekunden waren, schienen sich endlos zu dehnen. Die Zeit war schon fast stehen geblieben. Langsam zog Nay seine Lippen zurück und ließ Charlies Kopf los. "Entschuldige bitte...", sagte Nay, gab aber keine Erklärungen ab. Charlie war nun knallrot. "Es hat mir w...", doch Charlie konnte seinen Satz nicht beenden, schon wieder wurde der Kleine unterbrochen. "Was tut ihr da?", beide blickten sich um und sahen Mira, die ebenfalls triefend vor Nässe, ein paar Meter von ihnen entfernt stand. Sie war wohl zurück gekommen, als sie gesehen hatte, dass Nay nicht mehr an dem Ort war, an dem sie ihn gerne gehabt hätte. Blitzschnell hatten beide die Umarmung aufgelöst und standen ihr kampfbereit gegenüber. "Du wirst uns nicht mehr auseinander bringen!!!!!", brüllte Charlie sie durch den Regen an. Ein natürliches Gewitter brach aus. "Was hab ich denn so falsch gemacht? Weshalb habt ihr es geschafft euch zu vertragen? WESHALB? Ich versteh das nicht! Der Zauber war doch perfekt.", sie schrie schrill zu den beiden herüber und die Tränen, die ihre Wangen herunter rannen, vermischten sich mit dem Wasser das auf ihr Gesicht prasselte. Nay schob den Kleinen sanft hinter sich. "Sorry Kleiner, das ist meine Sache!" Mira fing wieder an zu lächeln. Sie ging auf den stärkeren Magier zu und wollte ihn umgarnen, aber er wehrte sie hart ab. "Man schlägt keine Frauen!", beschwerte sie sich wütend, aber setzte dann wieder ihr selbstsicheres Gesicht auf. Sie sprang, oder eher 'flog' über Nays Kopf hinweg und landete knapp hinter Charlie. Dieser wollte sie abwehren, aber so richtig frei bewegen konnte er sich nicht mehr, denn sie hielt ihn im Schwitzkasten. Ihr Duft hüllte ihn ein und er tat nichts mehr. Da war es wieder, dieses grausame Lächeln auf ihren Lippen. Sie holte ein Kurzschwert unter ihrem Gewand hervor und hielt es an Charlies Hals. Sie deutete auf die kleine Schnittstelle an ihm, die mittlerweile leicht verkrustet war: "Schau mal Nay, da wo ich reinschneiden muss ist sogar schon eine kleine rote Markierung!" "Lass ihn los!", erwiderte dieser. "Nö. Hab ich gar nicht so die Lust zu." Triumphierend stand sie da, den Kleinen wie ein erbeutetes Opfer auf den Boden gedrückt und in der Zwickmühle festgehalten. Nay wusste nicht was er machen sollte. Er wollte nicht, dass dem Kleinen etwas passierte. "Komm wieder mit und ich lass ihn frei, ich verspreche es", bot sie ihm an. Seine Züge verhärteten sich: "Nein. Wenn ich wieder bei dir bin, nimmt er sich das Leben. Also, wozu sollte ich ihn jetzt retten, wenn er so oder so stirbt?!?" Charlie der fast vollkommen benebelt in Miras Griff hing, zuckte kurz zusammen. Mira sah ihn ernst an: "Was wirst du jetzt tun?" "Versuchen ihn zu befreien?!", vermutete Nay. Obwohl er wusste, dass Mira Charlie umbringen könnte, stürmte er auf die Halbelfe zu. Mira starrte den herannahenden Nay verwirrt an. Eigentlich wollte sie dem Feuermagier nichts tun, sie hatte blind gehofft, dass Nay ihr einfach freiwillig folgen würde. Ihre Konzentration schwand stark und somit lösten sich auch ihre magischen Beschwörungen auf. In einem geeigneten Augenblick löste sich Charlie von ihr und rannte Nay entgegen. Letzterer behielt Mira ständig im Auge: "Du hast keine Chance!" Noch ehe sie darauf antworten konnte, erschien hinter ihr ein helles Licht. Nay und Charlie kannten es schon und langsam wurden sechs Personen sichtbar. "Mira Juichi, Halbelfe aus dem geheiligten Land Elftowns, du hast deine Aufgabe nicht erfüllt! Deine Verbannung, aus dem heiligen Rat wird dich richten, und dein Stimmrecht der Volljährigkeit entsagt. Halbblut, ziehe deines Weges!", der Chor, den diese Personen bildeten war laut und klar durch den Wald zu hören. "Nein, bitte lasst mir noch etwas Zeit, ich werde es schaffen, ich weiß es!", Mira kniete vor den anderen Elfen und streckte ihre Hände als wenn sie betete zu ihnen hinauf, doch sie hörten sie nicht an. Ihre kalten Stimmen schnitten Mira ins Herz wie Eis: "Du bist eine Schande für deine Familie. Wirst du aufsässig, betrafen wir dich. Geh!" Zeitgleich drehten sie sich um. Ihre Umhänge glitzerten von dem Licht der Sonne, obwohl diese sich hinter Wolkendecken versteckte. Das war die Magie der elfischen Weber, die kein menschliches Wesen zu erreichen vermochte. Unbeholfen stolperte Mira hinter dem Rat der Elfen hinterher. Ihre Eleganz war ganz und gar von ihr abgefallen. Heulend und schluchzend krallte sie sich an den Mantel der Erdelfe. "Bitte, ich liebe meine Familie doch! Ich will sie nicht verlassen. Auch wenn mein Vater ein Mensch ist, ist er nicht liebenswert? Er wurde doch auch aufgenommen. Sind wir so verschieden weil unser Blut sich nicht gleicht? Das kann doch nicht wahr sein! Bitte, bitte, lasst mich nicht alleine, nur weil mein Blut zwei Rassen trägt, ich schade doch niemandem!" Der Rat, auch die Elementelfen genannt, blieben stehen und drehten sich wieder zu ihr. Mira blickte sie hoffnungsvoll an, doch ihre Hoffnung erlosch. Sie bemerkte wie die Elfen Magie ansammelten, ja, sie spürte die Auren die sich aufbauten und sich bedrohlich vor ihr erstreckten. Kleine Bälle aus den 6 Magien, Wasser, Eis, Wind, Erde, Licht und Leben, die das Elfenvolk beherrschte, formten sich zu einer knisternden und blitzenden Kugel. Mira schrie: "Nein, ich bitte euch!" Doch es war längst zu spät, die Kugel der Magie raste auf sie zu. Sie wurde an den Baum, den Charlie beschlagnahmt hatte, geschleudert. Blut spritze an die Gesichter der beiden Magier, die knapp daneben standen. Sie hörten Mira leise und heiser flüsterte: "Geht nicht, lasst mich nicht zurück.. Wa ...was habe ich denn getan? Hätte eine reinrassige Elfe das ge.. geschafft? Lasst mich zu meiner Familie!", sie sprang auf, rannte los, auf die Elementelfen zu. Sie hatte einen Schutzschild aufgebaut der gefährlich flackerte aber standhielt. "Dummes Gör!" Blitze zuckten durch die Luft und sie alle waren auf Mira gerichtet. Wieder flog sie zurück, rutschte durch den Schlamm bis vor Nays und Charlies Füße. Lachend verschwanden die sechs Elfen und ließen Mira liegen. Der Kleine wischte sich fassungslos das Blut aus seinem Gesicht. Ohne richtig zu wissen was er tat, beugte er sich herab zu Mira. "Hey, du, sag was!", er sprach ihr ins Ohr, damit sie es verstand, aber nichts passierte. "Nay, wir müssen ihr helfen!", meinte Charlie zu seinem Freund, der ihn merkwürdig und überrascht musterte. "Ja, ich hätte zwar nicht gedacht das du das vorschlägst, aber in Ordnung..." Nay blickte auf den regungslosen Körper der Halbelfe. Der Regen prasselte auf sie, durchnässte ihre Kleidung. Ihre dunkelblonden Haare waren verschmiert und ihre Augen geschlossen. Nay hob sie aus dem Schlamm und sie zogen weiter. Ausnahmsweise schien Charlie das zu unterstützen anstatt beleidigt zu sein. Sie gingen zurück zur Hütte und hofften, dass es kein Scherz von Mira gewesen sei, um sie wieder zu sich zu locken. Sie kamen an und fanden sie so vor wie sie schon vorher gewesen war. Alles stand noch so da wie Nay es verlassen hatte. Wieder legte Nay Mira auf das Sofa, aber dieses Mal blieb Charlie bei ihnen. Er war nicht unbedingt in der Stimmung irgendetwas zu riskieren oder zu verlieren. Es vergingen Stunden in denen nichts geschah, so dass Charlie langsam nicht mehr an eine Elfensimulation glauben konnte. Nay sagte ihm, dass er kurz nach draußen gehen würde um etwas Essbaren zu suchen. Charlies Magen stimmte dem mit lautem Gegrummel zu. Der stärkere Magier verließ die Hütte, diesmal ohne Kopfschmerzen und quälenden Gedanken. Charlie sah sich etwas im Haus um. Er hatte Nay nicht alleine mit ihr lassen wollen, aber so plagten ihn keine Ängste das Mira seinen Freund erneut verzaubern könnte. Er ging die Treppen hoch und schaute sich die Zimmer an. Am Ende eines Ganges, an dem er auch schon Schlafzimmer und Ähnliches entdeckt hatte sah er auch ein Badezimmer. Freudig ging er rein und sah sich neugierig um. Ein Geräusch war von unten zu hören. Charlie ging Richtung Treppe und rief laut nach unten: "Na Nay? Wieder da?", fragte er laut. Schritte waren unter ihm. Kleine Schritte. Das war nicht Nay. "Hey, du? Bist du es Halbelfe?", angriffsbereit ging er nach unten. Auf einmal stand sie vor ihm. Sie tat nichts. Stand nur da. "Hallo", sagte sie leise und hielt sich dabei ihre Seite, die verletzt worden war. "Tach" erwiderte Charlie unsicher. "Keine Sorge, ich werde dir nichts tun. Weder dir noch Nay. Es tut mir Leid dich so gequält zu haben... ich ..ich konnte echt nichts dafür! Wenn ich es nicht versucht hätte, wäre ich nicht nur aus der elfischen Gemeinschaft, sondern aus dem gesamten Reich der Elfen verbannt worden. Du musst wissen, dass dort meine Familie lebt. Ich habe nur noch eine Möglichkeit sie zu sehen...und zwar um Abschied zu nehmen. Weißt du...ich.. ich...will nicht weg. Ich liebe sie doch." Erstaunt sah Charlie zu, wie sie sich an ihn klammerte, und in sein verschmutztes Hemd weinte. ,Toll Charlie, was nun? Jetzt heult se und was machst du dann? Doof rumstehen? Sie trösten?', dachte er. Letzteres schien ihm am angemessensten und er strich ihr einmal sanft über den Rücken: "Tut mir Leid.", sagte er. "A.. Aber weshalb tut dir das Leid? Ich.. habe euch doch so ge.. gequält, wie kannst du da noch Mitleid empfinden?", sie sah ihm in die Augen. Er zuckte mit den Schultern. Irgendwie sah er ein bisschen sich selber in der verzweifelten Mira... nur weil sie anders war... Die Tür klappte auf und Nay kam rein. Charlie sah ihn mit einem Hilf-mir-denn-ich-weiß-nicht-wie-man-ein-Mädchen-tröstet-Blick an. Mira entschuldigte sich auch bei ihm und bot ihnen an, zu helfen wo sie konnte. "Wohin werdet ihr gehen?", fragte sie am Schluss mit zitternder Stimme. Beide Magier erwiderten das sie vorgehabt hatten nach Elftown zu gehen. Mira begleitete sie, da auch sie noch einmal nach Elftown wollte. Charlie war zwar dagegen, dass Mira sie begleitete, doch er sagte nichts dazu. Nay schien es wieder egal zu sein, er sah genauso emotionslos aus, wie eh und je. Miras Abschied von ihren Eltern verlief recht ungewöhnlich. Sie waren nicht da. Anscheinend hatten sie das Haus leer geräumt und waren abgehauen. Mira war sehr deprimiert, aber keiner, weder Charlie noch Nay, hatte richtig Lust sie zu trösten. Als sie dann einen Unterschlupf suchten, schlug Mira ihnen ein Hotel vor. Sie mussten ihre Unterkunft bezahlen, denn Mira selbst besaß nun nichts mehr. Sie gingen allesamt früh schlafen und hielten es nicht für klug noch lange Gespräche zu führen. Selbst Charlie, der ja ansonsten nicht unbedingt zum Halten seines Mundes veranlagt war, versuchte nicht mal ein kleines Wort rauszubringen. Die Nacht war sehr ruhig, nur Mira brauchte noch lange bis sie schlief. Während sie aus tränenerfüllten Augen an die schmutzigen Wände sah, fragte sie sich, was mit ihrer Familie passiert sei. Es vergingen Stunden bis sie der Erschöpfung und Müdigkeit nachgab und in den ersehnten, lösenden Schlaf fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)