Folge 1: Schlaflieder von abgemeldet
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Kapitel 3: Schlaflieder
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Schlaflieder
Die Vögel zwitscherten und ein frischer Wind wehte herein, die Vorhänge
flatterten leicht und ließen eine Brise bis an Kagomes Bett vorkommen. Kagome
atmete tief ein und beim Ausatmen blinzelte sie verschlafen gegen die
hereinfallende Sonne. Mit einer Hand rieb sie sich den Schlaf aus den Augen und
musste feststellen, dass selbige noch ein wenig geschwollen von der Nacht waren.
"Na toll, ich sehe heute morgen wieder aus, wie ein Monster," begrüßte sie den
Tag sarkastisch und erlaubte sich ein ausgelassenes Gähnen.
Nach kurzem Zögern schwang sie die Beine aus dem Bett und bemerkte, dass sie
inmitten von etlichen Taschentüchern stand.
"Ach du meine Güte!" sagte sie, als sie das weiße Durcheinander zu ihren
Füßen sah und daran denken musste, warum sie dort lagen.
Doch sofort schüttelte sie den Kopf. Sie würde sich von Inuyasha nicht den Tag
verderben lassen! Schnell sammelte sie die Tücher auf und warf sie in ihren
Eimer am Schreibtisch, der nun bis zum Rand voll war. Dann streckte sich Kagome
ausgiebig und seufzte, während sie zum Fenster ging und hinaus sah. Es war ein
Samstagmorgen wie gemalt. Die Sonne schien hell, die Vögel sangen in den Sommer
hinein und unten im Hof lag die friedliche Stille des Tempels.
"Happy Birthday, Souta!" flüsterte sie und lächelte in den Tag hinein.
Dann zog sie ihre Hausschuhe an und ging hinunter. Im Flur roch es herrlich nach
Eiern und Pfannkuchen!
*Ah, Mama ist schon wach.*
An jedem Geburtstag machte Kagomes Mutter Pfannkuchen und Eier zum Frühstück.
Es war immer etwas Besonderes und nie schmeckten sie so gut wie eben am
Geburtstag. Glücklich und beschwingt stürzte Kagome in die Küche und sah den
bereits gedeckten Tisch. Kagome klatschte in die Hände vor Freude und umarmte
ihre Mutter.
"Guten Morgen, Mama! Oh es riecht herrlich!"
Kagomes Mutter war gerade damit beschäftigt, einen Pfannkuchen zu wenden, als
sie sich von hinten überfallen fand. Aber sie lachte und legte dann den Wender
weg.
"Hallo Liebes! Na, gut geschlafen?"
Kagome wollte doch lieber nicht über diese Frage nachdenken und ging zum Tisch.
"Ja, ganz gut. Soll ich Souta wecken?"
Ihre Mutter lachte.
"Nein, Souta ist bereits wach und hilft Großvater draußen beim Kehren. Ich
habe sie schon gerufen und wollte gerade dich wecken."
"Fein!"
Kagome sah den reichlich bedeckten Tisch. Brötchen, Marmelade, die Eier waren
schon fertig und dampften vor sich hin. Fehlten nur noch die Pfannkuchen und die
Torte. Sofort verfinsterte sich Kagomes Mine. Aber sie ging dennoch zum
Kühlschrank und wollte ihn holen. Traurig nahm sie die dreiviertel Torte
heraus. Zu lesen war nun nur noch: Alles... zum Gebur... Sou... . Wie sah das
denn aus.
Aber sie hatte nun mal nichts anderes und so stellte sie den Kuchen trotz
schweren Herzens auf den Tisch. Sie seufzte. Dieser blöde Inuyasha! Immer
machte er alles kaputt!
"Guten Morgen, Schwesterherz!" rief Souta, als er herein gerannt kam und sie
umarmte.
Auch Kagomes Großvater kam herein und schien irgendwie verlegen. Er hatte etwas
in Händen, was Kagome seltsam erschien.
"Alles Gute zum Geburtstag, Souta! Ich wünsche dir viel Freude daran!"
gratulierte Kagome ihrem Bruder und umarmte ihn auch. "Gleich gibt es
Frühstück! Opa?"
Der Großvater drehte sich um und sah seine Enkelin ausweichend an.
"Du hast heute Morgen schon was gegessen?" fragte Kagome und zeigte auf die
Fertignudeln, die er gerade an der Spüle abstellte.
"Aber nein, Kagome. Ich schätze, sie sind von Inuyasha. Er hat sie gestern
wahrscheinlich vergessen, herein zu stellen. Also irgendwie finde ich seine
Vorliebe für diesen Fertigfraß seltsam."
Dann nahm er den Teller mit den Pfannkuchen und stellte ihn auf den Tisch. Aber
da erschrak er.
"Ah! Was ist denn das?!" rief er.
Kagome folgte seinem Blick und erfasste ihren Kuchen. Sofort verfinsterte sich
ihre Mine und Souta konnte praktisch die Zorneswolken über ihrem Kopf sehen.
"Oh, Souta! Es tut mir so leid! Ich fürchte, jemand hat von deinem Kuchen
gegessen. Eigentlich standen da Geburtstagswünsche drauf, aber jetzt kann man
es gar nicht mehr lesen. Außerdem wirst du jetzt dem Kuchen nach nicht acht,
sondern sechs. Tut mit leid," entschuldigte sich Kagome und schon wieder fühlte
sie, wie Wut und Enttäuschung in ihr hoch stiegen.
Aber da bemerkte sie, dass Souta plötzlich ziemlich rot um die Nase wurde und
schuldbewusst den Blick senkte. Er hob die Hand und reichte Kagome etwas.
Sie konnte es nicht fassen! Die Kerzen! Jetzt waren es wieder acht Kerzen! Aber
hatte das nicht etwas zu bedeuten?
"Tut mir leid, Kagome," Souta wagte es nicht, aufzublicken. "Ich habe mir
gestern etwas vom Kuchen genommen. Ich habe ihn im Kühlschrank entdeckt und
konnte nicht widerstehen. Jetzt habe ich dir die ganze Überraschung kaputt
gemacht, aber es war so lecker und sah so gut aus und ich habe mich doch so
gefreut..."
Kagome stand da, wie angewurzelt und wusste nicht, was sie sagen sollte. Zum
einen war sie froh, zum anderen war sie unglaublich betroffen und entsetzt über
sich selbst.
"Nun sei nicht so, Kagome!" meinte ihr Großvater und wandte sich um. "Er ist
doch noch ein Kind und weiß es eben nicht besser!"
Aber Kagome war schlau genug, um es besser zu wissen. Wutentbrannt schimpfte
sie:
"Was? Souta soll drei Stücke allein gegessen haben? Das glaub ich nicht! Viel
eher glaube ich, dass du den Kuchen gefunden hast, und ihn dann angestiftet
hast!"
Kagomes Großvater drehte sich um und hob abwehrend die Hände. Aber sein
schuldiges Gesicht sagte Kagome alles.
"Oh, was hab ich nur getan!" warf sich die Schülerin vor und konnte es nicht
fassen. "Ich habe Inuyasha die ganze Schuld daran gegeben, weil ich dachte, er
hätte den Kuchen gegessen! Was hab ich nur gemacht?!"
Kagomes Mutter trat an sie heran und legte eine Hand auf ihre Schulter.
"Hey, Kleines, mach dir keine Sorgen. Er wird dir das schon vergeben, wenn du es
ihm erklärst. Wo ist er denn eigentlich? Ich dachte, er wollte zu Soutas
Geburtstag bleiben."
Da schrak Kagome hoch.
"Er ist ja weg!" kam die Erkenntnis. "Oh, Souta, es tut mir leid! Ich muss ihm
schnell hinterher! Wir haben uns so gestritten, ich glaube es nicht! Was hab ich
da nur angerichtet!"
Ihr kleiner Bruder nickte nur, sich im Klaren, wer wirklich für das ganze
Schlamassel verantwortlich war.
"Geh ihm nach und sag ihm, dass es mir auch leid tut. Er soll doch bitte
trotzdem zu meinem Geburtstag kommen, ich hab ihn doch so gern."
Kagome nickte und lief dann hinaus. Ihre Familie sah ihr nach, wie sie es schon
so oft getan hatte. Kagomes Mutter brachte auch den letzten Pfannkuchen zu Tisch
und bat, zu essen. Aber sie selbst schaute einen Augenblick zum Schrank
hinüber, wo ein Streifen mit Tabletten lag.
*Habe ich gestern nicht einen Neuen angebrochen?* überlegte sie scharf und sah,
dass vier Tabletten fehlten. *Sie haben sich gestritten...*
Da stand sie schnell auf und rannte zur Tür hinaus. Im Hof blieb sie stehen und
sah sich um, aber Kagome war bereits weg. Ihr Herz raste.
Dann drehte sie sich um und sah zum heiligen Baum, der ihr so viel bedeutete.
Sie sah seinen schönen Blätter und den mächtigen Stamm.
"Nein, Inuyasha ist viel zu vernünftig," sagte sie zu sich selbst und faltete
die Hände.
.-.-.
Kagome rannte durch den Wald und durchbrach das dichte Unterholz. Weder Hecken
noch Büsche sollten ihr den Weg verweigern. Immer und immer wieder rief sie
seinen Namen, als sie an Bäumen vorbei eilte. Nur am heiligen Baum hatte sie
einen Augenblick verharrt, um zu warten, ob er nicht auftauchte. Doch so war es
nicht. Inuyasha war nicht gekommen. Stattdessen war sie nur von Schweigen und
rauschenden Blättern empfangen worden.
Wie dumm sie doch gewesen war!
Tränen stiegen in Kagome auf. Sie war nicht besser als diese vorsintflutlichen
Bauern, die immer dem ersten Anschein und der einfachsten nächst besten
Erklärung Glauben schenkten. Sie hatte Inuyashas Worte, die er damals nach dem
Abenteuer mit Jinenji gesprochen hatte, bewahrheitet. Kein Wunder, dass er böse
auf sie war!
"Inuyasha!" rief sie aus Leibeskräften und ihre Stimme hallte noch weit durch
den Wald. "Es tut mir so leid! Bitte verzeih mir! Es tut mir so unglaublich
leid!"
Aber sie wartete vergeblich auf Antwort. Hörte er sie überhaupt? Natürlich
hörte er sie! Und wenn nicht konnte er sie riechen... Schließlich war er im
Stande einen Dämon auf etliche Kilometer Entfernung zu bemerken.
Kagomes Schritte verlangsamten sich und ihre Rufe erstarben auf ihren Lippen,
als sie einsah, dass er ihr nicht gegenübertrat. Durch ihre voreilige
Verdächtigung hatte sie es sich selbst zuzuschreiben, dass er sie nicht sehen
wollte. Geknickt und traurig seufzte sie. Es hatte keinen Sinn. Sie konnte
Inuyasha nicht auswendig machen, wenn er es nicht wollte. Der Wald war sein
Reich und niemand fand sich hier besser zurecht, als er.
Sie konnte ihn vielleicht nicht finden, aber sie konnte ihm eine Nachricht
hinterlassen. Früher oder später würde er Kaede oder den anderen über den
Weg laufen. Also beschloss sie, ins Dorf zu gehen, bevor sie wieder in ihre Ära
zurückkehrte.
.-.
Shippo sah auf. Dort hinten hob sich etwas Kleines vom Wald ab, er konnte es
ganz genau sehen. Der Wind war günstig, also streckte der kleine Fuchs seine
Nase ihm entgegen und nahm einen tiefen Atemzug.
"Das ist ja... Kagome!" Shippo war so erfreut und so aufgeregt, dass er beim
aufstehen mit einem Hinterlauf an einer Wurzel hängen blieb und sofort wieder
zu Boden ging.
Als er sich aufrichtete, rieb er sich seine kleine Nase und wischte den Staub
davon ab, dann sah er noch einmal hin, um sicher zu gehen, dass er sich nicht
getäuscht hatte. Aber noch immer war die Gestalt da und sie kam schnell immer
näher. Kagome rannte.
"Sango! Komm schnell! Kagome ist wieder da!" rief das Kind und hüpfte aufgeregt
auf und ab, winkte Kagome entgegen zu Begrüßung.
Als sie zurückwinkte, schlug Shippos Herz wie wild in freudiger Erwartung und
auch Sango, die nun hinter ihm stand, hob eine Hand und grüßte die Schülerin
von weitem.
"Kiara!" rief Sango ihre Feuerkatze zu sich, denn sie hatte beschlossen, Kagome
entgegen zu kommen.
Die Katze erschien sofort und mit einer Welle sengend heißer Luft wuchs sie
plötzlich auf das zwanzigfache ihrer Größe an, groß genug, um Sango, Shippo
und schließlich auch Kagome aufnehmen zu können. Im Nu hatten die beiden die
Distanz zurückgelegt und landeten direkt vor Kagome, die hart mit der
Atemlosigkeit kämpfte.
"Ich... ich..." versuchte Kagome anzusetzen, aber die Luft reichte noch nicht
aus.
"Es ist gut, dass du da bist, Kagome! Wir haben uns schon gefragt, was mit
Inuyasha los ist!" plapperte Shippo heraus und gestikulierte wild mit den
Händen.
"Also war er bei euch," schloss Kagome beruhigt und stützte sich auf den Knien
ab, als sie weiter sprach. "Ich habe mir schon Gedanken gemacht. Ich meine, ich
habe einen riesen Fehler gemacht und jetzt weigert sich Inuyasha, mit mir zu
reden. Dabei tut mir das alles so sehr leid und ich konnte doch nicht wissen,
dass er es nicht gewesen ist..."
"Warte mal, nicht so schnell," unterbrach Sango Kagome in ihrem Redeschwall.
"Was ist denn nur passiert? Wir haben ihn gefunden und er war völlig
aufgelöst. Zuerst dachten wir, er hätte getrunken. Miroku ist jetzt noch ganz
fertig."
"Was ist mit Miroku? Hat Inuyasha irgendwen verletzt?" Panik kam in Kagome auf,
als sie mit Sangos Worten nichts anzufangen wusste.
"Nein, obwohl wir zuerst befürchtet hatten, dass er sich in einen Volldämon
verwandelt hat. Miroku und ich wurden wach, sein Lachen schallte noch aus dem
Wald heraus. Dann ging Miroku vor, während ich Shippo und Kaede geweckt habe.
Als wir sie fanden, saßen sie zusammen da, Inuyasha war ziemlich fertig..."
sollte Sango ihr sagen, dass er geweint hatte?
"Ja, er hat sogar geweint, Kagome. Ich hatte ziemliche Angst, dass etwas
passiert ist," platzte Shippo heraus und Sango verdrehte die Augen.
Er hatte ihr die Entscheidung ja schnell abgenommen.
"Was?" Kagomes Stimme war leise und brüchig. "Oh nein... ich wusste doch nicht,
dass er sich das so zu Herzen nimmt."
"Irgendwann schlief Inuyasha dann ein. Wir haben ihn ins Dorf gebracht und er
ist kein einziges Mal aufgewacht. So tief habe ich ihn noch nie schlafen sehn.
Miroku ruht sich auch gerade aus. Kaede sagte etwas von einer furchtbar
erschütternden Aura und dass sie Miroku viel Kraft gekostet hat."
"Ich verstehe das alles nicht, Sango! Ich wollte ihn doch nicht so verletzen!"
Die Dämonenjägerin schüttelte den Kopf und dabei schwang ihr zurück
gebundenes Haar sachte mit.
"Jetzt mach dir mal keine Vorwürfe, Kagome. Er kommt schon wieder in Ordnung.
Ist ja nicht der erste Streit. Aber sag mal, worum ging es denn? Doch nicht etwa
schon wieder um Kikyo, oder?"
"Nein," gab Kagome traurig zu.
Jetzt kam ihr der Streit und ihre trotzige Reaktion so dumm vor. Wegen eines
Stückes Torte.
"Es war wegen meinem Kuchen für Souta."
"Und was war es, als er wieder bei dir war? Da war doch noch etwas, oder?" hakte
Sango nach und sie stiegen alle auf Kiaras Rücken.
"Wie meinst du das, er war noch einmal bei mir? Ich habe ihn nicht gesehen."
"Er war aber in deiner Zeit. Wir haben ihn selbst zurück geschickt, um sich bei
dir zu entschuldigen," meinte Shippo und sah Kagome verwirrt an.
"Er war aber nicht bei mir," stellte sie klar und Kiara setzte bereits wieder
zur Landung an.
"Na siehst du? Erst nach diesem zweiten Mal war er so seltsam. Es war also
sicher irgendetwas anderes," beruhigte sie Sango und wies sie an, abzusteigen.
"Danke Kiara!"
Die Katze verwandelte sich zurück und war nun so klein und unscheinbar, wie
zuvor. Sie miaute und schmiegte sich an Sangos Beine, bis diese sie auf die Arme
nahm.
Die Tür zur Hütte öffnete sich und Kaede trat heraus. Als sie Kagome
erblickte, war ihr Herz etwas erleichtert.
"Es geht dir gut, dem Himmel sein Dank!" sagte sie und nahm einen Eimer, um
Wasser zu holen. "Kommt mit zum Brunnen und berichtet mir, was vorgefallen ist.
Vielleicht kommt dann endlich Klarheit in die Sache."
Die anderen begleiteten sie und Kaede wurde in Kenntnis gesetzt, was sie bisher
zusammen gepuzzelt hatten.
"Dann sagst du also, er war kein Zweites mal bei dir," stellte Kaede fest, als
Sango den Eimer mit Wasser für sie aus dem Brunnen zog.
Kagome schüttelte den Kopf.
"Ich muss unbedingt zu ihm! Ich muss mich entschuldigen!" brach es aus Kagome
heraus und sie wollte sich schon umwenden und zurück eilen.
"Na dann versuch dein Glück, wenn ihn jemand wach bekommt, dann du, Kagome,"
sagte die Priesterin und Kagome drehte sich erschrocken um, starrte in drei
ernste Gesichter.
"Was meinst du?"
"Ich habe versucht, ihn zu wecken, Sango hat versucht, ihn zu wecken, nicht
einmal Shippo, der ihn ja bekanntermaßen zur Weißglut nervt, bringt es fertig,
ihn zu wecken."
Kagome sah Sango an, als brauchte sie noch eine weitere Bestätigung, um es zu
glauben. Aber die Dämonenjägerin nickte lediglich und seufzte.
"Irgendetwas stimmt da nicht. Vielleicht ist er vergiftet worden," sagte sie und
war ganz in ihrer Rolle als Dämonenjägerin.
"Vergiftet!" gab Shippo erschrocken von sich.
"Ich will es dennoch versuchen!" entschied sich Kagome entschlossen und rannte
zurück.
.-.
Sie trat in die Hütte und ein dämmriges Licht umfing sie. Es war warm hier
drinnen und die Sonne fand nicht viele Schlupflöcher, um die Hütte zu
erhellen. Kagome war mit der Zeit vertraut geworden mit dieser Art Haus und
schätzte Kaedes Hütte mit jeder Nacht mehr, die sie hier im Freien verbringen
musste.
Es war weitgehend ruhig, nur Atmen und Schnaufen durchbrachen die völlige
Stille hier drinnen. Kagome sah sich um und entdeckte die zwei schlafenden
Gestalten zu ihrer Linken. Jeder lag in einer Ecke der linken Hütte und
zwischen den beiden war ein Eimer mit Wasser und zwei Schalen, falls sie Durst
bekämen und aufwachten. Doch nur eine Schale war angetastet.
Kagome sah zu Miroku hinüber, der so fest schlief, dass er nicht wach geworden
war, als sie herein geschlichen war. Seine Robe war am linken Bein herauf
gewunden worden und ein weißer Verband, getränkt mit einem Kräutersud schlang
sich um sein Knie.
"Armer Miroku," dachte Kagome laut und stellte fest, dass jedoch kein Blut am
Bein des Mönchs war.
Kaede hatte ihr gar nichts von dieser Verletzung erzählt. Anscheinend war die
geistige Anstrengung schlimmer als sein Knie gewesen und die Priesterin hatte
sich deshalb darauf beschränkt.
Dann lenkte sie ihr Augenmerk auf den Halbdämon. Langsam kam sie näher.
Inuyasha lag auf einer ausgebreiteten Decke in seiner roten Kleidung und rührte
sich nicht. Kagome erinnerte sich zurück an Gelegenheiten, wo er ziemlich
schwer verletzt gewesen war und es dennoch fertig gebracht hatte, sie bei jedem
Nahen zu bemerken. Aber nun...
Er war blass, sehr blass. Es beängstigte Kagome, ihn so zu sehen. Seine Augen
waren geschlossen und er sah so friedlich aus. Als würde er in Frieden ruhen.
Schnell verdrängte Kagome die Assoziation, die mit diesem Ausdruck einher ging
und beugte sich vor, über den Halbdämon.
Noch immer keine Reaktion von Inuyasha. Sein Brustkorb hob und senkte sich
langsam, aber gleichmäßig.
Kagome nahm seine Hand, sie fühlte sich kalt und schlaff an. Vorsichtig strich
sie darüber und streichelte die langen und schmalen Finger. Sie waren so
schlank. Kaum zu fassen, dass in ihnen genug Kraft steckte, um mehrere Dämonen
auf einmal zu töten! Aber Inuyasha schlief.
Frustriert schnaufe Kagome und fasste sich ein Herz. Sie beugte sich über ihn,
ihr Haar rann herab, wie ein Wasserfall schwarzer Natur und berührte Inuyashas
Brust.
"Inuyasha," sagte sie leise und kam seinem Gesicht näher. "Inuyasha."
Vielleicht war es ja, wie in den vielen Märchen, die ihr ihre Mutter immer
vorgelesen hatte? Vielleicht war er ja eine Figur darin und sie musste ihn von
diesem Fluch befreien, der auf ihm lastete?
Sie spürte seinen warmen Atem, wie er sich feucht und süß auf ihre Haut
niederschlug.
Immer hatte sie sich gewünscht, von einem Mann geküsst zu werden, aber
vielleicht entsprach das nicht länger der Realität? Vielleicht war ihre eigene
Zeit zu fortschrittlich? Nun war es jedenfalls an ihr. Wie würde es sich
anfühlen, ihn zu küssen? Kagomes Herz raste, ihr Puls schlug hart gegen ihren
Hals und sie konnte das Blut in ihren Ohren rauschen hören.
Und da war sie. Die erste Berührung ihrer Lippen. Ein Gefühl inniglichster
Wärme und Zufriedenheit durchflutete Kagome, als sie da so kniete, Inuyashas
Gesicht mit ihren Händen haltend und ihre Lippen auf den seinen. Ein Schauer
durchfuhr sie und hinterließ Gänsehaut auf ihrem ganzen Körper. Inuyashas
Lippen schmeckten wie kühles Bergwasser, das gerade vom höchsten Gipfel
geschmolzen und ins Tal geronnen war. Er fühlte sich so weich an, ganz anders,
als sie es sich vorgestellt hatte. Seine Haut war makellos und schön und...
kühl.
Kagome spürte nichts. Sie wurde nicht wieder geküsst, wie die Prinzen es im
Märchen wurden. Widerstrebend begann sie sich von ihm zu lösen und richtete
sich langsam auf.
Seine Augen waren geschlossen und er lag noch da, wie zuvor, nur dass seine
feinen Lippen nun etwas geöffnet waren. Der Moment verzog und plötzlich hörte
Kagome etwas hinter sich.
Als sie sich umdrehte blickte sie in zwei blaue Augen.
"Miroku..." Kagome wurde rot und senkte den Blick. "Habe... habe ich dich
geweckt?"
Der Mönch schöpfte sich etwas Wasser aus dem Eimer und trank ein wenig.
"Nein, Kagome, das hast du nicht. Mach dir keine Sorgen. Ich sage es keinem."
Kagome schenkte ihm ein Nicken und ein Lächeln als Zeichen ihrer Dankbarkeit.
"Was ist denn nur geschehen?" fragte sie den Mönch, ohne eine Antwort zu
erwarten.
Aber Miroku konnte es nicht für sich behalten. Ihn bedrückte etwas und er
musste es mit jemandem teilen. Jetzt. Und wer eignete sich besser dafür, als
Kagome? Er fing an ihr zu erzählen, wie er Inuyasha gefunden hatte, wie er in
seine Arme gesunken war und wie er ihn Stunden hielt, ihm Worte des Trostes
spendend und ihm über den Rücken streichend.
"Es war nicht wegen eures Streites. Das schien mir nur der Auslöser. Und wenn
er noch dazu irgendein Gift in sich hat, oder was auch immer... aber... es war
alles was er erlebt hatte. Ich habe das alles gespürt. Zuerst hatte ich ihn
wegdrücken wollen, damit ich es nicht ertragen musste. Doch konnte ich ihn
nicht einfach so ihm selbst überlassen. Da war so viel Schmerz, so viel
Unverarbeitetes. Ich dachte plötzlich, dass das Leid der ganzen Welt auf ihm
läge. Ich habe gesehen, wie seine Mauer, sein Schutz zerbrochen ist und ich
sah, was sich darunter verbarg. Lieber hätte ich es nicht gesehen, denn es
erschreckt mich, dass der stärkste Mensch, Dämon... das stärkste Geschöpf,
das ich kenne, im Innersten doch so zerrüttet und verletzlich ist. Kagome, so
habe ich ihn noch gar nicht kennen gelernt! Ich wusste nicht, dass so etwas in
ihm schlummert!"
Nein, sie war sich bewusst, dass es den Mönch völlig unvorbereitet getroffen
haben musste. Sie selbst konnte sich wahrscheinlich gar nicht ausmalen, was in
Inuyasha vorging, doch war sie immer diejenige gewesen, die es immer am ehesten
hatte abschätzen können. Und nun? War es Miroku.
Sie sah ihn an, den Mann, der da so hilflos vor ihr saß und nicht wusste, wie
er dem Ausdruck verleihen mochte, was er erfahren hatte. Der versuchte, ihr
mitzuteilen, was ihm zuteil geworden war. Der entsetzt und fasziniert war von
der Natur dieses Halbdämons, dessen Innerstes sie so gerne kennen wollte.
Miroku starrte sie an und wartete auf irgendetwas. Wartete darauf, dass sie
etwas sagen möge, dass die verstehen möge. Aber das konnte Kagome nicht.
"Kagome... es tut mir leid."
Das Mädchen wurde aus seinen Gedanken gerissen und sah nun den Mönch vor ihr
an, der auf den Boden sah und dessen Augen deshalb von seinen Haaren verdeckt
wurden.
"Was?!"
"Es tut mir leid. Ich habe das Gefühl, dass ich dir etwas weggenommen habe.
Aber glaube mir, hättest du die Möglichkeit gehabt, dich meiner statt
anzubieten, ich weiß nicht, ob ich dich gelassen hätte. Ich habe etwas von
Inuyasha erfahren, das wunderschön und furchtbar zugleich ist. Es ist
faszinierend und dennoch so Angst einflößend, dass ich daran zweifle, ob ich
es dir zugemutet hätte. Ich rieche plötzlich Blut, das gar nicht da ist. Ich
nehme den Geruch aber so stark wahr, dass ich mittlerweile an meinem Verstand
zweifle. Ich kann es sogar im Schlaf riechen. Und schlafen mag ich schon gar
nicht mehr, weil mich so viele seltsame Träume plagen. Personen, deren
Gesichter ich nicht kenne, Personen, deren Gesichter ich nicht kennen möchte.
Ich träume von Sessouhmaru und Kikyo. Und alles dreht sich in meinem Kopf."
Miroku bedeckte seinen Kopf instinktiv mit beiden Händen, als wolle er sich vor
irgendetwas schützen. Kagome erschrak angesichts dieser Geste und seiner
Verwirrung und lief schnell zu ihm, legte ihre warmen Hände auf die seinen.
"Ich mache dir keinen Vorwurf, Miroku. Wie kann ich dir helfen?"
Der Mönch ließ sich zurück auf das Bett sinken und nahm seine Hände nun vor
die Augen um auch noch den Rest des Tageslichtes aus seinen Augen zu
vertreiben.
"Du kannst mir nicht helfen. Ich muss es einfach durchstehen und abwarten.
Inuyasha war einfach zu stark für mich, seine Gefühle waren einfach zu
übermannend. Ich kann jetzt nicht weiter über ihn sprechen... mir wird sonst
schlecht. Dieser Blutgeruch..."
"Gut, dann sprich nicht," beruhigte Kagome ihn und legte sanft ihre Hand auf
seine Stirn.
.-.-.
"Vielleicht ist Inuyasha einfach nur sehr müde," bot Shippo an und sah
hoffnungsvoll in die Gesichter der anderen.
Aber im Moment wollte niemand daran glauben.
"Geht es Miroku wirklich so schlecht?" fragte Sango Kagome besorgt.
"Ich fürchte schon. Ich hätte das selbst nicht gedacht."
Nur Kaede schien sich über Mirokus Zustand im Klaren gewesen zu sein. Sie nahm
den großen Kochlöffel und rührte das Essen um, damit es nicht anbrannte. Sie
saßen zusammen in der Hütte. Die beiden Männer lagen dort, wo Kagome sie
zurück gelassen hatte und schliefen beide. Nun war es erst einmal Zeit zu
essen.
"Wahrscheinlich hättest du es auch sehen können, Kagome," fing die Priesterin
an. "Jeder Mensch hat eine Aura. Sie gibt Aufschluss über ihn und seinen
Zustand. Jede Aura ist anders. Manche sind heller, manche dunkler. Manche haben
sogar eigene Farben. Ausgebildete Priesterinnen können Auren manchmal sehen und
ich schätze Mirokus geistige Fähigkeiten sind ausgebildet genug, dass er genau
in diesem Moment, als Inuyashas innere Barriere in sich zusammenbrach, dessen
Aura lesen konnte. Und das ist nicht immer erfreulich."
Kaede machte eine Pause und probierte den Eintopf, befand ihn als gut und
verlangte nach den Essschalen. Sango reichte ihre zuerst, obwohl sie wie die
anderen nur wenig Hunger hatte.
"Böse Menschen können andere anstecken, sei dies nun mit Worten, oder
Zuwendungen... es geschieht auch immer eine Änderung in der Aura. Auch Trauer
kann anstecken. Oder Furcht. Ich schätze, Miroku hat zu viel von Inuyashas Aura
abbekommen, die sich in diesem Moment gänzlich verfärbt hatte."
"Schwarz und rot," schloss Sango und dachte an diese Nacht zurück.
Kaede nickte und nahm einen Schluck von ihrer Schale.
"Seine Aura war durchzogen damit. Und sie strahlte bist zu der Stelle, an der
Sango, Shippo und ich standen."
"Hat das was damit zu tun, warum er nicht wieder aufwacht?" fragte Shippo und
sprach damit aus, was Kagome auf der Zunge gelegen hatte.
"Ich weiß nicht," gab Kaede zu. "Aber ich fürchte, Inuyashas Aura sieht auch
jetzt nicht gut aus. Ich fühle, dass sie schwindet."
Kagome riss die geweiteten Augen auf und ließ die Schüssel in ihrer Hand
fallen vor Schreck.
"Sie schwindet?"
Sofort rannte sie zu dem Halbdämon hinüber und legte ihre Hand auf dessen
Brust. Sie hob sich fast gar nicht mehr. Seinen Atem konnte sie beinahe nicht
mehr spüren!
"Ich habe alles versucht, Kagome. Riechsalz, jedwede Art von Kräutern. Aber er
schwindet immer mehr."
"Nein!" rief Sango und starrte auf den Schlafenden. "Inuyasha! Du musst bei uns
bleiben!"
Kagome saß still da und konnte es nicht fassen. Sein Gesicht war kalt und
aschfahl. Gerade vor wenigen Stunden war sein Zustand doch noch viel besser
gewesen!
"Ich treffe jetzt eine Entscheidung!" Sango rief Kiara zu sich. "Ich werde nun
auf Jagd gehen und dieses elende Biest erledigen, das Inuyasha dies angetan
hat!"
Mit diesen Worten stürzte sie aus der Hütte und Kiara trug sie weit hinauf
über den Wald.
Aber Kagome konnte nichts sagen, sie konnte ihr nicht folgen. Gelähmt vor Angst
saß sie da, unwissend, was sie tun sollte.
*Was ist dir nur zugestoßen als du in meiner Zeit warst, Inuyasha?*
Was konnte Ihm nur so zusetzten? In ihrer Zeit gab es doch keine Giftspritzenden
Dämonen, oder Hexen.
"Drogen," sagte sie leise.
Das erweckte Kaedes Aufmerksamkeit.
"Drogen?"
Kagome nickte.
"Drogen, aber keine, wie du sie hier kennst, Kaede. Das ist die einzige
Erklärung, die ich dir geben kann. Drogen aus meiner Zeit wirken viel stärker
und schneller als die, die du hier findest. Sie erheben in ungeahnte mentale
Höhen und lassen dich ebenso schnell wieder fallen, so tief, dass du dir
wünschtest, du wärest tot."
Wenn Kaede an Kagomes Medizin dachte, wollte sie sich lieber nicht ausdenken,
welche Kraft dann die neuzeitlichen Gifte und Drogen hatten.
Kagome ging zu Miroku und weckte ihn sanft. Der Mönch wachte auf, hielt sich
den Kopf und blinzelte.
"Miroku, du musst etwas für mich tun. Schau nach, ob Inuyasha irgendwelche
Einstichwunden hat. Sie können sehr klein sein, so groß, wie Zeckenstiche."
Müde und erschöpft rappelte sich der Mönch auf und tat, wie gebeten, während
Kagome und Kaede draußen warteten.
"Was, wenn er Einstiche hat?" fragte Kaede. "Wäre das sehr schlimm?"
Kagome nickte.
"So ziemlich das Schlimmste, das ich mir vorstellen kann. Heroin heißt die
Droge und ist äußerst gefährlich. Aber ich wüsste nicht, wie er da dran
gekommen ist."
Kaede schwieg und nach einiger Zeit erschien Miroku mit dunklen Augenringen und
bat sie wieder herein.
"Ich habe nichts Vergleichbares gefunden, Kagome. Es ist einfach mysteriös,"
sagte er als sie wieder drinnen waren und er etwas Essen zu sich nahm.
"Dann bin ich froh," war Kagomes erleichterte Antwort und auch sie aß nun etwas
von dem bereits kalten Eintopf.
"Wo ist denn Sango?" erkundigte sich Miroku und Kagome wollte gerade zu einer
Erklärung ansetzten, als sich hinter ihnen etwas tat.
Inuyasha murmelte irgendetwas vor sich hin. Die vier sprangen auf und rannten zu
dem Bewusstlosen. Inuyashas Lippen bewegten sich kaum, aber er gab endlich etwas
von sich.
Miroku lächelte und Shippo sprang ihm auf den Arm, zu glücklich, um ruhig zu
bleiben.
"Schhhh!" fuhr Kagome den kleinen Fuchs daraufhin an.
Inuyasha gab etwas von sich, es hatte melodischen Charakter. Kagome versuchte,
die Töne herauszuhören. Leider verstand sie keine Worte, aber irgendetwas kam
ihr bekannt vor.
Shippo verstummte augenblicklich, als Kagome ihn so ungewöhnlich scharf anfuhr.
Er war so sehr erschrocken, dass er sogar die Luft anhielt.
Es war nur ein Kinderlied, eine harmlose Melodie, aber sie versetzt Kagome einen
Schlag in die Magengrube, als sie sie erkannte. Entsetzt taumelte sie zurück
und Kaede musste ihr Halt geben.
"Was ist?" fragte Shippo und sah seine Freundin an, die sich die Hand vor den
Mund hielt.
"Funkel, funkel kleiner Stern..." sang sie eine Zeile mit und gab Inuyashas
Murmeln mehr Substanz.
Sofort verstanden die anderen, dass Kagome Inuyashas Melodie mitsang.
"Ich muss sofort nach Hause!" sagte sie und rannte weg.
Aber an der Türe blieb sie stehen.
"Kaede, such alle Kräuter zusammen, die Brechreiz bewirken, aber tu noch
nichts, bis ich wieder da bin!" rief sie und schon war sie in der Nacht
verschwunden.
"Ich soll was zusammensuchen? In dem Zustand könnte Inuyasha sie ja nicht
einmal hinunter schlucken."
Aber die alte Priesterin tat dennoch, wie gehießen und ging zu der späten
Stunde noch in den Wald, mit Shippo, der die Fackel hielt. Miroku fiel es zwar
schwer, aber er setzte sich neben Inuyasha und nahm es auf sich, über ihn zu
wachen. Der Blutgeruch hing noch immer in seiner Nase, aber er schien langsam
nachzulassen.
.-.-.-.
Kagome rannte über den Tempelhof und schrie in die Nacht hinein.
"Mama! Mama!"
Ihre Stimme hallte über die halbe Stadt hinweg und verstummte schließlich in
den Bergen. Kagomes Mutter war schon aufgesprungen und an die Tür gerannt,
bevor Kagome selbst sie noch erreichen konnte. Aufgeregt und besorgt, dass ihre
Tochter zu solch später Stunde solchen Lärm machte, empfing sie sie und
drückte Kagome erst einmal fest an sich.
"Kind, was ist denn los?"
"Mama, irgendetwas stimmt nicht mit Inuyasha! Er schläft die ganze Zeit
und..."
Kagome musste nicht weiter sprechen, denn in den ernsten Augen ihrer Mutter
konnte sie lesen, dass etwas nicht stimmte.
"Oh, Gott! Was ist denn? Mama, was ist?"
"Wir müssen Inuyasha sofort ins Krankenhaus bringen. Wo ist er?"
"Ins Krankenhaus? Aber das geht nicht!"
"Kagome!" sagte ihre Mutter ernst und fasste sie bei den Schultern. "Inuyasha
muss ins Krankenhaus! Jetzt! Hörst du?"
"Aber was ist denn los?"
"Ich habe ihm gestern eine Schlaftablette gegeben. Aber er hat sich
wahrscheinlich noch drei weitere genommen."
Kagome erschrak.
"Wie konntest du das tun?! Er ist doch gar nicht an unsere Medizin gewöhnt! Und
dann noch so viele!"
"Ich gab ihm nur eine. Wie dumm war ich nur gewesen, die Tabletten auf dem Tisch
liegen zu lassen? Es tut mir alles so leid, Kagome. Aber jetzt müssen wir ihn
sofort zum Arzt bringen!"
Kagomes Großvater kam gerade aus der Tür heraus und schaute ganz verdutzt.
"Ist Inuyasha krank? So schlimm kann es nicht sein."
Aber in Kagomes Augen verschafften sich Tränen ihren Platz. Sie schüttelte den
Kopf und ihr Großvater wusste, dass etwas nicht stimmte.
"Er hat Schlaftabletten genommen und wacht nicht mehr auf."
"Was?! Wo hat er die denn her?"
"Von mir," gab Kagomes Mutter zu.
Auch der alte Mann verstand die Ernsthaftigkeit der Situation.
"Geh Kagome. Hol Inuyasha, ich warte auf dich und rufe einen alten Freund an.
Beeil dich, damit ist nicht zu spaßen."
Kagome nickte und wusste, ihr Großvater hatte etwas vor. Schnell lief sie
zurück zum Brunnen, während er ihre Mutter ablenkte und einen Anruf tätigte,
der jemanden völlig überrascht aus dem Schlaf riss.
.-.-.-.
"Kagome! Hey, Kagome! Was ist denn los!"
Kagome wollte nicht stehen bleiben, aber mit Sango war sie schneller. Sie sah
noch oben und dort über dem Blätterdach konnte sie die Dämonenjägerin sehen,
die von Kiaras Feuer erleuchtet wurde.
"Sango! Du musst mich zum Dorf bringen, schnell! Es ist kein Dämon hier, aber
wenn wir uns nicht beeilen, wird Inuyasha sterben!"
Sofort reagierte Sango und nahm die aufgeregte Schülerin zu sich und zusammen
flogen sie über den Wald hinweg, direkt zum Dorf.
"Kiara! Bitte hilf mir, Inuyasha zum alten Brunnen zu bringen! Ohne dich schaffe
ich es nicht," bat Kagome die Feuerkatze und diese brüllte als Zeichen ihrer
Zustimmung.
In der Hütte saß nun Kaede bei Miroku und Inuyasha, die Kräuter, welche sie
gesammelt hatte, neben sich. Als Kagome herein gestürmt kam, schrak sie auf und
warf den Wassereimer um.
"Kagome! Was ist? Weißt du, wie wir Inuyasha helfen können?"
"Die Kräuter werden nicht mehr ausreichen, um ihm zu helfen. Wir müssen ihn in
meine Zeit bringen, sonst ist er verloren!" sagte Kagome.
Dass sie vor Tränen fast nichts mehr sah, erschwerte vieles, aber hielt sie
nicht auf. Unbeirrt und festen Ziels vor Augen, packte sie Inuyasha zusammen mit
Kaede und Sango. Mit vereinten Kräften schafften sie es, den Halbdämon auf
Kiaras Rücken zu hieven.
Bevor sie los flog, hielt Miroku sie noch einen Augenblick am Arm fest.
"Sei vorsichtig, er ist schon sehr schwach."
Kagome nickte und dann erhob sich Kiara in erhabene Höhe und verschwand in
Richtung Brunnen.
"Ich hoffe, sie kann diese Drogen behandeln," flüsterte Kaede mit rauer Stimme
und sah Kagome nach.
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