Sad Christmas von abgemeldet (Daheim) ================================================================================ Kapitel 1: Sad Christmas ------------------------ Regen. Regen. Regen. Es regnete ohne Unterlass. Prasselnd stürzten die Wassermassen auf das durchsichtige Kunststoffdach der Bushaltestelle. Die Nacht war schwarz und kalt, erfüllt vom gleichmäßigen Rauschen des Regens. Kein angenehmes Wetter für den Weihnachtsabend. Oder vielleicht doch das Richtige für DIESEN Weihnachtsabend. Stumm saß die dunkelhaarige Frau auf der unbequemen orangefarbenen Plastikbank der Haltestelle und blickte durch die dichten Regenschleier zur gegenüberliegenden Straßenseite. Ein Haus neben dem anderen, in jedem hell erleuchtete Fenster. Warmes gelbes Licht, das hinaus in d8ie Nacht strahlte, hin und wieder das Blitzen von Weihnachtsbaumschmuck und das Flackern von Kerzen. Dort waren sie fröhlich. Dort feierten sie, sangen, aßen, tranken, lachten. Und hier... Hier saß sie allein in der Kälte, umgeben von beschmiertem Plexiglas, aufgeweichten Zeitungen, Abfall und Straßendreck, mitten in der nassen Dunkelheit. Für einen Moment schloss die die Augen und erinnerte sich. Sie erinnerte sich, wie es gewesen war. Jahrelang. Bis er... Er. Ihr Mann. Er hatte es ihnen gesagt. Ihr Mann hatte es jedem erzählt: Verwandten, Freunden, Bekannten, dem Anwalt, dem Richter. Er hatte ihnen gesagt, dass sie ihre beiden Töchter schlug. Oft. Hart. Warum? Weil sie trank. Oft. Viel. Er hatte es allen erzählt. Vor allem vor Gericht. Und sie hatten ihm geglaubt. Alle hatten ihm geglaubt. Jedes Wort. Sie hatten jede seiner Lügen geglaubt. Lüge, eine einzige große Lüge. Aber sie hatten ihm geglaubt und sie hatte dadurch alles verloren. Ihren Mann, ihre Kinder. Ihre Freunde und Bekannten hatten sich von ihr abgewandt, sie hatte sogar ihren Job verloren. Rufmord. Alles nur wegen ein paar Sätzen. Sätze, die immer wieder und wieder gesagt ihre Wirkung taten, bis sie allein zurück blieb. Und die Ironie dabei: keiner außer ihr hatte von der jahrelangen Geliebten ihres Mannes gewusst. Ihres Ex-Mannes. Der Ex-Mann, der nach der Scheidung das Haus behalten hatte. Das wunderschöne weiße Haus ihrer Träume mit dem großen Garten, damit die Kinder Platz zum Spielen hatten. Ein großes Haus für ihn, seine neue Frau ? die ehemalige Geliebte. Und die Töchter, die bei ihm bleiben. Sie dagegen zog in eine winzige Dachwohnung, in der regelmäßig die Heizung und das warme Wasser ausfielen. Sie lächelte traurig. Für einen kurzen Moment erfasste sie ein Schwindel, dann klärte sich ihr Blick wieder. Jeder beglückwünschte ihren Ex-Mann zu seinem neuen Glück. Sie dagegen vergaß man. Kein Interesse, keine Zuneigung mehr, nur noch Ablehnung und Einsamkeit. Wer redete schon mit jemandem, der Unmengen trank und seine Kinder quälte? Die Kinder.. Selbst ihre zwei Töchter durfte sie nur noch selten sehen. Und nur unter Aufsicht. Sie hatte alles versucht, hatte gekämpft, aber erfolglos. Niemand glaubte ihr. Alle vertrauten dem Urteil des Richters. Dem Anwalt. Ihrem Ex-Mann, der selbst Anwalt war. Sie hatte von Anfang an geahnt, das es so kommen würde. Aber für ihr Leben, ihre Familie...sie hatte es versucht. Die Tür des großen weißen Hauses auf der anderen Straßenseite öffnete sich. Ein großer eleganter Mann mit langem Mantel, eine schöne blonde Frau im edlen Kostüm, zwei herausgeputzte strahlende Mädchen. Die Familie stieg in einen BMW, der direkt vor dem Haus an der Straße parkte und fuhr davon. Ruhig erhob sich die dunkelhaarige Frau von der orangefarbenen Bank, verließ die Haltestelle und trat hinaus in den strömenden eiskalten Regen. Das Wasser lief ihr über Gesicht und Haare, durchtränkte ihre abgetragene Kleidung. Schritt für Schritt ging sie durch die niederprasselnden Wassermassen über die Straße. Einen Augenblick lang betrachtet sie versunken ihr ehemaliges Heim. Sie hatte kein Geld, aber dennoch ein Geschenk für ihn. Eine Überraschung,. Mit einer bedächtigen Bewegung zog sie einen Schlüssel aus ihrer nassen Jacke. Geräuschlos drehte sich der Schlüssel im Schloss und die Tür schwang auf. Die Welt, die hinter der Eingangstür lag, war wie ein Traum. Ein vergangener, verlorener Traum- Schön, aber unerreichbar fern und....fremd. Wärme, angenehmes Licht, ein großer, mit viel Gold und Rot geschmückter Weihnachtsbaum in einer Ecke, überall Tannengrün, Kerzen, der Duft von Zimt und Plätzchen. Wie im Schlaf und mit leicht verschleiertem Blick ließ sie sich auf den dicken weichen Teppich vor dem Weihnachtsbaum sinken. Ein leichtes Kribbeln unter der Haut sagte ihr, dass das Gift seine Wirkung tat. Ein schwaches Schwindelgefühl, ein wenig Übelkeit. Die Frau warf einen letzten Blick auf die Möbel, die Bilder, die Fotos, die Gesichter ihres Mannes, ihrer Kinder. Sie lächelten ihr aus dem Rahmen heraus entgegen, so wie früher. Sie schloss die Augen und schlief ein. Ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie lächelte bei dem Gedanken daran, doch noch einmal Zuhause gewesen zu sein. Daheim. Und sie lächelte bei dem Gedanken, wie er und sie reagieren würden, wenn sie sie entdeckten. Oder wenn ,an in ihrer kleinen Wohnung die Unterlagen finden würde, die unwiderlegbar bewiesen, das ihr Mann Bestechungsgelder angenommen hatte. Ihre Überraschung für ihn. Ihr letzter Trumpf, ihr letzter Gedanke. Sie war Zuhause. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)