Robotnic Ai von Anshie ================================================================================ Kapitel 6: Plötzlicher Besuch ----------------------------- Es war am nächsten Morgen, als Sato von der Klingel geweckt wurde. Verschlafen rieb der junge Mann sich die Augen und drehte sich auf die Seite um einen Blick auf den Wecker zu werfen. Halb neun? Wen verschlug es denn um diese frühe Stunde zu ihm? Es war doch Samstag. JT ganz bestimmt nicht. Der weilte um dieser Uhrzeit noch nicht unter den Wachen, oder Lebenden, was wohl bei JT's Tiefschlaf auch nicht übertrieben ausgedrückt war. Er hatte oft genug nach einer seiner Saufarien auf Sato's Sofa die Nacht verbracht und daher wusste dieser nur zu gut, was für ein Langschläfer JT war und zwar nicht nur im besoffenen Zustand. Wer außer dem blonden Tunichtgut konnte jedoch sonst zu dieser Zeit vor seiner Tür stehen? Sato's Neugierde war der einzige Grund, der ihn dazu bewegte, sich zu erheben. Gähnend streckte er die verspannten Muskeln, kratzte sich am Kopf und sorge so dafür, dass die schwarzen Haare noch mehr als eh und je in alle Himmelsrichtungen abstanden. Wieder rieb er sich den Schlaf aus den Augen und ging dann zur Zimmertür. Im Gang erwartete ihn Mitoki, der selbst noch seinen Schlafanzug trug, und dennoch wacher wirkte, als sein Mitbewohner. "Morgen", nuschelte Sato verschlafen, als es zum wiederholten male an der Tür läutete. "Wieso hast du nicht aufgemacht?", fragte Sato den Jüngeren. "Sato hat nicht gesagt, dass Mitoki aufmachen soll", antwortete Mitoki. Ja, eine solche oder ähnliche Antwort hätte Sato sich auch denken können. Hätte er wahrscheinlich auch, wenn er nicht noch viel zu müde dazu war. Immerhin war Mitoki ein Robotnic. Es lag nicht in der Natur eines Robotnics etwas zu tun, was ihm niemand befahl. In welcher Hinsicht sollte Mitoki außergewöhnlich sein? Er war höchstens außergewöhnlich süß oder niedlich, aber sonst... Seine Gedankengänge wurden vom erneuten Klingeln unterbrochen. Wer auch immer da dieses Konzert veranstaltete, hatte wirklich eine Ausdauer, die es mit Respekt zu behandelt galt. Sato seufzte und ging an Mitoki vorbei zur Tür. Er öffnete sie nur einen Spalt breit, immerhin hatte er nicht vergessen, dass er nichts als seine Shorts trug. Doch wider seiner Erwartungen wurde die Tür mit einem mal weit aufgerissen und niemand geringeres, als die dunkelhaarige Schönheit Arashi Yoshida stand im Türrahmen. "Na wurde aber auch mal Zeit!", fuhr sie ihren Mitarbeiter, falls man einen Papierträger wie ihn überhaupt mit einer intelligenten Forscherin wie ihr auf eine Stufe stellen konnte, an. "Wa...wa...was machst DU hier?", stammelte Sato. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Na drei mal darfst du raten", antwortete Arashi ihm mit einem nicht weniger gereizten Ton in ihrer sonst so zarten und fröhlichen Stimme. Sie schubste Sato aus dem Weg und drängte sich an ihm vorbei in die Wohnung. "Aaaah da ist er ja, mein süßer, kleiner Ai-chan!", fiepte sie, als sie Mitoki sah und eilte rasch zu ihm, nur um vor ihm auf den Boden zu rutschen und ihn so fest zu umarmen, dass Sato den Blick des kleinen wohl richtig deutete, wenn er daraus laß: "Hilfe, ich ersticke!" Frauen. Frauen und ihre Stimmungswechsel. Arashi war gerade ein sehr anschauliches Beispiel dafür gewesen. "Mitoki", knurrte Sato leicht säuerlich und schloss hinter sich die Wohnungstür. "Er heißt Mitoki." "Ouh, entschuldige", fiepte Arashi und klang noch immer sehr glücklich. "Das hab ich vergessen." Erst jetzt ließ sie den Jungen los und richtete sich auf. Mitoki atmete erleichtert aus. Die junge Frau drehte sich so rapide zu Sato um, dass ihr langes, kohlrabenschwarzes Haar, Mitoki ins Gesicht klatschte. Der Junge rümpfte die Nase und kratzte mit dem Finger über die selbe, da ihn die Haare gekitzelt hatten. "Was machst du so früh hier?", fragte Sato, noch ehe Arashi den Mund aufmachen konnte. "Musst du heute nicht arbeiten?" Sato wusste, dass Arashi häufig auch am Samstag in die Fabrik ging. Sie war eben richtig versessen in ihre Arbeit. "Tue ich doch!" Ein fragender Blick bildete sich auf Sato's Gesicht. "Schon vergessen? Das hier ist im Sinne der Forschung! Und wie du weißt, ist meine Arbeit genau das! Forschung!" "Klar, kapiert." Arashi schwieg für eine Sekunde. Ihr Blick schweifte von Sato's Gesicht ab und an ihm nach unten. Als Sato das bemerkte, wurde er puterrot. "Äh...ähm...", stammelte er. "Ich geh mich schnell anziehen. Mach's dir bequem!" Und damit ergriff er auch schon die Flucht in Richtung Schlafzimmer. "Mitoki, bring sie ins Wohnzimmer!", hörte der braunhaarige Junge ihn noch rufen. "Ja", murmelte er. Arashi machte ein furchtbar entzücktes Gesicht, und faltete die Hände vor der Brust. "Du hörst schon richtig brav!", fiepte sie. "Und das nach nur drei Tagen!" Mitoki sah sie nur mit großen Augen an und versuchte den genervten Blick, nach dem ihm zu Mute war, zu überspielen. Robotnic hin oder her. Diese Frau behandelte ihn ja wie ein Sprechpüppchen! Dabei war es doch sie, die ihn, soweit er sich erinnern konnte, für etwas besonderes gehalten hatte. "Hier entlang", sagte er nur und drehte sich um, um in Richtung Wohnzimmer zu gehen. Arashi folgte ihm, ohne den entzückten Blick in ihrem Gesicht, der ihre großen, dunkelblauen Augen zum Leuchten brachte, abzulegen. Sie saßen im Wohnzimmer auf der Couch. Seit einigen Minuten schon. Und sprachen keinen Ton. Mit geradem Rücken und hochgezogenen Schultern saß Arashi auf dem Sessel, schräg neben dem Sofa und ließ ihre Hände auf den Oberschenkeln ruhen. Ruhen lassen war der falsche Ausdruck. Sie drückte sie praktisch darauf, um zu verhindern, dass ihre Finger zueinander fanden, nur damit sie nervös miteinander spielen konnten. Aufmerksam ließ sie den Blick keine Sekunde von Mitoki. Dieser saß ein Stück weiter auf dem Sofa, hatte die Beine an den fragilen Körper gezogen und mit den Armen umschlungen, während sein Kopf auf den Knien lag. Alles in allem kam er sich doch recht dämlich vor. Er saß da nur in Schlafanzug. Aber was sollte er machen? Sato hatte nur gesagt: "Bring sie ins Wohnzimmer." Kein Sterbenswörtchen davon, dass er sich umziehen sollte. Und vielleicht wollte Sato nicht, dass Arashi alleine in seiner Wohnung war. So blieb Mitoki nichts anderes übrig, als artig sitzen zu bleiben und sich so klein wie möglich zusammenzukauern, damit man seine unangemessene Kleidung nicht zu sehr betrachten konnte. "So da bin ich." Mitoki blickte auf und sah erleichtert, dass Sato im Türrahmen stand. Der Ältere ließ sich unmittelbar neben ihn auf das Sofa fallen und lehnte sich zurück. "Also, schieß los!", meinte er an Arashi gewandt. Doch dann warf er einen Blick auf Mitoki. "Ähm, wie wär's, wenn du dir erst mal was anziehen gehst?", fragte er. Mitoki atmete erleichtert aus, stand hastig auf und stürmte aus dem Zimmer. Seine neuen Klamotten hatten ihren Platz in einem Schrank in Sato's Schlafzimmer gefunden. Arashi blickte dem Jungen beinahe geknickt nach, dann wandte sie sich wieder Sato zu. "Lohnt sich doch gar nicht", meinte sie. Und wieder erntete sie einen fragenden Blick ihres Gegenübers. "Hä?" "Na, wenn ich ihn eh gleich untersuchen will!" Nun machte Sato erst recht große Augen. "Denkst du ich hab 'nen Ultraschallblick, mit dem ich durch seine Klamotten durch gucken kann?", bemerkte Arashi überflüssiger Weise. "Was willst du mit dem Jungen anstellen?", piepste Sato kleinlaut. Arashi gab ein genervtes Seufzen von sich. "Also erst mal, werde ich seine Verhaltensweisen untersuchen, dann seine Intelligenz und für alles weitere muss ich ihn mitnehmen." "Mitnehmen?" "Ins Labor." "Labor?" "Musst du mich ständig wiederholen?", knurrte Arashi patzig wie sie eben war. "Ja, ins Labor", fuhr sie dann fort. "In ihn rein schauen kann ich nämlich ohne Geräte nicht. Und ich muss schließlich auch wissen, ob in ihm drin alles normal ist. Sowohl die menschlichen Organe und all das, als auch sein Mechanismus." Mechanismus... Dieses Wort machte Sato zum ersten mal, seit Mitoki hier war, wieder bewusst, dass er ein Robotnic war. Bewusster als es ihm lieb war. "Das heißt", setzte Arashi erneut an. Von ihrer Nervosität war seit Mitoki das Zimmer verlassen hatte, keine Spur mehr. "Wenn ich bei den Verhaltensuntersuchungen feststelle, dass er doch ein ganz gewöhnlicher Robotnic ist und die Vorfälle im Labor vor ein paar Tagen nur ein Zufall oder kurzfristiger Ausfall waren, dann ist das Experiment natürlich unverzüglich abgebrochen." "Abgebrochen." Sato wusste nicht, wieso er ihre Worte schon wieder wiederholte. Abgebrochen. Was hieß das dann? Was würde denn passieren, wenn sich herausstellte, dass Mitoki nichts Besonderes war? Was würde mit ihm geschehen? Und was würde geschehen, wenn er DOCH etwas Besonderes war? Vielleicht noch besonderer als sie alle im Moment dachten. Sato wusste nicht, wieso ihm solche Gedanken durch den Kopf jagten. Das Lachen seiner Arbeitskollegin rüttelte ihn erst wieder wach. "Was machst du denn für ein Gesicht?", fragte sie. "Keine Sorge, ihm wird schon nichts passieren!" Konnte sie nun auch noch Gedanken lesen? Oder war Sato so leicht zu durchschauen? "Ich bringe dir übrigens noch gute Nachrichten vom Chef mit", wechselte Arashi das Thema. Sato spitzte die Ohren. "Du kriegst deine Gehaltserhöhung." "Na wenigstens eine gute Nachricht", dachte Sato, sagte jedoch nichts. "23000 ¥ (*) konnte ich herausschlagen." Sato begann laut zu husten. "Wa...wa...was?", stotterte er. "So viel?" Arashi zuckte mit den Schultern. "Wenn du nicht willst..." "Nei...ne...nein!", sagte Sato schnell. "Aber ich wundere mich nur, über die Summe!" "So ein Robotnic ist teuer", meinte Arashi. "Denkst du, dass weiß ich nicht? Und so einer wie Mitoki kostet erst recht." Sato brachte keinen Ton mehr über die Lippen. Fassungslos saß er da. 23000 ¥! So viel Geld! Damit hatte er nicht gerechnet! Das war ja fast noch mal so viel, wie er bisher für diesen Papierkram-Job verdient hatte! Okay, das war übertrieben, aber immerhin. "Aber wehe du gibst das Geld für dich aus!", warnte Arashi ihn streng. "Okay, einen Bruchteil davon kannst du als Miete dafür ansehen, dass du Ai bei dir wohnen lässt, aber den Rest gibst du für ihn aus, klar? Nur für ihn! Das heißt du wirst für dich gar nicht viel mehr zur Verfügung haben als bisher auch, wenn du's so siehst." "Mitoki", brummelte Sato, der nun doch seine Sprache wiedergefunden hatte. "Was?" "Sein Name ist Mitoki!" "Ups, hab ich schon wieder vergessen." "Du solltest ihn nicht immer Ai nennen", meinte Sato. "Sonst gewöhnt er sich nie an seinen neuen Namen." "Ich werd's mir merken." In diesem Moment kam der Besagte wieder ins Zimmer. Er trug nun ein oranges T-Shirt mit grünen Streifen und eine dunkelblaue Jeans. Sofort begann Arashi wieder breit zu grinsen als sie ihn sah. "Herr Gott noch mal bist du süß!" Mitoki senkte beschämt den Blick, ehe er zum Sofa lief und sich neben Sato setzte. "Hast du ihm schon was beigebracht?", wollte Arashi nun wissen. Sato warf einen Blick auf Mitoki, der ihnen gespannt zuhörte. Dann wandte er sich wieder Arashi zu. "Sieht er so aus, als müsste ich ihm etwas beibringen?" Arashi sah irgendwie verdutzt aus. "Das heißt du hast ihm gar nichts gelernt?" "Nein, was denn?" "Nicht mal, wie man sich anzieht?" "Na ja, ich hab ihm ein bisschen geholfen, mehr nicht." "Hm..." Nachdenklich legte die junge Forscherin einen Finger ans Kinn. "Seltsam. Vor drei Tagen hat er es nicht fertig gebracht, sich alleine anzuziehen." Einen Moment lang schaute sie nachdenklich auf die Tischplatte vor sich. Dann blickte sie wieder zu Sato auf. "Und das Sprechen?" "Er spricht nicht viel." "Aber er kann es?" "Ohne dass ich es ihm beigebracht habe." "Hast du doch", widersprach Arashi ihm. "Ohne es zu wissen. Robotnics lernen schließlich auch vom Zuhören und mit ihm gesprochen wirst du ja wohl haben in den letzten beiden Tagen." "Ähm, ja schon." "Also hast du ihm doch was beigebracht." Sato kratzte sich beiläufig am Kopf. "Ich wusste nicht, dass das schon als beibringen zählt" "Natürlich tut es das", seufzte Arashi. "Wusstest du nicht, dass ein Baby niemals sprechen lernt, wenn es niemals jemanden reden hört?" "Ein Baby?!" "Robotnics sind da ganz ähnlich", erklärte Arashi. "Sie sind zwar darauf programmiert, von Anfang an zu verstehen und auf Befehle zu hören, aber ihre Intelligenz und Sprachfertigkeit entwickelt sich erst später." Wieder warf Sato einen nachdenklichen Blick auf Mitoki, der ihnen beiden die ganze Zeit aufmerksam lauschte. "Darin, denke ich, besteht auch ein gravierender Unterschied zwischen Mitoki und anderen Robotnics", fuhr Arashi nach einer kurzen Pause fort. Sato wandte sich ihr interessiert wieder zu. "Man kann einem Robotnic von dem Zeitpunkt an, wo die Stimmerkennungsfunktion aktiviert und auf einen künftigen Besitzer assimiliert ist, Befehle erteilen und der Robotnic führt sie aus. Der Punkt ist nur folgender: Er versteht noch nicht, was er tut. Wenn du ihm sagst: Geh in die Ecke, dann geht er in die Ecke. Aber er weiß nicht, warum er das tun soll, und wenn du ihm gleich zu Beginn komplizierte Fremdwörter an den Kopf wirfst, die nicht in seinem Wortschatz gespeichert sind, versteht er dich auch nicht und kann den Befehl nicht ausführen. Deshalb gibt es ja zum Teil schon Robotnics, die für bestimmte Fachgebiete entwickelt wurden. Zum Beispiel hat ein Haushaltsroboter einen anderen Wortschatz, als einer für technische Bereiche oder ein Spielkamerad für Kinder." "Hm", murmelte Sato. Eigentlich tat er das nur, um Arashi zu signalisieren, dass er zuhörte und verstanden hatte. "Aber", sagte diese scharf. "Ein Robotnic handelt nicht nach eigenem Willen. Er verweigert nicht einen Befehl, um sich zum Beispiel einen Apfel vom Tisch zu klauen, anstatt wie befohlen in die Ecke zu gehen." Mitoki blickte von seinen Füßen auf und sah sie an. Er wusste, dass das gerade eine Anspielung auf ihn gewesen war. Arashi lächelte ihn freundlich an. In diesem Moment gab Mitoki's Bauch ein brummelndes Geräusch von sich und der Junge lief prompt rot an. Arashi's Grinsen wurde noch breiter. "Für gewöhnlich haben Robotnics auch keinen Hunger", fügte sie hinzu. "Oh, hast du Hunger, Mitoki?", fragte Sato an diesen gewandt. "Tut mir leid, daran hab ich gar nicht mehr gedacht." Mit einem Blick auf Arashi fügte er hinzu: "Entschuldige, wir haben noch gar nichts gefrühstückt. Also, vielleicht könntest du..." "Kein Problem", meinte Arashi lächelnd. "Gut, dann mach ich schnell was zu essen. Möchtest du auch was?" Die junge Frau schüttelte den Kopf. "Danke, ich hab schon bevor ich ins Büro bin gefrühstückt." Mit einem noch breiterem Lächeln fügte sie hinzu: "Aber etwas zu Trinken hättest du mir schon anbieten können." Diesmal war es Sato, der leicht errötete. Shit! So aufgeregt, wie er gewesen war, hatte er doch glatt vergessen, der Dame etwas zu Trinken anzubieten! Aber seine Aufregung war doch verständlich. Immerhin hatte er nicht jeden Tag die Ehre so eine hübsche Frau wie Arashi bei sich zu Hause zu haben. Ausgerechnet Arashi! In seiner Wohnung! Noch vor eine Woche hätte er das niemals zu träumen gewagt. Und dann hatte dieser Tag auch noch so peinlich begonnen, indem sie ihn in Shorts gesehen hatte! "Ähm, ja klar. Entschuldige." "Halb so schlimm." "Also, was möchtest du?" "Hast du irgendeinen Saft?" "Apfelsaft?" "Gerne." "Kommt sofort." Er wollte gerade aus dem Wohnzimmer stürmen, als er noch einmal kurz inne hielt. "Mitoki, kommst du mit? Dann kannst du Arashi gleich ihren Saft bringen, während ich das Frühstück mache und Arashi, du kannst schon mal mit deinen Untersuchungen anfangen." "Ja", antwortete Mitoki knapp, stand auf und folgte Sato. Als die beiden den Raum verlassen hatten, gab Arashi ein schwärmerisches Seufzen von sich. "Herr je, wie süß er ist!" Und sie redete nicht von Sato, auch wenn dieser das gerne von ihr gehört hätte. Aber an Mitoki hatte sie wirklich einen Narren gefunden. "Am liebsten hätte ich ihn gar nicht weggegeben", dachte sie seufzend. Sato schenkte den Saft in ein Glas und reichte es Mitoki. "Was möchtest du essen?", fragte er ihn mit diesem schon gewohntem, freundlichem Lächeln im Gesicht, welches er vor Mitoki's Einzug noch gar nicht von sich gekannt hatte. "Toast?", antwortete Mitoki knapp, doch es hörte sich viel mehr nach einer Frage, als nach einer Antwort an. "Geht klar." Der Junge lächelte glücklich und ging dann mit dem Glas in der Hand zurück ins Wohnzimmer. Fünfzehn Minuten später waren die Toasts fertig und Sato ging mit dem Frühstück ebenfalls wieder in die Wohnstube der kleinen Wohnung. Arashi drehte sich rasch um, als Mitoki, der ihr gegenüber saß, zur Tür blickte. "Sato!", schrie sie freudig auf und ihre Augen hatten ein schon fast beängstigendes, euphorisches Leuchten in sich. "Was ist denn?", fragte der Angesprochene, setzte sich wieder neben Mitoki und reichte ihm einen Toast, den er hastig an sich nahm und zu essen begann. "Das ist einfach unglaublich!", meinte Arashi begeistert und deutete fuchtelnd auf den Tisch. Erst als Sato's Blick ihrem Arm folgte, erblickte er, was da auf dem Tisch lag. Streichhölzer. Ein ganzer Haufen. Das mussten mindestens zwanzig Packungen sein. "Was soll DAS denn?", fragte Sato kritisch. Mitoki saß teilnahmslos da und verspachtelte seinen Toast. "Die hab ich mitgebracht", erklärte Arashi. "Ja und?" "Mitoki hat sie gezählt!" "Ach ja? In der kurzen Zeit?", fragte Sato erstaunt und biss ebenfalls von seinem Toast ab. "Nein, nein, nein!", sagte Arashi schnell. "Nicht in der kurzen Zeit! Sofort! Er hat sie nur eine Sekunde angeschaut und dann gesagt, wie viele es sind! Ich hab sie zu Hause abgezählt und sein Ergebnis ist korrekt!" Sato sah sie ungläubig an. "Pass auf!", bat Arashi ihn. Sie beugte sich nach vorn, streckte beide Hände nach dem Haufen Streichhölzer aus und nahm einige davon weg. Immerhin so viele, dass man sie schon zählen musste, wenn man wissen wollte, wie viele es waren. "Mitoki", meinte sie dann. Mitoki blickte mit vollem Munde und kauend auf. "Wie viele Streichhölzer liegen jetzt noch auf dem Tisch?" Mitoki blickte auf den Tisch, schluckte den Bissen Toast herunter und sagte: "Zweihundertzwölf." "Da!", schrie Arashi. "Siehst du?" Sie reichte Sato die Streichhölzer die sie in der Hand hatte. "Hier zähl sie!" Sato nahm die Streichhölzer und legte sie auf den Tisch, ein Stück weg von dem größeren Haufen, damit sie sich nicht vermischten. Nach einer Weile sagte er: "Vierundzwanzig." "Bingo!", schrie Arashi freudig. "Bevor ich sie weggenommen habe, lagen auf dem Tisch zweihundertundsechsundreisig Streichhölzer! Minus vierundzwanzig gibt zweihundertundzwölf!" "Aha", murmelte Sato und blickte von den Streichhölzern auf. "Mal 'ne andere Frage, Arashi." "Ja?" "Wieso hast du so viele Streichhölzer zu Hause?" "AARRRG!" Arashi's Schrei musste wohl noch im ganzen Treppenhaus zu hören gewesen sein. "Das ist doch völlig unwichtig! Verstehst du nicht worauf ich hinauswill?", fuhr sie Sato lautstark an. "Er ist wahnsinnig intelligent! Das ist unglaublich!" "Jeder, auf Mathematik spezialisierter Robotnic könnte das", meinte Sato. "Ja schon, aber er IST nicht auf Mathematik spezialisiert. Er ist auf GAR NICHTS spezialisiert, verstehst du? Es ist eigentlich unmöglich, dass er so etwas kann." "Hm", brummelte Sato und blickte zu Mitoki. Dieser hatte seinen Toast mittlerweile verschlungen und blickte viel mehr Sato's an, als diesen selbst. Sato seufzte und reichte ihm sein Frühstück, von dem er wieder mal nur die Hälfte abbekommen hatte. "Hier, nimm schon", murmelte er. Dankend nahm der Junge den Toast und sagte: "Danke!", bevor er einen großen Happen von dem Brot abbiss. "Sag mal Arashi, sagen deine Forschungen auch etwas über den Stoffwechsel von diesem Jungen aus?", fragte er. "Ich kann gar nicht verstehen, dass der dauernd Hunger hat." Er beäugte Mitoki von allen Seiten. "Ich frag mich, wo er das hin isst." Arashi seufzte erneut und stand dann auf. "Das ist genug fürs erste", beschloss sie, nahm das Glas Apfelsaft vom Tisch und trank es aus. "Ich komme demnächst vorbei und nehme ihn mit ins Labor. Bis dahin sieh zu, dass er gefördert wird." "Gefördert?", fragte Sato. "Ja, kauf ihm ein gutes Buch, von mir aus ein Lehrbuch, einen Computer oder sonst was. Bring ihm so viel wie möglich bei!" "Ich werd's versuchen", nuschelte Sato und machte dabei kein sehr zuversichtliches Gesicht. Dann stand auch er auf, um Arashi zur Tür zu begleiten. "Also, bis bald", verabschiedete die junge Frau sich, nachdem sie ihre Schuhe angezogen hatte. "Tschüss!" Sato schloss hinter ihr die Tür. Als er sich umdrehte, stand Mitoki hinter ihm im Flur und sah ihn besorgt an. "Was ist?", fragte Sato. "Warum machst du so ein Gesicht?" "Mitoki will nicht untersucht werden", antwortete der Kleine. Sato seufzte. "Zweihundert Streichhölzer kann er in Sekunden zählen, aber die erste Form Singular lernt er nicht", dachte er, ehe er auf Mitoki zuging, sich vor ihn hinkniete und die Hände beruhigend auf seine Schultern legte. "Du brauchst keine Angst zu haben, ja?", sagte er tröstend und mit einem liebevollen Lächeln im Gesicht. Mitoki jedoch sah immer noch besorgt aus. Also legte Sato ihm wie so häufig die Hand auf den Kopf und wuschelte ihm durch die hellbraunen Haare. "Hey, es wird schon nicht so schlimm werden", meinte er und fügte noch hinzu: "Keiner wird dir weh tun, das verspreche ich dir!" Erst jetzt, sah Mitoki beruhigter aus. "Und jetzt lächle wieder, einverstanden?" Mitoki lächelte. "Einverstanden!", antwortete er. tbc Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)