Mondlicht von Fellfie ================================================================================ Kapitel 15: Kapitel 15 ---------------------- Mondlicht Kapitel 15 Angespannt wartete ich auf Harrys Rückkehr in den Schlafsaal und wünschte mir, der Erdboden würde sich auftun und Granger verschlingen. Warum brachte dieses törichte Mädchen ihn auf solch dumme Ideen? Wenn er entdeckte, dass mein Bett in der Krankenstation leer und unbenutzt war, dann... ja, was dann? Um ehrlich zu sein, fiel es mir schwer, mir seine Reaktion auszumalen. Würde er es mit Fassung tragen oder würde er sehr aufgebracht sein? Er schien aufrichtig besorgt um mich zu sein. Hätte er sonst versucht, mich zu besuchen? Aber warum? Meinte er immer noch, er wäre mir wegen seiner Befreiung etwas schuldig und fühlte sich nun verantwortlich dafür, dass mir etwas zugestoßen war? Weil er nicht da gewesen war, um mich zu schützen? Das würde zu seinem Heldenkomplex passen. Mir ging allerdings noch ein verrückter Gedanke im Kopf herum. Ich wagte kaum, ihn zu denken, aber wäre es vielleicht möglich, dass er... dass er mich wirklich mochte? Dass diese verrückte Rettungsaktion uns eng genug zusammengeschweißt hatte, dass wir endlich unsere Vorurteile überwinden und versuchen konnten, den anderen kennen zu lernen? Sein wahres Wesen und nicht nur ein verzerrtes Abbild, getragen von der beschränkten Sichtweise, die uns aufgedrängt wurde? Natürlich war ich ein intriganter Slytherin und sogar ein Todesser und Harry war Dumbledores Liebling. Aber das war doch nicht alles, oder? Waren wir nun bereit tiefer zu blicken? Anscheinend. Hatte Harry also etwas an mir entdeckt, dass ihn seine Meinung über mich überdenken ließ? Etwas, das mich sympathischer erscheinen ließ, als damals im ersten Schuljahr, als er mein Freundschaftsangebot ohne darüber nachzudenken ausgeschlagen hatte? Kaum vorstellbar, aber seine Stimme, als er mir gerade gestanden hatte, dass er sich Sorgen um mein menschliches Ich machte... seine Stimme hatte so warm und weich geklungen. Sprach man so über jemanden, den man nicht mochte und dem man sich nur verpflichtet fühlte? Und dieses Foto, das er unter seinem Kopfkissen aufbewahrte... das Foto von unserem Quidditch-Spiel, bei dem er dafür gesorgt hatte, dass ich beinahe einen Herzinfarkt bekam, weil er Kopf und Kragen für den Schnatz riskierte. Die Szene, in der ich ihn auf meinen Besen gezogen hatte... meine Hand, die einen Moment zu lange auf seinem Oberschenkel verweilte... seine Arme, die sich in einer so natürlichen Geste, um meinen Hals geschlungen hatten, als gehörten sie dort hin... warum bewahrte er so ein Foto wie einen Schatz unter seinem Kopfkissen auf? Noch ein Bild geisterte mir plötzlich durch den Kopf. Er hätte sich von mir küssen lassen. Damals, nachdem der Zaubertrank explodiert war. Ich hatte mich zu ihm hinuntergebeugt, meine Absicht kaum missverständlich, und er war nicht zurückgewichen. Ich konnte mich noch sehr genau daran erinnern, wie seine Augen zugefallen waren. Unseren ersten Kuss konnte man vielleicht als Unfall bezeichnen. Wir waren in einer scheinbar ausweglosen Situation. Unsere Leben standen auf dem Spiel, wir hatten gerade einen Sucher abgeschüttelt, kaum geschlafen und waren emotional aufgewühlt. Solche Situationen konnten schon mal den Verstand benebeln. Aber das zweite Mal... ja, wir hatten noch unter Schock gestanden, weil wir nur um Haaresbreite einer Katastrophe entronnen waren, aber dieses Mal gab es keine Entschuldigung. Die unmittelbare Gefahr war vorüber gewesen und wir hatten uns für unsere Verhältnisse normal unterhalten. Keine Beleidigungen, keine Provokationen... und dann hatte sich dieses Etwas in mir in mein Nervensystem eingeklinkt. Ohne Vorwarnung. Und genauso übergangslos hatte ich mich zu ihm heruntergebeugt. Selbst wenn er erschrocken darüber gewesen war, so war er doch nicht zurückgewichen und hatte nicht versucht, mich abzuwehren. Und obwohl ich in diesem Moment mehr mit mir selbst beschäftigt war, verzweifelt versucht hatte, die Kontrolle über meinen Körper und meine Handlungen zurück zu erlangen, so war mir nicht entgangen, dass sich für einen winzigen Augenblick etwas in seinen Augen spiegelte, dass mich- halt, nein, dieses Etwas in mir- frohlocken ließ. Ein kurzes Aufflackern, das mir fast entgangen wäre. Etwas, das mein- nein, „sein“ - heftiges Verlangen nach Nähe leidenschaftlich erwiderte. Diese Erinnerung jagte mir auch jetzt noch einen Schauer über den Rücken. Und im Dunkel des Schlafsaales gab sie mir auch zu denken. War es möglich, dass dieses Wesen nicht nur in mir existierte, sondern dass auch Harry etwas Ähnliches in sich trug? Etwas, dass seine Handlungen führte, wenn er nicht aufpasste? Dieser Gedanke kam mir das erste Mal und warf sofort neue Fragen auf. Wie sollte ich meine Vermutung bestätigen? Ich konnte ja schlecht mit ihm darüber sprechen. Das würde sicherlich eine amüsante Unterhaltung werden: „Harry, ich fürchte, ich habe da ein kleines Problem. Ein Teil von mir ist der Meinung, dass du das Wichtigste in meinem Leben bist und dass ich ohne dich nicht leben kann. Sag, spürst du nicht auch etwas Ähnliches?“ Lachhaft. Als ob ich jemals so viel von mir preisgeben würde. Und bei der Verifizierung dieser Existenz ergab sich ein weiteres Problem. Harry war von Natur aus ein sehr intuitiver Mensch, der sich bei Entscheidungen meist auf sein Gefühl verließ und spontan handelte. Selbst wenn er also auch so ein Ding in sich tragen sollte, dass dann und wann die Kontrolle übernahm, würde er es vielleicht gar nicht merken. Und sollte sich meine Vermutung bestätigen, so legte das doch den Schluss nahe, dass auch andere Menschen außer uns beiden davon betroffen waren, vielleicht sogar alle. Warum lief dieses Etwas in mir also nur in seiner Gegenwart Amok? Warum nicht auch bei- Merlin verhüte es- Pansy, Crabbe, Goyle, Snape oder irgendjemand anderem? Gab es etwas, dass uns verband, und zwar nur uns? Wenn ja, was sollte das sein? Mein Gedankengang wurde abrupt unterbrochen, als Harry in den Schlafsaal gepoltert kam. Er sah aus, als wäre er den ganzen Weg von der Krankenstation hierher gesprintet. Sein Gesicht war gerötet, er war außer Atem, und meine feine Katzennase fing den leichten und alles andere als unangenehmen Geruch von seinem Schweiß auf. Und schon wieder überkam mich das Bedürfnis, mich einfach schnurrend in seinem Schoß einzurollen und mich nie wieder von dort fortzubewegen. – Verdammt, verdammt, verdammt. Reiß dich zusammen. Das ist nicht die Zeit dafür.– Erst musste ich sehen, wie er reagierte. Was er als nächstes unternahm. Er würde doch nichts Törichtes und völlig Überstürztes tun, oder? So durcheinander und aufgewühlt wie er im Moment aussah, traute ich ihm glatt zu, Hals über Kopf in die Nacht hinauszurennen und mich zu suchen. Doch zunächst einmal suchte er hektisch unter seinem Kopfkissen und holte ein altes, mitgenommenes Stück Pergament hervor. Ich legte den Kopf schief und beobachtete angespannt, wie er das Pergament mit seinem Zauberstab antippte und dabei murmelte: „Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin.“ Bevor ich mich ernsthaft über diese seltsamen Worte wundern konnte, sah ich verblüfft, wie sich schwarze Tintenlinien auf dem vorher leeren Pergament ausbreiteten, sodass es beinahe einer... nein, eindeutig einer Karte ähnelte. Aus meiner Angespanntheit wurde leise Beunruhigung. Selbst wenn er da eine Karte von Hogwarts in der Hand hielt, sie würde ihm doch unmöglich meinen Aufenthaltsort verraten können, oder? Er würde niemals erfahren, dass ich der Kater war, der sich so gerne von ihm hatte kraulen lassen und der sich nachts an ihn geschmiegt hatte. Richtig? Mit wachsender Sorge beobachtete ich seine erstarrte Gestalt. Sein Gesicht wandte sich mir in Zeitlupe zu und so selten es vorkam, aber in diesem Augenblick konnte ich den Ausdruck in seinen wundervollen grünen Augen nicht lesen. Dafür bewegten sich seine Lippen und seine Stimmte formte meinen Namen. Ganz leise. Verblüfft. Ungläubig. Und mein gesamter Körper wurde steif, als mein Herz einen entsetzten Satz machte. Er wusste Bescheid. Im Moment glaubte er es selbst noch nicht richtig, aber mit ein wenig Zeit würde er diese Gewissheit akzeptieren. Und ich war mir sicher, dass er sich eben so gut wie ich daran erinnern konnte, wie zutraulich ich die letzten Tage gewesen war. Was würde er davon halten? Welche Schlüsse würde er daraus ziehen? Plötzlich war mir übel. Das hier konnte nicht wahr sein. Das war nichts als ein schlimmer Albtraum. Jeden Moment würde ich erwachen und die Wärme seiner Halsbeuge, in der ich mich zusammengerollte hatte, würde mich beruhigen. Alles wäre gut. Nichts hätte sich geändert. Doch nichts geschah. Ich wachte nicht auf. Denn ich schlief gar nicht. Mit einem Satz war ich vom Bett heruntergesprungen und mit wenigen weiteren zur Tür hinaus. Es war eines Malfoys unwürdig, zu flüchten, doch ich wusste mir nicht anders zu helfen. Ich wusste nur, dass ich aus diesem Zimmer raus musste und Zeit zum Nachdenken brauchte. Vielleicht konnte ich die Situation noch irgendwie retten. ooOoOoo Die nächsten Tage ging Draco mir aus dem Weg und ich ihm auch, wenn ich ehrlich war. Bevor ich mich ihm stellen konnte, musste ich erst einmal meine eigenen Gedanken sortieren. Ich konnte es immer noch nicht recht glauben, dass der kleine, weiße Kater, den Dumbledore mir anvertraut hatte, wirklich der Mensch sein sollte, um den ich mich die ganze Zeit gesorgt hatte. Die ganze Situation war so unwirklich. Natürlich, es war ein effektiver Schutz. Ohne die Karte des Rumtreibers hätte ich die Identität meines Pflegekindes niemals heraus bekommen. Und da der Angreifer mit Sicherheit nicht über eine solche Errungenschaft verfügte, war Draco erst einmal außer Gefahr. Aber warum hatte Dumbledore mir nichts gesagt? Hatte er befürchtet, dass ich Draco nicht wie eine normale Katze behandle? Oder hielt er es für besser, wenn ich nicht wusste, dass es Draco war, der nachts neben mir im Bett schlief? Das war Blödsinn, denn es wäre nicht das erste Mal gewesen. Die Erinnerung daran bescherte mir inzwischen beinahe vertrautes Herzklopfen. Genauso wie das Wissen, dass ich mir schon wieder mit Draco das Bett geteilt und wir uns wieder aneinander geschmiegt hatten, wie damals im Haus meiner Verwandten auf der Flucht vor den Todessern. Und wo wir gerade dabei waren: Die letzten Tage warfen im Licht der jüngsten Erkenntnisse einige Fragen auf. Im Haus meiner Verwandten mag diese Kuschelattacke ja ein Versehen gewesen sein- wir beide schliefen und waren für unsere Körper nicht verantwortlich- aber in Katzengestalt hatte Draco sich ganz willentlich in meine Halsbeuge geschmiegt. Und er hatte meinen Schoß offensichtlich gemütlich gefunden, denn wenn ich abends nach den Schularbeiten noch mit Ron und Hermine zusammensaß und wir uns unterhielten, hatte sich Draco gerne dort eingerollt und sich kraulen lassen. Hatte er es getan, um mehr wie eine Katze zu wirken. Kaum, oder? Schließlich hatte ich ihm den Kater auch abgenommen, als er noch so kratzbürstig gewesen war. Dann blieb nur noch eine Möglichkeit übrig: Er hatte es wirklich genossen. Es hatte ihm gefallen. Und er dachte vermutlich, dass ich niemals dahinter kommen würde, dass er im Moment in Gestalt eines kleinen, weißen Katers herumlief. Das bedeutete wohl, dass er mich mochte. Dass er mir vielleicht sogar dieselbe Art von Zuneigung entgegenbrachte, wie ich ihm. Das war ein kühner Gedanke, aber keineswegs abwegig. Natürlich würde er eher durch ein Meer Flubberwürmer waten, als Gefühle mir gegenüber zuzugeben, so wie ich ihn kannte. Also lag es wohl an mir, ihn aus der Reserve zu locken und zu überprüfen, ob meine Schlussfolgerungen richtig waren. Doch das hatte Zeit, bis er seine menschliche Gestalt zurück erlangte. Jetzt mussten wir uns erst einmal mit der jetzigen Situation arrangieren. Hermine hatte sich schon gewundert, warum Blizzard und ich uns die meiste Zeit aus dem Weg gingen und uns, wenn wir in Kontakt miteinander kamen, behandelten, als wäre der andere eine tickende Zeitbombe, die jeden Moment explodieren konnte. Langsam fiel unsere Unsicherheit, wie wir nun miteinander umgehen sollten, auf. Es sah ganz danach aus, als wäre ein klärendes Gespräch zwischen uns beiden überfällig. Als ich an diesem Nachmittag in den Gryffindor-Turm kam, war der Gemeinschaftsraum überraschend leer. Vielleicht lag es an dem schönen Wetter. Es war zwar erst Ende Februar und deshalb noch ziemlich kalt, aber heute lachte die Sonne zum ersten Mal seit langem wieder von einem beinahe wolkenlosen Himmel. Draco hatte sich auf dem Fensterbrett in der Sonne eingerollt und schien zu schlafen. Da sah ich meine Chance gekommen. Unauffällig schlenderte ich zum Fensterbrett und stupste den weißen Kater an, der sofort mit einem Fauchen zurückfuhr. – Er mag es offensichtlich nicht, beim Schlafen gestört zu werden –, dachte ich mit einem kleinen Grinsen. Seine silbergrauen Augen verengten sich drohend, als ich die Hände nach ihm ausstreckte, um ihn hochzunehmen. „Komm schon. Mach keinen Ärger. Wir müssen reden“, wisperte ich beschwörend. Zwar wich er noch einen weiteren Schritt vor meinen Händen zurück, ließ sich dann aber anstandslos auf den Arm nehmen und nach oben in den Schlafsaal tragen. Einige flüchtige Momente spürte ich ein Gefühl von Triumph, weil er den Kontakt zu mir wieder duldete, doch das hielt nicht lange vor. Kaum, dass wir den Schlafsaal erreicht hatten, sprang er nämlich schon wieder herunter. Mit einem Seufzen ließ ich mich zu ihm auf das Bett fallen und blickte ihn an. „Okay... die Situation ist nicht so ganz einfach, das gebe ich zu.“ Draco musterte mich unverwandt. „Aber wir müssen es uns doch nicht schwerer machen, als es ohnehin schon ist, oder?“ Keine Regung. Ich bemühte mich, die richtigen Worte zu finden. „Hermine stellt schon Fragen, was los ist. Warum können wir nicht so tun, als wäre nichts passiert? Ich werde einfach vergessen, was ich weiß, und du verhältst dich einfach wie eine normale Katze. Wäre das nicht okay für dich?“ Jetzt legte er den Kopf schief. „Herrgott Draco! Natürlich weiß ich, dass du dich unten im Kerker wohler fühlst, aber kannst du nicht versuchen, den Turm ein wenig zu mögen? Und du bist ja auch nicht hier, weil Dumbledore dich so gerne ärgern wollte, sondern, weil er dich damit erst einmal außer Reichweite dieses ominösen Angreifers geschafft hat.“ Seine Ohren legten sich zornig zurück. Oh-oh, da hatte ich wohl einen wunden Punkt getroffen. Offensichtlich wollte Draco nicht an diesen Abend erinnert werden. „Ich... ich jedenfalls bin froh, dass du hier bist“, erklärte ich ihm leise und schlug die Augen nieder. Es war so ungewohnt, ihm gegenüber Gefühle zuzugeben, die nichts mit Abscheu und Rivalität zu tun hatten. „Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht und auch wenn mich die Entdeckung, dass du jetzt eine Katze bist, völlig unvorbereitet getroffen hat, bin ich erleichtert, dass es dir gut geht.“ Vielleicht spielte mir das Licht einen Streich, aber mir war, als würde der Ausdruck in seinen silbernen Katzenaugen tatsächlich für einen Moment weich werden. Und auf einmal wurde mir klar, dass ich nicht warten musste, bis er mir wieder in seiner menschlichen Gestalt gegenüber trat, um die Distanz zwischen uns zu verringern. Wenn ich es einigermaßen geschickt und unauffällig anstellte, konnte meine Mission praktisch in diesem Augenblick beginnen. Warum auch nicht? Wir würden wahrscheinlich nie wieder so eng beieinander leben. Mein einziges Problem war, dass ich keine Erfahrung in diesen Dingen hatte und mich vermutlich hoffnungslos tollpatschig anstellen würde. Aber ich wäre nicht in Gryffindor, wenn ich das nicht riskieren würde. ooOoOoo Potter benahm sich seltsam. Nicht, dass ich genau sagen könnte, was es war, dass mir so merkwürdig vorkam. Wir waren zu unserer alten Routine zurückgekehrt. Er nahm mich mit zum Unterricht und ich saß abends auf seinem Schoß und ließ mich kraulen. Und trotzdem war mir, als läge etwas in seinem Blick, in seinen Berührungen, das vorher nicht da war und das mir so gut gefiel, dass es unheimlich war. Und ich fragte mich, warum zum Teufel er immer noch darauf bestand, mich unter seinen Roben und seinem Pullover zu verbergen. Er wusste doch jetzt, wer ich war und dass ich nicht so dumm sein würde, mich zu verraten. Und trotzdem schien er mich gerne nahe bei sich zu behalten. Doch nicht nur, damit ich nicht entdeckt wurde, oder? Auch das war ein Gedanke, der mir ziemlich kühn erschien und doch ließ es sich nicht anders erklären. Es ging Harry nicht um das Verstecken, es ging ihm um mich, um meine Nähe. Unglaublich, wie hatte ich das geschafft? So lange Zeit waren wir uns Spinne Feind gewesen, so lange Zeit hatte er meine Gedanken beherrscht, ohne dass ich je zu hoffen gewagt hätte, dass etwas von ihm zurückkam. Wie hatte ich es geschafft, seine Zuneigung zu gewinnen? Und vor allem wann? War er mir so dankbar, dass ich ihm geholfen hatte? Oder war das keine Entwicklung gewesen, die sich in jüngster Zeit vollzogen hatte? Der Gedanke war geradezu unvorstellbar dreist, aber trotzdem hatte er sich festgesetzt. Und ich hatte nicht die Willenskraft, mich gegen die Vorstellung zu wehren, dass er mich vielleicht auch schon länger mochte. Eine Vorstellung, die Wärme wie Honig in mir zerfließen ließ und dafür sorgte, dass sich ein wohliges Kribbeln bis in meine Fingerspitzen ausbreitete. „Hey, Draco“, wisperte Harrys Stimme plötzlich neben mir und ich schreckte hoch. Während er mit seinem Anhang seine Hausaufgaben erledigt hatte, hatte ich mich auf einem Sessel vor dem Kamin eingerollt und anscheinend war ich eingedöst, denn ich hatte ihn nicht kommen hören. „Ich muss los zum Quidditch-Training. Aber sag mal... uhm...“ Er zögerte und wich meinem Blick aus. Wie interessant. Seit wann mied Harry Potter meinen Blick? Was plante er? „Ich habe mir gedacht, dass du doch sicher auch mal wieder fliegen möchtest, oder? Hm, wenn du magst, kannst du ja später nachkommen und dann drehen wir ein paar Runden...“ Ich schaute ihn wohl ziemlich verdutzt an, denn plötzlich wurde er rot und wandte sich ab. „Entschuldige, das war eine dumme Idee. Vergiss es einfach.“ Und dann verschwand er so eilig durch das Porträtloch, dass ich nur noch den Zipfel seines Umhangs verschwinden sah, als ich mich wenigstens soweit gefasst hatte, um ihm verblüfft hinterher zu starren. Das war... das war eine Einladung zu einem Date gewesen, oder? Zugegeben eine sehr seltsame, aber die Umstände und die Beteiligten waren ja auch alles andere als normal. Bis vor kurzem stand praktisch in Stein gemeißelt, dass wir uns bis zu unserem Lebensende hassen und bis aufs Blut bekriegen würden. Und plötzlich wohnten wir zusammen. Ich –als Slytherin- schlich ganz offiziell durch feindliches Territorium, den Gryffindor-Turm, und wurde nicht einmal erkannt, weil ich durch die unwillkommene Einmischung unseres grenzdebilen Schulleiters nun die Gestalt einer Katze hatte. Aber irgendwie... so wenig ich auch um seinen Beistand gebeten hatte... so langsam fand ich Gefallen an seiner Idee. Nicht nur, dass ich ungestraft Unfug treiben durfte, nein, ich fand es unerwartet angenehm in Harrys Gegenwart. Trotzdem... diese Einladung hatte mich sehr unerwartet getroffen. Und ich wusste nicht, wie ich auf sie reagieren sollte. Ich hatte inzwischen mitbekommen, dass Harry ein leidenschaftlicher Flieger war. Er verschmolz mit seinem Besen, weil sein Herz in die Lüfte gehörte. Weil es Flügel hatte, die es ausbreiteten musste, damit er glücklich war. Vielleicht war diese Hingabe der Grund, warum er mich immer wieder so knapp schlug. Mir selbst bedeutete ein Besenflug nichts. Ich flog seit meiner Kindheit und es war nichts, das ich besonders aufregend fand. Natürlich flog ich gut und arbeitete daran, besser zu werden, denn es lag mir nicht, halbe Sachen zu machen. Ich war damals in die Quidditch-Mannschaft eingetreten, weil ich mich mit Harry messen wollte, und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Doch ich konnte nicht behaupten, dass mir das Fliegen fehlte, jetzt, da es mir verwehrt war. Wenn ich seiner Einladung folgte, dann war es nur um seinetwillen. Und ich war nicht sicher, ob ich schon bereit war, die Konsequenzen zu tragen, die sich aus diesem Schritt ergaben. Und ich war definitiv nicht bereit, die Tiefe meiner Gefühle zu erforschen und mir einzugestehen, wie viel ich für ihn empfand. Dieser Schritt war zu früh für mich. Ich konnte seiner Einladung nicht folgen, ohne befürchten zu müssen, dass ich die Kontrolle über diese Situation- über mich- verlor. Ich hatte mir eine ruhige Ecke gesucht, in der ich nahezu unsichtbar war, aber das Porträtloch gut im Auge hatte. Das Quidditch-Training war schon lange zu Ende, aber Harry war noch nicht zurückgekehrt. Er wartete doch nicht etwa wirklich auf mich? Unruhig rutschte ich auf meinem Platz hin und her. Die Vorstellung, dass er da draußen in der Dunkelheit alleine seine Runden drehte, darauf hoffend, dass ich vielleicht doch noch erschien, behagte mir nicht. Die Vorstellung hatte so etwas Trauriges, Einsames. Außerdem war es nicht ungefährlich. Die Zeit, in der sich kein Schüler mehr auf den Gängen befinden durfte, war inzwischen herangerückt, und obwohl ich nie ein Anhänger dieser Regelung gewesen war, weil sie meine Bewegungsfreiheit einschränkte, so erschien sie mir im Licht der jüngsten Ereignisse doch sinnvoll. Der Verrückte, der es so hartnäckig auf mich abgesehen hatte, war offensichtlich noch nicht gefasst worden, denn sonst hätte ich meine menschliche Gestalt längst wieder. Aber wer sagte denn, dass er jetzt Ruhe geben würde? Wer konnte mir denn die Sicherheit geben, dass er sich nicht ein neues Opfer suchen würde? Und wie konnte ich sicher sein, dass dieses Opfer nicht Harry sein würde? Der Junge hatte mit seinen 17 Jahren schon mehr Feinde, als andere in ihrem ganzen Leben anhäuften, aber er war auch nur ein Mensch. Er hatte fantastische Instinkte, aber er konnte nicht immer und ewig wachsam sein. Und wenn der Angreifer ihn in einem dieser ungeschützten Momente erwischte und er niemanden hatte, der ihm den Rücken freihielt und ihn beschützte... Verflucht! Ich wünschte, Harry würde endlich durch dieses verflixte Porträtloch steigen und ich bräuchte mich nicht länger zu sorgen. Doch nichts regte sich. Schließlich wurde meine Anspannung unerträglich und ich beschloss, mir Gewissheit zu verschaffen. Ich lief zum Porträtloch und musste nur wenige Male laut miauen, da hatte Granger schon erkannt, dass ich hinauswollte und öffnete das Porträtloch für mich. Das rostbraune Ungeheuer, das sie ihren Kater nannte, folgte mir flink hinaus, doch ich ignorierte ihn. Ich hatte jetzt nicht die Nerven, mich mit ihm herumzuärgern. Und anscheinend hatte er auch nicht das Bedürfnis, mir auf den Fersen zu bleiben, denn auf halbem Wege verschwand er von meiner Seite und tauchte in die Dunkelheit der Nacht ein. Ich hingegen nahm den kürzesten Weg hinab zum Quidditch-Feld und dort angekommen sah ich erleichtert, dass Harry nichts geschehen war. Er flog auch nicht einsam seine Runden, sondern trainierte immer noch. Meine Sorge war unnötig gewesen und ich ärgerte mich über mich selbst. Wie hatte ich annehmen können, dass er nichts Besseres zu tun hatte, als auf mich zu warten? Es dauerte einige Momente, bis mir klar wurde, was an diesem Bild nicht stimmte. Es war finster und nur der schwache Lichtschein aus den unzähligen Fenstern des Schlosses erhellte das Spielfeld. Unter diesen Umständen konnte er den Schnatz gar nicht sehen, aber es war nicht der Schnatz, den er jagte. Argwöhnisch kniff ich die Augen zusammen und musterte den dunklen, runden Schatten, der immer wieder über ihn hinwegzischte. Ein Klatscher. Warum zum Teufel sollte Harry als Sucher mit einem Klatscher trainieren? Und jetzt, wo ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass seinen Bewegungen auch alles Spielerische fehlte. Das dort oben in der Luft war kein Training. Und Harry war auch nicht der Jäger, er war der Gejagte. Ich kannte diese Szene, ich hatte sie schon einmal im zweiten Schuljahr erlebt, als sich ein einzelner Klatscher an Harry als Opfer festgebissen hatte. Damals war es kein Zufall gewesen, jemand hatte ihn verhext, und dieses Mal war es mit Sicherheit auch kein Zufall. Mein Instinkt hatte mich nicht getäuscht. Harry war in Gefahr! Irgendjemand trachtete nicht nur mir, sondern auch ihm nach dem Leben. Meine Augen wanderten suchend über das dunkle Schulgelände. Der Täter war sicher noch in der Nähe und würde sich davon überzeugen wollen, dass sein Attentat geglückt war. Plötzlich war ich sehr dankbar dafür, eine Katze zu sein, denn meine ungleich schärferen Augen entdeckten am Waldrand einen dunklen, unförmigen Schatten, der mir als Mensch entgangen wäre. Unschlüssig verharrte ich. Was sollte ich tun? Als Katze konnte ich nicht viel ausrichten, ich konnte den Zauber nicht brechen, ich konnte nicht einmal meinen Zauberstab nehmen und den Angreifer stellen. Ich sollte ins Schloss zurückkehren und Hilfe holen. Aber wie lange würde das dauern? Meine Augen wanderten hinauf zu Harry, der seinen Besen eben gerade aus einem steilen Sturzflug wieder in die Höhe riss. Der Klatscher, nicht so träge, wie er sein sollte, prallte nicht auf dem Erdboden auf, sondern machte seine Bewegung mit. Würde Harry durchhalten, bis ich wieder da war? Und wer sagte eigentlich, dass sich der Schatten am Waldrand ruhig verhalten würde? Ich wusste nicht, wie lange Harry nun schon versuchte, dem Klatscher zu entkommen, aber dem Angreifer würde doch sicher früher oder später der Geduldsfaden reißen. Nur mit dem schweren Quidditch-Ball würde Harry vielleicht noch eine Weile zurecht kommen, aber was, wenn er zusätzlich noch Flüchen ausweichen musste? Die Entscheidung wurde mir schließlich abgenommen. Schreckensstarr musste ich zusehen, wie Harry einen weiten Bogen flog und sich nach dem Klatscher umsah, den er in der Dunkelheit offensichtlich nur schwer ausmachen konnte. Ich hingegen konnte sehr genau sehen, dass das gesuchte Objekt von hinten heranraste, in einem Winkel, der es genau mit Harrys Kopf kollidieren lassen würde. Bei der Geschwindigkeit hatte Harry nicht die geringste Überlebenschance! Ich wollte ihm eine Warnung zurufen, doch alles, was meinen Mund verließ war ein entsetztes Maunzen. Mein Herz setzte aus. Den Bruchteil einer Sekunde vor dem Auftreffen des Klatschers drehte Harry den Kopf etwas zur Seite, wie um nach hinten zu lauschen und das rettete ihn. Der Klatscher streifte seinen Kopf nur anstatt mit voller Wucht mit ihm zu kollidieren und traf dann auf seine Schulter. Ein schmerzerfüllter Schrei hallte über das Feld, dann rutschte sein Körper wie in Zeitlupe vom Besen und fiel zu Boden. Und niemand war da, der seinen Sturz mit einem Zauberspruch hätte abfedern können. Ungebremst prallte er mit einem dumpfen Geräusch auf den Rasen und blieb reglos liegen. Einen Moment lang dachte ich, der Schmerz, der mich bei diesem Anblick durchfuhr, würde mich auffressen. Mich gleich hier und jetzt töten, doch nach einigen atemlosen Sekunden verebbte er zu einem stetigen, angstvollen Pulsieren und ich eilte an Harrys Seite. Er konnte nicht tot sein! Das durfte nicht sein! Niemandem würde es gelingen Harry Potter so einfach, so heimlich umzubringen! Selbst Voldemort war wiederholt gescheitert. Das konnte nicht das Ende sein. Unmöglich! Ich stupste seine Hand mit meiner Nase an, doch er regte sich nicht und fühlte sich furchtbar kalt an. Die Gestalt löste sich von ihrem Platz in den Schatten, um sich vom Erfolg ihrer Tat zu überzeugen. Mein Fell sträubte sich und ich fauchte erfüllt von blinder Wut und brennendem Schmerz. Wie... wie konnte diese Person es wagen... Als sie die Hand ausstreckte, um Harrys leblosen Körper zu berühren, setzte etwas in mir aus. Die Welt wurde zornesrot und die Bestie in mir erwachte mit einer Plötzlichkeit und einer Wildheit, dass mein rationales Denkvermögen nicht die leiseste Chance hatte, sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Und dieses Mal wollte ich mich ihr auch gar nicht entgegenstemmen... ooOoOoo Als ich die Augen aufschlug, musste ich als erstes geblendet blinzeln. Hatte ich vergessen, die Vorhänge von meinem Bett zuzuziehen? Und welcher Tag war überhaupt? War gestern, als ich Quidditch-Training gehabt hatte, nicht Mittwoch gewesen? Aber das würde bedeuten, dass ich verschlafen hatte! Warum hatte mich niemand geweckt? Irgendetwas erschien mir nicht richtig, doch ich konnte nicht genau sagen, was es war, denn meine Umgebung war unscharf. Irritiert tastete ich nach der Brille auf meinem Nachttisch, setzte sie auf und sah mich um. Ich stutzte. Der Raum, in dem mein Bett stand, war mir vertraut, aber der Gryffindor-Turm war es definitiv nicht. Es war die Krankenstation. Als ich mich heftig aufrichtete, erfasste mich sofort ein starkes Schwindelgefühl, das mich zurück in die Kissen sinken ließ. Was war passiert? Warum war ich hier? Dann kam die Erinnerung langsam zurück. Ich war nach dem Training zurückgeblieben. Natürlich rechnete ich nicht wirklich damit, dass Draco auftauchte, aber ein winziger Funken Hoffnung in meinem Herzen hielt mich davon ab, sofort die Waffen zu strecken und meinen Teamkameraden nach oben zu folgen. Außerdem hatte ich so noch ein bisschen Zeit, meine Gedanken zu ordnen, bevor ich Draco wieder gegenüber treten musste. Er hatte vorhin ziemlich entgeistert gewirkt. Seine Verblüffung hätte wohl nicht größer sein können, hätte ich ihn direkt gefragt, ob er mich nicht heiraten möchte. Nun ja... die Richtung war ja eigentlich dieselbe. Nach all den Jahren der Feindschaft und Rivalität war es ein großer Schritt, sich die wechselseitige Sympathie einzugestehen und etwas Zeit allein miteinander zu verbringen. Ein Schritt, der eine Menge Mut erforderte. Vielleicht hatte ich ihn zu früh machen wollen und war über das Ziel hinausgeschossen. Draco jedenfalls.... Ich kam nicht dazu, den Gedanken zu Ende zu denken, denn in dem Moment verfehlte mich etwas Schweres, Schnelles nur um Haaresbreite. Erschrocken riss ich instinktiv den Besen zur Seite als der Klatscher kehrt machte und einer Kanonenkugel gleich auf mich zuschoss. Irgendwann musste er mich wohl erwischt haben, in Anbetracht der Umstände, unter denen ich aufgewacht war. Aber wer hatte mich hierher gebracht? War... war Draco doch noch gekommen? Mein Herz machte einen Satz. Das wäre... „Ah, wie ich sehe, ist der Patient endlich wachgeworden“, sagte eine ruhige, tiefe Stimme neben mir so plötzlich, dass ich erneut hochfuhr und Schwindel mich packte. „Sie sollten hastige Bewegungen in den nächsten Tagen noch vermeiden, Mr. Potter.“ Ich musterte den fremden Mann, der mich zurück in die Kissen dirigierte. Er trug die weiße Gewandung eines Medi-Zauberers und hinter winzigen, runden Brillengläser funkelten scharfe, stahlblaue Augen. „Und Sie sind...?“ „Dr. Wright. Medi-Magier im St. Mungos.“ Im...? Schnell schaute ich mich noch einmal um, um mich zu vergewissern, dass ich mich vorhin nicht geirrt hatte. Aber nein, das war eindeutig die Krankenstation von Hogwarts. Ich zog nachdenklich meine Augenbrauen zusammen. Was machte ein Arzt aus St. Mungos in Hogwarts? Er schien die Frage aus meinem Gesicht ableiten zu können. „Man hat mich in aller Eile hierher beordert, weil der Schulleiter der Ansicht war, es wäre besser, Sie hier zu behandeln.“ Seine Stimme und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war Dr. Wright gänzlich anderer Meinung. Meine Gedanken waren ein wirrer Haufen. Wieso hatte dieser Mann Madam Pomfrey ersetzt? Sie war eine gute Medi-Hexe. Warum hatte man eigens einen Magier aus St. Mungos herbeigeholt? Waren meine Verletzungen so schlimm gewesen? Und wieso hatte Professor Dumbledore in diesem Fall darauf bestanden, mich hier zu behalten? „Welcher Tag ist heute?“ Dr. Wright, der die Bettdecke zurückgeschlagen hatte und seine Hände, die von einem matten, gelblichen Licht umgeben waren, in einigen Zentimetern Abstand über meinen Körper hinweg führte, blickte auf. „Donnerstag.“ Ich atmete erleichtert auf. Wenn nur ein Tag vergangen war, konnte meine Situation nicht kritisch gewesen sein. Als der Medi-Magier seine Untersuchung beendet hatte, schwang ich die Beine aus dem Bett und versuchte, den erneuten Schwindel zu ignorieren. „Mr.Potter. Ich muss darauf bestehen, dass Sie sich augenblicklich wieder hinlegen“, sagte Dr. Wright mit harter, strenger Stimme. Anscheinend war er an widerspenstige Patienten gewöhnt. „Aber... es kann ja nicht so schlimm gewesen sein, oder?“, versuchte ich zu widersprechen. „Wenn ich gestern diesen Unfall hatte...“ Doch ich kam nicht dazu, auszureden. „Ihr Unfall war gestern vor zwei Wochen, Mr. Potter. Und Ihr Zustand war damals so bedenklich, dass wir Sie in einen künstlichen Schlaf versetzen mussten, damit Sie überhaupt eine Überlebenschance hatten.“ Mein Mund klappte auf und ich war so fassungslos, dass ich nicht einmal daran dachte, zu protestieren, als er mich erneut in die Kissen dirigierte. Und ohne nachzudenken griff ich nach dem Becher, den er mir reichte. „Wenigstens für die nächste Woche haben Sie noch strengste Bettruhe. Quidditch und andere Aktivitäten, bei denen Sie sich erneut verletzen können, sind für den nächsten Monat untersagt.“ Als er das Quidditch-Verbot erwähnte, kehrte wieder etwas Leben in mich zurück. „Aber...“, begann ich, doch sein Blick brachte mich zum Schweigen. Ohne ein weiteres Wort des Protestes zu äußern, trank ich den Zaubertrank, den er mir gereicht hatte, und spürte, wie mich eine warme, wohltuende Finsternis umhüllte. Als ich das nächste Mal erwachte, hörte ich Stimmen neben meinem Bett. Benommen tastete ich nach meiner Brille, die mir der Arzt offensichtlich abgenommen hatte, setzte sie mit ungeschickten Bewegungen auf und versuchte mein Sichtfeld scharf zu stellen. Du meine Güte, was immer mir dieser Mann eingeflößt hatte, das Zeug wirkte. Etwas mehr davon hätte vermutlich einen aufgewachsenen Elefanten für Tage in einen Tiefschlaf versetzt. Ein brauner Lockenkopf beugte sich über mich und nach einigen vergeblichen Versuchen erkannte ich Hermine. „’lo“, sagte ich matt und lächelte. Sie seufzte und lächelte ebenfalls. „Willkommen zurück unter den Lebenden, Harry.“ Neben ihr tauchte das Gesicht von Ron auf. „Mann, wir haben uns solche Sorgen gemacht. Was ist nur passiert?“ „Das wüsste ich auch gerne. Ich bin nach dem Quidditch-Training noch etwas länger geblieben, um... um noch ein paar Runden zu drehen und plötzlich ging dieser wildgewordenen Klatscher auf mich los. Wie bin ich hierher gekommen? Wer hat mir geholfen?“ „Das war Professor McGonagall.“ Auf meinen verblüfften Blick hin, fuhr Hermine fort: „Wir haben uns Sorgen gemacht, nachdem du so lange nicht wieder aufgetaucht bist. Und plötzlich war Krummbein da, führte sich auf wie toll und wollte offensichtlich dass wir ihm folgen. Das haben wir getan und dabei sind wir von Professor McGonagall erwischt worden...“ Ich dachte an die Hauspunkte, die die beiden bei dieser nächtlichen Exkursion sicher verloren hatten und schloss die Augen. „Aber wieso habt ihr denn nicht meinen Tarnumhang genommen?“ Ich blickte gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, dass sie einen verlegenen Blick tauschten. Sie hatten also in ihrer Eile nicht daran gedacht. „Wir haben Professor McGonagall jedenfalls erzählt, dass du immer noch nicht wieder da wärst und wir nach dir schauen wollten. Sie wollte uns zurück in den Gryffindor-Turm schicken, aber wir konnten sie überreden, dass sie uns einfach zum Quidditch-Feld begleitet. Ob nun ein Schüler oder 3 unter ihrer Aufsicht durch das Schloss spazieren, macht ja keinen Unterschied, oder?“ Hermine grinste verschmitzt. „Und weiter?“ „Als wir ankamen, hast du bereits am Boden gelegen. Und da war noch jemand.“ „Wer?“, fragte ich und meine Stimme verriet meine Anspannung. Es musste derjenige gewesen sein, der den Klatscher verhext hatte. Wer hatte es auf mich abgesehen? War es derselbe, der auch Draco ans Leben wollte? „Das haben wir leider nicht erkannt. Er ist geflohen, als wir näher kamen.“ Ich seufzte. Schade. Zu dumm, dass sie ihn nicht erwischt hatten. Ich sah Hermine wieder an und plötzlich fiel mir etwas an ihr auf. „Sag mal... wo kommen die ganzen Kratzer her? War das Krummbein?“ Sie waren kaum noch zu sehen, aber wenn sie nach 2 Wochen immer noch nicht richtig verheilt waren, mussten sie ziemlich übel gewesen sein. Sie schüttelte Kopf. „Nein, das war Blizzard. Blizzard war auch unten auf den Quidditch-Feld. Wenn ich es richtig gesehen habe, hat er mit dem Unbekannten gekämpft. Ich sage dir, so habe ich noch keine Katze kämpfen sehen. Beängstigend. Und nachdem sein Gegner geflohen war, hat er sich gegen Professor McGonagall und mich gewandt. Ron war losgeschickt worden, um Professor Dumbledore Bescheid zu sagen und ich wollte Professor McGonagall helfen, dich in den Krankenflügel zu bringen. Aber es war fast unmöglich. Dieser Kater hat sich gebärdet wie tollwütig und hat niemanden in deine Nähe gelassen. Professor McGonagall ist es schließlich gelungen, ihn zu schocken, aber da waren wir auch schon über und über mit Kratz- und Bissspuren versehen. So ein verrücktes Tier.“ Hermine schüttelte erneut den Kopf. Mir war schwindelig. Blizzard... nein, Draco hatte mich beschützt? Hatte jeden angegriffen, der sich in meine Nähe wagte? Und er hatte mir vermutlich das Leben gerettet, indem er sich auf den unbekannten Angreifer gestürzt hatte und sich dabei selbst in Gefahr brachte. Das schien so gar nicht zu dem Draco Malfoy zu passen, der sich all die Jahre bis aufs Blut mit mir gestritten hatte. Der arrogante, kaltherzige Sohn des magischen Hochadels, der auf der ganzen Welt nur einen liebte: sich selbst. Der Eisprinz von Slytherin. Was hatte ihn wohl dazu bewegt, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um das meine zu retten? Und das war nicht das erste Mal... ich verdankte ihm nun schon ein zweites Mal mein Leben. Wieder hatte er mir selbstlos geholfen. Wie sollte ich mir nach allem, was wir erlebt hatten, einreden, dass er genauso war, wie alle sagten? Wie sollte ich versuchen, mich genauso zu verhalten wie früher, ihm mit derselben Bissigkeit und Abscheu begegnen? Wie sollte ich diesen anderen Draco, den ich kennen gelernt hatte, nicht lieben? „Wir gehen dann, Harry. Wir kommen morgen wieder“, sagte Hermine leise und ich schreckte hoch. Anscheinend war ich kurz eingenickt. Der Trank wirkte wohl immer noch. „Was... was ist mit Blizzard?“ „Oh, ihm geht es gut. Dumbledore kümmert sich wieder um ihn.“ Hermine machte eine kurze Pause. „Draco ist übrigens wieder wohlbehalten aufgetaucht“, fügte sie beiläufig hinzu und lächelte auf eine Art und Weise, die mir nicht geheuer war. Es war ein Lächeln, das sagte, dass sie genau wusste, dass mich diese Nachricht beruhigen würde. Und vor allem warum. Ron drückte missmutig sein Bedauern über diesen Umstand aus und ließ sich dann widerwillig von Hermine durch die Tür bugsieren. Ich rief ihnen noch einen Abschiedsgruß hinterher und kuschelte mich dann zufrieden in mein Kissen. Draco hatte also seine menschliche Form wieder. Das bedeutete zwar, dass wir wieder in getrennten Zimmern schlafen würden und auch die Abende wieder getrennt voneinander verbringen würden, aber es war sicher nicht das allerschlechteste. Es viel mir leichter zu versuchen, die Aufmerksamkeit eines Menschen auf mich zu lenken. Mit diesem Gedanken fielen mir wieder die Augen zu. Meine Genesung schritt rasch voran. Zwei Tage später war ich schon wieder munter. Nicht so voller Energie wie sonst, aber auch nicht mehr so furchtbar matt. Allerdings hatte ich strengste Anweisung, das Bett nicht zu verlassen. Hermine brachte mir den Schulstoff vorbei, den ich verpasst hatte, und die Hausaufgaben, mit denen ich wenigstens ein wenig Zeit totschlagen konnte. Trotzdem wurde mir die Zeit lang und ich ertappte mich dabei, dass ich des Öfteren mit dem halbfertigen Aufsatz auf dem Schoß und der Feder nutzlos in der Hand da saß, ins Leere starrte und wartete. Es half nichts. Ich brauchte gar nicht erst zu versuchen, mir etwas vorzumachen. Ich wartete auf Besuch von Draco und jeden Tag frustrierte es mich ein wenig mehr, dass er nicht kam. War es das etwa gewesen? Er hatte nicht ernsthaft vor, zum Status Quo zurückzukehren und so zu tun, als würde er mich hassen, oder? Das konnte er mir nämlich nach all dem, was geschehen war, nicht mehr weismachen. Er war doch so gerissen, da würde ihm doch gewiss ein raffinierter Grund einfallen, sich von seinen Freunden zu entfernen und mal nach mir zu schauen. Ich hatte ihn schließlich auch besucht, als es hieß, er läge auf der Krankenstation. Oder fürchtete er sich davor, offen zuzugeben, dass da doch mehr zwischen uns war als Hass und Abscheu? Es war zum Haare ausreißen mit diesem stolzen, dickköpfigen Slytherin! Die Tür zur Krankenstation öffnete sich und hoffnungsvoll sah ich von dem Zaubertränkebuch auf, das ich bisher finster angestarrt hatte, doch es war nur der Schulleiter der lächelnd eintrat. Ich seufzte lautlos und versuchte, meine Enttäuschung zu verbergen. „Hallo, Harry.“ Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. „Hallo, Professor Dumbledore.“ Ich klappte das Buch zu und legte es auf den Nachttisch. „Wie geht es dir, mein Junge?“ „Gut. Wann kann ich hier raus?“ Dumbledore lachte leise. „Ungeduldig wie immer, nicht wahr, Harry? Doch ich fürchte, in dieser Sache muss ich mich ganz auf Madam Pomfreys Urteil verlassen.“ Seine blauen Augen blickten mich plötzlich ernst und sorgenvoll an. „Dieses Mal war es wirklich knapp.“ Ich nickte und erzählte ihm auf seine Aufforderung hin alles von jener Nacht, an das ich mich noch erinnerte- dass ich auf Draco wartete, ließ ich freilich aus. Dann herrschte einen Moment Schweigen, bevor ich fortfuhr. „Sieht so aus, als hätte es der Täter mindestens auf Draco und mich abgesehen. Wieso haben Sie ihn in seine menschliche Gestalt zurückverwandelt?“ Amüsiert blitzte es hinter den Halbmondgläsern auf. „Du hast es also herausgefunden? Sehr gut. Aber inzwischen haben wir die Sicherheitsvorkehrungen um die Gemeinschaftsräume erhöht, es wird ihm dort keine Gefahr mehr drohen. Und wenn er... wenn ihr euch an die Ausgangssperre haltet und auch zwischen und nach den Unterrichtsstunden nicht alleine herumwandert, dürfte die Gefahr eines erneuten Angriffs minimal sein. Das bösartige Potential des Angreifers ist natürlich nicht zu unterschätzen, ebenso wenig wie seine Fähigkeit praktisch spurlos zu verschwinden...“ An dieser Stelle erschien ein nachdenkliches Stirnrunzeln auf Dumbledores Stirn. „... doch er scheint nur in Aktion zu treten, wenn er sicher ist, dass ihm niemand in die Quere kommen kann.“ Ich nickte. Natürlich, wenn die Sicherheitsvorkehrungen verschärft wurden, gab es keinen Grund mehr, Draco länger in seiner Katzengestalt zu belassen, so sehr ich das auch bedauerte. Dann kam mir plötzlich noch eine Frage in den Kopf. „Professor... wenn mein Zustand wirklich so kritisch gewesen ist... warum wurde ich dann nicht nach St. Mungos verlegt?“ „Nun, auch ein Transport birgt Gefahren, Harry. Und das Risiko, dass du den Transport nicht überlebst, wollte ich nicht eingehen. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass deine Genesung in einer vertrauten Umgebung vielleicht schnellere Fortschritte macht.“ Damit erhob er sich und obwohl ich noch fragen wollte, wie er denn zu dem Schluss kam, schien Dumbledore nicht bereit zum jetzigen Zeitpunkt mehr zu sagen. Ich kannte diesen verschlossenen Gesichtsausdruck bereits aus früheren Gesprächen. Also schob ich die Frage beiseite, verabschiedete mich von ihm und wandte mich wieder meinem Zaubertrankaufsatz über die Anwendung und das Für und Wider besagter Nutzung von geriebenen Lebensbaumnadeln in Tränken zu. Eine Woche später wurde ich nach endlosem Flehen und unermüdlichen Versicherungen, dass ich Bäume ausreißen könnte, endlich entlassen. Madam Pomfrey machte immer noch ein besorgtes Gesicht und erinnerte mich mit Nachdruck an mein Quidditch-Verbot, doch dann hatten sich die Türen des Krankenflügels endlich hinter mir geschlossen. All die schweren Bücher, die Hermine mir mitgebracht hatte, und meine Hausaufgaben auf dem Arm, machte ich mich erleichtert auf den Weg zum Gryffindor-Turm. Nach Hause. Auch wenn es mir jetzt, wo Draco nicht mehr da war, sicherlich merkwürdig leer vorkommen würde... mein Bett im Speziellen. „Was muss ich denn da sehen?“, ertönte plötzlich eine vertraute, höhnische Stimme hinter mir. „Gibt es dich etwa auch noch, Potter?“ Mein Herz stockte für einen Moment. Draco. Langsam, um den Bücherstapel auf meinem Arm nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen drehte ich mich zu ihm um. Wie in alten Zeiten war er flankiert von Crabbe und Goyle, Pansy hing an seinem Arm. Bei dem Anblick durchfuhr mich ein Stich der Eifersucht, doch ich drängte die bösartige Stimme, die sie in die nächste Dimension fluchen wollte, rasch in den Hintergrund. „Wie du siehst, Malfoy. Wenn du gedacht hast, du bist mich losgeworden, muss ich dich enttäuschen. So schnell gebe ich den Geist nicht auf.“ „Wie wahr, wie wahr“, spottete er. „Selbst der Dunkle Lord musste diese frustrierende Erfahrung bereits machen.“ Er musterte die schweren Bücher. „Warum schleppst du die selber? Weasley würde sich über ein paar Sickel extra sicher freuen. Die könnte er dann seiner Familie schicken... vielleicht kann sich sein Vater dann endlich einmal einen Umhang kaufen, der seinem Amt im Ministerium würdig ist.“ Seine Begleiter kicherten und mich packte kalte Wut. Was zum...? Wie konnte dieses Ekel es wagen, den Namen von Mr. Weasley so durch den Schmutz zu ziehen? Hatte ich mich so sehr in ihm getäuscht? War er wirklich so ein Bastard, der sich an der unglücklichen Lage anderer erfreute und nichts anderes im Kopf hatte, als andere Leute zu piesacken? Nein, das wollte ich nicht glauben, aber so wie er sich im Moment aufführte... „Und jetzt... geh mir aus dem Weg Potter“, fuhr er kalt fort und hob sein Kinn ein Stück an. „Ich möchte dich beim Vorbeigehen nicht zufällig berühren.“ Ich wollte ihn gerade erbost anfauchen, doch dann war er schon an mir vorbei und mir waren die Worte im Halse stecken geblieben. Ob es sein Lächeln war, was er mir im Vorübergehen zuwarf, das mich verstummen ließ und aus dem Gleichgewicht brachte, oder ob es der grobe Stoß von Goyle war, vermochte ich nicht zu sagen. Ich taumelte zurück gegen eine Wand und die Bücher fielen unter lautem Gepolter zu Boden. Ein besonders dicker Band fiel genau auf meinen Fuß, den ich unter lauten Flüchen hochriss, doch meine Augen folgten Draco. So, er wollte also spielen. Bitte sehr. Meinetwegen. Mit einem kleinen Grinsen sammelte ich die Bücher und meine Unterlagen wieder auf. So einfach würde ich ihn nicht davonkommen lassen. - wird fortgesetzt- Hosted by Animexx e.V. 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