Sehnsucht im Herz von abgemeldet (Hoffnungsschimmer am Horizont) ================================================================================ Kapitel2 -------- Eine schlanke, kleine Frau trat aus der Türe und winkte mir fröhlich. Ich atmete noch einmal tief durch, jetzt gab es kein zurück mehr. Als ich keine Anstalten machte, meine Schritte zu beschleunigen, kam mir die Frau entgegen, zuerst ebenfalls gehend, dann immer schneller werdend, bis sie schließlich auf mich zu gerannt kam. Direkt vor mir machte sie halt. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, trat von einem Bei auf das andere und auch die Frau mir gegenüber schien allen Antrieb verloren zu haben. Verstohlen musterte ich diese Frau, meine Mutter, meine fünf Jahre lang tot geglaubte Mutter. Sie hatte immer noch diese dunklen, dicken Haare, doch es zeichneten sich schon vereinzelte weiße Häarchen auf ihrem Kopf ab. Ihr Gesicht wirkte jünger als ich es in Erinnerung hatte, auch wenn der Alkohol deutliche Spuren hinterlassen hatte. Es schien mir eine endlos lange Zeit, bis sie ihre Sprache wieder fand. Endlich räusperte sie sich. Sie blickte mir in die Augen und ich sah wie sie sich langsam mit Tränen füllten. "Mäuschen... Es ist so schön dich zu sehen! Wie groß du doch geworden bist, ich hätte dich fast nicht mehr erkannt. Mein kleines Mädchen ist ja schon fast eine Frau geworden! Wie lange ist es her, dass du zuletzt vor mir gestanden bist? Furchtbar! Ich war so eine miserable Mutter...ich..." Ihre Stimme versagt und immer neue Tränen rannen über ihre Wange. Ich fühlte mich völlig hilflos, da stand meine Mutter vor mir, die ich vor über sieben Jahren zuletzt gesehen habe, die ich bis vor ein paar Tagen tot geglaubt habe, ich wusste nicht was ich tun sollte. Aber mit einem Mal war mir alles egal, es war gleichgültig, wie sehr sie mich verletzt hatte, jetzt galt es sie zu trösten, reden konnten wir noch später. Vorsichtig nahm ich meine Mutter in den Arm. "Ich habe dich so vermisst, Mama, so sehr vermisst!" Wie ich sie so in meinen Armen hielt kamen alte, längst vergessene Erinnerungen wieder in mir auf. Ich erinnerte mich an den Geruch ihrer Haare, an das Gefühl ihrer Haut auf meiner Wange und ihre kleine Hand die mir über den Rücken strich, die mich so oft gestreichelt und beruhigt hat, wenn ich mir weh getan hatte. Es waren alles so schöne und vertraute Gefühle, dass ich ganz überwältigt wurde und die Tränen nicht länger zurückhalten konnte. Wir müssen echt einen jämmerlichen Eindruck abgegeben haben, wie wir uns da in den Armen gelegen sind und hemmungslos die Schulter des anderen nass weinten. Ich weiß nicht wie lange wir so dagestanden sind, ich kann mich nur noch an das unglaublich leichte und zufriedene Gefühl erinnern, dass meinen Körper durchströmte, als wir uns endlich beruhigt hatten. Fast schon wieder verlegen mussten wir beide auf einmal durch unseren Tränenschleier durch Lachen. Meine Mutter schnappte sich meinen Koffer und griff mit der anderen Hand nach meiner. Hand in Hand schritten wir auf das riesige Haus zu. Als wir eintraten verschlug es mir die Sprache. Ich konnte mich nicht erinnern jemals in einem so großen und prunkvollen Raum gestanden zu haben. Gegenüber von der Eingangstür befand sich eine breite Treppe, die in die anderen Stockwerke führte. Ich war wirklich beeindruckt, selbst der Empfangsraum unseres Internats war im Vergleich zu diesem hier winzig und lächerlich. Meine Mutter zwinkerte mir zu: "Nicht schlecht, stimmt's?" Von ihrer Stimme aus meinen Gedanken gerissen merkte ich erst, dass ich den Mund offen hatte. Verlegen schloss ich ihn wieder und räusperte mich. "Hier müssen steinreiche Menschen wohnen! Das ist doch unglaublich!" Meine Mutter lächelte mich nachsichtig an und schritt auf die Treppe zu. "Du hast recht, Franz hat von seinen Eltern ein sehr gut laufendes Unternehmen geerbt und er arbeitet sehr hart, um sich diesen Wohlstand leisten zu können. Du wirst noch sehr staunen!" Wir hatten den ersten Stock erreicht, stiegen jedoch noch weiter nach oben. Erst jetzt merkte ich langsam wie müde meine Beine waren und in wie schlechter Kondition ich war. Meine Mutter hörte mich schnaufen und lachte mich an. "Tja ja, kein Wunder, dass du so schlecht beisammen bist, mit so einem Bauch hätte ich auch Schwierigkeiten beim Treppen steigen!" Entgeistert starrte ich meine Mutter an, doch diese brach sofort in lautes Gelächter aus. Wie lange hatte ich dieses Lachen nicht mehr gehört, normaler weise hätte ich mich ja gefreut, aber jetzt war ich doch etwas irritiert. "Du Dummchen, das war doch nur Spaß! Jetzt mach doch nicht gleich so ein Gesicht, ich wusste ja nicht, dass du so heikel mit deinem Schwimmreifen bist!" Ich konnte und wollte meinen Ohren nicht trauen, wir sahen uns nach so langer Zeit zum ersten Mal wieder uns sie machte Witze über meine größte Schwäche. Doch meine Mutter war noch immer bester Laune und lachte vor sich hin. Das war zuviel, ich blieb mitten auf den Treppen stehen und dachte nicht daran mich weiter beleidigen zu lassen. Verwundert blieb auch meine Mutter stehen und sah mich fragend an. "Was ist den Mäuschen, die paar Stufen wirst du jetzt doch noch schaffen, oder ist es echt zu schwer für dich?" Mir fehlte die Sprache, entgeistert schüttelte ich meinen Kopf. "Nein? Was ist dann mit dir los? Komm doch!" Sie nahm meine Hand und zog mich die restlichen Stufen hoch. Oben angekommen führte sie mich in ein wundervolles Zimmer in der Mitte des Ganges. Erwartungsvoll schaute sie mich an: "Ich habe für dich extra das schönste Gästezimmer reserviert! Gefällt es dir?" Es war schön, es war sogar wunderschön, aber ich konnte es nicht genießen. Normalerweise wäre ich verzückt durch das Zimmer gehopst und hätte alles aufgehoben, begutachtet und wieder hingestellt. Doch jetzt wollte sich nichts in mir zum Hopsen aufraffen, nichts wollte sich freuen. Ich fühlte mich einfach nur unglaublich schwer und müde. Erschöpft ließ ich mich auf das riesige Bett fallen, ich schüttelte noch immer meinen Kopf. Meine Mutter schien endlich zu verstehen, dass es mir nicht gut ging, denn sie setzte sich zu mir auf das Bett und tat das einzig richtige, sie schwieg und ließ mir Zeit. Langsam sammelte ich mich. "Ich weiß eigentlich nicht, was ich zu all dem sagen soll. Ich weiß noch nicht einmal, ob es richtig war, hier her zu kommen. Du hast doch keine Ahnung wie es mir geht! Es ist alles ziemlich viel für mich! Ich sehe dich nach so langer Zeit wieder und was machst du, du machst Witze über mein Übergewicht. Vielen Dank, da hätte ich gleich im Internat bleiben können, deren Dickenwitze sind viel einfallsreicher als deine!" Meine Mutter schaute mich bestürzt an. "Es tut mir leid, es ist auch für mich nicht so leicht, ich meine als ich dich zuletzt bei mir hatte warst du vielleicht halb so groß wie heute. Es ist wirklich lange her und ich weiß schon, dass wir nicht einfach so tun können, als ob nichts gewesen wäre. Ich habe einige Fehler gemacht und dich dadurch verloren, aber du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich vermisst habe. Vor allem während der Therapie schmerzten die Gedanken an dich am meisten, vor allem, als du nie auf meine Briefe geantwortet hast. Aber Franz ist mir immer bei gestanden und hat mir gesagt, dass ich dir nur Zeit lassen solle. Das habe ich getan und jetzt bist du hier bei mir und ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ich bin unglaublich stolz auf dich, du hattest es doch so schwer gehabt und stehst trotzdem vor mir und wie hübsch du doch geworden bist. Aber ich werde keine Witze mehr machen, versprochen! Ich freue mich so sehr dich endlich wieder bei mir zu haben!" Vorsichtig lehnte ich meinen Kopf an ihre Schulter. "Ich freue mich auch, wieder bei dir zu sein. Ich glaube wir brauchen bloß beide Zeit uns wieder an einander zu gewöhnen. Du weißt gar nicht wie sehr alles in mir drinnen verrückt gespielt hat, als ich den Brief von dir bekommen habe. Ich hatte so eine Angst, dass das wieder nur ein dummer Scherz war, aber irgendwann habe ich wirklich verstanden: du lebst noch! Und da war ich, obwohl ich doch Angst hatte, unglaublich glücklich." Erschrocken schlug ich mir die Hand auf den Mund, jetzt war es also raus und es hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Meine Mutter saß wie vom Blitz getroffen neben mir und brachte kein Wort heraus. Nach einer Ewigkeit löste sich ihr Körper aus der Starre, nur ihre Augen fixierten mich weiterhin weit aufgerissen. "Du verstandest, dass ich noch lebe??" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)