Interitus von Daedun (Schatten der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 2: Proficisci --------------------- Nach dem sie genug von der Musik hatten suchten sie gemeinsam den großen Garten auf, der mit Fackeln geschmückt von der Hauptterrasse aus durch einen kleinen verschlungen Weg zu betreten war. " Eine wunderschöne Anlage." Integra fuhr mit den Fingerspitzen im Vorbeigehen über ein paar zarte Rosenhäupter, die mit ihren geschlossenen Blüten wie schlafende Wesen sachte hin und her schaukelten. "Ja Senectus verstand es immer schon zu leben," er lachte wie über einen gelungenen Scherz. " Dabei ist der alte Gauner gerissener als wir alle zusammen." Sie gingen den schmalen Trappelpfand entlang ohne das ihn jemand begegnete. Integra hackte sich bei ihrem Begleiter unter. " Woher kennst du ihn eigentlich? Stammt er aus der gleichen Generation wie du?" Alucard schüttelte den Kopf. " Ehrlichgesagt weiß ich sehr wenig über ihn, aber das könnte daran liegen, dass ich mich nie sonderlich für ihn interessiert habe." "Aber Helena scheint mit ihm vertraut zu sein." Wieder stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. " Der kleinen Lady sind nicht viele Bewohner aus dem Reich der Verdammten fremd, sie hat schon viele kommen und gehen sehen." Integra legte sich kurz über die Lippen, bevor sie die nächste Frage stellte. " Hat sie damals nicht versucht dich davon abzuhalten dich mit meiner Familie zu verbünden?" Immer noch knirschten ihre Schritte über den leicht feuchten Kies. Eine Haarsträhne verdeckte einen Teil seiner Augen. "Sie weiß das ich meine Entscheidungen selber treffe und bis zum heutigen Tag hat sie diese immer toleriert." Sie waren jetzt am Ende der Parkanlage angelangt, in dem an einem kleinen, künstlich angelegten See ein aus weißem Holz gebauter prachtvoller Pavellione stand, dessen weit geöffnete Fenster wie schwarze Höhlen zu ihnen hinüber starrten. Alucard blickte sich um. " Was für ein friedlicher und vollkommender Moment nicht war?" Integra lachte leise. "Vor ein paar Monaten dachte ich nicht daran ihn mit dir zusammen genießen zu können." Die Erinnerungen an den ehemaligen Freund ihres Vaters und an all das was er heraufbeschworen hatte ließ sie innerlich frösteln. Der Vampir allerdings schien diese Geschichte längst vergessen zu haben, als wenn sie nicht der Rede wert gewesen wäre. Er grinste wieder von einem Ohr zum anderen. " Ja, ja der Ritter der Tafelrunde hat ein wenig Katz und Maus spielen wollen, nur hat er vergessen wer die Katze und wer die Maus ist." Integra sah erbost auf. "Na hör mal, er hat dir jawohl ganz schön zu gesetzt und was wäre erst noch passiert, wenn wir zu spät gekommen wären?" Jetzt kicherte er leise. "Das seid ihr aber nicht und deshalb," er zog sie zu sich heran, bis sich ihre Gesichter fast berührten. "Lohnt es sich nicht weiter einen kostbaren Gedanken an die Vergangenheit zu verschwenden." Er küsste sie und Integra musste sich wiederstrebend eingestehen, dass sie sich diese Art der Ablenkung einfach nicht entziehen konnte. Am nächsten Abend saßen Seras, Alucard und Integra gemeinsam im Wohnzimmer. Integra hatte sich seit einer Stunde in ein ledergebundenes, braunes Buch vertieft und die kleine Vampirdame und ihr Meister spielten Schach. Im Hintergrund erklang der sanfte Ton von Geigenseiten, doch Alucard hörte ihn nicht. Er saß nach vorne gebeugt in dem grünen Lehnstuhl. Die Ellenbogen dabei auf den Knien aufgestützt und das Kinn in den Handflächen vergraben starrte er mit konzentrierter Mine auf das karierte Spielfeld vor sich. Seras hingegen hatte sich auf ihrem Platz zufrieden nach hinten gelehnt und ein kleines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. " Verzeihung Meister, hatte ich schon Schach gesagt?" Die Haut auf seiner Stirn wurde kraus. "Ja, schon zwei mal." "Oh, na dann kann ich wohl matt sagen oder?" Der schwarzlackierte König fiel mit einem hellen Krachen auf die blanke Holzplatte. Seufzend lehnte auch er sich zurück. " Es ist für mich einfach nicht nachvollziehbar, wie du das jedes Mal wieder hinkriegst mich so dermaßen abzuservieren." Seras grinste ihn jetzt unverhalten ins Gesicht. " Eigentlich braucht man dazu nur einen Großvater der einem zeigt worauf es beim Schach ankommt." Er lachte auf. " Und worauf kommt es an?" Das Mädchen sah nun auf die kleinen Figuren, die auf und teilweise neben der Platte standen. " Man muss sich nicht nur in seinen Gegner hineindenken und herausfinden welche Taktik er plant, sondern auch für jede erdenkliche Situation eine passende Antwort parat haben" Der Vampir griff nach den Spielern und fing an sie wieder auf ihre Startposition zu stellen. " Dein Großvater war ein kluger Mann Seras und scheinbar warst du schon als Mensch eine gelehrsame Schülerin." Die blassen Wangen unter der blonden Struppelmähne färbten sich rosa und schnell schob sie ihren ersten Bauern nach vorne. Integras Augen huschten derweil über die leicht vergilbten Seiten in ihrer Hand. Das Papier war mit einem kunstvollgeschwungenen Füllfeder engbeschrieben worden und manchmal war es gar nicht so einfach die Worte zu entziffern, obwohl der Verfasser das bestimmt nicht beabsichtigt hatte. Sie war damals sehr erstaunt gewesen, als Walter ihr in seinen letzten Stunden diese Art von Tagebuch überreicht hatte. " Ich wollte sie damit nie kontrollieren, es war wohl vielmehr eine Art Pflicht gegenüber ihrem Vater um zu beweisen, dass ich meiner Aufgabe mich um sie zu kümmern zu seiner vollsten Zufriedenheit nach gekommen bin." Zu erst hatte sie gezögert es zu lesen, doch dann hatte die Neugierde gesiegt und nun genoss sie die kleine Reise in die Vergangenheit. Walter hatte das Haus in all seinen Einzelheiten beschrieben und alle Ereignisse gewissenhaft zur Papier gebracht. Angefangen bei ihrer Geburt, bis hin zu ihrer ersten Begegnung mit Alucard. Sie sah kurz zu den beiden hinüber, die sich mit angespannten Minen belauerten. Von da an wurde der Ton ihrer Meinung nach ein bisschen schärfer, je mehr Jahre ins Land zogen. Besonders ein Ereignis hatte er hervorgehoben. London, 12.05.1996 Heute haben wir Lady Integras sechszehnten Geburtstag gefeiert, ich befürchtete zunächst, das die Feierlichkeiten auf Grund einer dringlichen Roundtablesitzung ausfallen müssen, doch im letzten Moment wurde der Termin zu meiner Erleichterung verschoben, so das ich in den späten Nachmittagsstunden mit den Vorbereitungen beginnen konnte. Bei meinen kulinarischen Bemühungen stand mir Meister Alucard zeitweise hilfreich zur Seite. Ich muss zugeben, dass ich doch sehr über seine, doch wohl eher menschlichen Fähigkeiten im Bezug auf die richtige Abstimmung von Salz und Pfeffer erstaunt war. Auf mein Nachfragen hin erklärte er mir, in seiner für ihn typischen humorvollen Art, dass er als Kind oft stundenlang in der Küche im Hause seiner Familie gesessen hätte, weil da immer am meisten los gewesen wäre. Außerdem gab es keinen Ort an dem mehr Blut vergossen wurde als dort und das hatte ihn schon als Mensch fasziniert. Darauf hin wurde mir wieder schlagartig bewusst, dass ich keinen harmlosen Diener vor mir hatte, sondern ein durchaus gefährliches Monster. Als die Vorbereitungen abgeschlossen waren rief ich Lady Integra zu Tisch. Als sie wenig später an der gedeckten Tafel Platz nahm, versetzten mir die restlichen leeren Stühle um sie herum doch einen Stich, doch ich bemühte mich wie die Lady selbst, Kortenochsee zu bewaren und ließ mir beim reichen der Speisen meine Gemütsregungen nicht anmerken. Es folgte aber rasch eine Ablenkung, denn als sie ihre Servierte bei Seite legte, entdeckten wir ein kleines silbernes Päckchen. Ihre Frage ob diese Aufmerksamkeit von mir sei, musste ich verneinen. Da auch kein Anhänger den Absender verriet, war ich zunächst misstrauisch, aber Lady Integra tat meine Bedenken mit einem Handwink ab und öffnete unverrichteter Dinge das Geschenk. Ich muss sagen, dass mich der Anblick des Inhalts sehr erstaunte, denn es war ein kleines, aus Metall gefertigtes Kreuz, das auf der Vorderen Seite mit lateinischen Schriftzeichen versehen war. Der Lady schien es ebenfalls zu überraschen. Sie fuhr mit den Fingern über die eingelassenen Buchstaben. "Im Namen Gottes sollen die verlorenen Seelen der lebenden Toten in der ewigen Verdammnis gebannt werden. Amen." Als sie herumdrehte, stockte mir dann sogar für ein paar Sekunden der Atem, konnte man doch dort eingraviert einen Namen erkennen. Abraham van Hellsing 1849, es schien sich bei diesem kunstvollen Objekt tatsächlich um einen Nachlass der Familie zu handeln, hierbei möchte ich mir die Bemerkung erlauben, dass mir von da an klar war, auf wen dieses Präsent zurückzuführen war, doch hat er bis zum heutigen Tag nie ein Wort darüber verloren. Integra sah erneut auf, als sie das Geräusch von rückenden Stühlen wahrnahm. Die beiden hatten anscheinend genug für heute und gesellten sich nun zur ihr. Alucard ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder. " und was lässt der gute, alte Walter so von sich hören? Wie ich ihn kenne hat er peinlichst genau darauf geachtet, nicht all zu ausfallend und persönlich zu werden." Integra klappte das Buch zu. " Ich finde es erstaunlich, was er alles für wichtig und ergreifend gefunden hat. Es stehen auch viele Begegnungen mit dir da drin." Alucard Augen ruhten auf dem braunen Einband. " Ja, ich muss zugeben, dass er mich auf irgendeiner Art und weise auch fasziniert hat. In all meinen Jahren ist mir kein vergleichbarer Mensch begegnet," er sah jetzt zu ihr, " aber das geht mir mit anderen ähnlich." Integra wollte schon etwas erwidern, als Seras Stimme sie unterbrach. " Kann ich vielleicht den Fernseher anstellen?" Die beiden Vampire nickten. Dann ertönte der dunkle Bass eines Nachrichtensprechers. "Wie uns so eben von italienischen Korrespondenten gemeldet wurde, hat es in der vergangenen Nacht einen Einbruch der Markuskirche in der Lagunenstadt in Venedig gegeben, in wie weit sich der Schaden beläuft ist aber zur Stunde noch nicht bekannt." Integra horchte auf. "Venedig, eine wundervolle Stadt, als kleines Kind wollte ich immer mal dorthin und mit einer Gondel durch die Kanäle fahren." Sie lachte, " wenn ich mir vorstelle wie das ausgesehen hätte. Ich und Walter in so einem Karren." Alucard grinste. " Und was hält dich davon ab jetzt dorthin zu fahren?" Sie blickte ihn verdutzt an. "Wie meinst du das?" Auch Seras Aufmerksamkeit war jetzt geweckt und sie ließ den Bildschirm links liegen. Alucard breitete die Arme aus. " Erstens sollte man die Möglichkeiten nutzten die man hat und zweitens finde ich haben wir uns eine kleine Auszeit verdient." Er sprang auf und marschierte Richtung Flurtür. " Und wie sollen wir dahin kommen, bei all dem Wasser?" Er drehte sich noch einmal um bevor er zur Klinge griff. " Lasst das mal meine Sorge sein, das einzige was ihr noch machen müsst ist packen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)