Interitus von Daedun (Schatten der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 19: Time of Sorrow -------------------------- Integra fuhr mit leichter Unruhe über die samtbezogene Armlehne des Sofas auf der sie lag. Scheinbar wurde das Tier in ihr immer stärker, denn sie glaubte den Geruch des köstlichen Saftes nach dem ihr Hunger verlangte schon riechen zu können. Ihre Augen glitten durch den Raum, doch Nirgends war die Spur einer Flasche oder sonst eines Gefäßes zu erkennen, von wo her der Duft hätte herrühren können. Migels Stimme riss sie aus ihren Gedanken. "Nach diesem Erlebnis veränderte sich mein Leben schlagartig. Meine Furcht vor Etien wuchs mit jeder Stunde die ich bei ihnen war und nicht einmal die Musik oder Sybillas Anwesenheit und Liebkosungen konnten mich mehr ablenken. Ständig befürchtete ich das er erneut irgendwo auf mich lauerte. Dabei war ich selbst von der Stärke diese Angst überrascht und manchmal glaubte ich dadurch langsam den Verstand zu verlieren. Ich merkte wie sehr Sybilla mein Verhalten schmerzte, doch ich konnte nichts dagegen tun. Die Furcht hatte mich fest in ihrer dunklen Hand. Irgendwann schien Sybilla sich für diesen Schritt entschieden zu haben, vielleicht konnte sie meinen Schmerz nicht länger ertragen. Es geschah an einem wunderschönen Frühlingsmorgen. Die Sonne war gerade dabei ihr strahlendes Antlitz über den schmalen Horizont zu erheben und ich lag auf meinem Bett und dämmerte vor mich hin. Meine halbgeschlossenen Lider beobachteten das makellose Schauspiel das sich vor mir zwischen den Rahmen der weit geöffneten Fenstern vollzog und das mich schon mein ganzes Leben lang fasziniert hatte. Für mich gab es nichts schöneres und reineres als das erste funkelnde Licht des Tages und wie es alles was es beschien mit einem unverwechselbaren Glanz verzauberte, als wäre es gerade neu geboren. Ich bemerkte somit zu nächst nicht den Schatten an der Wand, der im Schutz der Mauern das offene Fenster meidend zu meinem Bett hinüber geglitten kam. Dann auf einmal schlossen sich die hölzernen Fensterläden mit einem Schlag, als wenn ein heftiger Wind an ihnen gezerrt und sie von außen zu geblasen hätte. Ich fuhr erschrocken hoch, doch dann hörte ich plötzlich Sybillas beruhigende Stimme neben mir. " Hab keine Angst Migel, ich bin es. Es wird dir nichts geschehen." Mein Kopf fuhr herum und da lag sie, wie aus dem Nichts erschienen, eingehüllt in einem dünnen Umhang, dessen weite Kapuze über ihre Schulter hing und damit ein Stück ihrer nackten Schulter frei gab. Zum ersten mal fiel mir auf, wie zart und weiß ihre Haut war und wie zerbrechlich sie wirkte. Ihre langen Haare fielen wie ein gewellter Schleier um ihr kleines Gesicht, dessen Mund zu einem weichen Lächeln verzogen war. Sie legte den Kopf schief. " Die Furcht vor ihm raubt deiner Seele den Frieden , mein Herz und ich kann nicht länger mit ansehen wie du langsam unter ihr zerbrichst." Ihre Hand streichelte mein Gesicht, wie sie es schon so oft getan hatte. Doch dieses mal fühlte es sich anders an. Ich schloss die Augen und mein Körper genoss ihre Berührung, als wenn ihre Haut die Angst einfach wegwischen könnte und das tat sie. Ich wusste nicht,wie es geschah, doch jede Stelle, die sie berührte, schien danach wie aus einer quälenden Lähmung befreit und alle übrigen Fasern meines Körpers sehnten sich nach der Gleichen Befreiung. Ich riss sie an mich und noch bevor sie etwas sagen konnte, presste ich meine Lippen auf ihren halbgeöffneten Mund, der sich darauf hin meinen stürmischen Liebkosungen hingab. Sie schlang ihre Beine um mich und ich hielt ihren Kopf in meinen Händen. Kurz öffnete ich die Augen um ihr verzücktes Gesicht in mich aufzunehmen und ihre violetten Augen blitzten wie schimmerndes Glas zu mir auf. " Du musst mir noch einmal vertrauen Migel, nur ich kann dir die Kraft geben ihn zu besiegen. Dich und mich von ihm zu befreien." Ich wusste nicht, wo von sie sprach, aber das war mir auch egal, ich küsste sie erneut und dann zeriss ich ihren Umhang. Der Anblick der sich vor mir auftat überwältigte mich und raubte mir endgültig den Verstand. Ich wusste nicht was ich tat, Sybilla dafür um so mehr. Sie verführte mich, nahm mir alle Scheu, die mich daran hinderte sich mit ihr zu vereinen. Die Kühle ihres Fleisches überraschte mich zu erst, doch mir blieb keine Zeit mehr.... Als ich sie hoch hob umklammert sie meinen Nacken und dann spürte ich einen schneidenden Schmerz, der mich aufschreien ließ. Etwas warmes glitt meine Schulter hinunter und bahnte sich einen Weg hinunter zu meinen zitternden Händen. Sybilla warf ihren Kopf zurück und ich sah ihre aufgerichteten Fangzähne an denen mein Blut zähe Fäden zog. Ihre Augen waren schmal wie die einer Katze. " Das ist der Anfang Migel, der Anfang eines neuen, unbeschreiblichen Lebens. Du und ich sind Auserwählte, die das Präfileg besitzen der Zeit den Rücken zu zukehren. Alles was du dafür tun musst ist dich dafür zu entscheiden, jetzt und hier." Ich hörte mein Herz, mit schweren Schlag gegen meine Rippen pochen und immer noch rannte der dunkelrote Steifen meinen Arm hinunter. Zitternd griff ich nach ihrem Kinn und mein Daumen wollte das Blut fortwischen, aber ihr Mund schnappte gierig nach ihm und in diesem Moment fällte ich meine Entscheidung. Sie nahm mir das letzte Stück meines menschlichen Lebens und schenkte mir dafür ihres. Als ich ihre Unsterblichkeit kostete, löste sich die Welt auf und entließ mich in die immer währende Dunkelheit. Alucard leises Pfeifen verstummte abrupt als er und Seras über eine kleine Brücke liefen. Seras wandte überrascht den Kopf, als sie sah, wie ihr rotäuiger Meister sich über das Brückengeländer beugte. "Was ist, was habt ihr Meister?" Grinsend drehte er sich zu ihr um. " Wenn man Antworten auf offene Fragen haben will, sollte man sie da suchen wo niemand sie vermutet". Damit krümmte er den Rücken und vor Seras Augen verbog sich sein roter Körper zu einem geschmeidigen, schuppigen Leib der sich mit einem gewaltigen Satz in das kühle Nass des Kanals fallen ließ. "Warum ist sie nicht bei ihnen geblieben?" Langsam wurde der Hunger unerträglich, aber Migels Pinsel tanzte unaufhörlich weiter. Nur seine Stimme hatte auf einmal einen merkwürdigen dumpfen Klang. " Als ich Sybillas Angebot annahm ihr in die Ewigkeit zu folgen, dachte ich das sie es aus Liebe zu mir tat, dass sie mich damit vor Etien retten wollte, aber ich wurde bald eines besseren belehrt. Nachdem ich in der folgenden Nacht zu neuem Leben erwacht war, erzählte mir Sybilla ihre Geschichte. Ihr menschliches Leben war von wenig Licht beschienen. Sie war das Kind einer gefallenen Dienstmagd die ihr Glück im Bett ihres Herrn gesucht hat. Zum Dank jagte er sie mit dem Kind von Hof. Sybilla wuchs darauf hin in einer Welt auf, in der billiger Wein und betrunkene, einsame Männer die Hauptrolle spielten. Mit ihrer Mutter geschah das was mit allen Frauen in dieser Zeit passierte, den es ähnlich ergangen war. Für die Gesellschaft existierten sie nicht mehr und der einzige Platz der ihnen blieb, war der in der Gosse. Sybillas Schicksal schien damit besiegelt zu sein und darum war sie für Etien ein leichtes Opfer, als er sie eines Nachts fand. Sybilla war in jener Stunde dabei ihr unangesehenes Geschäft zu verrichten. Sie müssen sich vorstellen dass man dazu nicht ein mal ein schmutziges Lager hatte, da man als Dirne nicht wollte das die Männer wussten wo man seine schutzlosen Tage verschlief. So erledigte man die unangenehmen Dinge in mehr oder weniger einsamen Gassen und Ecken und hoffte dabei nicht von den Wachen des Ortsvorstehers entdeckt zu werden. Aber in Sybillas Fall war es kein Bewaffneter Soldat der sie überraschte und ihrem potentiellen Kunde die Kehle aufriss. Etien stellte sie wie alle vor die Wahl fortan mit ihm zu gehen und ihrem alten Leben zu entfliehen oder dem toten Kaufmann vor ihren Füssen auf gleichem Wege zu folgen. In Anbetracht dieser zwei Möglichkeiten ist ihre Entscheidung nicht schwer nach zu vollziehen. Was sie allerdings nicht wusste, dass sie dem Teufel höchst persönlich in die Arme gelaufen war. Etien nahm sich genauso brutal was er wollte, wie zu vor ihre Freier, nur mit dem Unterschied, das es aus dieser Hölle nun mehr keinen Ausweg mehr gab. Bis dahin fühlte ich mit ihr, ihren Schmerz und versprach sie aus den Fesseln ihres Peinigers zu befreien, denn es gibt nur zwei Wege sich von der Bindung seines Schöpfers zu befreien, entweder er schenkt einem mit dem zweiten Tropfen aus seinen Adern den offenen Weg oder sein endgültiger Tod zerreißt das Band. Ich sah darin gleichzeitig die Chance mich selbst für all die Demütigungen an diesem Mann zu rächen. So beschloss ich in meinem heißblütigen Leichtsinn, die nächste Nacht abzuwarten um ihn zum Kampf zu stellen. Bis dahin verbarg ich mich in den Schatten der Stadt um meinen toten Körper mit dem zu füttern, wonach er gierig verlangte. Meine Ansprüche waren in dieser ersten Nacht noch nicht sehr hoch und somit war mir jedes Opfer recht, dessen Schicksal meinen Weg kreuzen ließ. Ich hatte mich regelrecht in einen Rauch getrunken, als ich am Ende der Nacht von Raserei getrieben den Weg zu unserem Unterschlupf hinaufeilte um meinem Hass endlich zu entladen. Doch zu einem Kampf wie ich ihn mir vorstellte, sollte es nicht mehr kommen. Als ich wutentbrannt in den Wohnraum stürmte, empfing mich dort eine unheimliche Stille, in der nur das Geräusch des Windes zu hören war, der durch die geöffneten Fenster hineinwehte und das Häuflein Staub umherwirbelte das sich vor meinen Füssen auftürmte. Es klang wie ein leises Wispern, als die ruhelosen Körnchen über das glatte Holz des Bodens tanzten und um meine Beine strichen. Für einen Moment war ich von dem Anblick verwirrt, als mich erneut Etiens durchdringende Stimme zusammenfahren ließ. "Alles um uns herum ist im Anbetracht der Zeit dem Untergang geweiht, zerfällt in unseren Händen zu feinem Staub." Er stand im Schatten der Tür, aus der er jetzt trat. Wieder hatte er dieses dämonische Grinsen im Gesicht, doch dieses mal jagte es mir keine Angst ein. Nur eine merkwürdige Spannung baute sich in mir auf, die meine Glieder leicht zittern ließen. Seine Schritte hallten dunkel von den hohen Wänden des Raumes wieder und der Staub auf dem Boden wich vor seinen Stiefeln zurück, als ob er sein Kommen ahnte. Ich war immer noch wie erstarrt, als er erneut anfing zu sprechen. " Ist es nicht ein herrliches Gefühl zu den Auserwählten zu gehören Migel? Ein Kind Kains zu sein, dessen Privilegien sein eigen nennen zu dürfen ohne dafür einen sonderlich hohen Preis gezahlt zu haben?" Wir standen uns jetzt Auge in Auge gegenüber. Seine massige Gestalt warf einen dunklen Schatten auf mich. " Jetzt ist die Frage, ob es sich mit deiner Dankbarkeit genauso verhält wie mit ihrer." Er streckte den Arm aus und beschrieb in einer lässigen Geste einen weiten Halbbogen in Richtung Boden. " Ich habe ihr ein neues Leben geschenkt und zum Dank dafür versuchte sie mich zu betrügen." Er schüttelte unter leisem Lachen den Kopf. In meinen Ohren klang es wie drohender Donner. " Wie konnte sie nur glauben, das ich mir von ihr auf der Nase rumtanzen lasse." "Wo ist sie!" schrie ich ihn an. Er hob mit gespielter Überraschung den Blick " Ich habe ihr die Freiheit geschenkt, nach der sie immer verlangt hat. Jetzt kann sie gehen wohin sie will, oder besser wohin der Wind sie trägt." Plötzlich frischte es von draußen auf und mit einem leisen Surren rauschten die Körner empor und bildeten für ein paar Sekunden eine dichte Wand zwischen uns hinter der Etien wieder anfing dröhnend zu lachen. Ich hob die Hand um meine Augen zu schützen, als ich seine Faust im Gesicht spürte. Polternd fiel ich zu Boden, doch bevor ich mich erholen konnte packte er mich erneut und schleuderte mich quer durch das Zimmer. Krachend flog ich in eine Gruppe von Stühlen, die unter meiner Wucht kreischend zerbrachen. "Auch wenn ich deinen Tod anders vor Augen hatte, wird es mir dennoch ein Vergnügen sein, dich endlich auszulöschen!" Zu meiner Überraschung fühlte ich keinen Schmerz, aber ich hatte kaum Zeit mich aufzuraffen, denn wie ein Blitz war Etien zu mir hinüber geglitten um mich erneut zu bearbeiten. Ich wusste nicht wie ich mich gegen dieses Tier wehren sollte, das mich zu zerreißen drohte, in meiner Not griff ich nach dem erst besten Gegenstand den ich erreichen konnte um mich damit zu verteidigen. Ich hatte eines der zerbrochenen Stuhlbeine erwischt, bevor ich richtig darüber nachdenken konnte riss ich es nach vorn und Etiens gewaltiger Brustkorb, der sich über mir auftat nahm ihn knirschend in sich auf. Zu erst dachte ich, dass auch er keinen Schaden davon tragen würde, doch sein Gesichtsausdruck veränderte sich beim Anblick des Holzpfahles, der nun aus seinem Gewand stach. Das breite Grinsen verschwand und blankes Entsetzten trat in seinen weit geöffneten Augen. "Nein!" keuchte er noch, dann geschah etwas unheimliches. Vor meinen Augen färbte sich sein Körper asch-grau und zerfiel, wie eine einstürzende Sandfigur, in tausend winzige Körnchen. Seras blickte ungläubig in das schwarze Wasser, das nach dem es über Alucard zusammen geschlagen war, wieder ruhig dalag. "Meister?" rief sie in Gedanken. " Nur Mut Seras, es wird endlich Zeit, das du deine Fähigkeiten nutzt, die ich dir geschenkt habe." Sie riss überrascht den Kopf hoch. Was meinte er damit? Was für Fähigkeiten? Dann spürte sie wie auf einmal ihre Beine nach gaben und bevor sie reagieren konnte verlor sie das Gleichgewicht und stürzte nach vorn. Integra senkte betroffenen die Augen, nach dem Migel geendet hatte, war eine Pause eingetreten, in der nur das leise Zischen der Kerzen um sie herum zu hören war. Sie räusperte sich. " Das muss furchtbar gewesen sein, als sie plötzlich wussten, was mit ihr passiert war." Migel nickte zögernd, das Grün seiner Augen schien von ihnen heraus zu erstrahlen. " Ich muss gestehen, dass ich nicht weiß was weiter mit mir passiert wäre, wenn Nicolas mich nicht wenig später gefunden hätte. Ich hatte mich auf dem Boden zusammen gekauert und versuchte die Asche mit meinen bloßen Händen aufzuheben, doch der Staub rannte mir immer und immer aus den Fingern. Nicolas zerrte mich grob nach oben. " Es ist vorbei Migel, du kannst nichts mehr für sie tun. Hör auf damit!" Ich stieß in von mir weg. Der Schmerz in meiner Brust nahm mir die Kraft zu antworten, doch Nicolas redete schon weiter. " Du hättest sie nicht retten können, du solltest von hier verschwinden bevor Etien dich findet!" Ich lachte bitter auf. " Vor ihm braucht ihr euch nicht mehr zu fürchten oder ängstigt euch der Anblick von wertlosen Staub?" Er sah mich ungläubig an und richtete dann den Blick auf den Boden um sich herum. "Wie hast du das gemacht? Ich meine, wie konntest du?" Wortlos bückte ich mich nach dem Stuhlbein, dass dort niedergefallen war, wo Etien als letztes gestanden hatte und reichte es ihm. Plötzlich stahl sich ein Lächeln auf Nicolas Gesicht, als er mit den Fingern über das glatt gehobelte Holz strich. "Hat er doch tatsächlich nach so langer Zeit seinen Meister gefunden und ich könnte wetten, das er niemals geglaubt hätte, das du derjenige sein solltest." Er legte erneut seine Hand auf meine Schulter. " Du magst erst eine Nacht lang dein neues Dasein fristen, doch hast du schon die bittersten Regeln unsere Gemeinschaft kennen lernen dürfen. Glaub mir auf den Flügeln der Zeit verfliegt alle Traurigkeit und Zeit hast du ab heute mehr als genug." Damit verließen wir die Stube und damit die letzten Reste von Sybilla und Etien die auf den Schwingen des Windes nach und nach hinaus in den neuen Tag geweht wurden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)