Interitus von Daedun (Schatten der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 23: Border crossing --------------------------- Was der Gottlose fürchtet, das wird ihm begegnen und was die gerechten begehren wird ihnen gegeben König Salomo Das leise Grollen eines herannahenden Gewitters bahnte sich seinen Weg durch die stillen Gänge. Noch immer sahen die Versteinerten mit leerem Blick auf die Welt unter sich, deren Gesicht sich immer mehr verwandelte. Ihre gefalteten Hände schienen zwischen den grauen Fingern die Zeit festhalten zu wollen, die mit jedem neuen Augenblick dabei war sich zu verändern . Dann setzte der Regen ein. Wie kleine, silberne Perlen flogen die Tropfen zur Erde, an deren rauer Oberfläche sie funkelnd auseinander brachen. Auf den Gesichtern der Engel jedoch zerbrachen sie nicht. Wie glitzernde Fäden flossen sie die blanken Wangen hinab um dann lautlos in den steinernen Gewändern zu verschwinden. Alucard wischte mit einer bewundernden Geste über die samtbezogene Armlehne seines durchaus komfortablen Sitzes. " Eines muss man diesen katholischen Kuttenträgern ja lassen, Geschmack haben sie." Integra, die still vor sich hin grübelte antwortete ihm nicht. Seras hingegen besah sich nach der Äußerung ihres Meisters ebenfalls ihre Sitzmöglichkeit genauer. Paladin Anderson hatte es tatsächlich fertig gebracht, ihnen innerhalb von zwei Stunden einen Transport zu verschaffen und zwar nicht irgendeinen. Sie saßen seit einer Stunde in einem der privat Waggons des heiligen Vaters. Als der Priester sie vom Hotel aus zurück zum Vatikan gelotst hatte, glaubten sie und die anderen erst noch an einen Scherz, doch als die Wachen sie ohne jedes Kommentar passieren ließen und sie auch ohne weitere Probleme an die vatikanischen Bahnstation gelangt waren, war die Überraschung perfekt. " Mit dem Zug?" Migel war erst nicht so recht begeistert. " Eine andere Möglichkeit haben wir so schnell nicht, jedenfalls nicht wenn ihr auf ausreichenden Sonnenschutz besteht. An jedem Flughafen von Rom streikt das Sicherheitspersonal, da geht kein Flug in den nächsten zwei Tagen. " Hatte Anderson mit bittersüßem Lächeln erwidert. Also hatten sie in einem der luxuriösen Abteilungen Platz genommen, während ihr "Gepäck" sicher im Waggong hinter ihnen verstaut wurde. Danach setzte sich die schwere Lock in Bewegung und verließ unter einem lauten Pfeifen die Stadtgrenze von Rom. " Scheinbar hat es der Papst gerne bequem." Sagte Seras jetzt, als die Verbindungstür zum nächsten Abteil geräuschvoll aufglitt und Anderson hereinkam. Sein kantiges Gesicht zierte ein zufriedener Ausdruck. " Sehr gut, wenn alles so läuft wie jetzt erreichen wir Milano in knapp 6 Stunden, von dort aus können wir dann fliegen." Er setzte sich Alucard gegenüber, der mit amüsierter Mine den Rest des Waggons beäugte. " Ich hoffe bis dahin könnt ihr mit diesem Reisemittel leben." "Oh durch aus, auch wenn die Reisebegleitung zu wüschen übrig lässt und erst der Service." Er grinste breit und ermöglichte Anderson so einen ausgezeichneten Blick auf seine Fangzähne. Der Jäger Iscariots beugte sich schon mit tiefgerunzelter Stirn über den schmalen Tisch, der sie beide von einander trennte, als Migel sich hastig einmischte. " Vielleicht sollten wie anfangen uns in Anbetracht der Situation in der wir uns alle befinden ein bisschen friedlicher mit einander umzugehen." Er griff in die Innentasche seiner Jacke. " Ich schlage vor wir vertreiben uns ein wenig die Zeit bei einer gepflegten Runde Poker." Er legte einen Stapel Karten auf den Tisch. "Wie sieht es aus Lady Integra sind sie dabei?" Integra, die die ganze Zeit über aus dem Fenster gestarrt hatte wandte sich nun zu ihnen um. " Warum nicht." Sagte sie und rutschte dichter zu Seras heran, damit sie alle Platz am Tisch hatten. Alucard schürzte die Lippen " Und was ist der Einsatz?" Der Priester hob mit einem selbstgefälligen Ausdruck eine Augenbraue. " Was denn kein Geld in der Tasche, oh endschuldige ich vergaß, ihr bezahlt ja in der Regel nicht fürs Essen." Seras griff nun ebenfalls hastig in ihre Jackentasche. " Hier wie wäre es damit." Sie öffnete ihre zur Faust geballte Hand und zum Vorschein kamen ein Haufen kleiner weißer Kiesel. "Die habe ich bei dem abgebrannten Haus von.." Sie klappte erschrocken den Mund zu. Doch Anderson hatte ihr schon gar nicht mehr zu gehört. Mit funkelnden Pupillen sah er Integra an. " Ein Glücksspiel passt nicht so ganz zu einer Lady oder?" fragte er spitz und Integra griff nach dem Stapel um zu mischen. " Vieles scheint im ersten Moment nicht zu mir zu passen und doch ist es auf dem zweiten Blick treffend." Damit begann sie mit dem Austeilen und die erste Runde nahm ihren Lauf. Nach zwei Stunden lehnte sich Migel mit einem ergebenen Seufzer nach hinten. " Ich habe keine Ahnung Lady Integra, wer ihnen dieses Spiel beigebracht hat, aber ich verneige mich tief vor ihm." Integra stützte lächelnd die Ellenbogen auf. " Der Engel des Todes hatte viele verborgende Talente." Sagte Alucard plötzlich und Integra hob überrascht die Augenbrauen, doch Alucard ging nach diesem Satz nicht weiter darauf ein, sondern zog es vor sich wieder dem Priester, der vor ihm saß zu widmen. " Wo wir jetzt gezwungen sind unsere Zeit mit einander "friedlich" zu verbringen, würde mich interessieren, woher du eigentlich dein Talent hast." Anderson neigte den Kopf. " Ich bezeichne es nicht als Talent, sondern als Gabe, mit der mich der Herr selbst gesegnet hat um in seinem Namen die Erde von den Teufeln und Dämonen zu reinigen, die sein Werk beschmutzen und zerstören wollen." Seine grünen Augen bekamen einen merkwürdigen Glanz. " Und wie du selbst schon feststellen durftest, bin ich in meiner Arbeit sehr erfolgreich, wenn auch manche Dinge ein bisschen mehr Zeit in Anspruch nehmen," Für den Bruchteil einer Sekunde huschte sein Blick zu Integra hinüber, die begonnen hatte weiter in Walters Buch zu lesen. " Denk nicht mal darüber nach." Zischte Alucard leise und seine roten Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er hatte nicht einmal die Lippen bewegt und doch hatte ihn Anderson verstanden. Der Priester wirkte jetzt leicht amüsiert. " Ja, ja das Raubtier frisst seinen eigenen Herrn und macht ihn so zu seinem ewigen Begleiter. Ein tragisches Schicksal, wenn man bedenkt das der eigene Vater für diese Miesere verantwortlich ist." Sprach er in Gedanken so das keiner der anderen Vampire ihrem Gespräch folgen konnte. Nur Alucard verstand was er sagte. " Dabei hatte er es schon geahnt, doch er hätte auf nummersicher gehen und dich für immer schlafen legen sollen." "Was weißt du schon Kuttenhannes." Erwiderte Alucard eine schwarze Strähne fiel ihm wie ein dunkler Schatten ins Gesicht. " Ich weiß das ein Mann sich mit dem Teufel eingelassen hat und letzten Endes sein eigen Fleisch und Blut damit verdammt hat." Jetzt hallte ein leises Lachen in seinem Kopf. " Du nennst es Verdammnis, andere nennen es Befreiung." Plötzlich krachte es draußen und alle Köpfe wirbelten zum Fenster herum. "Was war das?" fragte Migel und versuchte dabei angestrengt in der Dunkelheit etwas auszumachen. "Wir sind in einen Tunnel gefahren." Antwortete Anderson laut. " Davon werden noch einige auf diesem Streckenabschnitt kommen." Da erfolgte ein weiteres Poltern und wenige Minuten später quietschten die Bremsen. " Was ist denn jetzt los. Wir können doch unmöglich schon da sein." Zögern erhob sich Migel und griff nach den Metallgriffen um das Fenster zu öffnen, er streckte den Kopf raus, um ihn danach rasch wieder zurück zu ziehen. Von draußen erklang lautes Stimmengewirr. Migel hatte sich wieder auf seinen Sitz fallen lassen. Mit fassungslosem Gesicht starrte er Integra an. "Das gibt es doch gar nicht." Als die fünf Reisenden wenige Augenblicke später aus dem Zug stiegen, konnten sie immer noch nicht begreifen was um sie herum geschah. Der Zug mit dem sie vor drei Stunden Rom verlassen hatten, stand jetzt als alte Dampflokomotive in einem ebenso altmodischen Bahnhof. Unter ihren Füssen knirschten grobgehauene Pflastersteine auf denen Menschen emsig hin und her huschten. Die Männer trugen zum größten Teil Umhänge und Zylinder, die Frauen waren ausnahmslos alle in lange, viktorianische Kleider gehüllt. Von der hölzernen Überdachung baumelten in messinggefasste Laternen herab, deren brennender Innhalt die ganze Szenerie gespenstisch beleuchtete. " Wo sind wir?" fragte Seras leise, während sie einen kleinen Jungen in abgerissenen Latzhosen dabei zu sah, wie er einen quietschenden Holzkarren mit riesigen Lederkoffern belud. Wie aufs Stichwort ertönte ein schriller Pfiff und dann schrie eine rauchige Stimme " London Hauptbahnhof nach Liverpool Abfahrt in wenigen Minuten! Zurücktreten bitte!" Dann ertönte noch einmal der Pfiff. Die Lok ließ eine weißte Dampfwolke in den Himmel zischen. Immer noch standen die vier Vampire und der Priester wie angewurzelt auf dem Bahnsteig. "Kann mir einer bitte erklären was hier gerade passiert?" hauchte Integra. "Sieht ganz danach aus, als wenn wir gerade selbst dabei sind die Grenzen von Raum und Zeit zu überschreiten." Sagte Alucard. Er sah über die Schulter zu einer Reihe von Kutschen hinüber, die am Rande des Bahnhofes standen. " Ich erkundige mich mal nach einer passenden Übernachtungsmöglichkeit." Damit ging er zu einem der Gespanne hinüber. Wenig später schnalzte die Peitsche und die Pferde trabten auf der holperigen Straße davon. "Hat jemand von euch spezielle Wünsche wo er gerne hin möchte?" Alucard schien das Ganze als großen Spaß anzusehen. Den anderen, war gar nicht zum Lachen zu Mute. Seras schüttelte fassungslos den Kopf " Wie kann den so was möglich sein. Ich meine wir waren doch noch eben im 21 Jahrhundert und jetzt zack, sitzen wir hier im 18 Jahrhundert und.." "Im 19." Verbesserte sie Migel. " und das scheint mir auch schon fast zu Ende zu sein." Er sah aus einem der kleinen Seitenfenster. " Merkwürdiges Gefühl, wenn man das alles noch mal sieht." "Bestimmt nicht viel merkwürdiger, als wenn man das hier alles zum ersten mal anschaut." Anderson, der die seit ihrer Ankunft nichts mehr gesagt hatte, sah mit beunruhigter Miene zu Integra hinüber. "Ich frage mich was das soll, das ist doch garantiert kein Zufall, das es uns ausgerechnet hier in verschlagen hat." Die Kutsche bremste plötzlich und alle mussten aufpassen, dass sie nicht von ihren Sitzen purzelten. Alucards Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. "Scheinbar hat er das passende gefunden." Damit riss er die Tür auf und stieg aus. Die Kutsche hatte vor dem Zaun einer Villa angehalten, die im Schatten der Dunkelheit kaum zu erkennen war. " Was ist das denn für ein Schuppen?" fragte der Priester misstrauisch, doch Alucard antwortet ihm nicht, sondern öffnete mit einem kurzen Ruck, das Schloss des Eingangstores. Als sie die Auffahrt hoch liefen, lachte er leise. " Home sweet home." Ein leiser Wind rauschte durch die umherstehenden Bäume und übertönte das Knirschen der Tür die ächzend aus ihren Angeln gehoben wurde. Der Flur in den sie kurz danach traten war vollkommen zerstört. Von den samtigen Tapeten die einst die Wände bedeckt haben mussten, waren nur noch einzelne Fetzen übrig, die das nackte, verwitterte Mauerwerk bloß stellten. Die Fließen auf dem Boden waren zersprungen oder fehlten ganz, so das der blanke Erdboden zu ihnen hinauf schimmerte. Der Rest des Hauses war nicht weniger verkommen. "Wirklich ein sehr gemütliches Plätzchen das du für uns ausgesucht hast." Spottete Migel und blies mit einer übertriebenen Geste ein Haufen Staub von einem Kaminsims nach dem sie ihren Rundgang durch das Gemäuer beendet hatten. Überall waren die Spuren der Zeit mit hässlicher Sorgfalt eingegraben. Kein Teppich, keine Möbel, einzig allein ein paar alte Kisten standen in den Zimmern herum. " Wenn ihr mich fragt ist das hier kein besonders netter Ort der zum Verweilen einläd." "Man muss nehmen was einem angeboten wird." Alucard deutete zu den zerbrochenen Fenstern. "Dafür ist die Aussicht perfekt." Wie zu um seine Worte zu bestätigen frischte noch einmal der Wind auf, doch dieses mal war es kein Blätterrauschen, was an ihre Ohren Drang. Es waren laute Schreie, dich durch den Wind zwar gemildert, aber trotzdem immer noch klar zu verstehen waren. " Meister, Meister ich warte auf euch, ich warte auf euch!" Integra hob fragend den Kopf und ging näher an eines der Fenster heran. "Wo kommt das her?" " Keine Ahnung. Vielleicht übt da ein armer Schauspieler in der Abgeschiedenheit dieses verwilderten Gartens seine Rolle" Migel sah ebenfalls aus dem Fenster. " Vielleicht aber auch nur eine arme verirrte Seele die auf Erlösung wartet." Der schwarzhaarige Vampir drehte sich zu Anderson um. " Was ist Pater, wollen sie ihm nicht helfen seine Sünden zu bereuen." Er grinste schelmisch. " Wenn du ihm nicht helfen kannst, vielleicht kann ich es." Anderson Mine zeigte keine Regung. " Ihr könnt meinet wegen hier euern Tag verbringen. Ich für meinen Teil suche mir etwas passenderes. Meine Kleidung war Gott sei Dank nie von einer Mode abhängig." Damit drehte er sich um und verschwand. "Wo will der denn jetzt bitte schön hin." Seras war von Andersons plötzlichen Abgang leicht überrascht. "Er wird schon wissen was er tut und um ehrlich zu sein, finde ich es auch nicht besonders tragisch das er erst mal weg ist." Migel lockerte das Tuch an seinem Hals. " Wir müssen uns Morgen wirklich als erstes um die Klamotten kümmern, sonst laufen wir hier rum wie exotische Papageien." Sein Blick fiel wieder auf die Kisten. " Ich nehme an das, das da unsere Betten sind? Himmel wie lang ist es her, das ich gezwungen war in so was den Tag zu verbringen." Integra zuckte nur mit den Achseln. " Ich für meinen Teil gewöhne mich langsam daran." Noch einmal sah sie aus dem Fenster, doch die Schreie waren verstummt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)