Bin ich eine Elbe oder was?! von Channah ================================================================================ Kapitel 18: Neue Fähigkeit ahoi? -------------------------------- Disclaimer: Tolkien gehört alles und mir nichts, ich verdiene kein Geld mit der Story und die Handlungen sind frei erfunden Anmerkung der Autorin: Erst einmal danke für die vielen Reviews! Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich darüber gefreut habe! -strahl- Zweitens: Ich habe nichts gegen Dudelsäcke oder Männer in Röcken! Ich finde das eigentlich sogar ganz lustig. LOL 18. Kapitel Neue Fähigkeit ahoi? Am nächsten Tag beim Frühstück war ich nicht die einzige mit mieser Stimmung. „Legolas, was ist denn los? Ich dachte, es geht dir besser. Hast du noch Schmerzen?“ „Nein, Vater“, sagte Legolas ohne irgendeine Emotion in der Stimme. Er heuchelte nicht mal Höflichkeit... und das wollte wirklich etwas heißen. Ich meine, wo er doch ein so pflichtbewusster Prinz war... Legolas verhielt sich den ganzen Morgen schon ziemlich, na, unlegolashaft. Er rührte sein Frühstück nicht an – obwohl er extra darauf bestanden hatte, mit uns allen gemeinsam in der Halle zu frühstücken –; er war still und zurückhaltend und einsilbig und einfach zu robotermäßig – wie jemand, der einfach nur funktionierte, aber nicht wirklich da war... oder so ähnlich – und irgendwie hatte ich das dumme Gefühl, dass ich schuld an seiner Laune war – falls das betonte Ignorieren meiner Wenigkeit irgendein Hinweis war. Legolas hatte mich noch nie ignoriert. ICH war immer diejenige gewesen, die IHM nach Lust und Laune keine Beachtung geschenkt hatte. Aber nie umgekehrt. Mmh, seltsam. Ich dachte, seine ach so wichtigen Prinzipien als Prinz von Düsterwald und das dazugehörige Auftreten wären ihm so wichtig... Zudem fiel mir absolut kein Grund ein, warum er so wütend auf mich sein könnte, dass er mich nicht einmal mehr ansehen konnte. Denn der letzte Zwischenstand sah eigentlich so aus, dass ich sauer auf ihn war wegen der zweideutigen Situation mit Lady B. Ach nee, ich hatte mich ja dazu entschieden, dass es mir egal war, was zwischen ihnen lief... Mmh. Trotzdem. Er war mir ein Rätsel. Und ich hasste Rätsel. Meine eigenen Gedankengänge waren schon verwirrend genug, wie sollte ich mir da noch die Arbeit machen, jemand anderen zu verstehen?! Abgesehen von Legolas und mir, so schien auch Lady B’s Wohlbefinden eher bescheiden zu sein. Anscheinend war es nicht sonderlich förderlich für ihr Ego, dass selbst sie Legolas’ Laune nicht heben konnte. Waren wir nicht ein lustiger Verein voller Heiterkeit? Und das so früh am Morgen... Da machte das Aufstehen ja gleich noch viel mehr Spaß. „Wo ist Ben, Cala?“ fragte Glowy etwas schnippisch und wechselte damit das erste Mal das Wort mit mir seit, äh, Tagen. Wahrscheinlich bloß, um die Aufmerksamkeit von Legolas abzulenken. Toll, und da war ich die nächstbeste Zielscheibe, die ihr einfiel? Wie nett, ich fühl mich ja so geliebt... Mmh. Kein Wunder fühlte ich mich so mies, wenn ich schon seit Tagen Streit mit meiner Cousine und meiner besten Freundin hatte; und dazu noch Ben mit seiner Liebeserkl- ist ja auch egal. Lustlos drehte ich das Stück Brot in meinen Händen. „Ben ist weg.“ „Weg?“ Glowy sah mich verständnislos an. „Wie weg?“ Ich zuckte die Achseln. „Er hat Lórien letzte Nacht verlassen.“ „Was?!“ Die meisten Gespräche verstummten spätestens bei diesem schrillen Ausruf von meiner immer-mal-wieder-besten-Freundin. Entnervt hob ich den Kopf und sah zu Glowy hinüber. „Geht’s auch ein bisschen leiser? Ich würde meine Ohren gerne noch eine Weile behalten, danke. Immerhin werde ich als Elbe wohl ein paar Jährchen länger leben und brauche meine ungespitzten Lauscherchen noch.“ Glowy ignorierte meinen Sarkasmus. „A-aber wieso? Wann? Wo ist er hin?“ stotterte sie. Ich rollte mit den Augen. „Warum regst du dich denn so auf? Solltest du nicht im Dreieck springen vor Freude?“ Arwen räusperte sich. „Das kommt nur sehr plötzlich“, erklärte sie mit einem kurzen Seitenblick zu Glowy. „Bevor wir überhaupt die Gelegenheit dazu hatten, ihn richtig kennen zu lernen, ist er schon wieder fort. Und er hat sich noch nicht einmal von uns allen verabschiedet, sondern nur... von dir.“ „Ihr wolltet ihn doch gar nicht richtig kennen lernen!“ fauchte ich. „Ihr habt ihn doch von Anfang an verurteilt.“ „Nun, er schien aber auch kein großes Interesse daran gehabt zu haben, uns näher kennen zu lernen. Er schien mehr auf Euch fixiert zu sein“, mischte sich König Thranduil ein und legte mit besorgter Miene eine Hand auf die Schulter von Legolas, welcher mich böse anstierte. Oh, die erste Regung auf seinem Gesicht und sie war auch noch meiner Wenigkeit gewidmet! Ich fühlte mich ja so geehrt... Hallo? Trug ich vielleicht ein rotes Tuch, auf das er gleich wild einhieben wollte oder was hatte ihn gebissen?! Wurde heute Morgen irgendeine Nachricht herumgegeben, dass es mal wieder Zeit für den „alle-auf-Cala“-Tag war? „Ben und ich gehen zusammen zur Schule“, sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Wir sind Klassenkameraden und kennen uns schon seit Jahren. Natürlich hat er sich da eher an mich gehalten.“ Der andere, wahrscheinlichere Grund, die „unaussprechliche Tat“ aka Liebeserkl... wollen wir da mal lieber nicht erwähnen. Ging ja schließlich niemanden was an. „Ich bin auch seine Klassenkameradin“, erwiderte Glowy. „Aber mich hat er kaum beachtet.“ „Kein Wunder, bei deinem Benehmen“, zischte ich. „Was soll das heißen?“ empörte sie sich. „Du hast ihn ja auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen!“ Glowy lächelte sardonisch. „Stimmt, denn das hast du ja wunderbar für uns beide getan.“ Mir wurde heiß im Gesicht. Mist, ich lief ja jetzt wohl nicht rot an, oder?! Argh! „Seltsam ist es trotzdem“, sagte Elrond nachdenklich und überging unseren Streit einfach. Wahrscheinlich genug Übung durch die Zwillinge damit gehabt... Mein Onkel grinste mich listig an. Wieso musste sich noch mal jeder in unser verdammtes Gespräch einmischen? „Ist da vielleicht doch etwas zwischen euch gewesen, worüber wir Bescheid wissen sollten?“ Grr, schon mal was von Privatsphäre gehört? Abrupt stand Legolas auf und seine emotionslosen Augen waren starr auf mich gerichtet. „Wenn ihr mich bitte entschuldigen würdet“, sagte er höflich an alle Anwesenden gerichtet. „Ich würde mich jetzt gerne zurückziehen.“ Sein Blick hielt unerbittlich den meinen fest. Mein Herz begann wild zu klopfen und unbewusst blieb mir die Luft für einen Herzschlag im Halse stecken. Er hatte uns gesehen. Er hatte gar nicht geschlafen... Er hatte Ben und mich die Nacht zuvor gesehen. War er deswegen so wütend? Aber... wieso? Verwirrt beobachtete ich wie er die Halle verließ. Falls er beabsichtigt hatte, mir in dem stummen Augenduell kurz vorher irgendeine Nachricht zu vermitteln – so war er definitiv jämmerlich gescheitert. Ich war noch genauso ratlos wie zuvor. „Bitte entschuldigt sein Benehmen“, sagte König Thranduil stirnrunzelnd. „Ich weiß nicht, was geschehen ist, doch was immer es war, es hat ihn sehr aufgewühlt. Für gewöhnlich lässt er sich nicht so gehen.“ Trotz seiner Worte warf er mir einen Blick aus schmalen Augen zu. Na toll. „Wahrscheinlich trifft es ihn hart, dass er seine Brüder im Krieg gegen Lephisto nicht weiter unterstützen kann“, sagte Oma nachsichtig, doch ihr Lächeln war weder strahlend noch aufrichtig, und der kummervolle Blick, den sie Opa zuwarf, entging mir auch nicht. „Es muss geschehen. Du kannst die Zukunft nicht aufhalten. Du selbst hast es im Spiegel gesehen. Am Ende wird es so besser sein“, hörte ich Opa meiner Oma zumurmeln. Huh? Wovon sprach Opa denn da? Ich blickte mich um, ob jemand anderes ebenfalls seine Haldir-like kryptischen Worte gehört hatte, aber ich schien die einzige zu sein. Ach, so viel Verwirrung am Morgen bekam meinem Magen ganz und gar nicht... und Glowys verkniffener Blick in meine Richtung half auch nicht gerade. Mir schwante Böses... so was wie... „Jetzt erzähl doch mal, wie genau Ben sich verabschiedet hat.“... ein Kreuzverhör. Hmpf. „Ben hat mich nach dem Training aufgesucht, um sich von mir zu verabschieden“, sagte ich, ein paar Details weglassend, aber trotz allem wahrheitsgetreu. „Aber warum?“ wiederholte Glowy verständnislos. „Warum diese Nacht und Nebel Aktion? Warum hat er sich nur von dir verabschiedet und wieso wollte er überhaupt gehen?“ Ich zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Das habe ich ihn auch gefragt, aber er hat keine meiner Fragen beantwortet.“ Gedankenverloren spielte ich mit dem Ring an meinem Finger. Am liebsten hätte ich geschrieen vor Frustration. Es gab so viele Ungereimtheiten; wichtige Dinge und Andeutungen, die ich einfach nicht verstand. Und Ben schien mehr über die momentanen Geschehnisse in Mittelerde zu wissen, als er zugegeben hatte. Genau wie meine Großeltern. Irgendwie fühlte ich mich wie in einer billigen Imitation von „Columbo“... Irgendetwas war im Busch, alle Indizien deuteten darauf hin; allerdings besaß ich weder Columbos Scharfsinn noch seine verquerte Herangehensweise bei Fällen. Rätsel waren nichts für mich. Mir schrie man den Kern einer Sache am besten einfach ins Gesicht, ansonsten war Hopfen und Malz verloren, dass ich je selbst darauf kommen würde. Ließ man mir jedoch zu viel Freiraum für Spekulationen, dann konnte meine Fantasie schon mal verrückt spielen, und dann war wirklich alles zu spät... „Hat er vielleicht irgendetwas Seltsames gesagt?“ fragte Glowy nachdenklich. Abgesehen von der „unaussprechlichen Tat“ aka Liebeserkl-, ja, eine ganze Menge sogar. Mein Blick fiel wieder auf den Ring. „Nein“, log ich. „Er hat nichts Seltsames gesagt.“ Arwen wirkte enttäuscht. Anscheinend hatte sie sich eine große Zukunft versprochen, wenn sie von den Rechtsanwälten zu den Detektiven übersiedelte. Oma war die einzige, die blass aussah. Sie und Opa hatten schon während des gesamten gesprächs über Ben irgendwie seltsam gewirkt... „Cala, dein Training geht heute Nachmittag weiter.“ Na, halleluja. ~~~~ Ich war eine Frau auf einer Mission. Einer dringlichen, unausweichlichen und vor allem entschlossenen Mission. Und es wäre besser, wenn sich niemand mir in den Weg stellen würde! Besonders er selbst, Mister Ich-schmoll-mal-ein-bisschen-rum-da-ich-leider-gerade-Invalide-bin-und-sonst-nichts-Sinnvolles-zu-tun-habe, nicht. Was hatte er seinem Vater bloß erzählt? Was immer Klein-Leggileinchen auch gepetzt haben mochte, der neugewonnene und noch recht wacklige Waffenstillstand zwischen König Thranduil und mir erlitt bereits seine erste Krise. Juchuu. So ein verdammter Idiot. Mussten Prinzen eigentlich überall solch verklemmte, egoistische Halbstarke mit Hippie-Frisuren und irgendwelchen Komplexen sein? Ich meine, konnten die nicht einfach mal normal sein? War es denn zu viel verlangt, dass Prinzen rücksichtsvoll, lieb und verständnisvoll sein sollen? Immerhin können Prinzessinnen wie ich, die nun schon wahrlich genug Probleme am Hals haben ohne launische Prinzen, sich nicht andauernd um die Wehwehchen der armen Prinzlein kümmern. Grr. Okay, vielleicht übertrieb ich ein klein wenig, aber in letzter Zeit kreisten meine Gedanken mehr um Legolas als um alles andere! Und das nervte! Und verwirrte mich ein klitzekleines bisschen... ich meine, seit wann war mir Legolas denn so wichtig?! Nicht, dass er mir wichtig geworden war... Ich musste nur einfach viel an ihn denken... An das, was er gerade machte... wie es ihm ging... Ahem. Jedenfalls konnte sich Prinz Legolinchen auf ein verbales Sparring gefasst machen. Als ich vor Legolas’ Tür stand, wartete ich nicht einmal, um zu klopfen, sondern stürmte direkt hinein. Legolas zuckte nicht zusammen, als ich die Tür hinter mir schloss. Seelenruhig ließ er die Karte, die er in den Händen gehalten hatte, auf den kleinen Tisch unter dem Fenster gleiten und drehte sich zu mir herum. Ich konnte an seinem Gesicht nicht ablesen, was er dachte. Was mir in diesem Moment auch ziemlich egal war. „Wir müssen reden“, befahl ich barsch und nahm ein paar tiefe, beruhigende Atemzüge. „Wie Ihr wünscht“, willigte Legolas nickend ein. „Was zum Henker ist eigentlich los mit dir!“ brüllte ich eine Sekunde später los. „Ich mein’, erst entwickelt dein Vater eine gespaltene Persönlichkeit und entschuldigt sich bei mir aus heiterem Himmel für sein Benehmen, und einen Tag später scheinst du in deinen Vater vor seiner Entschuldigung zu mutieren! Hat euch vielleicht der Blitz getroffen? Habt ihr chinesische Glückskekse oder essbares Lembas gegessen oder sonst wie die Körper getauscht? Denn wenn nicht, dann schwöre ich dir, setzt es gleich ein großes Donnerwetter!“ Während ich schnaufte wie ein Rhinozeros ohne Kondition, blieb er komplett ruhig. Grr. Da war er wieder, der arrogante Mistkerl. Ich hatte ihn ja sooo vermisst... Chrm. Sarkasmus, Sarkasmus. „Ich bin überrascht“, gestand er ruhig, „dass Ihr überhaupt hier zu mir gekommen seid. Normalerweise meidet Ihr doch Konfrontationen.“ Ich verengte die Augen zu Schlitze. „Was soll das heißen? Hast du dir, während du geschmollt hast, das Buch Schnellkurs der Psychologie für Elben reingezogen, oder was?!“ Ja, in Ordnung, vielleicht hatte er ja in gewisser Weise Recht... Konfrontationen waren wirklich nicht mein Lieblingszeitvertreib... aber das hieß noch lange nicht, dass er mir das so ins Gesicht knallen musste. Ich holte tief Luft und fing noch mal von vorne an. „Wie geht es dir denn? Beeinträchtigen dich deine Verletzungen noch sehr?“ Legolas sah mich eindringlich an, er schien irgendetwas in meinen Augen zu suchen. „Es geht mir gut“, sagte er leise. Das Blut kochte schon wieder in meinen Adern. „Aber anscheinend noch nicht gut genug, dass du wieder in das Kampfgeschehen eingreifen kannst“, erwiderte ich spitz. Legolas’ Augen nahmen einen dunkleren Ton an. Omi schien Recht gehabt zu haben; offenbar machte es ihm wirklich zu schaffen, dass er nicht zurück in den Krieg konnte. Das konnte ich verstehen. Ich selbst hätte auch gerne geholfen, den Krieg schnellstmöglich zu beenden, wenn ich es gekonnt hätte. Ich schloss die Augen und zählte bis zehn. Nachdem ich sechsmal bis zehn gezählt hatte, öffnete ich meine Augen wieder und seufzte. „Was ist denn los? Ich will doch nur wissen, was verdammt noch mal los ist! Du benimmst dich nicht mehr wie der Legolas, den ich kenne. Ich verstehe dich nicht.“ Legolas presste die Lippen zusammen. „Warum stört es Euch, dass ich zeige, dass ich nicht glücklich bin? Sonst beklagt Ihr Euch doch darüber, dass ich ein so korrekter Prinz bin, der sich auch entsprechend verhält und nie einfach mal ein Elb bin, der Gefühle hat“, gab er zurück. Da sah man mal, dass auch Männer zickig sein konnten... „Das ist wahr“, sagte ich langsam. „Aber ich meinte damit nicht, dass du dich wie ein geprügelter Hund benimmst und mich dafür verantwortlich machst!“ „Meintet Ihr dann vielleicht, dass ich mich benehmen soll wie Ben?“ Ich schluckte schwer. Oha. „Man kann euch beide überhaupt nicht miteinander vergleichen“, sagte ich ausweichend. „Immerhin bist du der Thronfolger des Düsterwaldes und er ist nur ein Freund von der Erde...“ „Und wenn ich nur ein Freund von der Erde wäre“, erwiderte Legolas heftig. „Was wäre dann?“ Ich wandte das Gesicht zur Seite. „Du hast Ben und mich letzte Nacht gesehen, nicht wahr. Du hast gar nicht geschlafen.“ Legolas machte ein paar große Schritte nach vorne, sodass er direkt vor mir stand, und ergriff meine Schultern mit beiden Händen. Automatisch sah ich zu ihm auf, direkt in seine stürmischen, blauen Augen. „Was wäre dann, Cala?“ wiederholte er nur. „Würdest du mir dann auch blind vertrauen? Würdest du es genießen mit mir zusammen zu sein, mit mir zu tanzen, ohne irgendwelche versteckten Absichten? Würdest du mich gegen deine Freunde und selbst gegen deine Familie verteidigen? Könntest du mich dann lieben?“ Ich stolperte ein paar Schritte rückwärts, doch er versuchte nicht einmal, mich aufzuhalten. „W-was soll das? Was redest du da?“ Ich war mehr als nur überfordert mit der Situation. Ich verstand einfach nicht, was hier gerade geschah. Wann hatte sich das Blatt so dramatisch gewendet? Legolas musterte mich einen Augenblick lang schweigend, ehe er sich abwandte. „Du wirst mir nie eine Gelegenheit dazu geben, dir zu beweisen, dass ich für dich da sein kann und will“, sagte er erregt. „Aber du wirst ja eh, sobald du dieses Zimmer verlassen hast, so tun, als hätten wir dieses Gespräch nie geführt. So machst du es doch mit allen Ereignissen, die dir zu nahe treten.“ Ich blinzelte ein paar Mal in schneller Abfolge, konnte aber nicht mehr verhindern, dass zwei einzelne Tränen meine Wangen hinabliefen, und verpasste Legolas eine Ohrfeige. „Ich weiß wirklich nicht, was in dich gefahren ist. Es ist auch egal. Du bist mir egal. Du hast kein Recht dazu, mich niederzumachen, nur weil du schlechte Laune hast. Ich habe genug von dir. Lady B und du – ihr verdient einander. Wende dich in Zukunft an sie, wenn du deine Frustrationen loswerden willst, denn ich will dich nie wieder sehen!“ Ich wischte mir mit dem Handrücken über die tränennassen Augen und sah ihm dann fest in sein erstarrtes Gesicht. „Du bist mir vollkommen egal.“ ~~~~ Die verbliebene Zeit bis zu meinem Training verbrachte ich in meinem Zimmer. Ich hatte noch nie gut mit Kritik umgehen können – nicht, dass ich irgendwelche Übung darin hatte, Kritik anzunehmen, da ich eher selten kritisiert wurde – aber vor allem nicht, wenn sie so erbarmungslos und aus heiterem Himmel geäußert wurde. Und das ausgerechnet von einer so (normalerweise) rücksichtsvollen Person wie Legolas... Ja, gut, ich war nicht fehlerlos. Schon klar. Aber er hatte mich attackiert, als wollte er mich absichtlich verletzen. Vollkommen ruhig und kalkuliert hatte er mir meine Fehler vor die Augen gehalten. Dieser Gedanke war es wahrscheinlich auch, der am meisten wehtat. „Cala?“ Es klopfte an die Tür. „Kann ich reinkommen, Cala? Omi meinte, ich solle mal nach dir schauen. Ist alles in-“ Glowy blieb im Türrahmen stehen und sah mich verdutzt an. Dann wurde sie wütend. „Was ist passiert? Hat Legolas irgendetwas Schlimmes getan oder gesagt? Ich schwöre dir, wenn ja, dann drehe ich ihm höchst persönlich den königlichen Hals um!“ „Wieso bist du überhaupt hier?“ stellte ich eine Gegenfrage. Glowy schloss die Tür hinter sich und setzte sich zu mir auf die Bettkante. „Das sagte ich doch schon. Omi meinte, du wärst bei Legolas gewesen und ich sollte gucken, ob alles okay ist bei dir. Anscheinend nicht.“ Woher wusste Omi... hm, wahrscheinlich hatte sie mal wieder in den Spiegel gesehen... Glowy strich mir beruhigend über den Arm. „Was ist los?“ Ich schniefte. Glowys Loyalität kehrte wenigstens immer zur rechten Zeit wieder. „Ach, er war so seltsam...“ Ich räusperte mich. Meine Güte, ich seufzte ja schon rum wie ein liebeskrankes Wachweib. Igitt. „Er hat ein paar Sachen gesagt; ich hab’ ein paar Sachen gesagt... Ich weiß auch nicht, irgendwie ist alles in letzter Zeit einfach zu viel...“ Glowy schlang tröstend die Arme um mich. „Hör mal, wegen unserem Streit. Arwen und ich waren einfach enttäuscht, dass du so blind warst und Ben ohne jeden Zweifel vertraut hast. Wir dachten, du würdest es vielleicht mit der Zeit selbst sehen, aber du warst ja zu stur. Es gab und gibt einfach zu viele offene Fragen, was sein plötzliches Auftauchen hier in Mittelerde anbelangt, aber du schienst vor lauter Rosa die Realität nicht mehr wahrzunehmen.“ Ich schlug ihr auf den Arm. „Aua!“ rief sie empört. „Wofür war das denn?“ Fahrig strich ich meine Haare nach hinten und ignorierte ihr Schmollen. „Warum, glaubst du, ist Legolas so wütend auf mich?“ Glowy rollte mit den Augen. „Bei dir ist echt Hopfen und Malz verloren, Cala. Au! Sag mal, könntest du bitte aufhören, mich zu schlagen? Legolas mag dich, okay? Sehr gerne sogar. Auf Jonas’ Party hat er dich und Ben tanzen sehen und er war eifersüchtig. Was meinst du, warum er dich an dem Abend so unwirsch von der Party geschleift hat? Legolas gefiel es in den letzten Tagen ganz und gar nicht, zu wissen, dass Ben auf einmal hier in Mittelerde ist und die meiste Zeit zusammen mit dir verbrachte.“ Glowy seufzte verträumt – wie ein Waschweib mit romantischen Gedanken. „Du bist etwas Besonderes für Legolas. Das, was er für dich empfindet, hat er noch nie für eine andere Frau gefühlt. Wenn du mich fragst, verhält er sich deshalb etwas eigenartig in letzter Zeit. Männer sind viel zu hilflos, wenn es um Gefühle geht.“ Na, wo sie Recht hat, hat sie Recht. Allerdings kenne ich da, äh, eine gewisse Person, chrm, nicht ich, natürlich, die, äh, auch leichte Probleme damit hat, mit Gefühlen umzugehen, chrm... „Woher weißt du, dass ich... etwas Besonderes für Legolas bin?“ fragte ich skeptisch. Ihre Theorie klang mir viel zu weit hergeholt. Glowy zuckte unschuldig mit den Schultern. „Och, ich hab’ nur zufällig ein Gespräch zwischen Legolas und König Thranduil mitangehört.“ Ich schnaubte. Von wegen zufällig... „Übrigens, Legolas hat seinem Vater bei der Gelegenheit auch gleich kräftig die Leviten gelesen, was sein Verhalten dir gegenüber betrifft. Also wunder dich nicht, falls König Thranduil in naher Zukunft mit einem Friedensangebot ankommt. Legolas’ Worte schienen ihm arg zu denken zu geben.“ Interessante Informationen, die Glowy da auf einmal preisgab. Schade nur, dass es jetzt ein wenig zu spät dafür war. Schließlich war mir Legolas ab jetzt ja völlig egal. „König Thranduil hat sich bereits bei mir entschuldigt“, sagte ich. Glowy riss überrascht die Augen auf. „Im Ernst? Wow, hätte nicht gedacht, dass ihm Legolas’ Worte so stark zu denken gegeben haben, dass er sogar seinen Fehler zugeben würde... Was genau hat er denn gesagt? Und wann überhaupt?“ „Ist doch unwichtig“, maulte ich. „Ich will nicht mehr über ihn oder Legolas reden, verstanden?“ Meine beste Freundin biss sich mitfühlend auf die Unterlippe. „Legolas hat dich ganz schön verletzt, nicht wahr?“ „Was an dem Satz Ich will nicht darüber reden ist eigentlich so schwer zu verstehen?“ „Cala, du musst darüber reden. Danach wirst du dich besser fühlen“, erklärte Glowy. „Außerdem weiß ich dann wenigstens den Grund, warum ich Legolas’ blonde Haartolle abrasieren werde.“ Okay, bei dem Gedanken musste selbst ich grinsen. Ein kahl geschorener Legolas... Hehe. Nach mehreren nervtötenden Versuchen ihrerseits, mich zum Reden zu bringen, gab ich schließlich auf und erzählte ihr von meiner Begegnung mit Legolas. Glowys Reaktion war ein übertriebener Seufzer und ein besserwischerisches Grinsen auf ihrem Gesicht. „Cala, ich sag’s dir noch mal für kleine Hans-guckt-in-die-Luft-und-nimmt-sonst-nichts-wahr-leins... Autsch! Hehe. Also, Legolas ist eifersüchtig auf Ben! Ist doch ganz klar! Warum du das nicht einsehen willst, ist mir ein Rätsel. Ich verstehe ja, dass das momentan alles ein bisschen viel für dich ist und du praktisch dauerverwirrt bist wegen Ben und Lephisto, dem Training und diesem ganzen Gefühlschaos, aber so blind kannst ja eigentlich nicht mal du sein... Aua! Obwohl, bei Ben warst du ja am Anfang auch total blind... Nein, bitte nicht noch mal schlagen!“ Glowys Worte waren mir immer noch keine große Hilfe. Sodass ich danach rasch das Thema wechselte. „Sag mal, Glowy, glaubst du, der Ring könnte verborgene Kräfte oder so was besitzen?“ fragte ich nachdenklich und hob die Hand mit dem Ring am Finger hoch. „Könnte sein“, meinte sie langsam. „Arwen hat mir erzählt, dass die meisten Ringe, abgesehen von irgendwelchen symbolischen Werten, meistens auch Kräfte besitzen oder die Macht, die Stärken des Ringträgers zu unterstützen. Es kann also gut sein, dass dieser Ring dazu gehört. Hatte denn der Verkäufer auf dem Markt nichts darüber gesagt, als du dir den Ring angesehen hast?“ „Nein“, sagte ich stirnrunzelnd. Glowy wedelte gleichgültig mit der Hand. „Dann wird es wohl ein stinknormaler, langweiliger Ring sein. Wie kommst du überhaupt darauf?“ „Ach, nur so“, wehrte ich ab. Ben musste sich wohl geirrt haben, was den Ring betraf. Aber er hatte so überzeugt davon ausgesehen, dass der Ring mir schaden könnte... „Hach, Cala“, jammerte Glowy. „Ich wünschte, der Krieg wäre endlich vorbei.“ Meine Stimmung verdüsterte sich schlagartig noch mehr. Elrohir war immer noch da draußen und kämpfte. Tulu, Púren, Gimli und viele andere. „Ich vermisse Beau ja so sehr“, quengelte sie. Hmpf. Typisch Glowy – statt den Frieden wiederherzustellen kümmerten sie nur Kerle... „Beau. Was ist eigentlich der richtige Name von Beau?“ fragte ich rat- und planlos. Ich meine, hey, Beau konnte in Mittelerde nun wirklich fast jedes männliche Wesen sein; diese eitlen, langhaarigen Hippies... „Eomer“, hauchte sie verzückt. Oh Mann, manchmal fragte ich mich echt, ob Glowy nicht doch irgendwie mit Rosamunde Pilcher verwandt war... „Okay“, sagte ich gedehnt. „Und, äh, woher kommt Eomer?“ „Aus Rohan“, sagte sie und lächelte entrückt. „Königreich der Rohirrim.“ Woran erinnerte mich Rohan bloß... Glowy seufzte noch ein paar Mal und setzte gerade zweifelsohne zu einer Lobeshymne auf diesen Eomer an, als ich die theatralische Szene brutal kaputtmachte. „Rohirwas?“ Glowy schüttelte resigniert den Kopf. „Land der Pferdeherren“, erklärte sie. „Ehrlich, Cala, hast du eigentlich nur geschlafen, wenn Omi und Opi uns Geschichten über Mittelerde erzählt haben?“ „Na ja“, sagte ich und kratzte mich verlegen am Kinn. „Meistens schon.“ Glowy schien ein stummes Stoßgebet gen Himmel zu schicken. „Ist es schön in Rohan?“ fragte ich nach einer kurzen Pause. „Ich glaube schon“, sagte Glowy. „Ich kenne es ja auch nur aus Erzählungen von unserer Familie und Eomer. Weite, grüne Wiesen. Hügelige Landschaft. Klare, saubere Seen und Flüsse-“ „Ph, in Mittelerde sind alle Gewässer klar und sauber“, brummte ich dazwischen. Also echt, ihre Beschreibung von Rohan war ja nicht gerade ausführlich. Sie erinnerte mich irgendwie an Großbritannien. Die Schotten. Schottenröcke. Dudelsäcke. Uäh. Das konnte man sich ja nicht anhören, das Gejaule... und auch noch von Männern, die voller Stolz Röcke tragen... Äh, ja. Wir schweifen mal wieder ab. Glowy kniff verärgert die Augen zusammen. „In Rohan sind die Gewässer aber besonders klar und sauber!“ Oh Mann. Jetzt hatte sie mich natürlich überzeugt. Welch unglaublich starke Argumente Glowy doch hatte. „Wenn du meinst“, gab ich ungläubig zurück. „Ja, das meine ich! Und nun komm, dein Training fängt gleich an.“ ~~~ Haldir wartete bereits, als Glowy und ich auf dem Übungsplatz eintrafen. Er warf mir einen langen, prüfenden Blick zu und drückte mir Pfeil und Köcher in die Hand. Automatisch warf ich mir den Köcher über die linke Schulter und nahm den Bogen in die rechte Hand. Ein wenig angespannt fragte ich mich, welche Aufgabe er wohl diesmal für mich hatte. Keiner hatte etwas zu mir über die letzte Trainingsstunde gesagt. Als ich Glowy auf dem Weg zu der Lichtung den Vorfall aus meiner Sicht erzählte, regte sie sich ziemlich stark auf, und das über gleich mehrere Dinge; aber am meisten, so glaube ich, war sie verärgert über sich selbst, weil sie (mal wieder) nicht für mich da gewesen war. Ich trug es ihr nicht mehr nach. Vielleicht hätte ich es tun sollen, aber ehrlich gesagt machte ich mir zu viele Sorgen um die anliegende Trainingsstunde, als dass ich in der Lage gewesen wäre, jetzt einen weiteren, idiotischen Streit vom Zaun zu brechen. Sollte das Training schlecht laufen, konnte ich das schließlich immer noch tun unter dem Motto: „Frustrationsbewältigung“. Meine Muskeln waren allesamt bis zum Zerreißen gespannt, als ich von einem Fuß auf den anderen trat. Und ich wusste, dass Haldir bemerkt hatte, wie nervös ich war. Doch er sagte nichts. Danke, Herr Lehrer. Sehr aufbauend. Ich fühlte mich schon viel besser. Grr. Nicht mal Omi, die wieder mit Opi und diesmal auch meinen Eltern am Rand des Übungsplatzes stand, versuchte mich per Gedankensprache zu beruhigen. Es war kein schönes Gefühl, völlig allein auf sich gestellt zu sein. Meine Anspannung wuchs. Das Holz von dem Bogen knirschte etwas, als sich meine Hand darum verkrampfte. „Ihr habt die gestrige Übung nicht vollendet; aus diesem Grund werdet Ihr sie heute wiederholen“, sagte Haldir bestimmend. „Doch dieses Mal werde ich das Ziel für Euch aussuchen, und ich wähle den Hasen.“ Ich war drauf und dran schon wieder alles hinzuschmeißen und einfach abzuhauen, als ich endlich Omis Stimme in meinem Kopf vernahm – okay, das, äh, klang jetzt irgendwie nicht ganz richtig – nur mit den falschen Worten. ,Cala, tu, was Haldir dir sagt. Bestehe die Prüfung, es könnte dir irgendwann das Leben retten. Dein Leben ist mehr wert als das von jedem anderen Lebewesen.’ Ich wäre wohl benommen zurückgetaumelt, hätte Glowy mich nicht fest am Arm gepackt und mir Halt gegeben. Wie konnte meine Großmutter nur so etwas sagen? Waren nicht alle Elben Naturfreaks? Von wegen achten und ehren und beten alle Lebensformen an... War es endlich soweit? Sollte ich den Seelenklempner rufen? Vielleicht hatten sie auch alle von Lephisto geträumt und hatten nun alle schlechte Laune und vergaßen kurzzeitig ihre eigene Kultur. Konnte ja mal passieren... Trotzdem starrten mich immer noch alle erwartungsvoll an. „Cala“, sprach’s Hauptmännlein und wagte es tatsächlich dabei auch noch ungeduldig zu klingen. Argh! Ich begann zu zittern. „Denk an etwas Schönes“, riet Glowy mir lahm und drückte aufmunternd meine freie Hand. „Denk an grüne Wiesen, weites Land-“ Jemand zu viel Karl May gelesen? „-und klare, saubere Flüsse, schon klar.“ Ich rollte mit den Augen. Glowy hatte gut Reden. Sie hatte ja nicht mal Skrupel davor, Hasenfleisch zu essen. „Ich dachte, du hättest dich auf dem Hinweg hierher noch so über die Ungerechtigkeit dessen aufgeregt, dass ich dazu gezwungen wurde, ein Lebewesen unnötiger Weise zu töten?“ zitierte ich sie bissig. Glowy sah hin- und hergerissen aus. „Ich habe nachgedacht... Cala, die Methoden sind vielleicht zweifelhaft, aber Haldir ist ein erfahrener und guter Krieger. Er wird wissen, was dir helfen kann, dich zu verteidigen. Und ich möchte schließlich auch, dass du dich verteidigen kannst...“ Sie sah zu Boden. „Denk an Rohan, Cala. Denk an diesen schönen Ort und wie du da deine Ruhe hast und fern vom Kampf und der Angst vor der Zukunft bist.“ Ich atmete tief durch. Glowy sah mich unsicher an, ließ meine Hand aber immer noch nicht los. Wofür ich echt dankbar war, denn es war der einzige Trost, den von-Schnellzug-xyz-genannt-Gefühlssturm-aus-der-Bahn-geworfen-wurde-Klein-Cala in dieser Situation bekam. Ich sah eine Gruppe Hasen auf der anderen Seite der Lichtung friedlich umherhoppeln und hörte wie das Blut in meinen Ohren rauschte. Ich sah Haldirs emotionsloses Gesicht. Ich sah das aufgeregte Ruckeln der Köpfe der Hasen. Ich sah die unerbittlichen Mienen meiner Eltern und Großeltern. Ich sah wie ein Hase sich auf die Hinterbeine stellte, um nach Gefahr Ausschau zu halten, und sich bald wieder auf alle Viere stellte, als keine auszumachen war. Dabei stellte ich im Moment doch die größte Bedrohung für sie dar. Heftig kniff ich die Augen zusammen und spürte den tröstlichen Druck von Glowys Hand. Ich sah grüne Wiese vor meinem inneren Auge; klare, saubere Seen und Flüsse... und wünschte mir nichts sehnlicher, als wirklich dort zu sein und diesem Albtraum zu entfliehen. Plötzlich wurde es ganz schrecklich still, so wie bei meiner Reise nach Lórien, als ich die Vision hatte. Ich fühlte ein seltsam flaues Gefühl in der Magengegend, genauso wie wenn man auf der Achterbahn den höchsten Punkt eines Berges erreicht hat und der Wagen sich langsam nach unten biegt, bevor man hinuntersaust. Es waren keine Vögel mehr zu hören. Kein Rascheln des Windes in den Baumwipfeln. Nichts. Langsam öffnete ich die Augen und wurde von einer jähen Schwindelattacke gepackt. „Was zum Teufel... Cala!“ Glowy riss an meiner Hand und verhinderte so, dass ich zu Boden ging. ‚Was ist passiert?’ hörte ich plötzlich die unglaublich besorgte Stimme von Omi in meinen Gedanken. ‚Geht es euch gut? Wo seid ihr?’ Hä? Wir waren doch immer noch auf der Lichtung, nur ein paar Meter entfernt von ihr, umringt von- „Gras! Überall nur Gras?!“ rief Glowy schrill. „Wo sind die Bäume? Wo sind wir? Was zum Henker ist passiert?!“ Ich stützte mich immer noch auf Glowy und blinzelte wild in die Sonne. Alles drehte sich und ich fiel prompt in Ohnmacht. Als ich wieder zu mir kam, war meine beste Freundin immer noch/ wieder hysterisch. „-wenn du nicht sofort aufwachst, Cala, dann setzt es was! Denkst du etwa, ich trage dich? Das hier ist kein Märchen und auch nicht Hollywood, also hör gefälligst auf, die Diva zu mimen! Hier wird auch bestimmt nicht so schnell ein Prinz mit Helfersyndrom vorbeikommen, also wach endlich auf!“ Seufzend flatterte ich mit den Augenlidern, bevor ich sie ganz öffnete. „Cala“, rief Glowy überrascht und drückte mich mit einem Hechtsprung tiefer ins Gras. „Mann, bin ich froh, dass du aufgewacht bist! Ich hab’ mir vielleicht Sorgen um dich gemacht! Es ist bestimmt nicht gut, so oft in Ohnmacht zu fallen...“ Ich klopfte ihr auf den Rücken. „Mir geht’s gut, Glowy. Bin vielleicht etwas müde, aber sonst...“ „Wie sind wir bloß hierher gekommen?“ fragte Glowy und besah sich mit einem leichten Anflug von Panik die hügelige Gegend. Hey, sah fast wie Schottland aus... ,Cala, du hast deine besondere Fähigkeit entdeckt. Offenbar besitzt du die Fähigkeit, dich an einen von dir gewünschten Ort zu transportieren und da du Glowy and der Hand hieltest, wurde sie automatisch mittransportiert. Wir sind sehr stolz auf dich.’ Oha. Wir waren nicht wirklich in Schottland, oder?! ,Wir hätten nicht gedacht, dass das Training so schnell wirkt. Aber das ist nur von Vorteil.’ ??? Ich hatte doch versagt im Training... ,Nein, das hast du nicht. Das Training war nicht dazu bestimmt, deine kämpferischen Fähigkeiten zu fördern, sondern deine „geistigen“. Du bist sehr stark, Cala, doch deine Stärke liegt noch im Verborgenen. Noch hast du dich nicht getraut, dich auf sie zu berufen, und im Angesicht der drohenden Gefahr durch Lephisto, sahen wir uns gezwungen, dir dabei zu helfen. Du hast viele Fähigkeiten, Cala, deine eigene, besondere Fähigkeit ist dabei nur eine von ihnen. Du musst lernen, dir selbst zu vertrauen und zu wissen, was du willst. Glaube an dich und an das, was du tust. Und du wirst niemals hilflos sein.’ Äh... ,Noch magst du meine Worte vielleicht nicht verstehen, aber was wir taten, war nur zu deinem Besten. Deshalb das eigenartige Training mit Haldir. Deswegen diese Aufgaben, die du zu bestehen hattest. Wir wollten dich unter Druck setzen und somit eine Reaktion von dir erzwingen; wir hofften darauf, dass du unbewusst auf eine deiner Fähigkeiten zurückgreifen würdest, um dir zu helfen. Und so war es dann auch.’ Ich glaub’, mich laust ein Ork. Sollte das etwa bedeuten, dass ich aus purer Berechnung heraus Aufgaben gestellt bekommen hatte, die mir zuwider sind?! ,Ja, Cala. Wir wissen, dass du das Töten von Lebewesen über alle Maße hasst, und wir machten uns dieses Wissen zunutze.’ Ich war so wütend, mir fielen nicht mal zusammenhängende Gedanken ein. Abgesehen von einem: Wo ist der Schalter den man umlegt, wenn man jemandem aus seinem Kopf schmeißen will?! Danach war es still in meinen Gedanken und ich machte mir nicht die Mühe, darüber nachzudenken, ob ich das auch einer meiner „Fähigkeiten“ zu verdanken hatte. „Ich glaube, wir sollten mal langsam losgehen. Es wird dunkel und irgendwo muss es doch Zivilisation geben“, überlegte Glowy laut und tippte sich mit ihrem Zeigefinger an ihr Kinn. Ich runzelte die Stirn. „Mmh.“ „Nein, wirklich“, erklärte sie aufgeregt. „Ich habe keine gesteigerte Lust, mit all dem Gesocks und Ungetier Mittelerdes unter freiem Himmel zu übernachten ohne männliche Begleitung.“ Wunder, oh Wunder... „Also sollten wir uns für eine Richtung entscheiden.“ Gelangweilt deutete ich nach links. Glowy studierte meinen vorgeschlagenen Weg eingehend. „Wieso gerade da lang?“ „Weil wir dort nicht bergauf gehen müssen“, sagte ich nur und marschierte los. Glowy joggte bis sie meine Seite erreichte. „Weißt du, wir sitzen ganz schön in der Klemme, wenn wir nicht bald auf ein paar Einheimische treffen.“ Abwesend rieb ich mir die Arme. Irgendetwas zerrte an meiner Erinnerung. „Wieso?“ „Weil wir keinen Proviant dabeihaben. Und da du wahrscheinlich nicht auf Tiere mit deinem Bogen schießen wirst-“ Ich warf ihr einen giftigen Blick zu. „-werden wir wohl hungern müssen.“ Sie klang schon wieder am Rande eines Nervenzusammenbruchs, wofür ich gerade echt nicht in Stimmung war. „Glowy, halt die Klappe.“ Da fiel mir etwas ein. Wenn ich tatsächlich dafür verantwortlich war, dass wir hierher gekommen waren, vielleicht konnte ich uns dann auch wieder zurückbringen? Kurz entschlossen schnappte ich mir Glowys Hand und wünschte mich zurück nach Lórien. „Hey, Cala, was ist los?“ “Es klappt nicht!” schnaufte ich verärgert. „Was klappt nicht?“ Glowys Gesicht sah wie ein eckiges Fragezeichen aus. „Omi meinte, ich wäre schuld, dass wir hier gelandet sind. Meine neue besondere Fähigkeit oder so ein Mist“, antwortete ich frustriert. Glowys Augen wurden groß. „Wow... was genau hast du denn getan, bevor wir hierher transportiert wurden?“ Ich dachte nach. „Ich hab die Augen geschlossen und mir Schottland vorgestellt.“ Nach ein paar weiteren, vergeblichen Versuchen gab ich es auf, und wir trotteten schweigend nebeneinander her. Die Stunden vergingen, die Sonne berührte fast den Horizont und es war immer noch kein Haus in Sicht. Langsam wurde es auch mir mulmig. Ich hatte mehrmals versucht, mit Omi Kontakt aufzunehmen, aber erfolglos. Plötzlich bebte es. Das nahe Donnern von Hufen. Sehr vielen Hufen. Glowy und ich sahen uns erschrocken an. Leider gab es weit und breit keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Mein Herz sprang fast aus der Brust, als eine ganze Armee von Reitern über den nächsten Hügel auf uns zu geritten kamen. Es waren Krieger. Sie alle trugen Rüstungen, Schilde und Schwerter und auf einem Banner war ein Wappen abgebildet. Es sah nicht unbedingt schottisch aus... ,Cala? Cala, wo seid ihr?’ Meine Gedanken waren wie leergefegt. Die Reiter kamen immer näher und die Pferde wurden stetig langsamer. Bald schon hatten sie uns erreicht. „Die Rohirrim“, flüsterte Glowy ehrfurchtsvoll. ,Cala?’ Wir waren tatsächlich in Rohan. Anscheinend konnte ich mich nur innerhalb Mittelerdes wegbeamen, sonst wäre ich jetzt irgendwo im schottischen Hochland. Ich wusste, dass Omi meine Gedanken gelesen hatte und nun wusste, wo wir waren; trotzdem antwortete sie nicht. Allerdings spürte ich eine Welle der Angst, die eindeutig nicht von mir stammte. Was fürchtete Omi? Der vorderste Reiter sprang vom Pferd und nahm seinen Helm ab. Ich war dann doch leicht überrascht, Beau vor mir stehen zu sehen. Mit einem tiefen Stirnrunzeln betrachtete er uns. Er schien nicht sonderlich glücklich darüber zu sein, uns mitten im unbewohntem Gebiet zu sehen. Nachdem wir ihm kurz und knapp erzählt hatten, was geschehen war, beorderte er, da kein Pferd mehr übrig war, einen Krieger herbei, hinter dem ich auf dem Rücken seines Pferdes Platz nehmen sollte, während Glowy bei ihm mitritt. Grummelnd kam ich dem nach. „Warum seid Ihr eigentlich hier?“ fragte ich ohne Umschweife. „Solltet Ihr nicht in der Schlacht gegen Lephisto sein?“ Beau aka Eomer warf mir einen kurzen Blick zu, während er Glowy beim Aufsteigen half. „Der Krieg ist vorüber“, sagte er. „Lephisto hat sich zurückgezogen. Meine Männer und ich sind gerade auf dem Rückweg nach Edoras. Ich habe einen Boten nach Lothlórien geschickt.“ Ich fühlte mich wie vom Donner gerührt. „Lephisto hat sich zurückgezogen? Einfach so?“ Eomer saß hinter Glowy auf und wartete, bis der vor mir sitzende Herr das Pferd neben das seinige gelenkt hatte. „Prinz Elrohir will einen Boten gesehen haben, der Lephistos Lager gegen Mittag erreichte. Er glaubt, dass sein Rückzug etwas damit zu tun hat.“ „Elrohir...“ murmelte Glowy. „Wie geht es ihm? Und Púren? Gimli? Tulu? Geht es ihnen gut? Sind sie verletzt?!“ Eomer schmunzelte leicht angesichts des Sturmes an Fragen. „Sie sind wohlauf. Nach dem Ende der Schlacht haben sie sich auf den Weg zurück nach Lothlórien gemacht.“ Glowy stellte weitere Fragen, doch ich hörte nicht mehr zu. Wie versteinert starrte ich den Ring an meinem Finger an. Ich erinnerte mich. An alles. "Wie ich sehe, trägst du den Ring." Zwei überraschend jung und faltenlos aussehende Hände kamen irgendwo aus den Tiefen seiner Ärmel hervor, deren Finger sich ineinander verschlangen. "Gut, gut." An diese in einen Umhang gehüllte Gestalt im Wald, nachdem Legolas so komische Dinge im Wald gedacht hatte. "Bist du sicher, dass du das Erbe deiner Familie antreten willst? In Lórien bleiben bis ans Ende deiner Tage und die Erde, deine wahre Heimat, einfach aufgeben? Denkst du wirklich, dass das die richtige Entscheidung ist?" Wer auch immer er gewesen war; er war derjenige gewesen, der mir den Ring gegeben hatte. "Du solltest nichts tun, was du nicht willst. Deine Loyalität zu deiner Familie sollte dich nie daran hindern, diejenige zu sein, die du bist. Und du bist definitiv nicht dazu auserkoren, brav über Lórien zu herrschen und einen deinem Status angemessen Mann zu ehelichen." Und Ben wusste das. Ben wusste, dass dieser Ring Kräfte besitzt. Dass er mir schaden könnte. "Denk darüber nach...nimm nicht immer Rücksicht auf die anderen - tu, was du willst! Genieße deine Freiheit, vielleicht noch ein letztes Mal. Geh fort von hier..." Dieser Fremde hatte mir diesen Ring mit genau dieser Absicht gegeben: um mir zu schaden. Es war kein Zufall, dass ich in Rohan gelandet war. Edoras war die Hauptstadt, wie Eomer gerade sagte. Lephistos Armee schlug erstmals in Edoras zu. Ben... war zuerst in Edoras, bevor er nach Lórien kam. Meine Hand zitterte. Nicht meine besondere Fähigkeit hatte uns hierher gebracht, oh nein, dieser Ring hatte es getan. Er hatte mich direkt in die Arme von Lephisto bringen wollen. Und Ben hatte es gewusst. ~~~~ Das Kapitel ist eher langweilig... ist aber leider ein nötiges Kapitel, da es auf das nächste aufbaut. -zwinker- Hoffe, ihr seid nicht zu enttäuscht. Die vier Rückblicke am Schluss dieses Kapitels sind Abzüge aus Kapitel 13; nur falls ihr es noch mal nachlesen wollt. Cala erinnerte sich ja zuerst nicht daran, was vor dieser Ohnmacht passiert ist, aber jetzt ist diese Erinnerung zurückgekommen. Dass Cala so durcheinander ist beim Training und somit ihre Fähigkeit weckt ist vielleicht etwas plötzlich, aber aus Calas Sicht gesehen nicht: Sie steigert sich gerne in die Sachen rein, und nimmt man mal ihre Angst um ihre Freunde im Krieg, ihre verwirrenden Gefühle und der noch verwirrendere Streit mit Legolas, der immer geheimnisvoller werdende Ben und das Training mit Aufgaben, die sie nicht tun will, tut Cala, was Cala eben immer tut: weglaufen. Und das hier eben in Form von wegbeamen. :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)