Angst von Kawari ================================================================================ Kapitel 7: Akzeptanz der Behinderung ------------------------------------ Ich lachte laut auf wegen dem was Joe mir so eben erzählt hatte. Wir saßen zusammen am Wasser einer Oase und picknickten. Seit unserer ersten Begegnung hatten wir den Kontakt konstant beibehalten. Im Regelfall trafen wir uns zwei Mal pro Woche und unternahmen etwas gemeinsam. Manchmal saßen wir auch einfach nur zusammen in der Bibliothek und unterhielten uns. Es tat gut aus dem Palast herauszukommen, ihre Gesellschaft tat mir gut. Sie brachte mich zum Lachen, ließ mich Emotionen offen zeigen ohne die Angst dabei, dass das Wissen über meinen Gefühlszustand oder über die Art wie ich handelte, dachte ausgenutzt oder sich darüber lustig gemacht werden würde. „Dein Kumpel ist ja wer…, dass er so etwas in der Öffentlichkeit, mitten auf dem Marktplatz bringt. Also wirklich…“, schüttelte ich amüsiert meinen Kopf. Sie zuckte mit den Schultern. „Nun ja… er provoziert halt unheimlich gerne. Sein Vater ist ziemlich streng, lässt ihn in keiner Weise aufmucken. Und wenn er dann halt alleine mit anderen Leuten zusammen ist… ohne seinen Vater, dann nutzt er die Gelegenheit aus.“ Ich wiegte meinen Kopf von einer Seite zur anderen. „Hmhm… nun ja, das kann ich schon verstehen, dass er dann so reagiert wenn sein Vater so streng ist. Doch finde ich sein Verhalten, von dem was du bisher erzählt hast, manchmal denn doch etwas extrem. Selbst mein Ex-Kapitän war nie so schlimm.“ „Es ist ja nicht so, dass er ständig so ist. Gegenüber Respektspersonen weiß er sich durch aus zu benehmen. Er macht das halt nur bei gleichaltrigen oder bei Fremden, bei Leuten von denen er weiß, dass er die nie in seinem Leben wieder sehen wird.“ Ihr Blick richtete sich aufs Wasser, sie stützte ihren Oberköper mit ihren Händen, welche hinter ihrem Rücken platziert waren, ab. Durch eine Kopfbewegung von ihr, fielen ihre Haare von ihrer linken Schulter und fielen gerade ihren Rücken herab. Allerdings hatte ihre Kopfbewegung nun so ihr linkes Ohr frei gelegt und mir fiel auf, dass sie dort eine ziemlich große Narbe hatte, des weiteren war ihr Ohr ein wenig verformt. Der obere Rundbogen war nicht komplett rund, sondern hatte eine leichte Delle. Doch fiel es auf den ersten Blick gar nicht so auf, nur wenn man eben aufmerksam hinguckte. Die Narbe war da wesentlich auffälliger. Ich betrachtete mir die Stelle genauer, da ich diese zuvor nie gesehen hatte. Joe hatte immer ihre Haare vor dem Ohr gehabt. „Wie hast du denn diese Narbe erhalten?“ Die Brünette blickte zu mir. „Hm?“ „Dein linkes Ohr… du hast da eine ziemliche Narbe.“ Dass das Ohr außerdem verformt war, brauchte ich nicht zu sagen. Sie wusste, dass ich auch darüber gerne Auskunft kriegen wollte. „Oh, das“, sie fuhr mit ihrer Hand zum Ohr und berührte es mit den Fingerspitzen, betastete danach die Narbe ab. „Als ich klein war, habe ich oft draußen in den Dünen gespielt. Eines Tages kam ich einer Sandechse – weißt du, diese Riesengroßen – zu nahe. Sie fühlte sich von mir bedroht und griff mich an. Ich konnte ausweichen aber sie streifte dabei mein Ohr. Daher habe ich die Narbe und die leichte Verformung.“ „Ach so.“ „Was?“, lachte sie, „hast du etwa gedacht meine Eltern hätten mich als Kind geprügelt?“ In ihrer Stimme war reine Belustigung zu hören – auf meine Kosten. Das empfand ich nicht als schlimm, doch ihre Frage brachte mich in Verlegenheit. Natürlich hatte ich nicht an so etwas gedacht, aber diese Frage gestellt zu kriegen… ich war mir in dem Moment nicht sicher wie ich darauf zu reagieren hatte. „Nein, nein!“, beeilte ich mich ihr zu versichern, „so war das nicht gemeint. Ich dachte nur, dass du dich vielleicht als Kind mit irgendeinem anderen Kind geprügelt hast oder du einfach aus Spaß gerauft hast und dich dabei verletzt hättest.“ „Ja… ja…“, stichelte sie unbeirrt fort, „das hätte ich jetzt auch gesagt.“ Ein genervter Blick überflog mein Gesicht und meine Augen schlossen sich zur Hälfte. „Ist so!“ Das war ein mehr als schwaches Argument – wenn man es denn überhaupt ‚Argument’ nennen konnte – doch mir fiel gerade keine bessere Erwiderung ein. Egal was ich anstellte, bei ihr zog ich meistens den Kürzeren und sei es auch nur deshalb, weil sie mir einfach über den Mund fuhr und mich erst gar nicht zum Reden kommen ließ. Mittlerweile hatte sie sich wieder dem Essen zu gewand, welches ich für das Picknick zubereitet hatte. Ich hingegen versank in Gedanken. Ihre Narbe und die leichte Verformung zeigten mir, dass ich nicht die einzige Person war, die Narben hatte. Dass meine Bewegung ein wenig eingeschränkt war störte mich gar nicht so. Sondern eher der Fakt, dass ich mich überhaupt von anderen unterschied. Doch dieses Erlebnis mit Joe lehrte mich eines besseren. Jeder hatte irgendwo Narben und sei es nur eine kleine, weil er / sie sich als Kind das Knie aufgeschrammt hatte. Nach dieser Erkenntnis musste ich breit lächeln. Ich war glücklich, froh und zufrieden mit mir, wie schon seit längerem nicht mehr. Es machte mir nun nichts mehr aus leicht zu humpeln oder meine linke Hand nicht mehr nutzen zu können. „Was grinst du so?“ Ich blickte, immer noch grinsend, zu Joe. „Ach nichts, hab nur an was komisches gedacht.“ Sie schnaubte belustigt. „Na, wenn du so lustige Gedanken hast, dann kannst du sie ja auch mit mir teilen“, spielte sie den Ball triumphierend zurück. „Nein. Tu ich nicht.“ Ich sah nun für mich eine Chance sie ein wenig zu sticheln. „Was? Och, na los! Sag schon!“ „Nö! Du bist ja sonst immer so frech zu mir.“ „Ich bin gar nicht frech! Nie, nie, nie!“ „Doch bist du!“ „Bin ich nicht!“ …und so begann das nächste verbale Gefecht zwischen uns. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)