Rêve Noir and Blue Fake von black_rain ================================================================================ I / 2 ----- Erschöpft lehnte sich Shay von innen gegen seine Zimmertür. Wie schaffte der Kleine es nur, ihn immer wieder aus der Fassung zu bringen? Wieso klang Nereis manchmal so sanft und liebevoll, dass der Blauhaarige gar nicht anders _konnte_ als zu hoffen, dass Rei mehr in ihm sah als seinen besten Freund und es sich beziehungsweise der Öffentlichkeit nur nicht eingestehen wollte - so wie _Shay_ nie den Mut dazu gehabt hatte, Rei alles zu gestehen und jegliche Gerüchte zu bestätigen, die immer wieder in die Medien gefunden und behauptet hatten, dass ihr Image nicht so sehr Show war, wie sie vorgaben... /Irgendwann werde ich noch mal wahnsinnig/, dachte Shay verzweifelt, ohne zu bemerken, dass er es gleichzeitig murmelnd aussprach. Wie sehr beneidete er Rei jetzt doch um seine Fähigkeit sich wie ein kleines Mädchen hemmungslos auszuheulen und nicht auf die Kommentare anderer zu reagieren. "Aber nicht wegen mir, oder?", fragte die geliebt-gefürchtete Stimme leise aus Richtung Tür. Und tatsächlich: Es war der junge Geiger. Der Rothaarige stand mit der Vorderseite am Türrahmen abgestützt da, die Wange gegen das Holz gedrückt, lächelte ihn noch ein wenig müde und ganz offensichtlich nicht gerade sicher auf den Beinen stehend an. "Rei!", rief er besorgt und zog ihn zu sich in sein Zimmer hinein. "Du sollst doch nicht aufstehen!" Der Jüngere zuckte mit den Schultern, schlang die Arme um Shays Hals, um sich festzuhalten, und erwiderte leise: "Das musst du dann vorhin vergessen haben zu erwähnen..." Dem Größeren wurde heiß, während ihm kühle Schauer über den Rücken krochen. Diese Nähe war einfach... _überwältigend_ und wieder schaffte er es nur noch geradeso, sich zurückzuhalten und nicht irgendetwas zu tun, das er später vielleicht bereuen würde. "Rei, was...?", murmelte der Ältere benommen, als sich sein Freund verspielt und verschmust an ihn schmiegte, wie er es sonst nur tat, wenn er so ziemlich fertig mit der Welt war und irgendjemanden brauchte, der ihn festhielt. /Irgendjemanden/, wiederholte Shay bitter seinen Gedanken und konnte trotzdem nicht anders, als das Gefühl dieses sehnsüchtig verehrten Körpers an dem seinen zu genießen. Jedenfalls bis sich plötzlich zwei schlanke, aber sehnige Beine um seine Hüften legten und eindeutig laszive Blicke den seinen streiften, Rei ohne Vorwarnung seine weichen Lippen auf seinen Mund legte. Wie erstarrt stand er da, griff nur aus reinem Reflex unter die festen Oberschenkel, damit sein Bandpartner nicht abrutschte und sich dessen leichte Gehirnerschütterung vielleicht noch in etwas bedeutend schlimmeres steigerte. "Na, was ist, Shay?", hauchte der Blauäugige ihm mit unanständig aufreizender Stimme ins Ohr. "Auf der Bühne macht dich das doch auch an und jetzt willst du mir jegliche Regung hier", er strich scheinbar flüchtig und doch bewusst quälend über den Schoß seines Freundes, "verwehren? Wie unhöflich von dir!" "Rei!", flüsterte er mit einer Stimme als habe er eine Ladung Sand im Hals, nachdem er hart geschluckt hatte, und versuchte den erregenden Berührungen auszuweichen, bevor er vielleicht noch über den völlig wehrlosen, weil kranken, Jüngeren herfiel. "Du hast dir den Kopf angeschlagen - du weißt nicht, was du da tust.." "Ach... meinst du wirklich, ja?", gab der ihn ständig kosende Mund augenscheinlich interessiert zurück. "Nun... was wäre, wenn ich es doch wüsste?" So schnell er konnte setzte er Rei auf seinem mit schwarzem Satin bezogenen Bett ab, das einen unglaublichen Kontrast zu den roten Haaren, den strahlend blauen Augen sowie der blassen Haut bildete. Heftig atmend wich er zwei Schritte zurück, war sich seinem Verlangen schmerzlich klar bewusst und hatte doch nahezu Angst vor den Anwandlungen seines musikalischen Gegenparts. "Das geht zu weit, Nereis! Du solltest dich wieder schlafen legen, damit du morgen wieder fit bist um wegen dem Stylist in die Stadt zu gehen und... um unsere Eltern zu besuchen!", keuchte der Größere und versuchte vergeblich sich zu beruhigen. "So", machte sein zärtlich Geliebter unterkühlt, schien ihn auf einmal mit seinen Blicken aufspießen zu wollen, da der Ältere gerade vermutlich arg an seinem Stolz gekratzt hatte, war er es doch ganz bestimmt nicht gewöhnt, abgewiesen zu werden. _Er_ selbst jedoch fühlte sich überfordert: Shay wollte irgendetwas sagen um _seinen_ Kleinen zu beruhigen, hatte er ihn doch nicht verletzen wollen, auch wenn er manchmal schlichtweg ausrasten könnte wegen der Stimmungsschwankungen, der Exzesse, dieser hübschen aber beinahe unerträglich arroganten Fassade, die doch nichts als Fake war und mit der ihm seine Liebe jedes Mal wie eine der Porzellanpüppchen vorkam, für die ihre Heimatstadt Kyoto so berühmt war. Wehmütig dachte er an ihre gemeinsame Vergangenheit als Rei noch unbeschwert gelacht hatte, sich einfach fallen ließ und darauf vertraute, dass sein Freund für ihn da war und ihn auffing. Wie niedlich und schüchtern er früher gewesen war, jemand den Shay schützen konnte und wollte! Nun jedoch war kaum noch etwas von ihrer alten Beziehung zueinander übrig geblieben: Der Rothaarige entfernte sich immer mehr von ihm, wurde unabhängig und war nahezu öfter im Bett einer _netten Bekanntschaft_ aufzufinden, als im Aufnahmestudio oder auf der Bühne. Doch so sehr es ihm weh tat, so unmenschlich es schmerzte (wobei er selbst ja eigentlich auch nicht besser war...) - er mochte ein romantischer Narr sein, aber er _konnte_ einfach nicht von Rei lassen. Zu lange kannten sie sich, zu viele Höhen und Tiefen hatte er mit dem nun Neunzehnjährigen erlebt und zu sehr... _liebte_ er ihn einfach. Shay brauchte nicht einfach irgendjemanden an dem er seinen Beschützerinstinkt ausleben konnte - er brauchte Nereis mit seinen Liebenswürdigkeiten und Fehlern... und niemand anderen. Und doch konnte er nur hilflos zusehen, wie der junge Mann seines Herzen ein wenig orientierungslos und dennoch nicht minder fuchsteufelswild an ihm vorbeischwankte wie ein junger (wenn auch momentan ziemlich angeschlagener), zorniger Gott des Olymp. Am Ende mit seinen Nerven ließ er sich an Ort und Stelle niedersinken, lehnte sich mit dem Rücken gegen eine Längsseite seines Bettes, starrte mit leerem Blick auf die offene Tür. /Was mache ich denn nur falsch, Kleiner? Hasst du mich so sehr oder bin ich einfach nur zu blind um meine Fehler zu sehen? Was soll ich denn bloß tun, um wieder ein ehrliches, kleines Lächeln von dir zu ergattern?/ Betäubt hörte er nach einer Weile die leisen Schritte des jüngeren Sängers die Treppe hinunter ins Erdgeschoss des zweistöckigen Hauses tapsen. Früher einmal, so erinnerte er sich, war es für zwei Familien gedacht gewesen, doch nach dem Tod ihrer Eltern und ihrem ersten Nummer-Eins-Hit hatten sie die Trennwände entfernen und die meisten Räume ein wenig umbauen lassen, sodass sie nicht mehr durch das halbe Haus rennen mussten, um zum anderen zu gelangen, und zwar weniger aber dafür auch _größere_ Zimmer hatten. Traurig lächelnd erinnerte er sich an all die bitteren Nächte voller Alpträume in denen sie nicht mehr weitergewusst hatten, in welchen sie zusammen im selben Bett schliefen, um sich gegenseitig mit der Nähe des anderen zu trösten, der doch das Gleiche ertragen musste und schlicht und einfach _verstand_. Plötzlich jedoch drang das Geräusch fester Schuhsohlen auf dem Parkett und der sich schließenden Reißverschlüsse von Reis knielangen, mit zahlreichen silbernen Schnallen bestückten Lieblingsstiefeln an sein Ohr. Stirnrunzelnd und beunruhigt richtete er sich auf, ging zur Tür und sah über das Geländer in den unteren Stock. "Was zum Teufel _machst_ du da?", rief der Blauhaarige fassungslos. "Das sieht man doch!", giftete Rei wütend zurück, war nahe dran zu schreien. "Ich gehe! Vielleicht gibt es ja jemanden in Kyoto, der meine Anwesenheit wünscht und mich nicht wie irgendwelches ekliges Ungeziefer von sich stößt!!!" "Sag mal drehst du jetzt völlig durch? Du kannst doch nicht _so_ alleine rausgehen! Schon gar nicht mit einer beschissenen Gehirnerschütterung!", brüllte Shay nach unten und schloss seine langen, schlanken Finger so fest um die runden Holzbalken, dass seine Knochen hörbar knirschten. Mit _so_ meinte er dabei die schwarzen Hotpants, die sich wie eine zweite Haut an ihren Träger schmiegten und somit auch rein _gar nichts_ verhüllten, sowie das grünblaue, kompliziert geschnittene (und zugegebenermaßen äußerst... _anregende_) Netzhemd mit der glänzenden dunkelblauen Gaze darüber, durch die man genauestens beobachten konnte, wie sich die selbst für japanische Verhältnisse eher schmale Brust aufgeregt hob und senkte, die Muskeln unter der flachen Bauchdecke spielten. Shay verwettete sein Herz darauf, dass es bei diesem einladenden Anblick keine Stunde dauern würde bis irgendein Perverser die milchweißen Schenkel spreizen und sich an der Enge dieser süßen festen Hügel vergehen würde. Und es war nicht nur das unmenschliche Stechen der Eifersucht in seinem Herzen, das ihn schon bei dem bloßen Gedanken durchzuckte - welches ihn halb in den Wahnsinn trieb; sondern auch die augenblickliche Schwäche des Jüngeren, mit der Rei, sollte er es tatsächlich so weit treiben, sich heute einen Bettwärmer anzulachen, höchstens unerträgliche Schmerzen und anschließend fast garantiert eine Ohnmacht nach sich ziehen würde, die ihm nahezu krankhafte Sorge bereitete. Denn soviel war klar: Nereis war ganz bestimmt der Catcher bzw. "unten". Doch das einzige, was er als Antwort auf seine Besorgnis erhielt, war ein regelrecht hasserfüllter Blick kalter blauer Augen und ein gefährlich leises Zischen: "Kapier endlich, dass du weder mein Vater noch überhaupt irgendwie mit mir verwandt bist! Wir sind Partner ein und derselben Band, aber das gibt dir längst nicht die Berechtigung über mich zu bestimmen! Wenn du was zum Abregen brauchst, dann nimm dir ein paar deiner Groupies aufs Zimmer, aber lass _mich_ da verdammt noch mal heraus!" Und ehe er sich versehen hatte, war Rei auch schon aus der Tür und knallte diese lautstark hinter sich zu. Es wäre untertrieben zu sagen, dass er die Tür anstarrte wie aus allen Wolken gefallen. Um genau zu sein fühlte er sich nämlich gerade erhängt, ertränkt, gekreuzigt, gesteinigt und in alle seine Einzelteile zerrissen - und das alles auf einmal. Fluchend sprintete und sprang er die Treppe hinunter, rannte aus dem Haus ohne sich die Mühe zu machen seine Zeit mit Schuhe anziehen zu vergeuden. "Rei!", rief er seinen jüngeren Freund als er ihn nirgends erblickte. "Verdammt, REI!!" Echte Panik schwang in seiner Stimme. Er wusste, dass der Blauäugige eben so seine Launen hatte - aber er kannte auch seine Unberechenbarkeit, die ihn plötzlich Dinge tun ließ, welche ihm eindeutig schadeten und trotzdem tat er sie. Sein Herz klopfte als wolle er seinen Brustkasten wie feines Porzellan zerschmettern, indes er angestrengt auf ein Geräusch seines neunzehnjährigen Rotschopfes lauschte. Dann, auf einmal, ein erschrockener Schrei aus dem Garten hinter dem Haus. Blitzartig wirbelte er herum, lief so schnell er konnte in die Richtung aus dem der Schrei an sein Ohr gedrungen war. "REI?!?" Nur ein leises Stöhnen antwortete ihm, das seine Angst um seinen geliebten Violinisten zur Hysterie schürte, denn es dauerte eine Weile bis sich seine Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann jedoch sah er sich hektisch um bis - eine schlanke Gestalt, die wie ein bewusstloser Elf im Gras neben dem Teich lag, seine Aufmerksamkeit erregte. Erschrocken ging er vor dem benommen Blinzelnden in die Knie. "Rei?", flüsterte er besorgt, strich ihm die seidigweiche Haarsträhne von den Lippen. "Alles in Ordnung, Kleiner?" "Nhh... Sehe ich so aus?", murmelte Rei und verzog wehleidig das Gesicht. Kopfschütteln streichelte er über den schmerzenden Kopf seines persönlichen Traumprinzen. "Komm,", flüsterte er sanft, "ich bring dich wieder rein und dann zurück mit dir ins Bett. Du gehst heute keine zehn Meter mehr, hast du mich verstanden?" "Ich will aber hier liegen bleiben", nuschelte der Jüngere, ließ den Schwarzäugigen genervt aufseufzen, bevor er erneut nachgab, liebevoll und entschuldigend wisperte: "Bitte, Rei! Auch wenn ich dir heute offensichtlich gar nichts recht machen kann - es tut mir doch ehrlich Leid! Ich wollte dich weder verletzen noch verärgern, hörst du? Ich bin vielleicht ein emotionaler Trampel, aber hey - kann ja nicht jeder Empath sein und findest du nicht, dass ich ne zweite Chance verdient hab?" "Wozu? Sterngucken ist besser als das Bett zu hüten", grinste Nereis schwach und zog Shay mit schon wieder fast gewohnter Frechheit zu sich runter, damit er seinen Kopf auf dessen Bauch legen konnte, um fasziniert nach oben zu schauen. "Du miese kleine Kröte, du!", lachte Shay erleichtert und zog ihn hoch an seine Brust, ignorierte einfach die Tatsache, dass ihm ob der Nähe schwindelig wurde. "Nicht Kröte! Froschkönig, du Ignorant!", rief der Rothaarige schmollend. "So?", fragte er, kostete dann ausgiebig von den wundervoll bittersüßen Lippen, bevor er flachsend feststellte: "Ich seh noch immer bloß ne Kröte!" "Shay!", rief sein junger Freund empört, doch der hielt ihn nur lachend fest: "Hey - ich steh auf Kröten!" "Arsch!", beschwerte sich der Blauäugige, stützte sich auf seiner Brust ab, um ihm wütend in die Augen zu funkeln, machte aber keine weiteren Anstalten aufzustehen. Der so äußerst schmeichelhaft Betitelte zeigte jedoch nur ein makelloses Zahnpastalächeln: "Meine Schokoladenseite - ich weiß!" "Du bist ein Ekel!" Shin-Ayumi Tamiki, wie Shay eigentlich und mit vollem Namen hieß, erstarrte, ein dunkler Schatten legte sich auf sein Gesicht. Traurig lächelnd stand der Blauhaarige auf, entfernte sich ein Stück von dem Mann, der soeben erfolgreich versuchte, sein Herz in Milliarden Einzelteile zu zerlegen. "Shay?", wisperte Rei plötzlich leise. "Man, komm sofort zurück! Willst du mich etwa so hier liegen lassen? Und dann den Frauenzeitschriften was von echter Männerfreundschaft vorlabern, ja?!" Es war wirklich erstaunlich, wie ängstlich der sonst so selbstsicher-überhebliche Jugendliche klingen konnte. "Wem soll ich denn noch etwas von Männerfreundschaft erzählen, wenn... wenn-" Er schüttelte den Kopf, hob dieses Fliegengewicht von einem Geiger hoch ohne auf dessen Proteste zu achten, und warf ihn, in seinem Zimmer angekommen, ein wenig unsanft ins Bett, weil er sich fühlte, als müsse jede weitere Sekunde Körperkontakt unwillkürlich in einem emotionalen Tsunami enden. "Aah! Sag mal drehst du jetzt ab oder was? Was hast du eigentlich geschluckt heute?", protestierte Rei erbost und krallte sich offensichtlich mitten in einem Schwindelanfall an seinem Spannbettlaken fest. Shay hielt inne und drehte sich wieder um... "SCHEISSE VERDAMMT, JA!! ICH _BIN_ EIN ARSCHLOCH! SONST NOCH WAS, WAS ICH SCHON VORHER WUSSTE ODER DARF ICH MICH JETZT ERHÄNGEN GEHEN UM EUER HOCHWÜRDEN NICHT LÄNGER MIT MEINER ANWESENHEIT AUF DIESER ERDE ZU BELÄSTIGEN??" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)