Kimi no te no naka de... von black_rain (In deiner Hand...) ================================================================================ Kapitel 8: Für fünfzehn wundervolle Jahre mit dir ------------------------------------------------- An diesem Abend ging ich spät zu Bett und wäre vermutlich noch lange ruhelos durch das Haus getigert, hätte Muriel nicht so gute _Argumente_ gehabt, mit denen er mich doch noch unter die Decke lockte - und so sehr schaffte, dass ich "danach" schnell in seinen Armen wegdöste. Aber die Ahnung etwas vergessen zu haben blieb, zog sich sogar durch meine Träume hindurch wie ein grellroter Faden - und am nächsten Morgen vermischte es sich mit dem Gefühl auch noch etwas verloren zu haben. Zumindest was Letzteres anging fand ich jedoch schnell heraus, was mich aufgeweckt hatte: Der Platz neben mir war kalt und leer, Muriel schon längst aufgestanden. Für mich eine ungewöhnliche Situation, da ich als Yakuza allgemein einen sehr leichten Schlaf zu haben pflegte und normalerweise sofort aufwachte, wenn die wärmenden und schutzbietenden Arme meines Geliebten plötzlich fehlten, denn es war eine Eigenart von Muriel, dass er mich im Schlaf immer unbewusst umarmte, wenn nicht _umschlang_, als hätte er Angst, jemand könne mich ihm wegnehmen oder ich von ihm fortgehen. Natürlich tat ich das nicht, kuschelte mich im Gegenteil nur jedes Mal zufrieden bei ihm an, sodass niemand, der uns in diesem Augenblick sah, ernsthaft geglaubt hätte, wir seien zwei - verliebte -Yakuza statt eines ganz normalen, wenn auch schwulen Pärchens. Ein leises Klirren ließ mich mit geschlossenen Augen blinzeln, schärfte in Sekundenbruchteilen meine Wahrnehmungsfähigkeit, ließ mich nun auch den sanften Duft von grünem Tee und anderen Bestandteilen eines offensichtlich sehr aufwendigen Frühstücks wahrnehmen. Einen Moment lang erschrak ich, überlegte, ob ich vielleicht einen wichtigen Anlass vergessen hatte, aber Muriels Geburtstag war im September, unser Jahrestag im Juni... und im Augenblick hatten wir April, also.... "Alles Gute zum Geburtstag, Liebling", hauchte mir Muriel mit einem Kuss auf die Lippen. "Geburtstag?", wiederholte ich verblüfft. "Wer? Ich?" "Ich sehe hier niemand anderen im Raum, den ich Liebling nennen könnte geschweige denn würde, Schatz", wies mich Muriel schnurrend hin und gab mir noch zwei Küsse, da aller guten Dinge bekanntlich drei waren. Wohlig erwiderte ich die Bemühungen der feuchtwarmen Zunge in meinem Mund, ließ sie irgendwann wieder frei, um meine Augen zu öffnen und in Muriels blaue zu blicken, gedankenverloren durch die silberweißen Haare zu streicheln. Schon wieder war ich ein Jahr älter geworden und abgesehen davon, dass es sich kein Stück anders anfühlte als noch vor einem Tag und ich mein Jahr mit Muriel ausgiebig genossen hatte, schien es im Nachhinein doch sehr schnell an mir vorübergezogen zu sein. Irgendwie war das immer so. Jedes Mal wenn ich Geburtstag hatte war ich überrascht darüber, weil sich die vergangene Zeit irgendwie nie nach einem ganzen Jahr anfühlte und auch die vierundzwanzig Stunden eines Tages kamen mir oft zu wenig vor in Anbetracht der Fülle von Tätigkeiten, die ich gerne an einem Tag tun würde. Aber dass ich meinen eigenen Geburtstag so sehr ignoriert hatte war mir auch noch nie passiert... Nun, es gab wohl wirklich für alles ein erstes Mal... "Was ist? Bist du gar nicht neugierig auf dein Geschenk?", wollte Muriel erwartungsvoll wissen. Ich lächelte warm, rieb meine Nasenspitze leicht an der seinen. "Alles, was ich haben will, Muriel, liegt gerade auf mir und hält mich in den Armen...", flüsterte ich ihm liebevoll zu. "Aber ich kann mich doch nicht selbst verschenken!", erwiderte mein großer Bruder ungeduldig. Er schien mir sein Geschenk wirklich unbedingt zeigen zu wollen, also wog ich alle Variablen gegeneinander ab und fragte schließlich: "Hast du es denn hier?" "Nein, ich hatte ja nicht damit gerechnet, dass du gleich aufwachst, sobald es hier nach Frühstück riecht..." Schmollend verzog ich den Mund. "Willst du etwa behaupten ich sei verfressen?" Mein weißhaariger Elf lachte leise. "Nein - und selbst wenn es so wäre, hättest du immer noch eine perfekte Figur, Liebling... Aber, wenn ich es mir recht überlege, kannst du manchmal wirklich ganz schön gierig werden..." "Aber nur wenn es um dich geht, also schenk mir lieber noch einen Kuss, davon kann ich nämlich wirklich nicht genug bekommen", antwortete ich, weil mir die Idee gar nicht gefiel, Muriel in den nächsten 15 Stunden wieder loslassen zu müssen... "Erst das Geschenk!", bestimmte Muriel unbarmherzig und glitt vorsichtig von mir herunter. "Was ist es denn? Ein Trennungsgutschein oder wie?", gab ich pikiert zurück, weil er mich an meinem Geburtstag versetzte - wenn auch nur für eine Minute und mein Geburtstagsgeschenk... Muriel jedoch stockte sofort. "Brauchst du den denn?", fragte er leise, strich mit seinen Fingern behutsam über die gutverheilte Narbe an meinem Bauch ohne mich dabei anzusehen. Seufzend kam ich in die Senkrechte und setzte mich auf seinen Schoß, umschlang meinen Liebsten fest mit allen Vieren und blickte ihm direkt in die Augen. "Verzeih, das war dumm von mir... Natürlich brauche ich so etwas nicht... Schließlich möchte ich mein ganzes Leben lang bei dir sein...", entschuldigte ich mich zerknirscht und haschte, um Verzeihung heischend, nach seinem schön geformten Mund. Einen Moment schien mein großer Bruder zu überlegen, dann lächelte er wieder - und das konnte nur Gutes bedeuten, wie ich zufrieden für mich feststellte. "Also gut... wenn das Geschenk nicht zu Ayumi gebracht werden soll, muss eben Ayumi zum Geschenk gebracht werden", erklärte er grinsend, schob seine Hände unter meinen Hintern und bevor ich noch wusste wie mir geschah, wurde ich auch schon von Muriel aus dem Zimmer getragen. Erschrocken klammerte ich mich an ihm fest, aber dann befand ich es auch schon für angebracht, mich zu beschweren: "Muriel! Lass mich gefälligst runter!" "Mh... ich glaube nicht, dass du das wirklich willst, Liebling", erwiderte mein Angebeteter seelenruhig, setzte mir neckend einen Kuss in die Halsbeuge, bevor er vorsichtig die Treppen hinunterschritt und mich ins Wohnzimmer trug, wo er mir dann mit etwas Verspätung doch noch gehorchte. Bloß, dass ich nun zwar auf meinen eigenen Füßen stand, aber noch immer an seinem Hals hing - schließlich war ja nur von herunter- und nicht LOSlassen die Rede gewesen. "Na komm - sei kurz brav und mach die Augen zu, ja? Ich lass dich auch nicht los", versprach er belustigt, küsste sich dann an meinem Brustbein hinunter bis hin zum Bauchnabel und während ich gehorchte, konnte ich fühlen, wie er mit einem Arm um meine Beine herum zum Tisch griff, dann glitten seine Lippen wieder an mir nach oben, betupften kurz meine geschlossenen Lider, flüsterten "Für fünfzehn wundervolle Jahre mit dir", als ich plötzlich ein schweres in Leder gebundenes Buch in den Händen hielt. Überrascht blickte ich auf den Einband. Es gab keinen Titel, nicht einmal auf dem Buchrücken, nur eine schwarze Prägung auf dem elfenbeinfarbenen Leder in Form eines Panthers umrankt von einer Rose. Fragend blickte ich in die saphirblauen Augen meines Geliebten. "Was ist das?", fragte ich neugierig, doch er lächelte nur mit vorfreudig blitzenden Augen und erwiderte: "Sieh selbst..." Folgsam setzte ich mich auf eines der Kissen, bedeutete ihm dasselbe zu tun und legte das Buch behutsam auf den Tisch zurück. Noch einen Moment zögerte ich, dann schlug ich gespannt den Deckel um. Die erste Seite beinhaltete das gleiche Bild wie der Deckel, nur dieses Mal in der getuschten Version und umgeben von einer Widmung, welche die ganze restliche Seite füllte und so wunderschön geschrieben war, dass ich unwillkürlich nach Muriels Hand tastete und sie nach erfolgreichem Auffinden gerührt mit der meinen verschränkte, die liebevollen Worte noch dreimal las, bevor ich eine Seite weiterblätterte. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, doch das, was ich erblickte, ließ mir den Atem stocken. "MURIEL!", rief ich erschrocken, blätterte hastig einmal alles durch, um meine Vermutung zu bestätigen, dass auch die anderen Seiten auf ähnliche Weise gefüllt waren. Und auf einmal wusste ich nicht mehr wohin mit all meiner seligen Ergriffenheit, also fiel ich Muriel spontan um den Hals und küsste ihn wortwörtlich zu Grunde, denn keine zwei Sekunden später lag er rücklings auf dem Boden und wurde von mir nur so mit Liebkosungen überhäuft. "Du... mein Gott, dass... wie... ich liebe dich", murmelte ich hingerissen, bedeckte sein ganzes Gesicht mit leichten Küssen, bis er schließlich doch wieder einschritt, sich auf- und mich zwischen seine Beine setzte, sodass ich mir das Buch in seinen Armen noch einmal in Ruhe ansehen konnte: Auf jeder der folgenden Seiten befand sich eine großartige Malerei oder Zeichnung in unterschiedlichstem Stil, die einen Moment unseres gemeinsamen Lebens wiedergab. Es begann mit einem Bild von dem neunjährigen Muriel, der einfach über die Straße vor ein Auto lief, gefolgt von mir als erschrockenem Sechsjährigen; eine Bleistiftzeichnung der Szene, als er mich daraufhin im Krankenhaus besuchte, folgte. Alle wichtigen und schönen Momente fand ich auf den unzähligen Seiten wieder, manchmal auch alltägliche Szenerien, die aber trotzdem hübsch und vertraut wirkten: Das erste Mal, dass ich - natürlich mit ihm zusammen - mit einem Riesenrad gefahren war, ein Kuss unter einem erblühten Kirschbaum... alles war so unglaublich fein ausgearbeitet, obwohl er nur aus seiner Erinnerung gemalt haben konnte, da die meisten Augenblicke ja nie fotografiert worden waren und er höchstens Bilder aus der jeweiligen Zeit zur Hilfe hatte nehmen können, um unser Aussehen damals genau wiederzugeben, und doch schien er kein einziges Detail - zumindest kein einziges, an das auch _ich_ mich erinnern konnte - vergessen zu haben, als hätte sich ihm jede Sekunde mit mir tief in sein Gedächtnis eingebrannt. "Das... das ist so... unbeschreiblich... schön....", flüsterte ich noch immer fassungslos und betrachte das letzte Bild, auf dem ich wie vor wenigen Minuten mit geschlossenen Augen dastand und dieses Buch in die Hände gedrückt bekam. "Du brauchst nur weitere zehn Jahre mit mir auszuhalten, dann bekommst du wieder eines zu unserer Silberhochzeit", flachste er mit einem scherzhaften Zwinkern. Warm lächelte ich ihm zu, küsste seine Stirn und hauchte ein inniges "Ich will dich mein Leben lang "aushalten", Muriel, nicht nur zehn Jahre..." Mein weißhaariger Geliebter nickte, doch seine Augen blieben ernst. "Zehn Jahre sind trotz allem eine lange Zeit, das sollte man nicht unterschätzen... Auch die fünfzehn Jahre, die wir nun miteinander verbracht haben, hielten viele Veränderungen für uns bereit, meinst du nicht auch?" "Das ist wohl wahr", sinnierte ich zustimmend und betrachtete nachdenklich unsere Finger, die ich ineinander verschlungen hatte. "Wann hast du diese Bilder überhaupt gemalt? Wenn ich es recht bedenke, habe ich dich seit der Schule nicht mehr malen sehen - obwohl du so talentiert bist." "Schon, aber ich brauche ein Ziel vor Augen, um zu malen, und eine Vorstellung. Von unserer Vergangenheit habe ich unendlich viele süße Erinnerungen behalten, aber bei anderen Dingen wird es schwieriger, besonders auch wenn Kreativität gefragt ist", antwortete Muriel. "Nun weiß ich aber immer noch nicht, wann du diese Bilder angefertigt hast, wenn ich es doch nie bemerkt habe...", erinnerte ich ihn. "Ich habe sie gemalt, wenn du mal wieder stundenlang telefoniert hast oder wenn... du einen Auftrag bekamst, den du allein durchführen musstest, und ich mich dann... nach dir gesehnt habe...", erwiderte er leise... und errötete leicht - ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man bedachte, dass hier noch immer die Rede von _Muriel_ war. "Ich liebe dich", hauchte ich ihm entzückt zu und zog seine Arme eng um mich. "So sehr..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)