Absolutely Black Rain von black_rain ================================================================================ Black Rain After Eight ---------------------- Disclaimer: Von vorne bis hinten alles meins, bis auf die extra gekennzeichneten Texte! Wer sich was ,ausleihen' will, soll bitte vorher um Erlaubnis fragen. Kommentar: Mh... mich hat jemand gefragt, wie ich überhaupt auf solche Sachen komme, wie ich sie hier beschreibe. Wie ich halt "so komplexe Charaktere mit einer durchgehenden Vergangenheit erschaffen" kann. Nun, ich denke, wer selbst nicht ganz normal ist und das auch nicht sein möchte (ich rede jetzt nicht von geistesgestört oder so - jedenfalls hoffe ich das -.^) und auch keine normale Vergangenheit hatte (gibt es sowas überhaupt?) der kann wohl auch über gar nichts anderes schreiben, als über mehr oder weniger ungewöhnliche Menschen mit mehr oder weniger ungewöhnlichen Vergangenheiten(wer mich kennt, weiß, dass Auriel und Rain - ob nun beabsichtigt oder nicht - z.T. einiges von mir "geerbt" haben ^^°). Wie soll man schließlich überzeugend über etwas in der Realität schreiben, das man nicht mal im Ansatz oder auch nur entfernt ähnliche Art erlebt hat und auch nicht bis aufs kleinste Detail genau recherchiert hat? Nja... nur mal so meine Theorie ^^° Das Chäppi hört wieder an einer Stelle auf, an der ursprünglich nur die betreffende Volume, nicht aber der ganze ACT zu Ende sein sollte, allerdings ist mir wie immer während des schreibens noch viel mehr eingefallen (worauf ich mich ehrlich gesagt auch schon richtig verlasse, da ich ja ein kapitel geschweige denn eine ganze geschi nie im leben von hinten bis vorne planen würde, weil ich so sehr für Spontaneität, Improvisation und Kreativität bin und solche trockenen Pläne nicht mag - halt mich ja eh nicht dran, selbst wenn ich es mal ernsthaft versuche...^^°). Es waren sieben Volumes geplant, aber nur 3 der Volumes hier, waren auch schon für diesen ACT konstruiert worden. Der Rest hat sich einfach so dazugeschlichen bzw. baute dann eine Szene weiter aus und so. Aber deswegen hab ich sie trotzdem genauso lieb ^-^ Egal, das wollt ihr wahrscheinlich gar nicht wissen ^^° Also: Viel Spaß beim Lesen (und Feedy oder ernsthafte Kritiken sind noch immer erwünscht ^-^ nicht nur für die story allgemein, sondern auch den act hier im speziellen *nicksu*) und verhaut mir Kay und Yves nicht - sie konnten ja nicht wissen, dass sie besser ein paar Minuten später hätten anklopfen sollen... ^-^ Act Eight: Black Rain After Eight [Schwarzer Regen Nach Acht] ~ Für Brian, meinen Lieblingshomo - ich hab dich ganz doll lieb *dich umwerf und durchknuddel* ~ VOLUME 1 . . . "Er lachte. "Jetzt bist du böse auf mich." "Nein", sagte sie. "Bin ich nicht." "So?", fragte er zweifelnd. Sie lächelte, schüttelte den Kopf und umarmte ihn. Er sah sie überrascht an. "Womit hab ich das denn verdient, wissensdurstiges Menschenkind?" "Darf ich dich nicht einfach so umarmen - ohne einen Grund zu haben?" "Ihr Menschen tut grundsätzlich nichts ohne Grund - und wenn auch nur aus dem, dass ihr etwas ohne Grund tun wollt", behauptete der Engel. "Liebe und Freundschaft brauchen kein Grund - nicht einmal bei uns Menschen!" ~aus der Kurzgeschichtensammlung "Träumende Seele Cassie", Teil 3: "Liebe", von Absolutely Black Rain~ . . . Mit einem Lächeln wachte er auf und es vertiefte sich noch, als das erste, was er sah, ein friedlich in seinen Armen schlummernder Auriel war. Doch neben jenen tiefen, ruhigen Atemzügen hörte er auch das leise Prasseln des Regens auf den Fensterscheiben und er freute sich noch ein wenig mehr. Regen bedeutete Wasser. Sein geliebtes Wasser... Und solange es nur Regen und kein Gewitter war, konnte er sich eigentlich nichts schöneres vorstellen - Auriel ausgenommen. Sanft küsste er dessen schlafgerötete Wangen. Sein schwarzhaariger Engel schnurrte leise, was ihm nun selbst das Blut in die Wangen trieb. Es klang einfach so zufrieden, so wohlig... doch dass _er allein_ dafür verantwortlich war, machte ihn nicht nur glücklich, sondern es führte auch zu der Frage, was Auriel noch alles schnurren lassen würde - und was nicht... Seufzend vergrub er sein Gesicht in dem dichten Wuschelkopf. Wenn Auriel ihm doch nur erlauben würde, ihn zu küssen und zu streicheln, ihn zu _lieben_, wann immer er es wollte. Es verlangte ihn pausenlos danach, die weichwarme Haut zu spüren, dem Kunststudenten seine Gefühle durch Berührungen auszudrücken, ihm so nahe zu sein, wie er es jetzt war. Aber er hatte einfach Angst, er könnte etwas tun, das jenen so ernsthaft verärgern könnte, dass er Silius von sich stieß. "Morgen", nuschelte Auriel verschlafen und rutschte ein bisschen herum, bis er halb auf Rain lag, seine warme Wange zufrieden an die Brust des Größeren gedrückt. Doch ehe Silius' Wangenrot vor Glück und ob der betörenden Nähe noch bedeutend tiefer werden konnte, war Auriel plötzlich wie vom Blitz getroffen von ihm gewichen und wäre dabei fast aus dem Bett gefallen. "I-Ich... ähm... tut mir Leid, ich... ähm... war wohl noch... nicht so... ähm... richtig wach", stotterte der Jüngere peinlich berührt. Für einen Augenblick zuckte der Schmerz durch ihn wie ein Strom weißglühenden Eisens, dann lächelte er nur traurig. "Warum? Warum tut es dir Leid? _Mir_ tut es nicht Leid, Auriel... und das wird es nie..." Auriel starrte ihn mit offenem Mund an, drehte sich dann hastig um und flüchtete förmlich mit einem leisen "Ich geh ins Bad" vor ihm. "Es wird mir nie Leid tun, hörst du? Nie! Weil ich dich liebe...", hauchte er ihm nach und verbarg sein Gesicht verzweifelt in seinem Kissen. Seine Wangen fühlten sich so heiß an... Warum spürte er nur dieses intensive, warme Gefühl von Glück durch sich fließen? Was... /Was machst du nur mit mir?/ Noch immer verschlafen wusch sich Auriel die Hände, trocknete sie nachlässig ab und kämmte sich ohne hinzusehen sein Haar. Aber mit einem Mal fing der Spiegel doch seinen Blick ein und ließ ihn innehalten, ließ die Hand mit der Haarbürste sinken und ihn diese weglegen. Schweigend betrachtete er sein noch recht müdes Gegenüber, strich verwirrt eine der langen Strähnen aus seinem Gesicht, um sich besser in die eigenen Augen sehen zu können. Sah er wirklich anders aus oder kam es ihm nur so vor? Nein... tatsächlich. Obwohl er noch so müde war, war es deutlich sichtbar. Nicht, dass sich sein Aussehen selbst irgendwie wirklich geändert hätte, aber er konnte sich nicht entsinnen, wann seine Augen ihn das letzte Mal so aus dem Spiegel angestrahlt hatten. Gleichzeitig sah er irgendwie auch erwachsener aus und... /Quatsch nicht so dumm rum! Niemand wird ohne jeden erkennbaren Grund über Nacht erwachsen oder auch nur so viel erwachsener, dass es sichtbar ist!/, rief er sich kopfschüttelnd zurecht und trotzdem... Dieses Gefühl war so stark, dass es schon fast fassbar, auf jeden Fall aber _fühlbar_ war. Ja... doch... man mochte über Rain denken und sagen, was man wollte, aber für Auriel hatte er die letzte Rettung bedeutet: Der schöne Student war es gewesen, der ihn aus diesem Sumpf des Selbstmitleids und der Unzufriedenheit gezogen hatte, in dem Auriel schon so tief versunken war, dass er nicht mehr aus eigener Kraft herauskommen konnte. Und gleichzeitig war es auch Silius, der im Gegenzug _Auriel_ brauchte, gleichzeitig war der Größere praktisch über Nacht zu jemandem geworden, den Auriel sehr mochte, der ihm doch soviel bedeutete, dass er sich auch ehrlich um _ihn_ sorgte, ihm jederzeit ohne jeglichen Hintergedanken helfen wollte und er vor allen Dingen auch von Rain _gebraucht_ werden wollte. /Vergiss nicht dein Make-up, Süße!/, dachte er - mit einer sehr interessanten Gesichtsfarbe - über sich selbst die Augen verdrehend. /Er ist ein _Kerl_, ein guter _Freund_ - nicht dein Lover!!!/ Seufzend drehte er den Wasserhahn wieder auf. Sein Kopf brauchte trotz der gerade eben erst genommenen Dusche wohl noch etwas mehr kaltes oder zumindest kühles Wasser, bevor er wieder klar denken konnte... "Das Bad ist frei", hörte er Auriel rufen und öffnete langsam die Augen, vernahm wie sein geliebter Mitbewohner in ihr gemeinsames Schlafzimmer verschwand, während er auf dem Balkon vor dem Wohnzimmer stand und den Regen auf sich niederfallen ließ. Nur wenige Minuten später war Auriel dann bereits selbst wieder im Wohnzimmer mit der Kochecke, schlürfte verlegen ein bisschen an seinem starken aber gut duftenden Kaffee. "Willst du nichts essen?", fragte er schließlich leise, da der Tisch nur für ihn gedeckt war und Rain sich lediglich einen grünen Tee gemacht hatte. "Nein. Kein Hunger", nuschelte er ebenso leise, bevor Silius sich umdrehte und wortlos duschen ging. Als er danach wieder aus dem Badezimmer herauskam und sich angezogen hatte, fand er Auriel mit seinem Kaffee an den Rahmen der Balkontür gelehnt vor, sog für einige Sekunden nur diesen Augenblick in sich auf, wie Auriel dort stand, die freie Handinnenseite dem Regen zugedreht und den Blick sonderbar verwundert, beinahe fragend zum Himmel gewandt. Und plötzlich verspürte er das Bedürfnis, es ihm zu sagen... ihm alles zu sagen... "Au-Auri, ich... ICH MAG DICH!", rief er... und wurde mucksmäuschenstill, sah nicht das leichte, dankbare Lächeln auf den Lippen seines Stadtkriegers, hörte nur was der schöne junge Mann, nach dem es ihn so verzehrte, antwortete: "Ich dich nicht!", erwiderte Auriel ungerührt. "Du machst dauernd Mist, trinkst zuviel Alkohol, isst aber zu wenig und überhaupt tust du dich dauernd-" Rain begann haltlos zu zittern und senkte den Kopf. Er wollte nicht, dass Auriel seine nassglänzenden Augen sah. "Ich verstehe... Vermutlich hast du Recht... Entschuldige bitte... Es war wirklich dumm von mir, zu glauben, ein so wundervoller Mensch wie du könnte mich mögen...", flüsterte er rau... und ging. Auriel drehte sich verdattert um und sah ihm entgeistert nach. "Rain, warte, was... was war das denn jetzt?", brachte er bestürzt hervor, nachdem er endlich wieder der Sprache mächtig war. Für einen Moment drehte sich alles in ihm, während sein Herz aus seiner Brust springen wollte und er keine Luft mehr bekam - und er wusste nicht einmal weshalb, konnte sich nur schwer am Türrahmen abstützen. Er bekam Panik, aber es rührte weniger daher, dass er befürchtete, im nächsten Moment wegen Sauerstoffmangel das Bewusstsein zu verlieren, sondern viel mehr daher, dass Rain gegangen war... und vor allen Dingen _wie_ er gegangen war. Nach einem Augenblick war der Schwindelanfall überstanden und er ließ sich nur noch eine kurze Sekunde bevor er Rain hastig nachlief, verfluchte die roten Schnürsenkel seiner schwarzen Schuhe, die sich einfach nicht so schnell zumachen ließen, wie er es gern gehabt hätte. /Verdammt, wieso hat er das ernst genommen?/, dachte er mehr als nur ein bisschen beunruhigt. Er wollte es sich noch nicht recht eingestehen, aber er wollte Rain auch nicht wieder verlieren, nur weil er einmal nicht darauf geachtet hatte, was er sagte. /Und warum klang es so... unglücklich? Scheißescheißescheiße.../ Während er durch den Gang rannte, begann sein Herz um ein Vielfaches schneller zu schlagen, aber das lag bestimmt nicht an dem rekordverdächtigen Sprint, den er gerade hinlegte. /Ist ihm meine Freundschaft etwa doch so wichtig...?/ Wie nicht anders erwartet fand er Rain unter "seinem" Kirschbaum, ließ sich erleichtert neben ihn sinken, wurde plötzlich verlegen, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Da er jedoch nichts Geeignetes zum daran Herumnesteln hatte, nahm er fast unbewusst Rains linke Hand in die seine. Ihm war aufgefallen, dass Rain alle möglichen Dinge abwechselnd mal mit der linken mal mit der rechten Hand machte, dass er nicht wirklich Rechts- und nicht wirklich Linkshänder war, auch wenn er - besonders zum Schreiben - die Linke zu bevorzugen schien. Schüchtern strich er über die Hand, tastete alle Linien, Wölbungen und Tiefen ab, um sich irgendwie abzulenken und vor allem zu beruhigen. /Was mache ich jetzt nur?/, fragte er sich hilflos. Und da er wirklich nicht wusste, was er sagen sollte, was jetzt richtig und was unangebracht war, sagte er, ohne auf- oder gar nach rechts zu Rain zu blicken, einfach das, was ihm sein Gefühl eingab: "Hey... Silius... Das war nicht so gemeint... Ich... mag dich doch auch, Rain..." Niedergeschlagen hockte er sich unter seinen Lieblingsbaum, doch auch der konnte ihm im Moment keinen Trost spenden. Es tat so weh... Er schloss die Augen, versuchte das Zittern zu unterdrücken, sich einfach nur darauf zu konzentrieren, tief ein- und auszuatmen, versuchte an nichts weiter zu denken als den kühlen Regen, der vereinzelt durch die dichte Baumkrone auf ihn nieder tropfte. Doch es half nichts. Verdammt es half nichts! Auriel mochte ihn nicht, ja, wahrscheinlich verachtete er Silius insgeheim sogar und war einfach nur zu sehr Gentlemen, als dass er es offen aussprechen würde!! Sein Herz krampfte und gleichzeitig war er völlig betäubt, konnte nichts mehr tun, nahm nichts mehr wirklich war, bemerkte die andere Person erst, als jemand seine Hand nahm und sie behutsam streichelte. Und irgendwie beruhigte ihn das tatsächlich ein wenig - weil es ihn an Auriels Hände in der Realität, aber auch auf dem Bild erinnerte... womit es ihm gleichzeitig wieder die Tränen in die Augen trieb. Und in diesem Augenblick vernahm er Auriels Stimme, zuckte schon unter dem leisen "Hey" heftig zusammen und fühlte sich von den sanften Fingern plötzlich wie mit einschlägigen Methoden des tiefsten Mittelalters gefoltert. Als er aber die weiteren Worte seines Herzbegehrens hörte, blieb sein Herz plötzlich stehen. Von einer Sekunde auf die andere wieder auf Wolke Sieben sah er hoffnungsvoll auf: "Wirklich?", fragte er leise. "Ja", nickte der andere Student nur. "Ja, Silius", wiederholte er bekräftigend und endlich lächelte Rain wieder. Doch die Wehmut in seinem Lächeln gefiel ihm ganz und gar nicht. /Was hab ich Idiot denn jetzt nur wieder falsches gesagt?? Verflucht Auriel, du Gefühlsklotz! Du merkst es noch nicht mal, wenn du ihn verletzt!/, dachte er auf sich selbst wütend, war nun wirklich schon fast am Verzweifeln und konnte doch nichts dagegen tun. "Es ist nicht dasselbe...", sagte der Langhaarige leise und spielte nun seinerseits gedankenverloren mit Auriels Händen, als wäre an ihnen etwas besonderes. Der Jüngere blinzelte verwirrt. "Wieso nicht?" "Ich mag dich viel mehr als du mich", hauchte der Größere samt einem kleinen Küsschen und einem mehr als seltsamen Lächeln an sein Ohrläppchen, sodass er (wohlig!?) erschauerte, und stand langsam wieder auf. "Hey! Gar nicht wahr!", rief Auriel empört. "Doch glaub mir, Auriel", lächelte Silius traurig und verwuschelte ihm in einer väterlichen Geste das Haar. "Aber das ist nicht so schlimm... Es bedeutet mir schon sehr viel, wenn du mich überhaupt magst..." "Erzähl nicht so'n Mist", murmelte der Grünäugige nachdrücklich. "_Natürlich_ mag ich dich..." Rain lächelte ihn nur ein wenig melancholisch und irgendwie auch so sonderbar sehnsüchtig an, trat dann unter den ausladenden Ästen hervor und stellte sich mit in den Nacken gelegtem Kopf in den Regen, sodass das schlichte schwarze Hemd mit dem glänzenden schwarzseidenen Besatz an den Säumen und die tiefblauen Jeans bald an seinem Körper klebten wie eine zweite Haut. "Du magst Wasser wirklich sehr, nicht wahr?", fragte Auriel leise, auf eine unerklärbare Art und Weise davon fasziniert, wie Rain tatsächlich im Regen zu erblühen schien und sich der Regen seinerseits regelrecht an die Haut seines Namensvetters schmiegte. Rain nickte wortlos und sagte eine ganze Weile nichts, bevor er sich doch zu erklären begann: "Ich _liebe_ das Wasser", sagte er fast tonlos. "Ich liebe dieses sanfte Gefühl auf meiner Haut, wie tausend sanfte Fingerspitzen. Ich liebe das kalte Nass, das die Sinne schärft und ich liebe das warme Wasser, das dir das Gefühl von Liebe und Geborgenheit vermittelt. Ich liebe die Schwerelosigkeit, als würdest du von unzähligen behutsamen Händen getragen und ich liebe das Gefühl wie ein Delphin durch das Wasser zu tauchen und dabei Lichtreflexe an der Oberfläche zu beobachten. Und ich liebe diese unendliche Ruhe, die unter Wasser herrscht, wenn man sich nur still verhält... Ich liebe es so sehr, dass ich, wenn mein Leben zu Ende geht... in den Händen meines Liebsten unter einem Kirschbaum sterben und im Ozean meine letzte Ruhe finden will..." Wieder begann sein Herz schneller zu schlagen. /In den Händen seines Liebsten... Stopp! _Seines_ nicht _seiner_??/, verwirrt blickte er Rain an. /Hat er vielleicht schon jemanden, den er liebt und traut es sich nur nicht, ihm das zu sagen?/, grübelte er nachdenklich, schüttelte dann aber hastig den Kopf um diese Gedanken loszuwerden, die ihn irgendwie beunruhigten. /Er und sich nicht trauen - wer's glaubt wird selig. Und selbst wenn - das ist seine Sache und geht dich nichts an. Seit wann steckst du deine Nase in anderer Leute Privatangelegenheiten?/ Er schluckte trocken, als er sich der Antwort klar wurde. /Seit Rain.../ Langsam stand er auf und ging auf das derzeitig ungeschlagene Hauptthema seiner Gedanken zu, blieb schüchtern vor ihm stehen. Unsicher fuhr er sich durch sein Haar, wusste nicht so recht etwas mit sich anzufangen, bevor er Silius einfach - wenn auch sehr zaghaft - umarmte, ehe er es sich vielleicht anders überlegen konnte. "Das hört sich sehr romantisch an", lächelte Auriel nur. "Aber ich kann es mir gut vorstellen..." Seufzend vergrub Rain sein Gesicht in Auriels feuchtnassen Haaren. Wenn er es doch nur so unvermissverständlich sagen könnte, dass Auriel es auch richtig verstand... ,Ich liebe das Wasser... aber dich liebe ich noch tausendmal mehr...' Ja, wenn er das nur sagen könnte... Doch würde sich Auriel dann bestimmt von ihm abwenden und er würde nie wieder diese wundervolle Nähe spüren können... Andererseits... hätte ein "normaler", heterosexueller Mann - mal ganz davon abgesehen, dass Auriel für Rain ohnehin kein _normaler_ Mann war - selbst ohne ein unmissverständliches Liebesgeständnis derartige Nähe und Zärtlichkeiten von einem anderen, fast unbekannten Mann wirklich zugelassen? War er für Auriel wenn auch niemand, den man lieben könnte, so vielleicht doch mehr als nur ein... guter Bekannter? /Muss ich dich wirklich irgendwann wieder loslassen? Können wir nicht für immer hier stehen und uns einfach nur umarmen?/ Unwillkürlich verstärkte er seine Umarmung etwas, während er in vollen Zügen Auriels beruhigende, sanfte Nähe genoss. "Auri?", flüsterte er auf einmal. "Hm-m?", machte der nur, das Gesicht an Rains Hals vergraben. "Darf ich dich küssen?", fragte er mit unmerklich zitternder Stimme, während alles in ihm aufschrie und diese Worte unausgesprochen machen wollten. "Bitte...?" Als Auriel unter den Worten zusammenzuckte, schnitt ein rostiges stumpfes Messer in sein Herz - nein, sein ganzes Wesen! Dann lehnte sich der junge, grünäugige Mann in seinen Armen zurück, um ihm in die Augen zu sehen und fragte nur leise: "Warum?" Rain schluckte krampfhaft. "Weil... weil es... schön ist...", antwortete er schließlich ergeben und wartete darauf, dass Auriel ihm eine Ohrfeige versetzte oder davonrannte. Plötzlich schien das einzige, was Auriel noch durch den dicken Nebel, der sich wie Watte um ihn gelegt hatte, wahrnahm, ihre beiden viel zu hastigen Herzschläge und Rain zu sein... Rain, wie er ihn wirklich... _ängstlich_ ansah, Rain, wie er ihn festhielt, damit er nicht hinfiel und ihn gleichzeitig scheinbar nie mehr gehen lassen wollte. Und er hatte selbst Angst. Angst davor, etwas antworten zu müssen oder viel mehr Angst davor, _was_ er antworten würde und was dies dann bedeutete... Wehrlos sah er zu dem Größeren auf, verlor sich in diesen unglaublichen meerblauen Augen wie in einem Labyrinth ohne Ausgang und wollte aus diesem ätherischen Irrgarten eigentlich auch nie wieder entkommen, blickte dann auf die leicht zitternden vollen Lippen, die sich auf Auriels Mund legen wollten. Sich völlig hilflos fühlend hob er eine Hand und strich mit einem Finger vorsichtig über die weichwarmen, blassrosenen Lippen als habe er Angst, er könne dieses Wunder durch eine zu heftige Berührung für immer zerstören und wurde sich bewusst, wie Recht Silius doch hatte: Es _war_ schön, von ihm geküsst zu werden, egal wie sehr es ihn auch erröten ließ oder wie peinlich ihm das vielleicht vor anderen sein mochte. Nein, das änderte wirklich nichts an der Tatsache, dass er von Rain geküsst werden _wollte_, weil es sich gut anfühlte und er dann jegliche Sorgen und Gedanken von sich schieben, einfach nur genießen konnte, weil es ihm dieses wunderbare Gefühl von Geborgenheit schenkte und ihm zeigte, dass es doch noch jemanden gab, der ihm so etwas wie Liebe entgegenbrachte, wenn auch nur in einer einfacheren Form - Freundschaft genannt. "Uhm, ich...", er senkte mit brennenden Wangen den Blick und musste sofort wieder aufblicken und sich an die haltgebenden, blauen Augen seines - /..._meines_...?/ - innerlich wie äußerlich _schönen_ Mitbewohners klammern. "I-Ich möchte... nicht, dass du mich vor anderen Leuten küsst...", flüsterte er und redete hastig weiter, bevor der andere es vielleicht falsch verstand und ihn nicht mehr ausreden ließ, "aber... wenn du das respektieren kannst, dann... würde ich es sehr gerne... wollen..." Plötzlich fühlte er sich durch dieses... _Geständnis_ völlig entwaffnet und vergrub sein Gesicht schnell wieder an Silius' Hals, um nicht jenem alles durchdringenden Blick standhalten zu müssen, und krallte doch gleichzeitig seine Finger in Silius' Ärmel, wollte ihn im Augenblick um nichts in der Welt loslassen müssen. Und das musste er auch nicht, denn in jenem Moment hob Rain vorsichtig Auriels Kinn und drückte leidenschaftlich - ja, geradezu gierig und ausgehungert - und doch sehr behutsam seine Lippen auf diesen so unendlich süßen Mund und _zeigte_ Auriel einfach wie stark seine Gefühle für ihn schon nach so wenigen gemeinsamen Tagen waren, wenn er schon nicht dazu fähig war, es auszusprechen.[1] - - - - - - [1] Irgendwie muss ich gerade heulen... ^^° *trotzdem strahlen tut* VOLUME 2 . . . "An Rheumatismen und an wahre Liebe glaubt man erst, wenn man davon befallen wird." ~ Marie von Ebner-Eschenbach ~ "Wer Liebe sucht, findet sie nicht; sie überfällt uns, wenn wir sie nicht erwarten." ~ George Sand ~ . . . Schwer keuchend löste Auriel seinen Mund von Rains Lippen. Das Geräusch des Regens, das mit ihren hastigen Herzschlägen synchronisierte, ließ ihm schwindelig werden, aber Rains Nähe und dieser... _Blick_, mit dem die bodenlos blauen Augen ihn bedachten, beschworen in ihm ein Gefühl herauf, als müsse er jeden Moment unter ihm verbrennen, jedoch noch viel schmerzhafter sterben, wenn er seine eigenen Augen auch nur für einen Sekundenbruchteil von ihnen abwandte. Und plötzlich beschwor das Gefühl von Rains heftig schlagendem Herzen an Auriels Brust eine Erinnerung vor ihm auf, ließ ihn zurückdenken an eine Sekunde, die nach dem Kalender erst vor wenigen Tagen und scheinbar doch so vielen Ewigkeiten vergangen war: Der Augenblick, in dem Rain ihn das erste Mal geküsst hatte. Und obwohl er es noch einen Moment zuvor für unmöglich gehalten hätte, schlug sein Herz nun noch etwas schneller. Er erinnerte sich an dieses wahnsinnigmachende, aber schöne, schlicht und einfach _gute_ Gefühl, von dem er gekostet hatte, als Rains Zunge zärtlich schmeichelnd und liebevoll werbend in Auriels Reich eingedrungen war. Damals hatte er sich keine Gedanken darüber gemacht, hatte sich keine Gedanken darüber machen _können_, aber jetzt... jetzt fragte er sich zum ersten Mal in seinem Leben, ob es nicht möglich war, dass Rain Recht hatte, mit dem was er vor einiger Zeit behauptet hatte: Dass das Geschlecht keine Rolle spielte, nicht von Bedeutung war, wenn man jemanden mochte. /Mochte? _Magst_ du ihn wirklich nur?/, fragte ihn eine schleichende Stimme nachdenklich. /Ist es nicht vielleicht doch die noch schüchtern leise Ahnung von viel mehr?/ Auriel runzelte, ernsthaft darüber nachdenkend, die Stirn, schüttelte dann aber innerlich sehr bestimmt den Kopf. Nein. Man konnte sich unmöglich so schnell verlieben. Liebe brauchte Zeit und außerdem benötigte sie Vertrauen... _beiderseitiges_ Vertrauen... und noch konnte man von keinem von ihnen beiden verlangen, dass sie dem jeweils anderen wirklich vorbehaltlos trauten. Nicht nach all den Enttäuschungen, die sie in ihrem noch jungen Leben schon hatten ertragen müssen. Was der Grünäugige jedoch nicht leugnen konnte - was er nebenbei bemerkt auch gar nicht _vorhatte_ -, war, dass es sich gut anfühlte, so in Rains Arme geschlossen zu werden, dass er dem schönen Studenten Vertrauen schenken wollte. Es war sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig, aber eigentlich gefiel ihm Rains Art auch Zuneigung von freundschaftlicher Art, auf eine viel intimere Weise zu zeigen, denn irgendwie war sie... ehrlicher. Er hatte das Gefühl, in genau diesem Augenblick jeden einzelnen Gedanken hören zu können, der Silius durch den Kopf ging, ebenso wie er sich von jenem bis auf den Grund seiner Seele durchleuchtet fühlte. Und er wusste, dass er es wissen wollte. Dass er endgültig wissen wollte, ob es tatsächlich so unbedeutend war, ob man selbst nun männlich oder weiblich war, ob _der andere_ das eigene oder konträre Geschlecht besaß. Mit geröteten Wangen sah Auriel in Rains Augen, die etwas höher über den seinen hingen. Silius' Mund war leicht geöffnet und er sah Auriel einfach nur an, doch schon das rief ein merkwürdiges, seltsam kribbelndes Gefühl in jenem hervor. Der Kunststudent sah, wie sein Mitbewohner mit sich kämpfte, und musste einen Moment lang schlucken. Doch dann nickte er leicht und ohne dass er es selbst bemerkte. Ja, jetzt gab es kein Zurück mehr, zu wichtig war ihm plötzlich die Antwort auf jene schwerwiegende Frage. Und da Rain keine Anstalten machte, irgendetwas anderes zu tun als ihn so leicht verlegen und irgendwie fasziniert anzustarren, übernahm der Jüngere den ersten Schritt, schlang vorsichtig seine Arme um den Hals des Größeren, um ihn so zu einem sanften Kuss zu sich hinunterzuziehen. Wieder bemerkte Auriel diese unendlich weichen Lippen und diesen verwirrenden, süßlichbitteren Geschmack und noch eine Weile lang spielte er ein wenig unsicher und fragend mit Rains Mund, dann öffnete er auffordernd die Lippen. Er hatte mit einem Mal Angst, etwas falsch verstanden zu haben und wenn Silius es wirklich wollte, wenn jener bereit war, ihm die erhoffte Antwort zu geben, würde er dieser Einladung schon von selbst nachkommen. Zumindest hoffte er das... Für einen Moment jedoch tat sich nichts, noch immer schien der Ältere überrumpelt von Auriels überraschender Initiative. Dann fühlte er plötzlich, wie sich zwei starke Arme behutsam etwas fester um seine Taille schlossen und ihn näher gegen Rain zogen, spürte plötzlich eine noch unbekannte und doch nicht gänzlich fremde, warme Zunge in seinem Mund, die erkundend seine eigene anstupste, als wolle er sagen ,Komm schon her, ich will spielen.' Und Auriel wollte gerne mit dem schönen Schwarzhaarigen spielen, ging selbst mit Feuereifer auf das kleine Duell ein. Er spürte, wie sanfte Schauer über seinen Rücken liefen und sich ein Gefühl von glühender Hitze in ihm auszubreiten begann, nahm gleichzeitig Rains Geruch wahr, sog ihn tief in sich ein und genoss das, was er tat, auch wenn er nicht wirklich wusste _was_ er da tat. Viel zu schnell begannen seine Lungen stetig lauter werdend nach Sauerstoff zu schreien, ließen sich schließlich leider nicht mehr einfach verdrängen, sodass Auriel widerwillig von Rain ablassen musste, sich keuchend gegen den harten und doch weichen Körper stützte, da er seinen weichen Knien im Moment nicht über den Weg trauen mochte. Noch völlig gefangen zog er mit seinen Fingerspitzen Silius' gerötete Lippen nach. "Merkwürdig", hauchte er leise. Rain sah ihn fragend an, drückte ihn sanft. Selbstvergessen schmiegte Auriel seine Wange in Rains Halsbeuge, um noch etwas seine Nähe zu genießen und bequem weitersprechen zu können. "Es... ich habe es mir ganz anders vorgestellt... einen Mann zu küssen... richtig zu küssen, meine ich." Die Farbe von Auriels Wangenrot nahm noch etwas zu. "Nicht dass ich je viel darüber nachgedacht hätte, aber... das hier ist so... ganz anders, als... alles was ich erwartet hatte. Seltsam... seltsam aber irgendwie... schön..." Er hörte, wie Silius leise aufseufzte. Unsicher lehnte er sich in den haltgebenden Armen des anderen etwas zurück und sah ihn ein wenig ängstlich an. Er konnte sich nicht helfen - in diesem Augenblick befiel ihn ganz plötzlich die irrationale, aber nicht verdrängbare Angst, etwas falsch gemacht zu haben oder noch schlimmer, dass... mit brennenden Wangen musste er die Augen schließen um sich zu beruhigen, bevor er Rain wieder in die Augen sehen konnte und sich sein Gedanke bestätigte. Ja, noch schlimmer wäre es, wenn es Rain vielleicht nicht so sehr wie ihm gefallen hatte, es ihm vielleicht _überhaupt nicht_ gefallen hatte und er das nur für Auriel oder... aus Gewohnheit getan hatte. Schließlich küsste Rain dauernd - jedenfalls nahm er das an - und hatte viel mehr Erfahrung als Auriel mit seinen lumpigen paar Beziehungen die man an einer Hand abzählen konnte. Beschämt, geknickt und mächtig eingeschüchtert schlug Auriel die Augen nieder, fragte so leise wie er nur konnte, ohne dass er unverstanden blieb: "Nicht gut?" Silius seufzte wieder, nahm Auriels Kinn sanft in die Hand und hob es ein wenig an, suchte Auriels Blick und fing ihn erfolgreich ein. "Sehr gut", flüsterte Silius zurück und strich mit seinem Mund leicht über Auriels Lippen, sog dann die untere zwischen die seinen und knabberte verspielt und sehr zärtlich daran. Noch wusste Auriel nicht genau, was er hier eigentlich tat oder besser gesagt _warum_ er es tat und wie er seine Gefühle für Rain benennen sollte - doch eines spürte er sehr genau: Dieser unglaubliche Kuss eben war ein Anfang gewesen. Ein Anfang für etwas ungleich größeres, überwältigenderes... und irgendwie mochte er nicht glauben, dass es sich dabei um etwas schlechtes handelte... VOLUME 3 . . . "Die Liebe allein versteht das Geheimnis, andere zu beschenken und dabei selbst reich zu werden." ~ Clemens Brentano (deutscher Dichter (1778-1842)) ~ "Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand." ~Blaise Pascal (frz. Philosoph, Mathematiker u. Physiker)~ . . . Er war glücklich. Nein, mehr als das. Es war... unbeschreiblich. Diese Gewissheit, Auriel küssen zu dürfen, wann immer er wollte, solange er ihn nur nicht vor anderen Leuten in Verlegenheit brachte, das... war mehr, _viel_ mehr, als er je zu träumen gewagt hatte. Silius spürte den weichen, nachgiebigen Körper in seinen Armen und an seinen eigenen Leib geschmiegt, fühlte, wie indessen der wunderbar kühle Regen ohne Unterlass auf sie niederfiel, versuchte, sie ein wenig abzukühlen und es doch nicht vermochte. Und atemlos beobachtete Rain wie die glasklar funkelnden, im Sonnenlicht lupenreinen Diamanten gleichenden Tropfen über Auriels helle, milchkaffeefarbene Haut rannen. Sanft strich er Auriel einige der dunklen Haarsträhnen hinter das linke Ohr und musste lächeln, als er bemerkte, das jenes ein wenig spitzer als gewöhnlich war. /Fast wie ein Elb/, dachte er lächelnd. /Legolas nimm dich in Acht, hier macht dir jemand deinen Ruf als schönstes Spitzohr streitig... und das mit Erfolg, wenn du mich fragst.../ Leise über seine Gedanken lachend versenkte er sein Gesicht zwischen die feuchten, aber immer noch wundervoll duftenden Haare, fragte _sein_ süßes Spitzohr leise flüsternd: "Hat dir schon mal jemand gesagt, wie wunderschön du bist?" Mit einem leichten Lächeln registrierte er, wie Auriels Herz schneller zu schlagen begann. "Nein...", gestand Auriel schließlich verlegen, nicht lauter als ein Windhauch und schien sich doch über Rains Kompliment zu freuen. "Stolz und schön... mein mutiger Stadtkrieger...", fügte er ein wenig selbstvergessen hinzu. "Du trägst deinen Namen nicht umsonst..." "Blödsinn", murmelte Auriel mit leuchtend roten Wangen, sodass sich Rain einfach nicht davon abhalten konnte, diese noch ein wenig mit seinen Lippen zu liebkosen. Besonders, da er es nun ganz offiziell auch durfte... "Rain?", hörte er ein leises Wispern an seine Ohren dringen. Lächelnd zog er seinen Kopf zurück, um Auriels tiefgrüne Smaragde betrachten zu können. "Hm?" "Können wir noch ein bisschen so bleiben? Kannst du mich noch eine Weile einfach nur so festhalten?" Rain sah ihn nachdenklich an. /Festhalten... als würde er befürchten, im nächsten Moment zu stürzen.../ Doch dann nickte er langsam, schenkte Auriel noch ein weiteres Lächeln als er zustimmend nickte. "Natürlich, Auri..." /Nichts lieber als das, mein Schöner.../ Nach und nach schien die sehr vertraute Stille zwischen ihnen die absolute Vollkommenheit zu erreichen und Silius war nicht mehr fähig, einen zusammenhängenden Gedanken zustande zu bringen, war einfach nur der allerglücklichste Mensch auf der ganzen Welt. Dann jedoch durchbrach der Jüngere auf einmal diese Ruhe, indem er sich in Silius Armen zurücklehnte, um ihm in die Augen sehen zu können und fragte gedankenvoll und von irgendetwas leicht irritiert: "Warum hast du gefragt?" "Was gefragt?", wollte der Größere verwirrt wissen. Auriels Wangen wurden wieder ein wenig röter, doch antwortete er völlig ruhig und ernsthaft: "Ob du mich küssen darfst." Von einem Augenblick auf den anderen konnte Rain den durchdringenden grünen Tiefen nicht mehr standhalten, senkte ein wenig traurig den Blick. "Ich... ich wollte nicht noch einmal etwas tun, dass... du nicht möchtest... ich wollte dir nicht noch einmal zu nahe treten oder dich schlimmstenfalls auf irgendeine Weise verletzen." /...und ich möchte, dass du mir irgendwann einmal frei vertrauen kannst.../ Der Kleinere sah ihn verunsichert, aber auch etwas verständnislos an. "Aber... sonst nimmst du dir doch auch immer was du willst... sagen jedenfalls Kay und die anderen..." Nun musste Rain doch wieder aufsehen, musste ihm einfach das ehrlichste, wärmste Lächeln schenken, das je auf seinen Lippen gespielt hatte. "Vielleicht bist du ja etwas Besonderes für mich?", hauchte er seinem Elfen in den Nacken hinein, sodass jener eine Gänsehaut bekam und ihm Schauer über den Rücken liefen. "Was...", machte Auriel ein wenig hilflos, starrte Rain fast entgeistert an, als könne er nicht wirklich glauben, was er da gehört hatte. Nach einer ewigen Sekunde senkte er bitter den Kopf. "Was soll an mir schon besonders sein?" /Alles, mein Herz, _alles_.../, dachte Rain und hätte dem Jüngeren auf der Stelle eine Milliarde Dinge aufzählen können, die Auriel nicht nur für ihn so besonders machten, doch er wusste, dass Auriels Selbstwertgefühl noch nicht so groß war, solche Dinge einfach zu akzeptieren und er ahnte, dass er seinen Stadtkrieger nun nicht einfach überrennen durfte mit seinen Gefühlen für ihn, wenn nicht alles in einem schrecklichen Desaster enden sollte. Deshalb war das Einzige, was er mit leiser, aber sehr gefühlvoller, ja, zärtlicher Stimme erwiderte: "Wer kann schon sagen, was einen Menschen für die ganze Welt unscheinbar aussehen, für einen einzelnen jedoch wie ein Engel erscheinen lässt?" Und am liebsten hätte er die Antwort herausgeschrieen, hätte Auriel damit aufgefüllt bis ihm Hören und Sehen verging, bis er förmlich darin ertrank, bis nur Silius allein ihn noch retten konnte; doch natürlich sagte er nichts, schwieg zumindest für diesen einen Augenblick, sodass jenes eine Wort lediglich durch _seinen_ leergefegten Kopf hallte und versuchte ihn wahnsinnig zu machen: /...Liebe.../ VOLUME 4 . . . "Durch Liebe werden alle Dinge leichter, die der Verstand als gar zu schwer gedacht." ~ persische Weisheit ~ . . . Irgendwann einmal schafften sie es schließlich doch, sich voneinander zu lösen (auch wenn Rain dies hübsch fein säuberlich in der Schublade der "weniger erfreulichen Ereignisse" ablegte) und ihrer Wohnung mal wieder einen Besuch abzustatten, wo Rain, in dem Bestreben, für weitere Verführungszwecke einen Aloe Vera Joghurt aufzutreiben, mit einem Blick in den Kühlschrank feststellen musste, dass sie nicht nur die beste Waffe zum Erlangen der Herrschaft über die Naschkaterwelt nicht mehr vorrätig hatten... "Wer meldet sich freiwillig zum Dienst?", seufzte Silius. /Es gibt Momente, in denen ich mir wünsche, in einem echt amerikanischen Hollywoodfilm zu leben... immer eine perfekte Frisur, niemals Pannen im Bett und vor allem... was auch geschieht: ein voller Kühlschrank.../ "Hn?", machte Auriel und drehte sich fragend blinzelnd zu ihm um. /Ouh, Auriel.../, er fühlte sich wie ein kleines Kätzchen, das man im Genick packte und kniff unwillkürlich die Augen zu, doch von einem Moment zum anderen wurden jegliche rechtsdrehende Milchsäurebakterien und probiotische Joghurtkulturen zur Nebensache... "Oh komm her, du süßester Naschkater aller Zeiten", schwärmte Silius theatralisch aufseufzend und zog Auriel zu sich. Jener starrte ihn nur völlig überrumpelt mit aufgerissenen Augen an, während er wortwörtlich abgeknutscht wurde. "Aaaaahhh!", rief Auriel und riss sich entgeistert los. Verwirrt blinzelte der Schmusekater den Naschkater an. "_Was_?" Der Jüngere holte tief Luft und schrie dann aus Herzenslust: "Hast du sie eigentlich noch alle??? Ich wär beinahe erstickt unter deiner Knutschattacke!!!" Rain sah ihn schmollend an: "Was kann ich dafür, wenn du so niedlich bist?" Auriel starrte ihn einen Moment sprachlos an, dann lachte er schallend. "Du hast sie echt nicht mehr alle, _Schatz_", kicherte er und gab Silius einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Das einzige, wozu der fähig war, war ein ersticktes Keuchen, dann drehte sich plötzlich alles in ihm und im Siegestaumel verkündete er freudestrahlend: "_Liebling_, ich geh einkaufen!" Das grünäugige Energiebündel gluckste nur noch Lachtränen weinend und winkte ihm schon zum Abschied. /Der hat echt ne Meise.../ Irgendwie war ihm im Moment alles egal. Er fühlte sich gut - ach was! Blendend!! - und das war alles, was zählte. Zufällig landete sein Blick auf dem Telefon, das - oh Wunder - ausnahmsweise sogar mal wirklich in seiner Station stand und ihm fiel ein, dass er seinem Cousinchen ja versprochen hatte, sie demnächst wieder einmal mit seiner Stimme zu beehren. Gut gelaunt schnappte er sich das schnurlose Telefon und machte sich auf der Couch breit, tippte dann die Nummer ein, die er selbst im Schlaf rückwärts und auf Japanisch aufsagen konnte. "Emrys Ephebe?", meldete sich sofort eine helle aber schon sehr erwachsene weibliche Stimme. "Hi Emmy", lächelte Auriel in das Telefon hinein. Die Gegrüßte stieß einen spitzen Freudenschrei aus. "AURI! Endlich rufst du mal an, ich dachte schon, du hast mich vergessen!" "Wie könnte ich nur mein Lieblingscousinchen vergessen, hm?", erwiderte Auriel lachend. "Wem soll ich denn sonst mein Herz ausschütten?" "Alles in Ordnung bei dir?", fragte Emrys sofort betont fröhlich, doch er kannte sie gut genug, um den besorgten Unterton herauszuhören. "Ja, Emmy, mir könnte es im Moment wirklich nicht besser gehen", sprach er sanft und beruhigend und konnte ihr zufriedenes Lächeln regelrecht sehen, als sie erfreut antwortete: "Dann ist ja gut. Aber erzähl mal, wie ist es denn so als Student? Ich bin noch immer ganz aus dem Häuschen, weil du es tatsächlich geschafft hast - ich meine, nicht dass ich je daran gezweifelt hätte, aber das ging ja alles so plötzlich und ehe man sich versehen hat, warst du schon angenommen und-" "Immer mit der Ruhe", grinste Auriel. Ja, sein Cousinchen redete wirklich ohne Punkt und Komma wie ein Wasserfall, aber sie war schließlich auch der einzige Mensch, dem er sich von jeher hatte anvertrauen können. "So lange bin ich ja noch gar nicht Student und ich hatte noch nicht mal eine einzige Vorlesung!" "Ist doch egal - hier geht es ums Prinzip!", rief Emrys fachfrauisch abwiegelnd. "Also?" "Es ist toll", lächelte Auriel breit. "Ich kann es selbst immer noch nicht richtig fassen. Nicht nur, dass ich wirklich an die Academy gekommen bin, ich hab auch schon zwei", er stockte kurz und verbesserte sich, "_drei_ Freunde, bevor ich überhaupt richtig angefangen habe..." "Drei? Kay und Yves, diese beiden, weiß ich ja, aber... Ach sag mal, wie ist das jetzt eigentlich genau mit denen? Das hab ich irgendwie noch immer nicht so richtig kapiert... Ich mein, einerseits lieben sie sich beide und andererseits sind sie-" "...jetzt auch zusammen", lachte Auriel über die Wissbegier seiner Cousine, die irgendwie einen Schwulen-Tick hatte und allem nachrannte, was irgendwie männlich und gutaussehend - oder noch besser so androgyn wie etwa Kay - aussah, um ein Foto zu machen und nach der sexuellen Gesinnung zu fragen. Er fragte sich innerlich ziemlich schief grinsend, wie er ihr das mit Silius nur schonend beibringen konnte, ohne das sie gleich versuchte, eine Hochzeit für sie zu arrangieren. "Oh", machte Emrys, für einen Moment aus dem Konzept, und Auriel konnte praktisch hören, wie ihr kleine süße Kätzchenohren wuchsen, bevor sie anfing zu betteln: "Erzähl mir _alles_! Und schick mir ganz viele Fotos - biiitteee!" "Kay ist der Fotograf, nicht ich", lachte er abwehrend. "Och komm schon, das kannst du mir doch jetzt nicht antun!", klagte die Sechzehnjährige theatralisch, rief dann sofort voll entschlossen: "Na gut, dann setz ich mich eben in den nächsten Zug und komm rüber!" "Deine Ferien sind aber schon vorbei und du musst morgen wieder in die Schule, Cousinchen! Und ich werde bestimmt nicht die Verantwortung dafür übernehmen!", gab Auriel zu bedenken. "Du bist so _gemein_!!", schmollte sie. "Wenn du willst, kannst du ja in den Herbstferien rüberkommen, in Ordnung? Oder ich komme dich besuchen!" "Nix da! So herzlos wie du bist, hast du es doch drauf, all die süßen Bishies zu Hause zu lassen!" "Bishies?", wiederholte Auriel verständnislos. "Bishounen!", erklärte sein Cousinchen ungeduldig, als müsse nun wirklich jeder wissen, was das war. Auriel jedoch hatte es mittlerweile aufgegeben all die japanischen Wörter wie "kawaii" zu lernen, die seine Lieblingsverwandte dauernd benutzte, um ihr Entzücken über süße Jungen und attraktive Männer auszudrücken. "Das ist Japanisch für schöne Jungen!" Auriel verdrehte seufzend die Augen. Warum konnte sie nicht einfach Deutsch sprechen? "Wag es ja nicht, die Augen zu verdrehen, Auriel Ephebe!", motzte die Stimme auch sofort streng, kannte sie ihren Cousin doch nur allzu genau. "Aye, Aye, Sir!", erwiderte er gehorsam. "Bääh!", gab Emrys schmollend zurück und wechselte gekonnt das Thema: "Also beschlossene Sache: In der ersten Ferienwoche komm ich rüber! Und dann musst du mir alle vorstellen: Kay, Yves und alles was sonst noch so an hübschen Männern bei dir rumläuft!" Er lachte. "Oje... ich glaube, dann muss ich aber Rain vor dir verstecken..." "Rain?", fragte sie hellhörig geworden. "Silius, mein Mitbewohner - der dritte Freund, von dem ich sprach." "Warum nennst du ihn _Rain_?", wollte sie wissen. "Ist er Brite?" "Keine Ahnung", gestand er. "Er verfällt ab und zu ins Englische, also denke ich schon... Aber Rain ist einfach nur sein Nachname und irgendwie nennen ihn alle so..." Plötzlich wurde es still am anderen Ende der Leitung. "Emmy? Bist du noch dran?", fragte er verwundert. "Warte mal kurz!!", platzte es aus Emrys heraus und er konnte hören, wie der Telefonhörer irgendwo abgelegt, eine Schublade aufgerissen und in dieser eifrig herumgewühlt wurde. "Aaah!", hörte er plötzlich einen spitzen Schrei und zuckte zusammen, als ihm einen Moment später aufgeregt zugerufen wurde: "Rain? SILIUS Rain? So ein großer, gutaussehender Kerl mit ganz langen schwarzen Haaren und sooo blauen Augen?" "Öh...", erwiderte Auriel wahnsinnig geistreich. "Ja..." "Und das sagst du mir nicht??? Du hast den sexiest man on earth bei dir wohnen und DAS SAGST DU MIR NICHT???" "Aber... woher kennst du ihn überhaupt?", machte er verwirrt. Emrys stieß einen langen Seufzer aus und begann dann zu schwärmen: "Wir waren doch letztes Jahr bei euch in der Stadt, kurz bevor du umgezogen bist, weißt du noch?" "Äh ja... und?" "Da gibt es so ein total cooles Café, das heißt wie so ein griechischer Gott... oder war es ein römischer? Ach egal, jedenfalls hieß es irgendwie... ähm... warte Mal, jetzt ist es mir entfallen, grade eben wusste ich's doch noch..." "Apollon?", half Auriel weiter. "Ja genau! Kennst du es?" "Rain ist mit dem Inhaber befreundet - ich war gestern erst dort", gab Auriel gehorsam Auskunft. "Und dein Rain-" "Er ist nicht _mein_ Rain!", fiel Auriel dazwischen, wovon sich seine Cousine allerdings wenig beeindrucken ließ: "Und _dein_ Rain hat da ein super schönes Ein-Mann-Theaterstück gespielt! Er war ja sooo cool! Er hat mir sogar in mein ConHon geschrieben und ich durfte ganz viele Fotos mit ihm machen und ich hab sogar eins, wo wir beide drauf sind! Er sah ja sooo gut aus und er war sooo charmant und süß... und hach..." "Er hat dir in dein _was_ geschrieben?", unterbrach er sie in dem Bestreben, den Redefluss wenigstens für eine Sekunde abzustellen. "Mein Freundschaftsbuch, wenn du so willst", gab sie quengelig zurück, weil Auriel sie in ihren Schwelgereien unterbrochen hatte. "Und einmal hab ich ihn im Kult - du weißt schon, dieses kleine Kino mit den Filmen, die du sonst nirgendwo zu sehen bekommst - in einem Independentfilm gesehen. Ich bin fast zusammengebrochen vor Glück! Er hat mir damals sogar einen Kuss gegeben! Glaubst du das? Einen K.U.S.S.!" Auriel fing glucksend an zu lachen. "Ja, das glaube ich dir gern. Der knutscht doch alles ab, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Glaub mir, die Erfahrung durfte ich erst vor ner Viertelstunde machen..." "IEK?!" Auriel zuckte zusammen. Vielleicht hätte er das doch lieber noch eine Weile für sich behalten sollen... "Sag das noch mal! ER HAT DICH GEKÜSST??" "Ähm... also weißt du...", hilfesuchend sah sich Auriel um, nur blieb zu befürchten, dass ihm ein Bücherregal oder ein Couchtisch im Moment herzlich wenig nützen würde. "Sag schon! Hat er dich jetzt wirklich tatsächlich ganz ehrlich geküsst?" Auriel stöhnte innerlich auf, gab sich dann aber geschlagen: "Ja..." "Iek! Der Kerl hat meinen Cousin geküsst! WAHNSINN! OhGottohGottohGott... mein eigener Cousin ist schwul - JUHUU!!! Auri-chan, ich _liebe_ dich!" "Hey!", protestierte Auriel. "Okay, ich hab ihn geküsst, na und? Deswegen bin ich noch lange nicht schwul, okay?" Emrys verstummte. Nur leider hatte er irgendwie so gar nicht das Gefühl, dass dies etwas Gutes für ihn zu bedeuten hatte... "Du... du hast... DU hast IHN geküsst...???", flüsterte sie so leise, als hätte es ihr so eben die Sprache verschlagen. Auriel erbleichte. /SCHEISSE! Scheißescheißescheißescheiße!/ "Na und! Das hat überhaupt nichts zu bedeuten, klar? Silius küsst _jeden_! Da ist überhaupt nichts dabei, okay? Ich mag Mädchen! Sehr sogar! _Viel lieber_!", versuchte er sich zu retten. "Dann eben bi", flötete Emrys glückselig. "Du weißt doch: Ein bisschen bi schadet nie!" "Emrys, ich warne dich! Du bist gleich so was von tot - toter geht's gar nicht mehr!" "Oh, ich hab ja so ein Glück", schwärmte Emrys indessen unbeeindruckt weiter. "Auriel, ich liebeliebeliebe dich! Cindy war ja schon neidisch, weil ich so einen gutaussehenden Cousin habe, aber wenn sie erfährt, dass er auch noch bisexuell ist... Oh, ich hab dich lieblieblieb." Auriel schloss angestrengt die Augen. "ICH. BIN. N-I-C-H-T. BI. OKAY?? UND SCHWUL ERST RECHT NICHT!!" "Okay, also es bleibt dabei: Im Oktober komm ich rüber und ich ruf dich auch bald noch mal an und dann musst du mir deinen Silius ans Telefon geben, ja? Und Kay und Yves auch! Ich muss jetzt unbedingt meine Billie-chan anrufen, ja? Aber ruf mich sofort an, wenn was ist! Vielleicht kann ich ja auch mal für ein Wochenende rüberkommen? Hab dich lieblieblieb! Ciaoi!" Und bevor Auriel noch seinen eben begonnen Protest beenden konnte, sprach er auch schon mit dem Freizeichen... "ARGH - WEIBER!!", rief er fassungslos. VOLUME 5 . . . "Eifersucht ist die Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft." ~ Verfasser unbekannt ~ "Wer treu ist, kennt nur die triviale Seite der Liebe. Nur die Treulosen kennen ihre Tragödien." ~ Oscar Wilde (engl. Schriftsteller (1854-1900)) ~ . . . Glückselig lächelnd schlenderte er über den Campus. /Erhatmichgeküssterhatmichgeküssterhatmichgeküsst!!!/ Rain fühlte sich, als könnte er die ganze Welt umarmen, so überglücklich war er. "Na Großer, so fröhlich heute?", flüsterte ihm eine weichfließende, dunkle Männerstimme ins Ohr als ihn plötzlich zwei Arme von hinten umschlangen und fest an seinen Besitzer drückten, während dessen Zunge heiß und lasziv seinen Hals entlang fuhr. "Shane!", machte Rain überrascht und drehte sich in dessen Griff um. "Erraten", grinste der Braunäugige gutmütig und begrüßte ihn mit einem ausgiebigen Zungenkuss. Silius für seine Wenigkeit hielt einen Moment perplex still, erwiderte dann die Bemühungen des Basketballers und zettelte ein kleines Zungenduell an, das willig aufgenommen wurde. Genießend senkten sich seine Lider, während er dem Zwanzigjährigen kleine Streicheleinheiten und andere Zärtlichkeiten zukommen ließ, die ebenso innig beantwortet wurden. Doch ganz plötzlich und ohne jede Vorwarnung tauchte ein Bild der Erinnerung vor seinem geistigen Auge auf und überwältigte ihn mitten im Kuss: >>>"Was willst du?", fragte Auriel kühl, sodass selbst Kay ihm einen überraschten Blick zuwarf. Trotzig erwiderte er Silius' erstaunten Blick. "Also?", fragte er noch einmal.<<< Etwas zog sich in ihm zusammen. Er wusste nicht, ob er Auriels kühles Verhalten damals wirklich als eine abgeschwächte Art der Eifersucht interpretieren durfte - so gerne er es auch getan hätte -, aber es war doch unübersehbar gewesen, dass er _seinen_ Naschkater verletzt hatte. Und er hatte sich geschworen, das nie wieder zu machen oder dies zumindest nicht mit Absicht und im vollen Bewusstsein zu tun. Früher wäre ihm so etwas sicherlich egal gewesen - schließlich hatte ja auch keiner behaupten können, Silius' Herz zu besitzen - aber nun, mit Auriel, war es etwas viel ernsteres... Tief durchatmend brach er den Kuss ab, schlug die Augen auf und sah den anderen entschuldigend an, der überrascht zurückblickte. Seufzend umarmte er den Älteren, legte sein Kinn auf dessen Schulter, flüsterte ihm reumütig und sehr leise ins Ohr: "Ich kann nicht... tut mir Leid... es hat nichts mit dir zu tun, aber..." Shane drückte Rains Oberkörper sanft ein wenig von sich, damit er jenem in die Augen sehen konnte, forschte mit fragendem Blick in den meerblauen Tiefen. Und plötzlich ging es ihm auf wie ein Licht in ratloser Dunkelheit. "Du bist verliebt...", vermutete Shane lächelnd und konnte an Silius' ein wenig verlegener Reaktion erkennen, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte. "Ja, es hätte mir gleich auffallen müssen. Es ist nicht zu übersehen, wie du dich in so kurzer Zeit verändert hast..." Er musste lächeln als sein Gegenüber den Blick senkte und sich zum ersten Mal seit langer Zeit ein dichter rosiger Schleier über die sonst so edelblassen Wangen legte. "Das Fließen des Wassers und die Wege der Liebe haben sich seit den Zeiten der Götter nicht geändert", zitierte er lächelnd ein japanisches Sprichwort. Einen Moment sinnierte er gedankenversunken, was ihm Rains Offenbarung bedeutete, dachte genau über seine nächsten Worte nach, horchte in sich herein, ob er sie auch mit voller Überzeugung aussprechen konnte, denn er wollte einem seiner besten Freunde weder ein schlechtes Gewissen machen, noch wollte er ihn anlügen. Aber auch wenn es natürlich sehr "schade" war, dass Rain nun "vom Markt" war, konnte er sich doch mit einem innerlichen Kopfnicken bestätigen, dass es ihm nicht Leid darum tat, weil er fand, dass der Literaturstudent es verdient hatte, von diesem wunderschönen Gefühl des wahrhaftigen Liebens zu kosten, welches er ihm niemals hätte schenken oder erwidern können, so sehr er den Kleineren auch mochte. "Das ist schön... ich freue mich sehr für dich, Rain... Du musst mir diesen Menschen einmal vorstellen, in Ordnung? Ich möchte sehen, wer deine Augen so strahlen lässt und dein Herz für sich erwärmt..." Überrascht schauten die blauen Augen zu ihm auf. "Wirklich?" Shane nickte lächelnd und umarmte ihn freundschaftlich. "Natürlich, was hast du denn gedacht? Schließlich bist du einer meiner besten Freunde und was wäre ich für ein Freund, wenn ich mich nicht für dich freuen könnte? Aber wer ist es denn überhaupt? Kenne ich ihn oder sie?" Langsam schüttelte Rain den Kopf. "Nein, du kennst ihn noch nicht, glaube ich. Es ist der Sakura-Stipendiat für Kunstmalerei und auch mein neuer Mitbewohner... Kay hat ihn mir einmal vorgestellt, aber ich hatte ihn auch schon manchmal im Evenstar gesehen. Er ist dort Barkeeper und Kellner." Einen Moment lang überlegte Shane, wen Silius meinen könnte. "Hm... Jake wirst du ja wohl kaum meinen... Ah, warte! Du meinst den Neuen? Auriel oder so?" Der angehende Schauspieler nickte heftig und mit glühenden Augen. "Ja. Auriel Ephebe, das ist er!" Leise belächelte er die unübersehbare Überschwänglichkeit des anderen, musste aber zugeben, dass er sich die beiden gut zusammen vorstellen konnte. "Aber...", begann Silius in diesem Augenblick zögernd. "Er ist nicht schwul... Wenn überhaupt, dann bi, aber auch dessen ist er sich dann jedenfalls noch nicht bewusst... Und ich... Auriel hüpft nicht mit allem ins Bett, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, verstehst du? Am Anfang habe ich alles falsch gemacht, aber jetzt bin ich langsam auf dem richtigen Weg, glaube ich... nur... ich möchte ihn nicht bedrängen, verstehst du?" "Soll heißen, ich schweige wie ein Grab bis du den Augenblick für gekommen hältst, in dem du es ihm sagen willst", führte der Student japanischer Kunstgeschichte und der Kunstmalerei verstehend zu Ende, nickte noch einmal bestätigend. "Ich bin mir sicher, du weißt, was im Moment das beste ist, und wenn du es so willst, dann werde ich auch so tun, als wüsste ich von nichts. Ihr seid sozusagen nur gute Freunde für mich." Rain seufzte erleichtert. "Danke." Zwinkernd grinste er ihm zu. "Aber wenn ihr _nur gute Freunde_ seid, dann...", begann er, wurde im nächsten Moment von zwei schlagartig eisig blauen Augen aufgespießt. "Schon gut, schon gut", lachte er ergeben. "Danke", wiederholte Silius ernst, gab ihm, um seine Dankbarkeit zu unterstreichen, einen kurzen freundschaftlichen Kuss. "Nichts zu danken!", lächelte Shane ehrlich und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. "Oh", fiel es Rain ein. "Was?" Fragend sah er ihn an. "Ich wollte doch eigentlich einkaufen gehen!", lächelte Silius entschuldigend. "Na dann mach dich mal auf die Socken. Ich weiß doch, dass Liebe durch den Magen geht", zwinkerte Shane lachend und scheuchte ihn dann gutmütig davon, sah dem Langhaarigen noch eine Weile kopfschüttelnd aber lächelnd hinterher. /Wer hätte das gedacht... Jetzt muss ich mich doch tatsächlich anstrengen, damit er nicht eher unter die Haube kommt als ich.../, grinste er[1] und trollte sich dann endlich zum Apollon zu kommen, wo er mit ein paar Freunden verabredet war um nachher ins Kino zu gehen. - - - - - - [1] Jaa das hat jetzt keiner von euch erwartet, eh -.^ Shane ist halt doch ein ganz lieber *nick nick* Deswegen wird er auch nicht zur Einweg-Nebenfigur verkommen, ebenso wenig wie Kay, Yves oder Vincent ^-^ VOLUME 6 . . . "Liebe: Der Versuch der Natur, den Verstand aus dem Weg zu räumen." ~ Thomas Niederreuther (*1909 [dt. Aphoristiker u. Schriftsteller]) ~ . . . Immer noch ziemlich indigniert legte Auriel auf und trat mit einem Glas voll eiskalter Milch auf dem Balkon um die frische Luft _tief_ einzuatmen und sich wieder zu beruhigen, während er in kleinen Schlucken die weiße Flüssigkeit trank. Natürlich war er nicht wirklich wütend auf sein Cousinchen und doch nagte es auf unangenehme Weise an ihm... Träge ließ er seinen Blick über den Campus schweifen... ...und verschluckte sich im nächsten Moment, sodass er ächzend anfing zu husten und beinahe die ganze Milch ausgespuckt hätte, schaffte es nur gerade noch so sie herunterzuwürgen, starrte dann schwer keuchend ungläubig auf die beiden jungen Männer auf dem sonst völlig verlassen Campus. Auriel kannte den Größeren, in dessen Armen Rain lag und zu dem er lächelnd sprach, bei dem er sogar verlegen wurde, wenn die Röte in Silius' Gesicht kein plötzliches Fieber ankündigen sollte. Zwar war es nur vom Sehen und auch nur im Evenstar, doch es reichte ihm, zu wissen, dass der Namenlose ein allgemein netter Mensch zu sein schien, um das plötzliche, schmerzhafte Ziehen in seiner Brust weder ignorieren noch leugnen zu können. Er wusste nicht, warum er diesen Schmerz empfand, doch mit verblüffender Sicherheit wusste er zu sagen, dass er es sich bestimmt nicht eingestanden hätte, _hätte_ er "es" gewusst. Das Einzige, dass er sicher wusste, war, dass er wütend war. Wütend auf Rain. Es tat weh und der Langhaarige war Schuld. So einfach war das. /Also ist er doch verliebt.../, dachte er mit einer unerklärlichen Bitternis in sich, wandte sich ab als Rains Lippen auf die des Größeren trafen. /Du solltest dich für ihn freuen, verdammt!/, rief er sich zurecht. Doch er konnte es nicht. /Warum tut es dir so weh, wenn du doch dauernd sagst, dass er nur ein guter Freund ist?/, fragte die Stimme in seinem Kopf. Doch dieses Mal klang sie nicht hämisch wie sonst. Viel eher sanft, fast mitfühlend. "Ich weiß es nicht", flüsterte er leise und es war ihm egal, dass er gerade tatsächlich Selbstgespräche führte und mit einer Stimme in seinem Kopf diskutierte. Alles in ihm drehte sich und in seinen Gedanken tigerte er ruhelos auf und ab und auf und ab, irrte im Kreis umher und ging doch eigentlich im Viereck, bemerkte nicht, wie fast eine ganze Stunde unbeachtet verstrich, als hätte es sie nie gegeben. "Tut mir Leid, Rain... Es geht einfach nicht", flüsterte er plötzlich entschuldigend, als könne jener es hören, und trat wieder ins Zimmer zurück. Auf einmal konnte er die warmen Sonnenstrahlen, die sich kurz nach dem Regen wieder hervorgewagt hatten, nicht mehr ertragen. Rain blieb wie vom Blitz getroffen stehen, hätte beinahe die vollen Einkaufstüten fallen gelassen. Er konnte Auriel nicht besonders gut erkennen, da er halb durch grüne Kirschblätter verdeckt wurde, aber niemals hätten sie die Angespanntheit seines jungen Stadtkriegers, der gerade den Balkon verließ, vor ihm verbergen können - eine _alarmierende_ Angespanntheit. Das war nicht einfach nur Nervosität oder Wut auf etwas. Nein, er spürte ganz instinktiv, dass da mehr sein musste. Hastig fasste er die Stoffbeutel fester und eilte die Treppen hinauf, immer seinem Naschkater entgegen. Seltsam niedergedrückt und traurig pflanzte er sich auf Rains Bett und schnappte sich das Bild des schönen Studenten, das er gestern Abend erst gemalt hatte, betrachtete es stillschweigend. Auriel hörte nicht, wie die Tür hastig aufgeschlossen und achtlos wieder ins Schloss geworfen wurde, starrte einfach nur in die blauen Augen seines zweidimensionalen, Dreidimensionalität vorgaukelnden Mitbewohners. Schon immer hatte er Augen gut zeichnen können und schon immer hatten ihn die Seelenspiegel der Menschen fasziniert. Doch das blaue Augenpaar auf dem Papier war selbst für ihn ungewöhnlich gut gelungen und er fragte sich, ob dies wohl Zufall war oder doch einen anderen Grund hatte. Er dachte eine Weile stillschweigend und sehr ernsthaft darüber nach, entschloss sich dann nickend für letzteres. Diese blauen Augen waren etwas, was man nicht einfach vergaß, so emotional waren sie, so viel Gefühl konnten sie in sich aufsaugen und nach außen tragen, dass er sich manchmal doch ernstlich fragte, ob Rain wirklich ein Vertreter der Spezies Mensch war oder doch nur so aussah. Suchend blickte sich Rain um, entschied dann, dass Auriel sich in ihr gemeinsames Schlafzimmer verkrochen haben musste. /Verkrochen... Warum habe ich nur das Gefühl, dass er sich wirklich _verkrochen_ hat... Ob ich etwas falsch gemacht habe? Oder war etwa jemand hier?/, überlegte er ruhelos. Am liebsten wäre er sofort zu Auriel gestürmt, doch was hätte er sagen sollen? Dass er Auriel beobachtet und so ein merkwürdiges Gefühl gehabt hatte? Nein, das war lächerlich! Seufzend wandte er sich zu den Einkäufen um, zwang sich dazu, alles gewissenhaft zu verstauen, bevor er langsam auf die nur leicht angelehnte aber nicht geschlossene Tür zuging, fragte sich, wieso Auriel nicht von selbst gekommen war. Schließlich hätte er Silius doch hören müssen. Laut genug war er ja schließlich - nicht ganz unbeabsichtigt - gewesen... Doch Auriel bemerkte ihn nicht einmal, als der Schauspieler nun endlich das Zimmer betrat, einen Moment im Türrahmen verharrte und überrascht zu dem Kleineren blickte, der schwermütig, ja fast unglücklich auf Rains Bett hockte und seine Tuschemalerei ansah. Leise schlich er sich zu dem anderen, kroch unbemerkt hinter jenen, zog ihn rücklings fest in seine Arme. Er hatte bemerkt, dass Auriel dies am ehesten zuließ und dass auch er selbst es mochte, den Jüngeren so in eine Umarmung zu ziehen. "Woran denkst du, hm?", flüsterte er gleichzeitig leise in das Spitzohr seines Mitbewohners. "Uaah!", schrie Auriel erschrocken auf, zuckte ertappt zusammen, bevor er sich wieder ein wenig entspannte und doch nicht so, wie heute morgen im Regen. "Rain!", rief der Grünäugige erstaunt, als er die blauen Augen seines Gegenübers erkannt hatte. "Wo kommst du denn auf einmal her?!" "Ich war einkaufen, schon vergessen?", lächelte jener nur in seinen Nacken. "Hm", brummte Auriel nur verstimmt und nun konnte er dessen Angespanntheit nicht nur sehen, sondern auch _fühlen_. Er spürte die verspannten Muskeln deutlicher, als ein "Lass mich in Ruhe, ich will dich jetzt nicht sehen!" hätte sein können. Und es tat weh. Es tat weh, weil er nicht wusste, was er tun sollte, weil er nicht einmal wusste, was er _getan_ hatte, dass der Kunststudent nun so abweisend reagierte. Doch es tat nicht nur weh... er war auch enttäuscht. Enttäuscht, dass sich Auriel so plötzlich wieder von ihm abwandte. Aber wenn der Jüngere nun glaubte, er würde deshalb aufgeben, dann hatte jener sich gewaltig geschnitten! Ein Silius Rain gab niemals auf und er bekam _immer_ - nun gut _fast_ immer - was er wollte - und gerade bei Auriel würde er sich diese Tatsache ganz sicher nicht nehmen lassen, viel zu wichtig - lebenswichtig! - war ihm doch dessen Zuneigung. "Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, dieses Bild zu malen?", fragte er leise, legte seine Hand auf Auriels Linke, die das Bild hielt, als wolle er dem Kunststudenten beim Halten helfen, während er mit der anderen über die gemalten Finger fuhr und wurde selbst ein wenig melancholisch. Wie konnte es sein, dass der jüngere Schwarzhaarige schon nach so wenigen Tagen so tief in ihn hineinsehen konnte und sich dessen höchstwahrscheinlich nicht einmal wirklich bewusst war? Das Lächeln fand jedoch schnell zurück auf seine Lippen und verscheuchte die trübsinnigen Gedanken als er sah, wie der andere ob seiner einfachen Geste errötete und anfing zu stammeln: "Ich weiß nicht... es ist mir einfach so in den Sinn gekommen, als ich ein Foto sah... das Kay mal von dir gemacht hat... und ich... dein Gedicht las..." Rain stockte. "Mein Gedicht??", wiederholte er überrascht und spürte, wie Auriel sich unwillkürlich etwas kleiner machte. "Tut mir Leid, wenn du das nicht wolltest... Ich habe auch nur das eine gelesen... aber... es lag da so offen herum, deswegen dachte ich, es würde dich nicht stören... und dann hatte ich es auch schon gelesen." Silius runzelte die Stirn, zwang Auriel dazu das Bild wegzulegen, drehte ihn dann bestimmt zu sich um. "Hey, das ist doch nicht schlimm! Ich habe doch gar nicht gesagt, dass es mir unangenehm ist, oder? Ich war einfach überrascht, mehr nicht... Weißt du, wir teilen uns jetzt eine Wohnung und... Du kannst von mir aus meine Unterwäscheschublade durchsuchen, wenn du willst - es macht mir nichts aus, okay?" Überrascht blickte Auriel auf, starrte ihn ungläubig an. Wie konnte Rain nur so... ja, _zärtlich_ sein - denn anders konnte man es nicht nennen... Wie konnte er so zärtlich zu ihm sein, obwohl er doch in diesen schwarzhaarigen Riesen verliebt war? Wenn man Silius so hörte und sah, hätte man fast meinen können, dass da mehr zwischen ihnen beiden lief als es Realität war. Er nickte langsam, fast ein wenig unbehaglich. Nein, in Rains Unterwäscheschublade wollte er nicht rumwühlen. Am Ende fand er nur noch mehr Dinge über Rains Liebesleben heraus, die er nie hatte wissen wollen... "Warum bist du jetzt sauer auf mich, Auriel? Vorhin war noch alles okay und jetzt bist du auf einmal so kalt wie ne LKW-Ladung Eiswürfel...", warf Rain ihm leise vor, ließ den Gefragten unangenehm zusammenzucken. "Ich bin nicht sauer auf dich!", gab er zurück. "So?", der Schauspielstudent hob fragend die Augenbraue. "Was dann?" "Ach nichts...", murmelte Auriel, wünschte sich in diesem Moment ganz weit weg. Warum musste Rain das unbedingt wissen? Konnte ihm doch egal sein, wie er von ihm dachte! /Das ist unfair und du weißt das!/, rief ihn der kleine, nur für Auriel sicht- und hörbare Engel auf seiner Schulter zurecht. /Immerhin seid ihr jetzt Freunde und Freunden ist es üblicherweise _nicht_ egal, was der andere von einem denkt.../ "Und wenn schon... es ist trotzdem bescheuert, wenn er die ganze Welt abknutscht... wie kann er dann verliebt sein!", murrte der Grünäugige ohne zu merken, dass er mal wieder ins laute Denken verfiel - eine seiner für ihn selbst oft sehr verhängnisvollen Eigenschaften.... Rain schwieg verblüfft. Auriel schien sich gar nicht bewusst zu sein, dass er seine Gedanken laut aussprach, doch das war im Moment auch nicht so wichtig. Viel zu sehr stießen ihn die sechs leisen Worte wie ein Vorschlaghammer vor die Brust. ,... wie kann er dann verliebt sein!', hallte es in seinem Kopf, markerschütternd wie ein durchdringender Gong. /Er weiß es?/, dachte Rain panisch, versteifte nun selbst. /ER WEISS ES???/ "Was meinst du damit?", fragte er erstarrt, sodass der andere zusammenzuckte und unwillkürlich rote Wangen bekam, als diesem bewusst wurde, dass er laut gedacht hatte. Doch nach unendlichen Sekunden des verbissenen, gegenseitigen Anschweigens, die sich zäh wie halb angetrockneter Sekundenkleber zwischen Daumen und Zeigefinger dahinzogen, brach Auriel unerwartet die ungute Stille zwischen ihnen. "Ich mag es nicht, wie du mit der Liebe umgehst... Einerseits ist sie dir so wichtig, dass du zum Leben nichts anderes zu brauchen scheinst und andererseits spielst du mit ihr, als wäre sie im Grunde genommen wertlos und nur gerade in diesem Augenblick auch sehr amüsant...", erwiderte er unwillig. Rain blickte den schönen Ephebe verwirrt an. Auf der einen Seite verstand er durchaus, was Auriel mit seinen schmerzenden, weil wahren Worten meinte, doch auf der anderen Seite schien er es nicht auf Silius' allgemeines Verhalten zu beziehen, sondern auf eine ganz bestimmte Situation - nur leider hatte er nicht die leiseste Ahnung, auf _welche_. "Wo...von redest du?", erkundigte er sich nun doch ein wenig verunsichert. Auri schluckte, sah ihn nicht an, sein Gesicht war seltsam starr, fast beunruhigend gefasst und unbeteiligt: "Ich habe dich vorhin mit deinem... _Freund_ auf dem Campus gesehen...", sagte er leise, als würde dies alles erklären, betonte dabei jedoch das Wort "Freund" auf sehr fragende, beinahe kleinlaute - enttäuschte? - Art und Weise. "Aber wenn du ihn liebst, wie kannst du dann gleichzeitig jedem einigermaßen menschlichen Wesen deine Klinke in die Hand drücken?" In diesem Augenblick ging Rain endlich ein Licht auf. "_Shane_??", rief er ungläubig. "ICH. SHANE. LIEBEN???" Und auch wenn er es nicht wollte, da er befürchtete, Auri könnte sich verschaukelt vorkommen, begann er haltlos zu lachen, bis ihm fast die Tränen in die Augen stiegen. "Ich glaube, da hast du etwas mächtig falsch verstanden, Auri...", lachte er erleichtert. /Guter Gott, von wegen, er weiß es!/, dachte er mehr als nur beruhigt, während er innerlich gleichzeitig den Kopf schüttelte. /Aber... kann es sein, dass er wirklich ein bisschen... verletzt deswegen ist? Ist er etwa... eifersüchtig?/ Sein Nachkater sah ihn indessen nur misstrauisch und unübersehbar argwöhnisch an. "Wie meinst du das?", verlangte er zu wissen. Silius grinste noch immer bei der Vorstellung, er könnte jemals vor Shane niederknien und ihm einen Antrag machen, antwortete lachend: "Shane ist einer meiner besten Kumpels, Auri - aber ich _liebe_ ihn nicht!" "Aber...", stotterte der Kleinere, die grünen Smaragde verwirrt funkelnd. "Du hast ihn _geküsst_!" "Und?", machte der Schauspielstudent verständnislos. "Langsam solltest du wissen, dass ich jeden küsse, den ich mag oder überhaupt sympathisch finde." Auriel _kam_ sich verarscht vor, als Rain begann zu lachen. Er versuchte hier ernsthaft mit dem anderen zu reden und was machte der? Er lachte ihn aus! /Du bist gleich sowas von tot!/ Missmutig drehte er sich von dem langhaarigen Schönen weg. /Na toll! Wie find ich denn das: Ich lass mich von nem Kerl abknutschen und der guckt sich dabei schon mal nach dem nächsten um, damit er auch ja nicht aus der Übung kommt und genügend Abwechslung hat.../ "Arschloch!", zischte er und war im Moment drauf und dran dem Größeren an die Gurgel zu gehen - und das ganz bestimmt nicht, um ihm einen Knutschfleck zu verpassen. "Du bist so ein Arsch, Rain!" Doch Silius drehte ihn nur sanft aber bestimmt zu sich zurück, zwang ihn mit sanfter Gewalt dazu, ihm wieder in die Augen zu sehen und lächelte. Er lächelte. Schlicht und einfach - und mit verwirrender Ehrlichkeit und Wärme. "Weißt du... Was _zählt_, Auriel, ist nicht der Kuss selbst, sondern _wie_ du jemanden küsst und _was_ du dabei empfindest. Bei Shane spüre ich große Zuneigung - aber keine Liebe, verstehst du? Bei dir...", begann er, brach dann aber ab und ließ offen, was er noch hatte sagen wollen und Auriel traute sich einfach nicht zu fragen: ,Und bei mir?' "Und sag mal, was fällt dir eigentlich ein, meine Cousine zu küssen, eh?", rief er, um abzulenken, bevor es allzu peinlich für ihn wurde. "Hä?", machte Rain wahnsinnig geistreich und starrte ihn einfach nur verblüfft an. "Meine Cousine Emrys hat dich letztes Jahr im Apollon getroffen und du hast ihr in ihr Hongkong - oder so ähnlich - geschrieben und sie geküsst!" Rain blinzelte in unschuldiger Verwirrung. "Echt?" "Ja, echt!", blaffte Auriel ihn an. Was seine Cousine anging, verstand er keinen Spaß, denn für ihn war sie seine kleine Schwester, die es zu beschützen galt, wenn _sie_ nicht gerade _ihn_ vor seelischer Pein schützte. "Musst du eigentlich alles küssen was zwei Beine hat?" "Du hast dich aber auch nicht gerade gewehrt! Und ich erinnere nur an vorhin, draußen auf dem Campus und in der Küche!", erwiderte Silius säuselnd, wie nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung!" "Du kannst mich küssen soviel du willst - aber doch nicht meine Cousine!!!", rief Auriel heftig. Und das hätte er besser nicht getan: "Wie du meinst...", hauchte Rain ein wenig rau und leise, zog mit sanften, schlanken Fingern Auriels Kinn zu sich heran und jener konnte nur in den überirdischen blauen Tiefen versinken, gleich dem Häschen, das von den Augen der Schlange hypnotisiert wurde, wie der schauspielernde Literaturstudent befriedigt feststellte. Dann hatten auch die grünen Smaragde ihn in ihren Bann gezogen und seine Lippen trafen sanft auf den Mund des anderen. Das heißt, sie _hätten_ es getan, wenn Kay und Yves sich nicht in diesem günstigsten aller Momente dazu entschlossen hätten, ihnen einmal wieder einen Besuch abzustatten... VOLUME 7 . . . "Verlieren kann man nur, was einem wichtig war: Verliert man die Liebe, ist das ein schmerzender Verlust. Alles andere aber ist nur abhanden gekommen." ~ Absolutely Black Rain ~ . . . Es war bereits nach acht Uhr am Abend und passender Weise machten sie sich gerade über die Familienpackung After Eight her, die Rain aus seinem nichtvorhandenen Hut - bzw. dem Küchenschrank - hervorgezaubert hatte. Mit Kay und Yves im Bunde war die Zeit schon längst vergessen, gemessen wurde nur die gute Laune und das Einzige, was zählte war, den persönlichen Rekord im Marathonlachen ständig zu überbieten. Das Pärchen machte sich einen Spaß daraus, Rain ein bisschen zu ärgern und ihm "seine" After Eights zu klauen. Der Langhaarige, der ganz außen links und neben Auriel saß, hatte nämlich nach einem nur ihm verständlichen System bestimmte After Eights für sich beansprucht, je nachdem wo und wie sie lagen und ob Silius das Gefühl hatte, dass die jeweilige mit Schokolade umhüllte Minzecreme es verdient hatte, von ihm höchstpersönlich vernascht zu werden. Und besonders Yves - welcher es sich auf dem Schoß seines Geliebten gemütlich gemacht hatte - mit seinen geschickten Klavierspielerhänden, stellte sich als außergewöhnliches Talent im After-Eights-vor-der-Nase-Wegschnappen heraus. "Damn, Yves! Return it this instant![1]", empörte sich der schöne Schauspielstudent wieder einmal. Yves grinste ihn jungenhaft und unschuldig wie ein wahrer Engel an, geradeso als wolle er sagen "Warum sollte ich?" "Sag mal, warum sprichst du eigentlich so oft englisch? Erzähl doch mal!", bat Auriel in diesem Moment neugierig, während er genüsslich die Minzecreme auf seiner Zunge zergehen ließ. Rain sah ihn einen Moment so verwirrt an, als hätte sich der Kunststudent erkundigt, warum ausgerechnet _er_ geboren worden war und nicht ein anderes Spermium den Wettlauf gewonnen hatte. "Na weil ich in England geboren wurde und mein Vater Engländer war!", erklärte er mit unerschütterlicher Selbstverständlichkeit und versank einen Moment in nostalgischen Erinnerungen an seine Eltern. "Mein Dad war in England ein Konsul für die Schweiz, als meine schweizerische Mum - sie war Dolmetscherin und Übersetzerin für Deutsch, Englisch und Spanisch - nach London kam und sich bald darauf bei ihm bewarb. Es war Liebe auf den ersten Blick und ein Jahr und vier Monate später entstand ich in einer lauschigen Frühmärznacht, nur wenige Tage nachdem mein Vater meiner Mutter einen Heiratsantrag gemacht hatte... In Brighton habe ich dann das Licht der Welt erblickt und aufgewachsen bin ich die ersten drei Jahre meines Lebens in einem kleinen, hübschen Vorort von London. Dann wurde mein Vater zum britischen Botschafter für Deutschland ernannt und wir sind hierher in die Stadt gezogen... Das Haus meiner Eltern ist gerade mal anderthalb Kilometer von hier entfernt in der südlichen Altstadt..." Auriel schwieg betroffen, weil er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Im Moment schien Rain keinerlei Probleme damit zu haben, von seinen verstorbenen Eltern zu reden, aber der Grünäugige hatte Angst etwas Dummes zu sagen oder in irgendein für den Schauspielstudenten sehr schmerzhaftes Fettnäpfchen zu treten. "Es stand eine Weile leer, weil ich kaum Zeit dafür habe, aber jetzt kümmert sich meine Tante um das Meiste für mich und mittlerweile wird es von einer chaotischen Studenten-WG belager-", der Student brach ab und sah ihn verwirrt an. "Auri? Was hast du?" "Nichts, nichts!", erwiderte jener schnell, doch natürlich war allen Anwesenden klar, das es eben _nicht_ "nichts" war. Jedoch... entgegen all seiner Erwartungen _lächelte_ Rain nur dankbar. "Du musst keine Angst haben, etwas Falsches zu sagen, Auriel! Ich will nicht lügen und behaupten, dass ich den Tod meiner Eltern längst verarbeitet habe, aber ich bin auch kein Kartenhaus aus gläsernen Spielkarten, welches bei der leisesten Berührung in sich zusammenfällt und in Millionen mikroskopisch kleine Einzelteile zerbricht. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben - ich sehe zwar manchmal aus wie eine Porzellanpuppe, aber ich vertrage dennoch so einiges..." "Aber...", wollte der Kleinere einwenden, wurde im selben Augenblick jedoch unerwartet von Kay unterbrochen, der zu meinen schien, sich das nun lange genug angehört zu haben. "Ist schon in Ordnung, Auri. Ich kann dir versichern, dass er das nicht nur sagt, um dich zu beruhigen. Weißt du, manchmal ist es viel schlimmer, eine wunde Stelle zu meiden und über sie hinwegzuschweigen, als sich ausführlich über sie zu unterhalten und zu versuchen, die Schmerzen dieser Wunde zu verstehen." Fragend blickte er zurück zu Silius, der lächelnd nickte, und ihm so bedeutete, dass der Braunhaarige genau richtig gelegen hatte, während er nach einem neuen After Eight griff - und Yves mal wieder schneller war. "YVES!!!", fluchte Rain und verwünschte den feixenden Musikstudenten, der sich gespielt erschrocken hinter seinem zehn Zentimeter größeren Freund versteckte. "Das ist so unfair!", maulte der Langhaarige. "Wo bleibt denn da bitte die Gerechtigkeit?" "Vielleicht bandelt die gerade mit dem Schutzpatron langfingriger Feinschmecker an?", schlug Kay zwinkernd vor und ließ sich zufrieden schnurrend von seinem Blondschopf mit der Hälfte der erbeuteten Süßigkeit füttern. "Du bist bescheuert!", schmollte Rain und Auriel konnte einfach nicht anders als glucksend über den süßen Schmollmund seines trotzköpfigen Mitbewohners zu kichern, bevor er den Kopf des Größeren lachend in seinen Schoß zog und ihm unbeschwert durch die weiche, glänzende Haarpracht wuschelte. "Ach mein armer, armer _Schatz_, du hast es wirklich nicht leicht auf dieser Welt, nicht wahr?", bemitleidete er ihn nach allen Regeln der Kunst, so wie es sich für einen guten Freund gehörte. Leider hatte er nicht damit gerechnet, dass Silius dies natürlich sofort aufgreifen würde und ihn fest in seine Arme zog. "Ja! Das einzig Gute, das mir in letzter Zeit passiert ist, bist du", jammerte er theatralisch, fügte danach mit einem schelmischen Funkeln in den Augen noch hinzu: "Findest du nicht auch, dass ich ein bisschen Trost verdient habe, _Liebling_?" Und für eine unendliche - doch in rein sinnlicher Hinsicht zugegebenermaßen auch sehr schöne - Minute spürte Auriel vorwitzige, sanft fordernde blütenweiche Lippen auf den seinen, bevor er - mit einem zufriedenen Grinsen auf der Seite des Kussdiebs - wieder losgelassen wurde, der Täter sich nonchalant über die Lippen leckte und überzeugt erklärte: "Lecker!" Dem Geküssten unterdessen war nun leicht schwindelig und er war sich dabei noch nicht einmal sicher, ob dieses Schwindelgefühl an dem kurzzeitigen Sauerstoffmangel oder Rains wortwörtlich atemberaubender Kusstechnik lag... Dann sprang er hastig auf, rammte sein Knie in eine der spitzen Kanten des niedrigen Wohnzimmertischs ohne es zu registrieren und verschwand, etwas mit sehr viel gutem Willen als "Muss auf Toilette" Auslegbares stammelnd, hastig im... Schlafzimmer. Kay für seine Wenigkeit starrte Rain schlicht und einfach baff an, während Yves nur - wenn auch unübersehbar ein wenig belustigt - fragend die Augenbraue hob. Der Braunhaarige zog inzwischen Rain an dessen Hemdsärmel zu sich und fragte leise, damit Auriel nicht etwa noch etwas durch die hastig zugezogene Türe hören konnte, dafür jedoch umso misstrauischer: "Sag mal, wie weit seid ihr beiden eigentlich? Und was zum Henker _war das_ da gerade eben??" "Ich habe ihn geküsst", antwortete Rain wahrheitsgemäß und lächelte dabei selig. "Und zwar seit heute auch mit seiner offiziellen Erlaubnis! ...okay, eigentlich darf ich ihn nur küssen, wenn wir alleine sind und auch nicht mehr, aber bei euch macht er bestimmt eine Ausnahme..." Auch Yves sah nun verblüfft von Rain zu _seinem_ Kay, welcher genauso ratlos zurücksah. Der Musikstudent hatte nicht erwartet, dass Auriel so etwas zulassen würde - jedenfalls nicht schon so bald... "Ich allerdings auch nicht", stimmte Kay ihm zu. "Hn?", machte Silius verwirrt, aber immer noch überglücklich, besaß er doch nicht die auf der Welt anscheinend einmalige Gabe, Yves' Gedanken zu lesen. "Ich hätte nicht erwartet, dass Auriel so etwas zulässt...", erläuterte Kay nachdenklich und der Schwarzhaarige schien nichts anderes tun zu können, als weiterzulächeln und dann glücklich-zufrieden noch ein bisschen zu grinsen. Gedankenvoll betrachtete Yves seinen Kumpel und weil dieses Lächeln ganz anders war, als alles, was er je auf diesem so ziemlich perfekten Antlitz gesehen hatte, blickte er fragend zu Kay, der ihm mit seinem leichten Nicken die Vermutung, dass Rain in Auriel verliebt sein könnte, bestätigte und von einem Augenblick auf den anderen musste er warm über Rains Fröhlichkeit lächeln. "Dann kann man dir wohl nur viel Glück wünschen", sagte er leise und lächelte Silius aufmunternd zu. "Wer weiß, vielleicht ist es ja ein gutes Omen für euch beide, dass er dir das ausgerechnet heute erlaubt hat", lächelte er gedankenversunken. "Wie meinst du das?", fragten Rain und auch Kay wie aus einem Munde, sichtlich verwirrt. "Genau heute vor einem Jahr habe ich Kay das erste Mal in meinem Leben gesehen", erklärte er mit glänzenden Augen, die seinen Schatz verliebt und glücklich anstrahlten. >>>Yves tigerte zufrieden mit sich und der Welt, einfach nur wunschlos glücklich, über den Campus der Academy of Arts. Es war ein wunderbares Gefühl, zu wissen, dass es nun auch "sein" Sakura-Campus war, dass auch er nun dazu gehörte, sich einen Student dieser traumhaften Akademie der Künste schimpfen durfte. /Geschafft/, war das einzige, was ihm immer wieder durch den Kopf ging und er machte es sich unter einem der vielen Sakurabäume gemütlich, blickte mit vollkommener innerer Befriedigung hinauf zu dem Fenster der kleinen Studentenwohnung, die er nun für die Dauer seines Studium mehr oder weniger als sein Eigen betiteln durfte. Noch immer war es wie ein Traum für ihn, dass er eine der schwersten Aufnahmeprüfungen der Welt für ein Musikstudium tatsächlich mit Bravour bestanden haben sollte. Es war so... unwirklich, traumhaft, ja beinahe wie ein wunderschönes Märchen. /Jetzt fehlt mir nur noch mein Märchenprinz in der weißen Rüstung und alles ist perfekt/, lächelte er in sich hinein, während er die warmen Sonnenstrahlen genoss, die sich hier und da durch kleine Lücken im Blätterdach auf sein Gesicht schlichen. Ja tatsächlich, es war wie ein Märchen. Er hatte sich seinen derzeitig größten Wunsch erfüllt und nun saß er hier, im Hof eines barocken Schlosses unter diesen wunderschönen Zierbäumen, die mindestens drei- oder viermal so alt waren wie er, fühlte sich einfach nur gut, besser, am Besten. Gedankenverloren spielte er mit dem kleinen silbernen Ring in seinem Ohrläppchen, ein Geschenk seiner ersten Freundin. Er war sich zwar schon längst seiner Liebe zum gleichen Geschlecht bewusst und hatte sich auch offiziell zur Männerliebe bekannt, und doch hatte er dieses kleine Geschenk aus Silber seit damals nicht für eine Minute wieder abgenommen. Oder doch, ein einziges Mal hatte er versucht, sich davon zu trennen, denn selbst er fand, dass es nun doch ein wenig unpassend war, aber er hatte es nicht einmal eine Stunde lang ohne den Silberring ausgehalten, weil ihm einfach etwas _gefehlt_ hatte. Es war, als gäbe es eine große Leere in Yves, die sich einfach verdichtet und auf dieses kleine Loch in seinem linken Ohr konzentriert hatte, welche man nur mit diesem Ring auffüllen konnte. Und er fragte sich, was für eine Leere dies wohl war, doch tief in seinem Innersten wusste er es natürlich schon. Es war Liebe. Er sehnte sich nach Liebe, tiefer Zuneigung und Geborgenheit. All jene Dinge, die ihm seine Eltern nicht mehr in dem Maße schenken konnte, wie er es sich wünschte, denn schließlich war es nicht Elternliebe, nach der er sich sehnte, sondern "richtige", wahre Liebe. Und in genau diesem Augenblick ging ein paar Balkons weiter neben dem seinen eine Tür auf und ein junger, ganz in weiß gekleideter Mann mit tropfnassem, kastanienbraunem Haar und noch offenem Hemd trat kurz heraus, um den blauen Himmel anzustrahlen und die lauschig warme, süßduftige Luft tief einzuatmen. Mit gebanntem Blick sah Yves zu dem schönen Studenten auf, während ihm war, als hätte irgendeine gute Fee seinen Wunsch nach einem Märchenprinzen in weißer Rüstung erhört. Und ohne dass er wusste, was er tat, hielten die Finger an seinem Ohrläppchen für wenige Sekundenbruchteile inne, bevor sie den silbernen Ring gleichgültig von seinem Ohr lösten und ihn achtlos wegwarfen. Jedoch, dieses Mal war es anders. Dieses Mal war es kein Verlust, es war eine Erleichterung. Denn dieser junge Mann hatte ihm, ohne es zu wissen, ein sehr großes Geschenk gemacht: Er hatte die Leere in ihm aufgefüllt mit einer glühendheißen, und doch nicht schmerzenden Flamme, die durch seinen ganzen Körper floss wie brennendes Wasser und ihn mit einer Wärme erfüllte, die Yves noch eine Minute zuvor nie für möglich gehalten hätte.<<< - - - - - - [1] "Verdammt, Yves! Gib es mir sofort zurück!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)