Macchi to shinu. von Deepdream (Kämpfen und sterben.) ================================================================================ Kapitel 2: Mist and tempest... ------------------------------ <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Macchi to shinu – Kämpfen und sterben. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Die Charaktere sind nicht mein Eigentum. Ich erhalte keine finanzielle Unterstützung hierfür. Ich habe keine Ahnung, weshalb ich das niederschreibe. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Nach langer Zeit nun, setzte ich Macchi to shinu fort. Dieses Kapitel ruhte nun über ein Jahr auf meiner Festplatte, nur konnte ich mich nicht dazu bewegen, es zu publizieren. Nicht, dass jemand Interesse daran hätte, sich dieses Schriftstück anzutun. Nichtsdestotrotz, den paar Verzweifelten wünsche ich dennoch viel... Spaß? <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> See the flowers up on the hills burning away the trees. Feel the pouring of rain upon your skin it won't give you a way to cease. Grasp for the clouds above and realise that you've missed. ... Der blanke Schweiß stand ihm auf der gewellten Stirn. Verwirrung spiegelte sich in seinen Mahagonibraunen Augen. Schweißnass und schwer hingen Strähnenbündel ungewaschenen Haars über seinen verengten Pupillen. Mürrisch fegte er den störenden, nassen Schleier mit einer routinemäßigen Aktion seiner rechten Hand zurück über seine hochroten Ohren. Unbarmherzig brannte die Sonne wie aggressives Magma aus einem ausbrechenden Vulkan auf ihn herab. Die Luft über dem nachtschwarzen Teer der vereinsamten Straße flimmerte hektisch. Seine linke Hand war zu einer zitternden Faust geballt. Trockenes Knacksen ging rhythmisch vom Handballen aus. „Das ist doch einfach nicht möglich.“ Erneut schlossen sich Ryogas Augenlider. Schwache, stechende Reflexe des durchdringenden Sonnenscheins zeichneten sich vor seinem inneren Auge wie eine abstruse Diashow ab. Der beißende Geruch von trocknendem Schweiß stieg ihm in die Nase. Merkliche Konzentration und gezwungene Ruhe konnte man dem ewig Verlorenen anmerken wie er so verlassen auf der Straße stand. Unbeachtet und einsam. Eine glänzende Perle körpereigenen Salzwassers rollte seine rechte Schläfe entlang. Sachtes Rumpeln hallte aus der weiten Ferne, schall und ausgelaugt, der vermeintliche Ursprung ungeklärt. Unerbittlich dagegen stach der grellgelbe Flammenball weit über ihm mit glühendem Blick gleich unzähligen Nadeln herab, ließ das schmutzige Kanalwasser ebenso sieden wie seine verdreckte Figur transpirieren. In einer resignierenden Geste senkten sich seine breiten Schultern ein weiteres Mal nieder. Wütend betrachtete er ein verirrtes Steinchen auf dem glühendheißen, silbern schimmernden Asphalt. Schnaubend trat er mit der abgenutzten Spitze seines bewehrten linken Wanderstiefels dagegen. Er hatte keine einzige KI-Signatur wahrnehmen können. Seinen geschulten Sinnen nach existierte kein einziges lebendiges Wesen im Umkreis von zweihundert Metern. Weder eine unbekannte, noch ihm vertraute Aura befand sie an diesem Ort. °Wo in drei Teufels Namen sind die alle geblieben?°, fragte er sich irritiert. Die Verwirrung saß tief hinter seiner Schmutzbesetzten Stirn und wollte nicht weichen, gleich dem winzigen, abgebrochenen Stachel einer aggressiven Biene. Gewohnheitsgemäß fuhr er sich mit den rauen Fingerkuppen seiner Rechten durch das dichte, verfilzte Haar. Allmählich bekam er hier wirklich Kopfschmerzen. Die beinahe vollkommene Schattenlosigkeit durch die hoch am Himmel stehende Sonne und die schweißtreibenden Grade machten die Sache nicht gerade erträglicher. Eine lasche Brise huschte verstollen über sein verhärmtes Gesicht. Ein kaum merkliches Frösteln bewegte Ryoga zu einem eher spontanen Kratzen auf der frisch entstandenen Gänsehaut seines verkrampften Nackens. °Ob die etwas zu feiern haben?°, brachte sich ein wenig glaubhafter Gedanke mit ein. °Blödsinn!°, beschloss er ungehalten und besah sich missmutig den schwarzen, synthetischen Untergrund zu seinen Füßen. Seine unruhigen Augen sondierten geflissentlich den Boden, welcher still und stumm vor ihm lag. Er fixierte dabei diverse kleine Habseligkeiten, die scheinbar achtlos fallen gelassen worden waren. Eine halbvolle, zart rostrote Coladose, samt sicherlich schalem, liquidem Inhalt. Eine knappe Armlänge entfernt fand sich ein gebrochenes und ausgelaufenes Feuerzeug aus weißem Kunststoff, daneben eine zerdrückte Marlboropackung und eine unberührte Zigarette darin. Ihr winziges Tabakköpfchen schien ihm aus dem weißen Mantel entgegenzugrinsen. °Ich muss ’raus aus der Sonne. Ich werd’ noch irre.° Kritisch betrachtete er seinen aufschlusslosen Fund für einen weiteren Moment, wandte sich dann jedoch uninteressiert ab und zuckte reflexartig mit den breiten Schultern. °Was habe ich auch erwartet? Aus einer Zigarettenschachtel die Zukunft lesen?°, fügte er mit einer schwachen Spur sarkastischen Denkens hinzu. Der junge Wanderer wollte es sich nicht eingestehen, doch füllte seine Magengrube allmählich ein flaues Gefühl aus. Beinahe wie beim letzten Genuss einer von Akanes kulinarischen Kuriositäten. Für ihre kulinarischen Versuche sollte wirklich ein Waffenschein verlangt werden. Der kurze Anflug von Humor wurde rasch von der bedrückenden Stille zerstört. Etwas stimmte in diesem, ihm sonst so vertrauten Distrikt ganz entschieden nicht. °Wo sind die bloß alle?° Dann plötzlich schwand die herbe Besorgnis aus seinen harten Gesichtszügen als hätte ihm jemand eine heftige Ohrfeige gegeben. Mit einem dumpfen Laut vergrub sich seine geballte Faust in der mit dünnen Narben behafteten Innenfläche seiner anderen Hand. „Ich hab’s!“, intonierte er voll aufgelöster Erregung, gleichermaßen als hätte er ein aktuelles Aphrodisiakum in einer Umkleidekabine für Mädchen ausprobiert. Ihn schien sein skurriler Anblick eher milde zu tangieren. „Das hier ist gar nicht Nerima!“, stieß er mit beunruhigend guter Laune hervor. Wie um seine voreiligen Worte zu tadeln, herrschte ein kurzer, aber heftiger Windstoß auf. Mit ihm segelte ein verirrtes und mindestens ebenso vergilbtes Stück alten Zeitungspapiers einher und kollidierte sacht mit seinem, immer noch von dümmlicher, eingebildeter Genialität erhelltem Gesicht. Unwirsch schnaubend griff er nach dem spröden, bleichen Material. Es raschelte verstört. Das unheilvolle Knistern Jahrtausendealter Papyrusblätter kam auf, als seine harten Fingerkuppen anschließend über die verknitterte Oberfläche strichen. Die meisten Kanji waren verwischt und wirkten mehr kafkaesk als vertraut. Die prangenden Lettern über der neuesten Sensationsmeldung jedoch waren deutlich lesbar und nahmen Ryoga alle Zweifel schlagartig. [Nerima news...] Eine klare Aussage, die augenscheinlich und zweifellos besagte, wo er sich befand. Er war demnach keiner möglichen Täuschung seines schlechten Orientierungssinnes erlegen – einmal in seinem Leben hätte er dieser Tatsache Dankbarkeit gezollt - und hatte sich ebenso wenig geirrt. °Willkommen in Nerima. Na, welches Häuschen nehmen wir uns? Sind ja alle frei...°, dachte er mit einer seichten Nuance beunruhigter Krämpfe in der Magengegend. Ihm gefiel die unheilvolle Atmosphäre dieses plötzlich ihm so fremden Viertels nicht. Verlassen und verstaubt ruhten einige wenige Kleinwagen am unbenutzten Bordstein. Die verschiedenfarbige Lackierung eines jeden vereinsamten Kraftfahrzeuges reflektierte matt den lodernden Himmelskörper in sämtlichen Farbfacetten. Von den potentiellen Fahrern fehlte dennoch jedwede Spur. Die rechten Vorder- und Hinterreifen der Autos schwiegen gleich dem Rest der Accessoires und gaben ebenso wenig das Geheimnis ums Verschwinden ihrer Besitzer preis. Die Fahrzeuge lagen mit der endlosen Geduld der Findlinge und schienen so noch eine Ewigkeit ausharren zu wollen. °Das führt doch zu nichts! Ich brauche einen Anhaltspunkt°, überdachte er sich die unangenehme Situation möglichst nüchtern. Gedankenverloren kratzte er mit seinen überlangen Fingernägeln über ein paar sprießende Bartstoppeln. °Ich sollte mich nachher etwas frisch machen°, sinnierte er wenig erbaut nach der unvermeidlichen Begegnung mit den ersten markanten Andeutungen des Heranwachsens. „Ich werde also endlich ein Mann. Super!“, kommentierte er den eher irrelevanten Fakt zynisch und beschrieb einige vorsichtige Schritte Richtung Norden. °Vielleicht weiß Ukyo ja genaueres?°, versuchte er sich selbst etwas fade Hoffnung zuzuführen. Ein erbärmlicher Versuch, dennoch besaß er nun zumindest ein potentielles Ziel. Alles was ein Hibiki benötigt um seinen Weg zu finden ist ein Ziel. Eine durchaus geduldete Anschauung, sieht man großzügig von den kleinen Umwegen ab. Der verlorene Junge begab sich wenig euphorisch Richtung Ucchans. Er hätte sich auch einfach dazu entschließen können, dass ein weiterer Trainingstrip gar keine so schlechte Idee wäre und hätte erneut von dannen wandern können. Er hätte auch dem Tendodojo eine Steppvisite abhalten, mit Ranma einen kleinen Schaukampf und daraufhin wieder Schusters Rappen frönen können. Doch dass tat er nicht, eine Entscheidung, die der den kaum mehr nennenswerten Rest seiner verbleibenden Lebenszeit verfluchen würde. Denn sie war ein fataler Fehler. Auf seiner reichlich kuriosen Rundreise – „War ich hier nicht schon mal?“ – traf er kein einziges Lebewesen an. Auch erklangen die sonoren Vogelserenaden kein einziges Mal. Lediglich einige weitere vergessene Accessoires fand er auf seinem wirren Zickzackkurs vor. Ein umgefallenes Fahrrad, das wie ein verendeter Tierkadaver mit dem verbogenen Vorderrad auf dem gepflasterten Schiefergrau des Gehwegs auflag. Eine mittelgroße Baumwollpuppe eines Kindes, mit schwarzen Knopfaugen und einer langen aufgerissenen Naht entlang eines der schmutzigen Stummelärmchen, aus dem zerrissener Polyester hervorspähte. Ebenso passierte er abweisende Häuserfassaden, - °Die düsteren Fenster wirken wie Augen...° - die sämtliche Rückschlüsse auf Leben eingebüßt hatten, schlenderte über entvölkerte Gehwege, auf denen manches einstige Hab und Gut sporadisch verstreut lag und flanierte schließlich entlang der größten Ansammlung vitalen Grüns im gesamten Bezirk. Das klare Kobalt des Himmels spiegelte sich hier auf künstlich angelegten Teichen. Wobei das lebhafte Schimmern, der sacht wellenden Oberfläche, geradezu grell in den Augen stach. Ein prachtvoll im hellen Sonnenlicht daliegender Pavillon lag eingekreist von farbenfrohen Blumenrabatten im Zentrum der verheißungsvollen, paradiesischen Parkanlage. Den mystischsten und pittoreskesten Eindruck jedoch hinterließen, wie bei einem jeden Besucher, die hoch gewachsenen Sakurabäume in voller Blüte. Reiche Massen an Konfetti in einem gediegenen Lavendel zierten die kräftigen Äste, während lose, verschwommene Lichtbalken sich verzweifelt ihren Weg durch die dichten Baumkronen suchten. Die zauberhaften, starren Kreaturen flankierten majestätisch die Abkürzung Ryogas in Form eines rotbraunen, mit vielen Schatten behafteten Pflasterweges. Kohlefarbene Fetzen, die beweglichen Schatten der Blütenblätter, flanierten über sein Haupt, die Schultern und entlang des Torsos, trotz dass in diesen Augenblicken kein Wind herrschte, rauschte es gespenstisch über ihm. Die samtenen Blütenblättchen rieben aneinander und einige wenige fielen sogar herab. Ein friedlicher Anblick, wäre Ryoga von der Last der Ungewissheit nicht zwischendurch geradezu schlecht gewesen. Doch er mochte diesen Ort, er verband viel Schönes damit. Viel zu viel, als das er seine Verbindung mit diesem Zentrum der Zuneigung aus einer haltlosen Eingebung brechen wollte. Außerhalb des großen Gartens manifestierte sich die brennende Glut des gelben Feuerballs und schmetterte auch weiterhin herab. Hier jedoch dominierte eine prickelnde, angenehme Kühle. Die natürlichen Baldachine über seinem Kopf bildeten sich aus ineinander verwachsenem Geäst und verstärkten die unvermeidliche Impression sich im geheimnisumwitterten Thronsaal von Mutter Natura zu befinden. Es handelte sich um einen dieser raren Momente in denen er sich gestattete kurzzeitig das angespannte Gefühl der bedrückenden Depression, übermächtigen Lethargie und des Zweifels in einen schallen, rauchigen Schemen zu verwandeln - °Leider nur kurz, viel zu kurz...° - und gleißende Helligkeit sein Herz kitzeln zu lassen. Er fühlte unverfälschtes Glück, zwar kein Elysiumnahes Erlebnis, aber für ihn dennoch ein denkwürdiger Moment. „Es ist so unfassbar schön...“, hauchte er über seine spröden Lippen. Über ihm ein Schattenspiel in das sich Zartrosafarbtöne ebenso mischten, wie das Indigo und Azur des Himmels und das kräftige Gelb der Sonne. Bei diesem Anblick verblasste selbst die notorische Empfindung dieser befangenen Klammheit etwas. Dennoch, eine geringfügige Kleinigkeit störte ihn noch. Unbewusst formte sein ausgetrockneter Mund ein Wort – „Durst...“. Aufmerksam lernten Ryogas Pupillen wandern, seine forschenden Blicke passierten das schimmernde Kupferdach des eigentlichen Mittelpunktes dieser Anlage, den Pavillon, – „Ich kann fast noch das Aroma gebackener Okonomiyaki riechen...“ – die stolzen magentafarbenen und blassblauen Häupter, die sich aus den langen Blumenreihen hervorreckten, um einen zusätzlichen wärmenden Strahl zu erhalten und schließlich verhaarte sein Augenpaar abrupt. Er hatte den gesuchten Gegenstand erspäht. Eine kleine, rötlich bestrichene Betonsäule, samt glänzendem Wasserhahn. Glücklich den gesuchten Gegenstand erspäht zu haben, trabte er darauf zu, drehte das abgegriffene Rad zur Regulierung des Wasserflusses und vernahm die ersten Tropfen durch ein leicht angerostetes Gitter darunter fallen. Dann senkte er seinen Kopf bedächtig unter die Öffnung des Wasserhahns - einzelne Strähnen, der schweißigen Mähne fielen vor seine Augen - und ließ die liquide Kühle in seinen Mundraum sich ergießen. In sich stetig wiederholenden Abständen hob und senkte sich sein Kehlkopf, von der Gier des Durstes und dem Drängen seiner ausgetrockneten Zellen angetrieben. Die Augen in Ekstase geschlossen, nahm er nur entfernt neben dem Dunkel, einzelne rötliche Flecke, bedingt durch das penetrierende Sonnenlicht, wahr. Nach einigen Sekunden, die ihm jedoch wie heilvolle Stunden erschienen, bewegten seine staubigen Finger das regulierende Rad und beendeten den steten, kleinen Wasserfall. Mit einem Lächeln und gebotener Vorsicht distanzierte er sein Gesicht vom Hahn, bemüht potentiellen Nachzüglern der liquiden Kälte zu entgehen. Seine Körperhaltung wurde wieder gerade und befriedigt wischte er sich mit dem Handrücken einige wenige Tröpfchen aus dem Mundwinkel. Das Braun seiner Augen fixierte nochmals, mit einer ungekannten Sanftheit den Pavillon, der nun still, einsam und doch wie ein himmlisches Refugium im weißen Sonnenlicht badete und ein Gefühl der inneren Ruhe aufkeimen ließ. „Hier. Hier waren wir und genossen den Frieden.“ Unvermittelt lächelte Ryoga, während er sich an den so genannten Frieden entsann, der mehr als nur ein „Idiot!“ oder „Perverser“ enthalten, aber dennoch ungewöhnlich beruhigend gewesen war. °Man war unter Freunden und manchmal findet man auch mehr. Selbst ich.° Seine Füße setzten sich in Bewegung und fortan manövrierten sie ihn über die rotbraunen Steinquader, zumeist zwei bis drei mit einem Schritt überbrückend. Einzelne Blüten regneten auf ihn herab, langsam und zart. Ryoga fühlte sich wohl. So wohl, wie es ihm in dieser bekannten Fremde möglich war. Denn das drohende Gefühl des Unheils blieb bestehen, ließ sich nicht verdrängen und baute trotz seiner Versuche derartige Emotionen zu unterdrücken, aufs Neue eine gewisse Bedrückung auf. Zwar nicht außerordentlich intensiv, dafür jedoch andauernd. Vergleichbar mit dem frenetischen Jucken, das mit der Wundheilung einhergeht. Am Ende des Wegs wartete Licht, gelb und stark, wies es die Richtung und entließ Ryoga wieder auf die schwarze Straße, entgegen den anscheinend leer stehenden Häusern und brachte damit erneut mit unverminderter Härte den Eindruck zu ihm, dass dieser Ort, dieses Nerima nicht jenes war, dass er allmählich über die Jahre ins Herz geschlossen hatte. Hinter ihm klapperte etwas und verbreitete mit einem anschließenden Klirren eine geradezu unheilige Lautstärke über den ausgestorbenen Distrikt. „Wer...?“ Mit jener Frage auf der Zunge drehte er sich um 180 Grad und sah sich niemandem gegenüber. Vor ihm befand sich nur eine zur Seite gekippte Coladose, in der Mitte zerquetscht und sich selbst noch immer leicht wiegend. Alarmiert fuhren seine Sinne hoch und ließen ihn fühlen. Ähnlich der Fähigkeit einer Spinne, anhand der Vibration ihres Netzes bestimmen zu können, wo genau in ihrem Territorium sich die Fliege befindet, entsandte Ryoga kleinere Impulse seines eigenen Chi und wartete ab, ob sich in diesem Energienetz etwas verfangen würde. Er wurde enttäuscht, was hieß, dass jemand definitiv nicht wollte, dass Ryoga wusste, wer er war oder dass der Bandanaträger schlichtweg paranoid geworden war. Besagter schob es auf die zweite Alternative und drehte sich um. Die Überzeugung übergeschnappt zu sein, tat zwar nicht viel bei, seine dunkle Vorahnung zu mindern, erleichterte ihn aber dennoch gelinde. Eigentlich ironisch, aber vielleicht bildete er sich das alles ja auch nur ein und lag stattdessen auf einer flach begrasten Anhöhe inmitten eines der gestreckten Kornfelder, über ihm ein stämmiger Baum mit weit gefächerter Krone. Mit einem Schlag entglitt diese kurze erleichternde Vorstellung. Seine Augen weiteten sich, wobei das schwarz der Pupille geradezu beängstigende Ausmaße annahm, seine Arme verkrampften und fielen zugleich schlaff herab und sein Kiefer öffnete sich leicht. Der überwältigende Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben und der Grund dafür lächelte. Er war es. Seine Kleidung, die weiche Seide und deren Farbe war unverkennbar, ebenso wenig sein Gesicht mit diesen stahlblauen Kanoniersaugen, dem übermütigen Lächeln und der Körperhaltung, die Arroganz geradezu ausstrahlte. Früher eine potentielle Entschuldigung für die Kompensation enormer Stressgefühle, zuckte ein zögerliches Lächeln über Ryogas Lippen. „Hey, wie geht’s? Warum hattest du dich versteckt, ist das eine neue Technik? Wo warst du de...?“ Seine Frage verlor sich in der Antwort, als aus zwei schattigen Gassen, zur Rechten wie Linken Ranmas bekannte Gesichter hervortraten. Nicht eilig, mehr behäbig und drohend. Innerlich schüttelte Ryoga den Kopf über soviel Paranoia und nahm sich kurz entschlossen vor, sich von derartigen Gedankengebilden vorerst zu distanzieren. Schließlich handelte es sich hierbei ja wohl um seine Freunde. Oder etwa nicht? Sofern die Frage zwar ihren Sinn verloren hatte, so blieb dennoch jegliche Reaktion seines einstigen Kontrahenten aus. Bleierne Schwere hing stattdessen in der diesigen Hitze. Die Gestalten verharrten nun endgültig zu Seiten Ranmas. Einerseits Akane und Ukyo auf der Linken, Mu-Tsu und Xian-Pu zur Rechten. Sie alle grüßten mit Schweigen und anscheinend unterschiedlichen Emotionen. Während Akane offensichtliche Freude und noch etwas anderes, eine undefinierte Regung in ihrem Gesicht, ausstrahlte, wirkte Ukyo - °Muss ich immer den ersten Schritt machen? Na komm her, du Riesenbaby.° - hingegen geradezu depremiert, was zusätzlich zur Konfusion des jungen Wanderers führte. Mu-Tsu entsprach der Reglosigkeit einer Statue, während Xian-Pu mehr einer Wildkatze im Lauerzustand zu ähneln schien. Doch noch immer schwiegen sie alle. „He..., Hey Leute, sch..., schön euch zu sehen. Ziemlich warm heute, was?“ Unsicher schwang seine Stimme, während das Braun seiner Augen hilfesuchend die junge Okonomyakiköchin musterte, die diesem Blick offensichtlich mit Unbehagen auswich. „Hi Piggy, willkommen oder... sollte ich dir lieber noch einen schönen,... letzten Tag wünschen?“, die Weise, in der Ranma dies vortrug, ließ Ryoga annehmen, dass dies ein Scherz sei. Und beileibe, ein abgrundtief schlechter. Ranmas höhnisches Lächeln blieb über diesen Satz hinweg konstant, fiel jedoch gegen Schluss hin und machte einer starren, entschlossenen Miene Platz. Es war kein Witz, wenngleich die in der Phrase getragene Botschaft alles andere als ernstzunehmende Nachricht enthielt. Irritiert über den plötzlichen Antagonismus legte sich Ryogas Konzentration auf Mu-Tsu, um von ihm eine Ahnung zu erhalten, welchen Beweggrund diese Konfrontation hatte. Der chinesische Amazone schwieg, verblieb stählern und still. Auf seinen dicken Brillengläsern funkelte die Sonne und verdeckte so effektiv den Ausdruck seiner Augen. Akane - °Ich akzeptiere deine Entschuldigung... Aber keine Schweinerein mehr, okay? Und bitte, Ukyo verdient etwas Glück.° - lächelte, aber nicht aus Freude oder Erstaunen, nein, vielmehr einer ungewohnten Grimmigkeit, die die Begrifflichkeit des Ärgers in neue Höhnen hob folgend. Sie war kampfeslustig. Ukyo alleine vermittelte auf ihn den Eindruck halbwegs ihrem personalen Standard treu geblieben zu sein, doch haftete ihr Blick auf dem fiebrig schimmernden Schwarz des Asphaltes und ihre Arme hingen schlaff an ihren Seiten herab, die Finger zogen sich zusammen und entspannten rhythmisch. Dann sollte es beginnen und das Leben aller jener, die sich über längst verflossene Jahre hier eingefunden, bekämpft und schlussendlich angefreundet hatten, würde ein Dunkelheit hereinbrechen, die niemand je hätte erahnen können. Den Schleier des Todes. Jahrelang geschulte Instinkte übernahmen automatisch seine Reaktionen. Die ausgeprägte Wadenmuskulatur kontrahierte, ein glasklarer Schweißtropfen perlte über seine schmutzige Stirn und er stieß sich kraftvoll vom Asphalt ab. Eine tödliche Schwadron Schurrikenähnlicher Projektile durchbohrte seinen ehemaligen Standort. Laut krachend schlugen die Miniaturspathulas in die monochrom graue Karosserie eines hinter ihm liegenden Kleinwagens ein. Dem blechernen Klirren nach zu schließen, hatten die todbringenden Fluggeschosse sämtliche Hindernisse innerhalb des Autos durchschlagen und waren auf die dahinter liegende verputzte Backsteinmauer getroffen. Eine verirrte, kesse Strähne seines zerzausten Haars glänzte vor seinem rechten Auge. Körperwarmer Schweiß von seinen emsig arbeitenden Poren abgesondert, rann weiterhin unermüdlich über den Staubschleier auf seinem verbissenen Gesicht. Kreischendes Surren fraß sich mit einem Mal in seine Trommelfelle und am Rande seines Sichtfeldes blitzte ein metallischer Gegenstand energisch auf. Eine unordentliche Aneinanderfügung von Gedanken und Vermutungen wirbelten als lose Informationsfragmente über die gefurchte Rinde seines Großhirns. Allesamt enthielten sie grob umrissen eine essentielle Botschaft. °Verflucht!° Sein geschulter Gefahrensinn explodierte in einem statischen Schrillen tief inmitten seines Kopfes. Aus dem Affekt beschrieb seine angespannte Rechte einen diagonalen, aufwärts geführten Konter und traf mit den robusten Fingerknöcheln präzise Mu-Tsus Eisenklaue. Von der enormen Wucht seines Gegenschlages abgelenkt, verfehlte die Kettenwaffe ihr eigentliches Ziel - °Mich! Bei Kami-sama, mich!° - und kollidierte mit einer nahen staubroten, zweieinhalb Meter hohen Backsteinmauer. Ein mittelgroßes, quadratisches Schild verkündete, ungeachtet der Tatsache, dass ein klaffendes Loch knapp über diesem prangte, [Hier entsteht ein Einfamilienhaus – Betreten auf eigene Gefahr – Eltern haften für ihre Kind...]. Der armselige Rest der Informationstafel wurde von einer dichten, zinnoberen, aufwallenden Staubwolke verdeckt. Schutt der zu Boden und von da aus in Staubwolken aufgegangen war. Ryogas Pupillen wirbelten hektisch im Braun seiner Augen. Plötzlich standen sie starr, fixiert auf ein potentielles Opfer. Alten Reflexen folgend griff er an sein krauses, sicherlich stinkendes - °Darum mache ich mir später Sorgen.° - Haar. Seine rauen Fingerkuppen berührten die gewohnte Schärfe eines seiner eng um den Kopf geschlungenen Bandana. Ihre Blicke trafen sich und für einen kurzen Moment verklang der Gefechtbegleitende Lärm von aggressiven Rufen und Fußgetrampel zu einem unbedeutenden Hintergrundrauschen. Die scheinbar personifizierte Zeit schien inne zu halten. Er sah die Regenbogenhäute ihrer beiden Augen schimmern, eine unbeachtete Träne floss aus ihrem rechten Augenwinkel - °Verflucht, was ist los? Ich will das nicht! Bitte.° - und die stille Bitte um Vergebung hing in der Luft. Metallischer, abgestandener Geschmack von Blut mischte sich unter seinen angeregten Speichelfluss, als sich seine spitzen Eckzähne im weichen Fleisch seiner Unterlippe vergruben. Ein letztes Mal besah er sich ihren steifen Körper gleich einem faszinierenden, ewig währenden Stillleben. Das wallende, haselnussbraune und hüftlange Haar, das geschmeidig auf ihren Rücken fiel. Langsames Heben und Senken ihrer rechtshändig gesicherten Spathula, der gusseiserne Stiel unter die Achsel geklemmt. Die reflektierende, blanke und scharf geschliffene Miniaturspathula in ihrer verkrampften Linken. Bereit zum möglicherweise todbringenden Einsatz. Der letzte Blick und das stumme Flehen um Entschuldigung seinerseits. Mit einem zischenden Surren zog er das ockergelbe Stirnband vom Kopf, mit einem leisen Ratschen öffnete sich der lasche Knoten und er warf es unvermittelt mit voller Stärke. Seine Lider senkten sich und nahmen ihm gnädigerweise die unmittelbare Sicht auf das Resultat seiner Attacke. Ihr ungläubiger, schmerzreicher Aufschrei ließ sein Herz verkrampfen und in einem ungesunden Rhythmus pochen. Das erwartungsvolle Traben von Hartgummi-, sowie Ledersohlen verebbte abrupt. Noch immer hallte die Erinnerung an ihr offensichtlich unerträgliches, qualvolles Leiden akustisch nach und wurde unbarmherzig von der stickigen Schwüle zu seinen Ohren getragen. Ein zweiter Schrei mischte sich unter den ersten. Dieser war voller Wut und blanker Fassungslosigkeit, angereichert von Hass. Ryoga erkannte den sonoren Klang des gellenden, brennenden Rufs nach Vergeltung. „Ranma...“, kam es ihm über die spröden, blutverschmierten Lippen. Er schlug die dünnen Lider, hinter denen sich tiefrote und grellweiße Lichtreflexe getummelt hatten auf. Von seiner momentanen Position, die noch einen knappen Meter von der Straße entfernt maß, sah er die junge Okonomiyakibäckerin unter stöhnendem Keuchen auf die Knie gehen. Purpurnes Blut floss in dynamischen Strömen und färbte das legere Oberteil ihrer Freizeitkluft dunkel. Der rechte Ärmel war abgetrennt, mitsamt der dazugehörigen Extremität. Jene lag, noch zuckend wie ein verletztes, angefahrenes Tier, auf dem aufgewärmten, schwarzen Asphalt. Dickflüssige, entfernt an liquide, geschmolzene Rubine erinnernde Rinnsale tropften herab und sammelten sich in geringfügigen Ausbuchtungen der Straße zu unheilvollen Pfützen und Lachen. Ihre gesunde Hand lag vergeblich auf dem frischen Armstumpf, die warme Flüssigkeit trat zwischen ihren geschlossenen Fingern hindurch und sickerte über den mehlweißen Handrücken. Auf ihrer im Sonnenlicht glänzenden Miniaturspathula schimmerte ein einziger Tropfen roten Lebenselixiers verloren vor sich hin. Eine groteske Parodie in Anbetracht der nahe liegenden und zusammenfließenden Blutansammlung. „Das wirst du bitter bereuen!“ Ranmas entbrannte Berserkerwut glomm auf seinem sonst vermeintlich ausgelassenen Gesicht. Ryoga verstand Ranmas brodelnden Hass. Sehr lange hatte er selbst in dieser Empfindung kontinuierlichen Antrieb gefunden. War durch unwegsames, zerklüftetes Gelände marschiert und durch Kniehohe, eiskalte Wildströme gewatet. Unermüdlich und mit nur einem einzigen Fokus, blutige Rache zu nehmen für das ihm zugestoßene Unheil. Daher empfand er Ranmas Vergeltungsdrang auch als berechtigt. Sein ewiger Rivale und das Mädchen waren seit jeher enge Freunde gewesen, fast so etwas wie Geschwister. Er hatte Verständnis, aber kein Mitleid. Er fühlte sich nur kalt und ausgehöhlt. „Wer Wind säht, wird Sturm ernten.“ Mit einem dumpfen Geräusch berührten seine Füße wieder festen Boden und er federte in den Beinen, um den Druck seines Körpergewichts zu kompensieren. All dies geschah unbewusst, seine wesentlichen Gedankten kreisten um die erste hässliche Narbe, auf dem faulenden Netz der dahinsiechenden Freundschaft, die sich durch seine eigene Hand dort verewigt und eingeprägt hatte. Unüberlegt in seinem blinden Zorn schoss der Erbe der Musabetsu Kakuto Ryu vor, sicher seinen Kontrahenten mit wenigen gezielten Schlägen außer Gefecht zu setzten. Für immer. Jener sah und spürte die prekäre Gefahr gleichermaßen und verfiel eine geduckte Defensivhaltung. Stoßweise rasselte heißer Atem über die blutroten Lippen Ryogas, ein purpurner Rinnsal floss aus dem linken Mundwinkel. Sein Hemdausschnitt nahm eine unschöne Tönung an und fing an durch das gerinnende Blut hart zu werden. Ranmas Schlaghagel erfolgte in surrealem Tempus und schien sich noch zu steigern. Ryoga hingegen beschränkte sich auf bestmöglichstes Blocken, fühlte seine muskulösen Arme jedoch rasch schlaff werden. Ukyo konnte er nicht mehr sehen, sie war von ihren – °Ihren, nicht mehr meinen!° - Freunden schützend eingekreist. Ihr hemmungsloses, von Pein getriebenes Schluchzen hörte er dennoch. War dies der Tribut, den er zahlen musste für die Erhaltung seines unglücklichen Lebens? Warum gab er nicht einfach auf, ließ Ranmas Schlage ungehindert passieren und seine Torso malträtieren? So lange bis eine Brustrippe brach und sich wie ein Knochenspeer in seine brodelnden Eingeweide bohrte? Wieso kämpfte er weiter, nachdem er sich selbst sein Herz hinaus gerissen hatte? Aus dem einfachen Grund, das er nicht anders konnte. Ein solches Verhalten wäre gegen seine Wertvorstellungen, gegen seine Moral und gegen den Ehrenkodex. Der Bushido lag wie ein pralles Tonnengewicht auf seinen Schultern. Es war die Last der Ehre und des Stolzes, die ihn dazu trieb Gegenwehr und schlussendlich sicherlich auch Mord zu begehen. Er war ein hoffnungsloser Gefangener seiner selbst, ein Ding der Unmöglichkeit aus dem Kerker all dieser Vorsätze auszubrechen. Unsichtbare Ketten bändigten seine Befehlsgewalt über sich und seine Entscheidungen. Wer hatte ihm diese angelegt? Seine Eltern? Möglich. Sein Umfeld? Wahrscheinlich. Ein übergeordnete Instanz, die auf sie alle hernieder sah, wie ein Kind auf ein Puppenhaus? Mit Sicherheit! Es gab einen wahren Träger der Schuld. Die Person, welche sie alle schuf und nun schließlich hierzu - °Diesem gottverdammten Massaker!° - veranlasste und trieb. Ranma hatte ihren Namen genannt, die Bezeichnung seiner tatsächlichen Nemesis. Rumiko Takahashi. Irgendein fantasievoller Mensch, der sie in einer gelangweilten Stunde aus einem Gewirr loser Striche geboren und auferstehen hat lassen. Aber nicht nur das, sie schob sie wie Schachfiguren nach ihren eigenen Regeln umehr, entschied ihr Leben, bevor sie es wussten und entschied wer bleiben durfte und wer ging. Augenscheinlich auch die Facon in der ein jeder abtrat. Ryoga hatte Zeit seines Lebens viele Blessuren überstanden, schwerwiegend als auch Lappalien. Allein aus diesen Verletzungen rührte seine enorme Resistenz. Doch selbst seine im Vergleich zu den anderen überragende Widerstandskraft löste sich allmählich auf, das Muskelfleisch pochte unter Ranmas fanatischen Faustangriffen, der Kalk seiner Knochen wurde porös und seine Sehnen dehnten sich schmerzhaft. Mehr als die physikalischen Attacken tat jedoch die Mimik, seines ehemaligen Kumpanen, weh. Ein Ausdruck entschlossener, kalter Wut, blinder Hass. Sein alter Kindheitsfreund hatte viele Kämpfe bestritten, dennoch gab es nur einige wenige bei denen dieses Minenspiel sichtbar wurde. Kirin, Herb und Saffron waren solche Gegner gewesen. In ihnen hatte er eine ernstzunehmende Bedrohung erkannt und war sich sicher sein Bestes geben zu müssen. Entweder war also Ranmas Wahrnehmung, sowie sein Denkprozess vom Geschehenen deaktiviert gewesen oder aber er erkannte ein wesentlich infernalischeres Gefahrenpotenzial in Ryoga als angenommen. Selbst wenn das Zweitgenannte der Fall gewesen wäre, hätte Ryoga nicht recht gewusst, ob er hierauf hätte stolz sein können. So gesehen war es eine Gnade, die Gedanken seines Gegenübers nicht lesen zu können. Die pfeilschnellen Bewegungen des Kachuu Tenshin Amaguriken nahmen unscheinbar ab, somit war selbst die emotionale Verstärkung durch den urgewaltigen Hass lediglich von temporärer Dauer. °Ich lebe und stehe noch.° Sein Gefahrensinn ließ eine grelle Explosion vor seinem inneren Auge aufflammen. Zeitgleich leuchtete eine weitere Überlegung in seinem Kopf auf, eine direkte Antwort auf sein vorangegangenes, von Erleichterung geprägtes Statement. °Nicht mehr lange!° Es war der Moment in dem Ranma alle seine verbliebene Kraft in einen letzten mörderischen Schlag steckte und dafür weit ausholte. Es war der Augenblick in dem sich die Sonne dunkel verfärbte, zu einem giftigen, bedrohlichen Gelb. Es war der Zeitpunkt in dem das wuchtige Reiben der Luft an einer metallenen Kugel vernehmbar wurde. Ryoga ließ sich in einer fließenden Bewegung, die Augen starr auf den erhitzten Straßenbelag gerichtet, in eine gebeugte Haltung fallen. Der bleierne Bonbori zog eine straffe Furche über sein Ockergelbes Hemd, rutschte leicht, aber brennend über den schweißnassen Rücken und streifte einige onyxfarbene, verirrte Strähnen auf Ryogas Hinterkopf. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er sogar die vom Projektil ausgehende Druckluftwelle gespürt zu haben. Mit einem dumpfen, heftigen Knall traf die chinesische Mordwaffe den langhaarigen Jugendlichen in der Front Ryogas. Ein gedämpfter, beinahe witzig klingender Grunzlaut wurde keuchend ausgestoßen, er nahm sogar den leichten Mundgeruch Ranmas wahr, dann flog jener durch das heftige Effeff über den Asphalt. Als sein verletzter Kontrahent mit einem entsetzenden Schmerzensschrei aufkam, schlug dieser eine unfreiwillige Rolle, schliff über das raue, abgefahrene Material und kam kaum merklich röchelnd zum Erliegen. Mit beinahe sadistischer Kälte stimmte das Gehirn des ewig Verlorenen ein spöttisches °Autsch° an. °Da waren es noch drei...°, über die mitleidlose Endgültigkeit dieser Empfindung war er regelrecht schockiert. Fassungslos starrte er seine Hände an, als wäre er es gewesen, der den Kampfschulenerben zu Boden geschleudert hätte. Ein phänomenaler Wutschrei durchbrach die aufgewirbelten Wirren seines Geistes, während das monotone Surren erneut in seinem Hinterkopf erklang. Seine Beinmuskulatur wurde kurz schlaff, nur um mit heraustretenden Sehnen sich anzuspannen. Er stieß sich linksbeinig ab und streckte sein rechtes schnaubend durch, wie ein irrer Stier. Das Profil seines Wanderschuhs grub sich lautlos in die Magengrube seiner Angreiferin. Anhand der KI-Signatur war es kein sonderlich schweres Unterfangen seine Gegnerin ausmachen, Xian Pu. Eben jener entfleuchte ein gepresste Stoßseufzer und durch den Druck in ihrer Magengrube keimte Brechreiz. Der Drall des Tritts katapultierte sie querfeldein durch die beißende, siedende Luft. Glänzendes, im Sonnenlicht funkelndes, gelbfarbiges Metall kam in ihr Sichtfeld und jenem unmittelbar und rasant nahe. Gellend stieß sie ihre fürchterliche Pein aus, als sie die im Wind schaukelnde Glastür der Telefonzelle durchschlug. Ein schneidender Regen aus Glassplittern verhaarte einen Moment mit ihr im Flug, nur um sich daraufhin zu großen Anteilen in die weiche Schicht ihrer Haut zu bohren. Mit einem explodierenden Plauzen beulte sich die hintere Kabinentür merklich aus, die Nieten lösten sich wackelnd und mit einem kreischenden Ächzen prallte die reflektierende Aluminiumwand mit lautem Hallen zu Boden, während Xian Pu noch einige weitere Meter die brennende Qual ertrug, ehe sie aufschlug, wenige Meter rutschte und leblos liegen blieb. All dies geschah in realer Zeit in kaum mehr als vier Sekunden. Für Ryoga verging eine Ewigkeit. Er sah die entstellten, grotesken Gesichtszüge, die von unvergleichlicher Agonie herrührten. Betrachte mit grausiger Faszination wie die Glaswand zum inneren der Kabine hin explodierte und das Mädchen in einen spitzen, wie scharfen Hagelschlag gerieten lassen. Jetzt fiel sein entgeisterter Blick auf die scheinbar tote, geschundene Hülle. Seine übermäßige Phantasie hatte ihm einen bösen Streich gespielt. Sie keuchte noch, zwar trat blutverschmierter Speichel aus ihren Mund, dass träge und anprangernd über die aufgeplatzten Lippen, das mit einer Platzwunde verunzierte Kinn und ihre angeschlagenen Wangen liefen, doch immerhin hatte sie es halbwegs lebendig überstanden. °Gut oder schlecht?°, säuselte die Stimme in seinem Kopf ihren prosaischen Aphorismus. Dieser unwirkliche Vokale und Konsonanten formende Klang war kaltherzig und apathisch, doch musste Ryoga ihm zustimmen. Was war wohl besser? Einen Gegner - °Freund, ehemaligen Freund...° - weniger oder mehr? Ein Zwiespalt zwischen Herz und Verstand tat sich klaffend auf, er musste entscheiden welchen Weg er wählte. Zwei Optionen, beide nicht sonderlich angenehm. Erst jetzt schnappte er aus den tiefen seiner Tagträumerei auf. Es war ein weiterer wutentbrannter, bekannter Schrei, vielmehr noch eher ein gutturales Brüllen des Zorns. Mu-Tsu befand sich knapp zwei Meter über dem Boden als er zu einem präzisen Tritt mit seinen patentierten eisernen Adlerklauen befestigt unterhalb der rauen Schuhsohle auf Ryogas Kopf abzielte. Der junge Wanderer neigte sein Haupt mit einem atonalen Knacken zur Seite, während eine der auf tödliche Weise bezaubernd funkelnden Klauen seine Wange aufriss. Ihre Augen begegneten sich auf gleicher Höhe. Mu-Tsu noch immer im Flugtritt, Ryoga auf dem zunehmend, unangenehmeren Asphalt. Mechanisch griff er zu, bekam die weite Robe zu fassen und drehte eine gewagte Pirouette einbeinig um hundertachtzig Grad. Im vermeintlichen Rausch der Drehung fraßen sich die mahagonifarbenen Augen in die Mu-Tsus. Ryoga ließ los und wurde mit einem unwirschen, pfeifenden Laut belohnt, als der Amazone durch die Luft schnitt. °Sorry Kumpel...° Der Rest seiner Überlegung verblasste in einer Aufwallung plötzlichen, überwältigenden Schmerzes. Er war dermaßen abgelenkt gewesen, dass seine Konzentration und auch die unbewusste, sein Gefahrensinn, nicht ausgeschlagen hatten. Mit einem knirschenden Laut bog sich sein Kreuz durch und zwang ihn mit qualvoller Mine auf die Knie, seine spröden Handflächen berührten den schwarzen, glühenden Teer und schrieen verbittert auf. Gleich heißen, flüssigen Blei floss die Auswirkung des Angriffs durch jeglichen Muskel und ließ seine Zähne aufeinander vibrieren. Heiße Tränen flossen aus den trockenen Drüsen und zogen Schlieren durch den Schmutz über dem Hautgewebe seines Gesichts. Trotzdem zwang er sich, nachdem die biologische Warnglocke erneut zu klingeln anfing dazu, eine Ausweichrolle vorwärts zu probieren. Der Schmerzbegleitete Bewegungsablauf glückte und hinter sich vernahm Ryoga ein infernalisches Knacken und Splittern. Lose Brocken und Fragmente der Straße flogen an ihm vorbei wie verirrte Sternschnuppen und glitzerten wie Silber. Einige wenige trafen ihn, die meisten wie auch spitzesten verfehlten ihn um Haares Breite. Sein Kopf wand sich protestierend um neunzig Grad, so dass er seinen Angreifer mustern konnte. Nicht, dass die wallende, brachiale Aura ihm gänzlich unbekannt gewesen wäre. Vielmehr war er zu erschüttert, um seinen geschulten Instinkten und zusätzlichen Wahrnehmungsfähigkeiten Glauben schenken zu können. °Unmöglich...°, formte sein Herz. °Definitiv!°, verkündete sein Gehirn. Letzteres behielt unbarmherzig Recht. Gezwungen ruhiges Schnaufen entwich den traumhaft vollen Lippen. Der burschikose Schnitt ihrer Frisur wurde vom hellen Sonnenschein nahezu perfekt in Szene gesetzt. Ihre Fingerknöchel waren weiß meliert, die eigentlichen Glieder purpurn und umfassten konvulsivisch den abgenutzten Griff eines schweren Holzhammers. „Akane...“, hauchte Ryoga starr und erbleichend. „Du auch...?“ Die Sinnlosigkeit dieser Frage wäre in einer normalen Situation selbst einem mental Minderbemittelten aufgefallen. Nur war dies keine normale Situation, dies war ein geradezu massakerähnlicher Not- und Sonderzustand. Ihre hübschen, sonst so sanften Augen funkelten in ruheloser Rage. Der Griff um den Schaft der Waffe verstärkte sich, sie hob den Hammer empor, so dass er wie eine Gottgesandte Strafe auf ihn hinab deutete. Dann schlug sie zu. Straßenbelag wurde in Stücke gerissen, nebelhafter Staub wurde aufgewirbelt und ein Schrei durchzog die relative Stille in den verlassenen Straßen Nerimas. Akanes Pupillen weiteten sich unnatürlich als sie die geballte Faust gegen ihren Brustkorb treffen sah. Die ansonsten vergleichsweise großen Augen verengten sich zu weiten Schlitzen und ein hustendes Keuchen entwich ihren Lippen. Ryoga zog seine Hand zurück und sie - °Mein kleiner Engel. Gefallener Engel...° - kippte aufstöhnend vorüber. Ihre Muskeln spannten sich noch immer unter der samtenen, elfenbeinweißen Haut, ihr kurzes Haar wehte in einer ruhigen Brise und der honiggelbe Feuerball ließ dieses azur und unbekümmert schimmern. „Akane..., flüsterte er entschuldigend, ...es tut mir leid.“ Sein Körper hatte automatisch reagiert. Es war klar, dass der Hammer selbst seine Knochen hoffnungslos zerschmettert und degeneriert hätte. Somit wich er in einen halben Handstand aus, die Unmengen an Splittern prallten unbarmherzig gegen sein Rückgrat und die spärlich geschützte Haut. Dann ließ er sich schwungvoll wieder auf die Füße gleiten und nutzte das zusätzliche Tempo und rammte ihr seine Knöchel gegen das obere Areal des Torsos. Exakt auf die Mitte des Schlüsselbeins. Ehrlich gesagt war es überhaupt ein Wunder, das es sie noch gab. Ob sie sich jedoch je wieder kurieren könnte, wäre eine ganz andere Frage. °Kami-sama wird’s schon richten...°, höhnisch blickte er hinauf in das wolkenfreie, ätherische Meer. Er spürte die unsichtbaren Blicke seiner Schöpferin. Ihre unsichtbaren, neugierigen und grausamen Blicke. Für sie war es nur ein Spiel, für ihn ein schier endloser Leidensweg. Das einzige was ihn beruhigt waren Ranmas letzte Worte vor dem Beginn der Schlacht. °Wir werden wieder auferstehen, du nicht. Also streng dich an. Ja, dass hatte er gesagt.° Trotzdem tat es ihm weh, prellte sein Herz und ließ seinen Gefühle wallen. Es waren doch seine Freunde... - Unmerklich nickte er - ...gewesen. Diese Einsicht war sicherlich noch das schlimmste. °Wenn dieser Kampf zu Ende geht, was geschieht dann mit mir? Sie erstehen auf, sollten sie gewinnen. Was ist, wenn sie verlieren?° Viel wichtiger war aber, ob jetzt tatsächlich die beste Zeit für solche Gedanken und Befürchtungen war. Ukyo stand ihm mit rasselndem Atem gegenüber. Sie war aufgebracht, fassungslos und traurig. Die ersten beiden Eindrücke wusste er zu verarbeiten und zuzuordnen. Den Letzten konnte er lediglich auf ihre angeschlagenen Freunde beziehen. Ihm kam nie in den Sinn, dass sie wegen seinem bereits beschlossenen Schicksal trauerte. Ein weiteres Mal nahm sie tief Luft, befreite den Griff ihrer Spathula aus ihrer Achsel und nahm eine abwehrende Pose ein. In einer perfekten Diagonale und mit ihm zugewandter scharfer, geschliffener Kante verhaarte die gigantische Waffe ihr ihrer verbliebenen Hand. Unmerklich wanderte Ryogas Kehlkopf, ein schweres Glucksen ertönte als er an seinen angestammten Platz zurückfiel. Ein präziser Treffer konnte sein Todesurteil bedeuten. °Sie wird ihr bestes geben, dass zu probieren.° Er nahm diese Erkenntnis mit nunmehr kalter Ruhe in sich auf. Ohnmächtig gegenüber der unsichtbaren Hand über ihm, die sein Leben peu à peu konstruiert hatte. Ihr von Anstrengung geprägter Griff um den inzwischen schweißnassen Schaft nahm ruckartig zu, ihre von bräunlicher Brustkruste verschmierten Fingerknöchel traten hervor und ein herzergreifendes Brüllen brauste aus den innersten Tiefen ihrer knochentrockenen, schmerzenden Kehle. Der orkanartige Wutschrei würde bis zum finalen Ende ihres vermeintlichen Parts in diesem Gefecht andauern. Eine letzte, nachhallende Erinnerung an den emotionalen, Okonomiyakiverrückten und kumpelhaften Wildfang. Der tragische Moment als der erbärmliche Rest des letzten bisschen Odems eines ehemals überwältigenden Zorns aus ihrer Kehle schwinden würde, nur um einem schmerzreichen, qualvollen, vergellenden Ruf der Pein Platz zu machen. Es würde ebenso ihre letzte aktive Regung in diesem brutalen Wahnsinn werden. Ukyo Kuonichi würde sterben. Im schnellen Lauf stürmte sie, aus voller Kehle kreischend auf ihn zu. Die gigantische Spathula in ihrem Faustballen schwankte bedrohlich, behielt jedoch ihre Stellung bei. Mit dieser eisernen Diagonale unmittelbar vor ihrem Torso sprang sie kraftvoll linksbeinig ab und ließ die Waffe mit beeindruckender Geschwindigkeit herabsausen. Geistesgegenwärtig war Ryoga rückwärts gesprungen, dennoch zierte sein schmutziges Hemd jetzt ein gerader Schnitt. Ebenso seine Brust. Ohne sie aus den Augen zu lassen, ließ er seine Fingerkuppe über der neu entstandenen Schramme kreisen und stellte erleichtert fest, dass sie nicht sonderlich tief war. Ukyo setzte unerbittlich nach und hieb wie der persönlichen Sense des leibhaftigen Tods nach ihm. Scharfes, unnatürliches Zischen erfüllte die grausame Schwüle des hitzigen Sommertages. Immer rasanter durchschnitt die rasiermesserscharfe Klinge die stehende Hitze. Unbarmherzig wurde der ewig Verlorene zurückgedrängt, unfähig sich effizient wehren zu können. Sein schwerer, roter Bambusschirm lag abseits des Schlachtfeldes, mitsamt seinem alt gedienten Wanderrucksack. Beide Habseligkeiten ruhten noch immer neben der einstmals freundlichen Fassade des Uc-chans. Und eben jene Besitzerin und einstmalige Streitschlichtern unternahm momentan den Versuch ihn in eine abgewandelte Version von Schaschlik zu verwandeln. Die sprichwörtliche Ironie des Lebens. Ein weiteres Mal fuhr die Klinge horizontal knapp an seinem Brustkorb vorbei. Einem unbewussten Impuls folgend stürmte er vor, ungeachtet des möglicherweise tödlichen Ausgangs eines solchen Verzweiflungsschlages. Die schneidende Klinge ihres Alltags-Utensils benötigte wenige Bruchteile von Sekunden um zurück in Nähe der Symmetrieachse des Körpers zu kommen. Ryoga Faust hingegen rammte sich punkt diesen Augenblicks in ihre abrupt rebellierende Magengrube. Es war keiner der normalen Schläge des jungen Wanderers. Dieser hatte beinahe seine komplette Kraft als Einsatz genossen. Noch ehe Ukyos Schrei zum erstaunten Keuchen wurden und ihre Augen denselben Ausdruck reinster Fassungslosigkeit bekamen, zog er seine verkrampfte Hand zurück. Zum letzten Mal in seinem Leben sondierte er ihre ebenen Gesichtszüge, das erstaunlich duftende Haar und die verirrten, klebenden Strähnen auf ihrer Stirn eingehend. Er hatte sich das nie zuvor getraut. Selbst nach den ersten Küssen nicht und auch nicht als sie sich das erste Mal vor ihm entkleidete. Dann wurde die Expression auf seinem Gesicht starr und kühl. Seine Hand durchbrach die Ruhe mit einem knackenden, berstenden Geräusch als die bloße Innenfläche auf das erschrockene Gesicht auftraf. Die kräftigen Finger Ryogas packten ihren Schädel, respektiv die beiden Schläfen und beide Anfänge des Kieferknochens, während der Mittlere der Vier auf ihre Stirn auflag und drückten zu. Danach wurde ihr Schmerz zu einem keuchenden Würgen und daraufhin zu einem gedehnten Seufzen. Ryoga rannte los, das nahezu bewusstlose Mädchen in seiner Rechten und reflektierende Tränen perlten an seinen Wangen entlang. Seine Sicht verschleierte sie jedoch nie. Weder als er registrierte wie die anderen, starr vor Entsetzen dieses blutige Szenario beobachten. Noch als er den Arm nach vorne stieß und sie mit einem winselnden Heulen davon stieß. Gnädigerweise nahm sie kaum mehr etwas wahr. Nur ein letzter, verzweifelter Gedanke huschte durch den endenden Prozess ihrer Geistestätigkeit. Er wirkte dermaßen absurd in der schlussendlichen Ansammlung sämtlicher nur vorstellbarer physischer Qualen. °Es tut mir leid, Ry...° Sie kam nicht mehr dazu ihn zu Ende zu führen. Mit einem explodierenden Laut durchschlug sie die äußere Begrenzungsmauer eines angrenzenden Anwesens, zersplitterte einen guten halben Klafter des Stammes eines Sakurabaums in voller Blüte und prallte dumpf gegen die fröhlichweiß gestrichene Oberfläche der eigentlichen Hauswand. Ein ungehörtes Klingeln hallte in den leeren Korridoren und Zimmern hinter der, einen Meter neben ihrem leblosen Korpus platzierten, Eingangstür. Die gebrochenen Knochen des toten Körpers knackten als er mit sadistischer Langsamkeit lasch vornüber fiel, mit dem aufgeschürften und zerschmetterten Gesicht voran. Eine dunkle, purpurne Spur verlief vertikal entlang der Wand und floss träge über den runden Klingelknopf, der ehemals unscheinbar, nun aber blutrot glänzte. Ryoga konnte all dies problemlos beobachten. Der Körper hatte schier schwerelos eine gerade Linie durch sämtliche Hindernisse gebrochen und war am Endpunkt – „Eine Hauswand...“, schluchzte er hysterisch – seiner kurzen, aber heftigen Reise angekommen. Hey little girl, what’s the reason you’ve got to go? Please come back to dance with me in the months of cloud-white snow. Come along don’t fly up to heaven and away. It’s me, your silly knight whose place is down on earth Won’t you like to make me gay? Die Stimmen keimten im katastrophalen Chaos seiner umherwirbelnden Gedanken. Gellten auf und ab, skandierten diese eines Strophe ihres sadistischen Songs kontinuierlich. Ihm war zwar nicht bekannt, ob die vermeintlichen Chorknaben inmitten seines Oberstübchens tatsächliche Körper besaßen, doch wenn dem so war, verwettete er sein letztes Fünkchen Leben darauf, dass sie bei jeder Note, jedem Vokal und jedem Laut sadistisch grinsten. Er besaß nur spärliche Englischkenntnisse, doch wusste er den elementaren Inhalt problemlos zu deuten. Ebenso, dass diese Gedanken nicht die seinen waren. Unerschütterlicher, übermächtiger Hass machte sich ungehindert seinen Weg über die geschwollene Zunge frei, als Ryoga Hibiki den Tod seiner frischen Liebe betrauerte. Jedes Detail ihrer einen und entscheidenden Nacht stach in seinem Kopf wie ein irrsinniger Anflug von Migräne. Ihr sanftes Säuseln, das verliebte Kichern und ihr nahezu göttliches Lächeln. Das göttliche Aroma, das aus der Mischung aus Schweiß, Haar und Liebe einherging. Der warme, glänzende Schein ihre bezaubernden Alabastergleichen Haut und die langen, glatten Haare. Erst jetzt fiel es ihm auf. Doch er hatte sie eingehend gemustert. Schon bei ihrem ersten Treffen und daraufhin immer und immer wieder. Nur begann mit dem ersten Zeichen der Zuneigung sich ein Gewebe aus Träumen zu spannen. Die Welt hatte aus einem beruhigenden und euphorischen Nebel bestanden. Dieser Schleier riss nun entzwei und ließ den Wahnsinn in sein Bewusstsein. „Sie wollte mich heiraten!“, kicherte er irre und mit krächzender Stimme. Seine Augen waren aufgelöst in brennendem, körpereigenem Salzwasser. „Ich habe sie geliebt! Warum tust du mir...“, hastig schnappte er nach Luft, „...ihnen...“, kreischte er nun nahezu, „...uns...“ , sein Bassbariton überschlug sich, „...das an?“, heulte er schlussendlich zum grenzenlosen, apathischen Indigofarbenen Baldachin, gleichermaßen wie ein wilder Wolf den honiggelben Vollmond zu nächtlicher Stunde anruft. Schall und schwach warfen die noch intakten, beziegelten, zaunartigen Außenmauern der anliegenden Domizile seinen qualvollen Ruf zurück. Seine sonst meistens sonore Stimme hallte über seine Lippen bis sie rau und heiser wurde. Die akustische Reflexion, sein Echo, fiel auf ihn zurück und schien sich in heiterem, böswilligen Spot zu üben. Heiße Verzweiflung kochte in seinem Herzen, bittere Niedergeschlagenheit erschütterte seinen Magen und ohnmächtige Wut verbrannte sein Gehirn. Er kannte die Konsequenzen eines solchen fordernden Aufschreis einer Seele nach Vergeltung. Sie waren ihm nur zu gut bekannt. Schließlich war er die meiste Zeit seines kummervollen Lebens auf die vollkommene Erfüllung seiner blutrünstigen Rachegelüste fixiert gewesen. Dieser Aufschrei nannte sich Zorn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)