The Balance of Creation von Autumn (TYKA u. a.) ================================================================================ Kapitel 6: Die Zusammenkunft des 9. Saeculum -------------------------------------------- So, es geht weiter!! Dieses Kapitel wird wieder einmal beweisen, dass ich eine Vorliebe für seltene bzw. ungewöhnliche oder noch nie dagewesene Pairings habe...*erstaunt ist, dass noch kein Leser die Flucht ergriffen hat* Egal! Jedenfalls wünsche ich Euch viel Spaß beim Lesen! Kapitel 6: Die Zusammenkunft des 9. Saeculum Tyson und Kai verschwanden und Tala trollte sich in sein Hotelzimmer davon. Bryan blickte ihm beunruhigt nach, denn er hatte die Eifersucht des Rothaarigen deutlich gespürt. Sollte sich das Drama von damals wiederholen? Musste das sein? Wie sehr wünschte er sich, das Herz seines Mannschaftskapitäns vor den dunklen Kräften von Hades bewahren zu können, doch er ahnte, dass es ihm nicht gelingen würde. Tala war einst ein Ritter der Verdammnis....er würde diesem Schicksal auch jetzt nicht entfliehen können. Er seufzte und sah Spencer und Ian eine Weile bei ihrem Training zu, bis er in das Foyer des Hotels eilte und in eine der drei Telefonkabinen schlüpfte. Er wählte eine bestimmte Nummer und war erleichtert, als eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung antwortete. "Hallo Raul? Bist du es? Gut. Wir müssen die übrigen Mitglieder verständigen. Ja, ich bin sicher. Tyson hat seine Kräfte eingesetzt, und ich vermute, dass es diesmal bewusst geschah. Ich glaube, dass Diomedes ihnen die Wahrheit offenbart hat! Sag Romero Bescheid, wir müssen ein Treffen einberufen! Und beeil dich!" Damit war das Gespräch beendet und Bryan warf den Hörer auf die Gabel. Max hatte nicht mitbekommen, dass Tyson zum Training mit den Blitzkrieg-Boys eingeladen worden war und lag in seinem Zimmer auf dem Bett und starrte teilnahmslos an die Decke. Dank seiner Mutter, die versierte Wissenschaftlerin war, war er nicht unbedingt der Typ, der an Magie und böse Mächte glaubte und hatte immer noch das Gefühl, in einen merkwürdigen Traum hineingeraten zu sein, auch wenn es ein ziemlich realer Traum war. Er konnte einfach nicht fassen, dass sich eine solche Geschichte hinter den Beyblades verbarg. Mr. Dickenson hatte tief bewegt gewirkt, als er ihnen alles erzählte und sein Instinkt sagte ihm, dass er nicht das Opfer einer Lüge geworden war - dennoch fiel es ihm schwer, das Gesagte zu akzeptieren. Er, Max Tate, die Wiedergeburt eines legendären Kriegers?! Das kam ihm sehr unwirklich, ja geradezu lächerlich vor. Zwar musste er zugeben, dass der Angriff von Boris und die Tätowierungen seiner Freunde für diese ganze Angelegenheit sprachen, aber deswegen konnte er wohl schlecht von einer Sekunde zur anderen zu einem Weltenretter mutieren?! Er war hierher gekommen, um Turniere zu bestreiten und mit seinen Kumpels Spaß zu haben, und nicht, um irgendwelchen Phantombildern aus einer zweifelhaften Vergangenheit nachzujagen! Er drehte sich auf den Bauch und musterte sein Blade, das er neben sich auf das Nachtkästchen geworfen hatte. Draciel, sein Bit Beast, eine alte Schutzgottheit? Ha! Der Blonde richtete sich auf und schob die Tür zur Seite, die ihn von dem Balkon trennte. Im allgemeinen hielt man ihn für einen fröhlichen und sehr optimistischen Menschen, den nichts erschüttern konnte und der sich durch nichts seine gute Laune verderben ließ....allerdings konnte er auch sehr pragmatisch sein, was Dinge anbelangte, die nicht in seine Weltanschauung passten. Zauberei war eines davon. Was würde seine Mutter dazu sagen, wenn er ihr davon berichtete? "Humbug!" Hm, also behielt er es lieber für sich und versuchte, alleine damit umzugehen. Was für eine verrückte Story! Und dann waren da ja auch noch seine schwärmerischen Gefühle für Ray.... großartig! Es kam mal wieder alles zusammen! Missmutig trat er an seinen Schrank und holte seine Badesachen heraus. Er musste unbedingt raus aus diesem Dojo und weit weg sein von den anderen, um seine aufgewühlten Gedanken sammeln zu können. Er packte das Nötigste fein säuberlich in seine Sporttasche ein, schnappte sich Draciel und joggte Richtung Freibad davon. Schwimmen war jetzt genau das Richtige.... Der Chinese indessen war ein paar Minuten unschlüssig in seinen eigenen vier Wänden auf und ab marschiert, bis es ihm zu bunt wurde und er die Trainingshalle des Dojo aufsuchte. Es war kein Unterricht und Großvater Kinomiya machte seit einer halben Stunde Besorgungen in der Innenstadt. Ray streifte sich sein chinesisches Hemd über den Kopf, dröselte seinen langen geflochtenen Zopf auf und übte Selbstverteidigung. Er visierte an, teilte Tritte und Faustschläge in die Luft aus, wirbelte um die eigene Achse und wiederholte mehrere Angriffsstellungen, wobei er seinen Körper in eine extreme Anspannung versetzte. Seine Bewegungen waren schnell und aggressiv, bis er außer Atem geriet und der Schweiß ihm in Strömen über den muskulösen Oberleib und die Tätowierung rann. Sein schwarzes Haar war ineinander verwirrt und die dunklen Strähnen klebten ihm in der feuchten Stirn. Es folgten Kniebeugen, Sit-Ups und Liegestützen, bis Ray endlich mit sich zufrieden war. Er band seine Haarflut im Nacken zusammen und ging auf die Veranda hinaus, die sich an den Trainingsraum anschloss. Die leicht kühle Brise erfrischte seine erhitzte Haut und der 19jährige wanderte durch den hübschen Ziergarten mit den herrlichen Kirsch- und Pfirsichbäumen, dem Goldfischteich und dem kleinen Pavillon, der sich unter den hängenden Zweigen einer Trauerweide verbarg. Ray nahm in dem beschaulichen kleinen Gebäude platz und roch den Duft der Pflanzen um sich herum. Irgendwie hatte die Natur eine entspannende Wirkung auf ihn....Jetzt, da er erschöpft war, konnte er das, was er vorhin erfahren hatte, endlich verarbeiten. Anders als Max, der mit Mythologie und Übernatürlichem nicht besonders viel zu tun hatte, war Ray in eine Kultur hineingeboren worden, in der es viele Götter gegeben hatte und in der es von Sagen, Legenden und Wundererzählungen nur so wimmelte. Im modernen China waren über 70% der Bevölkerung konfessionslos bzw. Atheisten, was Ray im Grunde bedauerte. Als kleiner Junge hatten ihm seine Großeltern und auch seine Mutter noch viele alte Geschichten über Geister, Magier, heilige Kämpfer, verwunschene Kreaturen und ähnliches erzählt, sodass er als Kind stets einen Zauber oder ein geheimnisvolles Wesen hinter den verschiedenartigen Erscheinungen der Natur vermutet hatte: Eine Elfe hinter einem seltsam geformten Blatt, einen Wasserkobold in einem Bach, Luftgeister im Regenbogen....Vielleicht hatte er auch deshalb ein Gespür dafür, weil er in einer ländlichen Gegend aufgewachsen war und nicht in einer der großen Städte wie Peking oder Schanghai. Die neue Verantwortung, die so plötzlich auf seinen Schultern lastete, erschreckte ihn einerseits, andererseits aber wollte er diese, von seinem Schicksal für ihn bestimmte Aufgabe, annehmen und erfüllen.... "Tagebuch Kai Hiwatari" stand in russischen Buchstaben auf dem roten Einband. Der 20jährige hatte das Buch soeben zugeklappt und legte den Füller beiseite. Er schrieb aus Prinzip in seiner Muttersprache, damit ein ungebetener Besucher den Inhalt nicht lesen konnte. Schon während der furchtbaren Zeit in der Abtei, als das Projekt Biovolt noch lief und man danach trachtete, den perfekten Blader zu kreieren, hatte er alles niedergeschrieben, was ihn bewegte und bedrückte, denn es lag nicht in seiner Natur, etwas so Persönliches einem anderen Menschen anzuvertrauen. Im dem kargen Zimmer, das er damals bewohnte hatte, hatte er es stets in der Schublade seines wurmstichigen Schreibtisches eingeschlossen, damit niemand, insbesondere nicht Boris, dahinter kam. Angesichts der Phönixzeichnung auf seiner Brust und der Bilder, die durch seinen Kopf geströmt waren, konnte er die Existenz eines früheren Lebens nicht leugnen, klar - aber sollte er deswegen gleich ein hochedler Streiter für Gerechtigkeit werden, für eine Welt, die ihm nur Kummer, Schmerz und Einsamkeit gebracht hatte? Na schön, bei den Bladebreakers hatte er Freundschaft gefunden, das musste er sich eingestehen....und diese Freundschaft, vor allem jene zu Tyson, hatte sein erkaltetes Herz ein wenig erwärmt und ihn anderen gegenüber wieder ein wenig zugänglicher werden lassen. Trotzdem hegte er immer noch sein altes Misstrauen gegenüber Fremden; er sah sich außerstande, auf Unbekannte zuzugehen und sie mit offenen Armen zu empfangen wie das ein gewisser Japaner tat; sein Gesicht verriet so gut wie nie seine Emotionen und aus allen sozialen Geselligkeiten hielt er sich für gewöhnlich heraus. Sein Leben war hart und entbehrungsreich gewesen, Verachtung, Hass und höhnisches Mitleid waren die Prinzipien gewesen, die man wie eine religiöse Doktrin in ihn hineingepresst hatte. Keine Wärme. Keine Hilfe. Keine Zuneigung. Kein Trost. Kein Schutz. Keine Liebe. Wie konnte er lieben, wenn er nicht einmal wusste, wie sich so etwas anfühlte? Wenn Liebe für ihn nicht mehr war als ein Wort, dessen Bedeutung er nicht verstand? Vor zehntausend Jahren, als Suzaku, hatte er offensichtlich geliebt, wie Mr. Dickenson behauptete....Suzaku musste glücklich gewesen sein, offen, lebenslustig, anders als er. Warum aber war er dann eifersüchtig? Der Besitzanspruch, den er wegen Tyson an den Tag legte, war einfach albern....genauso wie seine eigentlich ungerechtfertigte Wut auf Tala! Ja, er wollte nicht, dass ein anderer als er das Herz des blauhaarigen Schönlings erschütterte....Ging es ihm wirklich nur um den Freund und Kameraden Tyson oder um den Mann Tyson? Kai erhob sich energisch von seinem Stuhl und verstaute das Tagebuch im Schrank unter seinen Pullovern. "Das Gleichgewicht der Schöpfung wiederherstellen" - tse! Warum zum Teufel war Mr. Dickenson so davon überzeugt, dass er in dieser Helden-Farce mitspielen würde?! Eine plötzliche, unerwartet scharfe Windbö blähte die Vorhänge und der Russe schloss das Fenster. Wind....Wind, der sanft durch dunkelblaue Strähnen tanzte....Wind, der das Feuer anfachte, es noch heller brennen ließ....ein mächtiger Sturm aus Entschlossenheit und Temperament, versiegelt in tiefbraunen Augen....Wind, der ihn umwehte, sein eigenes Haar zerzauste....Er schlug gegen die Scheibe, wütend und zugleich verstört, weil seine Gedanken schon wieder zu Tyson zurückgekehrt waren. Wieso konnte er ihn nicht aus seinem Geist verdrängen?! "Scheiße! Lass mich doch endlich zufrieden!" Der Auslöser des russischen Problems stand unter der Dusche, wie meistens, wenn er über irgendetwas nachgrübelte. Ursprünglich hatte er ein bisschen Kendo machen wollen, doch als er durch die Tür zur Trainingshalle spitzte, hatte er Ray entdeckt und sich daraufhin diskret zurückgezogen. Unter anderen Umständen hätte er sich dem Chinesen vermutlich angeschlossen, aber so....Hm. Kais Verhalten gab ihm Rätsel auf. Nicht, dass das nicht schon immer so gewesen wäre, aber in den Zeiten, wo sie noch gemeinsam gebladet hatten, mit dreizehn, vierzehn Jahren, war zwischen ihm und dem abweisenden Jüngling so etwas wie eine Freundschaft entstanden, über die er sehr glücklich gewesen war. Anfangs hatte er ihn als arroganten Kotzbrocken eingeschätzt, bis er erkennen musste, dass Kai einfach nur an Herz und Seele verletzt und nicht mehr fähig dazu war, jemand anderem außer sich selbst zu vertrauen. Als Junge hatte er in diese eisigen, rubinroten Augen geblickt und Angst, Ablehnung und Einsamkeit darin vorgefunden....eine schreckliche Einsamkeit. Rot war so eine wunderschöne, warme Farbe....die Farbe des Feuers, die Farbe reifer Kirschen, die Farbe von Rosen, die Farbe der Liebe....eine Farbe, die Schönheit und Leben verkörperte. Mit einer seltsamen Gewissheit ahnte Tyson, dass in diesem Menschen, dem diese Augen gehörten, eine Flamme lodern konnte, die, einmal entfacht, stetig und heiß brennen würde, mit verzehrender Inbrunst, für den einen Mann, den sein Herz erwählt hatte....oh wenn er doch dieser Mann sein könnte! Der Japaner donnerte seine rechte Faust gegen die Kacheln, während Dampf um ihn herum aufstieg. Schon damals hatte es ihn tief getroffen, dass es einen Jugendlichen, fast noch ein Kind, geben konnte, einen Jungen wie ihn selbst, der solche Augen hatte, in denen nichts lag außer einem kalten, stummen Schmerz....Schon damals war der Wunsch in ihm erwacht, Kai davon zu befreien und ihm wieder Vertrauen in die Menschen und das Leben einzuflößen....Sechs Jahre war das nun her und er hatte ihn nie vergessen können, in all der Zeit....manchmal hatte er sogar von ihm geträumt, sich gefragt, wie es ihm in seiner Heimat ergehen mochte, die der Russe mit so vielen traurigen Erinnerungen verband....Am Flugplatz hatten sie sich schließlich wiedergesehen....und es war ihm durch Mark und Bein gegangen. Kai war mit der Acht-Uhr-Maschine gekommen und die Sonne versank gerade am Horizont, als er die Gangway herunter schritt. Das rot-goldene Glühen umgab ihn mit einem weichen Leuchten und zauberte einen Schimmer in jene feurigen Edelsteine, durch die er seine Welt sah. Er trug einen schwarzen Ledermantel und gleichfarbige Hosen, darüber ein elegantes rotes Hemd, das nicht ganz zugeknöpft war, weshalb man einen Blick auf seine wohlgestaltete Brust erhaschen konnte. Sein graublaues Haar hatte in dem Licht fast schwarz gewirkt....Tyson umschlang seine Schultern mit den Armen, als sein Herz wie wahnsinnig zu klopfen begann. >>Kai....du hast zugegeben, eifersüchtig gewesen zu sein....du hast gesagt, dass du mich magst....und trotzdem distanzierst du dich wieder von mir....wieso? Werde ich dich denn nie begreifen? Ich möchte dich so gerne verstehen, um dir helfen zu können....Ich möchte dich festhalten, für dich da sein, dein Lächeln sehen....Vor zehntausend Jahren hast du mich geliebt. So sagt zumindest Mr. Dickenson. Warst du früher ein anderer? Wenn dein Element das Feuer ist, warum ließ das Schicksal dich in diesem Leben so kalt und unversöhnlich werden? Und der Kampf gegen Hades, der uns bevorsteht....ein Kampf gegen das Böse. Ich bin in traditioneller japanischer Weise erzogen worden, im Sinne eines Kriegers, wie es die Urahnen der Kinomiya-Familie gewesen sind. Ich bin sehr stolz darauf, dass unsere Ahnenreihe auf einen ruhmreichen Samurai der Edo-Epoche zurückgeht. Großvater hat sich viel Mühe damit gegeben, mir ritterliche Tugenden beizubringen, obwohl ich sicher nicht in allen Belangen erfolgreich war und bin....Aber ich glaube an das Karma, das Schicksal. Wenn es mein Karma ist, Hades zu besiegen und Seiryuus Erbe anzutreten, so will ich es tun....und vielleicht kann ich bis zu deinem Herzen vordringen, mein schöner Kai....du bedeutest mir so viel....<< Die Nacht neigte sich über die japanische Hauptstadt und die Uhr im Kinomiya-Wohnzimmer schlug zwölf. Im Dojo und auch im "Tokyo Palace" war tiefe Ruhe eingekehrt. Alle schliefen. Wirklich alle? Die Tür von Raum 24 wurde leise geöffnet und Bryan tapste nach draußen, gekleidet in einen schwarzen Umhang. Er überprüfte noch einmal kurz, ob Tala fest schlummerte und eilte den Korridor entlang zu den Zimmern der White Tigers. Er schickte sich gerade an, zu klopfen, als Lee heraustrat und den Finger auf die Lippen legte. Wie der Russe war er in einen schwarzen Mantel gewandet und schien es in keiner Weise merkwürdig zu finden, dass dieser um Mitternacht vor seiner Tür stand. Mariah kam hinterdrein und zu dritt schlich diese eigenartige Gruppe weiter zu den Unterkünften von F-Dynasty. Das Team hatte zwar den Aufstieg in die nächste Runde nicht geschafft, war aber dennoch im Hotel geblieben und hatte seine Reservierung auf "unbestimmte Zeit" verlängern lassen. Die Geschwister Julia und Raul begrüßten sie flüsternd und Romero geleitete die jungen Erwachsenen hinter sich her aus dem Hotel hinaus. Der Nachtportier warf ihnen ob ihres außergewöhnlichen Aufzugs einen pikierten Blick zu, aber er wurde völlig ignoriert. Sie erreichten den Tokyo Tower und Romero befahl den anderen, sich im Kreis um ihn herum unter dem Turm aufzustellen. So geschah es auch und der Spanier richtete seine Hände gen Boden. Wie durch Zauberei erschien eine Öffnung und eine Treppe wand sich vor ihnen in die Tiefe. Ein gegenseitiges ermunterndes Nicken und die schwarzgekleideten Gestalten tauchten ab in unterirdische Gefilde. Als das magische Einstiegsloch sich wieder schloss, erleuchteten Fackeln ihnen den Weg. Der sechsköpfige Zug durchmaß in raschen Schritten den Gang, der rechts und links von steinernen Wänden gesäumt war und gelangte schließlich zu einem großen imposanten Tor aus Eisen, das mit kunstvollen Verzierungen geschmückt war: Zwischen Wasserperlen, Blumenranken, Flammen und Wolken waren eine Schildkröte, ein Tiger, ein Phönix und ein Drache abgebildet. Romero berührte den Buchstaben "E", der in der Mitte des Tores prangte und er begann zu glühen. Das Licht verbreitete sich über sämtliche Muster, bis selbst die Tiere hell erstrahlten und endlich ächzten die schweren Torflügel zur Seite. Dahinter kam eine Höhle von gigantischen Ausmaßen zum Vorschein, die diesmal allerdings mit Elektrizität ausgestattet war. In die steilen Felswände waren Sitzränge eingelassen, die mit verschiedenen Farben ausgelegt waren: Rot, Blau, Grün und Braun. Verbunden waren diese im Halbkreis um ein Rondell angeordneten Plätze durch Treppen, die, wo es nötig war, auch über ein Geländer verfügten. Romero sprang die Stufen hinunter wie ein Zehnjähriger und postierte sich auf dem Rondell, in das die Ränge mündeten, die sich vor dem Blonden in die Höhe erhoben. Bryan und Co. wurden in der Zwischenzeit von ein paar alten Freunden begrüßt. "Schön, dass man euch auch mal wieder sieht!" meinte ein weißhaariger Hüne gerade zu dem grinsenden Raul. Der gebürtige Spanier musterte seinen Gegenüber. Sein silbernes Haar fiel glatt und lang auf seine breiten Schultern, ansonsten aber hatte sich Rick nicht besonders verändert. Er hatte seinen dunklen Mantel schon ausgezogen und sein eigentliches Gewand war sichtbar - hellbraune kniehohe Stiefel, eine schwarze, gut sitzende Hose und darüber ein seidig glänzender Überwurf im gleichen Braunton, mit weiten Ärmeln und goldenen Stickereien, zusammengehalten durch eine ebenfalls goldene Schärpe. "Ich freue mich auch, dich wiederzusehen! Ich bin überrascht, dass du überhaupt die Gelegenheit hattest, nach Japan zu kommen. Hast du dir freigenommen?" "Als ich die mail bekommen habe, habe ich alle Termine gestrichen und mich sofort in den nächsten Flieger gesetzt. Es gibt Dinge, die wichtiger sind als nicht verkaufte Immobilien!" "Immobilienmakler - ausgerechnet du!" "Tja, Familienbetrieb! Was hätte ich machen sollen? Ich stamme aus einem wenig begüterten Viertel und mein Vater musste sich alles hart erarbeiten. Wie hätte ich es ablehnen können, seine Nachfolge anzutreten?" "Wie geht es ihm?" "Zur Zeit sonnt er sich mit meiner Mutter auf Hawaii!" "Und deine Frau?" "Sheila denkt, ich bin auf einer Konferenz. Nun ja, in gewissem Sinne stimmt das sogar....Ich hoffe nur, dass diese Sache, die sich dank Hades über uns zusammenbraut, ein gutes Ende nimmt....Seit Rock Bison an mich übergegangen ist, hat mein Vater seinem Wächter-Dasein den Rücken gekehrt....Auf meinen Schultern ruht sein Erbe, wie er gesagt hat. Und du? Was ist mit dir, Raul?" "Ach, nichts besonderes....Julia und ich haben unsere Meinungsverschiedenheiten, wie immer. Aber im Grunde verstehen wir uns prima, wenn wir Romero auch manchmal zur Verzweiflung treiben mit unserem zweifachen Temperament...." Rick lächelte und besah sich den Jüngeren genauer. Raul war um einiges gewachsen, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte, das rotbraune Haar wurde jetzt mit einem Zopfband gebändigt und er hatte sich ein Oberlippenbärtchen stehen lassen. Irgendwie erinnerte er an eine Film-Version von Casanova....wem wollte er wohl gefallen? Der Spanier entledigte sich nun auch seines Mantels, sein darunter befindliches Gewand glich dem von Rick in fast allen Details, einzig die Farbe und die prachtvolle Stickerei auf dem Rücken waren anders - weinrot, und statt des Bisons zierte ein geflügeltes Pferd Rauls Rückansicht. Julia, in blaue Seide gehüllt, tippte ihren Bruder an und sagte: "Der Kaffeeklatsch muss verschoben werden! Das Treffen fängt an!" Die drei trennten sich und suchten die Ränge auf, die zu ihrer jeweiligen Kennfarbe gehörten. Romero wartete, bis Ruhe eingekehrt war und räusperte sich einmal vernehmlich, bevor er zu sprechen begann. "Meine Freunde - ich denke, jeder von euch weiß, warum wir uns heute hier versammelt haben! Was wir befürchtet haben, ist eingetreten: Hades ist zurückgekehrt, so mächtig wie und je! Und der ehrenwerte Diomedes hat den Prinzen die Wahrheit mitgeteilt! Es ist nun also uns, ihnen beizustehen im Kampf gegen das Böse! Seid ihr bereit?" Vielstimmige Rufe und lautes Klatschen waren die Antwort auf diese Frage und Romero nickte zufrieden. "Wir stammen aus allen Teilen der Welt und die meisten von euch werden in ihre jeweiligen Heimatländer zurückkehren müssen, um eventuellen Angriffen von Hades vorzubeugen. Auch wenn seine Operationen sich momentan auf Japan beschränken, wird das mit Sicherheit nicht so bleiben. Wir werden also ein Zwölfer-Team bilden, das zum Teil aus jenen besteht, die aufgrund der Meisterschaft ohnehin bleiben müssen und jenen, die den Prinzen bereits bekannt sind und denen sie ein gewisses Vertrauen entgegenbringen. Ich selbst werde dazugehören und als Kontaktperson fungieren. Ich verlese jetzt die Auswahl: Lee, Wächter von Galeon, Feuerkrieger. Mariah, Wächterin von Galux, Erdkriegerin. Julia, Wächterin von Thunder Pegasus, Windkriegerin. Raul, Wächter von Torch Pegasus, Feuerkrieger. Rick, Wächter von Rock Bison, Erdkrieger. Claude, Wächter von Rapid Eagle, Windkrieger. Miguel, Wächter von Dark Gargoyle, Feuerkrieger. Mathilda, Wächterin von Pierce Hedgehog, Erdkriegerin. Mariam, Wächterin von Shark Rash, Wasserkriegerin. Carlos, Wächter von Unda, Wasserkrieger. Und zu guter Letzt: Bryan, Wächter von Falborg, Windkrieger. Alle sind Hüter des 9. Saeculum!" (Lateinisch: Jahrhundert) Die Genannten begaben sich zum Rondell hinunter und verneigten sich vor dem blonden Trainer. "Ich muss euch nicht erklären, wie wichtig eure Mission ist. Solange die gesamte Angelegenheit noch im Anfangsstadium steckt, werdet ihr sie unterstützen ohne euch zu erkennen zu geben. Ich wünsche euch viel Glück!" Die Menge applaudierte und Lee lächelte in die Runde. Romero hatte eine perfekte Auswahl für die Zwölf getroffen....nun ja, eine fast perfekte. "Es würde mich interessieren, warum er einen so zerbrechlichen Schönling wie dich dafür ausgesucht hat! Das wird nämlich kein Kinderspiel! Wenn's erst einmal in der Schlacht heiß hergeht, schreist du vermutlich nach deinem Schwesterchen!" Raul streckte ihm die Zunge heraus und erwiderte patzig: "Halt doch deine vorlaute Klappe, du chinesischer Zottelkopf!" Das war zweifellos eine Anspielung auf Lees mittlerweile rückenlange schwarze Mähne, die er nur noch in seltenen Fällen zusammenband. Sein dichtes Pony war nach vorne gekämmt und verdeckte sein rechtes Auge. "Oh, fühlt sich das Kleinkind auf den Schlips getreten?" "Schnauze!" "Du bist schlecht erzogen, Kleiner!" "Hör auf, mich wie ein Baby zu behandeln! Ich bin ein Wächter, genau wie du!" "Du Pomadenjüngling schaffst es ja nicht einmal zur Wächter-Anwärter-Hilfskraft!" "Das reicht!" Raul platzte der Kragen. Er baute sich drohend vor Lee auf - was leider auch nicht viel nützte, da dieser ein Stück größer war als er - und funkelte ihn mit seinen grünen Augen erbost an. Der Chinese sah ohne Scheu zurück und fixierte den Spanier mit einem dezent spöttischen Grinsen. >>Gold....reines Gold....<< durchzuckte es den Rothaarigen und seine Wut verpuffte schlagartig im Nichts. Er wusste nicht recht, ob der andere seine Beleidigungen boshaft meinte oder ihn nur ein bisschen triezen wollte. Aus dem Konzept gebracht, irrte sein Blick eine Weile umher und verblieb schließlich auf Lees Brust, denn der Überwurf für die Männer war so geschnitten, dass der Torso bis zur Hälfte entblößt war. Hmmm....wie durchtrainiert er war....! >>EH?!?!?! Jetzt reiß dich gefälligst am Riemen, Raul!!! Du kannst den Kerl doch gar nicht leiden!!!<< Julia verfolgte die Konfrontation mit sichtlichem Vergnügen und flüsterte Mariah etwas ins Ohr. Dann deutete sie auf ihren Bruder und Lee und setzte dabei eine vielsagende Miene auf. Die Rosahaarige nickte kaum merklich und grinste hinterhältig. Nach und nach löste sich die Versammlung auf und man kehrte wieder in die jeweiligen Unterkünfte zurück. Während Miguel aus seinem Gewand in seinen Pyjama schlüpfte, stand Claude draußen auf dem Balkon ihrer Hotelsuite und betrachtete den Sternenhimmel. Er reagierte gar nicht auf die Zurufe des anderen, bis dieser ihn von hinten umarmte. "Was ist? Bist du immer noch wütend auf mich? Es tut mir leid, dass ich so heftig gewesen bin. Aber ich dachte wirklich, zwischen dir und diesem Kellner würde was laufen....Es tut mir leid, dass ich so eifersüchtig war...." "Lass gut sein, ich habe dir schon verziehen. Eifersucht ist eine der Untugenden der Feuer-Geborenen. Mach dir nichts draus. Ich bin nur ein wenig beunruhigt wegen unserer Aufgabe. Es wird nicht einfach...." "Das bedrückt dich? Sei unbesorgt, wir werden Erfolg haben! Wozu gäbe es sonst unsere Verbindung, wozu sonst wären die vier Prinzen wiedergeboren worden? Sei zuversichtlich! Wenn wir gemeinsam kämpfen, kann niemand uns besiegen, nicht einmal Hades!" "Du findest doch immer die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Ich liebe dich, Miguel." Er küsste den jungen Mann mit dem platinblonden Haar sanft auf die Lippen. "Ich liebe dich auch, Claude. Aber warum stehst du eigentlich hier draußen? Es ist kalt!" "Ich habe die Stimme des Windes vernommen." "Und was sagt sie?" "Sie warnt mich vor einem neuen Angriff....wir müssen auf der Hut sein." "Du hast recht...." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)