The Balance of Creation von Autumn (TYKA u. a.) ================================================================================ Kapitel 18: Wolf und Falke -------------------------- Es geht also weiter - und zwar ziemlich dramatisch. Der Titel bezieht sich auf Iras und Bryan, die sich diesmal in einem Kampf gegenüberstehen....mehr wird nicht verraten, selber lesen!^^ Kapitel 18: Wolf und Falke Charon, der Fährmann des Flusses Styx, stellte nie Fragen. So sagte er auch nichts, als ihn die beiden Ritter der Verdammnis baten, sie zum „Tor der Letzten Reise" zu bringen. Zwar war er davon überzeugt, dass der Fürst diese Flucht nicht billigte und sich rächen würde, aber er wusste auch, dass er es hier mit zwei Wächtern zu tun hatte, Bewohnern von Eden. Charon war einstmals einer von ihnen gewesen. Wie lange war das her....als er starb, gelangte er nach Elysium und musste miterleben, wie dieses einstmals so schöne und friedvolle Reich der Verstorbenen von Hades‘ Gift verdorben und zerstört wurde. Aufseufzend senkte er das Ruder ins Wasser und die kleine Fähre setzte sich in Bewegung. Plötzlich aber schlug das Bild dieser Szene seltsame Wellen und verlosch, als hätte man auf einen Knopf gedrückt. Die Wasseroberfläche kräuselte sich leicht; das kühle Nass befand sich in einer schwarzen Schüssel mit Schlangenmotiv, die auf einem reichverzierten Sockel stand. Es handelte sich dabei um einen natürlichen Spiegel, mit dessen Hilfe Iras die Vorgänge in der Unterwelt beobachten konnte. Seine eisblauen Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, seine Hände waren zu Fäusten geballt. >>Ihr wollt fliehen, ja? Ich verspreche euch, das wird euch teuer zu stehen kommen, ihr Verräter! Deimos ist jetzt bei den vier Prinzen, um seinen neuen Auftrag auszuführen, also bleibt es wohl mir überlassen, euch aufzuhalten! Und ich werde euch gewiss nicht lebend davonkommen lassen!!<< Damit löste er sich in ein Tosen aus Schneeflocken auf und schickte sich an, den unheilvollsten Kampf seines bisherigen Lebens zu beginnen.... Das Telefon klingelte, laut und vernehmlich, aber niemand machte Anstalten, den Hörer abzuheben. Das lag aller Wahrscheinlichkeit nach daran, dass Lee und Raul im Moment sehr mit sich selbst beschäftigt waren. Ihre Schwestern waren in der Stadt beim Bummeln und so hatte der Chinese den Spanier in sein Hotelzimmer eingeladen. Zuerst hatten sie Kekse gegessen und Limonade getrunken und über dieses und jenes geredet, doch schließlich war es etwas intimer zwischen ihnen geworden. Im Augenblick waren sie nämlich in die nicht mehr so ordentlichen Laken von Lees Bett gekuschelt und küssten einander um den Verstand. Rauls Tank Top war nach oben gerutscht und die geschickten Finger des Schwarzhaarigen massierten sanft seine Brustwarzen. Der Jüngere keuchte in den heißen Kuss hinein und schmiegte sich enger an den anderen. „Hörst....du das....ah....oh....auch....?" stieß er hervor. „Ich höre....nur....deine Stimme....airen...." flüsterte Lee zärtlich, den Neunzehnjährigen „airen" nennend, was in seiner Muttersprache so viel wie „Geliebter" bedeutete. Ihre Lippen verschmolzen erneut in einem leidenschaftlichen Spiel, Rauls Hände wanderten durch die lange weiche Mähne seines Schatzes und zogen verlangend den chinesischen Überwurf von den herrlichen Schultern. Die Hitze wuchs an und hüllte die beiden ein wie in einen Kokon. Der Ältere ließ von dem süßen Mund ab, glitt mit seiner Zunge über den schlanken Hals und schließlich bis hin zu den rosigen Knospen, die unter seinen Küssen und Berührungen hart und fest geworden waren. Ein heiseres Stöhnen entrang sich dem Spanier. „Hmmm....oohh....Lee, amiguito mio....Te....te quiero...." „Ich....liebe dich auch...." Der störende Lärm im Hintergrund wollte einfach kein Ende nehmen. Das junge Paar, das gehofft hatte, der lästige Anrufer würde bald aufgeben und auflegen, war verärgert über diese penetrante Geräuschkulisse und der Zwanzigjährige erhob sich schließlich fluchend, stapfte zum Telefon hinüber und blaffte gereizt: „Wer auch immer dran ist, es ist besser was wichtiges, oder Sie sind tot!!!" „Würdest du dich bitte beruhigen und nicht mit solchen Drohungen um dich werfen?" antwortete ihm die sachliche und ernste Stimme von Claude am anderen Ende der Leitung. „Was, du?! Was gibt es denn?" „Diomedes hat angerufen. Garland und Mystel haben offenbar beschlossen, Hades den Rücken zu kehren und sich mit uns zu verbünden." „Ist das wahr? Das ist ja großartig!" „Der Zaubermeister möchte, dass ein paar von uns den beiden Geleitschutz geben, denn unser Feind wird bestimmt nicht tatenlos zusehen, wenn sich zwei seiner Gefolgsleute einfach so davonmachen wollen. Können Miguel und ich mit dir und Raul rechnen?" „Wir sollen also eine Eskorte stellen, he? Die Idee gefällt mir. Du kannst auf uns zählen!" „Ausgezeichnet. Dann bis gleich!" Zehn Minuten später gesellten sie sich zu dem Franzosen und dem Mexikaner, die in der Hotel-Lobby auf sie warteten. Auch Carlos war mit von der Partie, wurde von Lee aber ein wenig unterkühlt begrüßt. Der Rothaarige schmunzelte amüsiert, begriff er doch, dass sein Freund noch ein bisschen eifersüchtig war, weil er sich so gut mit seinem Landsmann verstand. Zu fünft schlenderten sie durch die Straßen von Tokyo, Carlos mit neidvollen Blicken in Richtung der Liebespaare, die entweder die Hände ineinander verschränkt oder die Arme um Schultern oder Hüften des Partners geschlungen hatten. Wie gerne wäre er so mit Daichi irgendwo entlang spaziert! Aber der Jüngere hatte neben seinem Job als DJ bei Beyblade-Wettkämpfen noch eine andere Aufgabe, über die er selten sprach und somit nicht oft Zeit für ihn. >>Ich frage mich, was so bedeutsam ist, dass er dafür eine Verabredung mit mir sausen lässt! Überhaupt, wo steckt er eigentlich ständig ab Nachmittag? Morgens ist er ja noch erreichbar, aber später kriegt man keinerlei Verbindung mehr zu ihm! Wozu besitzt der denn ein Handy, wenn er es immer ausgeschaltet hat?!<< „Mal eine Frage, Claude", erkundigte sich Miguel, „....von wo aus können wir überhaupt in den Hades gelangen?" „Wir werden ein Dimensionstor öffnen müssen." „Das ist nicht gerade einfach. Wir sollten dafür unsere Kräfte vereinen....und irgendwo hingehen, wo uns niemand beobachten kann." Gesagt, getan. Die Gruppe begab sich zu einem kleinen, abgelegenen Tempel, stieg die Treppe hinauf, marschierte durch das Tor und postierte sich vor dem Schreineingang. Da die Anlage winzig und wenig bekannt war, bot sie sich für heimliche Zusammenkünfte geradezu an und wurde mitunter schon für Treffen des Ordens benutzt, wenn sie tagsüber stattfanden. Die jungen Männer reichten einander die Hände, stellten sich im Kreis auf und riefen ihr jeweiliges Element an, woraufhin jeder von ihnen von einem farblich passenden Licht eingehüllt wurde. „Feuer!!" (Lee, Raul, Miguel) „Wasser!!" (Carlos) „Luft!!" (Claude) Ein Sog bildete sich um sie herum und verschluckte die fünf Wächter. Als sich der dunkle Wirbel gesenkt hatte, sahen sie vor sich das Hades-Tor. Sie wussten nur zu genau, dass das Tor von zwei Seiten bewacht wurde - einmal, wenn man in die Unterwelt eindringen und einmal, wenn man sie verlassen wollte. Flüchtlinge mussten sich mit einem Paar untoter Kreaturen herumschlagen, während Lee und Co. es mit dem Höllenhund zu tun bekommen würden, Zerberus. Zwar war er nirgends zu entdecken, aber das hieß lediglich, dass sie größte Vorsicht walten lassen mussten. Sie holten ihre Beyblades hervor, als der Franzose plötzlich herum schoss und einen finsteren Korridor von riesenhaften Ausmaßen fixierte. Seine beeinflussende Gabe war die Kontrolle über den Schall, weshalb er Dinge hören konnte, die für die Ohren anderer praktisch lautlos waren. Was er hier vernahm, jagte ihm allerdings einen Schauer purer Angst über den Rücken, denn grausiges Knurren und Zähneblecken hallten ihm entgegen. Schwere Schritte näherten sich ihnen, und scharfe Krallen klackten auf dem kalten Boden, sobald ein Fuß darauf abgesetzt wurde. Ein peitschender Schwanz durchschnitt zischend die Luft. „Er kommt!" stieß der 22jährige hervor, „....Haltet euch bereit! Ehrenwertes Geschöpf, mit dem ich einen Bund geschlossen habe! Erhöre meinen Ruf, denn ich beschwöre dich im Namen des Windes! Zeige dich, Rapid Eagle!!" Ein kreischender Schlachtschrei erscholl, und ein gigantischer Adler breitete seine majestätischen Schwingen aus; eine von ihnen legte das Tier schützend um seinen Hüter, dessen Alltagskleidung seiner Wächteruniform gewichen war. „Ehrenwertes Geschöpf, mit dem ich einen Bund geschlossen habe! Erhöre meinen Ruf, denn ich beschwöre dich im Namen des Feuers! Zeige dich, Galeon!!" „Ehrenwertes Geschöpf, mit dem ich einen Bund geschlossen habe! Erhöre meinen Ruf, denn ich beschwöre dich im Namen des Feuers! Zeige dich, Torch Pegasus!!" Der Löwe und der geflügelte Hengst ließen nicht lange auf sich warten und Miguel tauschte einen entschiedenen Blick mit Carlos, ehe auch sie ihre Bit Beasts riefen. „Ehrenwertes Geschöpf, mit dem ich einen Bund geschlossen habe! Erhöre meinen Ruf, denn ich beschwöre dich im Namen des Feuers! Zeige dich, Dark Gargoyle!!" „Ehrenwertes Geschöpf, mit dem ich einen Bund geschlossen habe! Erhöre meinen Ruf, denn ich beschwöre dich im Namen des Wassers! Zeige dich, Unda!!" Dark Gargoyle war eine jener Kreaturen, die zu den Sagengestalten zählten, ähnlich wie die vielfältigen Mitglieder des Drachenvolkes, der Phönix von Suzaku oder der Greif von Sol und erinnerte an eine Mischung aus Drache und Fledermaus. Er wurde zu den seltensten Lebewesen von Eden gerechnet und Miguel war sehr stolz darauf, von ihm als Hüter akzeptiert worden zu sein. Unda (lateinisch: Welle, Woge) war ein Delphin und schwebte, in Ermangelung eines flüssigen Aufenthaltsortes, über Carlos‘ Kopf, umgeben von einer mit Wasser gefüllten Blase. Sie wirkte sehr grazil und anmutig und begrüßte den Schwarzhaarigen mit dem typischen „Fiepen" ihrer Art. Sie hatten die Beschwörungen kaum hinter sich gebracht, da erschien Zerberus vor ihnen; eine Bestie, geschaffen aus den ältesten Alpträumen der Menschen, ein hünenhaftes, nachtschwarzes Ungeheuer mit drei Häuptern, jedes davon mit einem vor Zähnen starrenden Rachen ausgestattet, mörderische Krallen an jeder der vier zottigen Pranken, die sechs blutroten Augen tödlich auf die fünf armseligen Opfer richtend, die er mehr oder weniger als seine nächste Mahlzeit betrachtete. Erst, als Galeon ihm einen Schwall Feuer entgegen spuckte, bemerkte er die übrigen Versammelten, die magischen Geschöpfe. Er stieß ein kehliges, abscheuliches Heulen aus und stürzte sich auf sie. Claude wich dem ersten Hieb aus und erzeugte grässliche Töne, die Zerberus in den Ohren schmerzten. Sein koibito schleuderte einen Lavastrahl auf einen der drei Köpfe, während Lee einen Hagel aus Blitzen abschickte. Raul hüllte das Wesen in Flammen ein und Carlos setzte Regentropfen ein, von denen jeder so scharf und spitz war wie eine Nadel. Der Höllenhund knurrte gefährlich und durchbrach den Wall aus Zauberattacken, indem er mit einem gewaltigen Sprung direkt vor dem Hades-Tor landete, um den Durchgang zu versperren. Seine Zähne schimmerten im kalten Licht, Geifer troff daran herab und man konnte deutlich die Mordlust in seinem Blick erkennen. Miguel trat vor und schloss die Kreatur in einen Ring aus Lava ein, dessen Hitze ihren Feind versengen sollte. Offenbar war Zerberus jedoch resistent dagegen, denn er durchschritt einfach die brennende Mauer und führte einen rasanten, pfeilschnellen Schlag mit einer seiner abscheulichen Pratzen. Blut spritzte in die Höhe. „Mon chér!!!" rief der Franzose erschrocken aus und eilte zu seinem Liebsten hinüber. Durch den roten Stoff des Wächtergewands, das der Mexikaner trug, rann das Blut in Strömen. Der linke Arm des Kämpfers war der Länge nach aufgeschlitzt und heiße Qual pochte in seinem Fleisch. Der Ärmel war zerrissen, nur ein paar Fetzen hingen noch herunter und verdeckten zum Teil die hässliche Wunde. Der Atem des Platinblonden ging nur stoßweise und sein hübsches Antlitz war schweißbenetzt von der Anstrengung, sich zurückzuhalten und nicht laut aufzuschreien. „Mon chér...." drang dumpf durch einen Nebel aus Schmerz Claudes samtene Stimme zu ihm. Wunderschöne blaue Augen, türkisgrünes Haar, perlengleiche Haut, zarte Wangen, eine gerade Nase und volle Lippen formten sich vor seinem verschwommenen Blick zu dem Gesicht des Mannes, den er liebte. Besorgnis und Angst las er in diesen edlen Zügen und er lächelte matt. „Verzeih mir, amiguito mio....ich habe nicht richtig aufgepasst...." „Sprich nicht....das ist zu mühsam....mon Dieu, da ist so viel Blut...." Der Schock steckte Claude tief in den Knochen; er hielt Miguel umschlungen und schien gar nicht zu registrieren, dass Zerberus seine Unachtsamkeit für sich zu nutzen gedachte. Er holte erneut aus, doch diesmal trafen seine Krallen auf eine scharfe Klinge. Galeons Hüter hatte ein Schwert in seiner Hand erschaffen und damit verletzte er den Dämon am Fuß. Das Tier heulte auf und richtete seine sechs Augen drohend auf Lee. Obwohl ihm eisige Furcht das Herz zusammenpresste, war seiner entschlossenen Haltung nichts davon zu entnehmen. Mutig hatte er sich zwischen den todbringenden Klauen und dem jungen Paar aufgebaut und visierte seinen Gegner an wie eine Raubkatze ihre Beute. Auch er schwitzte wegen der Anspannung; sein ganzer Körper befand sich in einem Zustand übernatürlicher Wachheit, seine Hände hatten sich so fest um den Schwertgriff gekrampft, dass seine Fingerknöchel beinahe weiß wirkten, die dichte schwarze Mähne fiel in wilden Strähnen über seinen Rücken und seine Brust und seine goldenen Augen barsten förmlich vor Zorn. Raul sog sich an diesem Bild fest und erbebte innerlich. In diesem Moment liebte er Lee mit solcher Leidenschaft, dass er schon meinte, ihn auf der Stelle besinnungslos küssen zu müssen. Er wollte ihm helfen! Er beschwor eine Fackel zwischen seinen Händen und langsam verwandelte sie sich ebenfalls in eine Klinge. „He, du übergroßer Dackel!!! Zeig, was du kannst, wenn du dich traust!!!" Die beiden Feuerwächter lenkten Zerberus von ihrem verletzten Mitstreiter ab und lockten ihn immer weiter weg von dem Tor, das er so vehement hatte beschützen wollen. Carlos hatte sich über Miguel geneigt und untersuchte fachmännisch die Blutung. „Wir brauchen etwas, um den Arm abzubinden, damit die Blutzufuhr gestoppt wird und er nicht noch mehr davon verliert. Unda...." wandte er sich an sein Bit Beast, „....könntest du....?" Der Delphin betrachtete den sich windenden Blonden und senkte das Haupt. Aus ihren Augen quollen Tränen hervor und ihr Hüter fing sie mit der hohlen Hand auf, als sie von der Außenhaut der Wasserblase herabflossen. Er ließ die Tränen auf die Verletzung tropfen und ihre besondere Kraft sorgte dafür, dass die Schmerzen aufhörten. Claude reichte ihm seine Schärpe und damit wurde der Arm des Mexikaners abgebunden. „Ich wusste gar nicht, dass deine Tränen eine schmerzlindernde Wirkung haben." Unda zeigte ein angedeutetes Lächeln. **Das ist eine seltene Gabe, selbst unter den magischen Kreaturen von Eden. Leider genügt ihre Macht nicht, um die Wunde komplett zu heilen.** „Das macht nichts. Wenigstens muss er nicht leiden. Ich danke dir." **Das war doch selbstverständlich, Windkrieger.** Carlos schenkte ihr ein zufriedenes Zwinkern und sah sich nach Lee und Raul um. Blitze und Feuerzungen tanzten wild um den Höllenhund und grünes Blut lief ihm von den Flanken und über zwei der kräftigen Beine, doch leider war er weder erschöpft noch geschwächt. Der Spanier schickte sich an, seinen Kameraden beizustehen, als der Ältere ihn ansprach. „Achte bitte auf Miguel. Ich habe mit dieser Ausgeburt der Finsternis meine eigene Rechnung zu begleichen!" Seine Stimme war schneidend und hart. Für gewöhnlich war Claude ein ruhiger, zuverlässiger und besonnener Typ, der stets seine Selbstbeherrschung bewahrte, aber diesmal waren Grenzen überschritten worden, die der Franzose nicht mehr mit Unerschütterlichkeit und Vernunft kompensieren konnte. „Zerberus!!" Es klang wie ein wütender Befehl. Das Geschöpf drehte sich um und Carlos hätte schwören können, dass die drei Köpfe einander angrinsten. Siegessicher und triumphal näherte es sich seinem Opfer, die widerlich lechzenden Lefzen weit offen. Ein bläuliches Leuchten umrandete die stolze Erscheinung des 22jährigen und seine Arme hoben sich in einer wenig vertrauenserweckenden Geste gen Himmel. In der folgenden Sekunde erschütterte ein nervenaufreibender, fürchterlicher Ton von solch atemberaubender Grässlichkeit die Umgebung, das selbst die Wächter und ihre Bit Beasts aufstöhnten. Der Schall dieses unheimlich hohen Lauts versetzte die Felswände um sie herum in heftige Schwingungen und dicke, schwere Gesteinsbrocken prasselten auf den Höllenhund hernieder, bis er vollständig darunter begraben war. Es gab ein ordentliches Getöse und plötzlich....Stille. Eines der grauenvollen Häupter lugte noch unter der Lawine hervor, aber die lange schleimige Zunge war aus dem Maul gerutscht - Zerberus war tot. Der Chinese half seinem Schatz auf die Beine und musterte seinen Kollegen mit unverhohlener Bewunderung. „Respekt, Kumpel....das hätte ich dir nie und nimmer zugetraut! Wow! Wenn du sauer bist, kannst du einem echt Angst machen! Ich weiß schon, warum ich lieber mit dir befreundet bin!" „Claude...." flüsterte Miguel und der andere kniete sich zu ihm. „Du warst....großartig...." „Ich habe es für dich getan. Als wir beide zusammenkamen, habe ich dir doch versprochen, dich zu beschützen und für dich da zu sein....so, wie du damals für uns da warst, als Barthez uns unterdrückte. Je....Je t‘aime." „Ich liebe dich auch...." Sie küssten einander, innig und tief, bis Rapid Eagle sie unterbrach: **Mein Hüter....wir sollten Miguel in ein Krankenhaus bringen. In dieser Verfassung kann er nicht kämpfen. Es wäre zu riskant, ihn hier zu lassen.** **Ich stimme dem zu.** sagte Dark Gargoyle ernst. **Ich kann ihn transportieren. Ich bin davon überzeugt, dass Meister Lee, Meister Raul und Meister Carlos ausreichen, um dem ehrenwerten Sol und dem ehrenwerten Leviathan Geleitschutz zu geben.** „Das denke ich auch", erklärte Claude vertrauensvoll. Gargoyle hob seinen Wächter vorsichtig hoch, der in direktem Vergleich zu seiner imposanten Gestalt beinahe schmächtig wirkte, breitete seine Flügel aus und flog der Oberwelt zu. Der Franzose kletterte auf den Rücken des Adlers und ließ sich von ihm in die Lüfte tragen. Lee winkte zum Abschied. „Weg sind sie....bleibt nur noch ein Problem: Wie kriegen wir das Tor auf?" Die beiden Gründe ihrer Anwesenheit stiegen indessen aus der Fähre und ließen ihre Blicke das ehrfurchtgebietende „Tor zur Letzten Reise" hinauf wandern. Charon stand hinter ihnen, das alte, von Trauer zerfurchte Gesicht halb verdeckt von seiner schmutzigen, zerlöcherten Kutte. „Wir danken dir sehr für deine Hilfe." „Spart Euch das, Sol. Ich habe es gern getan. Ein alter Mann wie ich, noch dazu eine wehrlose Seele, kann einem wie Hades nicht viel entgegensetzen, aber auch ein kleines Rädchen im Getriebe kann manchmal Wunder bewirken. Ich bin für den Dunklen Fürsten nicht mehr als eine lästige Fliege und das ist gut so, denn deshalb hält er es für unnötig, mir seine kostbare Zeit zu widmen. Für Eure Flucht ist das äußerst günstig." „Und für deinen Tod sind diese Worte äußerst günstig, seniler Narr!!!" zischte jemand, dessen Stimme so kalt und abweisen klang, als könne sie alles Lebendige zu Eis erstarren. Der Fährmann wandte sich verstört um und auch Garland und Mystel durchfuhr ein namenloser Schreck. Die Temperatur kühlte sich deutlich ab, ihr Atem bildete kleine Wölkchen. Eisadern krochen über den Boden und Schneeflocken wirbelten herum, bis Iras sich vor ihnen materialisiert hatte. Charon ließ sich seine Angst nicht anmerken. „Ich bin bereits tot, Ritter. Daher läßt mich Eure Drohung ziemlich....kalt." Der Rothaarige verstand die Anspielung, gestattete sich aber lediglich ein maliziöses Anheben der Lippenpartie. „Wenn ich dir deine Seelenenergie aussauge, wirst du für alle Ewigkeit verschwinden....das ist so gut wie ein zweiter Tod!" „Du rührst ihn nicht an!" stieß Leviathan hervor. „Wie war das?" „Du hast schon richtig gehört!!" „Oho, du willst es tatsächlich versuchen, Levi? Du willst dich mit mir messen? Ich hätte dich für klüger gehalten! Denn ich lasse niemals Gnade walten - am allerwenigsten bei Verrätern!!!" Eine Unmenge von Eissplittern raste auf den Ägypter zu, doch er erschuf eine Barriere aus Wellen und blockte den Angriff ab. Iras verwandelte dieses flüssige Schild in einen Eiszapfen und schoss eine weitere Ladung natürlicher Speere ab. Sol warf sich dazwischen und schmolz die Splitter mit seiner heißen Lichtaura. „Du wagst es, uns als Verräter zu bezeichnen? Dabei haben wir, seit diese ganze Sache angefangen hat, zum ersten Mal eine richtige Entscheidung getroffen! Wir gehören an die Seite unserer Prinzen, zum Orden von Eden! Hades ist unser Feind, warum kapierst du das nicht?!" „Gib dir keine Mühe, Sol!! Ich werde ihm treu bleiben!!" „Dem Mörder des Mannes, den du geliebt hast!?!" Der Krieger des Zorns versteinerte in seinen Bewegungen. Seine rechte Augenbraue zuckte verdächtig. „Was....redest du da?! Lord Hades....soll....Sei umgebracht haben....?!" „Erinnerst du dich nicht mehr daran?!" Der Blauhaarige konnte es nicht glauben, bis Mystel mechanisch nickte. „Natürlich....warum habe ich nicht gleich daran gedacht? Hades muss Iras nach der Ermordung von Seiryuu das Gedächtnis gelöscht haben!" „Bei den vier Schutzgöttern....eine solche Möglichkeit habe ich nie in Erwägung gezogen. Dieses durchtriebene Scheusal....!! Das reicht!! Du musst endlich die Augen öffnen, mein Freund!! Bitte erkenne dein wahres Ich!!" „Ich will nichts hören!! Ich glaube euch kein Wort!!!" Bryan schuftete sich im Fitnessraum des Palast-Hotels ab, Schweiß glänzte auf seinem muskulösen Körper und das lila Haar war feucht und verklebt. „Puh, genug Sport für heute! Jetzt brauche ich eine warme Dusche und einen Snack!" Auf dem Flur zu den Umkleidekabinen lief ihm Mathilda in die Arme. Sie hatte verweinte Augen und dicht hinter ihr kam Mariam angerannt. „Tag, die Damen! Was ist denn los? Stimmt was nicht?" „Da bist du ja, Bryan", schluchzte die achtzehnjährige Deutsche (Ich finde, der Name „Mathilda" klingt einfach sehr deutsch) und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Ich hab dich schon überall gesucht, Diomedes ist ganz aufgeregt und wollte unbedingt mit dir sprechen und Miguel ist verletzt und Claude...." „He, langsam! Noch mal von vorn: Was ist passiert und was will der Zaubermeister von mir?" Mariam legte der aufgelösten Jüngeren eine tröstende Hand auf die Schulter und erläuterte die Situation: „Sol und Leviathan kehren zu uns zurück, wie du sicher schon vernommen hast. Diomedes war der Ansicht, die beiden könnten etwas Geleitschutz brauchen und hat aus diesem Grund ein paar Bluterben in die Unterwelt geschickt. Während eines Kampfes ist Miguel jedoch schwer verwundet worden und Claude hat ihn ins Hospital gebracht. Carlos, Lee und Raul sind jetzt noch an dieser Mission beteiligt." „WAS?! Und so etwas Wichtiges teilt mir der Zaubermeister nicht mit?! Wenn überhaupt einer qualifiziert ist für ein Gefecht im Hades, dann bin ich das, schließlich bin ich die Wiedergeburt von Boreas!! Wie verantwortungslos, Wächter ohne genügend Erfahrung in die Höhle des Löwen zu schicken!! Bin ich denn der einzige hier, der denkt, bevor er handelt?! Mariam, richte Mr. Dickenson aus, dass ich ihm später noch die Meinung geigen werde!! Ich habe keine Zeit mehr!!" „Was hast du denn vor?" „Ein paar Schwachköpfen den Hintern retten!!" Im Kinomiya-Dojo ereignete sich derzeit ein völlig anderer Kampf. Tyson sprang zur Seite, als schwarze Blitze auf ihn zu rasten. Deimos zertrennte das Federkissen und schlug anschließend das Bett mitten entzwei. „FÜR DIE EHRE VON EDEN!!!" Das Beyblade leuchtete auf, die Tätowierung glühte und wenig später erhob sich Seiryuu vor seinem Widersacher, prachtvoll anzusehen in seiner Rüstung. „Stell dich!" zischte der Windbeherrscher und richtete sein Schwert auf den Ritter des Hasses. Dieser war allerdings nicht sonderlich beeindruckt und parierte den gegen ihn gewandten Hieb mit seiner eigenen Klinge. Die magische Aura, die die beiden Gegner umhüllte, war den anderen Zauberbegabten innerhalb und außerhalb des Hauses jedoch nicht verborgen geblieben. Ray und Max hielten abrupt in ihrem Training inne und der Chinese wisperte fassungslos: „Großer Gott....ich spüre eine negative Präsenz von solcher Intensität, das kann....das kann nur Deimos sein....Seiryuu ist in Gefahr!" „Was ist das? Ein eisiger Schauer überläuft meine Haut....warum nur habe ich plötzlich Angst? Da stimmt was nicht....ich kann es nicht zuordnen....Ein beklemmendes Gefühl, wie an dem Tag, als ich mein Gedächtnis verlor...." „Byakko!!" „He?" Kai war im Garten aufgetaucht, zumindest körperlich, denn in ihm steckte Suzaku, wie der Neunzehnjährige klar an der warmen Tonlage der Stimme erkannte und an der Tatsache, dass der andere ihn mit seinem einstigen Namen angeredet hatte. „Sei wird angegriffen! Wir müssen uns beeilen!" Ray nickte entschlossen; sie packten gleichzeitig nach ihren Beyblades und riefen die Zauberformel. „FÜR DIE EHRE VON EDEN!!!" Während die Unterstützung nahte, kreuzten sich die Schwerter des Windprinzen und des Ritters der Verdammnis immer wieder. Sie fixierten einander erbarmungslos an und der Blauhaarige konnte keine Regung, kein menschliches Empfinden in den Augen seines Gegenübers wahrnehmen. Er schluckte sein Entsetzen hinunter und fragte sich ernsthaft, wie es Hiro je gelingen könnte, diese Ansammlung von Schwarzer Magie, Hass, Verbitterung und Misstrauen zu durchbrechen, die in Deimos‘ Innerem tobte. Als der Orangehaarige eine Attacke mit seinen Blitzen startete, wucherten Schlingpflanzen aus der hölzernen Schiebetür und umsponnen seine Arme und Beine. Kurz darauf traf ihn ein Hagel aus Feuerbällen und er wurde frontal gegen die nächste Wand geschleudert. Seiryuu drehte sich überrascht um. „Suzaku! Byakko!" „Stets zu Diensten, mein Liebster!" lächelte der Wächter des Heiligen Phönix verführerisch und küsste ihn zur Begrüßung auf die Wange, den mentalen Aufschrei von Kai („Was fällt dir ein, du Casanova?!") geflissentlich ignorierend. „Ihr....!" spuckte Deimos aus, als wäre ihm ein ekelerregendes Monster erschienen und nicht zwei attraktive Krieger. „Ihr werdet mich nicht um meinen Triumph bringen, Hüter!! Ich werde euch vernichten, und das ein für allemal!!!" Mit diesen Worten stand er auf, die Zähne fest zusammengebissen, und erschuf über seinem Kopf ein Geschoss von riesenhaften Ausmaßen, dessen finstere Ausstrahlung die drei Prinzen beinahe zu ersticken schien.... Iras entlud seinen gesamten Zorn auf Sol und Leviathan. Zwar wehrten sie sich mit all ihren Kräften, doch da der Rothaarige seine Macht aus seiner beeinflussenden Emotion schöpfte und im Moment wirklich rasend war, sah ihre Lage wenig rosig aus. „Niemals....werde ich euch glauben...." wiederholte er monoton, wie einen auswendig gelernten Reim. „Hades hat ihn nicht getötet....ich glaube euch nicht...." „Kannst du oder willst du es nicht verstehen?!" brüllte Garland gegen das Heranstürmen von ca. hundert Eissplittern an, scharfgeschliffen wie Dolche, von denen er kaum mehr als ein Viertel einschmelzen konnte, da ihm allmählich die Energie ausging. „Er hat dich doch nur benutzt!! So, wie er alles und jeden für seine Zwecke benutzt, bis nichts mehr übrig ist!! Die Schönheit von Elysium und Eden wurde von ihm zerstört, unser Frieden, unsere Harmonie, das Gleichgewicht der Schöpfung!! Er hat diesen Planeten verwundbar gemacht und ihn geschwächt, damit das Böse sich hier ausbreiten konnte!! Und du willst ihm folgen?!" „Schweig still!!! Du hast ja keine Ahnung!! Was hat mir Eden denn schon gebracht außer Einsamkeit, Schmerz und unerfüllter Liebe?! Ich war nie glücklich....und warum sollte ich einer Welt, in der ich nie glücklich war, nachweinen?! Ich war euch doch immer egal!! Ich hatte vielleicht den Posten als Hauptmann von Prinz Genbus Leibwache inne, aber ich wusste genau, wie der gesamte Hof hinter meinem Rücken über mich gelacht hat!! Freunde habe ich nie gehabt, um mich herum gab es lediglich Opportunisten und Speichellecker, die sich von einer Bekanntschaft mit mir bessere Chancen für ihren eigenen Aufstieg erhofft haben!!" „Das ist nicht wahr, Iras!! Du hattest echte Freunde, sehr viele sogar!! Und Prinz Genbu hat dir aus vollstem Herzen vertraut, das weißt du!!" erwiderte Leviathan verzweifelt. „Ich sagte, ich will nichts mehr hören!! Denkt ihr wirklich, ich würde auf eure Lügen hereinfallen!?! Ich habe mir geschworen, euch zu töten und genau das werde ich tun!!" „Wage es nicht!!!" Eine Windbö packte den Ritter der Verdammnis und schleuderte ihn von Garland und Mystel fort, ehe er eine neue Attacke beginnen konnte. Er wischte sich das Blut eines Kratzers aus dem Gesicht und starrte ungläubig zum Ufer des Styx hinüber. Eine zweite Fähre hatte dort angelegt, gelenkt von einer vermummten Gestalt. Boreas und die Bluterben waren gekommen. „Wir sind hier, um unsere Freunde heimzuführen." sagte Bryan ernst, und er spürte die dankbaren Blicke ihrer beiden Kameraden auf sich ruhen. Er lächelte in ihre Richtung, doch sein Mund wurde hart, als er sich wieder an Iras wandte. „Wächterblut wird nicht von Wächterhand vergossen! Du kennst dieses alte Gesetz und doch willst du es brechen?" „Ich gebe schon lange nichts mehr auf die Gesetze von Eden! Es wundert mich nicht, dass ausgerechnet du es bist, der den strahlenden Helden spielt - du warst immer so ekelhaft aufopferungsvoll und hilfsbereit, so ehrlich und tapfer, dass mir beinahe schlecht geworden wäre!! Und dennoch....du hast über mich gespottet wie alle anderen!! Hast Gerüchte ausgestreut und mich schlecht gemacht, nur um dich später als treusorgender Freund in Szene setzen zu können! Das nicht lache!! Wie ich es doch gehasst habe....dein scheinheiliges Gesicht!!" „Wie kannst du so ein infames Lügengebilde nur glauben?! Das sind nichts weiter als Hirngespinste, die Hades dir eingetrichtert hat und die er als Wahrheit verkauft, obwohl sie es nicht sind!! Wir waren Freunde! Niemals hätte ich deinen ehrenhaften Namen in den Schmutz gezogen! Aber das Gift der Dunkelheit hat dich schon komplett verdorben....deine Gesten, deine Worte, deine Handlungen....das bist nicht mehr du, Iras. Es ist Hades, der dich steuert wie eine Marionette! Erkennst du nicht, wie sehr er dich herabgewürdigt hat?!" „Ich werde diesem albernen Geschwätz keine Beachtung mehr schenken!! Wir beide haben ohnehin noch eine kleine Rechnung offen!! Ich fordere dich heraus zu einer ‚Wächter-Entscheidung‘!!!" „Was?! Das....das kann nicht dein Ernst sein....!" Tonnenschweres Schweigen lastete auf den Anwesenden. Der Rothaarige hatte sein Schwert gezückt, die Spitze nach oben gerichtet und hielt seine rechte Faust in ein paar Zentimetern Entfernung zu der Klinge. „Ein Kampf der Mächte, ein Kampf der Elemente, ein Kampf zwischen beiden! Wer der Sieger ist...." Bryan biss sich auf die Lippen und ahmte Iras‘ Geste mit seinem eigenen Schwert nach. Er vervollständigte den rituellen Vers. „....wird das Ende entscheiden!!" „Das könnt ihr unmöglich tun!" stieß der Hüter von Poseidon schreckensbleich hervor und seine Finger krampften sich um die Hand seines Liebsten. Raul, der noch nicht über alle Details aus dem Leben der Wächter von damals informiert war, fragte beklommen: „Was genau ist eine ‚Wächter-Entscheidung‘? Es klingt irgendwie....gefährlich. Und weshalb wird ‚das Ende entscheiden‘? Welches Ende?" Lee schluckte. „Korrekterweise sollte es ‚Wessen Ende‘ heißen." „Was meinst du damit?" „Die ‚Wächter-Entscheidung‘ bezeichnet ein Gefecht zwischen zwei Hütern, bei dem ein unparteiischer Schiedsrichter zugegen ist. Normalerweise wurden Differenzen friedlich geregelt, aber wenn die beiden Wächter sich trotz aller Bemühungen nicht einigen konnten, wurde durch den Kampf entschieden." „Das ist richtig", mischte sich Sol ein, „....aber soweit ich mich an die Chroniken von Eden erinnere, ist es in seiner jahrtausendelangen Geschichte erst ein einziges Mal vorgekommen, dass eine ‚Wächter-Entscheidung‘ stattfand. Zwei Hüter hatten sich in dieselbe Frau verliebt und da sie schon früher Rivalen gewesen waren, wuchs sich das Ganze durch ihre Eifersucht zu echtem Hass aus. Keiner von ihnen hat die ‚Entscheidung‘ überlebt." „Keiner von ihnen?!" „Nein. Deswegen war die ‚Wächter-Entscheidung‘ von allen gefürchtet und galt als allerletzter Ausweg, ähnlich wie zum Beispiel heute der Selbstmord. Obwohl ein Schiedsrichter vorhanden ist, liegt seine einzige Funktion darin, einen Bannkreis um die beiden Kontrahenten zu spannen, damit ihre Umgebung keinen Schaden nimmt. Ansonsten ist alles erlaubt, um den anderen zu töten." „Zu....töten....?" „Eine ‚Wächter-Entscheidung‘ ist die Herausforderung zu einem Duell auf Leben und Tod!" Der Spanier wurde aschfahl und der Chinese zog ihn in eine feste Umarmung. Sofort schmiegte sich der Jüngere an ihn und flüsterte fassungslos: „Das kann nicht sein....Iras kann doch nicht.... Bryan kann doch nicht....Lee, das können wir nicht zulassen! Bryan liebt Tala! Wieso....?" „Ich....ich weiß es nicht...." Die vermummte Person verließ nun auch die Fähre und schob die Kapuze zurück. Alle, besonders Carlos, sogen perplex die Luft ein. „Daichi!" „Du hängst auch mit in der Sache drin?!" Der Fünfzehnjährige drehte sich zu seinem „festen Freund in spe" um und grinste in seiner typischen Art und Weise. „Oh ja....tiefer, als du ahnst! Aber das ist kein Moment für Scherze! Ich erkläre mich bereit, als Schiedsrichter zu fungieren!" „Kannst du Knirps überhaupt einen Bannkreis schaffen? Das ist Magie auf hohem Level!" Daichi reagierte nicht auf die Skepsis des schwarzen Ritters, sondern rief seinen Schamanenstab und trat zwischen die Gegner. Mit einem Mal war eine Aura von Reife um ihn herum, die Carlos erstaunte und zugleich faszinierte. „Boreas, Hüter von Falborg, Iras, der Hüter von Wolborg, hat dich herausgefordert, dich in Schwert und Zauber mit ihm zu messen. Nimmst du an?" Ein schlichtes Nicken. „Iras, Hüter von Wolborg, Boreas, der Hüter von Falborg, akzeptiert deine Herausforderung. Stellt euch in einem Abstand von sieben Metern auf, ich forme den Bannkreis." Der Schamanenstab leuchtete hell auf und Daichi spreizte Zeige- und Mittelfinger seiner linken Hand ab, berührte damit seine Lippen und murmelte fremd klingende Beschwörungen. Eine magische Barriere erhob sich langsam um die Krieger und riegelte sie praktisch von der Außenwelt ab. „Möge die ‚Entscheidung‘ beginnen!" Iras lächelte kalt und feuerte unzählige Eisspeere auf seinen einstigen Teamkollegen. Der Lilahaarige baute ein Schutzschild aus einem Wirbelwind auf und entsandte seinerseits sichelförmige Windgeschosse, die bei ihrem Auftreffen Schlitze und Striemen hinterließen. Der Vertreter des Zorns zeigte sich davon kaum beeindruckt und hüllte seinen Widersacher in ein Schneetrieben ein, das um seinen Körper zu Eis erstarrte. Dann rannte er auf ihn zu und schwang sein Schwert in weit ausholendem Bogen, als wolle er ihm den Schädel spalten. Bryan konzentrierte sich stark und sprengte sein Gefängnis, einmal, um dem Hieb auszuweichen und um Iras in eine Windhose zu sperren, die ihn herumwarf wie ein Stück Stoff. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich zu befreien und er warf einen feindseligen Blick auf den anderen. „Hör mir zu, mein Freund! Ich will dich nicht töten, begreif doch! Ich will nur eines: Dass du zu uns zurückkommst - zu mir! Du bist nicht das ungeliebte, einsame, hasserfüllte Wesen, zu dem Hades dich machen will! Du hast einen guten, einen wunderbaren Kern! Ich weiß, viele halten dich für unnahbar, für hartherzig, für empfindungslos, aber das bist du nicht! Du kannst so warm und fürsorglich sein....und kameradschaftlich....und dabei auch so verletzlich....Immer versuchst du, unerschütterlich zu sein, weil du glaubst, niemanden zu haben, an dessen Schulter du dich ausweinen könntest, aber das ist nicht wahr! Du hast mich!! Und ich werde stets an deiner Seite sein, so wie ich es von Anfang war! Darum bitte ich dich: Wende dich ab vom Bösen und werde wieder du selbst....TALA!!" Etwas in Iras zuckte zusammen bei diesem Namen. Verdrängte Erinnerungen erblühten in seinem Geist, zaghaft und scheu erst, bis sich nach und nach immer mehr Blüten öffneten: Er sah sich als Kind in der Abtei, zusammen mit Bryan, der mit ihm trainierte. Sie waren beide noch ungeschickt und teilten angesichts dessen ein Lachen. - Prinz Genbu winkte ihn zu sich heran und dankte ihm für seinen Mut im Kampf gegen einen Dämon. Er reichte ihm die Hand und drückte die seine, eine Geste des Vertrauens. - Russland. Tala stolperte durch einen Schneesturm, zurück zum Tor der Abtei. Er hatte draußen mit seinem Beyblade geübt und Bryan wartete auf ihn. „Wo bist du so lange gewesen? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!" - Eine Feier. Leviathan und er tanzten zusammen mit dem Prinzen um einen Springbrunnen herum. Sie hatten wohl ein bisschen zu viel Wein getrunken....aber Iras strahlte. - „Ich hasse diese Abtei....und ich hasse Boris!!" Bryan streichelte ihm durchs Haar und schlang seine Arme um seine Schultern. „Ich verstehe dich. Aber gib nicht auf....ich bin doch für dich da, das weißt du. Wann immer du meinst, du schaffst es nicht mehr, rede mit mir. Ich bin dein Freund." - Prinz Seiryuu, der ihn um einen kleinen Gefallen bat, um Prinz Genbu zu seinem Geburtstag zu überraschen. Er küsste diese zarte, weiche Hand....und der Windbeherrscher neckte ihn ein bisschen, weil er errötet war. - „Tala Iwanov! Wenn du noch einmal aus dem Hotelzimmer verschwindest, ohne mir zu sagen, wo du hingehst, verordne ich dir Hausarrest! Wie kannst du mich so erschrecken! Ich dachte, dir wäre was passiert!" Eine kräftige Umarmung, die er erwiderte. „Entschuldige, Kumpel." - „Ich bin dein bester Freund, Tala. Das darfst du niemals vergessen." Ich bin dein bester Freund, Tala. Das darfst du niemals vergessen. Vergessen. Vergessen....wie hatte er das vergessen können?! Etwas in ihm schrie gequält auf, wie ein Vogel in einem Käfig. Nein, nein!! Hades hatte es ihm gezeigt! Ihm offenbart, dass sein Leben nie etwas anderes gewesen war als Alleinsein, Traurigkeit, Schmerz! Diese Lichtblicke konnten nicht real sein, das waren nichts als Illusionen!! „Schluss damit!! Weg mit diesen Bildern und Stimmen in meinem Kopf!! Ich weiß, wer ich bin!! Ich gehöre der Finsternis!! Ich habe Lord Hades die Treue geschworen! Schon damals hast du mich von ihm losreißen wollen, Boreas! Wolltest mich zum Verräter an Seiner Majestät machen!! Nein! Ich werde dir das nicht verzeihen! Du musst sterben!" „Du tust dir nur selbst weh! Du warst ein aufrechter und ehrlicher Wächter, ein Mann mit edlen Prinzipien! Dein Herz war verwundet durch deine unerfüllte Liebe zu Seiryuu und Hades hat sich diese seelische Verletzung zunutze gemacht, um dich von innen heraus zu zerstören! Du musst dich von ihm befreien, Tala!!!" „Nicht diesen Namen!! Nenn mich nicht so, verstanden?!" „Warum?! Weil Tala sich gegen das Schwarze Gift wehrt?! Nimm endlich Vernunft an, verdammt!! Ich will nicht, dass es so endet!!" „SCHWEIG!!!!" Mit einem Schrei schleuderte Iras einen großen, messerscharfen Eiskegel auf den Windwächter und Bryan verpasste die Gelegenheit, sich dagegen zu schützen. Plötzlich fühlte er nur noch einen stechenden Schmerz, der sich in all seinen Nervenzellen ausbreitete wie ein Inferno und schmeckte Blut in seinem Mund. Ein dünnes Rinnsal tröpfelte über sein Kinn. Der Kegel hatte direkt seinen Magen durchstoßen und eine zitternde Hand tastete sich zu der klaffenden Wunde. „Oh nein....!" Daichi ließ den Bannkreis automatisch zusammenfallen und Garland stürmte zu Bryan hinüber. Er stützte ihn, als er zu Boden sank und umklammerte ihn umsichtig. „Boreas! Boreas, sag doch etwas! Du kannst nicht einfach so sterben, mein Freund! Denk an Prinz Seiryuu! Er wird deinen wertvollen Rat brauchen....und wir dein Wissen und deine Ruhe und Kraft! Halt durch!" Iras stand wie betäubt. Scheinbar hatte er noch nicht realisiert, was eigentlich geschehen war. Seine Augen sahen das Blut und sein Herz klopfte hastig, wie gepeinigt. Weitere Erinnerungen strömten auf ihn ein und sie drängten sanft diejenigen an Eden zurück, um jenen aus diesem Leben Platz einzuräumen. Rasch wurde Bryan ihr Zentrum, wie er lachte, stritt, bladete, lächelte, nervte, stänkerte und spaßte. Und immer war Tala in seiner Nähe. „Schau nicht so ernst, Tala! Du könntest auch mal lachen, wenn ich einmal witzig bin!" - „Wenn du endlich damit fertig bist, das eiskalte Arschloch raushängen zu lassen, dann können wir vielleicht endlich weitertrainieren, du Sklaventreiber!" - „Los, Falborg! Zeig diesem Gefrierschrank, wo‘s langgeht!" - „Mach dir keine Sorgen, Tala! Wenn du Probleme hast, werde ich dir helfen." - „Tala!! Du bist seit zwei geschlagenen Stunden im Badezimmer! Was zum Teufel dauert da so ewig?! Kannst du die Steckdose zum Elektrisieren deiner Haare nicht finden?! Oder hast du deine dreißig Haarsprays verlegt?! Oder ist der Kleister zum Hochkleben so schwierig zu gebrauchen?! He! Antworte gefälligst!" - „Was interessiert mich die Scheiß Weltmeisterschaft? Wir haben doch sowieso einen miesen Ruf! Lass mich bloß in Ruhe mit dem Mist!" - „Du hast wirklich null Humor, Tala! Das war ein Scherz, Mensch! Gott, bist du empfindlich, kaum dass dir jemand sagt, deine Frisur würde ‘nen super Blitzableiter abgeben!" Bryan. Bryan! BRYAN!!! Sein bester Freund. Er, der immer für ihn da war, unbemerkt, aber unveränderlich, wie ein Schatten. Er, der ihm die meisten lichten Momente seines sonst so düsteren Daseins geschenkt hatte. Er, der ihm geholfen hatte, vertrauen zu lernen. In dieser Sekunde begriff er mit einem Mal, dass er Bryan nicht aus seinem Leben verbannen konnte, ohne darunter zu leiden, genauso wenig, wie man sich ohne Schmerzen zu verspüren, die rechte Hand abhacken konnte. Eine Träne lief seine Wange hinab, aber anstatt wie normalerweise zu Eis zu gefrieren, rann sie bis zu seinem Kinn und tropfte in den Schmutz. Und der ersten folgte eine zweite Träne. Das Schwarz in den vor Schreck geweiteten Augen verblasste und wich einer hellblauen Färbung. Dann kroch ein Schrei in ihm hoch, zunächst wie ein Würgen, doch schließlich hallten der Schmerz und das Entsetzen in der Unterwelt wider wie ein unheimliches Echo: „BRYAN!!!" Er sackte in die Knie, unfähig, seinen Blick von der fast reglosen Gestalt des Lilahaarigen zu lösen. Die Tränen netzten sein erschöpftes Gesicht und fanden kein Ende. „Was....habe ich....getan? Was habe ich getan?!" Bevor Ihr jetzt vermutet, dass Tala zurückkehrt, muss ich Euch leider enttäuschen: Iras wird wieder die Oberhand gewinnen. Dadurch, dass er Bryan lebensgefährlich verletzt hat, ist Talas Selbst wieder in ihm durchgebrochen, aber das wird leider nicht so bleiben (das wäre auch zu einfach)... Je t'aime und Te quiero brauche ich wohl für niemanden zu übersetzen. "Amiguito mio" bedeutet auf Spanisch "Mein Geliebter". Miguel ist bei mir Mexikaner, und bevor jemand fragt: Nix Mexikanisch, dort spricht man ebenfalls Spanisch! Bis zum nächsten Kapitel!^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)