Magic Moments von Eelea (Miará & Kisur II) ================================================================================ Kapitel 1: ein Stück Vergangenheit ---------------------------------- Noch ziemlich müde stand Miará in der Küche und hatte begonnen sich ein großes Frühstück zu machen, als der Elf Kisur müde die Treppe herab kam. Seine langen schwarzen Haare waren ungekämmt und trotzdem saßen sie auf anhieb richtig. Ein seltsames Phänomen, dass Miará bei dem Elfen schon öfters beobachtet hatte. Egal was Kisur auch tat, er sah immer gut aus. "Guten Morgen, mein Engel", begrüßte er sie und rieb sich dabei über die müden Augen. "Morgen. Wie wäre es mit Frühstück?", fragte sie nun gut gelaunt und schwenkte dabei mit der Bratpfanne herum, in der gerade zwei Spiegeleier brieten. Ängstlich zog Kisur den Kopf ein und Miará musste lachen. Vor ein paar Tagen hatte sie sich zu heftig umgedreht und die Spiegeleier waren herausgeflogen und hatten Kisur nur knapp verfehlt. Der Elf wollte nun auf Nummer sicher gehen und war vorsichtiger, wenn Miará kochte. "Frühstück hört sich verlockend an." Mitten in der Bewegung erstarrte Miará. Es war nicht Kisur, der ihr da geantwortet hatte, sondern ihre Mutter. "Oh, Mama", meinte Miará nur und beobachtete verstohlen, wie Kisur sich leise bemühte vom Stuhl am Tisch aufzustehen, ohne das sich dieser bewegte. Schwungvoll setzte sich ihre Mutter an den gedeckten Frühstückstisch und Kisur schaffte es nur noch mit großer Mühe, ihrer Mutter auszuweichen. Es sah schon komisch aus, wie er sich verrenkte, um nicht von ihr getroffen zu werden. Der Elf lebte nun schon seit gut einem halben Jahr bei Miará und noch nie hatte ihre Mutter gemerkt, dass sie nicht mehr alleine waren. Für ihre Mutter und sämtliche anderen Menschen, die Miará und Kisur kannten, war er nämlich unsichtbar, genauso wie alle anderen Fabelwesen. Wieso genau, konnten sie nicht sagen, doch als Kisur fast an einer Vergiftung durch einen simplen Anhänger aus Eisen gestorben wäre, hatte Miará ihn gefunden. Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an gesehen und sich gleich seiner angenommen. Seit dem sah Miará auch alle anderen Wesen, die sich sonst im Schatten dieser Welt versteckten. "Meinst du, die Eier werden heute noch was?", fragte ihre Mutter und zeigte dabei auf die Bratpfanne, die Miará in der Hand hielt und nicht über der Flamme. Schnell stellte sie sie wieder auf den Herd. Fast schon beleidigt schaute sie zu Kisur, der sich nur noch mühevoll ein Lachen verkrampfen konnte. Sehen konnte ihre Mutter den Elf nicht, aber sehr wohl hören. "Hast du immer noch Hunger?" Kisur schaute auf, als Miará das Zimmer betrat. Das Frühstück von ihr und ihrer Mutter hatte keine halbe Stunde gedauert, also recht kurz und Miará schaute auch nicht sehr glücklich aus. Die grünen Augen des Mädchens sahen aus, als würden sie in Wasser schwimmen und als sie nach seinem Hunger gefragt hatte, zitterte die Stimme des Mädchens stark. "Miará, was ist den?", fragte er besorgt und stand von ihrem Bett auf. Schon als er sie erreichte, hatte sie bitterlich zu weinen begonnen. Sanft legte er einen Arm um sie und führte sie langsam zu ihrem Bett. Behutsam setzte er sich wieder und zog die weinende Miará neben sich. Sie schmiegte sich an ihn und weinte immer weiter, beruhigte sich auch nicht, als er mit ihr sprach oder sanft das rote Haar aus dem Gesicht strich. "So beruhige dich doch, mein Engel. Was ist denn nur geschehen?" Sie reagierte noch immer nicht und weinte nur. Erst nach einer sehr langen halben Stunde, fing sie an sich zu beruhigen. Mit großen nassen Augen schaute sie ihn an und hätte fast wieder zu weinen begonnen, doch das verhinderte Kisur, indem er ihr die Hand auf die Wange legte und ihr etwas von seinem Lebenshauch schenkte. Er wusste, dass sie dies als warmen Schauer empfand und sehr mochte. "Sie...", begann Miará und brach kurz ab. Schnell setzte sie wieder an: "Mum will, dass ich die Schule wechsle. Ich soll auf ein Internat!" Fast hätte sie zu schreien begonnen, aber Kisur ging es auch nicht besser. Ihm war, als hätte ihn mit ihren Worten ein Stein ins Herz getroffen. Miará war schon siebzehn und wenn sie nun auf ein Internat geschickt werden würde, war es für ihn fast unmöglich, ihr folgen zu können. In gut zwei Wochen würde sie auch noch achtzehn werden und vor diesem Tag graute ihm. An ihrem achtzehnten Geburtstag würde sich sein Leben mit ihrem verändern. Dadurch, dass er durch sein Blut an sie gefesselt war, würde sich dann entscheiden, ob er noch leben durfte, oder ob ihn dass Vergessen einholen würde. Schmerzhaft wurde er daran erinnert, was bei dem letzten Kind passiert war, dass erwachsen wurde und ihn vergaß. - Zuerst hatte sich der Junge noch mit ihm abgegeben und ihn ausgenutzt, um Schandtaten zu begehen, doch schnell verlor er dann sein Interesse an Kisur. Verzweifelt hatte der Elf versucht auf sich aufmerksam zu machen, da er immer schwächer wurde. Er hatte sich selbst erniedrigt, um weiter in der Gunst des Jungen zu stehen, doch auch dies nützte nichts. Er war mit Füßen getreten worden und hatte alles mit sich machen lassen, aber es half nichts. Als er an einem Morgen erwachte, fühlte er sich müde und kraftlos, wie noch nie zuvor. Kisur hatte zusammengekauert in einer Ecke des Zimmers geschlafen und war nur durch die Schritte vor ihm erwacht. Sein "Freund" stand vor ihm und hatte eine Kette in der Hand. Kisurs Mut sank, als er erkannte, dass der Anhänger aus Eisen war. Demütig schloss er seine Augen und gab sich auf. Er wurde mit dem Anhänger um den Hals fortgejagt, wie ein räudiger Hund. Das Schlimmste war allerdings der Befehl, die Kette nicht abzunehmen. Es war ihm nicht gestattet worden und so ertrug er das Gift des Eisens, bis er schließlich zusammenbrach. Kisur hatte sein Leben fortgeworfen. Wäre er geflohen, als er noch genug Kraft dazu hatte, dann hätte er es schaffen können, sich einen neuen Menschen zu suchen, der ihn aufnahm und sein Vertrauen, seinen Glauben schenkte. Schwach und hilflos lag er auf dem Boden und das Licht der Sonne verschwand. Der Elf wusste, dass nun bald die Kreaturen herauskamen, die Angst vor dem Licht der Sonne hatten. Sie waren es, die es begrüßten, wenn ein Elf schwach wurde. Das Fleisch seiner Art galt bei ihnen im Allgemeinen als Delikatesse. Schon hörte er Schritte, die sich ihm näherten, aber nichts geschah. Stattdessen hörte er eine helle Stimme, die fragte: "Hey, ist mit dir alles in Ordnung?" - So war er dann schließlich bei Miará gelandete. Aber seine Angst, dass das gleiche wieder passieren würde, war nicht verschwunden. Er fühlte sich elendig und wollte weglaufen, aber Miará und ihr Kummer waren erst einmal wichtiger. Kapitel 2: der Weg ins Internat ------------------------------- "Beeile dich, Miará! Wir kommen noch zu spät!", rief ihre Mutter von unten aus der Küche, während Miará sich abmühte die letzten Sachen aus ihrem Zimmer in die vielen Taschen und den Koffer zu quetschen. Kisur half ihr dabei, so gut er konnte. "Wenn es gehen würde, dann hätte ich dir auch die Koffer getragen", meinte er kleinlaut und schaute Miará dabei verzeihend an. Miará drehte sich um und wischte sich dabei ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Der Rest ihres Haares wurde von einem Zopfgummi zusammengehalten. Sie lächelte und ging dabei langsam auf Kisur zu. Sanft legte sie ihm die Arme um den Hals und lehnte sich gegen ihn. "Ist schon in Ordnung. Du gibst dir so viel Mühe, dass ich dir einfach nicht böse sein kann. Außerdem kannst du nichts dafür, dass ich ins Internat ziehe und du nun mal ein unsichtbares Fabelwesen bist. Es würde seltsam aussehen, wenn du mir hilfst. Obwohl ... ein schwebender Koffer wäre doch mal etwas Neues." Sie grinste und ließ Kisur wieder los. Der Elf war mehr als erstaunt. Sie hatte sich noch nie so verhalten. Miará lachte weniger und war auch schweigsamer geworden. Etwas was ihm insgeheim Angst machte. Es deutete darauf hin, dass ihr achtzehnter Geburtstag nicht mehr lang hin war und sie erwachsen wurde. Kisur standen noch Bange drei Tage bevor, dann wäre es soweit und Miará würde sich von Grund auf ändern. Menschen merkten dies meist nicht, aber für Kisur und seinesgleichen war es ein schicksalhafter Tag. Immer, wenn ein Mensch erwachsen wurde, gab es weniger von ihnen, die die Elfen am Leben erhielten. Sie verloren einfach den Glauben an sie und töteten damit einen nach dem anderen. Es gab ein paar Ausnahmen, aber diese wurden meistens als verrückt beschimpft. Kisur hoffte inständig, das er in Miará eine dieser Ausnahmen gefunden hatte. Er würde sie für immer vor allem Übel bewahren, aber das konnte ihm nur gelingen, wenn sie nicht wirklich erwachsen wurde. Ein Teil von ihr musste seinen Glauben behalten und Kisur nach wie vor akzeptieren. Er hatte fieberhaft das halbe Jahr darauf hin gearbeitet, in dem er ihr jeden Wunsch erfüllte und ihr immer wieder etwas von seinem Lebenshauch schenkte. Durch seinen Blutschwur mit ihr war er an sie gebunden. Sie trug es als nur für ihn und andere Fabelwesen sichtbares Mal auf der Wange. Es hatte die Form eines hübsch geschwungenen K, was auf ihn hinweisen sollte. Kisur betete, dass seine Anstrengungen nicht umsonst waren. Ehrfürchtig schaute Miará auf. Das Internat lag ziemlich weit außerhalb der Stadt und war ein riesiges, altes Gebäude, das mindestens fünfmal so viel Platz wie ihre alte Schule bot. Das war allerdings nicht verwunderlich, denn es befanden sich hier auch eine Menge mehr Schüler und diese mussten alle in Schul- sowie Schlafräumen untergebracht werden. Miará seufzte. Ihre Mutter hatte sie beim Bahnhof abgesetzt und war gegangen, ohne auch nur wirklich Lebewohl zu sagen. Miará war es zunächst egal gewesen. Schließlich hatten sie sich wegen der Sache mit dem Internat gestritten, aber jetzt hätte sie ihr gerne auf wiedersehen gesagt. Kisur stand neben ihr und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. "Es wird schon alles gut werden. Ich bin bei dir und du brauchst keine Angst zu haben", sagte er ihr und strich dabei sanft über ihre Wange. Miará spürte wieder dieses angenehme Kribbeln und lächelte. Kisur hatte Recht. Es würde alle gut ausgehen. Zuversichtlich machte sie einen weiteren Schritt auf das Internat zu. Es schien dabei immer größer zu werden und sich über sie und Kisur zu beugen, doch der Elf nahm ihre Hand und drückte sie sanft. Sofort verschwand die unheimliche Illusion und Miará machte einen großen Schritt über den kleinen Kobold, der kichernd und lachend auf dem Boden lag. Kisur knuffte ihn mit dem Fuß, warf ihm einen bösen Blick zu und sofort rappelte sich der kleine Kerl auf, um zu flüchten. "Die kleinen Biester spielen gerne Streiche. Besonders gern ärgern sie hübsche Mädchen", flüsterte ihr Kisur ins Ohr und Miará musste lächeln. Er sagte immer so liebe Sachen zu ihr. Umständlich griff sie nach seiner Hand unter ihrer Tasche hindurch und zog ihn an sich. Kurz schmiegte sie sich an ihn, dann grinste sie wieder und zeigte auf das alte Gebäude. "Hörst du mich? Du machst mir keine Angst. Geister, Kobolde und was hier alles herumkrabbelt, ich komme!" Ein anderes Mädchen ging an ihr vorbei und schaute sie an, als hätte sie sie nicht mehr alle. Kaum hatte sich das vornehme Mädchen wieder umgedreht, da streckte ihr Miará auch schon die Zunge heraus. Kisur kicherte und hielt sich dann schnell die Hand vor den Mund. Daran würde er sich noch gewöhnen müssen. Viele Menschen, die ihn zwar nicht sehen, aber dafür um so besser hören konnten. Wollte er seine Miará nicht in Bedrängnis bringen, war es wohl für ihn am besten, wenn er lernte still wie eine Fee zu sein. Auch wenn ihm das gar nicht passte. Er war ein Elf und schon allein bei dem Gedanken, er könnte so groß wie eine Hand sein und winzige libellenartige Flügel auf dem Rücken haben, musste er sich mit größter Mühe ein Lachen verkneifen. Kapitel 3: wenn da nicht die lieben Zimmergenossen wären -------------------------------------------------------- Mühsam wuchtete Miará ihren schweren Koffer auf ein freies Bett in dem kleinen Viererzimmer. "Das kann ja was werden", stöhnte sie und ließ sich neben den Koffer fallen. Kisur schaute seine Miará dabei mitleidig an. Das Zimmer wäre schon für zwei Personen zu klein gewesen, doch in ihm sollten nun vier Mädchen wohnen. Bedauernd schüttelte er den Kopf. "Miará?" Fragend hob sie den Kopf und schaute den Elf an, wie er da nervös vor ihr stand und von einem Fuß auf den anderen hüpfte. "Das Klo ist die dritte Tür links. Hast du bei der Führung nicht aufgepasst?" Mitten in der Bewegung hielt Kisur inne. "Nein, das ist es nicht. Es geht mir darum, wo ich schlafen soll. ... Nicht, dass es mir was ausmachen würde, in Bäumen oder ähnlichem zu nächtigen. Aber ich will in deiner Nähe bleiben, damit ich dich beschützen kann, wenn irgendetwas passiert." "Kisur, komm mal her und setz dich", forderte ihn Miará auf, ohne sich zu erheben. Ein klammes Gefühl machte sich in Kisurs Magengegend breit, als er ihrer Aufforderung gehorchte und sich neben sie setzte. Hatte er sie etwa verärgert? Ihre Stimme war so gleichgültig gewesen. "Bitte verzeih, wenn ich..." Weiter kam der Elf nicht, denn Miará hatte sich ihn gepackt und zu sich herab gezogen. Kisur keuchte überrascht, als sich Miará an ihn schmiegte und dabei ein wenig zu fest seinen Arm drückte. "Dankeschön", flüsterte sie ihm ins Ohr und lächelte dabei selig. "Ich möchte, dass du immer bei mir bleibst." Kisur konnte sich kaum halten vor Freude, denn das Mal auf ihrer Wange leuchtete so stark, wie schon seit Tagen nicht mehr. Er war sich nun ziemlich sicher, dass er es geschafft hatte und Miará ihn nun nie verstoßen würde. "Sag, mein Engel, was wünscht du dir gerade in diesem Augenblick?", fragte sie Kisur ganz leise. "Nichts, nur dass es noch eine Weile so schön still bleibt und ich einfach bei dir sein kann", murmelte Miará mit geschlossenen Augen im Halbschlaf. Zu gern hätte er ihr diesen Wunsch erfüllt, doch gerade jetzt mussten mit lautem Geschrei und Getrampel, die anderen Mädchen hereinkommen. Behutsam legte Kisur seine Miará auf das Bett und schlich sich an den Mädchen vorbei auf den Flur. Was sollte das nur für ein Leben für Miará werden? Sie hatte es schon schwer genug, die Vorfälle mit dem Kelpie zu verdauen, warum musste dann auch noch ein Internat dazukommen. "Du bist aber schön." Kisur blieb schnell stehen. Ein hübsches Mädchen stand neben ihm. Ihr Haar war ganz blond gefärbt und zeigte nur einen dunklen Ansatz. Verwirrt betrachtete Kisur sie. Sie war wahrlich eine Schönheit. Groß gewachsen, eine schlanke Figur und ein ebenmäßiges Gesicht. Ihre Augen waren seltsam violett, aber wunderschön. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart so wohl, dass es unheimlich war. "So einen wie dich habe ich noch nie gesehen. Bist du neu hier?" Vorsichtig beugte sich Kisur vor. Das Mädchen schaute ihn dabei die ganze Zeit ins Gesicht und als er seine Hand vor ihren Augen bewegte, ergriff sie sie sogar. Vor Schreck hätte der Elf beinahe das Gleichgewicht verloren. "Du siehst mich?", fragte er völlig perplex. Verwundert legte das Mädchen ihren Kopf schief, wie eine Katze, die nachdachte. "Warum denn nicht? Immerhin stehst du doch direkt vor mir!" Ohne zu wissen warum, musste Kisur grinsen. Er verbeugte sich leicht vor ihr und nahm ihre ausgestreckte Hand, um sie zu küssen. "Es ist mir eine Ehre,..." "Laila." "Es ist mir eine Ehre, Laila. Mein Name ist Kisur, ich gehöre zu -" "Zu dem Volk der schwarzen Elfen. Ich weiss", beendete Laila seinen Satz. "Woher?" "Ist nicht so wichtig", flüsterte sie, als eine Gruppe von Mädchen an ihnen vorbeiging. "Aber wenn du genaueres wissen willst, dann musst du mir schon folgen. Hier kann man nicht frei sprechen. Immerzu wird man belauscht." Laila ging voraus und Kisur warf nur noch einmal einen kurzen Blick in die Richtung von Miarás Zimmer, dann folgte er diesem faszinierenden Wesen. Müde blinzelte Miará. Was war das für ein Lärm? Es dauerte noch eine Weile, bis es ihr wieder einfiel. Missmutig zog sie sich die Decke über den Kopf. Nein, hier wollte sie eigentlich nicht sein. "He! Neue! Steh auf! Du musst dich noch fertig machen und das Frühstück wartet auch nicht!" Immer noch benommen setzte sie sich auf, während die Mädchen lärmend das Zimmer verließen. Mit einer großen Anstrengung schaffte sie es einen ihrer Schuhe aufzuheben und gegen den Stuhl zu werfen, auf dem ihre Sachen lagen. Erschrocken flitzte die kleine Fee von dannen. Das sie es trotzdem geschafft hatte, einen von ihren Ohrringen zu entwenden passte Miará natürlich gar nicht. Die kleinen flatterigen Dinger liebten alles was glänzte und benutzten es um sich darin zu spiegeln, oder ihr Nest damit zu verschönern. Mehr als widerwillig zwängte sich Miará in ihre Sachen, wusch sich das Gesicht und wollte gerade sich zum Frühstück begeben, als ihr etwas Entscheidendes auffiel. Wo war Kisur? Sonst war der Elf immer das erste, was sie wahrnahm. Jetzt jedoch konnte sie ihn gar nicht mehr spüren, was bedeuten musste, dass er sich sehr weit von ihr entfernt hatte. "Kisur?" Kapitel 4: Eifersucht am letzten Tag ------------------------------------ Kisur fühlte sich wie in Watte gepackt. All seine Sinne waren betäubt und er folgte nur noch Laila. Warum faszinierte sie ihn nur so? "Na komm schon. Wir haben nicht ewig Zeit", rief Laila. Kisur nickte langsam und ging ihr nach. Sie setzte sich auf die Wurzel eines alten Baumes, der inmitten jüngerer Bäume stand. "In seiner Gegenwart müsstest du dich doch wohl fühlen, oder? Immerhin ist der Blattträger wesentlich älter, als jedes Gebäude hier." Wieder nickte Kisur. Laila hatte schon ganz Recht. Jeder Elf fühlte sich wohl, wenn er von alten Bäumen umgeben war. "Setz dich", meinte sie und tätschelte mit ihrer Hand die Wurzel. Ohne ein Wort zu sagen, setzte sich Kisur zu ihren Füßen. Lächelnd strich sie ihm durchs Haar. Er schloss seine Augen und genoss die Berührung. "Schön, nicht wahr?", fragte Laila direkt neben seinem Ohr. "Hmh!" Mehr brachte Kisur nicht hervor. Und wie es ihm gefiel. Es war angenehm, sich wieder fallen zu lassen. Doch dann merkte er etwas. Warum kam ihm dieses warme Gefühl, ausgelöst durch ihre Hände, nur so bekannt vor? Ruckartig drehte er sich um. "Du bist eine Elfe?" Laila lachte. "Nein, du Dummerchen. Ich bin eine, die das Glück hatte, von einem eures Volkes anerkannt zu werden!" Lächelnd hob sie ihr Shirt ein wenig an und Kisur konnte ein stark verschnörkeltes R neben ihrem Bauchnabel sehen. "Du...?" Kisur fehlten die Worte. Er hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht mit so etwas! "Ruku! Du kannst herauskommen!", rief Laila nach oben. Kisur folgte ihrem Blick und begann über das ganze Gesicht zu strahlen. Miará zitterte vor Angst, als sie nach Kisur suchte. Zu genau wusste sie noch, was beim letzten Verschwinden des Elfs passiert war. Unwillkürlich schüttelte sich Miará, da ihr die grässliche Fratze des Kelpie wieder in Erinnerung gerufen worden war. "Kisur!", rief Miará erneut. Fast das gesamte Schulgebäude hatte sie nun nach dem Elfen abgesucht. Hatte sie ihn vielleicht verärgert oder beleidigt? Sie schüttelte langsam mit dem Kopf. So weit sie es noch wusste, nein. "Komm raus! Ich mach mir Sorgen." Noch immer erhielt sie keine Antwort. Eine leise Stimme ließ Miará aufhorchen. Warum genau sie es tat, wusste sie nicht, aber sie folgte dem Klang. Erst als sie schon ziemlich nahe war, erkannte sie, dass es die Stimme eines Mädchens war. Wahrscheinlich nicht viel älter, als sie. "So ist es gut, nicht war? Einfach an nichts denken müssen. Um nichts und niemanden bangen. Einfach vergessen und den Geist auf Reisen schicken. Schlummern in den alten Wurzeln eines Baumes, die so viele Geschichten zu flüstern wissen." Miará zitterte, als sie die Stimme wieder hörte. Sie war schön und schien mit jedem Wort zu bezaubern und doch machte sie ihr Angst. Dann kam sie bei einem alten Baum an. Er war riesig und stand allein auf einer kleinen Lichtung, umgeben von lauter jungen Bäumen. Er stand schon ganz schief, so dass die Wurzeln sich auf einer Seite aus dem Boden erhoben hatten. Auf diesem wirren Geflecht saß ein blondes Mädchen. Sie war es auch, die erzählte, aber Miará wusste nicht, wem sie da erzählte. Sie war noch nicht nah genug, um den jungen Mann zu erkennen, der seinen Kopf auf ihrem Schoß liegen hatten. "Vertrau mir, Kisur. Bei diesem Baum wirst du dein Leben lang Trost finden. Er nimmt alles Leid der auf ihm schlafenden Person in sich auf. Ich kann das gleiche auch für dich tun. Ich nehme mich deines Kummers an. Erzähle mir alles und vergiss es danach." Miará stockte der Atem. Sie hatte Recht. Es war Kisur, der da auf ihrem Schoß mit geschlossen Augen lag und ihren Worten lauschte. Seine rabenschwarzen Haare hingen ihm in Strähnen ins Gesicht. Ansonsten hatte der Elf sich völlig in seinen Mantel gehüllt. Aber warum lächelte er so zufrieden? Ein Stich traf Miará in ihr Herz. Wieso war er so glücklich, wenn sie nicht bei ihm war? Kisur hob seinen Arm und strich dem Mädchen über die Wange, so wie er es bislang immer bei ihr getan hatte. "Blöder Elf!", rief sie unvermittelt. Kisur blinzelte, als würde er aus einem Traum erwachen und beugte sich vor, um besser sehen zu können. Als er sie erkannte, hellte sich sein Gesicht auf. "Mein Engel, was kann ich für dich tun?" Miarás Mund öffnete sich- ohne das sie etwas dagegen tun konnte- und sagte mit ihrer Stimme: "Ich hasse dich! Verschwinde!" Erschrocken schlug sie ihre Hand vor den Mund und Kisur zuckte zusammen. Was hatte sie da gesagt? Warum war sie denn so schrecklich? Kisurs Gesicht nahm einen unendlich traurigen und verletzten Zug an. Langsam erhob sich der Elf und sprang zu ihr herab. "Habe ich dich verärgert?", fragte er vorsichtig und wollte Miará über die Wange streichen, doch sie zuckte zurück. "Das fragst du noch?" Er wollte einen neuen Versuch starten, doch Miará hob schnell ihre Hand und schlug seine bei Seite. "Fass mich nicht an! Ich... ich -" Miará schluckte den Rest des Satzes herunter und starrte ihren Elfen böse an. Es machte sie glücklich, wenn er sie berührte und doch wusste sie, dass sie ihn im selben Moment hassen würde, indem seine Finger ihre Haut berührten. Enttäuscht ließ der Elf seine Hand sinken. "Ich werde nichts tun, was dir Unbehagen bereitet." Unvermittelt ließ er sich auf ein Knie fallen und ergriff doch ihre Hand. Miará konnte gar nicht so schnell reagieren, wie der Elf handelte. Kaum hatte er sie ergriffen, als er ihr auch schon einen Kuss auf die Handinnenfläche drückte. Zu erst ging nur ein leichtes Kribbeln von der Stelle aus, doch dann raste mit einem Mal ein kurzer Schmerz durch ihren Arm. Als er ihre Brust erreichte, knickten Miarás Beine einfach weg. Doch das bekam sie schon gar nicht mehr mit. Schnell streckte Kisur seine Arme aus und fing Miará auf, als sie zusammenbrach. War es jetzt doch wieder zu dem gekommen, das nicht passieren durfte? Hatte auch sie sich von ihm abgewendet? Vorsichtig griff er ihr unter die Knie und um die Schultern, dann nahm er sie wieder auf den Arm, wie ein kleines Kind. Noch immer war sie leicht, hatte seit ihrem ersten treffen nicht zugenommen, schien vielmehr seit diesem Zeitpunkt nicht zu altern und doch war es passiert. Seine kleine Miará war schleichend erwachsen geworden. Doch diesmal würde er sich nicht wieder verjagen lassen. Entweder er würde bleiben oder Miará mit sich nehmen. Er konnte niemanden mehr verlieren. Er konnte sie nicht verlieren. "Und was hast du jetzt vor? Hat dir dein Traum einen Weg für dein Morgen gezeigt?", fragte Laila und legte ihm die Hand auf die Schulter. Kisur seufzte schwer. "Ich werde es probieren! Euch ist es ja ebenfalls gelungen." Lailas Blick wurde traurig. "Ja, das ist es, aber wir mussten beide sehr viel dafür aufgeben. Und du darfst nicht vergessen, dass du deine Miará zu nichts zwingen darfst. Sie wird dich sonst auf ewig hassen. Glaub es mir. Sie muss sich selbst dazu entscheiden." Mürrisch schüttelte Kisur ihre Hand ab. "Ich werde es versuchen und dabei bleibt es!" Ohne ein weiteres Wort zu verlieren wandte er sich von Laila ab, die ihm mit Trauer im Blick nachsah, aber auch nicht mehr die Stimme erhob. Kapitel 5: auf ewig dein! ------------------------- Sorgsam hatte Kisur alles vorbereitet. Einen solch starken Bann auszusprechen, wie er es vorhatte, erforderte viel Übung und musste mit äußerster Vorsicht ausgeführt werden. Sollte etwas schief gehen, dann war nicht nur er in Gefahr, sondern auch Miará. Mit sorgenvollem Gesicht wischte sich Kisur das lange schwarze Haar aus dem Gesicht. Mit diesem Bannspruch würde er Miará für immer an sich binden und ihr die Hälfte seiner noch verbliebenen Lebenszeit schenken. Das würde sie immerhin noch gut und gerne zweihundert Jahre alt werden lassen. Glückte ihm dies, dann hätte er für immer jemanden gefunden. Nie wieder würde er losziehen müssen. Nie wieder vertrieben werden, oder gar den Schmerz über den Tod seines Weggefährten empfinden müssen. Miará war genau die Richtige dafür. Mit ihr wollte er alt werden und sein Leben beenden. "Was...?" Erschrocken fuhr Kisur hoch. Miará hatte sich benommen aufgesetzt und schaute ihn verschlafen an. Schließlich bemerkte sie den mit weißem Staub gezogenen Kreis und seine Verschnörkelungen. "Übst du dich in zeichnen?", fragte sie langsam und wollte aufstehen. "Nicht, Miará! ..." Nervös drückte er sie wieder herunter. "BLEIB SITZEN! ... Ich bitte dich!" Kisur biss die Zähne zusammen. Anschreien hatte er sie nicht wollen. Miará saß vor Schreck ganz still. "Was hast du vor?" Ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern. "Ich..." Kisur straffte sich. "Ich will dir nichts verheimlichen. Der Kreis dient dafür einen Bann zu beschwören, der uns für immer an einander binden wird. Du wirst genauso alt wie ich werden. Und ich brauche nie wieder den Tod einer mir so wertvollen Person ertragen. Miará, mein Engel, ich will dich nicht verlieren." Voller Wehmut sah Kisur, wie sie sich trotzdem erhob. Vorsichtig trat sie über die Linien hinweg und ging auf ihn zu. Lächelnd umfasste sie den Kragen seines Mantels und zog ihn herab. "Und was ist, wenn ich jemanden finde, der mir etwas bedeutet? Was, wenn ich mich verliebe und mit diesem Mann leben will? Hast du daran auch gedacht? Vielleicht möchte ich Kinder kriegen. Würden sie auch so lange leben wie ich? Oder müsste ich nur noch Menschen zu grabe tragen, die mir etwas bedeuten? HAST DU ÜBERHAUPT MAL DABEI AN MEINE GEFÜHLE GEDACHT?" Kisur schaffte es nicht mehr, ihr ins Gesicht zu blicken. Natürlich hatte er daran gedacht. "Ich weiss... Aber du hättest mich und ich würde dir darüber hinweg helfen. Miará, ich -" Weiter kam Kisur nicht. Miará hatte ausgeholt und ihm mit der freien Hand ins Gesicht geschlagen. Sie sagte nichts mehr. Kein einziges Wort, aber durch ihre Tränen verstand er es auch so. Sie würde niemals zustimmen. Ergeben sank er vor ihr auf die Knie und senkte seinen Kopf. "Ich bin mit jeder deiner Entscheidungen glücklich", flüsterte er leise. Miará indessen drehte sich um und lief vor ihm davon. Völlig erschöpft und außer Atem hielt Miará schließlich an. Sie war so weit gelaufen, bis sie Kisurs Gegenwart nicht mehr spürte. Was hatte sich der Elf dabei nur gedacht? Miará war fassungslos. Er hatte so etwas noch nie getan, ja sie war sich sogar ziemlich sicher, dass er noch nicht einmal daran gedacht hatte. "Wie konntest du nur?", flüsterte Miará leise und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "So etwas Dummes wolltest du noch nie tun." "Es war nicht dumm von ihm! Er war nur so töricht, anzunehmen, du würdest einwilligen." Erschrocken fuhr Miará herum. Sie hatte gar nicht gehört, wie sich ihr jemand genähert hatte. Doch als sie hinter sich blickte, war dort niemand. Hektisch schaute sie sich um, doch noch immer sah sie niemanden. "Suchst du etwas? Könnte ich es eventuell sein? ... Ja? Na dann. Schau nach oben!" Miará legte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben. In den Zweigen des Baumes saß tatsächlich jemand. Allerdings kein Mensch, wie sie sofort erkannte. Ihr Gegenüber war ein Elf, genauso wie Kisur und doch ganz anders. Sein Haar war schulterlang und glänzte eigenartig im Licht, bis Miará auffiel, das es wie Silber aussah. Seine Ohren waren spitzer und länger als Kisurs, aber am meisten unterschieden sie sich in Gesicht und Augen voneinander. Kisurs Gesicht war zwar blass, aber trotzdem warm. Das gleiche galt für seine Augen, doch bei diesem Elfen war es anders. Er war dunkelhäutig und seine Augen tief violett, trotzdem wirkte er kalt wie Eis. Er war ganz in die Farben des Waldes gekleidet, warum Miará ihn erst bemerkt hatte, als er auf sich aufmerksam gemacht hatte. "Ich heiße, Ruku!", rief er zu ihr herab. "Mir doch egal!", entgegnete Miará. "Sollte es aber nicht!", meinte er, als er herabgesprungen war und leicht wie eine Feder vor ihren Füßen landete. "Jeder Name ist wichtig! Das solltest du Naseweiß dir merken!" Belehrend tippte er ihr auf die Nase. Ohne sie weiter zu Wort kommen zu lassen erzählte er weiter. "Du hast dich deinem Elfen gegenüber sehr unschön verhalten. Ich habe ihm nur von dem Bann erzählt und er wollte es tun. Verstehst du seine Angst nicht? Er kann und will dich nicht verlieren." "Doch... Ich verstehe es schon, aber... Moment! Du hast ihm davon erzählt?" Ruku lächelte. "Natürlich! Immerhin habe ich ihn selber auch schon durchgeführt. Das Mädchen, dass Kisur vorhin zu seinem Traum und einem klaren Kopf verholfen hat, war Laila, meine Partnerin! Ich bin sehr stolz auf sie musst du wissen." Er beugte sich leicht vor und tippte ihr auf die Stirn. Als sie ärgerlich seine Hand wegwischte, hielt er sie ab und legte die ganze Hand auf ihr Gesicht. "Hab keine Furcht und schau einmal in dein Herz hinein. Du wirst die richtige Antwort schon noch finden. Glaub mir." Mit diesen Worten ließ er sie einfach stehen und ging seines Weges. Verwirrt schaute Miará ihm nach. Sie wischte sich die Haare aus dem Gesicht und merkte plötzlich, wie ähnlich sie Kisur schon geworden war. Seufzend hob sie die Hand, die der Elf geküsst hatte. Nichts war auf ihr zu sehen, aber es war schön, sich einfach seine Wärme in Erinnerung zu rufen. Nun stutzte Miará wirklich. Waren ihre Gefühle wirklich die, für die sie sie immer gehalten hatte? Haßte sie ihren Elfen jetzt wirklich? Langsam schüttelte Miará ihren Kopf. Nein. Das tat sie nicht. Und mit einem Mal wurde es ihr klar. Hastig drehte sie sich um und eilte so schnell zurück, wie sie es konnte. "Kisur! Kisur!" Müde hob der Elf den Kopf. Wer rief ihn denn da? Seine Kraft war schon fast verbraucht. Wenn Miará ihm zu lange fernblieb, konnte er nicht weiter existieren. So waren nun einmal die Regeln für einen Elfen, der den Blutschwur mit einem Menschen einging. Wieder rief ihn die dünne Stimme. Ehe er reagieren konnte, wurde er auch schon umgerissen. Halb betäubt lag er auf dem Rücken. "Hey! Ich gebe mir solch eine Mühe so schnell es geht zurück zu kommen und du schläfst!" Jetzt erkannte er sie. Es war Miará. Sie druckste ein wenig herum. "Kisur... Ich habe mich entschieden. Ich werde es tun. Ich hab mich nämlich..." Sie lebte eine kleine Pause ein. "Ich habe mich in dich verliebt", flüsterte sie ihm ins Ohr. Langsam hob er seine Arme und zog Miará eng an sich. Tränen waren in seinen Augen, aber für sie schämte er sich nicht. Wenn Miará nur bei ihm war, dann war alles gut. Dann konnte er sogar weinen. Sanft nahm er ihr Gesicht in die Hände und küßte sie sacht auf die Lippen. Miará wurde rot, doch sie blieb. "Ich habe dich erwählt, du dummer Elf. Nur dich." Kisur fühlte sich glücklich, wie noch nie zuvor. Auch vor dem Bann hatte er jetzt keine Angst. Wenn Miará es erlaubte, würde alles gut werden. Glücklich sah er seinem Engel ins Gesicht. "Du weißt, dass es nicht immer leicht sein wird?" Miará nickte. "Und ob ich das weiss, aber es ist mir egal! Solange ich mit dir zusammen bin, wird alles gut werden!" ENDE Danke für's lesen, eure Eelea Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)