Rikus Tagebuch von Nanjo_Koji (RikuxSora) ================================================================================ Kapitel 33: Tag 33 ------------------ Das Schiff schaukelt weiter vor sich ihn. Und es ist dunkel. Es ist mir zuerst nicht aufgefallen, aber irgendwann hat die Nacht doch ziemlich lange gedauert. Nachdem die Piraten allesamt nicht hell genug waren, mir zu antworten, hab ich mal Hook gefragt, und der meinte, das wär hier immer so. Ich hab keine Ahnung, was heute eigentlich für ein Tag ist, das lässt sich ohne Uhr und Sonnenaufgang ein bisschen schlecht sagen, aber eigentlich ist es auch ganz egal. Was für eine nacht das auch ist, es ist eine schöne. Ganz anders als auf der Insel. Der Himmel ist unruhig und aufgewühlt, und irgendwie viel tiefer als ich es je gesehen habe. Die Wolken enden in violetten und orangenen Fetzen und der Mond ist so groß, wie ich das noch nie irgendwo gesehen habe. Manchmal habe ich den Eindruck, er grinst mich an. Ich kann gar nicht mehr wegsehen. Die meiste Zeit liege ich auf Deck und starre nach oben. Etwas seltsames geschieht hier, aber ich kann nicht sagen was. Irgendwann hat das Schaukeln aufgehört und ich habe über die Rehling gesehen um rauszufinden, was hier eigentlich los ist. Das war doch ein seltsamer Anblick: das Meer war weg. Das Schiff flog einfach über einen Wald. Einen ganz seltsamen krummen und schiefen schwarzen Wald. Da bin ich gesprungen. Keine Ahnung warum, und keine Ahnung warum ich's überlebt habe, aber ich lag plötzlich unten auf dem Waldboden wie ich noch nie einen Waldboden gesehen habe, in einem Wald wie ich noch nie einen Wald gesehen habe, und hatte ganz merkwürdige Sachen an. Als ich aufgestanden bin, lag ich in einem Kreis aus Bäumen, und auf jedem Baum war eine seltsame Tür, und eine davon sah aus wie der grinsende Mond. Ich bin durch gegangen, ganz einfach weil es so sein sollte, in solchen Momenten sollte man nicht allzu sehr nachdenken. Dann stand ich in einer Stadt. Ich weiß nicht, warum in dem Baum eine Stadt ist, aber langsam bin ich ja an gestörte dinge gewöhnt. Und gestört trifft es wirklich...so was hab ich noch nie gesehen. Der Mond hing groß und grinsend am Himmel wie ein Kürbis....und das verrückte war, es war wirklich ein Kürbis. Über einer Stadt voller Monster. Ziemlich lächerlicher Monster übrigens. Eins von denen hat mich mit seinem Rollstuhl angefahren, da hab ich ihm geschubst, und dann ist sein Kopf aufgegangen. Das war wirklich grotesk. Eigentlich war alles da grotesk. Aber als ich in den Brunnen mit dem grünen wasser gesehen hab, ist mir aufgefallen, dass ich mindestens genauso grotesk aussah. Wenigstens war ich kein Hummer auf Pferdebeinen oder so was. Aber ganz schön bleich. Könnte am grünen Wasser liegen, frag mich ob die das hier trinken. Könnte ihre Mutationen erklären. Aber die spitzen Zähne konnten nicht an dem grünen Zeug liegen, und die zerfetzen Klamotten kamen auch nicht vom Sturz vom Schiff. Irgendwie sah ich aus, als wollte ich zu `nem Kostümfest oder so was. Aber irgendwie war das Zeug auch ziemlich geil. Dann bin ich durch die Stadt gegangen, einfach mal drauf los, was hätt' ich auch machen sollen. Es war so still da, ganz seltsam. Als würden alle auf etwas warten. Als ich aus der Stadt raus kam (sehr groß ist die ja nicht gewesen...), stand ich vor einem Eisentor, und dahinter lag...was auch sonst...ein Friedhof. In der Mitte war ein Hügel, der auf einer Seite kein Hügel war, sondern eine Schnecke...Geisteskrank würde ich sagen, aber alles war schwarz und grau und weiß, und der riesige Mond stand direkt dahinter, als wäre das hier ein ganz besonderer Ort. Auf der Kuppe des Hügels stand ein Dämon und grinste mich an. Sora. Ich glaube, ich weiß jetzt warum ich an diesen Ort gekommen bin. Er war so blass wie der Nebel, Fetzen hingen von seinen Schultern, er sah mich an mit den Augen eines gierigen Tiers. Grinsend. Spritze Zähne. Nicht Sora. Seine Flügel zitterten obwohl kein Wind über den Friedhof zog. Augen, so strahlend wie ein weit entferntes Meer. Sora. Wie einer dieser Träume, nach denen ich mich erschöpft und rastlos fühle. Ich weiß nicht, wie ich zu ihm gekommen bin, hinauf auf den Hügel, aber der Mond war plötzlich so kalt und weiterhin war alles still. Sora grinste mich an als wäre er das Bild einen Alptraums. Seine Hände waren Klauen. Dann grub er sie in meinen Rücken. Mein Blut war warm als es meinen Rücken hinunter sickerte, aber sein Körper war noch viel wärmer. Für einen Moment sah ich nur seinen braunen Haarschopf an meiner Brust, und ich zog ihn so fest an mich, dass ich glaubte ihn zu erdrücken. Sora. Dann war da wieder sein Gesicht, verhüllt von einer Maske wie der große grinsende Mond, als er den Kopf in den Nacken legte und ich meine Zähne in seinen bleichen Hals bohrte als wäre es das Richtigste, was es auf dieser Welt gab. Seiner Kehle entfloh ein Geräusch, halb ein Knurren, halb ein Seufzen, und mit diesem Lied begann die Nacht. Sein Körper war, wie ich ihn in Erinnerung hatte, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, schmal und warm und unberührt, die Flügel auf seinem Rücken fast unpassend, bebend als ich mein Gesicht in seinem Nacken vergrub, sein Haar wie eine Wolke, unter der sein Gesicht wie eine Lichtung lag, den Mund leicht geöffnet als wäre er versunken, ein sanftes Zucken als Schmerz über ihn hinweg glitt, wie ein Schatten, ein lautlosen Ächzen, ebenmäßige Züge, in Poesie und Lust verzückt, das schönste, was ich je gesehen habe. Er sprach kein Wort, die ganze Zeit als ich seinen Körper hielt als die Erfüllung aller Wünsche, die ich jemals gehabt habe. Er wand sich wie ein Tier, doch mir entgegen, ich weiß nicht warum, in einer Art, die ich nie an ihm gesehen habe. Es war, als wäre er die Personifizierung meiner dunkelsten Träume, alles was er tat, ließ mich tiefer fallen in einen Abgrund aus Gier. Eine unaussprechliche Verderbtheit, in der Blut über seine Brust sickerte, ein Wahn jenseits aller Worte als er sich mir entgegen streckte, gierig nach mehr, gierig zu fallen so wie ich es tat, in einer Umarmung ohne Morgen. Seine Klauen in meinem Rücken, an mich gepresst als müsste er ertrinken, schrie er, schrie ein einziges Mal meinen Namen, und er war Sora, wirklich Sora, der Junge aus meinen Träumen, und als er in Ekstase verfiel, floss das Licht aus seinen Augen geradewegs in den Himmel, als wäre er der Mond, als wäre er der Himmel. Als wäre er die Nacht. Sein Atem holte mich zurück in die Welt. Er war warm in meinen Armen, ganz ruhig und übergossen in schwarzem Blut, das von meinen Schultern tropfte. Der Mond war noch immer da, aber er bekümmerte mich wenig. Ich presste Sora an mich für die Zeit, die uns noch blieb. Irgendwo wusste ich, dass das der Abschied war. Er schlief, zumindest glaube ich das, er lag in meinen Armen wie ein Engel unter dem Mond, und atmete ganz leise. Ich wischte das Blut von seinem Hals. Die Bissspuren waren nur klein und würden bald verschwinden. Seine Lippen, immer noch leicht geöffnet, so wie ich sie immer in Erinnerung hatte. Da beugte ich mich vor und legte meine Lippen auf seine, als wäre es das allererste Mal, und vielleicht war es das auch. Er schmeckte warm wie die Sonne zuhause, süß und ein wenig bitter. Erst später bemerkte ich, dass es meine Tränen waren, die mir über das Gesicht rannen. Die Zeit ertrank darin. Für mich war es, als wäre es der allerletzte Kuss. Ich stand auf und lief so schnell ich konnte, einfach immer weiter, irgendwo hin durch die Nacht, fort vor mir selbst. Als ich zu mir kam, lag ich auf Deck, und über mir der Mond, riesig und bleich. Das Schiff schaukelte leise durch den Nebel. Ich weinte, bis die Sonne aufging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)