Kopfüber von abgemeldet (Das 10. ist daaa bitte lesen ^^) ================================================================================ Kapitel 1: Schuld ----------------- So, hier sind das erste Kapitel mit einem kleinen Prolog ^^ Wäre um Kommies froh ^^ Wenn ich ein Bild zu diesem Kapi malen müsste, wäre es düster und bedrückend... Eure Dragon Disclaimer Diese Geschichte ist eine Fiktion, es besteht keinerlei Zusammenhang mit real existierenden Personen, Orten oder Ereignissen. Gewisse Methoden bei Gericht und im Krankenhaus sowie die Gesetze zur Toterklärung einer Person sind ebenfalls frei erfunden. Kopfüber Prolog Manchmal sitze ich auf dem Boden, vor dem Telefon. Ich hebe den Hörer ab und wähle deine Nummer, bete, dass du zu Hause bist. Denn ich kann alleine nicht funktionieren. Heb ab! Geh ran, na los...! Und dann rinnen Tränen über meine Wangen, kullern auf den Teppich. Der Hörer fällt klackernd aus meiner Hand, das Freizeichen brennt in meinen Ohren. "Ja?! Hallo?! ... Hallo?!" Ein leiser Schluchzer dringt aus meiner Kehle. Deine gutmütige Stimme, deine Worte flattern aus der Muschel wie Federn. Sie sind weiss... Ich spreche deinen Namen. Meine Stimme klingt nun wieder fest. Ich höre dein Schmunzeln. "Hast du mich vermisst...?" 1. Kapitel Schuld Diese Geschichte nimmt ihren Anfang da, wo sie auch hätte zu Ende sein können, hätte sie ein anderer erzählt. Doch nun bin ich die Erzählerin und ich stelle das Ganze auf meine eigene Weise dar. Vielleicht wäre die Geschichte heller, freundlicher, hätte ein anderer sie erzählt. Doch nicht immer ist hell und freundlich das, was der düsteren, grausamen Wahrheit entspricht und all die Gefühle, der Schmerz, die Eifersucht und die tiefe Liebe und Verehrung würden im hellen Schein der Freundlichkeit untergehen... Im flackernden Licht der hin und her schwingenden Kerzen nur schwer zu erkennen, strahlend schwarz die Gewänder und im Kontrast dazu bleich wie der volle Mond die Gesichter aller Anwesenden. Dieser düstere Abend war etwas Besonderes. Nebelschwaden umgriffen die Knöchel wie kalte Hände aus den Gräbern, welche den Kiesweg säumten. So manchen der schwarz gewandeten Teilnehmer an diesem unheimlichen Zug suchte beim Anblick der mit Efeu überwucherten Grabsteine eine unangenehme Gänsehaut heim. Der sechzehnjährigen Maja Graf erging es nicht anders. Nur zu heftig pochte ihr Herz in diesem Moment, sie fühlte sich allein. Sie fror an den Händen, in denen sie ehrfürchtig eine dicke weisse Kerze trug. Immer wieder biss sie sich auf die schwarz geschminkte Unterlippe, welche mit den ebenfalls schwarz umrandeten grünen Augen deutlich aus dem schneeweissen Gesicht hervorstach. Ein paar Schritte noch, dann würden wir unser Ziel erreicht haben; die lebensgrosse Skulptur eines gehörnten Engels, weit versteckt und vergessen in den alten Gefilden des städtischen Friedhofes. Vor der Statue: ein weisser Sockel, auf dem sich nun, als sich die vielen schwarzen Kerzenträger langsam sammelten, eine grosse schlanke Gestalt einfand. Maja stand weit vorne und blickte voller Erwartung auf zu der Gestalt, welche nun ihre Kapuze vom Kopf zog und ihre schwarze Lockenpracht in den lauen Abendwind schüttelte. Unruhiges Geflüster ging durch die Menge, unter welcher auch ich mich befand an jenem schwarzen Abend, dem ein ebenso schwarzer Tag vorausgegangen war. Ich schaute vor mir auf Majas rote Haare und bemühte mich, an ihr vorbeizuschauen, da sie um einen guten Kopf grösser war als ich und hinter mir drückte jemand meine Hand. Die junge Schwarzhaarige auf dem Sockel hob feierlich die Hände, die zahlreichen Silberringe blitzten im Kerzenlicht an ihren langen, schmalen Fingern. "Kinder der Nacht!", sprach sie und die Menge hielt den Atem an. Ihre Stimme war schallend und doch sanft und vertrauenerweckend, die traurigen Töne die sie sprach legten sich nieder auf den finsteren Friedhof. "Dies ist ein trauriger Moment... trauriger als alles, als alles was wir bisher durchgemacht haben, Kinder!" Irgendwo aus den vorderen Reihen war ein leises Schluchzen zu vernehmen. "Wir tragen zu Grabe, den von uns allen verehrten Micha. Es steht geschrieben: ,Der Wille zu leben unterwirft sich die Krankheit. Doch wie willst du mit einem zerbrochenen Willen leben?'... Michas Wille war gebrochen." Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, während vier stattliche Figuren in langen Kapuzenmänteln einen schwarzen Sarg herbeitrugen und das Schluchzen hörbar lauter wurde. Die Luft war erfüllt vom Vollmondschein und von Tränen, und der Stimme der jungen Frau auf dem kleinen Podest. Sie sprach uns allen aus der Seele mit eindringlichen Worten voll Trauer und Mitgefühl. "Stets bestrebt, ein guter Mensch zu sein hielt unser teurer Freund seine Worte der Weisheit hinter Verschluss, um nicht zu prahlen. Doch liess er sie einmal frei, so waren sie leuchtend und überstrahlten die Dunkelheit... Die Dunkelheit, in welcher Micha schon längst gefangen war, ein Sklave seiner selbst. Kinder, wir konnten ihm nicht helfen!" Ihr ausgestreckter Arm schwenkte über unsere Köpfe hinweg und Maja duckte sich vor mir. Schuldbewusst und voller Ehrfurcht. Meine Hand erfuhr einen etwas stärkeren Druck und so wusste ich, dass auch Justine hinter mir sich angesprochen fühlte. Weiter hinten wurde das Gemurmel plötzlich lauter, bis ein verzweifelter Aufschrei erschallte und die Menge leicht auseinander stob. "Maggie hat recht! Wir sind Schuld, wir sind alle Schuld!!" Die schrille Frauenstimme jagte mir einen gehörigen Schauer über den Rücken. Margaret, genannt Maggie, verengte die tiefen braunen Augen zu kleinen Schlitzen und schnaubte. "Ruhe!", rief sie laut und vernehmlich, ohne dabei ihr gelassenes Gemüt zu verlieren. Die verzweifelte Stimme verstummte und Maggie winkte, die völlig in Tränen aufgelöste Frau solle einige Schritte weiter weg geleitet werden. Dann fuhr sie fort: "Wenn wir uns nun selber verbannen in Selbstmitleid, werden wir Micha auf direktem Wege folgen! In den Tod, den grausamsten. Er hat ihn gewählt, durch seine eigne Hand verendet ist er und wird nun sühnen bei Gericht für diese seine einzige und schlimmste Sünde! Mord an einem redlichen Mann, Mord an jenem, welcher einst ein Engel war, ein König! Lasset uns trauern, Kinder... Wir betrauern, dass Micha so früh von uns gehen wollte. Doch vergesst niemals: Unser aller Leben geht weiter, und das soll es auch. Blicket bei all eurer Trauer auch in die Zukunft, verliert euren Willen nicht. Auch wenn es ab nun schwerer sein wird als je zuvor... " Ich fand niemals heraus, ob sie sich im Klaren darüber war, wie recht sie hatte. Der Sarg wurde in der dafür ausgehobenen Grube versenkt und diese dann schliesslich zugeschüttet. Tränen vermischten sich mit der weichen Erde auf dem Grab. Wir würden Micha nie wieder sehen. Schliesslich verstreute sich der Trauerzug in alle Windrichtungen. Einige unter ihnen fanden sich nur wenig später in einer wohlig warm-düsteren Kellerwohnung im Stadtzentrum ein. Kapitel 1: Schuld; Ende Kapitel 2: Rausch ----------------- Sooah, dies ist nun das zweite Kapitel, es ist etwas länger als das erste. Wenn ich davon ein Bild malen müsste, wäre es matt, dunkel, mit blutroten Zeichen... Hoffe, es gefällt euch. Eure DragonLarme 2. Kapitel Rausch "Wirklich eine schöne Rede, Maggie." Jemand klopfte der Schwarzhaarigen auf die Schulter. Angesprochene nickte knapp mit gesenktem Blick. "Mhm...", raunte sie und gesellte sich zu einer Gesprächsgruppe in der Mitte des quadratischen Wohnzimmers. Die ganze Wohnung war mit grünlichem Licht geflutet, vor jedem Fenster waren schwarze Vorhänge zugezogen und von den Wänden hingen schaurig anmutende Bilder. Ich schauderte, als ich auf ein mal einen warmen Hauch an meinem Nacken spürte. Schnell fuhr ich herum und erblickte Maggie so dicht bei mir, dass ich mich selber klar und deutlich in ihren braunen Augen sehen konnte. Voller Respekt senkte ich den Kopf und trat zurück, Justine und Maja, mit welchen ich mich eben noch unterhalten hatte, taten es mir gleich. Schliesslich bot uns Maggie mit ruhiger Stimme an, uns zu setzen und deutete auf das schwarze Sofa an der Südwand. Wir drei nickten stumm und ebenso wortlos setzen wir uns hin, jede für sich darauf bedacht, der jungen Rednerin nicht zu aufdringlich in die Augen zu schauen. Niemand traute sich zu sprechen. Worüber auch? Ich war mir sicher, dass Maggie jeden, der ihr nun noch einmal zu ihrer Rede gratulierte, ohne mit der Wimper zu zucken umhauen würde. Maja räusperte sich und unsere Blicke schwenkten auf der Stelle zu der Rothaarigen. "Ehm... was plant ihr so in den nächsten Tagen?" Ein zögerlicher Versuch, das Ganze auf ein etwas lockereres Thema zu bringen. Und es klappte sogar. Margaret seufzte kurz und meinte dann: "Das grosse Treffen am Ende der Woche... Es findet hier wie geplant statt." Ich starrte sie ungläubig an. Wie wollte sie das nun noch schaffen, Micha war tot und er war einer der wichtigsten Leute für das Fest gewesen. Maggie und er hatten bis anhin jedes Treffen alleine organisiert, doch nun konnte er ihr nicht mehr helfen. Und selbst wenn er wollte, aus dem vergrabenen Sarg käme er so schnell nicht raus. Maggie schien meine Gedanken zu lesen. Sie wandte sich an mich und legte mir die Hand auf die Schulter. Sie würde das schon schaffen. Ein heisser Schauer überflutete mich und ich bekam eine Gänsehaut. Justines Blick durchschnitt die Luft, ich spürte ihre Fingernägel in meinem Unterarm verschwinden. Ich schrie auf und erhob mich blitzschnell. Maggies schokoladenfarbene Augen folgten meiner Bewegung mit einer gewissen Neugierde, welche ich in diesem Moment unheimlich niedlich fand. Dank meinem Schrei waren nun alle Blicke auf mich gerichtet. Ich seufzte und winkte ab. Nach einer leichten Verbeugung gegen die Menge wandte ich mich an Justine, welche mich treuherzig von unten her anschaute mit ihren Augen, die wie der Ozean waren: Tief, blau-grün und voller Geheimnisse. Schnell krempelte ich den Ärmel meiner schwarzen Rüschenbluse hoch und begutachtete die roten Abdrücke vierer Fingernägel, ehe ich der Täterin den Arm unter die Nase hielt. "Was sollte das denn jetzt?! Bist du nicht ganz bei Trost?!", fauchte ich, unter dem ständigen Gefühl, beobachtet zu werden. Allen voran von Margaret. Währenddessen rang Justine scheinbar mit sich selbst und ihren Worten. "I... ich aber... tu... tut mir leid." Sie liess den Kopf hängen und die geraden, schwarzen Haare verdeckten ihr weiss geschminktes Gesicht mit den dunkelblauen Lippen und der aufgemalten, schwarzen Träne unter dem rechten Auge. In diesem Moment traf mein Blick auf den von Maggie. Sie nickte mir kurz zu und ich legte leicht geistesabwesend meine Hand an Justines Kinn, um dieses vorsichtig zu heben. Meine leisen Worte, es sei schon gut, zauberten ein glückseliges Lächeln auf das zarte Gesicht meines Gegenübers und es schien, als würde sie mich gleich anspringen und umarmen. Doch nichts dergleichen geschah. Seufzend setzte ich mich wieder zwischen die beiden Schwarzhaarigen, als sich schon das nächste Ereignis anbahnte. Einige Leute waren schon gegangen, ausser uns vieren auf dem Sofa waren nun noch etwa sechs oder sieben schwarz gekleidete Gestalten in der kleinen Kellerwohnung verteilt. Alles schien für eine kleine Weile ruhig zu sein, so ruhig wie es nun mal nach einer Beerdigung sein konnte. Doch plötzlich: KLIRR "Aaah! Meine Hand!!" Alle standen wir sofort in der Küche, wo ein junger Mann mit schulterlangen, braunen Haaren auf dem Boden kauerte und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf seine blutüberströmte rechte Handfläche starrte. Zwei Mädchen kreischten bei diesem Anblick und hielten sich die Augen zu, Justine krallte sich an meinen Arm und Maggie - war nicht da. Seltsam, war sie nicht mit uns in die Küche gestürmt? So unauffällig wie möglich schaute ich mich nach ihr um, doch ich war wohl nicht unauffällig genug, denn sogleich bohrten sich mir wohlbekannte Fingernägel zweier zierlicher Hände in meinen linken Arm. Ich schauderte und unterdrückte einen Schmerzensschrei, indem ich mir auf die Unterlippe biss und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Verwundeten. Ein weiterer junger Mann kniete nieder und fragte den Anderen, was passiert sei. Als Antwort erhielt er erst nur ein schmerzvolles Stöhnen. "D.. das Glas, es ist... einfach zersprungen in meiner Hand...ah... es brennt..." "Brennt?!", riefen einige Anwesende im Chor und scharten sich noch enger um Claude. "Ja...", ächzte er, "die Wunde... ah, tut doch was!" Er rollte schon mit den Augen. Schliesslich eilte Maja ins Badezimmer und kam mit Verbandszeug wieder. Ich war froh, dass wenigstens sie einen klaren Kopf bewahrt hatte. Das hätte Maggie bestimmt auch, doch wo war sie bloss? Und warum dachte ich ständig an sie? Fragen über Fragen schwirrten durch meinen Kopf, während Maja, welche tagsüber ein Praktikum im städtischen Krankenhaus machte, Claudes Verletzung versorgte. Sogleich ging es ihm wieder besser und von da an hielt er sich an Maja. Man bewegte sich wieder zu seinen Plätzen und schon nach kurzer Zeit verabschiedeten sich die meisten. Ausser Maja, welcher die Wohnung gehörte, Justine und mir sollte nun nur noch Maggie anwesend sein, die ich scheinbar als einzige seit der Sache mit dem Glas fast schmerzlich vermisste. War sie doch schon gegangen, hatte sich verabschiedet und ich hatte es nicht bemerkt? Selbst ein kurzer Augenblick der Unaufmerksamkeit gab der heute seltsam besitzergreifenden Justine Anlass, mich zu malträtieren. Ich beklagte mich lautstark. Der treudoofe Blick in ihren Augen konnte mich nun auch nicht mehr besänftigen, irgendwann war auch ich mit meiner Geduld am Ende! Da war es egal, wie glänzend und von entschuldigenden Tränen erweicht ihre Pupillen zitterten, oder ihre zum Schmollmund geformten Lippen, oder wie das grünliche Licht seinen verführerischen Schimmer warf auf ihrem blanken weissen Hals unterm ebenso weissen Kragen der Bluse... Ich schüttelte den Kopf, welcher von nun an voll war von seltsamen Gedanken. Justine sah mich erwartungsfroh an. Soeben wollte ich meine Stimme erheben, da blieben mir die Worte schon wieder im Halse stecken, da mein Nacken ein unheimlich zärtliches Streicheln erfuhr. Ich schauderte und blickte um mich, keiner war da. Ausser Maggie, die einige Meter entfernt auf einem Hocker sass und scheinbar gelangweilt zu uns rüber linste. Meine Hand suchte den Weg zu meinem Nacken und rieb da, während mir noch immer ein kalter Schauer in den Knochen sass. Schon bald ertappte ich mich dabei, dass ich ebenso plan- wie wortlos dasass und die lockenköpfige Margaret anstierte. Diese schien das nicht zu stören. Im Gegenteil, sie zeigte überhaupt keine Reaktion auf mich. Was hatte ich eben noch tun wollen? Ein schüchternes Räuspern zu meiner Linken liess mich erneut an diesem Abend aus meiner Gedankenabwesenheit erwachen. "Rebecca? Wolltest du... irgendetwas sagen?" Auch ich räusperte mich. "Ja, ich... nun ja, lass es einfach, wo warst du denn?" Mitten im Satz wandte ich mich nochmals von Justine ab und stellte meine Frage an Maggie, welche auch prompt antwortete. Doch schien sie leicht überrascht über mein schier überschwängliches Interesse an ihrem Verbleib. "Auf der Toilette. Tut mir leid, wenn ich euer kleines Blut-Intermezzo verpasst habe, aber meine Blase war mir wichtiger." Autsch! Ich biss schmerzhaft auf meine Unterlippe. Maggies Bemerkung traf mich härter als erwartet und nun kam ich mir klein vor. Klein und dumm. Ein leiser Seufzer meinerseits war zu hören und ich lehnte mich zurück. Die sechzehnjährige Justine legte vertrauensvoll den Kopf auf meinen Schoss. Sie schmiegte sich an mich, wonach ich mich gleich besser fühlte und ihr durchs Haar streichelte. Dazu lächelte ich selig, so selig man eben lächeln konnte, wenn man sich in jener Situation befand wie ich. "So, es ist nun schon sehr spät... Ich will euch ja nicht rauswerfen, aber... Raus aus meiner Wohnung, oder ich hol' die Polizei..." Maja legte den Kopf leicht schräg, blinzelte uns freundlich auffordernd zu und bewegte sich zur Tür. Ich nickte verständnisvoll murmelnd und erhob mich. Justine sprang zeitgleich wie eine kleine Katze von meinem Schoss auf. Ehe ich's mich versah standen wir drei auf der Strasse und jede bewegte sich in eine andere Richtung nach Hause. Zwar hatte mir Justine angeboten, mich noch zu begleiten, aber ich wusste, dass sie dazu einen grossen Umweg machen müsste und schlug das Angebot- so freundlich es mir möglich war- aus. Während ich da so langging, kullerten Tränen über meine Wangen und vermischten schwarze Augenbemalung mit weissem Gesichts-Make-up. Endlich weinen. Endlich frei. Kapitel 3: Erwachen; eine Erinnerung ------------------------------------ Sooo, es ist vollbracht! Erstmal ein Wort vorweg: Ich hoffe innigst, dass euch dieses Kapitel besser gefällt als das zweite!! Das Kapitel ist nun nicht mehr so düster, eher hell, aber mit sehr vielen Gedanken. Hier im 3.Kap beginnen Rebeccas Erinnerungen an die Zeit, in der Micha noch lebte. Hiermit möchte ich mich noch bei allen bedanken, die meine Storys so fleissig kommentieren!! Ihr seid die besten!! Kuss, eure Dragon 3. Kapitel Erwachen; eine Erinnerung Im zarten Licht der rosa Morgendämmerung erhob sich ein Schatten. Er war fest verbunden mit einem zweiten, die beiden waren gleich. Lustlos glitten sie im Dämmerlicht umher, bis... Bis das Telefon klingelte, und ich seufzend den Hörer von der Gabel trennte. "Ja?" "Becky?!" Oh, Micha... ich seufzte. Musste dieser Junge wirklich jeden Morgen hier anrufen? Hatte er keine Freundin, der er auf die Nerven gehen konnte mit seinem allmorgendlichen Elan? "Was willst du?" Er wollte mir mitteilen, dass er sich auf das 10. Treffen heute Abend riesig freute. Wenn ich nicht aussähe wie der Schatten einer fleischgewordenen Vogelscheuche würde ich mich mit dir freuen... "Ja, ich mich auch. Also, bis heute Abend." Ich wollte schon wieder auflegen, da hörte ich seine aufgeweckte Stimme noch rufen: "Hey, halt! Du kannst mich nicht einfach abwürgen, Becky! Du musst mich anhören, vielleicht schreibst du ja mal ein Buch über mich..." Mein Blick rollte zur Decke und Micha vernahm mein Schnauben. Ich sei Gerichtsschreiberin und keine Schriftstellerin, meinte ich grinsend, "und ausserdem wären die ,Abenteuer des Micha Graf' eh nicht jugendfrei und würden beim Publikum nicht ankommen!" Er lachte. Und ich auch. "Nun gut, wo du schon mal angerufen hast...", sagte ich dann, "kannst du mir ja grad sagen, welches Kleid ich für deinen Mega-Event anziehen soll: Das hell- das dunkel- oder das mittelschwarze?" Ich grinste schelmisch in mich hinein. Micha raunte und ich sah ihn vor meinem inneren Auge die Sommersprossennase kraus ziehen, "und du hast nichts in Schwarz?" Abermals kicherten wir beide. Darauf wurde er auf einmal ernster: "Hast du in letzter Zeit etwas von Maggie gehört? Redet sie mit dir?!" Ich stutzte. Wie kam Micha nur auf die Idee, Margaret würde sich mir anvertrauen? Ich hatte niemals viel Kontakt zu der Schwarzhaarigen gehabt. Nicht, dass ich mit diesem Zustand zufrieden war, aber ich glaubte einfach nicht an Interesse ihrerseits. Sie war so unnahbar. Nur bei Micha schien sie sich wirklich wohl zu fühlen und vertraute ihm, so wie ich das beobachten konnte. Und dieser Micha, genau dieser Micha fragte mich nun nach der unnahbaren Maggie, von welcher niemand wusste was sie tagsüber, ausserhalb der Veranstaltungen und Treffen bei Nacht, so trieb. "N... nein, wieso sollte sie?" Er raunte geheimnisvoll. Das machte mich sehr neugierig und ich versuchte, etwas von ihm darüber zu erfahren. "Nichts, vergiss es.", seufzte er abwehrend. Ein leises Knurren kam über meine Lippen. Dauernd musste er mich neugierig machen und dann sollte ich das einfach vergessen, toll. Schliesslich musste ich dann doch auflegen, ansonsten würde ich zu spät zur Arbeit kommen und mein Chef mochte das gar nicht. Am Ende hörte ich Micha noch einmal in den Hörer hinein seufzen, vermutlich wegen Maggie. Doch mich hatte das nicht zu stören, ich musste meinen Kopf frei haben für die Gegenwart und ihre alltäglichen Problemchen. Nach dem Duschen öffnete ich meinen Schrank: Schwarz- und Grautöne überwogen sichtlich neben wenigen weissen oder rosafarbenen Blusen und T-Shirts. Das zeigte meinen eher schlichten und unauffälligen Kleidergeschmack. Mit gekonntem Griff suchte ich meine Arbeitskleidung aus. Diesmal sollte es ein schwarzer Hosenanzug sein. "Kleiden Sie sich dem Gericht angemessen, Rebecca. Elegant, aber nicht zu extravagant, gesittet, aber man darf Sie auch nicht übersehen!" Die endlos langen Vorträge meines Chefs über die Kleiderordnung hingen mir jeden Morgen in den Ohren, so dass ich schmunzeln musste. Ich schrieb doch nur die Protokolle, was sollte also das Brimborium wegen den Kleidern? So dachte ich jedenfalls früher, als ich erst im städtischen Gericht zu arbeiten begonnen hatte. Aber nun war ich an meinen Chef gewöhnt und konnte auch irgendwie seine Sorgen verstehen, die weiblichen Mitarbeiterinnen könnten eines heissen Sommertages im Bikini zur Arbeit erscheinen. So waren sie nun mal, die Mädchen von heute. Wieder schmunzelte ich über meine Gedankengänge. War ich denn kein Mädchen wie alle anderen? Na ja, Mädchen klang vielleicht etwas kindlich für eine bald-achtzehn-Jährige, aber trotzdem... Ich hatte eh nie den Drang verspürt, mich halbnackt auf meinen Platz neben den Anwälten zu setzen und die Aufmerksamkeit aller auf mich zu lenken. Und endlich begab ich mich auf den Weg, erwischte gerade noch den Zug Richtung Innenstadt. Wie immer morgens hatte ich nicht das Glück, einen Sitzplatz zu erwischen, also stellte ich mich zwischen einige andere müde Gestalten und hielt mich irgendwo fest. Manchmal bemerkte ich, wie Blicke an mir haften blieben. Ich wusste, dass ich in meiner bevorzugten Arbeitskleidung oft älter aussah. Anfangs hatte mir das Angst gemacht, Angst davor, angesprochen zu werden von Wildfremden. Durch Erzählungen von Freunden und Zeitungsartikel hatte ich mich verwirren lassen und fürchtete mich am Anfang meines unabhängigen Lebens vor einer Welt voller Gewaltverbrecher und Psychopathen. Irgendwie war das lächerlich, war ich doch selbst eine Person, die nur gut und gerne als seltsam beschrieben wurde, wenn man sie näher kannte. Denn wenn man mich näher kannte, wusste man von meinem ungewöhnlichen Bekanntenkreis und von dem, was wir abseits von Gut und Böse in finstrer Nacht unternahmen. Ich seufzte. Meine Angst war bisher unbegründet gewesen. Niemand hatte mich je angesprochen im Zug oder auf der Strasse. Meine Station wurde von dieser angenehmen Frauenstimme aufgerufen. Während ich mich zwischen den Mitreisenden hindurch zur Türe quetschte, gingen mir seltsam banale Dinge durch den Kopf wie: Wie wäre das wohl, diese Frau mit dieser Stimme zu kennen, die im Zug die Stationen ansagt? So in Gedanken versunken rempelte ich am Bahnhof gut und gerne mal jemanden an, aber niemanden störte das. Und mich schon gar nicht. Wir waren alle samt Business-Menschen, viel zu gestresst und mit sich selber und seiner Arbeit beschäftigt, um aufeinander einzugehen. Wie mechanisch murmelte ich in einer Tour meine Entschuldigungen, wenn ich wieder jemandem auf die Füsse trat oder meine Schulter die eines anderen streifte. Es war schon hell in den Strassen und trotzdem war es neblig. Ich atmete die Luft, von Zigarettenrauch und Abgasen durchzogen und wandelte auf meinem Weg zum Gericht. Das imposante, graue Gebäude im Stadtzentrum strahlte alles andere als Geborgenheit aus, welche sich so mancher an seinem Arbeitsplatz wünschte. Durch die Fenster war nichts zu erkennen, keine Menschen, kein Licht. Und somit kein Leben. Die perfekte Umgebung für mich, schmunzelte ich in mich hinein. Nicht, dass ich mit Mord und Totschlag gut Freund war, mir waren nun mal kitschig eingerichtete Friseursalons oder andere Lokalitäten, von denen sich Frauen in meinem Alter sonst angezogen fühlten, viel unheimlicher, als ein schiefergraues, wie tot wirkendes Gerichtsgebäude. So manche meiner flüchtigen Bekanntschaften hatte mir schon gesagt, wie unbehaglich sie sich fühlten, wenn wir an der ebenfalls grauen Statue der blinden Justitia vorbeigingen. Aber ich selber mochte die Schutzpatronin des Gerichtes. Für mich bedeutete ihre Blindheit, dass sie Gerechtigkeit mit dem Herzen und nicht mit der Oberflächlichkeit der Augen verteilte. Das empfand ich als äusserst ehrenhaft. Ein lauter Schrei liess mich aus meiner Träumerei erwachen und ich stürmte die Stufen zum Haupteingang nach oben. Schnell wuchtete ich die schwere Glastüre auf, von welcher der uniformierte Portier dadurch fast erschlagen worden wäre. Ich raunte ein "'Tschuldigung..." und bahnte mir meinen Weg in Richtung des Schreies. Bald traf ich auf einen Mann und eine junge Frau, ein Mädchen, kaum älter als 17 Jahre. Der Herr mit dem dunkelblonden Bürstenschnitt war unverkennbar ein Gefängniswächter oder ähnliches, er trug Uniform. Er biss sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Unterlippe. Höflich fragte ich, was denn los sei und ob er so geschrieen hätte. "Ja...", meinte er, "Das Biest ist mir mit ihren Mörderhacken auf den Fuss getreten!" Seine blauen Augen funkelten missmutig zu dem Mädchen hinüber, welches bloss schüchtern lächelte. Ein unheimlicher Drang überfiel mich, die Fremde in den Arm zu nehmen. Ich tat es natürlich nicht. Doch ich würde es in Zukunft oft tun. Dies ist ein anderer Beginn. Völlig verschieden vom Beginn meiner Erzählung. Und doch hängen die beiden unvermeidlich zusammen. Kapitel 4: Gedanken und Gerechtigkeit ------------------------------------- Nuun hier ist das vielleicht von euch schon lang ersehnte 4. Kapitel. Dieses mag ich ebenfalls, es ist nicht so kurz und voller Gedanken, vielleicht sogar etwas wirr. Das Bild dazu wäre neblig und doch hell... Ich würde mich über Kommentare freuen und hoffe, ihr bleibt mir treu ^^ *knutscha* Eure Dragon 4.Kapitel Gedanken und Gerechtigkeit Ihr Name war Eva Lang. Sie wurde in Handschellen zum Verhandlungsraum gebracht. Schwarzes, gerades Haar fiel auf ihre schmalen Schultern und wehte leicht, als sie sich scheinbar in Zeitlupe an mir vorbeibewegte. Sie trug schwarze Jeans und einen weiten, grauen Pullover, unter welchem ihre zierlich-weibliche Figur nur zu erahnen war. Und eine Sonnenbrille. Das stetige klackern ihrer spitzen Schuhabsätze auf dem Steinboden hallte in dem grossen Raum von den mit Bildern behangenen Wänden und der Wärter, der Eva Lang an den Handschellen führte, hinkte leicht auf einem Bein. Nicht ohne ein mulmiges Gefühl setzte ich mich auf meinen Platz und kramte den Labtop aus meiner schwarzen Aktentasche. Ich öffnete den Deckel, wie jeden Morgen. Ich startete das Schreibprogramm, wie jeden Morgen. Und dann ging es los, wie jeden Morgen. Der Richter, mein Chef betrat den Saal. Alle erhoben sich, und setzten sich auf sein Geheiss wieder. Die Angeklagte Eva Lang musste die Sonnenbrille abnehmen. Ihre grün-blauen Augen blickten matt in den Raum. Alles erschien mir mechanisch, wie meine Finger, die über die Tastatur flogen und die Verhandlung abtippten. Eva Langs Personalien wurden verlesen. Sie war 16 Jahre alt, Schülerin und lebte bei ihren Eltern in einem Vorort der Stadt. Ich musste gar nicht mitdenken, meine Hände tippten, was die Stimmen sagten und so war mein Kopf frei. Entweder horchte ich den Stimmen, oder ich dachte an notwendige Einkäufe, oder Pläne für das Wochenende. Auch an diesem Tage war es mal wieder so, dass ich alles andere tat, als mich auf den Staatsanwalt mit seiner Anklageschrift zu konzentrieren. Meine Gedanken waren beim 10. der allmonatlichen Treffen dieser kleinen "dunklen Gruppe", welcher Micha Graf und ich angehörten. Es sollte dieses Mal eine Vampir-Veranstaltung werden, mit viel künstlichem Blut und spitzen Zähnen. Gerade noch konnte ich mir ein Seufzen verkneifen. Meine Vorliebe für die finsteren Mysteriösitäten der Welt wurde schon zu oft als furchteinflössender Spleen eingestuft, Bewerbungen wurden mir deshalb abgesagt, gute Freunde wandten sich ab. Man hat es nicht leicht, dachte ich, als plötzlich ein Wort meine Aufmerksamkeit erregte. "Satanismus". Sogleich horchte ich auf und überflog mit einem gekonnten Blick, was ich bisher geschrieben hatte: Eva Lang wurde vorgeworfen, sie hätte sich in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli mit einigen anderen Jugendlichen auf einem Friedhof getroffen. Dort hätten sie zwecks eines satanistischen Rituals einen Raben geschlachtet und einer Vierzehnjährigen die Pulsader am linken Arm mit einem waagrechten Schnitt mittels eines Küchenmessers aufgeschnitten. Anschliessend soll das Blut vermengt mit dem des Tieres aus einer kupfernen Schale getrunken worden sein. Auch die drei übrigen Anwesenden (zwei Jungen und ein weiteres Mädchen im alter von 14-16 Jahren) habe die Angeklagte zum Trinken des Blutes angestiftet. Das Opfer starb noch auf dem Friedhof am hohen Blutverlust, die Leiche war aber weggeschafft und bisher nicht aufgefunden worden. Der in der Nähe wohnhafte Alfred Ullner alarmierte gegen 2.00 Uhr die Polizei, weil er Schreie gehört hatte. Eva Lang und die drei anderen wurden sogleich verhaftet, diese aber bald wieder aus der Untersuchungshaft entlassen, da sich der Verdacht erhärtete, die Angeklagte habe das alles alleine geplant und die drei bzw. vier zum Mitmachen angestiftet. Somit wurde Eva Lang der schweren vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit schwerer Tierquälerei, Grabschändung, nächtlicher Ruhestörung und Anstiftung zu diesen angeklagt, gemäss Paragrafen sowieso... Mein Blick streifte die Angeklagte prüfend. Konnte ein Mädchen wie sie so etwas vollbringen? Eva Lang gestikulierte nicht, sie zeigte keinerlei Gefühlsregung, kein Zwinkern, kein Nägelkauen. Kalt, schoss es mir durch den Kopf, als ich die junge Schwarzhaarige so betrachtete und währenddessen jedes Wort von dem, was gesprochen wurde, auf meinen Labtop übertrug. Auch wenn die Angeklagte selber nicht viel sagte. Eigentlich sagte sie gar nichts, ausser, dass sie es war. "Ja, ich war es. Ich habe dieser Kleinen die Adern aufgeschnitten.", meinte sie kühl, ohne Reue, ohne Stolz. Ich verspürte ein unbestimmtes Ziehen in der Magengegend, was ich höchstens mit dem Gefühl vergleichen konnte, das mich heimsuchte, wenn ich beleidigt oder zu unrecht für etwas belangt wurde. Der Staatsanwalt sagte, dass Eva bei der Polizei aber ihre Tat verleugnet habe, es gäbe gar keine Leiche, hätte sie verzweifelt gerufen. Aber Beweise gab es nicht. Die 16-Jährige zuckte mit den Schultern, eine der wenigen Regungen, welche sie allen Anwesenden zu bemerken gestattete. "Hab ich eben Scheiss erzählt..." Ihre Stimme klang so lustlos, resignierend, ihre Worte schienen abseits von Wahrheit und Lüge. Und dann sah sie zu mir rüber. Ihr Blick war nicht im Geringsten so gefühllos wie eben noch, im Gegenteil: Er erschien mir zart, ihr wahres Wesen. Niemand schien es wahrzunehmen, aber mich schaute sie an und sie schüttelte für mich deutlich und doch nur im Ansatz sichtbar den Kopf. Nein. Von diesem Moment an war für mich klar, dass Eva unschuldig war. Aber ich konnte nichts machen. Warum hatte sie nun gestanden, wenn sie doch keinen Grund dazu hatte? Irgend etwas verschwieg sie, doch niemand würde es herausfinden, das wusste ich. Sie wird in eine Jugendhaftanstalt verbracht werden und da lange, lange Zeit bleiben. Wenn ich nicht eingriff. Aber wie? Wie konnte ich diesem Mädchen helfen? Es war aussichtslos. Hoffnungslos. Es schien ganz so, als hätte Justitia diesmal nicht nur die Augen, sondern auch das Herz verschlossen. Ein eisiger und doch wohliger Schauer durchfuhr meinen Körper. Ich wusste, es war an der Zeit, dass ich selber für Gerechtigkeit sorgte. Es einfach auf eine Art Gottheit zu übertragen, was geschah, war in diesem Moment einfach nicht angebracht, feige. Es ging alles so schnell. Eva Lang wurde abgeführt. Einfach so. Natürlich, sie hatte gestanden, aber warum fragte mich denn niemand? Zu mir hatte sie wirklich gesprochen, es war nur ein Wort... Aber ein Wort der Wahrheit ist stärker als ein Roman voller Lügen, ein Protokoll ausgefüllt mit Falschheit. Alles um mich herum wurde grau, in diesem Augenblick. Alles, ausser ihren Augen, so sanft und klar. Sie alleine leuchteten mir entgegen in diesem grauen Raum voller Kälte, welche ich wirklich gefühlt zu haben hätte schwören können. Wenn schon mein Körper nicht mitspielte, so wollte ich wenigstens meine Stimme erheben. Doch zunächst geschah nichts. Und dann: "Nein!" Stühle rückten, Schritte hallten durch den Saal. Ich spürte, wie ich einen stämmigen Arm mit beiden Händen umklammerte und an diesem zerrte. Stimmen schwirrten in meinem Kopf umher, war es meine eigene, die des Richters, die der Polizisten, oder bildete ich sie mir ein? Keinen einzigen Satz konnte ich entziffern, es war alles so verworren. Sekunden, die wie Stunden waren. Und dann Klarheit. Weit, weit weg erschien mir ein vertrauter Klang, so zärtlich wie die Blicke der Eva Lang. Nein... nein, lasst sie! Meine Stimme. Dann ihre. Vergib mir. Das Gefühl von hilfloser Kraft trieb mich beinah in die Ohnmacht. Vielleicht ermüdeten mich meine Schreie. Schrie ich? Schwieg ich? Bilder verschwammen vor meinen Augen. Keine Chance. Ich sah Eva Lang niemals wieder. Nach Hause war das Einzige, was ich zu wollen noch im Stande war. Aber so einfach war das nicht. Die vereinzelten grauen Strähnen im ansonsten vollen dunkelbraunen Haar meines Chefs erhielten meine volle Aufmerksamkeit, im Gegensatz zu seinen erzürnt und erschrocken blickenden Augen und der Standpauke, die er mir gerade hielt. Nur vereinzelte Worte schnappte ich auf und vergass sie sogleich wieder. "...nie wieder vorkommen... Satanistin... gefährlich... gefeuert." Was sagten Sie? Ich nickte. Und dann liess er mich gehen. Und ich ging. Nach Hause. Leeren Herzens mit vollem Kopf, voller Eindrücke und Gefühle, die ich nicht einordnen konnte. Glück, ja. So konnte man es nennen. Glück war es, das mir dazu verhalf, meine eigene Wohnung wiederzufinden, oder überhaupt an der richtigen Zugstation auszusteigen. Glück war es auch, was mir meine Wohnungsschlüssel so ohne weiteres in die Hände gleiten liess aus meiner Tasche, welche es mich nicht hatte bei der Arbeit vergessen lassen. Hätte das Glück eine Hand, würde ich sie ihm schütteln, hätte es eine Wange, würde ich sie küssen. Danke. Kapitel 5: Maske ---------------- Sooo das is nun das fünfte und bisher längste Kapitel meiner Geschichte. Ich bin stolz auf mich, satte 4 Seiten im Word und 2 Seiten auf Mexx füllt "Maske" aus und dabei ist es gar nicht so viel... Bitte kommentiert es fleissig XD Mein besonderer Dank gilt diesmal Raziel und Nezumi, welche sich alle Mühe machen, die Charas dieser Story bildnerisch darzustellen, damit ihr bald nicht nur immer was zum Lesen, sondern auch was zum Gucken habt, nämlich in der Charakterbeschreibung! In diesem Sinne: Meista und Müüsli, ich liebe euch, han eu mega gern! *kiss* Dragon 5. Kapitel Maske Meine Wohnung erschien mir wie eine schützende Burg. Kein Laut, kein Duft von draussen drang herein. So war ich abgeschottet, genau so wie auch meine Gedanken in meinem Kopf. Heute Abend war das Treffen, da musste ich hin. Also zog ich mich um. Alles geschah sehr langsam, Bewegungen waren weich und sanft und alles, was ich berührte, fühlte sich wie Wind zwischen meinen Fingern an. Irgendwie da und dann doch weg. Der schwarze Stift glitt um meine Augen herum, weiss färbte sich mein Gesicht vom Puder. Als ich mich dann im Spiegel betrachtete, mit stark zurückgekämmtem, rotbraunem Haar, geschminkten Gesicht und schwarzem Rüschenkleid, liess mich das einige meiner Sorgen vergessen. Noch immer war ich ein und dieselbe Person, bloss war ein anderer, verborgener Teil davon gerade nach aussen gekehrt. Das Radio war an, aber die Töne waren alle weg. Ich mochte nicht in die Sonne hinausgehen. Der Fernseher war an, aber die Farben waren alle weg. Habe ich sie ausgeschaltet? Wider erwarten zerbarst ich nicht in Einzelteile, geschweige denn zu Asche, als ich ans Licht hinaustrat. Der laue Abendwind strich mir ums Gesicht, das ich so geschickt hinter meiner Maske aus Make-up verbarg. Mein Blick war starr auf den Boden gerichtet, meine Schritte wurden sicherer. Ich fühlte mich wohl in meiner Verkleidung, die dann eben doch keine war. Ich war es. Langsam und quälend versank die Sonne hinter dem Horizont. Ich fuhr einige Stationen mit dem Bus. Zug fahren lohnte sich um diese Uhrzeit nicht, es fuhren nur noch übel riechende Säufer und irgendwelche Banditen mit den späten Zügen. Kaum einer sass in dem Bus, den ich jeweils zu nehmen pflegte, wenn ich an die Treffen ging. Nun waren Micha und die anderen Zentrum meiner Gedanken. Das Nachsinnen über die finsteren Gestalten in meinem Freundeskreis heiterte mich auf. So seltsam es klingt, diese Finsternis war ein Lichtblick in meine kalten Erinnerungen an den vergangenen Tag. Der Busfahrer nuschelte etwas in seinen grauen Dreitagebart hinein und riss mich aus meiner Träumerei. Erst jetzt bemerkte ich eine Fremde mit dunkelblondem, leicht gewelltem Haar, die mit grossen hellen Augen scheinbar belustigt zu mir rüber sah. Sogleich erkannte ich, dass sie wohl auch zur "Szene" gehörte, da sie wie ich in Schwarz und Rüschen gekleidet und aufwändig geschminkt war. Sie sagte nichts, schmunzelte nur. Dann stieg ich aus. Und sie auch. Sie folgte mir zum Treffpunkt der Gruppe, folgte mir stumm mit leisen, leichten Schritten. Bei dem dreistöckigen Wohnhaus angekommen, klingelte ich die Türglocke und ein fast unangenehm eindringlicher Summton erschallte, auf welchen hin ich die Glastür aufstiess und sie für meine "Verfolgerin" offen hielt. Diese trat mit dankendem Nicken ein und wartete dann auf mich. Und ich ging voran, die Treppen bis ins letzte Stockwerk hinauf. Der Fussabtreter vor der mit weisser Farbe bestrichenen, massiven Tür mit der Nummer 20 war mit irgendwie niedlich aussehenden schwarzen Fledermäusen verziert, bei deren Anblick ich mir ein leises Prusten nicht verkneifen konnte. Da hatte sich ja jemand wirklich Mühe gegeben. Ich klopfte an. Das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten, welches ich mit einem Blick auf den Spion beobachtete, verriet mir, dass jemand an die Türe ging und erst zögerte, wahrscheinlich um hinauszuschauen. Dann wurde uns beiden geöffnet und ich nahm die Gestalt in Augenschein, welche uns begrüsste. Die Person trug einen langen, blauschwarzen Umhang und eine weisse Vogelmaske, welche nur die obere Hälfte des Gesichtes bedeckte, wie sie die Leute auf den Bällen in Venedig trugen. Das vermutete ich zumindest. Auf jeden Fall sah es sehr gut aus und auf jeden Fall war es Micha, der sich hinter dieser Verkleidung verbarg. Er trug diese Maske zu jedem unserer Anlässe, ausnahmslos. Ich mochte das, manchmal wünschte ich mir, ich hätte auch so ein Markenzeichen. Wahrscheinlich hatte ich auch eines, und es fiel mir einfach nicht auf. Micha zog die Maske vom Gesicht und zeigte mir und dem anderen Mädchen sein breitestes Grinsen. Hinter ihm tauchte Maggie auf, das lockig schwarze Haar zum hohen Pferdeschwanz gebunden und in rotschwarzes Leder und Seide gekleidet. Sie nickte kurz und meine fremde Begleitung zwängte sich an mir vorbei, um zu Maggie zu gelangen. Die beiden verschwanden in der Wohnung und Micha und ich blieben im Flur stehen. Nun fand ich die Zeit, den Zwanzigjährigen etwas genauer zu mustern. Seine kurzen roten Haare hingen ihm schweissnass in die Stirn, die Verkleidung in Kombination mit der beheizten Wohnung war wohl etwas zu warm... "Gut siehst du aus.", schmunzelte er dann, und ich stotterte etwas wie "Danke, du aber auch." Micha drückte mir eine kleine Schachtel in die Hand. Ich beäugte diese und erblickte unter dem durchsichtigen Deckel künstliche Vampirzähne aus weissem Plastik. Eine meiner Augenbrauen hob sich und mein Gegenüber schien meine Gedanken zu lesen. Er sagte, dass die Zähne unweigerlich zur Kleiderordnung gehörten und ich verkniff mir ein Kichern, als er mich schliesslich in Richtung Toilette verliess. So stand ich also da und starrte ebenso belustigt wie geistesabwesend auf dieses neue Accessoire. Sollte ich es herausholen und die Zähne anprobieren? Schnell schielte ich in den Raum, suchte nach irgendjemandem, der die Kleiderordnung einhielt. Und siehe da: Nach einer kleinen Weile fiel mein Blick auf die 19jährige Maggie, welche sanft lachend den Kopf zurückwarf. Die spitzen Plastikzähne glänzten unter ihren Lippen. Ihr gegenüber stand dieses Mädchen, dessen Namen ich noch immer nicht kannte, und lächelte ebenfalls. Mit ihrer rechten Hand hielt sie sich an ihrem linken Oberarm fest, so blieb sie auf Abstand. Leise seufzend holte ich die Zähne aus der Schachtel und steckte sie in meinen Mund. Es fühlte sich mehr als nur gewöhnungsbedürftig an, aber doch nicht so unangenehm, wie ich erst gedacht hatte. Ich stellte mich zu Maggie und der anderen und schaute mich von da aus in der Wohnung um. Es wimmelte nur so von düster aussehenden Gestalten im grossen, rechteckigen Wohnzimmer und der kleinen Küche. Von der Decke hingen künstliche Fledermäuse und Spinnen, die Wände waren mit dunklen Tüchern und Bildern geschmückt, es sah alles sehr schön aus. Richtig zum Wohlfühlen. Und dann wurde ich aus meiner Ruhe gerissen, ein kurzes Ächzen kam über meine Lippen. Ich blickte an mir herunter und schaute verdattert auf die Blonde aus dem Bus, welche sich, die Arme fest um mich geschlungen, an mich presste, so dass mir beinahe die Luft wegblieb. "E... Engel, lass das!", rief Maggie und packte das Mädchen an der Schulter, um sie von mir weg zu zerren. Völlig unwissend stand ich da und beobachtete die Szene. "Ich habe mich entschieden!", rief Engel. Ein leises Hüsteln entfloh mir, ich wollte nachhaken, doch dazu war nicht die Gelegenheit und mein Mund fühlte sich zum Sprechen wegen den falschen Zähnen zu voll an. Dafür sprach Maggie weiter, was aber meiner Verwirrtheit nicht im Geringsten abhalf. "Sie stand gar nicht zur Auswahl!" Darauf schnaubte ihr blondes Gegenüber, welches übrigens noch immer dicht bei mir stand, nein, sich an mich lehnte, ihr Kopf lag an meiner Brust und ihre Augen funkelten zu Maggie. Sie sah aus wie ein trotziges Kind, schoss es mir durch den Kopf. Ohne mir wirklich Zeit zu lassen, mir die Bedeutung ihrer Worte genauer zu überlegen, fuhr Maggie fort: "Schnaub mich nicht so an!", sagte sie ohne zu schreien, jedoch sehr bestimmt. "Halt dich an die Regeln und such dir wen aus, der auch zur Auswahl steht." Engel jedoch schüttelte vehement den Kopf und streckte der Älteren die Zunge heraus. Maggie leckte sich über die spitzen Zähne und seufzte. Dann wandte sich ihr Blick an mich. "Was sagst du dazu, Rebecca?" Ich schüttelte unwissend und verwirrt den Kopf, zuckte mit den Schultern. Beide grinsten, jede auf ihre Art. Es schien, als würden sie beide meine Reaktion auf ihre Art deuten. Das gefiel mir nicht wirklich. Schliesslich liess Engel mich los und sogleich fühlte ich eine neue Berührung, eine, die mich noch stärker elektrisierte als die schroffe Umarmung der Jüngeren. Es war Maggies Hand, die sich sachte an meinen Arm legte, es war dieser kleine Kontakt mit ihr, der mich erschaudern liess. Der Blick in ihren braunen Augen zog mich magisch zu ihr, ich schluckte und setzte ein fragendes Gesicht auf. "Sag, du würdest sicherlich nicht wollen, dass Engel bei dir einzieht, habe ich Recht?" Sie schmunzelte zärtlich und allmählich dämmerte mir, worum es ging. Ich machte eine Bewegung mit dem Kopf, etwas Undefinierbares zwischen Nicken und Kopfschütteln. So seltsam es klingt, genau so war auch meine Antwort. Kein Ja und kein Nein. Ein "Ich weiss nicht." Woher sollte ich auch? Ich war so verwirrt, da ich es schon seit ich vor drei Jahren zu der Gruppe gestossen war, aufregend fand, dass wir diese kleinen "Urlaube" für die neuen Mitglieder organisierten. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass eines der eingefleischten Mitglieder ein neues bei sich aufnahm und ihn oder sie kleinen Prüfungen unterzog. Die Gruppe und die "Urlaube" existierten zwar schon seit mehreren Jahren, doch die grossen offiziellen Treffen gab erst seit 10 Monaten, dies war das zehnte Treffen... Ich war doch gar nicht vorbereitet. Und ich war auch nicht zur Auswahl gestanden. Hätte ich denn die Zeit, mich um Engel zu kümmern? Viele Dinge beschäftigten mich von Sekunde zu Sekunde und doch waren es nur Momente... so schnell vorbei... "Rebecca... hey, Rebecca! Was ist nun?" Maggies Stimme holte mich zurück und ich schüttelte reflexartig den Kopf. "N... nein, keine Zeit..." Sogleich traf mich Engels tief enttäuschter Blick und mein Herz erfuhr einen schuldvollen Stich. Ich richtete mich entschuldigend an Maggie. "Ich könnte ja schon, aber ich hab doch nichts!" Sie lächelte und strich mir wider erwarten mit den Fingerspitzen durchs Haar. Mein verwunderter Blick streifte sie bloss flüchtig. "Möchtest du es denn versuchen?" Ihre Stimme war warm und sanft. Ich schluckte abermals. Dann nickte ich, Engel umarmte mich heftig und dann lachten wir alle. Als sich zwei weitere Arme um mich legten und mich an eine muskulöse Brust zogen, erschrak ich so sehr, dass ich heftig zusammenzuckte und ruckartig einatmete. Jedoch beruhigte ich mich genauso schnell wieder, als ich den zum Scherzen aufgelegten Micha erkannte, der mich mit zartem Griff den Kopf zur Seite neigen und drohend seine Plastikzähne dicht an meinem blossen Hals blitzen liess. "Ich brauche eine Freiwillige, ein Jungfrauenopfer für meine Blutzeremonie...", verkündete er verheissungsvoll, so laut, dass jeder ihn hören konnte und einige interessiert näher traten. Erst grinste ich, dann spielte ich mit und zeigte eine angstvoll erschrockene Miene. Die überwiegend schwarz und rot gekleideten Leute um uns herum murmelten etwas und bildeten dann einen Kreis, in dessen Mitte Micha und ich uns befanden. "Mein Altar!", zischte der Rothaarige und mimte mit rollendem R einen rumänischen Akzent. Sogleich traten Claude und einer seiner Kumpels aus der Menge, sie schleppten eine grosse Holzkiste, überdeckt mit einem schwarzen Samttuch. Die beiden mussten sehr vorsichtig sein, denn auf den oberen Ecken der Kiste waren zwei grosse Kerzen brennend drapiert. Meine Zunge befeuchtete meine Lippen, während mein Herz mir bis zum Halse schlug, all die Aufmerksamkeit behagte mir nicht. Maggie beobachtet mich... und Engel wird bei mir wohnen... Was sie wohl von mir denken? Sitzen meine Haare? Ist mein Ausschnitt zu tief? Was tut Micha da?! "Ey, das kitzelt!" Ich hörte mein eigenes Kichern aus weiter Ferne und blinzelte in den geheimnisvollen Schein einer Kerze und Micha stach leicht mit einem ungefähr dreissig Zentimeter langen Ding gegen meine Seite. "Ein kleiner Holzstock!", dachte ich mit Bestimmtheit. "Die Jungfrau lege sich auf den Altar!" Leicht skeptisch und mit zitternden Beinen legte ich mich rücklings auf die Kiste, sehr darauf bedacht, keine Kerze umzustossen. Diese waren nun links und rechts von meinem Kopf, meinen Blick hielt ich starr auf Micha gerichtet. Er hielt nun den vermeintlichen Stock mit beiden Händen waagerecht vor seiner Brust und zog dann mit seiner Linken an dem Werkzeug, bis es seine wahre Natur offenbarte: Eine Klinge. Ein Dolch, es war ein Dolch, welcher sich nur in seiner Scheide befunden und den ich darum für einen Stock gehalten hatte. Feuer spiegelte sich flackernd im glänzenden Metall, immer stärker, das Licht wurde gedimmt, bis der Raum völlig dunkel war. Das einzig erhellte war ich, mein Gesicht im zwielichtigen Kerzenschein, der sich in der Klinge des Dolches wiederfand und diese in meinen weit aufgerissenen Augen. Alles um mich herum war stumm, allein Micha bewegte sich und das gefiel mir nicht. Mit weit ausholender Pose hob er den scharfen Gegenstand in die Höhe, über seinen Kopf, unter der Maske blitzten seine grünen Augen verheissungsvoll. "Nimm dies Opfer an, Wahrhaftiger, der du uns einst alle annehmen wirst!" Maggie! Ihre Stimme schallte ähnlich der eines Priesters von irgendwo, ich war nicht fähig, sie genau zu orten. "Du bist allein gerecht, nimmst den Armen wie den Reichen, den Guten wie den Bösen, bist einzig Richter und unerbittlich." Indessen verharrte die dunkle schemenhafte Gestalt Michas mit dem Messer über mir, unbeweglich, lauschend. Etwas näherte sich mir von links, ich erschrak, es war ein bleiches Gesicht mit roten Augen, spitze Zähne funkelten mir entgegen aus einem grinsenden Mund. Eine lange Strähne braunen Haares fiel der Person ins Gesicht. Claude, es war Claude mit roten Kontaktlinsen. Er pustete eine Kerze aus. Ich blickte um mich, konnte jedoch nur Schatten erkennen. "Für jedes neue Lebenslicht... muss ein altes... erlöschen." Dieser letzte Satz aus dem Munde Margarets liess mich erzittern. In einem letzten leidvollen Aufflackern der Kerze zu meiner Rechten, welche von irgendjemand zärtlich ausgepustet wurde, blitzte die Klinge und schnellte in völliger Dunkelheit auf mich herab. Heftiges Einatmen unter den Umstehenden. Dann begann ein aufgeregtes Gemurmel. Ich öffnete die Augen, welche ich aus Angst fest zugekniffen hatte, doch ich sah nicht das Geringste. Ich lebe noch? Jemand griff ruppig nach meinem Arm, ich wurde auf die Beine gezogen, zwei, vier, tausend Hände fummelten an mir herum, ich spürte etwas Kaltes auf meinem Gesicht, hörte das Rascheln von Stoff nah bei mir. Ein kurzes Rumpeln, meine Finger umgriffen etwas Hartes. Dann die buchstäbliche Erleuchtung. Als das Licht wieder angeknipst wurde, fand ich mich in einer erschreckenden Position wieder. Mit dem Dolch in der Hand stand ich vor dem Altar, auf welchem Micha an meiner statt lag, demaskiert, das weisse Rüschenhemd mit blutigen Flecken gesprenkelt. Er rührte sich nicht. Von dem Dolch tropfte die rote Flüssigkeit auf den Boden, der Dolch in meiner Hand, die zitterte wie meine Augen. Ich liess die Waffe fallen, klirrend traf sie unten auf und ich berührte mein Gesicht, ertastete die Maske, während Maggie sprach: "Du hast ihn zu dir geholt, du hast über ihn gerichtet! Lasset uns feiern!" Ich brauche die Maske doch gar nicht, ich trage schon eine...eine Maske meiner selbst, nehmt sie mir ab, sie engt mich ein... Eine zärtliche Umarmung liess mich den Kopf anheben und einen bekannten Duft riechen. Micha grinste mich an und ich grinste zurück. "Wunderbar gespielt, Becky, Kompliment. Ich hätte dir fast abgekauft, dass du Todesangst hattest, nein, ich hätte es dir ganz sicher geglaubt, wenn wir die Todeszeremonie nicht seit eh und je wiederholen würden!" Ich lachte und schmiegte mich kurz an mein deutlich grösseres Gegenüber und sagte etwas von den Theaterkursen an meiner alten Schule. Kapitel 6: 1.Teil Heimkehr; 2.Teil Schicksal und weisser Hund ------------------------------------------------------------- Nun ist es da, das 6. Kapitel! Es ist eine "Engel-Episode" und ich mag es sehr gerne, is ma was neues, das ganze in zwei Teilen zu haben. ich hoffe natürlich, euch gefällt es genau so!! Hab euch lieb! Besonderer Dank geht an Raziel, die Maggie so wunderschön gezeichnet hat ^^ Dragon 6. Kapitel 1.Teil Heimkehr; 2.Teil Schicksal und weisser Hund 1.Teil In jenem Moment, als Engel in meine Wohnung trat, stürmte sie somit meine Burg, etwas in mir zerbrach, was ich mir so sorgfältig aufgebaut hatte. Schutz, Zuflucht, Ruhe, all dies war nun nicht mehr gewährleistet, und doch war ich in diesem Moment froh, Engel bei mir zu haben. Sie bedeutete etwas Neues, Spannendes, war ein neuer Mensch in meinem Leben, der nicht minder wichtig werden sollte denn so manch anderer. So stand sie nun da, nur wenige Tage nach dem Treffen, mit ihrer grossen Reisetasche, Gepäck für zwei Wochen Aufenthalt bei mir. Es war Sonntag, ich hatte frei und somit alle Zeit der Welt, mich mit meiner neuen Mitbewohnerin zu beschäftigen. Freundlich lächelnd führte ich sie in einen kleinen Raum, eine Art Abstellkammer, welche ich aber in liebevoller Arbeit zu so etwas wie einem Gästezimmer umgemodelt hatte. Das Fenster war zwar klein, doch es spendete Tagsüber genug Licht. Es gab auch eine Stehlampe und eine Bettcouch, eigentlich richtig gemütlich. Mein Gast grinste mich breit an und stellte ihr Gepäck in eine Ecke ihres neuen Zimmers. Dann trat sie auf mich zu, ihre Augen glänzten. "Und, gefällt es dir?" Sie nickte heftig, ohne den Blick von mir zu wenden und umarmte mich. Zögerlich löste ich die Umarmung, schaute das Mädchen ein wenig verwirrt an. Sie lächelte, wie sie auch bei unserer ersten Begegnung im Bus gelächelt hatte und ich konnte es nicht deuten, und ich würde es auch niemals können. Schliesslich setzten wir uns ins Wohnzimmer, ich atmete tief durch und begann neugierig ein Gespräch. "Du heisst wirklich Engel? Oder ist das nur ein Übername?" Ich grinste sie dabei schelmisch an. Sie jedoch schüttelte den Kopf. "Das ist mein Name, meine Eltern sind leicht seltsam drauf. Hab noch eine ältere Schwester, die hat's noch schwerer als ich." Dann grinste auch sie und natürlich wollte ich wissen, warum, und wie denn ihre Schwester heisse. Die Blonde leckte sich über die Lippen und überging meine Frage. Stattdessen fragte sie mich, ob ich Geschwister hätte. Und ich antwortete, ja, so in etwa und erklärte ihr, dass ich einen Halbbruder hatte. Er war vierzehn und der Kontakt zu ihm war mehr als spärlich. Mein Gegenüber schien sich dafür sehr zu interessieren, doch ich blockte ab, biss mir auf die Unterlippe. Ein unangenehmes Gefühl suchte mich heim, Engel würde mir zu nahe treten wollen. Oder war ich einfach nur zu misstrauisch? Langsam rückte ich von der anderen weg, ans Ende des Sofas. Sie dachte sehr wahrscheinlich, oder wusste vielmehr, dass ich mich unwohl fühlte, doch dies tat ihrer Neugierde und den zierlichen Anbahnungen von Aufdringlichkeit keinen Abbruch. Im Gegenteil. Sie rückte einfach nach und liess nicht locker, bis ich schliesslich ein unbeabsichtigt bösartiges Augenfunkeln zeigte und das Mädchen leicht vor mir zurückwich. Ich entschuldigte mich leise und sie schüttelte den Kopf. Dann klingelte das Telefon, ich ging ran und winkte Engel, sie solle still sein, da sie mit hoher Lautstärke herumquietschte: "Wer ist es? Sag, sag!" Wie alt war die Kleine noch mal? Also wirklich... Ich verdrehte die Augen und lauschte dann der Stimme, welche aus dem Hörer drang. Diese liess mich stutzen. Entgegen meiner Erwartung war es nicht Micha, der mich wie gewohnt einmal am Tag anrief, es war Maggie. Sie wollte mit mir noch einmal besprechen, wann ich Engel für die "Prüfungen" zum Treffpunkt bringen sollte. Diese Abmachung kam mir sehr entgegen, denn ich war wie schon erwähnt nicht vorbereitet gewesen und hatte dazu auch keine Zeit mehr gehabt. Maggie jedoch war vorbereitet und so würde Engel ihren Prüfungen unterzogen und der Urlaub war bei mir. Es klingt nun vielleicht ein wenig sinnlos, aber es war doch eine witzige Sache. Alles im Leben hat seinen Sinn, so auch sein Ende. "Also, nächsten Donnerstag und der Montag darauf, geht das?" Ich nickte bejahend und bestätigte ebenfalls, dass Engel neben mir nichts davon verstand, was gesprochen wurde. Dann verabschiedete sich Maggie und legte auf. Wie hypnotisiert behielt ich den Hörer an meinem Ohr, während das tutende Geräusch durch meinen Kopf dröhnte. Engel entriss mir schliesslich das Gerät und schaute mich mit grossen Augen an. Wenn ich mich in diesem Moment hätte sehen können, dann könnte ich jetzt auch sagen, ob ich rot wurde, aber da war kein Spiegel. Der Reaktion meines Gegenübers zu urteilen war ich rot wie eine Tomate, denn sie kicherte verhalten und nahm mich in die Arme. Eine Woche verstrich, sie verstrich langsam und stetig, doch niemals langweilig und ich gewöhnte mich an Engels Gegenwart in meiner Burg. 2.Teil Die Erinnerung traf mich wie ein Schlag ins Gesicht, so heftig wie unerwartet und ich fragte mich, warum ausgerechnet sie mich an ihn erinnerte. Er hatte stets im Garten gesessen und milde aber energisch mit tiefer Stimme vorbeigehende Leute angebellt. Er war gross gewesen und sein weiss gelocktes Fell hatte an einen Eisbären erinnert. Engel sass niemals im Garten und sie bellte auch nicht. Ausserdem hatte ich nicht einmal einen Garten, ganz zu schweigen von Topfpflanzen. Trotzdem hatte sie mit ihrem dunkelblonden, leicht gewellten Haar Ähnlichkeit mit dem Hund. Dabei war sie doch ein Mensch. Ihre Anhänglichkeit grenzte schon fast an Belästigung, nur gut, dass ich arbeiten musste. Wenn ich nach Hause kam, sass sie im Schneidersitz vor der Türe und leckte sich mit kessem Blick die Lippen. Ich musste mich schon sehr zusammenreissen, um nicht zu sagen: "Engel, geh auf deinen Platz!" oder Ähnliches, wie ich das mit dem Hund zu tun gepflegt hatte. Aber ich sagte: "Lass das, steh auf." Und Engel erhob sich grinsend. Oft schmunzelte ich, wenn ich sie betrachtete, wie sie mir gegenüber sass und sich mit den Fingern durchs Haar fuhr. Im Gegensatz zum Hund war Engel wenigstens von Anfang an stubenrein. All den Unterschieden zum Trotz wurde ich das unbehagliche Gefühl nicht los, die beiden seien sich so ähnlich wie es sonst Zwillinge sind. Dieses Gefühl machte mir Angst. Manchmal knurrte sie mich an, mit leicht hochgezogener Oberlippe, etwa, wenn ich sie anwies, des Nachts nicht in mein Bett zu kriechen. So was erschreckte mich immer tödlich, ich hatte einen sehr leichten Schlaf und erwachte sogar aus tiefsten Träumen, wenn nur ein Zweig ans Fenster klopfte in einer windigen Nacht. Es war wieder eine Gemeinsamkeit Engels mit unserem früheren Familienhund, dieses aufdringliche Suchen nach der Nähe zu meiner Person. Damals hatten wir ein Schloss an meiner Zimmertür anbringen und es nachts abschliessen müssen, weil ich mich so sehr vor dem Tier gefürchtet hatte. Die Angst, der Hund täte mir ein Leid zu wenn ich schlief, hatte mich so sehr geplagt, dass er dann schliesslich ganz in den Garten verbannt worden war, zumindest für eine Weile. Engel konnte ich nicht einfach auf den Balkon sperren, und das hatte ich auch nicht vor. Ihr vehementes Sträuben, das nächtliche Besuchsverbot zu akzeptieren und einzuhalten, bereitete mir beinahe Kopfschmerzen. Die Blonde hatte ihre "Prüfungen" hinter sich gebracht, ich hatte leider nicht dabei sein können. Nun ging es nur noch darum, die letzten Tage gemeinsam zu bestreiten. Wir sassen auf dem Sofa in meinem Wohnzimmer, ihr Kopf war auf meinen Schoss gebettet und ich streichelte wie in Trance mit immer gleich bleibender Bewegung ihre Seite. "Rebecca, lass den Hund nicht aufs Sofa, du weißt doch, die Haare!" Ein Lächeln streift meine Lippen und ich schnipse mit dem Finger, der Hund gibt ein undefinierbares Geräusch zwischen Knurren und Grunzen von sich und gleitet schwerfällig zu Boden. Nun sitzt er da, so gross, dass er noch immer mit mir auf Augenhöhe ist und lässt sich von mir hinter den Ohren kraulen. "Na, das gefällt dir, was? Iiiieh!" Seine Zunge fährt über mein Gesicht, ich wische es mit dem Ärmel meines Pullovers ab. Dann bettet er seinen Kopf auf meinen Schoss und schaut mit grossen Augen zu mir hoch. Dieser treue Blick..."Du bist ein ganz Lieber, nicht wahr?" "Was?" Ich zuckte zusammen. Hatte ich geträumt? "Wie bitte, was?", fragte ich auf ihre Frage hin und schüttelte leicht verwirrt den Kopf. Engel grinste und meinte, ich hätte gemurmelt. Dann lachte ich, ich hatte wohl wirklich etwas geträumt. Wie lange das wohl her war? Zehn, elf Jahre? Plötzlich bemerkte ich Engels Gesicht nah bei meinem, ihre hellen Augen leuchteten mir entgegen, wie lange war das schon so? Ich entgegnete ihr mit fragendem Blick und sogleich rückte sie näher, ich spürte wie sie ruhig und bestimmt atmete. Ihre Zunge befeuchtete ihre Lippen, eine zierliche Hand legte sich an meinen Oberarm. Sie kniete über mir, ihre Beine lagen aussen an meinen an, mit der freien Hand stützte sie sich an der Couchlehne ab und ich sass gefangen zwischen dem Körper meiner Mitbewohnerin und meinem Möbel. Es gab kein Entrinnen. "Aus!", entfuhr es mir, ehe ich darüber wirklich hätte nachdenken können. Die andere zuckte zusammen und setzte sich aufrecht zu meiner Linken, befreite mich aus dieser Enge. "Ich bin kein Hund...", murmelte sie mit schmollenden Lippen und blickte auf ihre Hände, gefaltet auf ihren Schenkeln. Ich stotterte und entschuldigte mich schliesslich, mein Herz raste wie nach einem Sprint auf den abzufahren drohenden Zug. Doch dieser Zug war nun hoffentlich weg, auf diesen Zug würde ich nicht aufspringen, und wenn es der letzte auf der Welt wäre. Er beängstigte mich, er fuhr ins Dunkel meiner Vergangenheit. Engel war mir zu nah. Es war nicht sie, sondern er, der mir Herzklopfen bereitete. Hätte ich etwa alles zugelassen, wäre sie ihm nicht so ähnlich? Aber hätte sie es überhaupt getan, wäre sie es nicht? Ich fühlte etwas Weiches, etwas unendlich Zartes an meiner Wange, dicht unter meinem linken Auge. Schnell schielte ich herüber und erkannte Engels Antlitz, sie küsste mich, nein, küsste diese Träne, welche sich meiner Kontrolle entzogen hatte. "Es tut mir leid.", flüsterte sie, "Ich weiss auch nicht, warum..." Ein Handzeichen meinerseits liess sie abrupt schweigen. Ich schloss die Augen und liess den Kuss auf meinem Gesicht nachwirken. Langsam glitt meine Hand zu ihrem Bein, streichelte es dankend, entschuldigend. Fühlte sich so Versöhnung an? Nein, bis dahin war es noch ein langer Weg, es wäre falsch, in diesem Moment schon von Versöhnung zu sprechen. Es war Schicksal, einfach nur Schicksal. Sie war meines, so wie alle in meinem Umfeld es waren, doch sie war unweigerlich verknüpft mit meinem früheren Leben, ob sie es wusste oder nicht. Ob sie es wollte oder nicht. Kapitel 7: Element; Ein Traum ----------------------------- So, das ist nun das 7.Kapitel. Es ist wahnsinnig, wahnsinnig kurz, tut mir sehr leid... aber es ist ja auch nur ein Traum ^^"" Das nächste Kapitel wird länger sein, ganz sicher, zumal dieses hier das kürzeste Kapitel bisher ist. Ich hoffe, euch gefällt es trotzdem... ¨ Kuss, Eure Dragon 7.Kapitel Element; Ein Traum Und die donnernden Schritte hallten über die glänzenden Wiesen, welche gestreichelt wurden vom stetigen Wind der heranbrechenden Nacht. Ihr Atem ging schnell, ich sah sie von weit und hörte dann ihr Herz wieder ganz nah schlagen. Es donnerte. Das schwarze Haar wirbelte ihr ins Gesicht, weil sie sich immer wieder umdrehen musste, immer wieder. Und es donnerte. Der Himmel färbte sich mal grün dann schwarz und rot, dunkel wie Wiesen und Raben und Blut. Ihre Verfolger waren Schatten, sie riefen, streckten ihre Hände aus, ein Zug ratterte dröhnend hinter ihr her, verfolgte sie, seine Wagen drohten sie zu überrollen. Und es donnerte. Doch kein einziger Tropfen Regen berührte je die Erde, das Wasser war schon längst versiegt, genau wie ihre Tränen. Sie sehnte sich nach dem Meer, welches auch aus ihren Augen sprach. Doch sie würde sterben, sowie sie es erreicht hätte. Denn sie war Feuer. Und ich sehnte mich nach ihr, obwohl ich wusste, ich würde mich verbrennen. Von weit her bellte es und dann plötzlich waren die weissen spitzen Zähne mir so nah, dass ich erschrak und die Augen öffnete, über mir eine dunkle Gestalt mit einem Messer. Sie hob es hoch und ich sah mich dem Tode nahe. Finstere Augen blitzten. Ein Hund bellte. Der Zug rollte. Die Schritte hallten. Weiter und immer weiter musste sie rennen, die Schatten hinter ihr schrieen laut und doch unverständlich. Die Ruhe in mir konnte ich nicht begreifen, wollte ihr etwas davon geben, doch sie war so unerreichbar. Bleib da...bleib bei mir... renn nicht fort von mir... nicht fort von mir, zu mir hin, in meine Arme... in meine Arme. Schrie ich? Eine Schlange schlich über meinen Bauch wie ich da so lag auf dem Altar, über mir das nahende Ende, sie rollte sich auf mir ein. Meine Augen bettelten, sie flehten die Schlange an, mich zu befreien. Einen Augenblick schien es, als würde sie mich verstehen. Sie blickte mir tief in die Augen, zischte verheissungsvoll. Die Schritte kamen immer näher, ein Schrei entwich meiner Kehle, es hörte sich so fremd an. Und dann war da diese Stille. Sie behagte mir nicht, kein Rattern mehr, kein Bellen, keine Schritte. Vor Angst lief mir der Schweiss, doch ich konnte ihn nicht spüren, mein Herz klopfte laut, doch ich konnte es nicht hören. War das wirklich ich? Blitzschnell fauchte etwas und riss die Schlange von meinem Bauch, mir dabei schmerzhaft über die Brust kratzend. Das Blut strömte, ich stöhnte auf und erblickte noch die schwarze Katze, welche der Schlange mit einem gezielten Biss den Nacken gebrochen hatte. Diesmal nicht, alter Freund. Licht kam ins Dunkel, die Gestalt über mir grinste hämisch, die rote Flüssigkeit tropfte von der Klinge auf den Boden, genauso wie von meinem Körper. Tot? Aber ich sehe! Ich bin noch immer hier... Die Katze kam wieder und leckte an meiner Wunde. Ein stechender Schmerz durchzuckte meinen Körper, als sich das Tier plötzlich zu verwandeln begann. Sie war es, sie war die Katze, und sie leckte das Blut, welches nicht aufhören wollte zu fliessen. Sie hob den Kopf, hinter ihrem schwarzen Haar glitzerten ihre hellen Augen. Ich schrie und bäumte mich auf. Und sie erhob sich und schritt gemächlich hinters Haus, um sich in die Fluten zu stürzen. Von weit her hörte ich wie sie starb. Nun gut, wahrscheinlich war ich auch tot, dann würden wir uns ja bald wieder sehen. Meine Sinne schwanden. Mein Herz schlug noch immer. Kapitel 8: Ein Wiedersehen und ein Todesfall -------------------------------------------- So hier ist es nun, das achte Kapitel. Ich widme es hiermit Raziel, die dieses wundervolle Bild gemalt hat, dann Black_Taipan aka Mi-chan und Draganis. Danke, dass ihr so fleissig lest. Viel spass. Kapitel 8 Ein Wiedersehen und ein Todesfall Als ich am nächsten Tag von diesem Traume erwachte, verspürte ich den Drang, spazieren zu gehen. Und so ging ich, es war mir egal, wie spät es war, ich ging einfach. Und Engel hinterher. Sie war schon vor meiner Türe gestanden, bevor ich herausgetreten war, vielleicht hatten sie Geräusche - ob nun von mir oder nicht - aufgeweckt. Ich fragte sie nicht danach, ich ging einfach. Ein unbehagliches Drücken auf meine Brust suchte mich heim, sowie ich die Wohnung verlassen hatte, es wollte mich zum Weinen zwingen, doch mein Stolz und meine Vernunft hielten erbittert dagegen. Nicht noch einmal eine Schwäche zeigen wollte ich vor meinem Gast und sofort ergriff mich eine unerklärliche Wut auf Engel. Ich hätte nicht in Worte fassen können, was mich so wütend machte an ihr, ich hätte es nicht beschreiben und in bestimmten Momenten nicht erkennen können. Es war alles verschwommen, nur das Gefühl selber schien mir klar und deutlich, es machte mich seltsam schreckhaft gegen irgendwelche Einflüsse von aussen und Engel... bekam davon nichts mit. So dachte ich jedenfalls, als wir da so schlenderten, immer weiter aus den Wirren der Stadt zu den Feldern, welche plötzlich näher waren als zuvor vermutet. Wenn ich nun so darüber nachsinne, denke ich, dass Engel es doch wusste, meinen Groll vernahm, sie entwickelte damals ein unglaubliches Einschätzungsvermögen meiner Gefühle und meiner Stimmung. Doch ich selbst konnte oder wollte dies nicht sehen, damals noch nicht. Ich kichere. Schnell laufe ich über ein Feld, in Richtung des Sees. Und der Hund hinterher, lautlos, freudig wedelnd. Meine Mutter hiess mich zuvor, nicht zu weit weg zu gehen und nicht zu sehr zu rennen, man solle den Hund nicht übermütig werden lassen. Doch das Tier macht keines Falls den Anschein, von einer Sekunde zur nächsten seine Stimmung zu wechseln fähig zu sein. Der See ist in Sichtweite, ich laufe schneller, er wirft mir ein Bellen hinterher, ehe er zu mir trottet und meine Hand mit seiner Schnauze anstubst. "Hihi, das macht spass, nicht wahr?" Ich knie mich nieder zu ihm, der Weg ist nicht weit. Plötzlich beginnt er, laut zu knurren, kurz darauf setzt das drohende Bellen ein, ich schrecke zurück und schnaube ihm ein "Aus!", zu, "Lass das Kläffen sein!" "Wie? Heisst, das du hörst mir nicht zu?!" Ein ironisch verwundertes Gesicht streckte sich mir entgegen. Hatte ich etwas gesagt? Hatte ich es laut gesagt? Wie es sich herausstellte, hatte Engel mit allen Mitteln versucht, mich in ein Gespräch zu verwickeln, hatte gedrängt, ich solle mit ihr reden, ehe ich sie dann so schroff zurückgewiesen hatte. Schon wieder waren Erinnerungen aus weiter Ferne in mein Bewusstsein zurückgekehrt, so dass ich dies nun noch stärker mit Engels Gegenwart in Verbindung brachte, auch wenn ich es mir nicht erklären konnte. Auf jeden Fall war ich genau zur richtigen Zeit aus meiner Tagträumerei erwacht, eine Minute mehr und ich hätte nasse Füsse bekommen. Und das im wörtlichen Sinne, der See war näher gerückt als es mir lieb war, ich wollte da eigentlich gar nicht hin. Hatte ich mich also einfach von meinen Gefühlen hier her leiten lassen? Nun denn, einmal drum herum würde nicht schaden, um wieder zu klaren Gedanken zu kommen, dachte ich und richtete meinen Weg gen Ufer. Engel hechtete mir nach, ihre Schritte knirschten auf dem Kiesboden. Ich schmunzelte und sah mich dem Scherz nahe, einen Stock zu werfen. Ob sie ihn holen würde? Bestimmt nicht, er hatte sich auch nie etwas aus solchen Spielen gemacht... Schnell schüttelte ich den Kopf ob meiner absurden Gedanken. Dass ich nun schon ganz offensichtliche Vergleiche zwischen den beiden zog, oder eher, es schon wieder tat, beunruhigte mich nicht weniger als das, was sich weiterhin ereignete. Immer wieder hörte ich das Bellen, nah oder fern, wir gingen am Ufer des Sees entlang, dessen Ende ich durch den Nebel nur spärlich erkennen konnte. Doch kein Hund weit und breit, kein Lebewesen in Sicht, ausser Engel. Ohne zurück zu schauen entfernte sie sich immer weiter von mir, ich machte keine Anstalten sie einholen zu wollen oder dergleichen. Und sie bellte. Nein, er bellte, nein sie, ach, ich war so verwirrt. Auf jeden Fall bellte irgend etwas und auf einmal verstummte es. Engel war stehen geblieben, keine Ahnung wie lange das schon so war. Mein Herz begann zu rasen, obwohl ich ganz gemütlich ging, Hitze stieg mir in den Kopf und wie von alleine trugen mich meine Füsse immer schneller. Schliesslich rannte ich, rannte immer hektischer, bis ich bei Engel anlangte. Sie stupste mit ihrem Fuss gegen etwas, das aussah, als sei es angeschwemmt worden. Ein genauerer Blick darauf liess all die Hitze aus meinem Gesicht weichen, eiskalt war der Schauer auf meinem Rücken. Es war ein Mensch, ein Körper, leblos verdeckte das schwarze Haar das Gesicht, die Kleider klebten an der Haut und gaben eine zierlich weibliche Figur preis. Sie war es! Mir stockte der Atem. Wie im Zeitraffer kamen alle Bilder vom Gerichtstermin wieder in mir hoch, doch nicht nur diese, auch Bilder aus dem Traum von letzter Nacht, ich sah, wie Eva Lang sich in den See stürzte... "Engel, nun hör schon auf sie zu treten!" Leicht verwirrt sah mich Angesprochene an, wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als plötzlich die vermeintliche Leiche ein Röcheln von sich gab. Sie lebte! Mein Herz tat einen Freudensprung, schnell kniete ich mich nieder und stützte Eva, half ihr sich hinzusetzen. Ihre grünen Augen blickten matt zu mir herüber. "Warum...? Warum bin ich nicht tot?" Hörte ich sie flüstern, als das Heulen der Sirenen schon ihre Stimme untermalte. Kein Wort wollte über meine Lippen kommen, aber ich hätte auch keines gewusst. Ich sass neben ihr im schaukelnden Krankenwagen und hielt ohne Ablehnung ihrerseits ihre Hand. Sie lag auf einer Bare, festgeschnallt und warm zugedeckt, unterkühlt und müde, resigniert. Engel zu ihrer Linken würdigte sie keines Blickes. Die Blonde schwieg ein angestrengtes Schweigen, hielt sich fest irgendwo am Wagen, um nicht allzu sehr durchgeschüttelt zu werden. Bedrängende Gedanken schlichen sich wie Nebel in meinen Kopf. War das wirklich Eva Lang? Wenn ja, wie hatte sie aus dem Jugendgefängnis entkommen können? Verwechselte ich sie etwa? War dieses Mädchen, welches nun in einem weissen Zimmer in ein weisses Bett gelegt wurde eine Fremde, eine völlig Unbekannte, die sich im See hatte das Leben nehmen wollen? Aber diese Ähnlichkeit... Innerlich gelähmt stand ich neben dem Krankenbett und starrte unentwegt auf diese schwarzhaarige, mir so bekannte und doch so fremde Person. Ich bemerkte nicht, wie Engel das Zimmer verliess, meine Gedanken standen kopfüber. Mir wurde schwindlig, zaghaft setzte ich mich auf die Bettkante. Dann durchzuckte mich ein Blitz, die Schwarzhaarige hatte nach meinem Arm gegriffen. Ich sah in ihren grün-blauen Augen einen flehenden Blick, welcher jedoch einen kleinen - vielleicht den letzten - Funken Stolz nicht verdecken konnte. Sie bewegte ihre Lippen, Töne entwichen ihnen, bildeten Worte, welche sich in meinem Kopf dreimal überschlugen ehe sie einen Sinn ergaben: "Bitte lass Eva Lang tot sein... lass sie sterben." Ein lauter Knall erweckte mich aus meiner Hypnose, ein Arzt stand vor mir, sich stetig räuspernd. Ich erschrak. Hatte er etwas gehört von dem, was eben gesprochen worden war? Nein, er fragte mich lediglich, ob ich die Patientin zufällig kannte und ob ich Angaben zu ihrer Person machen könne. Es sähe nämlich ganz so aus, als ob die junge Frau durch den Schock eine Amnesie erlitten hätte, aber das würde man noch genauer abklären. Lass sie tot sein... Ich wusste sofort, was zu tun war. Justitia, du wachst über mich... "Ja, das ist Justine Sinclair, meine Cousine." Der braunhaarige Doktor nickte verstehend und liess mich den Namen buchstabieren, notierte alles, was ich ihm vordichtete, Geburtsdatum, Adresse, alles. Ich gab an "Justine" sei nach einem heftigen Streit mit ihren Eltern von zu Hause weg gelaufen bei Nacht und das ich sie nun bei mir wohnen liesse, bis sich alles wieder beruhigt hätte. "Sollte man nicht ihre Eltern verständigen?", fragte er. Mir stockte der Atem. Eine seltsame Macht zwang mich zu nicken und die Telefonnummer meines Onkels herauszugeben. Der Arzt nickte abermals und bat mich aus dem Zimmer, um mich den Anruf selbst tätigen zu lassen. Die Patientin war mittlerweile eingeschlafen. Ich schluckte. Wie sollte ich meinem Onkel, meinem Vorgesetzten, dem Richter der Stadt, diese Geschichte vermitteln? Abermals wurde mir ganz schwummerig und ich taumelte kurz. Die Frage nach meinem Wohlbefinden bejahend wählte ich die Nummer. Er ging ran. Ich stammelte etwas wie: "Ich habe Justine gefunden, sie ist im Krankenhaus, hat wahrscheinlich Amnesie, werde sie bei mir unterbringen, wen das in Ordnung ist." Seinerseits kam zuerst nur ein Schweigen. Mein Herz pochte bis zum Hals. Und dann: "Ja, ich bin froh, dass du ihr beistehst. Melde dich doch später bei mir." Die Worte hallten durch meinen Kopf, ich konnte es kaum fassen. Er spielte mit. Hielt er es vielleicht für einen Scherz? Egal, in diesem Moment zählte nur, dass sie gerettet war. Ich legte auf und nickte dem besorgt und neugierig blickenden Arzt lächelnd zu. Dieser nahm mich dann etwas zur Seite und sagte jede erschütternden Worte, welche für mich im Auftrag der Gerechtigkeit so wichtig waren. "Passen sie gut auf die Kleine auf, sie ist meiner Meinung nach stark suizidgefährdet. An ihrem Handgelenk sind Überbleibsel eines sehr tiefen Einschnittes, vielleicht ein paar Monate alt." Ein Einschnitt... die Pulsadern aufschneiden... Keine Leiche... Die Pulsadern... "Unschuldig!" Sogleich traf mich ein verwirrter Blick, ich winkte ab. Plötzlich stand Engel hinter mir und forderte mich zum Gehen auf. Sie langweile sich, knurrte sie nicht ohne einen leicht eifersüchtigen Unterton in der Stimme. Ich seufzte, bedankte mich beim Doktor und meldete mich für den nächsten Tag an, um allenfalls die Kleine mitzunehmen. Und so ging ich. Und Engel hinterher. Kapitel 9: Wie Hund und Katz ---------------------------- So, nun ist das neunte da ^^ Es ist mit dem 5. eines der längsten Kapitel, wollte es eingentlich noch länger machen, aber mir gefiel der Schluss XXD Ich widme es allen Lesern ^^ Hoffe, es gefällt euch!! Kuss Dragon 9. Kapitel Wie Hund und Katz Endlich zu Hause angekommen drängte mich Engel sogleich aufs Sofa. Noch halb mit dem Ausziehen meiner Schuhe beschäftigt hüpfte ich tollpatschig quer durch das Wohnzimmer, verfolgt von Engels halb belustigtem und halb ungeduldigem Blick. Als ich es mir dann gemütlich gemacht hatte, gesellte sich meine Noch-Mitbewohnerin zu mir, wie gewohnt näher, als es mir eigentlich lieb war. Ihre hellen, blau-grauen Augen leuchteten mir entgegen und ihre Lippen zeigten ein Lächeln, welches mir mehr als nur unheilvoll erschien. Was sie wohl nun schon wieder wollte? Eigentlich wusste ich es ja, doch wahrscheinlich wollte ich es gar nicht hören, ich wollte, dass sie mich in Ruhe liess. Da war sie wieder, diese unbegründbare Wut auf Engel. Ich wollte sie ihr entgegen schreien, mit aller Kraft, die meine Lungen hergaben. "Böser Hund! Du bist ein böser Hund, böser, böser, böser Hund!" Mutter weint und schreit, immer wieder klopft sie ihm mit der Hand auf die Schnauze. Ihre Tränen behindern ihre Sicht. Doch wo bin ich? Wo bleibt mein Gefühl? Träume ich? Allmählich seufzte ich und riss mich zusammen. Ich durfte diese Gedanken nicht überhand nehmen lassen. Ich durfte nicht. Dann bemerkte ich, dass Engel schon die ganze Zeit auf mich einredete, seit etwa fünf Minuten. Es war seltsam und doch irgendwie nicht, denn es erinnerte mich an meine Arbeit. Obwohl ich ihr ganz offensichtlich nicht zugehört hatte, konnte ich mich an jedes Wort erinnern, haargenau. Sie hatte laut und schnell geredet, wie sie das stets zu tun pflegte, schien nicht einmal zu atmen während ganzen Schwallen von Sätzen. Das liess mich schmunzeln, ich kannte sonst niemanden, der so schnell sprach, ohne sich auch nur ein Mal zu verhaspeln oder sonst was. "Willst du dieses Mädchen nun echt bei dir aufnehmen? Denk noch mal darüber nach, du hast ja schliesslich mich, ich meine, ich reiche dir doch, will sagen, du hast doch keinen Platz. Ja, ja, ich weiss, ich werde bald wieder abreisen, aber trotzdem. Hast recht, ich sollte nicht so ne Szene machen, gehörst ja nicht mir, aber irgendwie schon, will sagen, in diesem Moment grad halt, und wenn Micha nicht in der Nähe ist, verstehst schon." Wie ich mir das alles so durch den Kopf gehen liess, blinzelte ich sie verwirrt und ungläubig an, überlegte dann weiter. Sie musste mich für wahnsinnig begriffsstutzig halten, so wie ich mich benahm. "Ich meine, na ja, du willst das nun doch nicht wirklich durchziehen, oder? Denk daran, du hast keinen Platz, verstehst du, und ausserdem... und ausserdem ist sie mir unsympathisch, ganz einfach. Ich weiss, ich werde sie nicht so lange ertragen müssen, aber könntest du nicht ein wenig warten, für mich, ja?" Die Erinnerung an ihren Hundeblick beendete meine Gedanken. Ich schüttelte verwirrt den Kopf, ehe ich zu einer Antwort ansetzte. Doch es sollte nicht dazu kommen, da das Telefon klingelte. Leider war Engel schneller als ich und hatte den Hörer schon in der Hand, sie murmelte etwas von wegen ich sei nicht da, und ja, ich würde sie morgen abholen. Auf meine Frage, wer es gewesen sei, meinte Engel: "Der Doktor..." Es klang viel kleinlauter als ich das erwartet hatte. "Dem Mädchen geht es bis auf die Amnesie gut, man könne sie morgen abholen." Sie zuckte die Schultern und ich schaute sie ungläubig an. Wieso mischte sie sich so sehr in mein Leben ein? Und überhaupt... hatte sie eben gesagt, ich würde ihr gehören? Ein lautes Husten entrann meiner Kehle, Engel klopfte mir sogleich auf den Rücken. Das war ein Zeichen... es wollte aus mir herausbrechen, alles, alles was ich ihr in den letzten Tagen hatte sagen wollen... "Du... du bist... du bist so..." Ich holte tief Luft, war überzeugt davon dass der pure Hass gerade in meinen Augen leuchtete. Engel duckte sich leicht zwischen ihre Schultern, hätte sie grosse Hundeohren gehabt, hätte sie diese zurückgelegt und gewinselt. "... ein böser Hund! Georg, morgen schläfern wir ihn ein, morgen!" Sie weint noch stärker, schluchzt nach jedem Wort. Dieser Stich in meinem Herz... Es tut so weh... so weh... Doch nicht, hör nicht auf! Schmerz befreit... Lass mich vergessen... Wo bin ich? Im nächsten Moment sah ich mich in ihren Armen liegen, schluchzend, weinend wie ein Schlosshund. Und nicht wissend warum. Ihre Hand tätschelte und streichelte meinen Kopf. Es war alles so wirr... Ich hatte Angst. Und wusste nicht wovor. Ihre Arme gaben mir nicht, was ich erwartete und so schluchzte ich weiter. Bis ich einschlief. Wieder nichts erreicht... wieder versagt. Mir träumte, ich fuhr mit Maggie und Micha auf einem Schiff. Er umarmte mich zärtlich, sein rotes Haar wehte im Wind... Maggie sass in einer dunklen Kammer und las in einem dicken Buch, ich spürte ihre Trauer. Das Nebelhorn ertönte laut und schon standen Micha und ich auf dem Dach eines Hochhauses. Noch immer hielt er mich fest. Seine Wärme überwältigte mich, ich schauderte und blickte zu ihm hoch in seine grünen Augen. Er bewegte seine Lippen, wollte etwas sagen, doch ich konnte ihn nicht hören, kein Ton entfloh ihm. Um uns herum schwirrten Helikopter. Eine schwarze Katze schlich um meine Beine, sie schnurrte mich an und funkelte aus blauen Augen zu mir hoch. "Nicht jetzt, süsse...", hörte ich mich selber sagen, als mit lautem Gebell ein Hund auf uns zu gerannt kam, die Katze jagend. Der weisse Koloss vergass seinen Sprint abzubremsen und donnerte in Micha hinein, welcher vom Dach stürzte. Ich schrie auf und erwachte. Im eigenen Schweiss gebadet lag ich da, ein kalter Schauer überzog meinen nackten Körper. Nackt? Ich zuckte zusammen und blickte mich um. Mein Zimmer. Mein Bett. Meine Wände. Keine Engel. Keine Kleider. Ungläubig starrte ich um mich, draussen war es dunkel. Der fahle Mondschein brannte auf meiner Haut, kalt wie Eis. Doch mein Kopf war frei, trotz des verwirrenden Traumes fühlte ich mich leicht. Eine seltsame Vorahnung beschlich mich, sogleich schwenkte mein Blick zur Tür, welche in diesem Moment aufsprang. Ich dachte gerade noch daran, mich zu bedecken, doch ich war nicht schnell genug, mich Engels Blick völlig entziehen zu können. Sie stand nun im Türrahmen, als würde sie auf etwas warten. Sie trug einen weissen Bademantel. Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht sah sie das als Aufforderung, auf jeden Fall gesellte sie sich darauf hin zu mir, setzte sich an meine Bettkante. Schnell verkniff ich mir die Frage, warum ich keine Kleider trug, denn als die Worte meine Zunge berührten, spürte ich ihren bitteren und beschämenden Geschmack. Und so schwieg ich. Ich blickte Engel einfach nur an, wie ein Schlag kam die Erkenntnis, dass nun der letzte Tag ihres Besuches bei mir angebrochen war. Es war eine kurze Zeit gewesen, aber irgendwie auch eine unerträgliche Ewigkeit. Ich musterte ihre Augen, sie waren weder tief noch geheimnisvoll, und doch strahlten sie etwas aus, das mich anzog. Wie sehr sie mich doch an ihn erinnerte... Ich wusste, dass ich mir viel zu sehr und viel zu oft den Kopf darüber zerbrach, über dieses Mädchen und ihre Ähnlichkeit mit einem toten Hund. Ja, er war tot, es gab mir einen Stich ins Herz und ich hätte schon wieder weinen können. Doch diesmal hielt ich mich zurück. Ich hätte schwören können, einen Luftzug durch das blonde Haar meines Gegenübers huschen gesehen zu haben. Aber das Fenster war zu. Also fantasierte ich. Das war schrecklich, ich schüttelte den Kopf. Spätestens jetzt hätte ich ein Wort von ihr erwartet, doch sie schwieg. Auch sie schien mich einfach nur betrachten zu wollen. Ihre Blicke streiften meine Schultern, meine Hände, mein Gesicht, alles, was nicht von der Decke, welche ich schnell um mich gerafft hatte, verhüllt war. Ich schluckte. Mein Zeitgefühl war völlig dahin, ich wusste nicht, ob die Sekunden, die vergingen, nicht in Wirklichkeit Stunden waren... Es wurde schnell hell. Wir sassen noch immer da. Wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich eigentlich über ihre Distanziertheit überrascht sein sollen. Aber in diesem Moment dachte ich eigentlich an gar nichts. Ich weiss nicht, ob das wirklich möglich ist, nichts zu denken, aber ich erinnere mich einfach an nichts... Vielleicht ging es ihr gerade genauso. Ein gellender Schrei durchbrach meine Sinne. Es war mein eigener. Ich war so erschrocken vom unangemeldeten Klingeln an der Türe, dass ich zusammengezuckt war und zu schreien begann. Das dauerte jedoch nur einen kurzen Moment, ehe ich mich beruhigte und Engel entschuldigend ansah. Es hatte geklingelt? Schnell verwehte ich meine Gedanken und stand auf. Ich wollte schon zur Türe eilen, da durchfuhr mich Engels verlegenes Hüsteln. Ich blickte an mir herunter. Nackt, wie Gott mich schuf, stand ich mitten in meinem Zimmer, die Morgensonne beleuchtete meine immerhin doch vorhandenen Rundungen. Abermals schluckte ich und rupfte einige Kleider aus meinem Schrank, die ich hastig anzog und dann stürzte ich hinaus in den Flur. Bevor ich die Tür öffnete, machte ich noch den Versuch mein wild zerwuscheltes Haar zu glätten, was mir jedoch nur in sehr unbefriedigender Weise gelang. Wie in Zeitlupe bewegten sich die Scharniere, ich trat einen Schritt zurück. Als erste erblickte ich Eva Lang, nein, Justine, welche mit unbeweglicher, melancholischer Mine da stand. Hinter ihr trat der rote Haarschopf Michas zum Vorschein. Ich traute meinen Augen kaum, der Anblick der beiden überraschte mich je einzeln sowie zusammen. Dann musste ich lachen und bat die beiden mechanisch herein. Engel sass inzwischen auf dem Sofa und schien doch tatsächlich zu knurren, als Justine die Wohnung betrat. Diese zuckte kaum mit der Wimper und liess sich von Micha und mir durch das Wohnzimmer geleiten. Alle drei setzten wir uns auf die Couch. Micha umarmte mich freundschaftlich, ich errötete und plötzlich löste sich in mir der Knoten des Schweigens. "Was machst du denn hier?" Micha strubbelte mir über den Kopf, so dass all meine vorherigen Bemühungen wieder für die Katz waren. "Du weißt doch, dass Maja im Krankenhaus arbeitet. Sie hat das mit deiner Cousine mitgekriegt und hat mich dann beauftragt, sie sicher zu dir zu bringen, Becky." Dann musterte er die Schwarzhaarige, danach mich. Ich sah ihm genau an, was er dachte: Wir beiden sähen uns überhaupt nicht ähnlich. Aber das mussten Cousinen ja auch schliesslich nicht. Ich musste unwillkürlich grinsen. Schliesslich schüttelte ich den Kopf. "Na ja, danke.", meinte ich knapp. Ich konnte einfach nur hoffen, dass Micha keine dummen Fragen stellen würde. Natürlich könnte ich ihm vertrauen, ich könnte ihm alles anvertrauen, meine ganze Lüge, all die vielen Gedanken von den letzten zwei Wochen. Doch nicht jetzt. Hoffentlich würde es keine Missverständnisse geben deswegen... Justine war derweil unter eine Salve von argwöhnischen Blicken geraten, welche sie jedoch mit einer solchen Gelassenheit von sich abprallen liess, dass man sie schon fast für arrogant halten konnte. Doch das konnte ich nicht, ich fand sie dazu viel zu niedlich. Engel, welche diese kanonenschussgleichen Blicke abfeuerte, schien alles andere als ruhig zu sein. Ihre Oberlippe zitterte kaum merklich und ohne ein Geräusch von sich zu geben. Meine Laune hob sich und ich sah mich kurz davor, Engel unter den Couchtisch zu verbannen mit einem lauten: "Geh auf deinen Platz!" Ich kicherte hinter vorgehaltener Hand und Micha zog mich herrisch an sich. Leise seufzend genoss ich seinen Geruch. Ich lauschte seinem Herzschlag. Er lebte. In meinem Traum war er vom Hochhaus gefallen... wie schrecklich. Doch es war nur ein Traum. Ein leises Räuspern liess mich um mich blicken. Justine knetete ihre Hände in ihrem Schoss. "Ich...eh... das da bedrängt mich!" Sie stotterte und kniff ihre Augen fest zusammen, ihre Hand deutete langsam auf Engel. Micha machte keine Anstalten, sich das laute Prusten zu verkneifen. "Zum Schreien, ,das da'." Er klopfte seinen Schenkel. Ich warf Justine einen gezwungen und auch sehr gespielt rüber kommenden strengen Blick zu. "Sie ist hier genauso Gast wie du..." Plötzlich fiel mir ihre Amnesie ein. Ich lehnte mich zu meiner mehr oder weniger Cousine herüber. "Kannst du... dich an irgendetwas erinnern? An mich vielleicht?" Sie wog ihren Kopf hin und her. "Ja, du hast mich ins Krankenhaus gebracht... auch an meinen Namen erinnere ich mich, an meinen Vater auch ein wenig." Ich lächelte sie zufrieden an, obwohl ich innerlich sehr unsicher war. Micha war inzwischen aufgestanden um sich einen Kaffee in der Küche zu machen. Es war bei uns Gang und Gäbe, dass er in meiner Wohnung umherwerkelte, als wohnten wir schon seit Jahren gemeinsam darin. Plötzlich horchte ich auf, es war Justines Frage, welche das Grinsen auf meinem Gesicht augenblicklich verblassen liess. "Wo ist der Hund?" "W- welcher Hund?" "Na... am See... ich erinnere mich schwach, bevor du mich gewärmt und gestützt hast, war da ein Hund, der mich angestupst hat und angesabbert..." Ein heisskalter Schauer überflutete mich. Ich schüttelte vehement den Kopf. "Nein, kein Hund!" Sie hob eine Augenbraue und wich etwas vor mir zurück. Kam ich zu aggressiv rüber? Ich senkte resignierend den Kopf und entschuldigte mich. Sie winkte ab und rückte wieder näher zu mir, legte ihren Kopf vertrauensselig an meine Schulter. Es war ein mulmiges Gefühl, dieses Mädchen so nah bei mir zu spüren. Sie war mir doch so fremd... Doch ich wusste, dass ich ihr zum ersten Schritt in ein neues Leben verholfen hatte und ich war überzeugt davon, das Richtige getan zu haben. Also musste ich spielen. Und das konnte ich ja... ich war sogar gut. Ich grinste in mich hinein und streichelte Justines Wange mit meinen Fingerspitzen, während Engels Schnauben erklang. Als sich Micha mitsamt Kaffee wieder zu uns dreien gesellte, wandte sich die Blonde sogleich an ihn. Ein trotziger Unterton durchzog ihre Stimme. "So, du bist also mit Rebecca zusammen, ja? Ich meine, das braucht dir nicht peinlich zu sein, wäre ich ein Mann, wäre ich auch gerne mit ihr zusammen, will sagen, möchte halt nur wissen ob das stimmt und so... bist ja ganz ein lieber, aber glaubst du nicht, du solltest sie etwas weniger einengen?" Michas Kaffe verteilte sich, begleitet von einem spritzenden Prusten, über den gläsernen Couchtisch. Die Röte schoss ihm ins Gesicht, er hustete kurz, dann antwortete er: "Nein, nicht doch, wir... sind nur gute Freunde..." Es klang mehr nach einer Frage als nach einer Aussage, das liess mich schlucken. Dann nickte ich und mischte mich ein. "Ja, nur gute Freunde. Das reicht ja wohl, oder?" Micha nickte wild und Engel grinste, scheinbar zufrieden darüber, uns verunsichert zu haben. Wie automatisch streichelte ich Justine weiter, welche schon halb über meinem Schoss lag und es sichtlich genoss, den Trubel um sie herum ignorierend. Was für ein gelassenes Gemüt, dachte ich schmunzelnd und stellte in ihr das genaue Gegenteil von Engel fest. Kapitel 10: Mit Herz und Hand ----------------------------- So, da ist es endlich! Es hat verhältnismässig lange gedauert, aber es ist auch ein verhältnismässig gutes und eher längeres Kapitel ^^ Wer meine Geschichte "Thoughtless" kennt, wird in diesem Kap eine Paralelle entdecken, die ich jetzt noch nicht verrate ^.- Ich widme das Kapitel... ehm... NaokoTori, die es hoffentlich irgend wann einmal lesen wird^^ Hoffe es gefällt euch, ich mag es sehr gerne ^^ Viel Spass Eure Dragon 10. Kapitel Mit Herz und Hand Einkaufen mit Mädchen musste der Horror sein. Jedenfalls stellte ich mir das immer schrecklich vor, obwohl ich selber eines bin. Micha tat mir leid. Er trottete in gutem Abstand hinter uns dreien her und schleppte die Tüten. Eigentlich war es mir gar nicht so wohl, ich fühlte mich eingeengt zwischen Engel und Justine, welche jede auf ihre Art um meine Aufmerksamkeit zu buhlen schienen. Es erschien mir wie eine Zwickmühle, zum einen waren da die beiden Mädchen, zum anderen Micha. Egal, an wen ich mich wandte, irgendjemanden störte es immer. Es war zum verrückt werden. Also entschloss ich mich, gar nichts zu sagen. Micha gab ein leises Stöhnen von sich, was mir ein Grinsen entlockte. Er war ja so arm dran... Als wir an einem Buchladen vorbeikamen, erspähte ich schon nach einem kurzen Blick durchs Schaufenster Maggie, welche an der Theke stand und gerade eine alte Dame bediente. Ich traute meinen Augen kaum. Micha trat mir auf die Hacken, weil ich unverhofft stehen geblieben war und die beiden Mädchen drehten sich nach mir um. Auch Micha starrte nun in die Buchhandlung hinein. Schliesslich grinste er. "Wusste gar nicht, dass sie heute Schicht hat..." Mein verwunderter Blick streifte ihn nur flüchtig, denn schon trat er durch die automatische Schiebetür in den Laden, schlich sich von Maggie scheinbar unbemerkt hinter die Theke und klopfte ihr auf die Schulter. Die lockenköpfige Neunzehnjährige wirbelte herum und trat dem Jungen auf den Fuss, worauf dieser leise aber theatralisch vor Schmerz zusammenzuckte. Ich bemühte mich, nicht überrascht zu sein. Schliesslich wusste ich ja, dass Micha die Schwarzhaarige viel besser kannte als ich, wahrscheinlich auch besser als jedes andere Mitglied der dunklen Gruppe. Wie angewurzelt stand ich noch da, als auch Engel und Justine in den Buchladen eintraten und sich um Maggie scharten. Dann schüttelte ich den Kopf und ging ihnen nach, setzte ein strahlendes Lächeln auf. Und dieses war sogar echt. Ich freute mich, Maggie zu sehen. Diese nahm mich aber nicht wirklich wahr, zu beschäftigt war sie damit, all die Besucher und ihre Kunden unter einen Hut zu bringen. Sie wirbelte leicht mit den Armen, alles in rechte Bahnen zu lenken versuchend, bis Micha nach ihrer rechten Hand griff und diese sanft festhielt. Unwillkürlich biss ich mir leicht auf die Unterlippe, beobachtete Maggies Gesicht. Sie lächelte leicht und strich mit der freien Hand ihr Haar zurück. "Gleich ist meine Schicht zu Ende, geht doch schon einmal ins Café oder so, ich komme dann nach.", zwinkerte sie dann. Ein breites Grinsen schlich über meine Züge. Micha nickte, als plötzlich ein lautes Poltern zu hören war. Nach kurzem Umschauen sah ich dann Justine, welche sich mit dem Rücken an ein Bücherregal presste und so einige schwere Exemplare herausfallen liess. Ihre Augen funkelten drohend und ihre Finger zitterten verkrampft. Ihr gegenüber stand Engel, die wohl die Ursache für diese Szene war. Ich schüttelte den Kopf, konnte nicht verstehen, was das sollte. Mit einem entschuldigenden Blick gen Maggie trat ich auf die beiden Mädchen zu, griff Engel sachte und doch bestimmt an die Schulter. "Lass den Quatsch.", raunte ich und rollte die Augen, während ich Engel mit etwas stärker werdendem Druck an mich - und somit von Justine weg - zog. "Und du auch." Maggie und Micha standen unterdessen wie gebannt hinter dem Kassentresen, die Augen des Rothaarigen füllten sich mit Tränen, so sehr musste er sich das Lachen verkneifen. Als sich Justine von dem halb ausgeräumten Regal entfernt hatte, kniete ich mich nieder, um die Bücher aufzuheben. Binnen Sekundenbruchteilen halfen sechs Frauenhände mit. Zwei davon waren hell, die Nägel nicht zu lang, die kleine, runde Form der Hand erinnerte mich an eine Tatze. Ein anderes Händepaar kam in mein Blickfeld, es hob gerade ein dickes, schweres Buch auf. Ihre Haut war blass, nicht von gesundem rosa Teint wie die anderen, sondern beinah schneeweiss, die Finger waren lang und zierlich und die Nägel waren kurz und spitz gefeilt, ich konnte förmlich diesen dünnen Grat zwischen zärtlicher Berührung und schmerzendem Kratzen fühlen, welcher wohl von diesen Händen ausging. Die angrenzenden Arme waren bis zum Handgelenk unerbittlich unter langen, grauen Ärmeln versteckt. Und dann waren da noch zwei weitere Hände. Sichtlich gut gepflegt glitten sie bei jeder ihrer hauchzarten Bewegungen dahin, die Finger waren lang und schienen kräftig und weiblich zugleich, ein helles Rot zierte die Fingernägel, auf welche die Besitzerin wohl akribisch achtete. Einmal drehte sich eine ihrer Handflächen mir zu und ich erkannte vier kleine, kaum sichtbare, kurze Narben in ihr, sie schienen frisch oder einfach nicht gut verheilt. Ich stutzte und erschrak umso mehr, als sich ein neues Händepaar einmischte, sich an meine Schultern legte. Stark und männlich, die Fingernägel natürlich kurz. Ich schauderte und erhob mich. Alle Bücher waren wieder an ihrem Platz, kaum fünf Minuten waren vergangen und ich war so versunken gewesen, dass ich einfach in meiner kauernden Position verharrt war. Ich zeigte ein verlegenes Grinsen und dann gingen wir, ohne Maggie, aus dem Laden heraus, winkten und nickten ihr zum Abschied, welcher ja nicht für lange sein sollte. Vom Eingang des Buchladens aus konnte man schon das Café sehen, welches dicht bei einer Nebengasse stand. Wir näherten uns rasch und zielstrebig dem Lokal, über dessen Tür ein Schild hing: 'The Green Cat'. Eine solche grüne Katze schmückte jeden Fenstersims als handgefertigte Porzellanfigur. Ich zwinkerte Engel zu, welche das Café schon aus einer ihrer Prüfungen kannte und als wir eintraten, griff ich nach Justines Hand. Hinter mir hörte ich Micha seufzen, endlich könne er die schweren Tüten abstellen. Der Raum an sich war ziemlich düster aufgrund der dunkelgrün getönten Fensterscheiben. Antik aussehende Fackeln beleuchteten die braunen Wände und die daran hängenden, grossen Gemälde. Es schien alles fast ein bisschen unheimlich, wären da nicht die vielen kleinen, runden Tische mit zwei bis vier Stühlen darum, die überall im Raum standen und die freundlich aussehenden Leute, die da sassen. Der perfekte Ort für Mitglieder der dunklen Gruppe. Ein kurzer Moment des Umschauens nach einem freien Tisch verstrich und dann setzten wir uns an einen Tisch an der Eckbank, so dass Maggie später noch Platz finden könnte. Ein Kellner mit schulterlangem, braunem Haar und einem schönen, weissen Hemd kam auf uns zu. Ich erkannte ihn sofort. Claude, ein Weiberheld sondergleichen, gerade in der Ausbildung zum Koch und trotzdem von eher wehleidigem Gemüt. Er war auch Mitglied in der dunklen Gruppe und hatte uns schon einige Neuzugänge beschert, meistens Mädchen. Michas Blick traf ihn schneidend, als Claude mir übers Haar wuschelte, auch Justine warf ein Schnauben nach dem 18Jährigen und Engel schien dem Aufstehen nahe, um ihm eine rein zu hauen. Ich kicherte und strich mir meine Frisur wieder zurecht. "Na, die Damen, was darfs denn sein?" Er zwinkerte und Micha räusperte sich gut hörbar. Ich warf ihm einen strengen Blick zu und lächelte dann zu Claude. Er zückte seinen kleinen Notizblock und machte seinen Kugelschreiber bereit, schaute uns erwartungsfroh aus hellbraunen Augen an. Nach kurzem Überlegen bestellte ich einen Green Cat - Kaffee Spezial, mit viel Zimt und ein Bisschen Schokolade und riet Engel davon ab, sich auch einen zu bestellen. Ich hielt es für gefährlich, dem kleinen Wirbelwind Zucker sowie Koffein zuzuführen, wer konnte schon wissen, wann es zu viel war und sie völlig durchdrehte? Zu meinem Erstaunen nickte sie bloss und bestellte sich etwas anderes sowie ein Eis. Micha überlegte lange, zu lange, meiner Meinung nach. Ich hätte zu gerne gewusst, woran er wirklich dachte. Ob er wohl die Ermordung Claudes mittels eines Kaffeelöffels plante? Er hatte den Braunhaarigen schon oft als "aufdringlichen Schleimer" bezeichnet, nicht zuletzt weil dieser offensichtlich ein Auge auf Michas Schwester geworfen hatte. Inzwischen hatte sich Justine mit glänzenden Knopfaugen ein Glas Milch bestellt, unter dem überaus amüsierten Schmunzeln von Claude und einem leicht angewiderten Blick von Engel. "Ein Glas Milch für das Kätzchen, soso?" Claude streichelte sie förmlich mit seinen Blicken, so dass ich breit grinsen musste und für Micha ebenfalls einen Spezialkaffee bestellte, da dieser so sehr in Gedanken versunken schien. Das "Kätzchen" schien das Ganze reichlich wenig zu stören, mit der Gelassenheit eines Anglers blickte sie weder angetan noch abgeneigt zum Kellner hoch, leicht nickend. Unter dem Tisch berührten sich unsere Hände kurz. Schnell nutzte ich die Gelegenheit, um mit meinem Daumen über ihren Handrücken zu fahren, als ob ich sagen wollte, dass alles gut war. Ich wollte ihr Stärke geben, da ich trotz ihrer Ruhe spürte, dass sie sich innerlich noch immer fürchtete. Der Kellner verschwand schliesslich in den hinteren Räumen des Cafés und ich hörte Micha aufatmen. Da ich zwischen Justine und Engel sass, konnte ich weitere Übergriffe Engels gut im Keim ersticken, mit einem festen Blick, einem mahnenden Wort. Sie liess einfach nicht davon ab, der Schwarzhaarigen scheinbar Angst einzujagen, sie zu triezen, bis diese plötzlich mit wutentbrannten Augen vorne um mich herum griff und Engel ihre Fingernägel in den Rücken der auf dem Tisch liegenden Hand schlug. Die Blonde schrie auf und erhob sich ruckartig, ich zog geistesgegenwärtig Justines Krallen beiseite. Ich fuhr mir mit den Händen durchs Haar, seufzte tief. "Mit euch kann man nirgendwo hingehen.", keuchte ich entnervt und stand von meinem Stuhl auf, legte einen Arm um Engel und ging mit ihr zur Toilette, während Micha bloss verdutzt den Kopf schüttelte und Justine einen fragenden Blick zuwarf. Diese leckte sich die Lippen und begutachtete scheinbar gelangweilt ihre Fingernägel. Im Toilettenraum des Green Cat lehnte ich mich an eine Wand und schaute mich im Spiegel kurz an, mit hoffnungslos zerwühltem Haar und müden, braunen Augen. Engel hielt ihre schmerzende und leicht blutende Hand unters Wasser eines Waschbeckens. Ich verkniff mir jeglichen Kommentar. Natürlich hätte ich ihr sagen können, dass sie es provoziert hat oder Ähnliches, was ja auch stimmte. Aber ich wusste, dass es nichts bringen würde. Sie war jetzt zu aufgekratzt - und das im wörtlichen Sinne - als dass sie auch nur ein Fünkchen Vernunft hätte für mich und meine Anliegen aufbringen können. Ich wusste, dass es falsch war, sie in den Arm zu nehmen, doch ich glaubte, dass sie das brauchte. Und ich glaube es noch jetzt. Als wir gemeinsam zum Tisch zurückkehrten, fanden wir zwei Veränderungen vor: Maggie war inzwischen hinzu gestossen und hatte sich neben Micha ans Fenster gesetzt und Justine sass nun zu seiner Linken auf der Bank. Ein leises Schmunzeln huschte über meine Züge und ich grüsste Maggie zum zweiten Mal an diesem Tage mit einem Nicken. Engel umarmte sie stürmisch über den Tisch hinweg und setzte sich dann wieder neben mich auf ihren Stuhl. Nur wenige Momente später - es hatte noch nicht einmal ein richtiges Gespräch entstehen können - kam unser Kellner mit elegantem Schritt aus der Küche, ein voll beladenes Tablett auf einer Hand sicher balancierend. Sogleich als er Maggie erblickte verbreiterte sich sein Grinsen noch, ich war erstaunt, dass das überhaupt möglich war. Mit routinierten Bewegungen verteilte Claude unsere Bestellungen, wobei er wohl Micha völlig verdrängte. "Maggie, meine Schönheit, mein Mond am finstren Nachthimmel, meine...", schwärmte er und stellte ihr den Kaffee hin, welcher eigentlich für den Rothaarigen gedacht war und dieser somit leer ausging. Maggie lächelte friedlich und nickte Claude zu, während Micha ein mehr als missmutiges Räuspern von sich gab. Die schwarzhaarige Chefin der dunklen Gruppe bestellte sich ein Wasser, scheinbar unberührt von Michas lodernder Aura. Auf der Stelle drehte sich Claude auf dem Absatz und flitzte in die Küche. Ich konnte mir ein Schmunzeln wirklich nicht verkneifen, als Maggie mit unveränderter Miene die ihr zugewiesene Kaffeetasse zu Micha herüber schob. Ihre Finger waren so elegant... Mit einem leichten Kopfschütteln hielt ich mich davon ab, auf ihre Hände zu starren und lehnte mich zurück, den Gesprächen lauschend. Micha regte sich tödlich über Claude auf, Engel regte sich über Justine auf und Justine und Maggie sassen gelassen da, man hätte sie fast für Schwestern halten können, beide hatten sie diesen ernsten Ausdruck. Nur, dass er bei Maggie geübter und lockerer wirkte, was ich aber dem Altersunterschied von drei Jahren zwischen den beiden zuschrieb. "Genau!", sagten Micha und Engel wie aus einem Munde und reichten sich die Hände. Ich grinste und konnte mir schon denken, worin sie sich einig waren. Im Meckern waren die beiden absolute Spitze. Wieder durchschoss mich der leicht bitter schmeckende Gedanke, dass Engel heute abreisen würde. Ich würde sie dann nur noch an den Treffen sehen, vielleicht auch mal ausserhalb, aber das eher höchst selten. Trotz allem fühlte ich mich draussen alleine mit ihr nicht wohl, alleine Gassi gehen ist langweilig... Aber was dachte ich denn da?! Ein leises Kichern entfuhr mir und sogleich zuckte ich zusammen, da eine Hand sich an meinen Rücken legte. Ich schaute um mich, Claude war wieder da und brachte Maggies Wasser. Er streichelte, für die anderen so gut wie unbemerkbar, meinen Rücken, die zärtliche Berührung liess mich schaudern. Eine Strähne meines rotbraunen Haares fiel mir störend ins Gesicht und ich strich sie weg. Micha, welcher mir schräg gegenüber sass, funkelte drohend zum Kellner und murmelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. Als Claude einige Minuten später noch immer da stand und Maggie stetig zuzwinkerte und mit Komplimenten um sich warf, zischte er: "Musst du nicht eigentlich arbeiten?!" Aber ich wusste, dass er eigentlich so etwas sagen wollte wie: ,Scher dich zum Teufel.' Claude grinste ihn offen an und erwiderte, nein, er müsse nur dann arbeiten, wenn er gebraucht würde. Daraufhin schnaubte der andere und nickte zu einem Tisch am andern Ende des Raumes, wo zwei Damen schon seit einer Viertelstunde wie wild winkten, um einen Kellner zu bekommen und schon leicht verärgert aussahen. Der Braunhaarige schluckte und zupfte sich seinen Pferdeschwanz zurecht, welchen er zum Arbeiten immer trug. Dann grinste er wieder, diesmal etwas weniger selbstbewusst und huschte zu den Kunden, zückte seinen Block. Wie ich mir denken konnte, versuchte er mit seiner charmanten Art, die Damen zu beruhigen, wahrscheinlich versprach er ihnen einen Kaffee aufs Haus. Ich rührte mit dem Löffel in meinem bald nicht mehr so heissen Kaffee herum und betrachtete scheinbar fasziniert den Schaum. Engel lehnte sich zu mir herüber und begann mir Fragen zu stellen, welche ich alle so knapp als möglich mit "Ja, nein, vielleicht" und Ähnlichem beantwortete. Für längere Antworten hätte sie mir ohnehin keine Zeit gelassen zwischen ihren endlos langen Sätzen ohne Punkt und Komma. Dass sie dazwischen noch ihr Eis essen konnte, schneller als so mancher, der dem Verhungern nahe war, schien mir ein Rätsel. Inzwischen beobachtete uns Maggie mit regem Interesse, bis sie in einer der seltenen Sprechpausen Engels das Wort an mich richtete. "Ihr kamt also gut miteinander aus, die zwei Wochen?" Sie schmunzelte zärtlich. Ich nickte bloss knapp, verschwieg ihr die kleinen nächtlichen Eskapaden. Dann fragte sie mich, ob sie mich das nächste Mal von Anfang an für die Urlaube zur Verfügung stellen sollte. Meine Augen leuchteten auf. Diese Frage war wie ein Heiratsantrag für mich, oder zumindest vergleichbar. Bald würde ich wieder viel mehr Zeit haben, da mein Praktikum abgeschlossen war und ich wieder zum Studentenalltag zurückkehren würde. Ich musste gar nichts sagen, Maggie spürte, wie meine Antwort lauten würde und lachte leise mit sanfter, tief-weiblicher Stimme, ihr Kopf neigte sich leicht zur Seite. Einige Strähnen ihres krausen Haares fielen sanft über ihre Schulter und verdeckten ihr linkes Auge. Ich nippte am Kaffee und wandte den Blick nicht ab von Maggie, um welche die Fragen in meinem Kopf gerade schwirrten. "Und was machst du sonst so?", fragte ich dann. "Studieren... genau wie du, stimmt's?" Ich hob eine Augenbraue. Sie studierte? "J... ja, stimmt...", stotterte ich verunsichert, "Was studierst du denn?" Sie kicherte. "Da kommst du nie drauf..." Sie zeigte mir ein vergnügtes Zwinkern. Ich grübelte. Was könnte es sein, etwas, das man ihr nie im Leben zutrauen... Ich riss meine Augen weit auf und lachte dann. "Theologie?", hakte ich scherzhaft nach. Wider meiner Erwartungen nickte sie. Ich konnte mir diese Frau beim besten willen nicht in einer Kirche vorstellen, zumal unsere dunkle Gruppe von solchen Institutionen eher noch für böse gehalten wurde. Aber etwas Priesterähnliches hatte sie schon an sich, wenn sie eine Rede hielt, oder wenn sie die wichtigen Worte beim Blutritual sprach... das musste ich zugeben. Wir verlangten die Rechnung, Micha und ich teilten sie untereinander auf und ich legte, als der andere nicht hinschaute, ein nettes Trinkgeld für Claude auf den Tisch. Beim Vorbeigehen zwinkerte ich ihm zu, er winkte uns und warf mit Luftküssen um sich. Wieder draussen ging ich abermals zwischen Engel und Justine her, Micha und Maggie hielten sich etwas hinter uns. Gerade, als ich meinen Schritt für einen Moment schneller gestaltete, hatten sich wohl beide Mädchen in den Kopf gesetzt, nach meiner Hand zu greifen, doch stattdessen berührten sie sich gegenseitig, drehten die Köpfe und sagten wie aus einem Mund: "Becky...." "Hmm?", machte ich und drehte mich zu den beiden, welche einander nun entgeistert anstarrten und sofort die Hand der anderen losliessen. Ich musste breit grinsen und vernahm Michas Prusten hinter uns. Am Bahnhof angekommen holten wir Engels prall gefüllte Reisetasche aus einem Schliessfach. Die Blonde würde heute einen anderen Zug nehmen als ich. Wir umarmten uns, das Herz war mir schwer. Der Zug rollte an. Engel stieg ein. Die Maschine setzte sich wieder in Bewegung und ein Teil meines Herzens rollte mit ihr hinfort. Und ward nie wieder gesehen. Vielleicht hat sie ihn behalten, diesen kleinen Teil, doch wahrscheinlicher ist eher, dass er sie gar nicht erst erreicht hat. Wäre es sonst so weit gekommen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)