Die Argoth-Chroniken: Zikél von Alaska ================================================================================ Kapitel 4 --------- Titel: Die Argoth-Chroniken: Zikél Teil: 04/?? Autor: Alaska & BlueMercury Genre: Fantasy, Drama Warnung: Gewalt, Sex, Depri, Zucker (die Warnungen gelten jeweils nur für einzelne Kapitel, also nicht abschercken lassen ^^) Kommentar: So, hier gibt es Kapitel 4. Ich hab mich entschlossen schon mal etwas schneller hochzuladen, damit es voran geht. Wir stehen ja erst am Anfang und bei meinem Tempo dauert es sonst noch ewig, bis alles da ist. Also werde ich jetzt erst mal die Teile 4, 5, 6 hochladen. Nächste Woche bin ich nicht da, also gibts dann nichts neues, aber am Sonntag lade ich dann den Rest, also 7 und 8 (vielleicht sogar 9?) hoch. An dieser Stelle, will ich mich dann auch gleich noch mal bei all unseren lieben Kommi- Schreibern bedanken. Es freut uns sehr, dass euch die Story gefällt. Für alle begeisterten, hier noch ein kleiner Hinweis ^^ Blue und ich haben einen WB zu den Chroniken gestartet, in dem ihr unsere Lieblinge zeichnen sollt. Dabei sind euch keine Grenzen gesetzt. Hier gehts zum WB: http://animexx.4players.de/fanarts/wettbewerbe_alt/?doc_modus=detail&id=17175 So, nun viel Spaß beim Lesen und Kommentieren (und Zeichnen ^^) ~4~ Ohne irgendwelche lästigen Zwischenfälle entkam Zikél aus der Stadt und versteckte sich erst einmal im Wald. Zunächst musste er sich orientieren, denn wenn er blind drauf los rannte, würde die Rückreise doppelt so lang dauern. Zum Glück verdankte er es seinem Instinkt, dass er immer wieder nach Hause fand, egal an welchem Punkt der Welt er sich befand. Es war wie ein inneres Band, dass ihn zu den Leuten führte, die er liebte. Nach einer Stunde auf einem hohen Ast, von dem aus er guten Blick auf das umliegende Gelände hatte, konnte Zikél sicher sein, dass Leonidas ihn nicht verfolgen ließ, obwohl er Nitta wohl kaum bemerkt hätte. Trotzdem machte er sich nun auf den Weg. Der unebene Waldboden unter seinen Füßen machte ihm nichts aus, er hatte viele Streifzüge ohne Schuhe unternommen, als er noch jünger war. Tama-i waren gute ausdauernde Läufer und selbst wenn seine Sohlen durch Dornen oder Steinchen aufgerissen werden würden, konnte er sie von seinen Vätern versorgen lassen. "Ich komme, Jalla... bald bin ich wieder bei euch." Zikél schätzte die Dauer seiner Reise auf fünf bis sechs Tage, wenn es keine Komplikationen gab. Der Sklavenhändler war, bevor sie in diese Stadt gekommen waren, viele Umwege gefahren, um bestellte Ware auszuliefern oder neue zu fangen, weshalb sie fast zwei Wochen unterwegs gewesen waren, doch nun würde es schneller gehen. Er wusste, wo er war und wo er hin wollte. Er war frei und konnte das Tempo bestimmen, nicht so ein Paar stinkender Pferde. Das Gewackel des Wagens hatte ihm doch sehr missfallen und er schwor sich, nie wieder eines dieser Tiere in Gebrauch zu nehmen. Die Durchquerung des Waldes dauerte zwei Tage. Da er in ähnlichen grünen Tiefen aufgewachsen war, machte ihm weder Wind noch Wetter etwas aus. Zudem gab es genügend Beutetiere, mit denen er sich stärken konnte, denn nun lag die große Ebene vor ihm, wo er lange nichts finden würde. Erst wieder in seinem Dorf, vermutete er. Auf der Ebene existierte vornehmlich Steppengras, niedriges Buschwerk und das eine oder andere reizbare Krustentier. Ungenießbar, wie er einmal festgestellt hatte. Außerdem waren die meisten giftig. Also hieß es hungern, doch das war nicht schlimm, wenn er daran dachte, wohin er zurückkehrte. Vielleicht würden sie ein Fest geben. Schließlich war er plötzlich Verschwunden und die Freude über seine Rückkehr würde sicher groß sein. Dann würde es Kaninchen geben, oder Geflügel... oder vielleicht sogar Reh! Bei dieser Vorstellung lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Zu seinem Pech knallte die Sonne direkt auf seinen müden Körper, als er am dritten Tag in der Mitte von Nirgendwo herumlief. Der leichte Trabschritt war einem schnellen Gehen gewichen und Zikél wischte sich immer wieder den Schweiß von der Stirn. Rana würde ihn wahrscheinlich erst mal in den Fluss schicken, so wie er stank. Bei der Erinnerung an die zierliche Gestalt seines Mekjahor wurde dem Blauen ganz warm ums Herz. Das dunkelbraune dichte Fell hatte ihn in endlosen Nächten gewärmt und beschützt, während die schmalen Hände seinen Nacken kraulten. Niemand konnte das so gut, wie sein Jaho. Wahrscheinlich würde er Zikél eine Woche nicht aus dem Haus lassen, aus Angst, dass ihm wieder etwas passierte. Er schmunzelte in sich hinein. Als es Abend wurde, suchte er sich ein einigermaßen geschütztes Plätzchen, an dem er sich niederlegen konnte. Ein kleiner Busch mit dichten ovalen Blättern diente dazu perfekt, und er hielt auch noch den meisten Staub ab, den der kalte Nachtwind über die Steppe wehte. Natürlich schlief Zikél nicht ganz, döste nur leicht, ruhte seine Füße aus, denn auch hier drohten Gefahren, die den sicheren Tod brachten, wenn man nicht vorsichtig war. Am fünften Tag erreichte der Tama-i endlich seinen Heimatwald, was nicht bedeutete, dass es schon Zuhause war, denn sein Dorf lag ganz versteckt, fast am anderen Ende. Doch hier konnte er wieder auf die Bäume wechseln, sich schneller bewegen, wenn er von Ast zu Ast sprang. Eine Gabe, für die ihn sein Bruder Castor beneidete, denn der große schwarze Kater war nicht wendig genug dafür. Seine Stärke lag im Bodenkampf, harter körperlicher Arbeit und... so selten es auch war... im Schwimmen. Allerdings war Zikél nicht sehr scharf auf diese Eigenschaft. Er selbst konnte es nicht und mied auch eher das feuchte Nass. Es war nicht sein Element. Der Nachteil war nur, dass die meisten Tiere in dieser Gegend schlauer waren, denn sie wussten, welche Fressfeinde ihnen gegenüber standen. Tama-i waren geschickte Jäger, töteten jedoch schnell und fast schmerzlos, da sie strikt gegen unnötige Grausamkeit waren. Ganz in Gedanken an die verschiedensten Mähler, erkannte Zikél die Gefahr in Form eines morschen Astes nicht und sprang mit seinem ganzen Gewicht darauf, was natürlich zur Folge hatte, dass dieser nachgab und mit ihm zusammen stürzte. Ein beißender Schmerz explodierte in seinem Knöcheln, als er ungeschickt darauf aufkam und zur Seite abrollte. "Verdammt..." fluchte er laut und blieb solange liegen, bis der Schmerz etwas abklang. Dann betastete er das Gelenk vorsichtig und atmete erleichtert auf. Es war nichts gebrochen, nur verstaucht. "Puh... damit komme ich noch nach Hause... es dürfte nicht mehr allzu weit sein." Mit zusammen gebissenen Zähnen rappelte er sich auf und brach die großen Zweige von dem Ast ab. Bis zu seinem Dorf würde er ihn wohl noch als Stütze benutzen können. Der Nachteil an der ganzen Sachen, neben dem beißenden Stechen bei jedem Auftreten, war, dass es nun länger dauerte. Er würde nicht vor dem Abend Zuhause sein. Warum hatte er auch nicht besser aufgepasst? Es gestaltete sich alles etwas anstrengender, doch als sich der Mond langsam aus seinem täglichen Schlaf erhob, hatte Zikél sein Dorf fast erreicht. Ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase, der ihn an verbranntes Holz und Verwesung erinnerte. Verwundert fragte er sich, ob vielleicht ein großes Lagerfeuer angezündet worden war und sie die gelungene Jagd feierten, doch dazu war es zu sehr Gestank. Leichte Sorge machte sich in Zikél breit, als er die Möglichkeit eines Brandes in Betracht zog. "Hoffentlich ist ihnen nichts passiert..." Seine Schritte wurden schneller, auch wenn sein Knöcheln schmerzte und er kämpfte sich durch das letzte Blätterdickicht, was hier besonders dicht war. Doch kaum hatte er diese grüne Wand hinter sich gelassen, erstarrte er vor Entsetzen. Vor ihm lag ein Bild der Verwüstung, des Chaos und der Gewalt. Die Hütten seines Dorfes, auf mächtigen Bäumen gebaut oder in hohlen Wurzeln, waren zerstört, zusammengebrochen, abgebrannt. Trümmer lagen überall herum, einige Holzscheite rauchten noch. Überall blickte ihm verkohlte Schwärze entgegen, ob auf dem Boden oder an den Bäumen. Einige der mächtigen Waldriesen waren gefällt oder Äste abgebrochen. Das Feuer schien alles vernichtet zu haben. Zikél konnte sich nicht bewegen, zu geschockt war er von diesem Grauen. Seine Rückkehr hatte er sich deutlich anders vorgestellt. Dann durchfuhr ihn ein Ruck und er eilte auf die Stelle zu, wo ihr Baumhaus platziert gewesen war. "Jalla! Jaho! Wo seid ihr?" rief er laut und stolperte im nächsten Moment über ein schwarzes Trümmerteil, welches sich bei genauerer Betrachtung nicht als Holzscheit herausstellte... es war ein Arm! Mit einem Schrei fuhr er zurück, als ihm der Blick zweier lebloser weit aufgerissener Augen begegnete. Nun stieg ihm auch der Gestank von versenktem Fell und Fleisch in die Nase. Mit einem lauten Würgen übergab er sich auf den Boden. Ein zweiter Blick auf den Toten zeigte Zikél, dass der Leichnam nicht völlig verbrannt war, nur die rechte Körperhälfte bis zu den Schultern. Und mit weiterem Entsetzen stellte er fest, dass er den Tama-i kannte, der da vor ihm lag. Es war einer ihrer Nachbarn. Raideen. "Bei allen Göttern..." Panisch sprang er auf und rannte weiter. "Jalla! Castor! Suma! Nein, bitte nicht... ihr dürft nicht auch..." Auf seinem Weg kam er an weiteren Leichen vorbei. Nicht alle waren verbrannt, manche erschlagen durch Holzbalken, andere hatten blutige Wunden, an denen schon die Fliegen fraßen. Als er endlich - es kam ihm wie eine Ewigkeit vor - an der Stelle ankam, wo ihre Hütte gestanden hatte, konnte der Katzenjunge erleichtert feststellen, dass seine Familie nicht erschlagen auf der Erde lag. Ihr Baumhaus war ebenso zerstört, wie jedes andere, doch nicht abgebrannt. Schnell durchsuchte er alle Zimmer, doch nichts. "Wo seid ihr? Wo, um Himmels Willen, seid ihr?" stieß er verzweifelt hervor und sank auf die Knie. Das Gesicht in den Händen verborgen, liefen die ersten Tränen über seine Wangen, die bald zu Sturzbächen des Schmerzes wurden. Die Angst umklammerte sein Herz und Zikél glaubte verrückt zu werden vor Sorge. Wo war seine Familie? Was war passiert? Unfähig auch nur noch einen Schritt zu tun, rollte er sich ganz klein auf dem Boden zusammen und schluchzte laut. ~~~ Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch er musste eingeschlafen sein, denn unerbittliches Sonnenlicht weckte ihn. Für einen Moment glaubte er, in Sicherheit zu sein, bis die Erinnerungen wieder auf ihn hereinbrachen. Gequält blickte er sich um. Bei Tageslicht wurde ihm erst das ganze Ausmaß der Verwüstung bewusst, doch er zwang sich, sich nicht weiter damit zu beschäftigen. Viel eher sollte er versuchen, einen Hinweis auf den Verbleib seiner Familie und Freunde zu bekommen. Das Dorf musste überfallen worden sein. Dafür kamen mehrere andere Rassen in Frage; ein feindlicher Tama-i-Stamm würde nicht solch eine Verwüstung anrichten oder die Toten so liegen lassen. Mit schmerzlicher Entschlossenheit unterdrückte er die Bilder der Gesichter der Ermordeten in seinem Kopf. Er würde sie später begraben. Mit langsamen, kraftlosen Bewegungen begann der Katzenjunge seine Suche auf Spuren, doch er fand nur schwarze Erde und Asche. "Sie können doch nicht vom Erdboden verschwunden sein. Hier muss es doch irgendetwas geben, dass..." Ein leises Fiepen ließ ihn aufhorchen. Verwirrt und mit einem kleinen Hoffnungsschimmer sah sich Zikél um. Gab es doch Überlebende? Hatte er jemanden übersehen? Lautlos, was mit seinem Knöcheln nicht ganz klappte, folgte er dem Laut und stand schließlich vor einer bekannten Hütte. Es war die eines Jugendfreundes seines Kemjal, der dort mit seinem kleinen Sohn gelebt hatte, doch Zikél wusste, dass es für Armidas keine Rettung mehr gab, er war tot. Er wollte sich schon wieder abwenden, da erklang es wieder, schwach, kaum hörbar. "Hallo? Ist hier noch jemand?" Er machte einige Schritte in die Ruine und dann sah er ihn. Eingeklemmt unter dem schlaffen Körper seines Vaters. "Telis!" Entsetzt stürzte Zikél auf den Leichnam zu und wälzte ihn von dem Kätzchen herunter. Armidas musste versucht haben ihn zu schützen. Schnell hob er das Junge hoch und brachte es nach draußen in den Schatten. "Telis... Telis, bist du verletzt? Tut dir etwas weh? Verdammt... was ist nur passiert?" Kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen, widmete sich der blaue Kater lieber dem Kleinen und untersuchte ihn auf schwere Verletzungen, doch er konnte nichts finden. Telis schien nur am Ende seiner Kräfte. "Gott, wie lange liegst du hier schon?" Der Kopf des Jungen rollte hin und her, als hätte er einen Albtraum und Zikél lief schnell los, um etwas Wasser zu holen. Er war selbst erschöpft von der langen Reise, aber er konnte jetzt nicht einfach still rumsitzen. Nachdem er den kleinen grauen Kater ausreichend versorgt hatte und dieser ihm benommen ein paar Wortfetzen zugeflüstert hatte, aus denen Zikél schloss, dass ihr Dorf wirklich überfallen worden war, von Menschen, und die Anderen verschleppt und wahrscheinlich in irgendeinem Steinbruch gebracht worden waren, begann er die mühsame Arbeit des Bestattens. Jeder der Toten musste anständig begraben werden, sonst würde sich seine Seele nicht mit den Wurzeln allen Lebens, der Natur, dem Wald, verbinden können. Es waren zwanzig Körper, die er fand. Und alles Freunde und Bekannte. Ihr Dorf war nicht sehr groß gewesen, so dass sich alle Familien kannten. Es brach dem Tama-i fast das Herz, sie nun hier leblos liegen zu sehen. Stumme Tränen rollten über seine Wangen, während er die Toten wusch, die Wunden verband, damit ihre Seele später keinen Schaden nehmen würde, und sie in die großen Blätter des Kahari-Baumes einwickelte. Die Augen wurden mit dem Saft der Pflanze bestrichen, um die Seele vor Räubern zu schützen. Es war mühsam, kräftezehrend und eine reine Qual. Einige Male stand er selbst kurz vor dem Zusammenbruch, nervlich, wie körperlich. Nach zwei Tagen hatte er es endlich geschafft auch die letzte Leiche auf der Begräbnisstätte zu verscharren. Um jeden Einzelnen hatte er geweint und gebetet. Zwischendurch nach Telis gesehen, der immer noch zu schwach war, um sich zu bewegen und meistens schlief. Dann brach Zikél neben dem Jungen zusammen und sank in einen unruhigen Schlaf. Doch auch am dritten Tag gönnte er sich keine Ruhe. Er musste seine Familie finden und befreien. Er hatte selbst erlebt, wie es in diesen Arbeitslagern zuging und die Vorstellung, seine Familie dort zu wissen, machte ihm Angst. Aber wie sollte er es allein schaffen? Wie sollte er ohne fremde Hilfe gegen eine kleine Armee kämpfen? Es gab niemanden, der ihm helfen konnte, niemand war mehr übrig. Zitternd und hungrig kauerte er neben dem Kätzchen und fühlte die Mutlosigkeit und Hoffnungslosigkeit in sich aufsteigen. Sie waren verloren. Er konnte nichts tun. Es gab niemanden, der... "Leonidas..." hauchte Zikél und starrte vor sich auf den Boden. Nein, das war absurd. Warum sollte der Mann ihm helfen, nach all dem, was passiert war? Doch Zikél musste es versuchen, es war seine einzige Chance. Außerdem hatte sich die Situation geändert. Es ging nicht mehr darum sich selbst zu retten, sondern nun ging es um seine Familie, die ihn brauchte. Es gab keinen anderen Ausweg. Bis zum Abend haderte er noch mit sich, hatte Angst diesen Schritt zu tun und wollte gar nicht darüber nachdenken, was passierte, wenn Leonidas ihn abwies. Nach Sonnenuntergang rappelte der Tama-i sich hoch, um den Rückweg anzutreten. Sein Körper war eigentlich nicht mehr in der Verfassung für so einen Marsch und sein Herz war erschüttert und zerrissen durch die vielen Toten. Dennoch... er hob Telis auf die Arme, barg ihn sicher an seiner Schulter und lief los. Immer weiter durch den Wald und die Steppe. Sein Körper verwandelte sich schnell in die reinste Hölle, deren Qualen sich in jeden Nerv nisteten. Alles schmerzte, dann die zusätzliche Belastung mit dem Kätzchen, das immer schwächer wurde. Essen fand er kaum welches, war nicht in der Lage auf Jagd zu gehen. Hin und wieder eine Maus, die er jedoch bereitwillig an das Junge abtrat. Nach fünf Tagen hatte er die Ebene überwunden und brauchte drei weitere, um zur Stadt zu kommen. Einmal war ihm in den Sinn gekommen, dass Leonidas vielleicht weitergezogen war, schließlich hatte er in einem Hotel gewohnt, doch schnell schob er diesen Gedanken beiseite. Mittlerweile war Zikél nicht nur am Ende seiner Kräfte, sondern weit darüber hinaus. Den ganzen Weg über hatte er Telis getragen. Sein Knöchel war auf das zweifache Angeschwollen, doch der Katzenjunge war längst jenseits allen Schmerzes. Allein sein starker Wille hielt ihn aufrecht. Mit schwankenden Schritten gelang es ihm durch Gassen und Hinterhöfe zu dem Hotel zu gelangen, von dem aus er vor über zwei Wochen geflohen war. Nun empfand er ein seltsames Gefühl von Melancholie, wenn er die feinverzierte Fassade betrachtete. Natürlich konnte er nicht einfach so dort hinein spazieren. Deshalb stahl er sich ein großes Laken von einer Wäscheleine hinter einem Haus und verbarg sich unter dem Stoff. Auf diese Weise gelang es ihm durch einen Hintereingang, der wahrscheinlich für das Personal gedacht war, ins Innere zu gelangen. Ab da war es ein Kinderspiel. Er schlich die Gänge hinunter, nahm einen Lastenaufzug und stand schließlich vor der Tür, hinter der seine letzte Hoffnung wohnte. ~~~ Zikél klopfte nicht an, sondern trat einfach in die unverschlossene Suite ein. Es war still, als er den Raum betrat. Leonidas schien sich gerade anzukleiden und drehte sich zu ihm um. Mit einem gewissen Amüsement bemerkte der Tama-i Nitta zu seiner Rechten, der wachsam ihn, den Eindringling, beobachtete, bereit, seinen Herren zu beschützen. Leonidas selbst stand mit undurchsichtigem Ausdruck vor ihm. Zikél war noch immer in das Laken gehüllt, weshalb sie ihn wahrscheinlich noch nicht erkannt hatten, doch nun kniete er sich auf den Boden, um Telis, der gut verborgen an seiner Brust geruht und mal wieder das Bewusstsein verloren hatte, abzulegen. Dabei rutschte das Tuch von seinen Schultern und er stand in seiner zerfetzten, dreckigen Hose vor den beiden Männern. Schwer atmend, mit der letzten Kraft, die sein Körper aufbringen konnte, ging Zikél auf den Schwarzhaarigen zu. Sein Gesicht, obwohl von Erschöpfung gezeichnet, war fest und unnachgiebig. Das vorher so schön glänzende Fell war nun stumpf und mit Staub verdeckt, teilweise sogar mit Erde oder Blut verkrustet. Der damals so sehnige Körper wirkte ausgemergelt und dünn, die funkelnden Augen waren jetzt matt und leer. Zikél merkte, wie seine Sicht verschwamm, wie sein Körper nach unten zog, schwer wie Blei. Er knickte ein, sein Knöchel stach. Die Füße hinterließen kleine Blutflecken, da sie wund, aufgerissen und geschwollen waren. Kurz bevor er Leonidas erreicht hatte, fiel der Blaue auf die Knie, krallte sich dabei in die Robe des Mannes. "Bitte... du musst mir helfen." brachte er rau hervor. "Ich tue alles... aber... hilf mir... sie haben sie... geholt..." Seine Augen begannen zu brennen, Tränen rannen über die Wangen, hinterließen dunkle Spuren. Zikél verlor den Halt, er hörte noch einen Laut, wie von knisterndem Stoff. Dann war alles schwarz und er schlug auf dem Boden auf. Leonidas sah einen Moment auf den Jungen herab, beugte sich dann zu ihm herunter und hob ihn auf. Einer stummen Bitte folgend nahm sich Nitta des Kindes an und gemeinsam gingen sie hinüber, legten die Beiden auf dem Bett ab und entkleideten sie, soweit es nötig war. Nitta verschwand und kam mit weiten Hemden wieder, in denen die beiden Körper verschwanden. "Mao, kümmere dich bitte um die Beiden." Die schmale Gestalt Maos tauchte aus dem Schatten des Nebenzimmers auf und sah verlegen und verwirrt auf die beiden Körper, die dort lagen. "Tama-i." schnurrte er und seine Züge wurden weich. "Ja." bestätigte Leonidas. Der Katzenjunge trat näher. Sein helles cremefarbenes Fell war glatt und kurz, sein Haupthaar hing in einem dicken Flechtzopf über seine Schulter. "Ich kümmere mich um die Beiden." Damit holte er die Schüssel und die Kanne zu sich, begann die Wunden des Blauen zu säubern und zu versorgen. "Wir lassen euch allein. Wir sind gegen Abend zurück." erklärte der Dracath knapp. Ein flüchtiger Kuss streifte die Ohren des Braunen, dann verschwanden Nitta und Leonidas. Zikél merkte nichts von all dem. Sein Körper hatte nach den seelischen und physischen Strapazen einfach aufgegeben, obwohl er Leonidas um so vieles noch hatte bitten wollen. Die Ruhe tat ihm gut. Auch Telis lag entspannter auf dem Laken, zu einer kleinen Kugel zusammen gerollt. Er war in weit besserer Verfassung als sein großer Gefährte. Mao sah den beiden Männern noch nach, dann schälte er die beiden Körper wieder aus ihrer Kleidung. Menschen verstanden so wenig von den Tama-i! Den Kleinen legte er dem Blauen in die Arme, wo sich Telis, ohne aufzuwachen, sofort an Zikél schmiegte. Er selber legte sich hinter den Größeren und begann zu schnurren. Der Blaue lag erschöpft in Maos Armen, doch das sanfte Vibrieren entspannte ihn. Mao wusste, wie beruhigend und erholsam es für Seinesgleichen war, die dumpfen Töne einfach um sich zu haben. Seine Hand strich an dem Fremden auf und ab und krauelte beruhigend durch das klamme Fell. Beiläufig bürstete er die Haare mit den krallenbewährten Fingerspitzen. Und fuhr damit fort. Im Schlaf fühlte der Blaue sich plötzlich wie Zuhause, wenn sie dicht beisammen gekuschelt abends einschliefen. Suma schnurrte auch immer für ihn, wenn er nicht schlafen konnte oder schlecht träume. "Jaho... Jalla..." nuschelte er leise und drückte sich gegen Mao. Zikéls Träume waren freundlich, er erkannte seine Familie. Hier traf er sie so, wie es in der Realität hätte sein sollen. Alles war in Ordnung, allen ging es gut, sie waren vereint. Er schlief sehr lange, sein Körper holte sich all das zurück, was er in der vergangenen Zeit von ihm gefordert hatte. Als Leonidas und Nitta zurückkehrten und die Tama-i immer noch schlafend vorfanden, beschlossen sie, bis zum nächsten Tag zu warten, an dem Zikél wohl wieder von alleine aufwachen würde. Die beiden Männer verzogen sich in das Nebenzimmer, um die Nachtruhe der Anderen nicht zu stören. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)