Die Argoth-Chroniken: Zikél von Alaska ================================================================================ Kapitel 5 --------- Titel: Die Argoth-Chroniken: Zikél Teil: 05/?? Autor: Alaska & BlueMercury Genre: Fantasy, Drama Warnung: Gewalt, Sex, Depri, Zucker (die Warnungen gelten jeweils nur für einzelne Kapitel, also nicht abschercken lassen ^^) Kommentar: Wie versprochen, gibt's gleich den 5. Teil hinterher. Viel Spaß dabei! ~5~ Das Gefühl von sanftem Streicheln weckte ihn und Zikél schnurrte zufrieden. Dann war es alles nur ein schrecklicher Albtraum gewesen... ein Glück. Er wollte sich gerade räkeln, bis er erstens ein schwaches Gewicht auf seiner Brust fühlte, zweitens ein leises Schnurren hinter sich und drittens einen ziehenden Schmerz durch seinen gesamten Körper. Stöhnend blinzelte er und blickte direkt in ein cremefarbenes Gesicht. Etwas verstört, aber nicht misstrauisch, da er die Katzenohren erkannt hatte, schaute er Mao an und lächelte. "Wer bist du? Ein Freund von Castor? Oder hat Jaho wieder entfernte Verwandte eingeladen?" "Ich bin Mao." sagte der noch nicht ganz wache Braune schlicht. Zikél setzte sich auf und blickte an sich hinunter. "Telis, was machst du denn..." Zikél stockte, sah auf und im Zimmer umher. Das war nicht ihr Baumhaus. Oder eine andere Hütte aus ihrem Dorf. "Nein." hauchte der Blaue und schüttelte den Kopf. "Nein, das darf nicht wahr sein..." Sein Gehirn begann zu arbeiten und er war im Begriff, aufzuspringen. "Ich muss zu Leonidas. Er muss mir helfen! Sie haben sie geholt! Sie haben sie alle geholt!" Die Erkenntnis war wie ein Hammerschlag auf ihn niedergegangen und Zikél glaubte für einen Augenblick keine Luft zu bekommen. Dann hatte er das nicht alles nur geträumt? Dann... waren sie wirklich... Mao rutschte an den Anderen heran und nahm ihn sanft in den Arm. "Beruhige dich." Er streichelte behutsam dessen Oberarm. Aber Zikél war viel zu aufgeregt und durcheinander. Er spürte die Angst kalt in seinem Magen, wie sie sich ausbreitete und reifte - zu einer ausgewachsenen Panik. "Nein, lass mich. Ich muss zu Leonidas." wehrte er sich und kam von Mao los. Kaum war der Blaue auf den Füßen, sackte er auch schon mit einem Schmerzenslaut zusammen. Sein Knöchel war mittlerweile dunkelblau und er konnte kaum auftreten. Dennoch tat er es und knickte gleich wieder ein, was ihn nicht davon abhielt, es immer wieder zu versuchen. In seinem Kopf hämmerte nur immer wieder ein Name. Ungeachtet seiner Verfassung wollte Zikél gleich aufbrechen und seine Familie suchen. Mao sammelte ihn vorsichtig, aber bestimmt vom Boden auf. "Leonidas wird bald kommen. Verhalte dich ruhig, du brauchst deine Kraft." Sanft zog er den Blauen wieder zurück ins Bett. "Du nützt weder ihm noch deiner Familie, wenn du nicht bald wieder auf die Beine kommst." "Aber... aber ich muss zu ihnen! Sie bringen sie um! Sie werden sie foltern und dann umbringen. Sie haben es immer getan, wenn ihnen langweilig war..." würgte er gehetzt hervor und wirkte weiterhin rastlos und überreizt. "Ich bin fit, wirklich! Wir können sofort los!" In den graublauen Augen sah man die Angst, die Zikél um seine Familie hatte. Er war noch nie so lange von ihnen getrennt gewesen... nur einmal... und seit dem hatte er sich geschworen, sie nicht mehr zu verlassen. Verzweifelt packte er Mao an den Schultern und schüttelte ihn. "Du hilfst mir, nicht wahr? Bist du ihnen entkommen? Warst du auch da? Hat er dich befreit?" Er konnte gar nicht richtig denken, alle Gedanken und Gefühle wirbelte ihn ihm durcheinander und er war schon wieder nahe eines Nervenzusammenbruches. Die lauten Stimmen weckten schließlich auch Telis, der sich scheu aufsetzte und Zikél ängstlich ansah. "Zikél... wo ist Jalla..." wimmerte er und begann auch schon zu weinen. Als hätten diese paar Worte einen Schalter in ihm umgelegt, wurde der Blaue plötzlich ruhig und krabbelte zu dem Kätzchen. "Ganz ruhig, Kleiner. Ich bin bei dir, okay? Du brauchst keine Angst zu haben." "Wo ist Jalla?" fragte Telis erneut, dieses Mal lauter. Sein großer Freund warf Mao einen verzweifelten Blick zu. Es brach ihm das Herz dem Kleinen die Wahrheit sagen zu müssen. Erst im vergangenen Winter hatte er seinen Mekjahor verloren und nun auch noch seinen Kemjal. Er war ganz allein und irgendwie fühlte sich Zikél nun für ihn verantwortlich. "Er ist bei deinem Jaho, Telis." Das schien dem Kleinen einen Schock zu versetzten, denn er schrie im nächsten Moment wild los. Der Blaue kannte diese Ausbrüche, das hatte der Kleine seit sein Mekjahor gestorben war. Es war Trauer und Verständnislosigkeit, gemischt mit Wut und Verzweiflung. Mao betrachtete das Ganze mit weicher Miene. Es tat ihm sehr leid, was den anderen Beiden zugestoßen war. Es erinnerte ihn an seine eigene Vergangenheit. "Herr Leonidas und Herr Nitta sind im Bad. Wenn sie zurück sind, werden wir reden. Und überlegen, was wir weiterhin tun." Telis tobte noch weiter und Zikél hatte Mühe, ihn unter Kontrolle zu bringen. Der kleine graue Kater war außer sich und konnte seine Gefühle nicht anders ausdrücken, als in einem Wutanfall. Rana hatte ihm einmal erklärt, dass es wohl eine Krankheit wäre und man viel Geduld mit ihm haben müsste. Deshalb versuchte der Tama-i die einzige Möglichkeit, die ihm einfiel und umschlang den zitternden Körper fest mit den Armen. "Ruhig, Kätzchen... ich bin für dich da, hörst du? ... ich bleibe bei dir und pass auf dich auf, ja?" Er wiegte Telis sanft vor und zurück, ließ sich auch nicht von dem Kinnhaken beirren, den der Graue ihm in seinen Fluchtversuchen verpasste. Mao langte zu einem Tablett, welches neben dem Bett stand, und goss in einen kleinen Becher etwas Tee. "Hier, Telis. Trink einen Schluck." versuchte er sich an dem Jungen. Er sah Zikél fragend an und betrachtete das Geschehen. Nun plötzlich wieder ganz scheu, drückte sich das Junge an den größeren Kater und vergrub das Gesicht in dessen Brustfell. Dies ließ Zikél aufatmen, denn jetzt konnte er davon ausgehen, dass Telis ihn sozusagen als vorläufigen Ersatz ansah, auch wenn er Armidas niemals ersetzten könnte. "Er ist schüchtern." lächelte er Mao ruhig an und versteckte das Kätzchen weiter in seinen Armen. Wortlos nahm er die Tasse entgegen und hielt sie vor die Nase des Jungen. "Trink das, Kleiner. Du musst wieder fit werden, hm?" Das sanfte Lächeln auf den Zügen des Blauen ließ für einen Moment vergessen, was passiert war, obwohl Zikél sich nur zusammenriss. Ihm war nach heulen zumute, aber mit der zusätzlichen Verantwortung für ein Kätzchen konnte er sich jetzt nicht mehr so einfach gehen lassen. "Warum bist du hier, Mao?" Mao lächelte und hoffte, dass das leichte Beruhigungsmittel, mit dem Leonidas den Tee versetzt hatte, schnell bei dem Kleinen anschlagen würde. Er brauchte viel Ruhe. "Weil Herr Nitta einen hohen Preis bezahlt hat und mich hier her brachte. Ich diene hier." Sein Lächeln wurde traurig, aber war nicht weniger weich. "Aber kein Grund zur Sorge. Ich lebe seit Jahren in Gefangenschaft, und hier lässt es sich bisher ausnehmend gut aushalten." "Nitta? Er hat dich gekauft? Weißt du warum?" Für einen kurzen Moment überlegte Zikél, ob der Andere ein Ersatz für ihn selbst sein sollte, aber für so rührselig hielt er Leonidas nun auch wieder nicht. "Ist im Grunde auch egal. Wie alt bist du? Und wann wurdest du gefangen? Auch von Menschen?" Er spukte das Wort aus, als wäre es etwas Ekeliges. Zikél merkte, wie Telis in seinen Armen immer schwerer wurde und lächelte bei dem Anblick des schlafenden Kätzchens. Behutsam legte er ihn nieder und deckte ihn zu. "Schlaf gut, Kleiner. Du hast es bitter nötig." "Du hast es nicht minder nötig." lächelte Mao. "Wie alt ich genau bin, kann ich dir nicht sagen. Ich wurde schon in Gefangenschaft geboren. Ich kenne nur Geschichten von meinem Kemjal über das Leben draußen." Zikél machte große Augen, die sich im nächsten Moment gleich wieder verengten. Wütend packte er ein Kissen und schleuderte es gegen die Wand. "Diese verdammten Menschen! Wie ich sie hasse! Warum tun sie anderen Wesen so etwas an?" Er ballte die Hände zu Fäusten und presste sie gegen die Stirn. Mao lächelte immer noch, trauriger, und schwieg. Langsam stand er auf, umrundete das Bett und nahm wieder die Schüssel zur Hand. "Lass mich nach deinen Wunden sehen." bat er und streckte die Hand nach den geschundenen Füßen des Anderen aus. "Das brauchst du nicht. Ich kann das auch selbst." wehrte der Blaue erschöpft ab und warf einen Blick auf seinen geschwollenen Knöchel. Doch mit den Gedanken war er weit weg. Immer wieder musste er an seine Familie denken, was ihnen alles passieren konnte... was die Menschen ihnen antun würden. Warum hassen sie die Tama-i nur so sehr? Warum behandeln sie die Katzenwesen wie Tiere? Maos traurige Augen sagten Zikél, dass dieser schon viel Schlechtes erfahren haben musste. Allein die Vorstellung, nie frei gewesen zu sein, war für den Tama-i undenkbar. "Das hat niemand bestritten. Lass dich nach den Strapazen einfach ein wenig umsorgen." meinte Mao sanft und legte Zikél eine Hand auf sein Bein. Misstrauisch beobachtete er den Anderen, doch dann wurden seine Züge weicher und er nickte. Mao konnte auch nichts dafür, dass er nun in dieser Situation steckte und der Tama-i wollte ihm schließlich nur helfen. "Na gut, tu was du nicht lassen kannst." Er warf einen kurzen Blick auf Telis, der ruhig schlief. "Was hat dir dein Kemjal von dem Leben draußen erzählt?" "Viele Geschichten." sagte Mao, während er den ersten Verband löste und die darunter verborgenen Wunden betrachtete. "Über das Leben der Tama-i allgemein, über Feste, über die Jagten. Er erzählte mir, dass unser Stamm, der Stamm der Tajoh, in den niederen Gebirgen gelebt hatte und sich überwiegend dem Fischfang widmete. Ihre Heimat nannten sie selber das Tal der Ströme, weil durch ihr Gebiet drei fischreiche Flüsse verliefen." Vorsichtig wusch er die Wunden nochmals aus. Zikél verzog leicht das Gesicht. "Fisch? Wasser? Eww... aber von eurem Stamm habe ich schon gehört. Ich glaube, mein Urururururgroßvater hat dort seinen Lebenspartner gefunden..." Er zuckte leicht zusammen, als Mao die kleinen Schnitte abtupfte und lächelte schief. "So so." sinnierte Mao und spritzte Zikél ein paar Wassertropfen ins Gesicht. "Ich mag Wasser." Darauf achtend, dem Anderen nicht weh zu tun, verteilte der Braune eine dunkel-grün-braune Paste auf den Wunden, während er erklärte: "Das wird Entzündungen verhindern." Dann legte er ihm einen Verband um und bedeutete Zikél, ihm auch den anderen Fuß zu geben. "Hey!" protestierte Zikél halbherzig und wischte sich die Tropfen aus dem Gesicht. So was hatte man doch wirklich gern! "Du bist der erste Tama-i, den ich kenne, der Wasser mag. Ich kann mich damit nicht anfreunden. Ich kann ja nicht mal schwimmen..." Er platzierte seinen Fuß vor Mao und wackelte auffordernd mit den Zehen, ließ es aber schnell bleiben, als ein stechender Schmerz ihn durchzuckte. "Verdammt... hat dir das dein Kemjal beigebracht? Das Heilen, meine ich." "Nein. Das brachte mir mein erster Herr bei. Ein... na ja, Medizinmann, kann man sagen. Er hat mir viel über Heilpflanzen und Wundversorgung beigebracht. Obwohl ich eigentlich nur sein Gehilfe war. Aber diese Salbe hat Herr Leonidas mir gegeben, mit der Anweisung, damit deine Wunden zu versorgen." Auch der zweite Fuß war schnell gereinigt und eingesalbt und auch dort legte Mao einen sauberen Verband an. Zudem wickelte er eine feste Bandage um den verletzen Knöchel, um diesen zu stützen. "Leonidas hat sie dir gegeben? Das war ja richtig... nett... von ihm." Das Letzte, was er von dem Mann erlebt hatte, war weniger erfreulich, aber immerhin hatte er ihn gehen lassen. Und nun saß er wieder hier, genau da, wo er angefangen hatte. Während Mao seinen Fuß versorgte, knurrte er einige Male böse auf, da ihm der Schmerz dabei nicht erspart blieb. Zikéls Hoffnung, all seine Freunde und Bekannte wiederzusehen und auch zu retten, sank immer weiter. "Weichei..." neckte Mao ihn friedlich, weniger, um den Anderen zu beleidigen, als mehr, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Zikél bleckte kurz die Zähne und fauchte leise, wenn auch halbherzig. "Lauf du mal mit dem Kleinen auf dem Rücken zwei Wochen durch die Gegend und davon fast zehn Tage mit verstauchtem Fuß." Mürrisch schüttelte der Blaue den Kopf und schwang die Beine über den Bettrand. "Herr Leonidas ist ein guter, aber sehr eigenwilliger Herr. Jedenfalls hat er sich bisher so gezeigt." "Eigenwillig... das ist wohl leicht untertrieben. Er ist jähzornig und unberechenbar. Du sagst ein falsches Wort und klebst an der Wand. Was daran nett ist, weiß ich nun wirklich nicht." Sie schwiegen kurz beide, dann murmelte Zikél leise: "Aber trotzdem bin ich bereit, alles zu tun, was er verlangt, wenn er mir nur hilft, mein Dorf und meine Familie zu befreien." Mao legte den Kopf schief und sah Zikél nachdenklich an, dann stand er auf und holte eine Krücke unter dem Bett hervor. Herr Leonidas hatte ihm gesagt, dass er sie dort finden würde... "Hier. Damit kannst du laufen. Versuch es mal." Er griff nach Zikéls Arm, um ihn etwas zu stützen. Aus den bangen Sorgen um seine Leute gerissen, starrte der Angesprochene eine Weile stumm auf den Gegenstand und blinzelte dann. Wortlos nahm er die Krücke, ließ sich widerwillig von Mao helfen und stand auf. Die ersten Schritte waren noch ungeschickt, aber schnell fand er heraus, wie er sich bewegen und wie belasten musste, um damit klar zu kommen. "Wird schon gehen. Meinst du es dauert lange, bis mein Knöchel verheilt ist? Ich will so schnell es geht aufbrechen, um meine Familie zu suchen." Er verdrängte die Bilder von den Toten schnell, die auch Mitglieder seiner Familie hätten sein können. Und er wollte auch gar nicht daran denken, was ihnen bei den Menschen alles angetan wurde. Und Suma war auch noch trächtig... wenn den Ungeborenen etwas passieren würde... "Wenn du deinen Knöchel nicht belastest und dir viel Ruhe gönnst... eine Woche, vielleicht zwei. Aber dann müsste es wieder gehen." Besorgt betrachtete er den Gang des Verletzten, dann sah er hinüber zum Bett, auf dem der Kleine noch lag. "Lass uns ins Nebenzimmer gehen. Du solltest was Essen. Und Telis sollte in Ruhe schlafen." Damit ging er zur Tür und öffnete sie für Zikél. Seinen Ausbruch hob er sich für den anderen Raum auf, da das Kätzchen sich gerade friedlich zusammen gerollt hatte. Doch kaum war die Tür geschlossen, brauste Zikél auf. "Eine Woche? Spinnst du? In einer Woche könnten sie alle tot sein! Wir müssen sofort aufbrechen, am besten noch heute! Ich brauche keine Ruhe, ich pack das schon. Verdammt, verstehst du das nicht? Ich kann doch hier nicht eine Woche rumsitzen und mich ausruhen, während meine Familie, mein Dorf gequält und gefoltert werden! Sie brauchen mich! Ich bin der Einzige, der noch frei ist. Die Anderen sind alle..." Er wollte es nicht aussprechen, denn das machte es irgendwie so endgültig. Fahrig wandte er sich von dem anderen Tama-i ab und tigerte so gut es mit der Krücke ging, im Raum auf und ab. "Setzt dich. Iss etwas. Du hilfst deiner Familie auch nicht, wenn du die Nerven verlierst und deinem Körper Dinge zumutest, die er nicht aushalten kann." Ruhig, wie eigentlich immer, nahm Mao ein Laib Brot zur Hand und schnitt mehrere Scheiben ab. Auch Fleisch und Käse sowie Gemüse und ein wenig Obst hatte sein Herr für sie hier stehen lassen. "Also, was möchtest du essen?" Unwirsch knurrte er den Cremefarbenen an, kam dann aber der Aufforderung nach. "Gib mir was von dem Fleisch." war die automatische Antwort. Zikél war nie ein großen Pflanzenfresser gewesen und alle Versuche seines Mekjahor, ihm die verschiedenen Wurzeln und Rüben schmackhaft zu machen, waren gescheitert. Das einzige Grünzeug, dass er sich bereit erklärte zu essen, war Obst und das in Massen, wenn es ihm schmeckte. Doch nun rührte er kaum etwas an. Ein bisschen Brot und Fleisch, eine Beere, dann schob er den Teller weg. Ihm war der Hunger schon lange vergangen. "Ich bin satt, iss du den Rest." Wieder vertiefte er sich in Grübeleien, wie sie als nächstes vorgehen sollten. Wenn nur Leonidas endlich auftauchen würde. Auch wenn er es nicht gern zugab, war der Mann nicht gerade auf den Kopf gefallen. Vielleicht konnten sie gemeinsam etwas ausbrüten. Mao selber aß ebenfalls ein wenig Fleisch, hauptsächlich aber Brot. Den unfreundlichen Ton des Blauen strafte er mit einem verärgerten Schnauben und verzichtete darauf, weitere Ratschläge zu geben. Seine Ohren zuckten unzufrieden und sein Schwanz ging stetig langsam hin und her. "Du bist zu impulsiv. Und einen Kranken wird Herr Leonidas mit Sicherheit nicht mitnehmen, sollte er überhaupt bei der Suche nach deiner Familie helfen." Tatsachen. Zikéls Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Er hatte die letzten Tage viel durchgemacht und keinen Nerv, nun einem zahmen Hauskater irgendetwas über die Bedeutung seiner Familie zu erklären. "Hör zu, du Schoßtiger. Du weißt nichts über mich! Gar nichts! Also solltest du dir nicht anmaßen über mich zu urteilen!" Bedrohlich. Knurrend. "Ich bin nicht krank, höchstens verletzt und auch das wird schneller verheilen, wenn ich weiß, dass es ihnen gut geht." Stur wie er war, wollte der Blaue kein Einsehen haben und stand wieder auf, während sein Schwanz wild hin und her peitschte. "Schoßtiger..." wiederholte Mao tonlos. Auch er stand auf, ging auf Zikél zu. "Ich soll mir kein Urteil über dich bilden? Ich kenne dich nicht?" Er lachte trocken auf. "Du gibst dich wie ein kleines verwöhntes Kind. Wenn du deinen Willen nicht bekommst, lässt du das an allen Anderen aus. Beschwerst dich, ich würde dich nicht kennen und nennst mich einen Schoßtiger?" Seine Ohren lagen dich am Kopf und er zeigte seine Zähne. Die Stimme, die mehr ein bösartiges Fauchen war, fuhr fort: "Du hast im Gegensatz zu mir noch eine Familie, die du vielleicht retten kannst. Aber so, wie du dich aufführst, machst du es dir und allen, die dir helfen wollen, nur schwerer." Er war vor Zikél angekommen und sah ihn wütend, verletzt an. "Du bist nicht der Einzige, der Leid und Schmerz erfahren hat. Diene du Anderen, sei nicht mehr Herr über dein eigenes Leben, erlebe, wie es ist, benutzt zu werden - und am Ende war doch alles umsonst. Und dann musst du dich zu allem Überfluss um einen Typen kümmern, der keinen Funken Verantwortungsbewusstsein besitzt und der wirft dir an den Kopf, du wärest ein Schoßtiger!" Einen Moment noch funkelte Mao Zikél wütend an, dann entspannten sich seine Züge etwas und er ging wortlos zurück zum Tisch. Es kochte in ihm, doch solch einen Ausbruch durfte er sich nicht wieder leisten. Auch Zikél beantwortete die Drohgebärden aggressiv und angriffslustig. Er hatte nicht übel Lust, seine gebleckten Zähne in den Körper des Anderen zu schlagen. "Du verstehst gar nichts." Die Stimme leise und gefährlich. "Du weißt nicht, wie es in den Arbeitslagern und Steinbrüchen zugeht, du hast nicht gesehen, was sie mit den gefangenen Tama-i machen. Aber ich schon. Ich habe es am eigenen Leib erfahren." Bei den Erinnerungsfetzen schluckte er kurz, ihm wurde schlecht. "Mein Kemjal hat mich damals da rausgeholt. Er hat sein Leben für mich riskiert, ist schwer verletzt worden und glaubst du, ihn hätte ein verstauchter Knöchel aufgehalten? Mag sein, vielleicht habe ich kein Verantwortungsbewusstsein, aber eben WEIL ich noch eine Familie habe, will ich sie beschützen. Ich bin es ihnen schuldig, ich bin es meinem Kemjal schuldig!" Seine Stimme wurde immer leiser, atemlos. Die graublauen Augen starrten abwesend auf den Boden, als wäre da die Lösung all seiner Probleme. "Ich weiß nicht, was man dir angetan hat. Was du schon erleiden musstest. Ich kann es mir wahrscheinlich nicht einmal vorstellen. Aber ich würde alles tun, um meiner Familie das zu ersparen, was sie mir damals angetan haben. Niemand hat so etwas verdient..." Zikéls Stimme brach. Er war erschüttert von seinen Gefühlen und Erinnerungen, erschöpft von der Aufregung. Mit hängenden Schultern kehrte er Mao den Rücken und humpelte auf das Schlafzimmer zu. "Ich leg mich hin, weck mich, wenn Leonidas auftaucht." Mao erreichte ihn jedoch noch, bevor er das Zimmer verlassen konnte und sah Zikél immer noch schlecht gelaunt, aber zumindest nicht mehr wütend an. "Ich kann dich verstehen, glaub mir. Aber denk einen Moment vernünftig nach: Was nützt du ihnen in diesem Zustand? Du willst nicht einen, sondern viele befreien. Und das wirst du so nicht schaffen. Und alleine erst recht nicht. Und wenn du keinen Erfolg hast? Wer kümmert sich um Telis? Denk weniger an die, die du retten könntest als an die, die du gerettet hast, dich und ihn." Zikél fühlte einen Stich in der Brust, doch das Feuer in seinen Augen flackerte wieder auf. "Glaub mir, Telis, auch wenn er noch klein ist, versteht besser, warum ich es tun muss, als du es je könntest. Wie kannst du nur verlangen, dass ich an mein Wohl denke, wenn sie leiden? Hast du gar kein Herz? Weißt du, was Loyalität bedeutet? Ich würde sofort mein Leben im Tausch gegen ihres geben. Du redest die ganze Zeit davon, dass ich an Telis und mich denken soll. Sag mir... wen habe ich noch, wenn sie sterben? Telis ist jetzt genauso ein Familienmitglied wie ich. Seine Väter sind tot, sein Kemjal für ihn gestorben. Ich habe selbst seine Leiche begraben..." Zikél wurde blass dabei. "Und du verlangst von mir, dass ich an mich denke?" Er war nicht wirklich wütend, nur fassungslos, verständnislos. "Nein, das sage ich nicht. Ich sage: denke auch an dich. Das tust du nicht. Du kannst hier nicht weg. Du kannst nichts tun im Moment. Aber statt dich auszuruhen, statt dich zu stärken rennst du hier herum und machst alle verrückt mit deinem Gejammer." Einer Eingebung folgend nahm Mao den Anderen in den Arm und sagte, leiser diesmal, an seinem Ohr: "Ich weiß, dass du dein Leben für sie geben würdest. Aber warte damit, bis es an der Zeit ist und mach dich nicht schon vorher aus Wut, Angst und Schmerz kaputt." Dieses Mal blieb er stumm, brachte es einfach nicht fertig auch nur ein Wort hervorzubringen, da sich ein dicker Kloß in seinem Hals bebildet hatte. Er konnte sich nicht wirklich entscheiden, ob er sich nun in die tröstliche Umarmung fallen lassen sollte oder nicht. Schließlich trennte er sich von Mao und blickte ihm eine Weile in die dunklen sanften braunen Augen. "Wie du meinst." gab er lahm zurück und wandte sich wieder ab, um sich hinzulegen. Telis wurde im Schlaf unruhig und Zikél musste zu ihm, ihn beruhigen, sich selbst beruhigen. Mao ließ ihn gehen. Ihm war klar, dass Zikél wusste, dass er Recht hatte, es aber nicht wahrhaben wollte. Er ging ihm hinterher und flüsterte: "Wenn ihr noch irgendwas braucht... sag Bescheid." Telis wimmerte im Schlaf und Zikél legte sich zu ihm, rollte sich um ihn zusammen und zog den bebenden kleinen Körper dicht an seine Brust. "Es ist alles gut, Kätzchen... alles ist gut." murmelte er leise und leckte über die schwarzen Ohren, was dem Jungen ein sanftes Schnurren entlockte. "Wir brauchen nichts... nur unsere Familie." nuschelte er in das weiche Fell, so dass es Mao nicht verstehen konnte und schloss die Augen. Die ganze Aufregung hatte ihn erschöpft und ausgelaugt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)