Ein Sommertraum von kleines_punkrockgirl ================================================================================ Kapitel 2: 1. Kapitel --------------------- Plötzlich merkte ich, wie sich ein Schatten über mich schob. Ich musste wohl für kurze Zeit eingeschlafen sein. Jemand kniete sich neben mich. Ruhig atmend, drehte ich den Kopf leicht in dessen Richtung. "Susanna, es ist schon spät...!", sagte eine mir wohl vertraute Stimme. Langsam und blinzelnd öffnete ich meine Augen. Allmählich erschien ein Gesicht vor meinen Augen. Es war immer noch wie ein Wunder für mich. Ich lächelte. "Ich weiß", antwortete ich ihm. Angelo war ein lieber Kerl. Er hatte mir geholfen, mich in dieser völlig neuen Welt zurecht zu finden. Ich betrachtete ihn. Seine grünen Augen und sein markantes Gesicht, das von schwarzen Locken umrahmt wurde. Nie würde ich es je wieder vergessen, denn es war das erste Gesicht, das ich in meinem Leben gesehen hatte. Ich richtete mich auf. "Lass uns zurückgehen!", meinte ich. Noch ein letztes Mal glitten meine Finger über die Wiese, bevor ich voller Lebensenergie auf meine Beine sprang. Ich räkelte mich zufrieden, in dem ich meine Hände gen Sonne streckte. Dann blickte ich wieder zu Angelo, der mir ein Lächeln schenkte und dann mit einem Nicken zu dem weiß getünchten Steinhaus ging, das auf dem Gipfel des Hügels stand. Ich folgte ihm, während ich mich ab und zu noch einmal um meine eigene Achse drehte, um diesen Augenblick in meinem Gedächtnis einzufangen. - Für die meisten Beobachter jedoch, hätte meine Erscheinung etwas Geisterhaftes gehabt... Ich hatte nämlich keinen Schatten! - Als wir das Haus erreicht hatten, hielt Angelo mir die Tür auf. Ich schlüpfte ins Haus und kramte in der Tasche meines Kleides. Es war ein kurzes, gelb - farbenes, weit ausgestelltes Sommerkleid. Nachdem ich gefunden hatte, was ich gesucht hatte, setzte ich mich auf einen der wenigen Stühle. Ich schaute zu Angelo. "Bis morgen!", meinte er lächelnd. Ich nickte und lächelte zurück. Dann blickte ich auf das kleine, aus Holz geschnitzte Segelboot auf meinem Schoß. Es war ein detailgetreues und mit viel Liebe gefertigtes Abbild. Ich umschloss es mit den Fingern meiner rechten Hand. Dann schloss ich die Augen und schlief kurz darauf ein... "Sunny, aufstehen!", rief jemand und stubbste mich liebevoll an. Ich wusste, dass die Stimme meiner Mutter gehörte und ich nun wieder in meinem Bett lag. Gähnend streckte ich mich und öffnete blinzelnd die Augen. ... Ich seufzte ... Enttäuschung machte sich in meinem Herzen breit. Wie hatte ich das nur vergessen können! Es wäre zu schön gewesen. Doch anstatt mich, wie vor wenigen Augenblicken, umblicken und die Bilder in mich aufnehmen zu können, sah ich nun nichts. Trotz geöffneter Augen war alles schwarz um mich. Ich rappelte mich mühsam auf. Doch das war mein Schicksal,... damit musste ich leben. Seit meinem dritten Lebensjahr war ich blind. Ich wusste gar nicht, wie es war zu sehen. Das hatte mir geholfen mich daran zu gewöhnen, obwohl ich es wohl nie schaffen würde. Doch seit einer Woche hatte ich etwas bekommen, ein Geschenk, das besser war als alle Schätze dieser Welt. Es gab diese wundervolle Welt, Talia, in die ich reisen konnte und dort war ich fähig zu sehen! Ich hatte noch nicht ganz verstanden, was es mit Talia auf sich hatte, doch ein paar Sachen hatte mir Angelo schon erklären können. Talia glich sehr dem heutigen Italien, wie ich fand. Nur, dass Talia sowohl in einer anderen Zeit als auch in einer anderen Welt lag. Ich schätze die Zeit so auf das 16. Jahrhundert. Alles hatte seinen Anfang mit diesem kleinen, geschnitzten Boot gehabt. Meine Mutter arbeitet in einer Firma, die alte Denkmäler und historisch wichtige Funde restauriert. Ab und zu bringt sie mir eine Kleinigkeit, die sie aus dem dazugehörigen Antiquitätenladen erworben hat, mit. Ich freue mich jedes Mal riesig... ich kann sie zwar nicht sehen, doch ich habe gelernt, Dinge zu ertasten und mir ein Bild vor meinem inneren Auge zu erschaffen. Dieses Mal war es das kleine Boot. Nachdem ich an diesem Abend ins Bett gegangen war, nahm ich es noch einmal von meinem Nachttisch und fuhr mit den Fingerspitzen die Reling und die Masten entlang. Ich stellte mir das Schiff vor... wie es auf offener See bei Sonnenuntergang ruhig vom rotglühenden Wasser getragen wurde und nur ab und zu unter einer Welle schwankte. Mein Atem ging immer ruhiger und ein Lächeln umspielte meinen Mund, als ich einschlief. Als ich aufwachte, merkte ich wie die Sonne mir direkt ins Gesicht schien. Ich sog den salzigen Geruch des Meeres ein... Wo war ich?... Ich riss erschrocken die Augen auf... und blickte in ein paar leuchtend grüne Augen. Ich wusste nicht, was mich mehr verwirrte, dass ich gerade einen völlig fremden Jungen anstarrte oder die Tatsache, dass ich ihn überhaupt SEHEN konnte. Ich drückte mich mit dem Rücken an die Wand und mein Blick huschte hektisch durch den Raum. Er war klein und die Wände waren weiß gestrichen. Gegenüber von mir brutzelte etwas auf einem Herd, der offenbar seine Energie aus dem Feuer ein paar brennender Holzscheite gewann. Sonst war der Raum, soweit ich sehen konnte, ziemlich leer. Es befanden sich nur noch ein schmaler Tisch und eine längliche Bank sowie ein Bett in dem Raum. "Wo - wo bin ich? Und wer bist du?", stammelte ich, nachdem ich meine Stimme wieder gefunden hatte, obwohl sie immer noch beunruhigend zittrig klang. Der Junge blickte mich mit seinen strahlenden Augen an. "Mein Name ist Angelo Faestro. Du befindest dich hier in Classe...", nach einem kurzen Blick auf mein verwundertes Gesicht, fügte er hinzu:" In Talia ... Ich - ich weiß, du kannst das alles nicht verstehen aber ich will versuchen dir alles zu erklären!" Ich starrte ihn an. Erst nach einer Ewigkeit, wie es mir schien, bemerkte ich, dass mein Mund vor Erstaunen aufgeklappt war. Hastig schloss ich ihn wieder. Nicht, dass diese Situation nicht schon peinlich genug wäre, dachte ich und merkte wie mir die Röte ins Gesicht stieg, als ich mich daran erinnerte, dass ich gerade mein rosa - farbenes Mini - Maus - Nachthemd trug. Doch als ob dieser Angelo Gedanken lesen konnte, meinte er nach einer Pause: "Du kannst dich gerne umziehen, wenn du willst. Danach kann ich dich herumführen und dir alles erklären... nur in dieser Aufmachung geht das leider nicht...!" ... Ich wäre am liebsten in Grund und Boden versunken. Dennoch ließ ich mir von ihm aufhelfen und er führte mich zu dem Tisch. Ich sah mich nocheinmal um. Was ich jetzt erst bemerkte, war, dass es noch einen kleinen Raum gab. Die Türe stand offen und gab den Blick auf ein Badezimmer frei. Neben der offenen Tür stand ein Stuhl über dessen Lehne ein gelbes Kleid hang und auf welchen Angelo deutete. Ich nickte, ging zu dem Stuhl und nahm mir das Kleid. "Danke... Wo- wo kann ich mich denn umziehen?", wollte ich wissen. "Geh am besten ins Bad. Ich warte solange hier!", erklärte mir Angelo. Ich nickte nochmals und verschwand mit dem Kleid unter dem Arm ins Bad. Ich schloss die Türe hinter mir und sank langsam an diese gelehnt zu Boden. Wo war ich da nur hineingeraten? Was war das hier? Ein sehr realistischer Traum!? Aber sooft ich mir das auch einredete, konnte ich es selbst nicht glauben! Das alles hier war so echt! Das Haus... ich blickte auf meinen Schoß,... das Kleid über dessen weichen Stoff ich mit den Fingerspitzen glitt, ... Angelo... Doch wie sollte das möglich sein? Und was mich am meisten beschäftigte,... warum konnte ich sehen? Ich schluckte. Angelo hatte sich mir vorgestellt und gesagt wo ich bin, was mir zwar nicht viel geholfen hatte, aber egal, und er hatte , bevor ich ins Bad gegangen war, angeboten, alles zu erklären... Ich fasste einen Entschluss. Ich würde Angelo eine Chance geben, das alles vielleicht doch klarer für mich erscheinen zu lassen... Langsam rappelte ich mich wieder auf. Ich schlüpfte aus meinem Nachthemd und streifte das seidene, gelbe Sommerkleid über. Ich fuhr mir mit meinen Händen noch kurz durch die Haare, atmete tief durch und öffnete die Tür. "So, ich denke das ist besser!", meinte ich, nachdem ich aus dem Bad getreten war, zu Angelo. "Übrigens, mein Name ist Susan... aber eigentlich nennen mich alle Sunny!" Er sah mich an, dann stand er auf und ging auf mich zu "Freut mich, Sunny!", sagte er lächelnd, wobei er sich mit der Aussprache von "Sunny" hörbar schwer tat "nur solltest du dich als Susanna vorstellen! Das ist besser so... glaub mir! Lass uns einen Spaziergang machen, dann erkläre ich dir alles!" "Ja, in Ordnung, ich komme mir nämlich gerade vor wie in einem komischen Traum!", erwiderte ich. Und so gingen wir los. Ich stellte fest, dass sich Angelos Haus auf einem Hügel außerhalb der Stadt befand und von Feldern und Wiesen mit wunderschönen Blumen umgeben war. Ich fand es herrlich. Angelo erklärte mir alles, was ich bis jetzt über Talia weiß. Er, und nun auch ich, gehörten beide einer Bruderschaft an, die sich die Stravaganti nannten. Es waren Zeit - und Raumreisende, die von Talia in unsere Zeit und Welt beziehungsweise umgekehrt reisten. Dies ging nur mit Talismanen aus der jeweils anderen Welt, wie zum Beispiel meinem Boot. Typisch für die Stravaganti war es, dass sie in der anderen Welt keinen Schatten hatten. Es gab viele Stravaganti, laut Angelo, aber er kennt nur wenige persönlich. Die Reise an sich heißt Stravaganza. Dann meinte er noch, dass Classe eine von vielen Stadtstaaten in Talia war. Nur war Classe unabhängig und wurde nicht von den di Chimici regiert. Es handelte sich bei ihnen um eine einflussreiche Herrscherfamilie, die fast ganz Talia unter sich vereinte und anscheinend nicht sehr zimperlich bei ihren Methoden war. Er fügte allerdings hinzu, dass Classe bald Besuch aus Bellezza, einem weiteren freien Staat bekäme und dass wir uns mit den mitreisenden Stravaganti treffen würden. Ich willigte ein, nachdem Angelo mir erklärt hatte, dass ich nun mit meinem Talisman jede Nacht nach Talia reisen könne, wenn ich wollte und immer in seinem Haus aufwachen würde. Anschließend zeigte er mir noch ein wenig die Stadt mit ihrem großen Hafen und den prächtigen Kirchen mit wunderschönen silbernen Mosaiken. Als es langsam dunkel wurde, meinte Angelo, es wäre Zeit für mich zu gehen, denn wenn es bei ihnen Nacht würde, begann bei uns gerade der nächste Tag. Meine Eltern würden mich sonst schlafend in einem koma - ähnlichen Zustand auffinden, was sie sicher ängstigen würde. Ich verabschiedete mich von ihm und legte mich dorthin, wo ich aufgewacht war. Als ich nach einem kurzen Nickerchen wieder aufwachte, spürte ich mein weiches Laken unter mir und wusste, dass ich wieder zu Hause war. Dies war meine erste Stravaganza! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)