Die Monochroniken von Dels (02 :: Der Junge und das Seil) ================================================================================ Kapitel 4: Das Katzenzungen-Amulett ----------------------------------- Das Katzenzungen-Amulett Ständig sah ich mich um auf dem Rückweg, doch nichts rührte sich. Der Meister war verschwunden, der Magier hatte gesagt, er hätte ihn wieder nach Hause geschickt. Bis ich Zuhause angekommen sei, würde er schon tief und fest schlafen. Also trug ich das schwere Garn den Weg zurück zur Scheune, doch ich tat es fast mühelos. Natürlich mit Magie. Deshalb spürte ich keine Kälte, keine schmerzenden Füße, keine Anstrengung auf dem Weg, so hatte es der Magier gesagt. Ich wusste nicht viel über Magie, der Fremde hatte mir ein paar Dinge darüber erklärt und vor Stolz schwoll mir die Brust. Ein Magiebegabter war ich also. Nur hatte ich es selbst niemals bemerkt und ebensowenig die anderen Mensch um mich herum. Aber er hatte es bemerkt, alleine durch den Stoff, den er bei meinem Meister gekauft hatte! Wahnsinn. Dieser Magier war wirklich etwas ganz Besonderes. Ich hatte ihm alles verziehen; als er mich erschreckt hatte, oder als er mich grob ins Wasser gezerrt hatte oder die Ohrfeige. Es war schliesslich nur zu meinem Besten. Denn ein Magiebegabter ohne Magie.. das sei ein Frevel. So hat er gemeint. Diese kleine Magiequelle hatte er extra für mich gemacht und ich könnte mich nach Lust und Laune daraus bedienen, wie ich wollte. Aber erst, nachdem ich seinen Stoff gewebt hätte. Das sei ich ihm dafür schuldig. Oh, wenn er wüsste, wie dankbar ich ihm bin! Ich würde ihm zehn Stoffe weben für das, was ich nun weiß! Keine Anstrengung, keine Müdigkeit, nie wieder frieren, wenn mir Hallen die Bettdecke wieder mal wegzieht! Ich bin so glücklich, dass ich es hinausschreien könnte! Aber vorerst muss ich Stillschweigen bewahren, bis der Stoff für den Magier fertig ist, denn vorher darf niemand wissen, dass ich mit Magie umgehen kann. Nun, ehrlich gesagt kann ich nicht damit umgehen. Noch nicht. Doch ich bin fest entschlossen, auch Magier zu werden. Und das werde ich auch. Denn das wird mein Wunsch sein, den er mir erfüllen muss. Er wird es mich lehren. Ich will ein richtiger Magier werden. So wie der Magier Kaleb. [ # ] Die Sonne schien warm durch die klare Scheibe und zeichnete hüpfende Schattenflecken auf den Holzboden. Im ersten Moment kam mir alles irgendwie unwirklich vor. Hallen schlief noch tief und fest, ich hatte den Sonnenaufgang beobachtet. Meine Seele schlug Purzelbäume, wenn ich daran dachte, dass alles, was gestern passierte, die Wirklichkeit war. Ich hatte mich nicht zum Schlafen gelegt, aus Angst, es könnte doch ein Traum sein. Aber es war keiner, ich war die ganze Zeit wach gewesen. Ich - ein Magiebegabter! Oh wie gerne hätte ich Hallen geweckt und ihm davon erzählt! Er wäre sicherlich genauso ausgeflippt wie ich, wenn ich nur dürfte. Aber ich musste mich an die Vereinbahrung halten. Erst der Stoff, dann würde ich Magie lernen. Hehe.. mein Wunsch stand felsenfest. Hallen würde es noch früh genug erfahren. Für den Stoff würde ich vielleicht 7 Nächte brauchen. 5-6, wenn ich schneller sein würde. Dessen war ich mir fast sicher, denn schliesslich könnte ich dann mit Magie weben. Ich konnte es kaum bis zum Abend erwarten. So schnell wie möglich fertig sein und dann ein Magier werden. Ach, warum konnte es nicht schon Abend sein! "Hej ihr Schlafmützen! Kommt zum Frühstück!.. Hoppla, Nanik! Du bist schon auf? Und fertig angezogen? Was hast du ausgefressen, Schlawiener?" Meine Tante zwinkerte mir zu und wuschelte mir durch's Haar, bevor sie Hallen die Bettdecke vom Leib riss. "Wir haben doch heute frei!" jammerte der Entblößte nuschelnd und versuchte sich einzurollen. Vermutlich vermisste er seine schöne warme Decke, die Tante Gilda gerade aus dem Fenster schüttelte. Ach.. eine Decke würde ich nie wieder brauchen.. mir war immer noch so schön kuschelig warm wie letzte Nacht. Zusammen mir Hallen überlegte ich beim Frühstück, womit wir uns heute die Zeit vertreiben könnten. Da ich Sorge trug, dass niemand etwas von dem See erfuhr, war ich dagegen, dass wir in die Nähe des Flusses gingen. Auch, wenn mich Hallen bekniete, dass er so gerne wieder fischen würde. Aber mir war es zu riskant. Auch, wenn er den Weg durch den Wald bestimmt nicht zufällig finden würde. Die Wegbeschreibung zum See hatte ich vom Magier auf einem Zettel erhalten. Ich hoffte, dass ich den Weg in der Dunkelheit auch finden könnte. Aber bis heute abend hatte ich ja noch einige Zeit. Wir einigten uns darauf, dass wir erst auf den Markt gehen wollten und danach auf die Obstwiesen. Dort gab es immer genügend leckeres Obst und der Besitzer konnte schliesslich nicht immer alles auf einmal im Blickfeld haben. Und da ich so gute Laune hatte, beschloss ich, meinen besten Freund zu allem einzuladen, wozu er Lust hatte. Jetzt, da ich wusste, was mir bevorstehen würde, hatte der Reiz des Geldes viel für mich verloren und ich hatte keine Bedenken, es auszugeben. Schliesslich gab es ja auch etwas zu feiern. [ # ] Obwohl die meisten Kaufleute und Gaukler direkt nach dem Fest wieder abgefahren waren, gab es auf dem Marktplatz immer noch Gedränge, Geschrei und Gehandle wie auf den größten Basaren der Hauptstadt. Hallen juchzte vor Freude, als ich anstandslos alles kaufte, worauf wir grade Lust hatten. So stopften wir uns voll mit Bratwürsten, Zuckerstangen, exotischen Früchten, gebratene Hühnchen und vielem mehr. Dazu tranken wir Wein wie die Erwachsenen und waren nach einer Weile so pappsatt und schwindelig, dass wir uns eine kleine Pause gönnten und am Rand des Marktes seinem Treiben zusahen. Wir beschenkten die Gaukler großzügig, die erstaunt aber sehr höflich dankten und für uns ein paar Extra-Grimassen schnitten. Ich kaufte für uns beide die gleichen hübschen Ledergürtel, so dass jeder sofort sah, dass wir die besten Freunde waren und an einem Wahrsagerstand ließen wir uns noch die Zukunft vorraussagen. Obgleich ich ein bisschen Bammel hatte, dass der Wahrsager erkennen könnte, dass ich magiebegabt war, ließ ich ihn doch machen und war erleichtert, als der alte Zausel nur seine üblichen Sprüche losließ, die seine Kunden hören wollten. Bei Hallen allerdings verzog er das Gesicht und prophezeihte ihm allerlei schlimme Dinge - wahrscheinlich weil er gesehen hatte, dass ich für ihn mitbezahlt hatte. Mit einem großen Stück Kuchen unserer Lieblings-Bäckerin verließen wir dann den Marktplatz und liefen an der Burg vorbei zu den Obstgärten. So weit das Auge reichte war hier alles an Früchten, die man in diesem Land überhaupt anbauen konnte. Weintrauben, Äpfel, Birnen, Suantis, alle möglichen Sorten Beeren, Kirschen, Nukkas, Sonnenbohnen, einfach alles. Ein rießiger Garten, den ein alter Mann mit seinem noch älteren Hund beaufsichtigte. Natürlich waren zumeist viele Kinder da, die die reifen Früchte stibizten, doch es gab viel zu viel Obst, als dass man es alles hätte verkaufen können und wenn die Kinder hier nur ihren Hunger stillten und nicht allzuviel mit nach Hause nahmen, drückte der Alte auch gerne ein paar Augen zu. Deshalb waren wir an diesem schönen Tag auch lange nicht die einzigen Kinder im Obstgarten. Mindestens drei aus unserer Straße lungerten unter den Bäumen herum und eine Gruppe anderer Kinder spielte Fangen. Nicht lange und wir rannten auch lachend vor dem Fänger davon. Aber Hallen war schneller als alle anderen. Er bekam jeden zu fassen und flink wie ein Wiesel war er auch schon beim nächsten. Der Garten hier war das reinste Paradies für uns. Keiner scholt uns, außer der Alte, der ab und an vorbeischlurfte und seinen Hund auf uns hetzte, der uns jedoch lieber abschlabberte. Hier konnte man sich sattessen, in der Sonne liegen, mit anderen Kindern spielen... Wenn man nicht grade arbeiten musste, ließ es sich hier gut aushalten. Als es langsam Abend wurde, zogen wir heimwärts und schlenderten noch kurz durch den Markt, um noch ein Stück Honigkuchen mitzunehmen. Als wir beide an dem Wahrsagerstand vorbeikamen, schoß der Alte nach oben und rief uns zu sich. Ich hatte keine Lust noch mehr Geld bei ihm zu verschwenden und kümmerte mich nicht um das Gezeter. Aber er wurde lauter, als wir weitergingen und so drehte sich Hallen nach ihm um. "Du! Ja du! Komm her, mein Junge, komm her! Keine Angst, ich will dein Geld nicht!" "Ach lass ihn doch Hal. Komm schon, es wird bald dunkel!" Er konnte ja nicht ahnen, dass ich so schnell wie möglich nach Hause wollte, um mich für das nächtliche Unternehmen zu wappnen. Ich war furchtbar aufgeregt. Aber Hallen machte kehrt und ging zu dem Wahrsager zurück. Ärgerlich wippte ich mit dem Fuß und wartete ungeduldig, bis Hallen wieder zurück war. In der Hand trug er einen kleinen Anhänger, der aussah wie ein Stück vertrocknetes Holz. "Was hat er dir gegeben?" "Ein Amulett, sagt er. Soll vor bösen Geistern schützen oder so." "Du hast doch nichts von dem gekauft!" "Er hat es mir geschenkt!" "Ah so?" sagte ich verwundert und sah mir das komische kleine Amulett genauer an. "Und was soll das sein? Sieht aus wie ein Stück Rinde.." Er druckste und kratzte sich am Kopf, nahm das Amulett aber schnell an sich, als ich daran schnuppern wollte. "Ehm.. es ist eine Katzenzunge. Ein Katzenzungen-Amulett.." "Igitt!!! Das ist ja widerlich! Wirf das weg!" prustete ich und rieb mir die Hände an der Hose ab. Wie konnte Hallen so etwas Ekelhaftes annehmen? Naja, so war er eben. Konnte nie Nein sagen. Pfui Teufel! Aber Hallen warf die Zunge nicht weg, sondern steckte sie samt Lederband in die Hosentasche. "Man weiß ja nie, vielleicht bringt es ja wirklich was? Immerhin hat er vorhin gemeint, mir würde etwas Schlimmes zustoßen!" "Ach das ist doch nur ein Schauspieler! Der kann doch garnicht in die Zukunft sehen!" "Woher willst du das wissen? Sonst hätte er mir doch kaum was geschenkt!" "Das ist vielleicht ein guter Lügner, der weiß überhaupt nichts! Ich kann.." "Was? Kannst du mir etwa auch die Zukunft voraussagen?" lachte Hallen und war zwischen den Menschen verschwunden, bevor ich ihn zwischen die Finger bekommen konnte. Pah. Naiver Kerl, der glaubte noch diesem Marktgaukler, nur weil er furchtbare Geschichten verbreitete. Ich sah zurück zu dem Wahrsager, doch er war weg mit samt seinem Stand. Na siehste, dachte ich, jetzt ist es ihm aber heiß geworden hier. Kopfschüttelnd ging ich Hallen nach, der schon voraus in die Straße gelaufen war und dort auf mich wartete. [ # ] Die Nacht kam so langsam und schleichend wie eine Seuche. Ich konnte es kaum erwarten, zum See zu gehen und mich in die Tiefe des Wassers zu stürzen. Aber zuerst musste es dunkel werden und Hallen sollte wohl schlafen. Doch er war alles andere als müde und das ging mir gehörig auf die Nerven. Erst spielte er eine Weile auf seiner Flöte, dann wollte er noch ein paar mitgebrachte Suantis vertilgen und schliesslich wollte er noch über die Arbeit reden. Er habe ein neues Muster im Kopf, das er morgen unbedingt umsetzen wollte. Er zeichnete es mir auf und es war wirklich sehr schön. Aber dafür hatte ich jetzt keinen Kopf. Ich wollte weg. Demonstrativ ließ ich mich auf's Bett fallen und kuschelte mich unter die Decke. Mir fiel auf, dass mir ein wenig kühler geworden war jetzt am Abend. Das konnte nur bedeuten, dass ich keine Magie mehr hatte - also musste ich schnell wieder welche bekommen! Aber es dauerte und dauerte, bis Hallen endlich im Bett und schliesslich eingeschlafen war. So leise wie nur möglich machte ich mich also auf den Weg, diesmal mit Schuhen und einer Jacke. Aus der Vorstube lieh ich mir die Lampe des Meisters und schon ging es hinunter zum Fluß. Erstaunlicherweise gelang es mir ohne Probleme, den Weg bis zum See zu finden mit dieser eigentümlichen Karte, die mir der Magier gegeben hatte. Obwohl nur ein paar Striche und Symbole darauf waren, konnte ich sie an den richtigen Stellen deuten und ging so ganz wie von selbst durch den Wald. Natürlich brauchte ich etwas länger, da ich nicht so rennen konnte wie beim letzten Mal, aber meine Freude war unendlich groß, als ich endlich das Wasser mit den tanzenden "Glühwürmchen" vor mir sah. Diesmal allerdings wollte ich nicht mit aller Kleidung ins Wasser gehen, sondern zog sie aus und legte sie neben der Lampe ab. Die ersten Schritte ins Wasser waren so kalt, dass ich es mir fast anders überlegt hätte. Aber ich dachte daran, dass es schliesslich bald warm sein würde und gab mir einen Ruck, der mich vollends ins Wasser brachte. Zappelnd brachte ich meinen frierenden Körper in die Mitte des Sees und tauchte gleich nach unten ab. Und da war er. Der leuchtende Stein und die vielen vielen Lichter, die ihn umschwirrten. Sobald ich in ihre Nähe kam, surrten sie zu mir und schlüpften in meinen Körper. Sofort wurde mir wärmer und meine Lunge hörte auf zu drücken. Es war einfach nur herrlich. Ich konnte es kaum erwarten, den Stein zu berühren und sobald ich bei ihm war, legte ich mich darauf, umklammerte ihn wie ein Kissen und genoss die glitzernde Energie, die mich durchströmte. Es war so wundervoll warm und gemütlich, so süss und angenehm! Wie eine Feder strich die Energie durch meinen Körper, in jede Zehe, jede meiner Haarspitzen. Oh wie sehr liebte ich die Magie. War dies nicht das wunderbarste Gefühl der Welt? War nicht alles andere um mich herum egal? Einfach hierbleiben und geniessen, ich brauchte doch nichts auf der Welt als dieses schöne Gefühl! Einschlafen und nie wieder aufwachen aus diesem herrlichen Traum. [ # ] Das erste, was ich bemerkte, war die Dunkelheit. Oder halt, es war nicht ganz dunkel, meine Augen gewöhnten sich daran und ich konnte den Wald um mich erkennen. Der See lag zu meinen Füßen, still und dunkel. Ich stemmte mich auf die Ellbogen hoch und wäre fast wieder zurückgefallen. Meine Arme? Sie.. taten weh. Verdammt weh! Das konnte doch nicht sein? Was war denn passiert? Vorsichtig diesmal setzte ich mich auf und bemerkte, dass nicht nur meine Arme schmerzten. Auch meine Beine, meine Füße, der Bauch, mein Hals und vor allem mein Kopf. Alles pochte und schmerzte, dass jede Bewegung wehtat. Was um Himmels Willen war hier geschehen? Meine Kleider lagen immernoch ordentlich gefaltet neben der Lampe, deren Docht fast heruntergebrannt war. Aber, das bedeutete ja.. Die ersten Anzeichen waren die Geräusche im Wald. Noch bevor es hell wurde, begannen die ersten Vögel zu zwitschern. Hasen sprangen zum Seeufer und tranken, während die leuchtenden Funken unbehelligt zwischen ihren Ohren tanzten. "Es ist Morgen?" Nein, das konnte doch nicht sein! Hatte er hier etwa so lange geschlafen? Aber wieso? Ich war doch auf dem Grund des Sees gewesen und.. dort eingeschlafen. Auf dem Stein. Ich erinnerte mich daran. Aber.. wie war ich wieder nach oben gekommen? Mir war schrecklich heiß und meine Beine sackten fast in sich zusammen, als ich mich zwang aufzustehen und zu meinen Kleidern zu gehen. Ein Zettel lag auf dem Bündel. "Noch einmal helfe ich dir nicht. In 6 Tagen werde ich den Stoff bei dir abholen. Streng dich also an, nun bleibt dir nicht mehr viel Zeit. Und sei das nächste Mal nicht so gierig, du merkst ja, was du davon hast" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)