Schwarzer Drache: Manticor von abranka (Schwarzer Drache II) ================================================================================ Kapitel 12: 12. Gespräch mit dem Drachen ---------------------------------------- Am Abend versammelten sich alle um ein großes Lagerfeuer. Nachdem sie gegessen hatten, begannen sie über ihre Situation zu diskutieren. "Was ich hauptsächlich wissen will, ist, wo wir hier überhaupt sind und warum wir es sind. Und was dieser Drache damit zu tun hat," meinte Allen "Das warum kann ich dir vielleicht nachher beantworten. Ich werde mit dem Drachen sprechen," erwiderte Hitomi. "Wie das?" erkundigte sich Merle neugierig. "Ich kann ihn rufen. Frag nicht warum, aber ich kann es. Van und ich werden mit ihm reden," erklärte das Mädchen vom Mond der Illusionen. "Ich glaube, ich sollte irgendwann aufhören, mich über dich zu wundern, Hitomi," seufzte Allen leise. "Gut. Unsere Position können Gardes und ich nachher mithilfe der Sterne bestimmen. Das dürfte kein Problem sein." Gardes hatte sich im Laufe des Nachmittags wieder beruhigt. Die Schäden am Crusado waren nicht ganz so schlimm, wie es auf dem ersten Blick ausgesehen hatte, und mittlerweile war er schon wieder recht optimistisch geworden, was eine mögliche Reparatur betraf. So nickte er jetzt zustimmend und lächelte sogar in das Feuer. Hitomi stand schließlich auf und fasste Van an der Hand. "Es ist Zeit," sagte sie und gemeinsam verschwanden sie in der Dunkelheit. Sie liefen in durch Wald, bis sie auf eine Lichtung kamen, die vom Licht der beiden Monde hell erleuchtet wurde. Hier blieb Hitomi stehen und sah sich um. "Wo bist du?" fragte sie in die Dunkelheit. Van hielt sich stumm im Hintergrund. "Ich habe mich schon gefragt, wann du mich rufst," kam die Stimme des Drachen aus den Schatten unter den Bäumen. Langsam schlich er näher und ließ sich neben den beiden Menschen im Mondlicht nieder. Seine schwarzen Schuppen glänzten, als ob sie feucht wären, als er sich gemächlich zusammenrollte. "Nun, was liegt euch auf dem Herzen?" fragte er mit einem leichten Lächeln. "Wer hat diese schwarze Lichtsäule geschaffen? Wer hat Van und mich gerufen?" begann Hitomi und ließ sich mit untergeschlagenen Beinen vor dem Drachen nieder. Auch Van setzte sich in das weiche Gras. "Das war der Manticor. Wir sind seit Urzeiten schon Gegner. Zwei Seiten der gleichen Medaille, wenn man so will." "Ist das der alte Feind? Ich habe diese Stimme nämlich schon einmal gehört. Bei der ,großen Schlacht'. Als du Dilandau getötet hast." Der Drache seufzte leise. "Du verstehst viel, Mädchen. Also muss ich viel erklären." Seine Flügel raschelten, als er es sich etwas bequemer machte und dann begann er zu erzählen. "Vor langer, langer Zeit wurden zwei Völker geschaffen. Das Volk des Drachengottes auf der einen Seite und das Volk des Manticors auf der anderen. Jedes der Völker bekam einen Beschützer, die einen den Drachen, die anderen den Manticor. Wenn du so willst, Van, bin ich also der, den das Volk deiner Mutter als den Drachengott verehrt hat. Vor etwas mehr als einem Jahrhundert kam es zu einem umfassenden Krieg zwischen dem Drachen- und dem Manticorvolk. Bei dieser Schlacht konnte ich den Manticor besiegen und mit einem Fluch versiegeln. Dafür musste ich aber schwören, mich nicht mehr in das Schicksal und das Leben meiner Kinder einzumischen. In der jüngsten Schlacht habe ich das bewusst missachtet und ihm damit wieder zur Freiheit verholfen." Er blickte nachdenklich zum Nachthimmel hinauf. "Ich musste eingreifen, denn sonst hätte ich mein letztes Kind verloren." Er lächelte Van sanft an. "Außerdem wusste ich, dass er früher oder später aufwachen würde. Auf Dauer ist es für unsereins einfach unmöglich, sich nicht einzumischen." Der Drache machte eine kurze Pause und ließ seine Worte auf Van und Hitomi wirken, dann fuhr er fort. "Von beiden Völkern gibt es nur noch wenige. Van ist mir als Einziger geblieben. Der Manticor hat auch nur noch zwei seines Volkes. Ich kann ihre Bilder aber nur schwach erkennen, denn er hat sie immer vor mir abgeschirmt. Es ist auf alle Fälle eine Frau. Und ein Mann." "Du irrst dich," sagte Van plötzlich. "So?" Belustigt legte der Drache den Kopf schief und sah den Jungen an. "Da ist auch noch Alexander. Er ist Folkens Sohn. Er trägt auch dein Blut in sich." Interessiert blickten die gelben Augen des Drachen ihn an. "Sollte ich etwa so nachlässig geworden sein?" sprach er leise zu sich selbst. "So nachlässig, dass ich einen von meiner eigenen Art übersehen habe?" Für den Moment schloss er die Augen und öffnete seinen Geist. Als er seine gelben Augen wieder aufschlug, lächelte er. "Ja. Ich war so auf dich konzentriert, dass ich ihn ganz übersehen habe. Seine Aura ist noch schwach, aber sie wird stärker. Noch viel stärker." Wieder lachte er leise, auf seine ganz eigene Art. "Es liegt noch etwas in der Luft. Eine neue Art. Eine andere Zukunft. Der Gedanke streift mich nur hin und wieder. Er bleibt nicht lange genug, um ihn wirklich zu fassen. Die Saat für diese Art ist längst gesät und geht auf. Erst zum Zeitpunkt der Ernte können wir wieder eingreifen." Er schüttelte den Kopf, als ob er einen lästigen Gedanken loswerden wollte. "Was sollen wir tun?" fragte Hitomi. "Nun, der Manticor will euch haben. Auch wenn ich noch nicht verstehe warum. Aber da er euch will, müsst ihr euch ihm entziehen. Ihr könnt nichts anderes tun, als vor ihm weglaufen. Mit ihm könnt ihr es nicht aufnehmen. Ich allein kann es. Aber dazu muss er aus seinem Versteck kommen. Ich muss ihn fordern. Mit ihm kämpfen. Aber das kann ich nicht, wenn er sich verkriecht." "Dann werden wir ihn eben aus seinem Versteck locken," sagte Van mit fester Stimme. "Kleiner Drachenreiter," lächelte der Drache, "du hast keine Vorstellung, auf was du dich da einlassen willst. Du kannst ja noch nicht einmal begreifen, wer ich bin. Wie willst du dann verstehen, mit wem du dich da anlegen willst?" "Das brauche ich gar nicht. Er will Hitomi und mich haben, gut. Die Bedrohung ändert sich doch dadurch nicht, dass wir weglaufen. Das hat die Aktion mit dem Crusado gezeigt. Er kann uns immer und überall erwischen. Er wird erwarten, dass wir weglaufen. Also sollten wir genau das nicht tun. Wir sollten seine Herausforderung annehmen. Das, was er getan hat, war doch schließlich nichts anderes." "Du bist mutig, Drachenreiter. Aber das wird dir nicht viel helfen. Wenn du aber so entschlossen bist, dann geh zu ihm. Finde ihn. Dann kann ich ihn auch erreichen. Ich werde eurer Spur folgen und meinen Schutz über euch halten. Das ist dann alles, was ich tun kann." "Also," meldete sich Hitomi wieder zu Wort. "Ich verstehe ja, warum er Van will. Das ist eine uralte Feindschaft. Aber warum ich? Warum sucht er auch mich?" "Weil du etwas Besonderes bist," erwiderte der Drache. "Du kannst ihn hören. Vielleicht kannst du ihn in Visionen sogar sehen. Er hat Angst, denn du kannst ihn erkennen." Langsam richtete der Drache sich wieder auf. Er streckte sich und breitete dann seine Flügel aus. "Geht euren Weg, meine Kinder. Ich kann euch nicht hindern. Aber ich werde euch begleiten. Wo auch immer euch euer Weg hinführen mag." Er drückte sich ab und verschwand augenblicklich vor dem Dunkel des Nachthimmels. Mit einem Lächeln auf dem schuppigen Gesicht dachte er: Und die Dinge gehen ihren Weg... Ich habe dich doch richtig eingeschätzt, kleiner Drache. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)