Schwarzer Drache: Manticor von abranka (Schwarzer Drache II) ================================================================================ Kapitel 26: 26. Verlaufen ------------------------- Alexander stand im Wald von Asturia vor dem Haus, in dem er aufgewachsen war. Immer wieder sah er die gleiche Szene. Seine Mutter stand vor dem Haus. Dann bahnte sich der Guymelef seinen Weg, tötete Tayana beiläufig und verschwand wieder. Jedes Mal aufs Neue rannte ein kleiner Junge aus dem Haus und war hilflos. Und jedes Mal aufs Neue spürte Alexander den Schmerz in seiner Brust. Wieder stand seine Mutter vor dem Haus. Und wieder konnte er nichts tun. Ohnmächtig ballte er die Hand zur Faust und starrte auf die Szene. Er konnte sich nicht rühren. Kein Muskel bewegte sich. Er wollte zumindest seine Augen schließen, aber er konnte es nichts. Nichts konnte er tun. Er wusste nicht, wie oft er das Geschehen schon gesehen hatte, als sich plötzlich etwas änderte. Eine neue, dunkle Aura lag in der Luft. Ihm schauderte und plötzlich spürte er, wie er sich wieder bewegen konnte. Er drehte sich um die eigene Achse und suchte nach dem Auslöser. Alexander konnte die Gegenwart nur erahnen, nicht wirklich spüren. Da war etwas und es kam mit jedem einzelnen Atemzug näher. "Was ist das?" fragte Hitomi erschrocken, als sie sich in Alexanders Traum wieder fanden. "Ich weiß nicht," antwortete die Elfenpriesterin verwirrt. "Ich kenne diese Aura nicht. So viel Dunkelheit... So viel Stärke..." Sie schüttelte langsam den Kopf. "Los, zerreiß den Traum. Dann werden wir vielleicht mehr sehen." Hitomi nickte und konzentrierte sich. Langsam löste sich der Traumwald auf und Alexander stand vor ihnen. "Hitomi?!" Alexander wirkte hochgradig verwirrt. "Es ist alles in Ordnung, Alexander. Ich bin hier, um dich aufzuwecken. Wach auf und alles ist wieder gut." "Nein!" Folkens Sohn schüttelte hektisch den Kopf. Er drehte sich weiter im Kreis und suchte die Umgebung ab. "Irgendetwas ist hier..." Auch Faisala sah sie aufmerksam um. "Eine fremde Präsenz. Irgendjemand streift durch die Träume. Aber wer? Wer?" Die Elfe nutzte all ihre geübten Sinne, aber sie konnte die dunkle Aura nicht identifizieren. Schließlich war es Hitomi, die laut aufstöhnte. "Nicht du," flehte sie leise. "Nicht du..." "Wer? Hitomi, wer?" Alexander fasste sie grob an den Armen und schüttelte sie. "Der Manticor. Es muss der Manticor sein. Aber was will er?" "Kind des Drachen!" dröhnte urplötzlich eine grollende Stimme von allen Seiten. "Kind des Drachen. Hier bist du also." Alexander schreckte zusammen. Er ließ Hitomi los und sah sich hektisch um. Schließlich erkannte er eine gigantische, schattenhafte Gestalt, die immer näher kam. "Verschwinde!" fauchte Hitomi wütend. "Verschwinde! Du hast hier nichts zu suchen!" "Zu dir will ich ja auch nicht, Mädchen," lachte der Manticor spöttisch. "Ich will IHN." Das letzte Wort brüllte er. Die Gestalt näherte sich immer mehr und deutlich konnten sie jetzt den Manticor erkennen. Seinen fledermausartigen Flügel trugen ihn schnell vorwärts. Seine Skorpionschwanz zuckte durch die Luft. "Weg!" schrie Alexander auf einmal, fasste Hitomi am Arm und rannte los. Er ging davon aus, dass Faisala ihnen folgen würde. Doch das tat die Elfenpriesterin nicht. "Kommt zurück! Das Labyrinth... Beim Drachengott! Kommt zurück!" Erschrocken starrte die Elfe ihnen nach. Ihre Stimme verhallte ungehört in der Endlosigkeit der Traumebene. Dann blickte sie zu dem heranrasenden Manticor und schloss die Augen. Sekunden später wachte sie auf. Sie konnte jetzt nichts mehr für die beiden tun. Sie mussten alleine einen Ausweg finden. "Alexander! Nicht!" keuchte Hitomi und stolperte hinter Folkens Sohn her. "Wir müssen zurück! Wenn wir aufwachen, kann er uns nichts! Das ist nur ein Traum!" Alexander hörte sie nicht und rannte weiter. Hitomi versuchte sich loszureißen, hatte damit aber keinen Erfolg. Vans Neffe war einfach zu stark. Also gab sie nach und rannte mit. Etwas anderes konnte sie nicht tun. Sie war so mit Laufen beschäftigt, dass sie nicht auf die Umgebung achtete. Plötzlich blieb Alexander stehen und drehte sich um. "Wir haben ihn abgehängt," stieß er hervor. "Du Idiot!" schrie Hitomi ihn an und verpasste ihm eine Ohrfeige. Verblüfft taumelte Alexander nach hinten und fiel auf den harten Steinboden. Er starrte Hitomi ungläubig an. "Was soll das?" knurrte er und sprang auf. "Wir hätte nur aufwachen müssen, dann wäre gar nichts passiert! Überhaupt nichts! Aber was machst du... Läufst weg und zerrst mich mit! Na, herzlichen Dank! Das ist gefährlich hier!" "Wovon redest du überhaupt?" Vollkommen verwirrt starrte Alexander sie an. "Das hier ist ein Traum, den das Wasser des Sees ausgelöst hat. Wir müssen aufwachen, aber dazu müssen wir auf die graue Ebene - Faisala hat sie auch so was wie ,reine Ebene' - genannt zurück. Dann können wir aufwachen. Gott, man kann sich in diesen Träumen verirren!" Langsam sah sich Hitomi um und realisierte, dass das schon längst passiert war. Um Alexander und sie herum ragten massive Wände in die Luft. Sie legte den Kopf in den Nacken und starrte die gigantische Mauer hoch. Sie konnte kein Ende erkennen. "Und genau das haben wir wohl getan..." murmelte sie leise und sah Alexander angsterfüllt an. Der Junge begriff nun, dass sie wirklich in Schwierigkeiten waren. Faisala öffnete die Augen und blickte sich um. Langsam richtete sich die Elfenpriesterin auf. Sofort waren die Gefährten der beiden Träumer bei ihr und überhäuften sie mit Fragen. "Immer mit der Ruhe," sagte sie schließlich erschöpft und brachte alle mit einer Handbewegung zum Schweigen. "Sie sind weggelaufen und haben sich verirrt. Wenn jemand den Weg aus Labyrinth der Träume heraus finden kann, dann ist das Hitomi. Sie hat ein Gespür für Träume. Ich kann nichts mehr tun. Wir können nur warten. Alles andere ist an den beiden." Die Elfenpriesterin streckte ihre Hand fordernd aus und sofort war Farla, die Elfe, die Louvain zuerst kennen gelernt hatte, bei ihrer Meisterin und stützte sie. "Wir müssen warten..." flüsterte die Elfenpriesterin noch einmal, als sie erschöpft in Farlas Armen zusammensackte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)