Kurzgeschichten feat. MiKu von MSK (Archiv für Ficlets/Drabbles/Shortstorys) ================================================================================ Brauchen/Lieben --------------- Brauchen/Lieben Der 19. Mai. Tatsächlich. Bela stand in der Küche seines besten Freundes, deckte gerade ihr gemeinsames Abendessen ab und starrte auf den Kalender, der unter der schlichten Wanduhr in der Küche hing. Nein. Das konnte nicht wahr sein. Er hatte Rodrigo nicht an seinem Geburtstag allein gelassen... Klirr. „Dirk?“ Einen Augenaufschlag nachdem der halbvolle Teller Spaghetti aus den Händen Belas zu Boden gestürzt war, stand Farin Urlaub, ein T-Shirt und Shorts tragend, auf der Schwelle, die in den Flur und schließlich ins Schlafzimmer führte. Er sah den Kleineren da stehen, die Hände, wie aus Eis noch erhoben, der ganze Körper erstarrt. Nur seine Lippen bewegten sich. Sie zitterten... „Hey...“ Er ging auf ihn zu, legte seine langen Arme um ihn, fuhr zärtlich an seiner Seite hinab. Kurz zögerte er, strich dann mit Nase und Mund am scharfkantigen Hals des Kleineren auf und ab. „Was ist?“ „I...ich... Ich hab ihn... allein gelassen.“ Hauchte er, kaum hörbar, reagierte nicht auf Farins zärtliche Berührungen. Sie trösteten ihn nicht. Nicht einmal ein wenig... Der Blonde brauchte nicht lange, um zu erraten, wen sein Freund meinte. „Er hat doch immer zu arbeiten... und ab morgen bist du sowieso drei Wochen lang für ihn da.“ Ein Kuss im Nacken. Bela schwieg und starrte auf den Kalender. „Tut mir Leid... ich hätte es dir eher sagen müssen... Aber ich fahr wieder weg, bis Mitte Juni.“ Der Andere schwieg weiter. „...Dirk? Hörst du mir zu?“ Bela zitterte. „Hey, ich habe gesagt, ich werd weg sein, drei Wochen!“ Farin war irritiert. Diese stoische Ruhe kannte er nicht von seinem Kleinen. Zudem erschien er ja nicht ruhig. Er bebte regelrecht, seine Hände waren zu Fäusten geballt. Die Schultern des Größeren sanken leicht. Seine Stimme war schlagartig leiser, bedrückter, nahe an Belas Ohr. Seine Schwachstelle. „Ich dachte, du bist bei mir, für heute...“ Seine Hand strich Belas Rücken hinauf. Wieder seine langen, starken Arme um den Älteren. Doch der schwieg. Farin schob sich noch näher an ihn, flüsterte. „Bitte Dirk...“ Küsse an seinem Hals, der Wange. Er versuchte, seine Lippen zu erreichen. Da stießen Belas geballte Fäuste gegen seine Brust und drängten ihn weg. „Ich will aber nicht hier sein. Nich so!“ Er drehte sich ruckartig zu Farin um. Jener sah ihn an. Er war noch verwirrter. Seine Brauen verzogen sich, sein Ton wurde fast schneidend. „Was? Wer kümmert sich denn hier um deine Sehnsüchte, wenn der werte Herr González mal wieder non-Interesse zeigt und in seiner Arbeit hängt? Wer ist denn hier immer für DICH da? Ich gebe mir immer nur Mühe, dass wir beide es schön haben!!“ Bela war immer und immer kleiner geworden. Jan hatte ja Recht. Sicher. Hatte er doch immer. Er meinte es gut mit ihm und Bela selbst trat das undankbar mit Füßen. Sofort fühlte er sich schlecht. Verräterisch. Er sah Farin wieder in die Augen. Grün traf Grau. „S...sorry...“ Zögernd tat er zwei schritte auf den großen Blonden zu. Der lächelte, tat ebenso, legte die Hände an Belas Hüfte, zog ihn an sich, strich mir den Händen über seine Tallie, den Rücken, seinen Hintern. „Schon gut... na komm, lass uns hinlegen... Abwaschen geht auch morgen noch...“ Einige Stunden später lag er neben Farin Urlaub in dessen großem, rein weiß, mit Baumwollbettwäsche bezogenem Bett. Er konnte hinaus in die Nacht sehen, die vielen Sterne, die er auf dem Balkon in Berlin nie so recht zu sehen bekam. Und doch liebte er diesen Ort. Weil jemand dort war, der ihm alle Sterne unwichtig machte... Die große warme Hand seines Freundes schob sich über seine Arme nach vorn, legte sich über Belas linke Hand. Farin schlief tief und fest, wie ein kleiner Junge, der seinem liebsten Stofftier im Arm so manche Abenteuer im Traumland problemlos durchlebte. Doch der Gedanken, für ihn nur eine Puppe zu sein, der gefiel Bela nicht. Der Gedanke, Farin noch wichtiger zu sein, als er glaubte... das machte ihm jedoch auch Angst. Wie so oft in Nächten wie diesen, in denen er wach neben seinem besten Freund lag, versuchte er, sich ein Bild zu machen, von dem, was er empfand. Er selbst. Für beide. Er mochte Jan. Er liebte ihn sogar. Innig, ja innigst... Er liebte ihn für ihre Gespräche, für ihre Spaziergänge, für ihre gemeinsamen Essen und dafür, dass er da war. Immer. Einfach so. Er war nicht unabkömmlich in irgendwelchen eigenen Firmen. Seine einzigen Pflichten, die waren sein Racing Team und Die Ärzte. Und selbst die pendelte er aus, nutzte er sinnvoll und behielt den Überblick. Auf der anderen Seite bekam er manches Mal Angst. Angst, noch einmal voll und ganz abhängig von Jan zu werden. Er tat, was er gern von ihm wollte, er gab es ihm. Nachmittage, Abende und Nächte. Spaziergänge, Umarmungen, Küsse. Er teilte alles mit ihm. Und doch war es nicht diese Tiefe. Es war nicht dieses stille Verständige, dieses „sich gegenseitig Wollen“, das Gewissen, dass der andere ebenso empfand wie er selbst. Genau das hatte er nur an Rodrigo. Und das war, was er an ihm am aller meisten liebte. Zärtlich und innig... anders. Er liebte ihn für alles. Für seine Augen aus Schokolade und die nach Sonne und Meer duftenden Haare, für seine ruhige Stimme, die ihn in den Schlaf wiegen konnte, ihn schlagartig vollkommen entspannen konnte, aber auch so prickelnd in seinem Ohr wiederhallen, dass er am ganzen Körper Schauer spürte. Er liebte ihn für wortlose, einfach schöne Momente, für Blickkontakte, für Gespräche in der Stille, für Gedankenlosigkeit und Gedankenfülle, für Inspiration und Rationalität. Für seinen weltmännisch-trockenen Humor und seine sanfte, fast behütende Art, mit seine Körper umzugehen. Für Gefühle, die er mit winzigen Gesten in Bela auszulösen vermochte... Bela merkte still auf. Jan hatte sich auf den Rücken gedreht, seufzte verträumt, murmelte irgend einen Namen. Der Drummer überlegte nicht lange, setzte sich langsam auf, sah nur noch einmal zurück. Ein kurzer Kuss auf den hohen Wangenknochen. Dann war er aus Farins Schlafzimmer verschwunden, zog sich an, hinterlies ihm auf dem Tisch einen Zettel. „Jan... ich muss. Ich liebe.“ Dann hastete er aus der Wohnung, zu seinem Auto, sprang, nachdem er mit zittrigen Händen den Schlüssel aus der Jackentasche gefischt hatte, hinein und jagte an dem kaum erkennbaren kleinen Ortsausgangsschild vorbei, Richtung Berlin. Als er auf der Autobahn war, tastete er auf dem Beifahrer sitz nach seinem Handy. Geh ran. Bitte... sei noch wach... „...Dirk? Was willst du?“ erklang eine müde Stimme. Belas Kehle schnürte sich zu, er umklammerte das Handy, starrte vor sich auf die fast leere Strecke. „Ich komm zu dir... Rod... ich...“ Er wurde unterbrochen. „Willst du sagen du bist jetzt auf der Straße? Dirk es ist vier Uhr morgens! Kehr jetzt sofort um und fahr zu Jan, hörst du? Ich will nicht, dass dir was passiert!!!“ Bela musste zittrig lächeln. „Ich liebe.“ „... Was?“ „Ich... ich liebe.“ „Wen? .. W... Weinst du etwa?“ Bela lachte auf, schluchzte dabei aber ungewollt. „Ich doch nich. Kennst mich doch.“ „Jetz hör auf mit dem Scheiß... wo bist du???“ Der Ältere schloss kurz, sehr kurz, die Augen. „Ich liebe-!“ Ein Quietschen aus dem Hörer, ein Krachen, Blech auf Blech, eine Explosion. Der Tank. Schon wieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)