Schwarzer Drache: Silberschwingen von abranka (Schwarzer Drache III) ================================================================================ Kapitel 6: 6. Silberner Mond ---------------------------- Alexander wusste nicht, wie lange er neben Ivory auf dem kalten Steinboden gesessen und das Wolfsmädchen im Arm gehalten hatte. Irgendwann hatte sich ihr Schluchzen beruhigt, dennoch hatte sie sich nicht gerührt. Sie hatte den Kopf immer noch an seine Brust gelehnt und er konnte ihr weißes Haar an seinem Gesicht spüren. Schließlich bewegte sie sich und blickte ihn aus ihren roten Augen verlegen an. "Entschuldige bitte. Das ist... sonst nicht meine Art," sagte sie leise und zog sich langsam an die Balkonbrüstung zurück. Sie lehnte sich dagegen und sah ihn an. "Ist schon gut," erwiderte Alexander sanft und stand langsam auf. Er streckte sich und lächelte das Wolfsmädchen an. "Dazu sind Freunde nun einmal da." "Freunde..." Nachdenklich starrte sie neben ihm auf die Balkontür. "Freunde... So etwas hatte ich noch nie." Sie stand auf und strich sich über das schwarze Kleid, als wenn sie Staub abklopfen wollte. "Wie kommt das?" erkundigte sich Folkens Sohn und trat vorsichtig neben sie. Ihr Blick war abschätzend, doch sie duldete seine erneute Nähe. "Albinos sind... nicht gerne gesehen. Wenn du verstehst, was ich meine. Ich bin eine Ausgestoßene unter Gefürchteten. Denn Angst ist es doch, was uns Wolfsmenschen entegegengebracht wird. Tiermenschen haben es nie leicht, doch wir Wölfe haben es am schwersten. Jeder verwechselt uns mit Werwölfen, unsere blutrünstigen Vettern. Niemand versucht zu sehen, was wir sind. Es sind immer nur die Ammenmärchen. Nichts anderes. Allein König Van ist anders. Er hat uns hier eine Heimat gegeben. Was leider nichts an dem Misstrauen der Menschen ändert." Während Ivory sprach, hatte sie sich von Alexander abgewandt und blickte wieder zu den beiden Monden empor. "Ihr verehrt hier den Drachengott und wir den Mond. Das ist unserer großen Familie gemeinsam. Wir verehren alle den silbernen Mond. In der Wildnis kann man heute Nacht meine Verwandten singen hören. Sie singen für den Mond." Sie schenkte Alexander einen kurzen Seitenblick. Dabei umschmeichelte das weiße Haar sanft ihr Gesicht. Danach blickte sie wieder zu den Monden empor. "Wir haben ein Lied für den silbernen Mond..." "Singst du es für mich?" fragte Alexander leise und blickte das Albinomädchen unverwandt an. Als Antwort hob sie die Stimme und begann zu singen. Glockenhell klang ihr Gesang durch die Nacht. "Silberblick herab zu uns sanftes Licht das einzige Lächeln für uns Silberlicht Sonne in der Nacht einsamer Schein das einzige Licht für uns Silberschatten eine Umarmung ganz zärtlich die einzige für uns Silberschein der einzige Freund der wahre die einzige Liebe für uns" Farla hatte die ganze Zeit über hinter dem Pflanzenkübel gehockt und Alexander und das Wolfsmädchen beobachtet. Als sie die alte Weise hörte, seufzte sie leise auf. Sie hatte dieses Lied schon oft gehört. Die Legende besagte, dass ,Silberner Mond' ein Lied war, das die Elfen einmal dem Volk der Wolfsmenschen geschenkt hatten, um ihnen ein wenig Trost zu spenden. Die kleine Elfe spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken rann. Noch nicht einmal die Priesterin der Elfen war in der Lage dieses Lied so schön zu singen, wie es das Wolfsmädchen gerade tat. "Milerna! Hier bist du also! Ich habe dich schon den ganzen Abend gesucht!" Eries' Stimme klang erleichtert, als sie ihre Schwester von hinten ansprach. Innerlich seufzte Milerna auf. Sie hatte also doch vergeblich versucht ihrer Schwester aus dem Weg zu gehen. Eries hatte ihr immer noch nicht die spontane Heirat mit Allen verziehen und noch weniger, dass sie zusammen mit ihrem Mann zu dessen Sohn nach Freyd gegangen war. Und am wenigstens hatte sie ihnen beiden vermutlich das ganze politischen Chaos verziehen, das sich ergeben hatte, nachdem bekannt geworden war, wer wirklich Prinz Shids Vater war. Glücklicherweise hatte Eries während der Hochzeitszeremonie nicht mit ihr reden können, doch jetzt konnte Milerna ihr nicht mehr entwischen. "Eries!" Milerna drehte sich mit einem strahlenden Lächeln um. "Ich habe mich schon gewundert, wo du steckst." Sie gab der Königin von Asturia einen höflichen Kuss auf die Wange. Allen verfolgte mit einer hochgezogenen Augenbraue die übertriebene Freundlichkeit, mit der sich die Schwestern begrüßten. Er ahnte, dass unter der Oberfläche noch etwas vorging, doch er war auch der Ansicht, dass es ihn so lange nichts anging, bis Milerna ihn einweihte. "Allen." Eries nickte ihm freundlich zu. "Wir haben uns seit der Zeremonie nicht mehr gesehen. Soweit ich mich erinnere, hattet Ihr mir einen Tanz versprochen." Sie lächelte sanft und streifte Milerna mit einem Seitenblick. "Dann lasst ihn uns doch jetzt einlösen," entgegnete Allen mit einer leichten Verbeugung und reichte Eries den Arm. "Du hast doch nichts dagegen, oder?" raunte er Milerna aus dem Mundwinkel zu, doch diese schüttelte nur unmerklich den Kopf. "Tanz nur mit ihr. Dann muss ich mir wenigstens keine neue Tirade anhören," flüsterte sie leise. Allen musste grinsen. Kaum waren Allen und Eries im Getümmel auf der Tanzfläche verschwunden, als sich Van und Hitomi aus dem Gedrängel herausschoben und Milerna entgegen kamen. "Na, ihr zwei Süßen? Genießt ihr eure Hochzeit?" fragte die Prinzessin mit einem Lächeln. "Wie du siehst, ja!" grinste Hitomi breit. Auch Van lachte übermütig. Wenig später erreichten sie auch Merle und Louvain. "Tanzen wir auch endlich zusammen, Van?" quengelte Merle und nahm den König an die Hand. "Nur, wenn Hitomi mich gehen lässt," gab Van zurück. Das Katzenmädchen blickte die neue Königin von Farnelia erwartungsvoll an. "Na geht schon!" lachte diese und zwinkerte den beiden zu. Übermütig zerrte Merle Van zur Tanzfläche. "Wo nimmt sie nur diese Energie her?" Louvain sah dem Katzenmädchen kopfschüttelnd nach. "Wir haben jetzt mindestens zwei Stunden am Stück getanzt. Und sie ist immer noch nicht müde!" Hitomi und Milerna mussten kichern. "Sagt mal, habt ihr Alexander irgendwo gesehen?" "Vorhin war er noch draußen auf dem Balkon," meinte die asturianische Prinzessin. "Vielleicht ist er ja immer noch da." "Danke. Ich werde mal nachsehen." Entschlossen drängelte sich der Löwenjunge durch die Menschenmenge davon. "Das war wunderschön," sagte Alexander als Ivory geendet hatte. Er hatte die Arme auf die Balkonbrüstung gestützt und sah sie unverwandt an. "Danke." Ein sanftes Lächeln umspielte die Lefzen des Wolfsmädchens. Zum ersten Mal seit langem hatte sie das Gefühl wirklich lächeln zu können und nicht nur eine Maske aufzusetzen. Leise sprang hinter ihnen die Balkontür auf und Louvain betrat den Balkon. Als er das Gesicht von Lothians Schwester sah, wünschte er sich, dass er es nicht getan hätte. Sobald Ivory Louvain ansichtig wurde, änderte sich ihre Miene schlagartig. In ihren roten Augen glomm kaum verhohlener Hass. "Mörder!" knurrte sie hasserfüllt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)