Schwarzer Drache: Silberschwingen von abranka (Schwarzer Drache III) ================================================================================ Kapitel 24: 24. Im Schutze der Nacht ------------------------------------ Leise schlichen sich Mèo und Miguel im Schutze der Dunkelheit in die Stadt. Der Weg bis zu der schäbigen Herberge, in der Familie von Styx untergebracht war, war nicht weit. Unter dem Fenster des Zimmers, in dem das Ehepaar schlief, hielten sie kurz inne. Mit einigen knappen Gesten forderte Mèo Miguel auf, ihn hochzuheben. Kaum war der Junge auf den Schultern des Mannes, als er auch schon die Fensterläden aufschob und das Fenster öffnete. Sein Messer blitzte im Mondlicht kurz auf. Miguel wartete unter dem Fenster, bis der Junge zurückkam. "Alles erledigt?" fragte er leise. Mèo nickte und zeigte wie zum Beweis sein blutverschmiertes Messer vor. "Sie hatten einen seligen Schlaf," sagte er mit einem düsteren Lächeln. Dann wischte er das Messer mit einem Tuch ab und steckte es wieder an seinen Gürtel. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu der Unterkunft der Familie von Lethe. Sie lag in einem weitaus besseren Stadtteil. Dort würde ihr Auftrag möglicherweise etwas schwerer zu erledigen sein. Auriana sah den schlafenden Manticor nachdenklich an. Sie lauschte stumm in sich hinein. Irgendetwas musste sie doch in ihrem Inneren finden können. Irgendein Gefühl. Aber da war nichts. Keine Zuneigung, aber auch keine Ablehnung. Gar nichts. Sie hatte den Eindruck, dass etwas in ihrem Inneren zerbrochen sein musste. Sie fuhr sich gedankenverloren durch das blonde Haar. Wann hatte sie das letzte Mal überhaupt etwas gefühlt? Sie erinnerte sich plötzlich an ihre Hochzeit mit Van Farnel. Mit ausdruckslosen Augen starrte sie den Manticor weiter an. Ja, damals... Damals hatte sie noch geglaubt irgendwie ihrem Schicksal entkommen zu können. Sie hatte gehofft, dass ihre Hochzeit mit Van sie retten könnte. Doch sie hatte sich geirrt. Am Ende hatte sie wieder getan, was sie tun musste. Und damit verloren, was sie sich erhofft hatte. Was sie gebraucht hätte. Auriana seufzte leise auf. Ja, als sie allein im Regen gestanden und das Luftschiff abheben gesehen hatte, das sie zurück nach Sarya gebracht hatte - das war der letzte Moment gewesen, in dem sie noch das Gefühl gehabt hatte, zu leben. Danach... Danach war sie abgerutscht, hinein in die Leere, die sie nun ausfüllte. Plötzlich regte sich der Manticor und öffnete eines seiner schwarzen Augen und sah Auriana an. Sie erwiderte seinen Blick gelassen. Er war das Einzige, was sie noch hatte. Der Manticor blickte sie lange an. Dann huschte ein dunkles Lächeln über seine Lefzen. Hitomi kuschelte sich eng an Vans warme Schulter. "Ich habe Angst, Van..." flüsterte sie leise. "Ich weiß," erwiderte ihr Mann und streichelte ihr behutsam über das hellbraune Haar. "Niemand kann sagen, was diesmal auf uns zukommt..." Er seufzte leise und gab Hitomi einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. "Du solltest jetzt schlafen, Liebling..." "Ich weiß." Jetzt war es Hitomi, die leise seufzte. "Aber ich kann nicht. Immer noch sehe ich das Einhorn vor mir... Und den Drachen... Und dann den Manticor..." Verständnisvoll nickte Van. "Wir können uns ja auch noch etwas unterhalten. Bis du einschläfst..." Er lächelte in der Dunkelheit. "Aber über nichts, was dir noch mehr Gedanken macht..." "Was ist mit dir? Machst du dir denn gar keine Gedanken?" fragte Hitomi nachdenklich. "Und wie! Aber ich weiß, dass es nichts bringt, sich verrückt zu machen. Weißt du, es ist wie mit einem Krieger vor einer Schlacht. Wenn er genug Schlaf finden will, damit er seine Schlacht schlagen kann, darf er nicht über das Morgen nachdenken. Darüber, was passieren kann. Dass er sterben könnte. Wenn er das tut, dann wird er sterben, weil er nicht ausgeruht in die Schlacht geht und es ihm an Kraft fehlt. Schlaf jetzt, mein Schatz, denn Morgen früh beginnt unsere Schlacht..." Van spürte, wie Hitomis Atem ruhiger wurde und lächelte, als er erkannte, dass sie endlich eingeschlafen war. Er selbst starrte nachdenklich zu der dunklen Zimmerdecke empor. Kann es sein? Laures von Styx, kannst du mein Sohn sein? Ist das möglich? Mit einem leichten Schauer rief er sich die Dunkelheit in Erinnerung, die er in den Augen des jungen Soldaten gesehen hatte. Bist du mein Sohn, Laures von Styx? fragte Van stumm in die Dunkelheit, doch die Nacht gab ihm keine Antwort auf seine Frage. Ivory saß auf dem Balkon ihres kleinen Hauses und blickte zu den Sternen und den beiden Monden empor. Neben ihr saß Alexander und beobachtete das Wolfsmädchen. Der Wind spielte mit ihrem weißen Haar und das Licht des Mondes der Illusionen ließ es silberblau schimmern. Schließlich blickte sie Alexander an und lächelte. "Du beobachtest mich..." stellte sie fest. "Jetzt fühle ich mich ertappt." Alexander lachte schelmisch. Dann wurde er ernst. "Die Nacht scheint zu dir zu gehören. Vor allem das Mondlicht. Es ist unheimlich, aber es scheint eher deine Welt zu sein, als das Sonnenlicht." Ivory lachte auf. "Kunststück! Ich bin nun einmal ein Kind der Nacht. Ein Kind des Mondes." Ihre Stimme wurde sofort wieder ernst. Dann fing sie leise an zu singen. "Silberscheibe in der Nacht ein Blick zu dir bin nicht mehr allein Silberlicht bis ins Herz heulender Schrei du bist da Silbersonnenschein du mein Licht in der Nacht Silbertraum nicht nur ich sehe dich die anderen auch Silbermond in deinem Schein sehe ich die anderen Kinder des Mondes" Als sie geendet hatte, sah Alexander sie tief berührt an. Langsam bekam er einen Eindruck von dem, was das Volk der Wolfsmenschen wirklich hatte erdulden müssen und immer noch mit sich trug. Vorsichtig streckte er die Hand aus und fasste Ivory unter das Kinn. Er drehte ihren Kopf sanft zu sich und sie blickte ihn aus ihren roten Augen ruhig an. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dann beugte sich Alexander vor und küsste sie vorsichtig. Schweigend huschten Mèo und Miguel durch die Straßen der Stadt. Ihr Vordringen war doch einfacher gewesen, als sie erwartet hatten. Wenige Wachen waren ihnen über den Weg gelaufen, sodass sie sich selten in die Schatten hatten zurückziehen müssen. Nun hatten sie den protzigen Gasthof erreicht, in dem Familie von Lethe untergebracht war. "Zweiter Stock," zischte Miguel leise. Dann bedeutete er Mèo an der Regenrinne hinaufzuklettern. Wendig wie ein Affe schwang sich der Junge empor. Miguel folgte ihm kurze Zeit später. Diesmal würden sie ihren Auftrag zusammen erledigen. Auf dem Fenstersims verhielt der Junge. Prüfend drückte er gegen das Fenster und stellte überrascht fest, dass es offen war. Schnell kletterte er hinein. Miguel folgte ihm auf dem Fuße. Leise huschten beide zu dem Ehebett, dass in der Mitte des protzig eingerichteten Raumes stand und in dem das Ehepaar von Lethe schlief. Sie bezogen an beiden Seiten des Bettes Stellung. Mèo nickte einmal kurz, dann stießen sie beide mit ihren Messern zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)