Schwarzer Drache: Silberschwingen von abranka (Schwarzer Drache III) ================================================================================ Kapitel 29: 29. Manticor ------------------------ Urplötzlich veränderte sich noch etwas. Alle hielten für den Moment mitten in der Bewegung inne. Selbst Laures verharrte mitten im Schlag und lauschte auf das seltsame Geräusch, das auf einmal durch den Thronsaal schallte. Es klang beinahe wie heulender Wind. Hitomi wirbelte herum und hörte, wie von draußen Männer gegen die Eingangstür zum Thronsaal schlugen. Die Tür wurde hartnäckig gerüttelt, doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Vor der verschlossenen Tür konnte sie Allen fluchen hören. Merle fasste Louvain liebevoll an der Schulter und stellte beruhigt fest, dass er nur etwas benommen war. Das Blut stammte nur aus einer leichten Platzwunde an seiner Schläfe. Einige Meter weiter rappelte sich Alexander langsam wieder auf. Blut strömte aus einer tiefen Schnittwunde an seinem Bein. Er sah erst Ivory an und dann Farla. "Danke, Kleine," murmelte er leise und verwuschelte dem Elfenmädchen das silberne Haar. Sie strahlte ihn mit leuchtenden Augen an. Dann schob Ivory sie bei Seite und warf sich ungestüm in Alexanders Arme. "Ich hatte Angst um dich," flüsterte Ivory leise. Alexander streichelte ihr sanft über den Rücken und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Farla wurde leichenblass. Laures trieb Van langsam aber sicher weiter zurück. Der König von Farnelia konnte die heftigen Schläge seines Sohnes nur noch mühsam abwehren. Während ihn selbst die Kräfte langsam verließen, schien Laures mit jedem einzelnen Schlag stärker zu werden. Schließlich stolperte Van ungeschickt zurück und sein Sohn konnte ihm das Schwert aus der Hand schlagen. "Jetzt wirst du sterben," sagte Laures leise und entschlossen. Dann holte er anmutig aus und schlug zu. Doch statt Van tödlich zu verwunden, blieb das Schwert mitten in der Bewegung stehen. Allmählich materialisierte eine grauhaarige Gestalt mit ausgebreiteten schwarzen Flügeln vor ihm. "Du wirst meinen Bruder nicht töten," sagte Folken sanft. Mit den bloßen Händen hatte er Laures' Schwert aufgehalten. Laures sah Vans Bruder kurz an, dann schüttelte er lachend den Kopf. "Schwarze Flügel," sagte er dumpf, "du bist nicht der Einzige, der sie hat..." Anmutig warf er seinen Kopf in den Nacken und streckte seine Arme zur Seite. Augenblicklich breiteten sich vier schwarze Flügel auf seinem Rücken aus. Ein Flügelpaar bestand aus schwarzen Engelsflügeln, während es sich bei dem anderen um ledrige Fledermausflügel handelte. "Wie willst du die Dunkelheit aufhalten, schwarzer Engel?" fragte Laures leise und sah Folken in seine braunen Augen. "Laures!" schrie Lauria auf einmal auf und rannte auf den Jungen mit den vier schwarzen Flügeln zu. Verwirrt drehte sich dieser um und sah dem Mädchen mit dem wehenden goldenen Haar entgegen. Die schwarze Lichtsäule erschien urplötzlich mitten in dem Thronsaal. Ihr schwarzes Licht erfüllte den Raum vollständig und als sie nach einem endlosen Moment endlich wieder verschwand, stand der Manticor mitten im Raum. Erschrockene Blicke trafen ihn. "Kommt zu mir, meine Kinder," sagte er mit grollender Stimme. "Was soll ich bei dir?" fauchte Laures zornerfüllt. "Du bist doch auch nichts! Du bist nicht anders als alle anderen! Kein bisschen! Verschwinde und halt dich aus Dingen raus, die dich nichts angehen!" Lauria blickte verwirrt von Laures zu dem gigantischen Geschöpf, das gerade erschienen war. "Du kennst ihn?" "Kennst du mich nicht, meine Tochter?" grollte er und sah Lauria verblüfft an. Wie konnte es sein, dass sie ihn nicht kannte? Hatten ihre Zieheltern etwa versagt? Lauria zuckte unter dem Blick seiner schwarzen Augen zusammen und spürte deutlich das brodelnde Böse, das ihn umgab. Es war eine andere Art von Schwärze als die, die sie bei Laures wahrnahm. "Ich bin nicht deine Tochter!" schrie Lauria zurück und sah wieder Laures an. "Laures, was hat das zu bedeuten?" Doch der Junge mit den schwarzen Flügeln zuckte nur mit seinen Schultern. "Ihr seid meine Kinder, ihr beiden," erklärte der Manticor. "Ihr werdet das neue Volk gründen. Das Volk, das Gaia beherrschen wird. Ihr, Bruder und Schwester, vom Blut des Manticor und vom Blut des Drachen..." "Bruder und Schwester?" Lauria blickte entsetzt vom Manticor zu Laures und wieder zurück. Auch Laures war schneeweiß im Gesicht geworden. "War das alles nur ein Teil deines Plans?" Seine Seele schien innerlich aufzuschreien. "War es nur dein Wille, dass ich mich in meine Schwester verliebe? Ist das alles nur dein Werk?" Laures spürte, wie das Letzte bisschen, an das er sich noch hatte klammern können, seine Liebe zu Lauria, unter seinen Fingern zerrann. Nur ein Beschluss des Manticor. Seine Schwester. Er liebte seine Schwester. Und zwar nur, weil der Manticor es so wollte. Laures spürte, wie noch mehr von dem Hass in ihm hoch kochte. Noch mehr. Viel mehr. Mit einem gellenden Aufschrei warf er sich nach vorn und griff den Manticor an. Überrascht hatte Hitomi die Entwicklung verfolgt. Erst erschien dieses Mädchen, das offenbar Vans Tochter und Laures' Schwester war und dann der Manticor. Und jetzt griff Laures auf einmal den Manticor an. Hitomi ließ ihren Blick kurz durch den Raum schweifen. Lauria stand wie erstarrt da und blickte den Manticor und ihren Bruder abwechselnd an. Van saß hinter Folken auf dem Boden und starrte ebenfalls zu dem Giganten empor. Folken stand noch immer mit ausgebreiteten Flügeln vor seinem Bruder. Alexander ging, mit Ivory im Arm und Farla an seiner Seite langsam zu seinem Vater herüber. Und Merle kauerte noch immer neben Louvain auf dem Boden. "Drache," murmelte Hitomi leise, "Ich glaube, so langsam solltest du hier auftauchen..." Dann fing sie an sich zu konzentrieren und legte ihre rechte Hand behutsam über die Tätowierung oberhalb ihres Herzens. Schwarzer Drache, ich rufe dich... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)