Der Chat ihres Lebens von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 1: Kagome ----------------- Kagome sah zu dem großen Baum auf, der den Hof des heimatlichen Schreins so lange beschattete. Sie wusste nur, dass er sehr alt sein musste – und ihr in all den achtzehn Jahren ihres Lebens das Gefühl gab Schutz zu finden. Sie machte sich auch augenblicklich Sorgen. Mama war mit Opa zum Arzt gefahren. Er war alt, sicher, aber er wurde immer schwächer und die Familie war äußerst beunruhigt. Aber daran konnte sie nichts ändern und so warf sie lieber wieder einen Blick auf die Papiere neben sich. Es wäre nützlicher, wenn sie sich auf den Bewerbungstermin vorbereitete. Eine solche Chance kam nie wieder und ihr eigenes Geld zu verdienen würde Mama doch sehr entlasten. „Kagome?“ Sie sah auf. „Souta?“ Ihr kleiner, nun ja, jüngerer, Bruder kam heran. „Mama hat dich noch nicht angerufen?“ „Nein, aber das heißt doch nur, dass es gut wird, oder?“ „Vermutlich. Was liest du da?“ Das sah nicht nach den gewohnten Schulbüchern aus. Überdies hatte seine Schwester ja die Abschlussprüfung bestanden. „Ausdrucke. Morgen ist doch der Bewerbungstag bei den Doggies ... “ Wie der Spitzname für den milliardenschweren Konzern des Fürsten lautete. Natürlich nur unter Menschen. „Du hast eine Einladung bekommen?“ „Ja.“ Das waren immer mehrere Schritte: bewerben, Einladung zu einer Prüfung, wenn es gut ging die zu einem Vorstellungsgespräch. Und, wenn sie eine Lehre im Kendama beginnen könnte, wäre das nur gut. Der Fürst der westlichen Gebiete besaß praktisch allen Grund und Boden, mit Ausnahme weniger Schreine und anderer alter Rechte, wie diesem hier, und war damit auch einer der reichsten Männer überhaupt. Natürlich hatte sie sich auch bei anderen Firmen beworben, aber Mama hatte schon Recht. Ein so mächtiger Konzern, weltweit, würde kaum je bankrott gehen oder auch nur viele Mitarbeiter entlassen müssen. Es war besser als in einer Zwei-Personen Firma zu arbeiten. Überdies gab es auch bessere Aufstiegschancen, selbst für menschliche Frauen, je größer der Arbeitgeber war. „Fragst du mich ab?“ „Ja.“ Der Zwölfjährige nahm die Blätter. „Wieso musst du das denn drauf haben?“ erkundigte er sich nach einem Blick darauf. Kagome erwiderte so brav, dass es ihren Klassenleiter gefreut hätte, der sie stets für impulsiv gehalten hatte: „Sie wollen immer wissen, ob man sich für die Firma auch interessiert.“ „Schön. Wem gehört das Kendama?“ Sie strich sich unwillkürlich die schwarzen Ponyfransen aus der Stirn. „Dem Inu no Taishou, dem Fürsten der westlichen Länder, unserem Fürsten.“ Seit Menschen und Dämonen vor fünfhundert Jahren Krieg geführt hatten – und die Dämonen gewonnen hatten. „Er ist im Konzern der CEO, der Chief Executive … äh, naja. Er legt die Strategien fest. Sein Sohn, Sesshoumaru, ist COO, Chief Organisation Officer, macht also die praktischen Sachen, Personal und Finanzen und so. Ich sollte das noch besser formulieren.“ „Ja, schon“, meinte Souta mehr ehrlich als seiner nervösen Schwester hilfreich. „Dann gibt es noch einen Sohn.“ „Inu Yasha, ein Halbdämon. Keine Ahnung, was der macht, das stand nirgends.“ „Der scheint ja auch recht jung zu sein, hier nach dem Foto.“ „Dämon.“ Da sah man die Jahre nicht. Nach dem Bild, das sie hauptsächlich aus dem Fernsehen und dem Internet, neben entfernten eigenen Eindrücken bei wenigen Auftritten aus großen Anlässen, von den Hundedämonen hatte, war der Inu no Taishou vielleicht Vierzig, dieser Sesshoumaru Anfang Zwanzig – und doch hatten sie vor fünfhundert Jahren mit den Krieg gewonnen. „Halbdämon. Und, wenn der Fürst sein Vater ist, ist doch die Mutter sicher ein Mensch?“ „Äh, ja, wohl. Frag mal weiter.“ Bevor sie noch zugab, dass ihr die Öhrchen auf seinem Kopf gefielen. Die sahen so knuffig aus. Aber das war Prinz Inu Yasha, der Sohn des Regenten, und überdies extrem reich – da sollte sie an so etwas nicht mal denken. „Metall?“ „Was? Oh, ja, sie haben auch Anteile von Metallfirmen. Chef dieser Abteilung ist ein Toutousai.“ „Sesshoumaru?“ „Sagte ich doch schon, ist der COO, macht eigentlich die Praxis, ist unverheiratet ...“ „Schwesterchen, das solltest du nicht erwähnen, klingt so nach persönlichem Interesse.“ „Oh, du!“ Sie tat, als ob sie ihren frechen kleinen Bruder schlagen wollte. „Übrigens sind sie das alle, also auch der Vater und Inu Yasha.“ „Rechnest du dir Chancen aus?“ Souta grinste. Kagome dachte schon wieder nur an morgen und überhörte die Anspielung. „Auf einen Job, ja, sicher. Ich habe gute Noten im Abschlusszeugnis gehabt, naja, bis auf Mathe, und immerhin habe ich die ersten beiden Runden geschafft, habe eine Einladung bekommen zu diesem Vorstellungsgespräch. Natürlich werde ich da kaum allein sein, soweit ich gelesen habe, machen sie das nur einmal im Jahr, das werden hunderte von Menschen und vermutlich auch Dämonen sein. - Morgen um neun soll ich da sein, also werde ich lieber um acht hier schon fahren. Mit der U-Bahn geht das ja eigentlich schnell. Sie sind im Stadtzentrum.“ „Ja, ich weiß. So ein riesiger Glas- und Stahlkasten. Aber eigentlich hat der Fürst doch auch ein Schloss?“ „Ja, aber außerhalb der Stadt. In dem Stahlkasten, wie du sagst, ist die Leitung des Kendama-Konzerns, und auch die Zentralverwaltung für die westlichen Länder. Im Schloss sind sicher keine Menschen, nur Dämonen, und vor allem Krieger.“ „Du hast schon gut gelernt.“ „Ich habe nur das Gespräch morgen als Chance. Na ja, ich habe noch einige Bewerbungen laufen, aber es wäre schon schön, wenn ich die Ausbildung da machen könnte. Sie übernehmen eigentlich alle, die sie ausbilden. Und, du weißt ja, Mama hat nicht das Geld, dass wir studieren könnten.“ „Oh.“ Souta hatte weiter geblättert. „Das mit dem Stahlkasten sollte ich zurücknehmen. Hier heißt es, dass das neue Bürohaus einen Hund symbolisieren soll, mit vier Trakten für die Beine, ein Flügel praktisch als Schwanz und dieser große, runde Turm ist der Kopf, und da ist die Geschäftsleitung drin. Insgesamt arbeiten Tausende von Leuten nur in diesem Haus. - Du, wenn die so viele einstellen, wirst du bestimmt genommen.“ „Ich hoffe es. Aber so eine große Firma hat ja auch immer Regeln, wen sie wann wo einstellen. Im schlimmsten Fall muss ich in eine andere Stadt. Aber ich hoffe, dass ich hier bleiben kann, zumindest während der Ausbildung. - Da kommt Mama, allein!“ Kagome und Souta sprangen auf und liefen über den Hof des alten Higurashi-Schreins, wo ihre Mutter gerade die Stufen emporkam. „Mama?“ Diese seufzte. „Opa soll ins Krankenhaus, sie haben ihn gleich hingebracht. Das wird problematisch. - Es ist sein Herz und er muss vielleicht operiert werden. Und das wird schwer das zu bezahlen.“ Kagome zog die Brauen zusammen. „Wir haben doch eine Krankenversicherung, dachte ich?“ „Ja, aber es ist eben keine .... gute. Und für Opa haben wir vieles rausgenommen, damit wir das alles bezahlen konnten. Man hofft ja doch immer, dass nichts ist. - Ich muss mit der Krankenkasse reden, was sie übernehmen. Im Notfall müssen wir ein Darlehen hier auf den Schrein aufnehmen. Immerhin gehört er ja Opa und nicht dem Fürsten, da geht das bestimmt.“ Sie klang etwas müde. „Ich muss dann später auch noch im Krankenhaus anrufen. - Was macht ihr?“ „Ich lerne auf das Vorstellungsgespräch morgen und Souta fragt mich ab. Mach dir keine Sorgen, Mama, um mich. Das wird schon. Und das Kendama hat sogar eine eigenen Krankenversicherung, da brauchst du dann für mich nichts mehr zahlen.“ Seit dem Unfalltod ihres Vaters lebte die Familie mehr als begrenzt. Sie hatten noch Glück gehabt, dass er von einem Dämon, einem Boten des Fürsten, umgerannt worden war. Natürlich gab es die Regel, dass man den Boten auszuweichen hatte, ja, früher hatten diese sogar Menschen, die ihnen im Weg standen, umbringen dürfen, aber es war eben ein Unfall gewesen. Und der Inu no Taishou hatte eine Witwenrente bewilligt. „In drei Tagen habe ich dann eine Prüfung bei Gummi ... Gumo-Enterprises, als medizinisch-technische Assistentin, auch eine Ausbildungsstelle. Das gehört einem gewissen Naraku, natürlich ein Dämon. Aber das sind eben alle großen Firmen, na ja, bis auf die im Norden, die gehören ja dem Drachenkönig. Und ich glaube ich arbeite lieber für Dämonen als für Drachen.“ „Ja, doch. Zumindest früher sollen Drachen ja Menschen gefressen haben. Nun ja, Dämonen auch.“ Souta hatte Geschichte in der Schule als Lieblingsfach.   Am folgenden Tag stieg Kagome in der Innenstadt aus der U-Bahn, folgte den Wegweisern und fand sich in der weitläufigen Grünanlage wieder, die das Kendama-Haus umgab. Jede Menge Leute strömten dort hin, Menschen und Dämonen. Sie setzte sich auf eine Bank. Ein wenig hatte sie Zeit. Sie zupfte etwas nervös ihre Schuluniform zurecht. Noch durfte sie sie tragen – und sie hatte den Tipp bekommen diese bei Bewerbungen anzuziehen. So konnte jeder Personalchef gleich sehen, dass sie auf eine gute Schule gegangen war und auf welche. Das machte einen besseren Eindruck. Und sie brauchte dringend Arbeit. Die Informationen, die Mama gestern bekommen konnte, klangen nicht verheißungsvoll. Eine Woche würde die Krankenkasse zahlen, vielleicht zwei. Falls es zu einer Operation kommen musste, wollte das Krankenhaus anschließend Fünftausend als Vorauszahlung – pro Woche. Wenn sie das nicht bezahlen konnten, würden sie Opa nach Hause schicken. Fünftausend! Das war mehr Geld als Mama in vier Monaten bekam. Und davon müssten sie ja alle leben. Oh, da gingen andere Jugendliche, auch in Schuluniformen. Vielleicht sollte sie sich doch auf den Weg machen. Dieses Gebäude war so riesig, womöglich musste sie darin länger laufen.   Sie stellte am Eingang rasch fest, dass sie wirklich nicht allein war. Aufgestellte Schilder verwiesen darauf, dass sich die Bewerber nach hinten begeben sollten. Damit sich auch der Dümmste nicht verlaufen konnte, waren die Eingänge der gigantischen Halle, Treppen und Lifte, von dämonischen Kriegern bewacht. Sie hatte solche schon gesehen, bei Zeremonien, im Fernsehen, aber so direkt an eigenartigen Leuten mit altmodischen Rüstungen und Schwertern vorbeizugehen war doch etwas anderes. Gewöhnliche Dämonen im Alltag waren eher menschlich gekleidet und unbewaffnet.   Die Bewerber fanden sich in einem großen, an drei Seiten bebauten, Innenhof wieder. Jeder, der ihn betrat, erhielt einen Zettel mit einer Nummer. Kagome zog sich etwas an den Rand zurück. Ah, ja. Da waren lauter elektrische Anzeigetafeln, auf denen die Nummern aufleuchten würden – und vier verschiedene Eingänge. Das Kendama hatte wohl jedes Jahr so viele Bewerber, dass sie das richtig militärisch durchorganisiert hatten. Was machten sie nur, wenn es regnete? Und – was war das denn für eine Schuluniform? Das Mädchen war dunkelhaarig, ein wenig älter als sie, aber so einen hautengen, schwarzen Anzug mit metallischen Abnähern an den Schultern hatte sie noch nie an einer Schule gesehen. Da sich das Mädchen auf einer Steinumrandung niederließ, ging sie zu ihr. „Äh, entschuldige, darf ich dich etwas fragen?“ Die Unbekannte sah auf und meinte ruhig, aber nicht unfreundlich: „Ja.“ „Ich habe noch nie so eine Schuluniform gesehen ...“ Das Mädchen lachte auf. „Oh, das ist auch keine. Es ist mein Kampfanzug. Ich bin Dämonenjägerin. - Sango.“ „Ich heiße Kagome. Dämonenjäger, ach, ihr jagt diese einfachen Wurmdämonen, im Auftrag des Fürsten.“ „Ja. Aber ich bin aus einem anderen Grund heute hier. Ich habe mich für eine Praktikantenstelle beworben. Nun ja, ich werde sie bekommen, denke ich. Ich bin die Tochter des Anführers der Jäger und soll für uns lernen, wie man Finanzen und Verwaltung macht. Du hast dich auch beworben?“ „Ja, für eine Lehrstelle. Ich hatte nur nicht mit so vielen Menschen – und Dämonen – gerechnet.“ „Das Kendama bietet nun einmal viele Stellen an, sei es Praktikum oder zur Ausbildung. Aber, das geht schon schnell. Sie sind das gewöhnt. Das ist jedes Jahr so.“ Neugierig fragte Kagome weiter. „Was machen sie nur, wenn es regnet? Dann können ja nicht alle Bewerber hier im Hof stehen, oder?“ „Nein, soweit ich weiß, wird dann die Tiefgarage gesperrt und dort die Verteilung vorgenommen. Sie haben heute einige Leute mehr abgezogen für die Gespräche. Wie gesagt, das ist jedes Jahr so, hat mir mein Vater erzählt. Siehst du?“ Die Dämonenjägerin nickte zu den Leuchtanzeigen, auf denen zehn Nummern auftauchten – bei vier Ausgängen waren das vierzig Leute weniger - , die vorgelassen wurden. Kagome meinte nur: „Das ist durchorganisiert. Gut.“ „Natürlich. Der Fürst trägt nicht umsonst den Titel Taishou, Heerführer. Dämonen der höheren Ränge haben eine militärische Erziehung, wie ich auch.“ „Ja, das habe ich in der Schule gehört, aber gewöhnlich habe ich wenig mit Dämonen zu tun gehabt. Ich wohne in einem Schrein.“ Kagome kam sich recht unwissend vor. Aber nun ja, sie kaufte Dinge ein, die von Firmen hergestellt wurden, die Dämonen gehörten, man traf sie auf der Straße oder in der U-Bahn, aber sie kannte eigentlich keine menschliche Familie, die sich mit denen näher einließ. Moment. Wenn der Sohn des Fürsten ein Halbdämon war, sah der es wohl anders, oder? Aber das mochte sie Sango nicht fragen, um sich nicht zu sehr zu blamieren. Unwillkürlich sah sie empor – und entdeckte eine weißhaarige Gestalt, die an einem Fenster im zweiten Stock stand. „Wer ist das?“ hauchte sie instinktiv. Die Dämonenjägerin blickte auf. „Sesshoumaru, denke ich. Das spiegelt ziemlich.“ „Der mustert die Neuzugänge wie Waren auf einem Markt!“ fauchte Kagome. „Nun, so ähnlich dürfte er es auch sehen. Überlege nur, wie alt er schon ist, oder der Fürst. Menschen sind für sie ein Nichts in ihrer Zeit. Sie merken sich unsere Namen auch nur, wenn sie öfter mit einem Umgang haben – und der Erbprinz nicht einmal das. Ich wage zu bezweifeln, dass er weiß wie mein Vater heißt.“ Sango klopfte neben sich. „Setz dich doch.“ „Danke. Immerhin hat der Fürst ja eine menschliche Frau.gehabt.“ So viel zum Thema gute Vorsätze, dachte sie dann. „Ja, aber das ist auch schon einige Jahrzehnte her.“ Sango lächelte etwas: „Und ich würde weder ihn noch Sesshoumaru darauf ansprechen. Falls man je dazu kommt sich mit ihnen zu unterhalten, so als gewöhnlicher Sterblicher. - Du wohnst in einem Schrein? Einem alten?“ „Ja. Higurashi.“ „Oh, davon hörte ich. Sehr alt, nicht wahr? Schon vor dem Großen Krieg. Dann hast du auch magische Fähigkeiten?“ Kagome lachte auf. „Eher weniger, denke ich. Früher soll das mal so gewesen sein, aber ich glaube, die Letzte aus meiner Familie, die so etwas konnte, ist sicher schon fünfzig Jahre tot.“ „Irgendetwas sagt mir Higurashi, aber ich komme jetzt nicht drauf.“ „Bestimmt aus dem Geschichtsunterricht. Wie gesagt, der Schrein soll schon tausend Jahre alt sein, einer der ältesten.“ „Ja, vermutlich.“ Die Dämonenjägerin warf einen Blick auf die Anzeigen: „Oh, ich bin bald dran. - Wir können uns ja gern mal wieder unterhalten. Leute aus alten Schreinen kenne ich nicht. Außerdem bist du nett“, ergänzte sie hastig. Sie wusste schließlich wie es war immer nur auf die Familie reduziert zu werden. Kagome hatte schon protestieren wollen, meinte jetzt aber nur, bereits ihr Handy ziehend: „Ich kenne auch keine Dämonenjäger. Von euch hört man ja immer nur im Fernsehen. Und ich finde dich auch nett.“ Die Mädchen tauschten ihre Handynummern, ehe Sango aufstand. „Viel Glück, Kagome.“ „Danke, dir auch.“ Aber Sango würde als Tochter des Anführers der Dämonenjäger sicher wenig Probleme haben - und sie hatte kaum einen kranken Opa, der auf das Geld angewiesen war. Nein, dachte Kagome, sie sollte sich zusammenreißen. Der Hinweis der Jägerin, dass man Dämonen nicht nach menschlichen Maßstäben, auch zeitlichen, messen durfte, war sicher gut gewesen und nett gemeint. Sie musste aufpassen, hatte sie doch gehört, dass die meisten Einstellungsgespräche von Dämonen geführt wurden.   Es dauerte doch mehr als eine Stunde, ehe Kagome ihre Nummer aufleuchten sah. Mit neun Anderen ging sie zu dem zugewiesenen Ausgang, wo ein Menschenmann stand und die Nummernzettel kontrollierte. „Nummer Vierhundertdreiunddachzig. Gut.“ Er wandte sich an einen Laptop auf einem Stehpult neben ihm:. „Name?“ „Higurashi, Kagome.“ Ja, das war alles durchorganisiert. Nur, wenn man als Bewerber dort auf den Listen auftauchte kam man hier weiter, wer sich einfach nur so hergestellt hatte, wurde bestimmt abgewiesen. „Gut. - Fahren Sie dort mit dem Lift in den zweiten Stock, Zimmer 2019. Frau Tausendfuß.“ Eigenartiger Name, dachte sie. „Danke,“ meinte sie jedoch höflich. Ach ja, das war sicher eine Dämonin, dann hatten die Gerüchte schon gestimmt, die sie gehört hatte. Sie spürte, wie ihre Nervosität jetzt wieder deutlich stieg. Hoffentlich gelang es ihr einen guten Eindruck zu machen. Aber, jetzt musste sie auch hoch. Es würde bestimmt auffallen, wenn sie zögerte, und das war sicher kaum gut für sie. Wieso nur hatte der Mann ihr keinen Zettel mit der Zimmernummer gegeben? Hatte sie es sich richtig gemerkt? War das schon eine Art Test? Der Lift entließ sie auf einen scheinbar endlosen Flur, sie erkannte jedoch im Hintergrund eine Art Saal. Eine Wartehalle? Aber das war viel weiter hinten. Ach ja, das musste wohl schon zu diesem Turm gehören, in dem die Konzernspitze saß. Na, da sollte sie kaum hin. Auf den nächsten Blick entdeckte sie auch dort dämonische Krieger, zwei an der Zahl, die regungslos an den Wänden lehnten. Anscheinend hatte es schon Leute gegeben, die sich verirrt hatten – oder naiv genug gewesen waren zu hoffen durch ein direktes Gespräch mit dem Fürsten oder Sesshoumaru sich eine Stelle zu ergattern. Dass das nicht funktionierte, war doch sogar ihr klar. Zimmer 2019. Da stand ja der Name an einem kleinen Schild. Die Türen hier waren westlich mit Klinken gehalten und so klopfte sie an. „Ja?“ Sie öffnete die Tür und erstarrte. Das war eine Dämonin, ja. Und jetzt wusste sie auch, warum die so hieß. Offenkundig eine Insektenverwandte. Eine ältere Frau mit unglaublich vielen, vielen Beinen, die sie mit einem seltsamen Lächeln ansah. „Aha. Kommen Sie nur herein, Kagome Higurashi.“     Kapitel 2: Bewerbungsgespräche ------------------------------ Kagome dachte bei sich, dass diese Frau Tausendfuß wirklich unheimlich wirkte. Aber zum Einen musste sie sich an die Nähe von Dämonen gewöhnen, wollte sie hier im Kendama arbeiten, und zum Anderen war das wohl einfach nur ein Vorurteil gegenüber jemandem, der dermaßen insektenhaft aussah. „Danke,“ sagte sie daher höflich und schloss die Tür, ein wenig erstaunt, dass diese Personalerin ein eigenes, wenn auch kleines, Büro besaß. Sie hatte immer gehört, es gäbe nur Großraumbüros, in denen der Ranghöchste, der Chef, sozusagen den Anderen im Nacken saß, hinter denen. Sie setzte sich auf den Stuhl vor deren Schreibtisch. Frau Tausendfuß lächelte erneut. „So, Sie wollen also hier arbeiten. Dann hier. Füllen Sie diesen Test aus. Sie haben dafür eine halbe Stunde.“ Kagome nahm den Zettel und den Kugelschreiber, ein wenig erleichtert, dass es sich um allgemeine Wissensfragen handelte. Das konnte sie. Die Dämonin sah ihr schweigend zu, streckte jedoch nach dreißig Minuten die Hand aus, oder das, was einer Hand am nächsten kam. „Her damit. - Soso. Hm. - Jetzt das hier, wieder eine halbe Stunde.“ Kagome nahm den zweiten Zettel - und erstarrte. Sie war in Mathe nie besonders gewesen, das sah man auch an ihrer Endnote im Abschlusszeugnis. Und das hier war Mathematik, höhere Algebra. Ach du je. Sie sah unwillkürlich auf. Frau Tausendfuß lächelte diesmal wirklich höhnisch. „Zu schwer? Versuchen Sie es nur, aber lassen Sie sich gesagt sein, dass ich kein Menschenmädchen hier durchlasse. Menschenfrauen gehören in die Küche oder das Bett ihres Ehemannes. Zu weich, zu schwach, zu dumm.“ Oh, das war so ungerecht! Aber Kagome war klar, dass sie mit dem wortreichen, wütenden, Ausbruch, der ihr auf der Zunge lag, sicher nichts erreichen würde. Und vielleicht wollte diese Dämonin sie auch nur provozieren, um zu sehen, ob sie gelassen bleiben konnte. Sie sollte sich auf die Aufgabe konzentrieren. Vielleicht löste sie es doch gut genug, vielleicht gab es da weitere Prüfungen … So bemühte sich das Mädchen weder auf die Uhr noch auf die Insektendämonin vor sich zu sehen, sich nur auf den Zettel und Integrale zu konzentrieren, so schwer ihr das auch fiel.   Nach genau einer halben Stunde riss ihr Frau Tausendfuß förmlich das Blatt weg. „So, ich werde es mir später ansehen, da draußen warten noch andere. Aber Sie dürfen gehen.“ Kagome presste unwillkürlich die Zähne zusammen. Nein, das würde keine wohlwollende Prüfung geben. Das, was die Dämonin zuvor gesagt hatte, stimmte wohl: die ließ einfach keine menschliche Bewerberin durch. Sie stand jedoch auf. Was blieb ihr schon anderes übrig. „Danke“, sagte sie unwillkürlich, dann doch ein wenig verwundert, dass sich auch die Dämonin erhob. Aber sie öffnete die Tür und wollte hinaus in den Gang treten. Im nächsten Moment spürte sie, wie sich eine Hand auf ihren Rücken legte, sie fest vorwärts schob, während gleichzeitig etwas ihre Beine blockierte. Noch während sie hilflos förmlich auf den Gang flog, war ihr klar, dass diese Tausendfuß ihr einen Rauswurf im wahrsten Sinne des Wortes gegeben hatte, ja, sie mit dem gleichen, oder sogar größeren, Vergnügen in einen tiefen Brunnen gestoßen hätte.   Sie prallte hart auf den Boden, sich irgendwie noch mit den Händen soweit abstützend, dass sie nicht wirklich mit der Nase auf die Bretter knallte. Tränen stiegen ihr in die Augen, vor hilfloser Wut und Demütigung, ehe ihr bewusst wurde, was sie während des scheinbar endlosen Sturzes gesehen hatte. Etwas Schwarzes, dicht vor ihrem Gesicht, das rasch zurücksprang, übermenschlich rasch. Kagome wagte nicht sich zu bewegen, als sie spürte, wie ihr Eiseskälte förmlich die Wirbelsäule empor kroch, während sich gleichzeitig ihr Magen zu verknotete. Bitte nicht! Hatte es etwa einen Zeugen ihrer Demütigung gegeben? Einen dämonischen noch dazu? Eine tiefe Stimme sagte fast amüsiert: „So begrüßt hat mich seit Jahrzehnten niemand. Wer ist das?“ Eine kleine Pause verriet, dass der Unbekannte zum Türschild blickte. „Frau Tausendfuß?“ Kagome hörte, wie die Insektendämonin nervös erwiderte: „Eine Bewerberin um eine Lehrstelle, ehrenwerter Geschäftsführer. Aber ich habe sie abgelehnt. Zu dumm, zu ungeschickt, wie sie gerade bewies.“ Geschäftsführer? Kagome hob entsetzt etwas den Kopf. Oh nein, bitte nicht! Sie erkannte vor sich vier Paar schwarze Schuhe, vier schwarze Hosenbeine … Als sie die Kniehöhe erreichte, wurden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr: zweimal weiße lange Haare, drei Mal herabhängendes Fell … Ach du je. Der Inu no Taishou, der Fürst der westlichen Länder und erste Geschäftsführer des Kendama, und sein Sohn, dieser Sesshoumaru. Dahinter noch einige Leute, Männer und Frauen. Sie kroch förmlich an die Wand zurück, bemüht, unsichtbar zu werden. Es wäre doch so schon peinlich genug gewesen so rausgeworfen zu werden, aber das? Jetzt war mit Sicherheit jede Möglichkeit hier angestellt zu werden dahin. Opa! Sie spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. Hoffentlich war wenigstens ihr Rock nicht zu weit empor gerutscht, aber das war wohl auch Illusion. Oh, diese alte Hexe! Sie hätte sie läutern mögen, wie einst angeblich ihre Vorfahren das konnten, aber das minderte nichts an der unsäglichen Situation. Sie spürte mehr als sie es sah, dass die Gruppe an ihr vorbeiging, als sich ein junger Mann, ein Dämon, zu ihr bückte und sie anstupste. „Du solltest hier verschwinden, Mädchen. Mag der Fürst das auch humorvoll genommen haben, wenn dich Sesshoumaru in fünf Minuten noch hier sieht, nachdem du ihn zu diesem Rückwärtssatz genötigt hast, reißt er dir den Kopf ab.“ Sie sah zu dem jungen Mann auf. Ja, ein Dämon: Stiefel mit Fellbesatz, Fell um die Handgelenke, ein Tuch um den Kopf gewunden. Er trug keinen Anzug, eher Straßenkleidung, aber deutlich sichtbar einen braunen Schwanz. Und er zwinkerte ihr zu, schien ihr helfen zu wollen, denn er streckte die Hand aus. So ließ sie sich emporziehen. „Danke“, brachte sie irgendwie mit zitternder Stimme heraus, ehe er mit raschem Tempo den beiden Geschäftsführern und ihrem Tross nacheilte.   Kagome hätte niemandem sagen können, wie sie aus dem Konzerngebäude gelangte, noch, wie sie es schaffte, sich auf eine Bank zu flüchten, die etwas verborgen unter einer alten, überhängenden Weide oder Magnolie, in dem Park stand, der um das Kendama lag. Erst hier begann sie hemmungslos zu weinen, frustriert, gedemütigt, wütend ... Sie konnte ihre Gefühle nicht zuordnen, selbst, als sie nach scheinbar endloser Zeit keine Tränen mehr hatte und die Taschentücher aus ihrer Handtasche schon lange aufgebraucht waren. Was sollte sie nur jetzt tun? Sie machte sich keine Illusionen. Ihre Bewerbung hier würde abgelehnt werden, dafür würde diese Frau Tausendfuß sorgen. Und sich über die zu beschweren war sinnlos – nachdem sie den Geschäftsführern dermaßen ihre Tolpatschigkeit demonstriert hatte. Die würden ihr doch nie glauben, dass eine Dämonin, eine ihrer eigenen Art, eine mehr als eine seltsame Weise hatte mit menschlichen Bewerberinnen umzugehen. Mama, sie musste Mama sagen, dass das hier gescheitert war, dass sie hier gescheitert war. Nein, das konnte sie nicht ohne erneut weinen zu müssen, und dann würde sich Mama nur noch mehr Sorgen auch um sie machen. Und ihre Mutter war so blass gewesen heute morgen, auch, wenn sie versucht hatte zu lächeln, als sie ihr Glück wünschte. Sie durfte sie nicht noch mehr belasten. Was sollte, was konnte sie denn nur tun? Nichts. Außer in drei Tagen auf den Bewerbungstermin bei Gumo zu gehen und zu hoffen, dass es da besser wäre. Jetzt sollte sie sich erst einmal beruhigen. Sie konnte ja schlecht tränenüberströmt durch die Straßen gehen oder U-Bahn fahren. Überdies musste sie überlegen, wie sie das Mama beibringen sollte. Ja. Wie?   Sie schrak auf. War sie eingeschlafen? Anscheinend, denn es dämmerte und ihr Magen zeigte an, dass er seit dem Frühstück nichts mehr erhalten hatte. Überdies war sie durchgefroren. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Nach fünf, und um die Jahreszeit wurde es eben jetzt schon Nacht. Sie hatte wenigstens Geld dabei und sie entsann sich, dass es auf der anderen Seite der Straße, in der Fußgängerzone, jede Menge kleiner Geschäfte gegeben hatte, wo sicher auch die Leute aus dem Kendama essen gehen würden. Nun ja, die Menschen. Da würde sie sich etwas besorgen, aufwärmen, und dann nach Hause fahren. Als sie aus dem Park in den Feierabendverkehr kam, fiel ihr Blick auf ein Hochhaus, dessen oberster, vollkommen gläserner, Stock wie eine Kugel geformt war, auf der ein Blitz prangte. Ach ja, entsann sie sich. Das war das teuerste Lokal der gesamten Stadt, wenn nicht des gesamten Fürstentums. Es gehörte zwei Brüdern, den Donnerbrüdern. Einer kochte, der Andere machte mehr auf Public Relations und leitete den Service. Angeblich hatten sie eine sehr gute Küche, aber sie selbst würde wohl nie genug verdienen um das herausfinden zu können. Sie hatten jedoch einmal im Fernsehen eine Kochsendung gehabt, die Mama angesehen hatte, daher wusste sie, dass der eigentliche Koch alles andere als eine Schönheit war. Nun, gleich. Sie sollte zusehen, dass sie Reisbällchen und einen Tee bekam, damit sie sich weiter beruhigte und erwärmte, und dann konnte sie sich nach Hause wagen.   Es war schon absolut dunkel, als Kagome einen Imbiss betrat, der mehr oder weniger, wie alle hier, gegenüber des Kendama lag. Aber sie hatte extra sich ein Lokal an der Rückseite gesucht, in der Hoffnung, niemandem zu begegnen, den sie heute schon gesehen hatte, nicht einmal der netten Sango. Wie hätte sie denn ihr Missgeschick erklären können? Sie holte sich an der Theke Essen und eine Cola, ehe sie sich in dem kleinen Raum umsah. Praktisch alle Tische waren voll mit essenden Menschen, oft genug in der Gruppe, sichtlich Leute, die zusammen arbeiteten und jetzt hier gemeinsam noch ihren Feierabend begingen. Und sie musste wohl mit ihrem Tablett warten. Immerhin war es hier warm. Da entdeckte sie an einem Zweiertisch am Fenster einen Jungen im schwarzen Anzug, eher jungen Mann, denn sie schätzte ihn etwas älter als sich, der allein saß, offenbar bereits gegessen hatte, und vor sich hinblickte. Sie zögerte ein wenig. Immerhin hatte er sehr lange, schwarze Haare. War das auch ein Dämon? Davon hatte sie eigentlich für heute genug. Aber die Hände, die gerade nach seinem Glas Wasser fassten, waren eindeutig menschlich. Sie hoffte nicht als aufdringlich empfunden zu werden, als sie näher trat. Er sah so in sich gekehrt aus dem Fenster, als ob er auch an seine Probleme dachte. „Verzeihung, ist der Platz frei?“ Sie traf ein irritierter, forschender, Blick aus dunklen Augen, ehe er meinte: „Ja.“ Sie bemerkte, dass er sie ein wenig misstrauisch, ja finster, anguckte, und bemühte sich zu demonstrieren, dass sie ihn nicht anmachen wollte - oder auch nur ansprechen. Irgendwie wirkte er so allein und verloren wie sie sich selbst fühlte. Sie hätte momentan auch keine Lust auf großartige Unterhaltungen gehabt. Während sie aß, spürte sie, wie ihr der Bissen im Hals förmlich aufquoll. Es war mehr Hunger als Appetit. Wie sollte sie das nur Mama erklären? Oder gar Opa? Dass sie Pech gehabt hatte? Ja, und was für eines!   Ihr Gegenüber musterte sie genau, aber da sie so gedankenverloren ins Nichts guckte, entspannte er sich. Er war immer davor gewarnt worden, dass sich Mädchen an ihn heranmachen könnten und würden, aber sie hatte es offensichtlich nicht vor. Und sie schien geweint zu haben. Auch jetzt traten wieder Tränen in ihre Augen, ohne, dass sie ihn auch nur ansah. Stattdessen kramte sie in ihrer Handtasche, auf der offenbar vergeblichen Suche nach Taschentüchern. Er griff unwillkürlich in sein Jackett. „Hier.“ „Danke.“ Sie nahm die Packung und putzte sich energisch die Nase. Er kannte Mädchen, die mit künstlich hervorgedrückten Tränen ihn auf sich aufmerksam machen wollten, aber gerade dieser prosaische Laut ließ sein Herz schmelzen. Sie war wahrhaft traurig, auch, wenn er nicht wusste warum. Aber sie spielte es garantiert nicht. „He, alles okay?“ Sie schüttelte den Kopf, ehe sie doch gestand: „Ich weiß nur nicht, wie ich mein Pech meiner Mama erklären soll.“ Er entschied sich ohne nachzudenken. „Probiere es mir mir ... Nur zum Üben. Ich hab gerade noch ein bisschen Zeit.“ Sie musterte ihn, dann seufzte sie. „Es klingt vermutlich nur zum Lachen.“ „Na, du findest es zum Weinen.“ „Ich habe mich heute bei den Doggies beworben.“ „Äh, beim wem?“ fragte er verwirrt. Sie sah ihn überrascht an. „Den Doggies. Im Kendama. Kennst du den Ausdruck nicht? Das sagen doch alle. Na ja, Menschen.“ „Äh, nein.“ Er war jetzt doch amüsiert. Nein, sie erkannte ihn eindeutig nicht. Zugegeben, wie auch. „Doggies, also?“ Was wohl Vater und Halbbruder dazu sagen würden? Das sollte er ihnen besser verschweigen. Nun ja, deswegen hatte ihm das mutmaßlich auch noch keiner erzählt. „Da warst du wohl nicht die Einzige.“ „Du auch?“ „Ich, nein, ich arbeite da. Na ja, lerne da.“ Sie sah ihn an. „Oh, was denn?“ „Äh.“ Was sagte er jetzt? Die Wahrheit sicher nicht. „So ungefähr: Assistenz der Geschäftsleitung.“ Das war ja auch nicht gelogen. „Deswegen bin ich auch meist nicht hier in der Stadt. Und kenne Doggies nicht.“ Er grinste etwas. „Also, was ist da passiert?“ „Ich kam zu einer Frau Tausendfuß, die die Einstellungen machen soll, oder eher Prüfung. Kennst du sie?“ „Nein, aber es arbeiten auch ziemlich viele Leute im Kendama. Eine Dämonin, also.“ „Sie sagte mir gleich als Anfang, dass sie nie menschliche Frauen einstelle.“   Kagome erzählte alles, da er sie seltsam verständnisvoll anblickte, als ob er wisse, wie man sich so am Boden fühle. Sie endete: „Als ich den Kopf hob, standen tatsächlich die beiden Geschäftsführer und ein ganzer Trupp da. Oh, ich wäre am liebsten im Boden versunken oder hätte diese Tausendfuß umgebracht! Aber jetzt ist alles aus!“ Sie sah, wie der Junge den Kopf langsam schüttelte. „Meinst du nicht? Sie stellt mich nicht ein, ich bin blamiert. Was soll denn noch sein?“ „Na ja, der Test wird bestimmt nicht ...“ Er korrigierte sich eilig: „Ich meine, nicht nur von Frau Tausendfuß angeguckt, denke ich. Bevor du dich verrückt machst: das läuft normalerweise so, dass innerhalb von drei Tagen die Zusagen rausgeschickt werden. Wenn du bis nächsten Montag nichts bekommen hast, kannst du das abschreiben. Aber erst dann. Denn dann schicken sie die Absagen raus.“ „In drei Tagen habe ich noch ein Bewerbungsgespräch im Gumo“, murmelte sie. „Da muss ich auf jeden Fall hingehen, damit ich eine Chance habe.“ „Ja, schon, sicher“, sagte er, ehe er einen Blick auf die Uhr über der Theke warf. „Oh, Mist, ich muss gehen, sonst kann ich nach Hause laufen.“ Er zog einen kleinen Block aus der Innentasche seines Jacketts, an dem ein kleiner Kugelschreiber hing und riss ein Blatt ab, schrieb hastig. „Hier, falls du mir erzählen magst was raus gekommen ist.“ Er schob ihr den Zettel hinüber. Kagome war so überrascht, dass sie ihn nahm. Der Junge nickte ihr zu, dann eilte er aus dem Lokal. Als sie aus dem Fenster blickte, erkannte sie noch wie er über die Straße rannte, offenbar wirklich spät dran, ehe er in der Dunkelheit verschwand. Hoffentlich erwischte er noch seinen Zug oder was auch immer. Er hatte ihr wenigstens zugehört. Na ja, aber wollte er sie womöglich bloß anmachen? Und hatte ihr darum seine Handynummer gegeben? Immerhin hatte er ihre nicht wollen. Moment. Das war ja gar keine. Sie drehte den Zettel um. Das war die Internetadresse eines bekannten Chatrooms. Und darunter stand „Reddemon“. Das musste sein Alter Ego im Netz sein. Oder zumindest in diesem Chat. Seinen richtigen Namen kannte sie ja ebenso wenig wie er den ihren. Vielleicht sollte sie mal nachgucken? Ach nein, das sah ja dann aus, als ob sie ihm nachlief. Lieber nicht. Er hatte jedoch in einem Punkt Recht. Sie sollte sich nicht verrückt machen und abwarten. Womöglich bekam sie trotz allem eine Zusage. Sicher war ihre Niederlage erst mit der schriftlichen Ablehnung. Reddemon, also.   Es hätte sie sehr gewundert, hätte sie gesehen, dass ihre neue Bekanntschaft zurück zum Kendama lief, genauer zur Tiefgaragenausfahrt, wo eben ein dunkler, teurer, viersitziger Sportwagen herausschoss und fast zögernd neben ihm stoppte. Der Junge warf sich eilig auf den Beifahrersitz, während der Lenker zu ihm blickte. „Gerade noch rechtzeitig, Inu Yasha“, sagte Sesshoumaru, ehe er wieder anfuhr. „Keh! Es wird dich freuen zu hören, dass ich etwas Nettes über dein Aufgabengebiet herausgefunden habe.“ Er wandte den Kopf. „Das wohl auch Sie interessiert, unser Herr und Vater.“ „Nun?“ Der Inu no Taishou lehnte auf dem Rücksitz hinter dem Fahrer, dem ranghöchsten Platz im Wagen. „Ich habe mit einem Mädchen gesprochen. Nein, sie kennt meinen Namen nicht, und nein, ich auch nicht den ihren. Aber ihr beide kennt sie. Sie lag euch heute schon regelrecht zu Füßen.“ „Die ungeschickte Bewerberin?“ erkundigte sich der Fürst. „Nicht ganz so ungeschickt, wenn ihre Variante der Tatsache entspricht.“ Inu Yasha erzählte kurz. „Und ich glaube das“, schloss er. „Sie war wirklich verzweifelt.“ „Gute Schauspielerin?“ fragte sein Vater. „Du kannst das in deiner Menschenform kaum prüfen.“ „Dennoch merke ich als Mensch es vielleicht sogar eher als als Halbdämon.“ Ach, konnten sie ihm denn nie vertrauen? Sein älterer Halbbruder drückte eine Taste an seinem Handy in der Freisprecheinrichtung. „Jaken.“ „Ja, Sesshoumaru-sama?“ quakte es sofort zurück. „Überprüfe alle Bewertungen von Frau Tausendfuß heute. Wie viele Bewerber hat sie abgelehnt und welcher Art.“ Inu Yasha atmete durch. Sesshoumaru oblagen auch die Personalsachen. Und eine Entscheidung, die nur auf derartigen Vorurteilen basierte, duldete ihr Vater nie. Er wollte fähige Leute, egal ob Mensch oder Dämon, in seinen Firmen haben. Wenn das unglückliche Mädchen Recht hatte, konnte sich Frau Tausendfuß auf ein nettes Gespräch mit dem zweiten Geschäftsführer einstellen. Und ihre eigene Kündigung. Das unbekannte Mädchen hätte dagegen eine echte Chance. Ob sie sich bei ihm im Chat melden würde? Er hoffte es. Es war ein schönes Gefühl mal jemandem helfen zu können, der gar nicht wusste, dass man es konnte.   Kapitel 3: Inu Yasha -------------------- Im Schloss des Fürsten angekommen begaben sich Vater und Söhne in ihre jeweiligen Schlafzimmer um sich umzuziehen, die alte Seidenkleidung zu nehmen, die der Taishou bevorzugte. Inu Yasha trug allerdings, wie meist, einen roten Anzug, gewebt aus dem Haar der Feuerratten. Sein Vater hatte diese einst für seine Mutter gejagt und es erinnerte ihn immer an sie. Der Fürst hatte auf seine Bitte hin – er war noch recht klein gewesen – das Jagdgewand eines Adeligen daraus schneidern lassen.   Jetzt knieten die Drei auf einfachen Bambusmatten und lasen Zeitungen. Inu Yasha brannte darauf in seinem Zimmer am Computer nachsehen zu können, ob sich das Mädchen meldete, aber das war natürlich unmöglich. Vater wünschte, dass die Familie sich wenige Stunden am Tag gemeinsam traf, sei es auch nur um zu lesen. Hatte ein Vater schon jede Macht über seine Kinder, so erst recht der Fürst. Nicht, dass ihn der Taishou je geschlagen hätte. Es reichte auch völlig wenn er ihn ignorierte. Oder, was vorgekommen war, als sich der Junge nicht an die Anweisung gehalten hatte, um elf das Licht auszumachen, kurzerhand für Tage den Strom in seinem Zimmer hatte abstellen lassen. Das hatte keinen Computer bedeutet, kein Handy, kein Licht – aber leider auch keine Heizung oder warmes Wasser. Verstöße gegen die Wünsche Vaters, die ja nur die freundlich ausgedrückten Befehle eines Fürsten waren, hatten stets empfindliche Konsequenzen. Zumindest, für ihn, dachte der Halbdämon mit einem Blick zu Sesshoumaru. Er hatte nie gesehen, dass der irgendwie gestraft worden wäre. Wobei der wohl auch kaum seine Sanktionen mitbekommen hatte. Ja, Vater war da gerecht, aber dennoch wurde er das Gefühl nie los, dass das eben der Erbe war, der richtige Dämon, der perfekte Sohn – und er nur das Missgeschick einer Liaison, die dann aus Tradition geheiratet werden musste, als sie schwanger wurde. Sesshoumaru ließ ihn das oft genug spüren, wenn auch natürlich nie in Anwesenheit des gemeinsamen Vaters. Aber da war dann schon: Bastard oder törichter Halbdämon zu hören gewesen.   Der Blick des jüngeren Sohnes fiel auf das Titelbild der Zeitung, die der Taishou las. „Sie interessieren sich für die Drachen?“ fragte er erstaunt. Sesshoumaru merkte auf und hob die Brauen. „Dragons Daily? Man sollte meinen, dass Sie Ihr Geheimdienst besser informieren kann als dieses Klatschblatt.“ Der Herr der westlichen Länder ließ die Illustrierte sinken. Er wollte seine Jungs ausbilden. „Mein Geheimdienst findet andere Dinge interessant, meine Söhne. Das hier ist ein Blatt, das im Norden von Drachen für Drachen gefertigt wird. Überaus schwierig, übrigens, das im Westen zu abonnieren. - Hier sehe ich, wie sich der Drachenkönig und sein Sohn darstellen wollen. Und ich lese soeben mit gewissem Erstaunen, dass sich Ryuukossusei, der Erbprinz, offenbar ausgezeichnet auf Nishishima erholt hat.“ Unwillkürlich wechselten die Halbbrüder einen Blick, ehe Inu Yasha herausplatzte: „Nishishima? Das ist doch hier bei uns?“ Der Ältere sah zu seinem Vater. „In der Tat, tö … kleiner Bruder. - Er hat Ihnen keine Aufwartung gemacht? Das ist ein diplomatischer Affront, verehrter Vater.“ Einfach so mal als Mitglied einer Fürstenfamilie in einem anderen Fürstentum vorbeizuschneien und sich nicht bei dem Landesherrn zu melden, war so gut wie eine Kriegserklärung, das wusste auch Inu Yasha. Ein wenig ungehalten über das gerade noch vor Vaters Ohren verschluckte Wort seines Halbbruders meinte er: „Was wollte der denn da? Im Norden gibt es sicher auch Strände.“ „Dann sollte der Geheimdienst herausfinden, wer von Ihren, hm, treuen Untertanen, sich mit dem Drachenprinzen traf,“ ergänzte Sesshoumaru, etwas ärgerlich, dass ihm das Halbblut den Satz vorweggenommen hatte. „Das wird Myouga noch heute Nacht in die Wege leiten,“ erwiderte der Inu no Taishou ruhig, in fast lebenslanger Erfahrung bereits die möglichen Taktiken aller Seiten abwägend. „Aber ich frage mich noch etwas. Ryuukossusei hat sicher der Veröffentlichung dieser Nachricht und seines Bildes zugestimmt. Warum wollte er, dass jeder Drache weiß, wo er letzte Woche war?“ „Das verstehe ich nicht,“ gab der jüngere Sohn offen zu, während der Ältere nachdachte, ehe er äußerte: „Er will zeigen, dass er aktiv ist, etwas unternimmt. Sein Vater gilt doch schon als recht alt.“ „Möglich.“ Der Fürst ließ die Zeitung neben sich auf die Matte gleiten. „Aber ich frage mich auch: was geschah in dieser Woche im Norden, dass es der Erbprinz für nötig befand zu zeigen, dass er nicht anwesend war? Er brauchte ein Alibi.“ „Der Drachenkönig lebt noch?“ fragte Inu Yasha zur gewissen Überraschung seiner männlichen Verwandtschaft. Positiv beeindruckt, dass sein Jüngster sich für derartige Staatsintrigen zu interessieren begann, erwiderte der Taishou: „Noch, ja. Ob er erkrankt ist, ist ebenfalls eine Frage, die Myouga klären soll.“ Er stand auf. „Ich werde mich zurückziehen.“   Damit war die Familienversammlung aufgehoben – ohne, dass der Fürst oder der Erbprinz Ruhe finden würden. Während der Taishou als Landesherr agierte, würde sich Sesshoumaru bei den Mitarbeitern in Übersee melden, solcherart die dauernde Präsenz der Geschäftsführung demonstrieren. Und sich heute den Bericht von Jaken über Frau Tausendfuß durchlesen. Inu Yasha dagegen eilte in sein Zimmer und warf hoffnungsvoll den Computer an. Ein wenig enttäuscht sah er, dass sich niemand gemeldet hatte. Aber, nun ja, sie hatte gesagt, dass sie mit ihrer Mutter reden musste und so. Da kam sie sicher heute kaum ins Internet. Ach, fiel ihm dann siedend heiß ein, er hatte ja gar nicht aufgeschrieben wann er online war, sein konnte. Womöglich war sie schon wieder weg. So ergänzte er sein Profil: von 21.00 bis 22.30 an den meisten Tagen zu erreichen. Es musste schön sein sich einmal mit jemandem zu unterhalten, der einen für einen ganz normalen Jungen hielt. Und er war zugegeben neugierig auf diese, ihm bislang vorenthaltene, Welt.   Am folgernden Morgen im Büro hielt es den wieder zum Halbdämon gewordenen Inu Yasha fast nicht auf seinem Stuhl. Sein Mitarbeiter bemerkte es. „Was hast du denn heute? Hölleninsekten im Allerwertesten?“ Inu Yasha, der ihm, wenn sie unter sich waren, erlaubte ihn zu duzen, starrte den nur scheinbar gleichaltrigen Menschenmann an. „Hm?“ Miroku war ein buddhistischer Mönch, eines von Vaters Sozialprojekten. Sein Großvater und Vater waren gestorben und der Fürst hatte den Vollwaisen zu einem Mönch zur Erziehung geschickt. Jetzt sollte Miroku hier im Unternehmen Verwaltung lernen, um es einst in einem Kloster verwenden zu können, hatte es dann jedoch geschafft es sich mit einigen weiblichen Mitarbeitern gründlich zu verscherzen, und war schlussendlich bei Inu Yasha gelandet. Sie verstanden sich recht gut, wobei Beiden klar war, dass das nur für Vier-Augen-Gespräche gelten durfte. Außerhalb des Büros hieß es immer nur „Inu Yasha-sama“. Der Taishou hätte sonst gewiss Einspruch erhoben. Mindestens. „Ich habe gestern ein Mädchen kennengelernt“, begann der Halbdämon. „Oho!“ „Halt die Klappe. Sie erzählte mir ...“ Inu Yasha hielt sich an das, was er auch Vater und Halbbruder gesagt hatte. Von dem Chat und seiner heimlichen Hoffnung auf einen ganz normalen Kontakt, wie ihn doch wohl jeder Menschenjunge in seinem Alter hatte, brauchte niemand erfahren. „Sesshoumaru ließ das noch in der Nacht überprüfen. Und jetzt wüsste ich nur zu gern, ob Frau Tausendfuß wirklich gegen die Regel verstoßen hat - und was mit ihr passiert.“ „Frag doch deinen Halbbruder. Ja, schon gut, war ein Witz.“ Miroku war klar, dass der große Bruder den jüngeren nicht gerade schätzte. „Ich kann ja mal zu Jaken gehen. Ich muss sowieso, wegen der Umgruppierung der Gärtner, der menschlichen. Da kann ich ja mal dezent fragen.“ „Gärtner? Ach so, ja.“ Auch die Gärtner, die den Park um das Kendama pflegten, sollten künftig aus den Finanzen des Fürstentums bezahlt werden, also, dem Schlosspersonal zugerechnet werden. Es war eine rein bürokratische Umgruppierung. Inu Yasha war für die Schnittstellen zwischen dem Konzern und der fürstlichen Verwaltung zuständig. Er wusste, dass sein Vater gehofft hatte, dass er als Nicht-Mensch und Nicht-Dämon auf beiden Seiten für Verständnis sorgen konnte. Nun, das klappte nicht immer, aber er freute sich über seine erste wirkliche Aufgabe im Konzern, in die ihm so gesehen auch sein Halbbruder nicht reinredete. Reinreden durfte, denn der hatte allein den Konzern im Auge zu behalten, während der Taishou sich mehr um sein Fürstentum kümmerte. Vater hatte gemeint: ein Dreizack, und irgendwie hatte ihm das doch den Glauben gelassen, dass er nicht nur beschäftigt werden sollte. „Gute Idee, dann mach mal.“ Jaken war Sesshoumarus Assistent, ein kleiner, meist griesgrämiger, Krötendämon, der neben den Sonderaufgaben auch verantwortlich für alle Personaldienststellen des gesamten Konzerns war. Inu Yasha hätte nicht mit ihm tauschen mögen.   Miroku wurde auch nach kaum fünf Minuten bei Jaken vorgelassen, der sich nicht traute den persönlichen Assistenten des Prinzen zu verärgern. Nicht, dass Sesshoumaru ihn deswegen auch nur angesehen hätte, aber der Fürst schätzte es ganz und gar nicht, wenn sein jüngerer Sohn irgendwie anders behandelt wurde als sein älterer. Und Ärger mit dem Inu no Taishou war etwas, das man weiträumig vermeiden sollte. Der Mönch legte die Akte auf den größenangepassten Schreibtisch. „Bezüglich der Gärtner, zu Ihrer Kenntnis. Ich habe soweit alles vorbereitet.“ Jaken sah auf die Mappe. „Es handelt sich ja nur um eine Umbuchung, oder?“ „Ja. Rein bürokratisch. Ich denke, die meisten Gärtner werden nicht einmal bemerken, dass sich die Auszahlungsstelle geändert hat.“ „Warum eigentlich?“ Der froschähnliche Dämon blickte doch auf. „Wunsch des Fürsten.“ Miroku kannte den Grund, aber damit würde er hier kaum Blumen ernten. Der Konzern wollte seine Personalkosten senken. Und eine der Möglichkeiten war Personal eben woanders einzustellen. Das einzugestehen hätte jedoch darauf schließen lassen, dass er und Inu Yasha sich auch über abendliche Unterhaltungen innerhalb der Familie austauschten. Sowohl für ihn als auch seinen Freund würde das erheblichen Ärger bedeuten. Ungerechtfertigt, denn auf die Idee war er selbst gekommen und der Halbdämon hatte es nur bejaht. „Ja, in Ordnung.“ Zu einem „Danke“ gegenüber einem Menschen hätte sich Jaken nie herabgelassen. „Was denn?“ Miroku wurde jetzt erst bewusst, dass es geklopft hatte, und wandte sich um. Dämonen hörten wirklich um einiges besser. Die Sekretärin sah herein. „Verzeihung, da ist eine Frau Tausendfuß. Sie sagt, Sie wollten sie unverzüglich sprechen, aber ich finde den Namen nicht in der Liste.“ „Nicht ich.“ Jaken nickte knapp. „Sag ihr, sie soll zu Sesshoumaru-sama gehen.“ Als die Sekretärin weg war, tat Miroku, als ob er stutze. „Oh, seltene Privataudienz. Da kann sie sich freuen.“ „Weniger“, murrte Jaken. „Ich würde das nicht hören wollen. - Noch was, Mönch?“ „Bin schon weg.“ Miroku ging in der weisen Erkenntnis, dass auch er nicht scharf auf eine Privataudienz beim COO wäre. Der riss einem zwar nicht den Kopf ab, sorgte jedoch dafür, dass es sich so anfühlte, nach allem, was man hörte.   Inu Yasha freute sich. Frau Tausendfuß bei seinem alles andere als innig geliebten Halbbruder bedeutete doch wohl auch, dass die Bewerbung des Mädchens noch mal angesehen wurde. Vielleicht hatte sie dann eine echte Chance und würde hier anfangen. Na ja, sie hatte erwähnt, dass sie sich auch bei Gumo bewerben wollte, das hieß, bei Naraku. Er kannte den natürlich aus den Medien, aber auch von einem dieser langweiligen Empfängen bei denen er mit Vater auftauchen musste. Ihn freute dabei immer nur, dass Sesshoumaru ebenso wenig Spaß wie er selbst daran hatte, aber eher sich noch zusätzlich von einer Wolke junger Frauen umgeben sah, Menschen und Dämoninnen, und er für seinen Teil manchmal das Gefühl hatte am liebsten würde sein gewöhnlich so kühler Halbbruder schreiend davonlaufen. Na ja. Naraku, oder genauer, dessen Firmen, waren eine bunte Mischung aus Pharmazieunternehmen und Krankenhäusern, einige sonstige Labore, alles im medizinischen Bereich. Der hatte sich wohlweislich auf Bereiche gestürzt, die jede Menge Geld abwarfen, aber keine Konkurrenz zum Kendama bildeten. Und er war in den letzten fünfzig Jahren richtig aufgestiegen, gehörte jetzt zu den großen Fünf des Fürstentums. Da wäre das Mädchen bestimmt auch gut untergebracht. Obwohl Inu Yasha zugab, dass er sie gern wieder sehen würde. Natürlich ging das nur in der Neumondnacht, wenn er zu einem Menschen wurde. Vater war da streng. Keine Verhältnisse mit oder auch nur Freundschaften zu Untergebenen. Darum musste er ja auch verheimlichen, dass er sich mit Miroku gut verstand. Und dabei, da war er sicher, würde der Mönch das nie ausnutzen. Man musste schließlich nicht jedem vertrauen. Sicher, das mit Liebschaften verstand er ja. Das gab bestimmt nur Ärger oder Eifersüchteleien unter dem Personal. Ob sich das Mädchen heute Abend melden würde? Er hoffte es. Aber da er wie üblich mit seiner männlichen Verwandtschaft nach Hause fahren und zusammensitzen würde, konnte er frühestens um neun nachgucken gehen. Bis dahin konnte er ebenso gut auch arbeiten. „Dann gib mir mal die Post, Miroku.“   Naraku war ein junger Mann, scheinbar Mitte Zwanzig, dessen halblange, schwarze Haare seine Schultern bedeckten. Auch er trug hier in seinem Büro Anzug, während er nachdenklich aus dem Fenster des Hochhauses sah. In der Ferne konnte er den Büroturm des Kendama ausmachen – ihn nie sein Ziel vergessen lassend. Vor fünfzig Jahren war er so nahe dran gewesen, oh, so nahe, als ihm dieser dämliche Hund dazwischen gegangen war. Zum Glück ahnte der vermutlich heute noch nicht, was geschehen war. Bedauerlicherweise hatte sein eigener Plan, den er überhaupt für unfehlbar gehalten hatte, keinerlei Konsequenzen für den Welpen gehabt. Eigentlich hatte er erwartet, dass der Fürst wenigstens den bestrafen würde, aber irgendwie schien der Inu no Taishou herausbekommen zu haben, dass es sich bei dem Mörder nicht um Inu Yasha gehandelt hatte. Dass der bloß seinen Sohn decken wollte, war bei dessen komplizierter Auffassung von Recht und Moral auszuschließen. Der dumme Hund würde sich ja selbst die Kehle aufschneiden, wenn er einen Fehler machte. Er wandte sich um. „Ich sagte, ich will nicht gestört werden, Kagura.“ Das klang leise und sanft, aber seine Sekretärin schluckte. Sie kannte ihn. „Bankotsu ist da. Es sei sehr, sehr dringend.“ Bankotsu. Naraku musste nicht nachdenken. Er hatte vor einigen Jahren dessen Sicherheitsfirma aufgekauft – und festgestellt, dass er eine mehr als gute Erwerbung getätigt hatte. Er besaß nun Leibwächter, aber die sieben Mitarbeiter dort, inklusive Bankotsu, arbeiteten auch als Söldner, Berufskiller, kurz, sie nahmen sich seiner Schwierigkeiten an, ehe sie außer Kontrolle gerieten. Und sie waren bemerkenswert loyal. Bankotsu hatte es ihm damit erklärt, dass sie sich nun nicht mehr nach einem gut bezahlenden, vertrauenswürdigen Auftraggeber umsehen mussten, ruhiger und sicherer lebten - und dennoch ihren Spaß hatten. Ihm selbst sollte es Recht sein. „Lass ihn herein.“ Bankotsu neigte nicht zu Übertreibungen. Kagura drehte sich erleichtert um. „Kommen Sie.“ Der junge Mann mit dem sorgfältig geflochtenen Zopf kam unverzüglich herein und schloss gründlich die Tür, ehe er zu seinem Arbeitgeber blickte, der inzwischen hinter seinem Schreibtisch saß und ihm winkte. „Danke.“ Als er saß, meinte er: „Sie gaben uns letztes Jahr den Auftrag einen Schrein zu überprüfen.“ „Den Higurashi-Schrein, ja. Was ist damit?“ „Ein Herr Higurashi liegt schwerkrank im Hoi-Krankenhaus, wo Mukotsu momentan als Apotheker arbeitet.“ Nun ja, er nutzte diese Stelle um seine Gifte einzukaufen, aber wozu das erwähnen. „Soweit Mukotsu herausbrachte als Privatpatient.“ Naraku richtete sich auf. „Nicht krankenversichert?“ „Wohl nein.“ „Das kann sich die Familie doch nicht leisten. - Zahlt jemand anderer?“ „Das kann ich prüfen lassen. Oh, und als sich Mukotsu mit ihm unterhielt, erwähnte der alte Herr doch glatt, dass seine Enkeltochter eine Stellung sucht. Kagome Higurashi. Ich weiß allerdings nicht, ob sie sich auch hier beworben hat.“ „Das lässt sich herausfinden. Gut, Bankotsu. Du, und natürlich Mukotsu, wart sehr aufmerksam. Diese Kagome ist keine Priesterin, nicht wahr?“ „Nein. Anscheinend ist der Opa das letzte Familienmitglied mit irgendwelchen magischen Fähigkeiten.“ „Dann kannst du gehen. Vielleicht habe ich aber in einigen Tagen Arbeit für euch.“   Alleingelassen dachte Naraku nach. Der Higurashi-Schrein, ja. Jahrhunderte hatte dort das so genannte Juwel der Vier Seelen gelegen, das einem Dämon fast unendliche Macht verschaffte. Dieser Narr von Opa Higurashi verkaufte ja heute noch Nachahmungen als Souvenirs. Nur Imitate, das hatte er selbst schon vor fünfzig Jahren überprüft. Das eigentliche Juwel hatte stets eine Priesterin aus dieser Familie gehütet, ehe es verschwunden war – aus seinen Händen! Er hatte mehr als Grund zu der Annahme, dass es der Inu no Taishou an sich gebracht hatte. Der trug es allerdings nicht, warum auch immer. Es würde den sowieso schon starken Hundedämon unbesiegbar machen. Arroganz oder Dummheit? Jedenfalls benötigte er, Naraku, es. Denn nur mit Hilfe des legendären Juwels konnte er hoffen den Hund und seine Welpen ein für alle Mal loszuwerden und selbst Herr des Westens zu werden. Und womöglich auch des Nordens. Sein kleines Treffen mit Ryuukossusei letzte Woche war diesbezüglich recht vielversprechend gewesen. Der Drachenprinz strebte nach Macht, nach dem Tod des westlichen Fürsten – und würde ihm helfen. Selbstverständlich unbewusst. Naraku hegte durchaus die Absicht nach dem Westen auch den Norden zu übernehmen. Sollte Ryuukossusei nur annehmen er arbeite für ihn – die Wahrheit sah genau andersherum aus. Und falls er selbst das legendäre Juwel in die Hände bekam, sowieso. Diese Kagome würde kaum wissen, wo es sich befand, aber wenn sie auch nur einen Hauch der Magie ihrer Vorfahren besaß, würde sie es spüren können. Opa war krank und sie in finanziellen Schwierigkeiten, das mochte durchaus einen netten Anreiz für sie ergeben. Nun gut. Er sollte sehen, ob sie sich hier beworben hatte, und ein Gespräch mit ihr führen. Unauffällig, natürlich.     Kapitel 4: Gespräche on- und offline ------------------------------------ Kagome war nach ihrem Misserfolg im Kendama doch ziemlich aufgeregt als sie zu dem Vorstellungsgespräch zu Gumo-Enterprises ging. Ihre Nervosität wurde dadurch nicht geringer, dass ihr gesagt wurde, dass der Chef, Naraku, sie persönlich sprechen wollte. Die Frau, eine Dämonin, deren Ohrringe die Farbe ihrer Augen besaßen - rot - ,die sie unten abholte, stellte sich als Kagura vor. Da die Assistentin bemerkte, dass das Mädchen fast panisch war, log sie ein wenig. Wenn nicht das von ihm gewünschte Ergebnis bei diesem Gespräch herauskam, würde ihr Chef sie das büßen lassen. „Das macht er öfter. Der Herr Naraku möchte immer auch sehen, was der neue Jahrgang an Bewerbern so mitbringt, nicht nur die Schulnoten, wissen Sie. - So. Einen Moment, bitte.“ Sie ließ die Besucherin in einem Vorzimmer allein, kehrte aber keine Minute später zurück. „Kommen Sie. - Herr Naraku, das ist Kagome Higurashi.“ Zur gewissen Verwunderung der Bewerberin war Naraku kein alter Mann, er wirkte wie kaum Mitte Zwanzig. Aber er war ein Dämon und da täuschte das oft. Sie war jedoch angenehm überrascht, dass er sich erhob und sie mit einem Wink zu einer Couchgarnitur schickte. „Setzen Sie sich doch. - Tee?“ Er nahm ihr gegenüber Platz. Was war jetzt besser und höflicher, zumal für eine Kandidatin? „Äh, ja, gern.“ Kagome atmete tief durch. „Danke, Herr Naraku.“ „Kagura, bring Tee. Plaudern wir ein wenig. Ihre Bewerbungsunterlagen habe ich natürlich gesehen. Und ich stutzte etwas über Ihren Namen. Higurashi, wie der Schrein?“ Er interessierte sich für Tempel? Oder Geschichte? „Äh, ja. Meine Familie lebt schon seit Jahrhunderten da.“ „Ich kannte mal eine Priesterin von dort. Kikyou, aber das ist sicher schon fünfzig Jahre her.“ Das erklärte dem Mädchen, warum er ausgerechnet sie zu den Wenigen zählte, mit denen er direkt sprach. „Ja, das war eine Priesterin aus der Familie. Die Tante meines Großvaters. Aber sie ging dann in einen anderen Schrein.“ „Gab es da nicht auch etwas mit einem berühmten Juwel?“ Er versuchte wirklich harmlos zu plaudern, dachte sie, drückte jedoch vor Nervosität ihre Hände ebenso fest zusammen wie ihre Knie. „Äh, ja, das Juwel der vier Seelen. Opa verkauft das noch immer als Souvenirs oder Amulett. Aber ich denke, das ist jetzt in dem anderen Schrein.“ „Sie sind also keine Priesterin?“ „Oh, nein.“ Das wäre doch wohl auch eine sicher schlechte Vorbedingung, als Angestellte einer dämonischen Firma Dämonen läutern zu können. „Ich habe da keine Ausbildung.“ „Apropos Ausbildung: Sie haben sich hier als medizinisch-technische Assistentin beworben, obwohl Ihnen Mathematik wohl nicht so liegt.“ „Nur die Theorie“, beteuerte Kagome hastig, die mit dieser Frage gerechnet hatte. „In Chemie und Physik habe ich gute Noten, immer schon gehabt.“ „Ah, der Tee, danke, Kagura. - Haben Sie sich auch woanders beworben?“ „Ja, beim Kendama.“ Und noch zwei kleineren Firmen, aber das musste sie ja nicht sagen. Das Kendama war sicher verständlich, als so riesiger Konzern. „Natürlich. Haben Sie schon etwas gehört? Ich denke, vor drei Tagen waren die Tests.“ Klar wusste er Bescheid, wie wohl jeder. „Ja, also, sie waren vor drei Tagen, Herr Naraku, und nein, ich habe noch nichts gehört, aber sie schicken die Zusagen zuerst.“ Naraku lächelte und sie fand ihn recht nett. „Was mir gerade einfällt: wie geht es Ihrem Großvater? Ich habe ihn vor fünfzig Jahren kennengelernt, aber er wird sich kaum mehr an mich erinnern. Ich war da noch ein recht kleiner Apotheker.“ Nun, er hatte eine Drogerie im wahrsten Wortsinn besessen und sich mit Drogenproduktionen ein gutes Geld verdient, ehe ihm klar wurde, dass man mit legalen Drogen, Medikamenten, auch Geld scheffeln konnte ohne dabei in Konflikt mit dem Gesetz zu kommen. Denn trotz aller Abneigung, die er persönlich dem Inu no Taishou entgegenbrachte, – dessen Polizei war fähig. Das Mädchen schien ja fast weinen zu wollen. Sie hatte ein sehr offenes Gesicht und war anscheinend unerfahren und ehrlich. Man sollte sie benutzen können. „Ist etwas, Kagome, wenn ich Sie so nennen darf?“ „Großvater liegt im Krankenhaus. Im Hoi. Er … er hat es mit dem Herzen und es sieht nicht gut aus.“ „Das Hoi ist gerade im internistischen Bereich führend, meine Liebe. Und ich muss das wissen, es gehört nämlich mir.“ „Es ist auch teuer“, entfuhr es ihr. „Qualität will bezahlt sein. - Gibt es da Schwierigkeiten für Ihre Familie?“ Er klang einfühlsam. „Noch nicht, also die Krankenkasse bezahlt die Operation und zwei Wochen“, erklärte sie hastig. Wie sah das denn aus, als ob sie bei ihm betteln wollte? „Ich verstehe. - Sie könnten mir einen Gefallen tun, verehrte Kagome, und ich übernehme die Rechnung für Ihren Großvater für eine Woche.“ Er sah, wie sie sich anspannte. Wahrlich, ein unerfahrenes Mädchen. „Keine Sorge, keinen schwerwiegenden Gefallen. Ich möchte Sie nicht zu einem Gesetzesbruch verleiten oder sonst etwas. Folgendes: falls Sie keine Anstellung im Kendama erhalten, kommen Sie zu mir und Sie erhalten hier Ihre Ausbildung, um des alten Herrn willen.“ Vor allem um Kikyous Willen. Irgendwie sah sie ihrer Großtante mehr als ähnlich, soweit er dies nach dieser langen Zeit noch sagen konnte. „Werden Sie im Kendama angestellt, so möchte ich, dass Sie nichts weiter tun als Augen und Ohren offen zu halten. Natürlich keine Betriebsspionage. Aber Sie sind eine Higurashi. Falls etwas zum Thema Juwel der vier Seelen gesagt wird, geschrieben wird oder Sie das Gefühl haben, Sie können es spüren – und ich bin sicher, das können Sie: informieren Sie mich. Kagura kann Ihnen die Telefonnummer geben. Falls Sie nichts herausbekommen, habe ich eben Ihrem Großvater einen Gefallen getan.“ „Eine Woche Krankenhaus kostet Fünftausend!“ flüsterte Kagome. Es wäre sicher für Opa gut, wenn er länger bleiben könnte, ja, sich der Besitzer des Krankenhauses für ihn einsetzte, aber, war das legal? „Fünftausend, also. Und Sie erzählen mir, wenn Sie von dem Juwel hörten. - Sie sollen nicht, und das sage ich ausdrücklich, einbrechen oder sonst etwas. Nur zufällig sich umhören. Es ist nämlich so, dass das Juwel vor fünfzig Jahren verschwand. Ich weiß, dass Kikyou es besaß. Als sie ermordet wurde, verschwand es, und ich gebe zu, ich habe unseren Fürsten im Verdacht es sich genommen zu haben. Die Legenden, die sich gerade in Dämonenkreisen darum drehen, würden bedeuten, dass er praktisch unbesiegbar wäre. Nun, nicht, dass ich das glaube. Aber es wäre Unterschlagung, auch und gerade Ihrer Familie gegenüber, nicht wahr?“ Ja, vielleicht, dachte Kagome. Opa! Das klang alles machbar, sie würde Opa eine Woche erkaufen, aber nichts Verbotenes tun. Und, ehrlich, der Fürst und seine Söhne waren ihr vollkommen fremd, wenn man davon absah, dass sie ihm und seinem Ältesten vor drei Tagen buchstäblich zu Füßen gelegen hatte. Sie hatten alle Zwei da recht kühl gewirkt. Und Herr Naraku war nett. „Und, wenn ich nicht im Kendama Arbeit finde?“ fragte sie doch vorsichtig nach. „Rufen Sie Kagura an. Dann werden Sie hier was bekommen.“ Schließlich konnte und durfte er eine potentielle Finderin des Juwels nicht aus den Augen lassen, nachdem der Zufall ihm schon so geholfen hatte. Den Tüchtigen half eben das Glück. „Ist es dann abgemacht, werte Kagome?“ „Ich höre mich nur um“, suchte sie nochmal die Bestätigung. „Ja. Oder wenn Sie es spüren, sagen Sie es mir.“ Dann könnte er zusehen, ob man es irgendwie an sich bringen konnte. Er erhob sich und trat an die Wand. Erst jetzt sah das noch immer aufgeregte Mädchen, dass sich dort ein gut getarnter Tresor befand, den der Konzernchef öffnete. „Fünftausend sagten Sie. - Hier.“ Er kam mit dem Bündel an Geldscheinen zu ihr, steckte sie in einen Briefumschlag, und setzte sich, ehe er den Umschlag auf den Tisch legte, samt einem Zettel. „Natürlich, bitte quittieren Sie es mir nur hier. Es ist versteuertes Geld und ich muss auch nachweisen wohin es ging. Unterschreiben Sie einfach auf dieser Linie.“ Kagome gehorchte, nahm dann den Umschlag mit dem Geld. So viel hatte sie noch nie in ihrer Handtasche, geschweige denn ihrer Hand gehabt. Ob sie heute Abend Reddemon davon erzählen sollte? Bislang hatte sie sich nicht bei ihm gemeldet, es gab ja auch nichts zu berichten. Außerdem war er fremd. Aber er hatte es ihr ermöglicht sich bei ihm zu melden, nichts von ihr verlangt, das war alles andere als aufdringlich. „Gut. Dann lassen Sie sich von Kagura noch die direkte Nummer geben. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit, liebe Kagome, gleich, wie sie aussehen wird.“ „Danke, Herr Naraku.“   Kaum, dass er allein war, drehte sich der Konzernchef um. „Bankotsu, nimm doch die Aufnahme heraus, dass sie nicht überspielt wird.“ Der Söldner kam aus dem Nebenzimmer. „Es ist nur eine Videokassette, ohne Ton. War das Absicht?“ „Natürlich. Die liebe Kagome hängt am Haken. Wenn sie nicht spurt, kann ich ihr das zeigen. Oder dem Taishou. Und der wäre alles andere als begeistert, würde er sehen, wie eine seiner Angestellten sich bestechen lässt um Betriebsspionage zu begehen.“ Wenn man das so recht böse betrachtete, könnte man das sogar als Hochverrat auslegen. „Sie haben von ihr mit Absicht zunächst nichts verlangt, damit Sie sie erpressen können. Gut gedacht.“ Bankotsu wusste in diesem Moment, er würde die Kassette wie befohlen sicher verwahren - und sie für sich kopieren. Erpressung eines Erpressers war in seiner Branche manchmal überlebenswichtig. Und er nahm keine Sekunde an, dass Naraku ihm vertraute. Dazu war der zu gerissen. Auch, wenn er selbst es nicht sehr sportlich fand ein Mädchen, das um seinen Opa zitterte, in den Untergang zu treiben, um ein Juwel zu erhalten, von dem doch keiner wusste ob die Sagen stimmten – er konnte die Raffinesse dieses Planes durchaus nachvollziehen.   Zuhause erklärte Kagome ihrer erstaunten Mutter, dass der Herr von Gumo Enterprises ihren Opa kennengelernt hatte, und auch Großtante Kikyou, und anscheinend deswegen helfen wollte. Die Fünftausend in Scheinen auf dem Tisch boten einen beeindruckenden Beweis. „Aber, er hat dich nicht eingestellt?“ Das wäre auf Dauer, nicht eine spontane Entscheidung. Eine Woche wäre rasch vorbei. „Ich soll mich melden, ob ich eine Zusage bei den Doggies bekomme oder bei ihm.“ Sie log ihre Mutter an? Was war nur mit ihr los? Aber das mit dem Rumhorchen für das Juwel sollte sie wohl lieber verschweigen. Es klang ja nicht schlimm, aber je mehr sie darüber nachdachte, umso unbehaglicher wurde ihr. Es war irgendwie wie eine Falle – jetzt konnte sie ja nicht mehr zurück. Und Opa brauchte das Geld. Es war nichts dabei, beruhigte sie sich dann immer wieder. Sie würde Naraku einfach sagen, dass sie nichts gehört hatte, und fertig. Selbst, falls der Fürst das Juwel besaß, würde er doch kaum vor den Ohren eines Lehrlings darüber reden. Dass sie das spüren können sollte, erschien ihr sowieso unglaublich. „Es kam jedenfalls vorhin ein Brief vom Kendama.“ Kagome rang nach Atem. „Mama, das sagst du erst jetzt?“ „Es könnte ja auch die Ablehnung sein. Und es ist immer gut, wenn man zwei Eisen im Feuer hat.“ „Ja, aber sie schicken die Zusagen zuerst heraus.“ Das Mädchen nahm den Brief mit klopfendem Herzen. Wurde alles gut? Opa und ihre Stelle und was auch immer? Ihr Blick fiel auf eine einzige Zeile, ehe alles in Tränen vor ihren Augen verschwamm. „... freuen uns, Sie am 1.2. zu einem Einführungslehrgang begrüßen zu dürfen. Ihre erste praktische Stelle wird in der Personalabteilung sein...“ Sie setzte sich, da ihre Beine sie nicht mehr tragen wollten. „Mama, sie haben mich genommen!“ Trotz Frau Tausendfuß!   Aber sie zog sich früh in ihr Zimmer zurück. Sollte sie mit Reddemon darüber sprechen? Ihr war unwohl. Der arbeitete doch in der Geschäftsleitung und würde bestimmt dem Taishou gegenüber loyal sein, oder? Sie öffnete die Seite des Chats im Internet und suchte nach ihm. Ab neun war er erreichbar? Seltsamerweise freute sie sich, dass er das anscheinend für sie so hingeschrieben hatte. Sonst gab es keine persönlichen Hinweise, kein Bild, kein Alter, kein … Nichts. Er schien sehr auf Anonymität zu achten. Irgendwie beruhigte sie das. Sie meldete sich an. Als Namen nahm sie das, was ihr sowieso im Kopf herumschwirrte. Juwel. Immerhin war der noch nicht vergeben. Ab 21 Uhr? Dann war Reddemon jeden Tag nur eineinhalb Stunden online, aber das war verständlich. Er arbeitete ja auch den ganzen Tag und musste auch mal schlafen.   Inu Yasha war tatsächlich fünf Minuten nach neun im Chat. Diese Sache mit den Drachen erschien ihm bei Weitem nicht so interessant wie die Frage, ob sich das Mädchen melden würde, aber natürlich war es ein Problem für das Fürstentum, und Vater und Halbbruder hätten nicht verstanden würde er einfach gehen. Offiziell hatte Vater schlicht eine Kopie des Zeitungsartikels in den Norden geschickt, mit der Bitte, der Prinz möge doch, wenn er sich wieder erholen wolle, seine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen. Höflich, aber eine Warnung, man wisse Bescheid. - Endlich war der PC hochgefahren. Ein Freundschaftsantrag von Juwel? Nie gehört. War sie das? Er nahm an. „Hallo.“ „Hallo. Ich bin das Mädchen aus dem Café.“ „Hallo, Juwel. Freut mich sehr, dass du da bist. Wie sieht es aus?“ „Ich habe die Zusage für die Doggies. Das erste Praktikum ist in der Personalabteilung.“ „Oh, das ist gut.“ „Ja?“ „Ja. Da kannst du schon mal die richtigen Leute kennenlernen, die dir später auch bei Beförderungen helfen. Der einzige Haken ist: du hast vermutlich viel mit Jaken zu tun.“ „Wer ist das?“ „Ein Krötendämon, die rechte Hand meines ...“ Er löschte hastig. „... Sesshoumarus. Der Frosch ist im Endeffekt für alle Personalsachen zuständig. Ist immer am rumnörgeln. Wobei ich ehrlich zugeben muss, dass er für alle Personalabteilungen weltweit zuständig ist, und auch die direkte Zusammenarbeit mit Sesshoumaru aufs Gemüt schlagen dürfte.“ „Ach, ich glaube nicht, dass der sich um ein Lehrmädchen schert, oder?“ „Auch wieder wahr.“ „Hast du es manchmal mit Sesshoumaru oder dem Fürsten zu tun?“ Inu Yasha zögerte etwas, dann schrieb er: „Mehr mit dem Fürsten. Sesshoumaru ist ja der für den Konzern. Und ich lerne eher die Verwaltung des Fürstentums.“ „Gibt es da so viel zu tun? Ich dachte, der Grund und Boden gehört sowieso dem Fürsten.“ „Ja, aber Immobilien verwalten sich nicht von allein. Übrigens gibt es da auch jede Menge Angestellte.“ „Ja, natürlich. Warum heißt du eigentlich Reddemon? Roter Dämon?“ „Man braucht einen Namen. Du nennst dich Juwel. Was ich hübsch finde“, beteuerte er eilig und setzte ein Smiley hinten dran. „Danke.“ Auch sie schickte ein Smiley, ehe sie tippte: „Du bist jeden Abend hier?“ „Nein, Wochenende nicht.“ „Montag bis Freitag?“ „Montag bis Donnerstag. Wochenende will mein Vater immer auf Familie machen. Er ist auch der Grund, warum ich um halb elf hier weg bin.“ „Du darfst nicht länger an den Computer? Dein Vater ist streng.“ „Ja, ziemlich.“ Er wusste selbst nicht, warum er schrieb: „Naja, zu mir. Mein Halb ...“ Das löschte er hastig. „Mein Bruder scheint es da leichter zu haben. Aber der ist eben auch der Ältere.“ „Der darf am PC sitzen so lange er mag?“ So hatte er das noch gar nicht gesehen – Sesshoumaru arbeitete die ganze Nacht, er selbst spielte eher. „So, wie du das sagst, klingt es, na ja, eigen.“ War das etwa der Grund? Dann konnte es nur gut und wichtig für ihn selbst sein mit Juwel zu reden. Vielleicht konnte sie ihm Dinge erklären, die er falsch sah, oder anders, oder gar nicht. Er lebte nun einmal hauptsächlich unter Dämonen, nicht Menschen, aber ihm war bewusst, dass manches an seinem Verhalten sehr menschlich war. „Äh, der arbeitet viel nachts, ich meine, er lernt.“ Kagome hatte das Gefühl in eine Fettnäpfchen gesprungen zu sein und lenkte lieber ab. „Sehen wir uns, wenn ich im Kendama anfange?“ „Möglich, aber ich, na ja, ich bin eben meist draußen, nicht da. Aber bestimmt einmal im Monat. Und hier können wir uns ja so ziemlich jeden Abend treffen. - Im Doggies, ja? Ich hatte das noch nie gehört, finde es aber lustig. Nennen das nur Menschen so oder auch Dämonen?“ „Das weiß ich nicht, aber in meiner Schule, also, unter Menschen, war das immer so. An welcher Schule warst du eigentlich?“ Inu Yasha zögerte, ehe er zugab: „Privatschule.“ Nur private Lehrer, aus dem gleichen Grund, warum er auch selten mit Menschen zu tun bekam. Vater fürchtete, nun, ein im Zusammenhang mit dem Inu no Taishou eigentlich unmögliches Wort, Entführung oder auch nur Beeinflussung. Und der Halbdämon wusste, dass es ihn irgendwie gerührt hatte, als der so mächtige Hundefürst zugegeben hatte: „Weißt du, mein Junge, wenn dich jemand entführt und bedroht – ich würde alles tun für dich. Und genau das ist das Problem, dass ich als Fürst es nicht tun dürfte. Ich würde zerbrechen, auch, wenn du gerettet werden könntest. Pass du auf dich auf, aber ich auch auf dich.“ „Privatschule, wow.“ Kagome war beeindruckt. „Du, Reddemon, ich chatte nicht oft. Darf ich dich was fragen?“ „Ja, klar, Juwel.“ Sie interessierte sich für ihn? Obwohl, oder weil, sie nichts von ihm wusste als das, was er ihr im Café erzählt hatte und jetzt? Interesse für ihn selbst als Mensch? Junge? Das verursachte so einen warmen Stich im Herzen. „Äh, du redest immer nur von deinem Vater. “ Sie suchte ein möglichst entschuldigendes Smiley. „Meine Mutter ist schon lange tot.“ Er war noch sehr klein gewesen. Sie sollte sich wirklich entschuldigen. „Oh, bei mir starb mein Vater vor acht Jahren bei einem Unfall.“ Irgendwie klang das vertrauter. Wusste sie, wie das war? „Dann haben wir ja auch wieder was gemeinsam.“   Ein nettes Gespräch, dachte Inu Yasha, als er den Computer runterfuhr. Es war halb elf, um elf sollte er das Licht aus haben. Hoffentlich kam sie öfter online. Es war so erholsam mal mit jemandem zu reden, der ihn für normal hielt, ohne den Prinzen, ohne den reichen zweiten Sohn, ohne ... Er zuckte erschreckt herum, als seine Zimmertür ohne Klopfen sofort geöffnet wurde. Hatte er doch die Zeit übersehen? „Mein Herr und Vater?“ Lieber offiziell bleiben. „Keine Sorge“, erwiderte der Fürst hastig, der die Befürchtung verstand. „Ich wollte dir nur etwas noch sagen, was ich vergessen habe. In den nächsten Tagen wird eine gewisse Sango zu dir kommen. Sie ist die Tochter des Anführers der Dämonenjäger und soll mit dir die Verwaltung von Immobilien lernen. Ich hoffe, Miroku kann sich inzwischen bei Frauen benehmen. Wenn nicht, solltest du eher ihn als sie loswerden.“ „Oh, danke für die Information, mein Herr und Vater. Ich denke schon, dass Miroku … Vater, er ist wirklich intelligent, er hat nur immer diesen Mädchenfimmel, das gebe ich ja zu.“ Er wollte doch seinen einzigen Freund verteidigen. Und ihn nicht verlieren. „Hat er dich je unsittlich angefasst?“ „Äh, was?“ Inu Yasha wurde glühend rot bei der vollkommen unerwarteten Frage. „Nein, sicher nicht! Er steht auf Mädchen!“ „Und du?“ Der Halbdämon schluckte, mehr als peinlich berührt. Diese so sachliche Art der Dämonen sollte er gewohnt sein, aber ... Tapfer antwortete er, wenngleich etwas stotternd: „Ich, ich denke, ich auch. Wie kommen Sie auf diese Frage?“ Man fragte eigentlich nicht einen Fürsten aus, aber der fühlte eine gewisse Erleichterung. So meinte er: „Du bist nach menschlichen Maßstäben neunzehn und hast mir noch nie ein Mädchen vorgestellt.“ Nein, natürlich nicht. Wer ließ sich schon mit dem mischblütigen Sohn des Dämonenfürsten ein? Für weibliche Dämonen war er unter ihrem Suchniveau, Menschenmädchen schreckten vor Dämonen zurück, ja, schon aufgrund des Reichtums. „Es wird sich sicher jemand finden“, beteuerte er. Juwel, dachte er gleichzeitig. Ob das eine Idee wäre, die ihm da im Hinterkopf keimte? Egal, er sollte sich verteidigen. „Sesshoumaru ist älter und hat auch noch niemanden.“ „Im Gegensatz zu ihm hast du die Chance der freien Wahl.“ Der Inu no Taishou musterte seinen Jüngsten. Vielleicht war der wirklich schlicht noch zu jung. Niemand wusste viel über Halbdämonen. „Nur, sei dir in einem sicher: wenn es soweit ist, frage mich einfach.“ Einfach bestimmt nicht, aber: „Danke, Vater.“   Kapitel 5: Reddemon und Inu Yasha --------------------------------- Als Inu Yasha morgens sein Vorzimmer betrat, hatte sich etwas verändert. Nun standen zwei Schreibtische da, gegen einander gerichtet, was an sich ungewöhnlich war. Der Platz reichte, aber es war im Allgemeinen so, dass selbst in den Großraumbüros der Ranghöchste hinter seinen Untergebenen saß, diese so im wahrsten Sinne des Wortes im Auge behielt. Nur wenige, ranghohe, Mitarbeiter, von ihm und seiner Familie freilich zu schweigen, besaßen Einzelbüros. Und noch etwas hatte sich verändert. Eine junge Dame in karierter Bluse und grünem Rock, der ein wenig altmodisch, bodenlang, war, stand da und neigte sich höflich vor ihm, während sein Freund Miroku irgendwie anders aussah. Der Halbdämon brauchte eine Sekunde um zu begreifen, dass der deutliche rote Fleck auf dessen linker Wange ziemlich genau Sangos Finger nachzeichnete. Aber sie schien es gelassen zu nehmen, sich nicht sofort zu beschweren, wie es andere getan hatten. Nun ja, Dämonenjäger nahmen alles immer gern in die eigene Hand, das hatte ihm Vater schon erzählt – und sichtlich in Erinnerung geschmunzelt, was selten genug passierte. „Sango, ich freue mich Sie kennen zu lernen. Mir wurde gesagt, dass Sie vor allem die Immobilien lernen sollen.“ „Ja, danke, Inu Yasha-sama.“ Die Jägerin war hin- und hergerissen. Das war eine freundliche Begrüßung - aber, er schien nicht zu bemerken, dass sie diesem alles andere als keuschem Mönch eine runtergehauen hatte. Machte der falsche Heilige das immer? Dann konnte das ja eine reizende Zeit des Praktikums werden. Sollte er jetzt etwas noch zu dem Mönch zu dem Zwischenfall sagen? Blöder Hund? Das klang aus dem Mund eines halben Hundedämonen vermutlich nicht so tadelnd wie gemeint. Aber er wollte auf Miroku doch nicht verzichten, und Vaters Anweisung gestern Abend war klar gewesen. Überdies würde sich Sesshoumaru köstlich über seinen unfähigen Halbbruder amüsieren, wenn der nicht einmal mit zwei Mitarbeitern zurande kam, und er mit Tausenden. Das würde er selbst während jeder Trainingseinheit mit ihren Schwertlehrern vernehmen dürfen, da Vater dann ziemlich sicher außer Hörweite war. So sah er zu seinem Freund. „Es gibt zwei Möglichkeiten, die ich sehe, mit euch. Entweder ihr behaltet alle beide eure Finger bei euch - oder akzeptiert euch und eure Hände. Ich habe keine Lust mir Stress mit meinem innig geliebten Halbbruder oder dem Fürsten einzuhandeln, bloß weil ihr streitet.“ „Ja, Inu Yasha-sama“, murmelten beide Streithähne sofort, keiner bereit auf den interessanten und auch gut dotierten, einflussreichen, Job zu verzichten. Erst als der Halbdämon in seinem Büro war, sah der Mönch zu der Dämonenjägerin. „Du hast wirklich gute Reflexe.“ „Die du auch weiterhin zu spüren bekommen wirst, wenn du deine Hand nicht bei dir behältst.“ Sie hatte so ziemlich als erstes von anderen Mitarbeiterinnen neben 'Sie werden mit Miroku arbeiten', gehört, dass der Frauen gern belästige. „Es ist nicht so gemeint“, beteuerte er. „Es ist eine Art Fluch, die auf den Männern meiner Familie liegt. Das kann man nicht kontrollieren. Nicht einmal mit mönchischem Training. Was glaubst du, warum ich einer geworden bin. Sicher nicht, weil ich gegen Frauen bin.“ Sango setzte sich. „Nun, du kennst jetzt die Konsequenz. - Innig geliebter Halbbruder: er meinte damit den COO, Sesshoumaru-sama? Mögen sie sich nicht?“ „Nicht gerade innig. Aber sie arbeiten zusammen. Vergiss das nie. - Ich habe dir hier mal einen Ordner herausgesucht, den man mir gab, als ich hier anfing. Ein Überblick über die Immobilien und deren Verwaltung des Fürsten.“ „Danke.“ Immerhin, wenn dieser Mönch arbeitete, war er anscheinend zuverlässig. Nun ja, er war vermutlich nicht ohne Grund im Vorzimmer der Nummer Drei des Fürstentums. Und er schien ihre Ohrfeige auch akzeptiert zu haben. Vielleicht brauchte der das einfach.   Kagome hatte sozusagen noch zwei Wochen Urlaub und besuchte mit ihrer Mutter ihren Großvater im Krankenhaus. Sie durften ihn nur von einer Scheibe aus sehen, da er frisch operiert war, aber der Arzt meinte, es sei alles gut verlaufen. Immerhin etwas. Noch drei Wochen waren bezahlt, auch dank der Großzügigkeit Narakus. Das bisschen Umhören würde sie schon hinbekommen. Und der Unternehmer würde sich doch wohl kaum wundern, wenn eine Auszubildende nichts von Belang hörte, so beruhigte sie sich. Gleichzeitig sagte ihr jedoch irgendetwas in ihrem Hinterkopf, dass es ein Fehler gewesen war, ohne, dass sie es begründen konnte. Aber sie konnte ja auch schlecht mit ihrer Mutter oder Reddemon darüber reden. Der Junge schien nett, er arbeitete jedoch in der Konzernleitung des Kendama, nun gut, lernte dort, da würde er doch das Interesse einer anderen Firma an seinem Arbeitgeber kaum akzeptieren dürfen.   Allerdings kam sie anschließend in den ersten Wochen im Kendama nicht dazu irgendetwas zu hören. Ihre Tage bestanden aus einem ausführlichen Einführungskurs, wer wie wo im Konzern war, wo und was er arbeitete, Geschichte und Wirtschaft. Sie kannte das meiste eigentlich aus der Schule, aber sie stellte rasch fest, dass es auch einige Menschen aus den anderen Fürstentümern gab, die das wohl kaum je gehört hatten. Es gab Tests, nach denen man sortiert wurde, auch, wer möglicherweise in Mathe gut war, Sprachen leichter lernen konnte. Kurz, das zunächst riesige Heer der Bewerber wurde sorgfältig durchkämmt und analysiert. Kagome war oft müde, aber sie war froh, dass der Fürst, nein, im Konzern ließ er sich ja als Geschäftsführer ansprechen, dass also der Inu no Taishou so militärisch alles durchorganisiert hatte und sie sich immer sicherer fühlte, je mehr sie erfuhr. Als sie hörte, dass sie wirklich in die Personalabteilung durfte, versuchte sie vorsichtig zu erkunden, wie und was es mit Frau Tausendfuß auf sich hatte. Dass diese gekündigt sei, verursachte ihr einen seltsamen Stich. Zum Einen, weil sie froh war diese boshafte Dämonin nicht mehr zu sehen, zum Anderen, wie rasch man hier auch die Stelle verlieren konnte. Immerhin hieß es jedoch etwas von Betrug, und das beruhigte sie doch wieder etwas. Reddemon hatte sie nicht gesehen, aber er hatte bei ihrem allabendlichen Chat nochmals darauf hingewiesen, dass er ja nur selten in die Stadt komme. Zu ihrem Trost, oder auch aus Interesse, hatte er sie allerdings alles Mögliche zu ihrem Tagesablauf gefragt, ihr auch so einige Tipps gegeben. „Hast du das auch so gemacht?“ fragte sie. „Ja, ziemlich. Man muss ja in einer so großes Firma auch Bescheid wissen, wenn man mal versetzt wird“, tippte er zurück. „Das ist übrigens tatsächlich etwas, wo ich Sesshoumaru mal loben muss.“ Er durfte nicht vergessen seine Tarnung zu wahren. „Der kennt sich wirklich aus.“ „Ich habe heute Sango getroffen, die wird dir aber nichts sagen.“ Der Halbdämon stutzte, schrieb dann vorsichtig: „Du kennst sie? Sie ist Praktikantin, Dämonenjägerin, und arbeitet bei Inu Yasha.“ „Ja, wir haben uns zufällig bei der Bewerbung kennengelernt und gestern beim Kopieren getroffen. Sie ist sehr nett, ich meine, wir verstehen uns gut, und wollen uns öfter treffen.“ „Wie kommt sie denn mit Inu Yasha zurecht?“ fragte er neugierig. „Kennst du ihn?“ „Ich sehe ihn ab und an, ja.“ Im Spiegel. „Also, ich komme mit ihm gut aus.“ „Sie wohl auch, auch, wenn er ihr recht, äh, lebhaft vorkommt für einen Dämon.“ „Halb-Dämon.“ „Ist doch fast das Gleiche.“ „Nein, Juwel. Halb Mensch und halb Dämon ist anders als ganz Mensch und ganz Dämon.“ Irgendwie klang er eigen und so schickte sie eilig ein entschuldigendes Smiley. „Ich denke nur, es kommt immer auf den Menschen, Dämon oder sonst was selbst an.“ „Du kommst ja aus einem Schrein und gehst mit so was wohl lockerer um. - Sango, also. Und Miroku.“ „Oh, ja, das ist der eigentliche Assistent, genau. Hast du da in der Nähe auch ein Büro? Ich wäre im gleichen Stockwerk, im Großraumbüro 20177 – natürlich gleich an der Tür.“ Dort saß immer der oder die mit der Neueinstellung. Das war keine fünfhundert Schritte von seinem eigenen Büro. Er spürte, wie sein Herz schlug, aber nein, das ging nicht. Wer wusste schon, wie sie reagieren würde – und Vater. „ Nein, ich … ich habe da keinen richtigen Platz. Ich bin ja nie da, so gut wie nie, sondern hier im Schloss.“ Das war keine ganze Lüge, dachte er. Aber er wollte seine nette Abendunterhaltung doch nicht verlieren. „Im Schloss. Oh, hast du da auch ein Zimmer? Sind da lauter Dämonenkrieger?“ „Ja, zu beidem.“ „Dann arbeiten dein Vater und dein Bruder auch im Schloss? Das müssen ja viele Menschen und Dämonen sein.“ „Ja.“ Sie klang wirklich aufgeregt. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie viele.“ Das stimmte, würde sie aber von der Fragerei in die falsche Richtung abbringen. „Siehst du dann alle drei doggies? Ich meine, den Fürsten, Sesshoumaru und Inu Yasha?“ „Ja.“ „Die meisten Mädchen schwärmen ja für den Erbprinzen,“ erzählte sie ahnungslos weiter. „Aber mir gefällt der Fürst auch. Er sieht gar nicht so alt aus, nicht wahr?“ Inu Yasha hatte das Gefühl ein Felsbrocken schlage ihn zu Boden. „Äh, wenn du meinst?“ Was sollte er dazu sagen. Das war sein Vater! „Ich denke nur, er ist doch schon alt. Und Sesshoumaru hat in meinen Augen eher den Charme eines mittelschweren Eisenbahnunglücks.“ Kagome lachte unwillkürlich etwas auf, wenn sie sich daran erinnerte, wie viele Mädchen zumindest eine Postkarte, wenn nicht ein Poster, mit dem Photo des Erbprinzen besaßen, und wie viele Mütter ihrer Freundinnen sehnsüchtig nach jedem Bild des Fürsten in Klatschzeitungen fahndeten. Aber sie tippte: „Ach, du bist eben ein Junge. Der Fürst bewegt sich so elegant wie kein anderer. Also, wenn man ihn so im Fernsehen sieht. Und Sesshoumaru, er wirkt immer so kalt, die meisten Mädchen wünschen sich eben ihn aufzutauen. Mir persönlich wäre er nicht so ...“ Sie schickte hastig ein Smiley nach, als sie zu begreifen glaubte. Fühlte sich Reddemon etwa unglücklich, wenn man ihn mit Dämonen verglich? Das hatte sie nicht geplant. „Inu Yasha steht also nicht auf deiner Liste.“ Warum nur fühlte er sich wieder einmal enttäuscht? „Er hat süße Öhrchen, die ich gern mal anfassen würde“, gab sie zu. „Also, ich meine: wenn die Drei echte Hunde wären: Inu Yasha käme zu mir auf die Couch zum Knuddeln, mit dem Fürsten an der Leine würde ich auf irgendeinem eleganten Boulevard spazieren und der Erbprinz würde meine Villa bewachen. Verstehst du, das hat ja nichts mit der Realität zu tun. Mädchen träumen manchmal.“ „Aha“, machte er etwas ratlos. Immerhin wäre er auf dem Sofa und nicht draußen in der Hundehütte wie der Halbbruder. Immerhin. Was hatten nur immer alle mit seinen Ohren? Selbst die Ex seines Vaters, nun ja, die Mutter seines Halbbruders, hatte schon wie beiläufig dran gezogen – und die hielt Halbdämonen für fast so etwas wie Menschen. Mindere Lebewesen, schwach, jämmerlich, erbärmlich. Aber da durfte er nichts sagen. Vater duldete keine Unhöflichkeit gegenüber einer Frau, die er mal geheiratet hatte. Inu Yasha hatte allerdings durchaus den Eindruck, dass das auch für seine eigene Mutter galt, seit er vor langen Jahren mitbekommen hatte, wie ein Dämon eine herablassende Äußerung gegenüber Prinzessin Izayoi tagelang bedauern durfte. Die war allerdings tot und Sesshoumarus Mutter recht lebendig. Sie wohnte in einem Schloss im Westen, hielt sich aus Politik heraus und beschäftigte sich mit möglichen Enkelkindern. Moment mal. Hatte Vater da nicht erwähnt, er selbst habe die freie Wahl im Gegensatz zu Sesshoumaru? Gab es da irgendwelche Eheversprechen aus den letzten Jahrhunderten? Besuchte sein Halbbruder darum seine Mutter selten – und wenn, dann ungefähr mit der Miene eines Mannes, dem gerade verkündet worden war ihm sollen sechs Zähne gezogen werden? Ohne Betäubung? „Es ist nichts gegen dich“, schrieb Kagome eilig, mit etwas schlechtem Gewissen, da ihr Chatpartner nichts mehr antwortete. „Du siehst auch nicht gerade aus wie der Glöckner von Notre-Dame. Mädchen träumen eben gern.“ „Danke.“ Was sollte er dazu schon sagen? „Wie geht es dir sonst?“ „Na ja, du weißt ja, Opa ist noch im Krankenhaus.“ „Soll er bald in die Reha?“ „Ja,in zehn Tagen, wenn alles gut geht.“ Sie seufzte. Sie hatte eine Nachricht von dieser Kagura auf dem Handy vorgefunden, dass Naraku ein Ergebnis wollte, das sie weder hatte noch liefern wollte. Nein, den Herrn der Gumo brauchte sie sicher nicht um weiteres Geld zu bitten. „He, stimmt was nicht?“ tippte Reddemon. Erst jetzt bemerkte Kagome, dass sie unbewusst ein sehr trauriges Smiley geschickt hatte. „Nein, es geht ihm schon gut, ich meine, die Operation war ein Erfolg. Es ist nur, Mama hat Schwierigkeiten mit der Krankenkasse. Das wird aber bestimmt.“ „Krankenkasse? Ist er versichert oder nicht?“ Inu Yasha wusste durchaus, dass die Versicherungen nicht jeden aufnahmen. Leider, so hatte sein Vater gemeint, sähe er keine Möglichkeit sie dazu zu zwingen, da wäre immer die Freiheit wer mit wem Verträge schließen wolle. Würde er das ausschalten, wäre das ein Dammbruch. „Ja, aber nicht für einen so langen Krankenhausaufenthalt. Aber das wird schon.“ „Und wie?“ Schweigen, und so schrieb er: „He, Juwel: sag es mir, vielleicht habe ich eine Idee.“ „Wir, also Opa, besitzt den Boden, auf dem wir leben. Sie wird ihn verpfänden.“ Grund und Boden, den nicht sein Vater besaß? Dann war das sicher eine sehr alte Familie. Nach dem Großen Krieg hatte alles der Fürst erhalten, was quasi herrenlos war, also keinen Besitzer mehr oder Verrätern gehört hatte. „Das ist Blödsinn. Ihr habt jetzt das Geld nicht, woher soll es in Zukunft kommen? Und dann habt du und deine Mutter doch kein Dach mehr über dem Kopf.“ „Aber Opa ...“ Sie brach ab, da sie mit den Tränen kämpfte. Inu Yasha bemerkte es ohne es zu sehen und schrieb langsam: „Hör mal, ich habe da eine Idee. Ich kann dir nichts versprechen, aber: wie viel brauchst du?“ Himmel, dachte er etwa jetzt, sie wolle ihn anbetteln? „Reddemon, das ist nett von dir, aber so viel hast du nicht.“ „Wie viel, komm schon.“ Sie hatte Geld von Naraku angenommen, vielleicht konnte ihr der Junge wirklich helfen? Er machte doch eine Ausbildung in der Geschäftsleitung. „Fünftausend. Gibt es da irgendeine Stiftung im Kendama, für Notfälle oder so?“ „Ich muss nachsehen. Ich kann es dir morgen Abend sagen.“ Es gab schon Stiftungen. Aber er wollte doch Reddemon bleiben und sie sollte nicht wissen, dass er auch Prinz Inu Yasha war. Sie brauchte allerdings Hilfe und er hatte sie zugesagt. „Ich such was, versprochen.“ „Danke. - Du, es ist schon kurz vor elf.“ „Oh, danke.“ Sie wusste ja, dass er um elf das Licht ausmachen musste. „Bis morgen!“ Er fuhr hastig den Computer runter und rannte ins Bad.   Kagome sah sich gezwungen Kagura am nächsten Tag anzurufen. Sie erklärte der Sekretärin des Gumo-Chefs, dass sie erst seit einer Woche an einer Stelle arbeitete, dafür aber nahe an der Geschäftsleitung, und in den Pausen versuche unauffällig sich da rumzutreiben. Die schien das zu akzeptieren, meinte jedoch, dass Naraku kein Mann sei, den man betrügen dürfe. Das Mädchen schluckte unwillkürlich. Kaguras Warnung klang so gefühlsmäßig und ehrlich, dass sie ihr glaubte. „Ja, aber was soll ich sagen, wenn ich nichts höre?“ „Versuchen Sie es weiter.“ „Ja.“ Da hatte sie sich schon in was Schönes reingeritten. Hoffentlich konnte Reddemon wirklich etwas herausfinden, damit Mama da etwas beantragen konnte und sie nicht nochmals zu Naraku gehen musste. Sie hatte inzwischen das Gefühl, dass sie das sehr viel kosten würde.   Inu Yasha hatte beschlossen den direkten Weg zu gehen und nicht sich durch die Stiftungen zu suchen. So kniete er am frühen Nachmittag höflich vor seinem Vater in dessen Arbeitszimmer im Konzern. Wie immer hier – und auch seine beiden Söhne – trug der Inu no Taishou einen schwarzen maßgeschneiderten Anzug, ein blütenweißes, ihm direkt angepasstes, Seidenhemd und eine rote Krawatte aus eben diesem Stoff: die alten Familienfarben. „Dienstlich?“ fragte er. „Nicht wirklich, mein Herr und Vater.“ Nur schön höflich bleiben, wenn man was wollte. „Ich höre.“ „Es arbeitet ein Mädchen hier im Konzern, eine Freundin von Sango“, ergänzte Inu Yasha hastig, da er das leichte Erstarren bemerkte. „Deren Großvater nach einer Herzoperation im Krankenhaus liegt und offenbar nur teilweise versichert ist. Sie benötigen Fünftausend, um die eine Woche bis zur Reha zu überbrücken. Gibt es eine Möglichkeit das aus einer Ihrer Stiftungen zu zahlen?“ „Sango, also? Hat sie dich darum gebeten?“ „Nein“, konnte Inu Yasha ehrlich sagen und sah auf, blickte in die Augen seines Vaters. Er kannte den. „Niemand sagte zu mir, oh, Prinz, könnten Sie ... Ich habe es auf Umwegen gehört.“ „Wie heißt das Mädchen?“ „Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie im Großraumbüro 20117 gleich an der Tür sitzt.“ Der Inu no Taishou konnte daraus nur den Schluss ziehen, dass sich Sango und eine Unbekannte unterhalten hatten. „Du hast also ein Gespräch belauscht.“ Ach du je. Das war es auch nicht, und den Einfall sollte er schleunigst ausräumen. Vater stellte manchmal extreme Ansprüche an Moral. „Nicht belauscht, nein. Ich konnte es kaum überhören.“ Sollte er dem Fürsten von dem Chat erzählen? Ach, lieber nicht. Und Vater sollte wissen, wie schwer es manchmal war seine Ohren vor den Gesprächen von Menschen zu verschließen. „In welchem Krankenhaus ist er?“ „Im Hoi, soweit ich hörte.“ „Ein weiblicher Neuling in einem Büro. Gut. Ich werde mich darum kümmern.“ „Danke, mein Herr und Vater.“ Inu Yasha wusste, dass unverzüglich etwas geschehen würde, und war froh. Seine Chatpartnerin hatte so unglücklich geklungen, soweit man das aus am Computer geschriebenen Zeilen lesen konnte. Alleingelassen griff der Fürst in seinen Schreibtisch und schrieb kurz. Den Namen des Mädchens konnte auch sein menschliches Sekretariat herausfinden, da musste er seinen treuen und oft überlasteten, alten, Myouga nicht behelligen.   Kagome dagegen traf fast der Schlag, als ein dämonischer Bote ihr Großraumbüro betrat, sich kurz umblickte, auf sie zukam und ihr einen Umschlag auf den Tisch legte. „Befehl des ehrenwerten Geschäftsführers,“ sagte er. „Danke“, war wohl die einzig richtige Antwort, aber sie hörte selbst, dass ihre Stimme irgendwie kiekste. War das ihre Kündigung? Der ehrenwerte Geschäftsführer war die Nummer Eins, der CEO, der Fürst, also. Sie spürte förmlich die Blicke aller anderen Personen im Raum als sie den Umschlag hob. Eindeutig das Siegel des Fürsten. Sie wusste nicht, dass genau das sie hätte beruhigen sollen. Der Inu no Taishou verwendete es niemals für Dinge, die das Kendama betrafen. Aber das war ihr nicht klar, und so nahm sie mit zitternder Hand einen Stift um das Wachssiegel zu lösen. Vorsichtig warf sie einen Blick hinein. Zwei Papiere. Sie zog sie heraus. Eines war eine Anweisung auf eine Stiftung des Kendama über Fünftausend, adressiert an das Hoi-Hospital! Sie holte tief Atem und sah hastig auf den zweiten Zettel: Für Ihren Großvater auf Bitte Prinz Inu Yashas. Und die eigenhändige Unterschrift des Taishou. Kein Namensstempel, der doch genügt hätte. Auf Bitte Inu Yashas? Woher wusste der denn …? Oh. Reddemon. Ganz sicher hatte der dem Fürstensohn davon erzählt oder den gar darum gebeten. Er hatte doch gesagt, dass er mit Inu Yasha ganz gut auskäme. Es wäre jetzt bestimmt nur zu höflich sich bei dem Prinzen zu bedanken. Und natürlich heute Abend Reddemon zu fragen, was er dafür getan hatte. Inu Yasha würde doch bestimmt irgendeinem Menschen nicht einfach so helfen. Sie bat daher ihren Vorgesetzten kurz hinausgehen gehen zu dürfen. Dieser hatte das Siegel erkannt und vermutete daher, dass ein Ausbleiben ihrer Antwort auf ihn zurückfallen würde. „Natürlich, gehen Sie. Fünfzehn Minuten Pause für Sie.“   So stand sie mit klopfendem Herzen kurz darauf vor dem Vorzimmer des Halbdämons. Auf ihr Klopfen sagte jemand: „Ja?“ Ein Mann. Das musste Miroku sein, von dem Reddemon und Sango geredet hatten. So trat sie ein und verneigte sich etwas, zu ihrer Entschuldigung den Brief gleich mit dem Siegel nach außen haltend. „Kagome“, sagte Sango überrascht. „Hast du etwas für Inu Yasha-sama?“ „Äh, ich bekam das hier vom Fürsten, ich möchte mich bei dem Prinzen für seine Fürsprache bedanken.“ „Ja, natürlich, oder, Miroku?“ Der Mönch erhob sich. „Ja, wer kann einer so hübschen Frau schon was abschlagen.“ Dabei ließ er geschmeidig offen auf welche der Damen er sich bezog. „Wie heißen Sie?“ „Kagome Higurashi.“ Da Miroku die Tür offen ließ, konnten auch die beiden Mädchen im Vorzimmer hören, dass der Assistent ihren Namen sagte. Und, dass der Prinz etwas fassungslos echote: „Higurashi? - Ja, natürlich. Ich lasse bitten.“ Kagome trat in das Arbeitszimmer und verneigte sich De facto hatte sie ihn schon gesehen, im Fernsehen oder auch hier im Kendama, aber diese Öhrchen in dieser Nähe, zumal, wie sie zuckten, als er sie sah, waren niedlicher. Sie hätte sie einfach knuddeln mögen. Aber das lange weiße Haar, die goldfarbenen Augen und nicht zuletzt die Klauen zeigten die dämonische Abkunft. Sie erwartete eigentlich, dass er sie fragen würde, was sie wolle, und wurde von seinem entgeisterten Wort überrascht. „Kikyou!“ Kapitel 6: Das Juwel der vier Seelen ------------------------------------ Kikyou? Mist, dachte Inu Yasha hektisch. Das war sicher falsch gewesen, sie zuckte ja förmlich zusammen. Und wieso hatte er sie bei ihrem ersten leibhaftigen Treffen nicht so gesehen, fast als Doppelgängerin? Schön, in seiner Menschenform war sein Geruchssinn mehr als mangelhaft, aber er hätte doch die Ähnlichkeit erkennen müssen, so wie eben! Aber irgendwie hatte der Name Higurashi ihm das erst bewusst gemacht. Jetzt sollte er zusehen, dass er sich mehr oder weniger rettete. „Ich kannte einmal eine Kikyou Higurashi, meine ich. Eine Priesterin. War sie mit Ihnen verwandt?“ Puh, das sollte doch erst einmal reichen. „Äh, ja, Inu Yasha-sama.“ Kagome seufzte, wenngleich wohlweislich nur innerlich. Wie schon Naraku versuchte anscheinend auch der Prinz freundlich-höflich Konversation zu machen und suchte sich dabei das Thema ihrer Familie. „Sie war die Tante meines Großvaters, aber sie ist schon seit fünfzig Jahren tot.“ Als ob er das nicht wüsste. Der Mord an ihr, ihm in die Schuhe geschoben, hätte ihn fast den Hals gekostet – und nur der unwahrscheinlichste Zufall hatte ihn gerettet. „Nun, was möchten Sie?“ Er floh in die jahrhundertelang antrainierte höfische Höflichkeit. Jetzt musste sie es bestimmt sagen, oder? Sie hatte doch noch nie Audienz bekommen. „Äh, ja, Inu Yasha-sama, ich … ich erhielt eben ein Schreiben des ehrenwerten Geschäftsführers, ich meine, des mächtigen Fürsten, dass Geld aus einer Stiftung für meinen Großvater bewilligt wurde, auf Ihre Bitte hin. Ich wollte mich bedanken.“ Sie verneigte sich so tief, wie sie vermutete, dass es einem Prinzen gegenüber höflich war, ehe doch Neugier ihre gewisse Furcht überwand. „Darf ich fragen, woher Sie von unserer Misere wussten?“ „Eine Bekanntschaft sagte es mir.“ Das war nicht gelogen, hatte sie selbst es doch ihm erzählt, würde sie aber hoffentlich nicht auf die Idee bringen, dass er und Reddemon die gleiche Person waren. „Es war sehr freundlich von Ihnen. - Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen? Kikyou: sie war wohl eine berühmte Frau?“ „Wenn Sie das nicht wissen?“ Der Prinz klang so erstaunt, dass Kagome schuldbewusst zusammenzuckte. Sie hatte sich nie viel um die Geschichten ihres Opas aus alter Zeit gekümmert. Ja, sicher, er verkaufte das Juwel der vier Seelen als Nachahmung, aber da das Richtige offenbar nicht mehr bei ihnen existierte, sondern irgendwo in einem anderen Schrein herumlag, hatte sie sich auch nicht weiter dafür interessiert. Wenn sie ihn heute Abend mit Mama besuchen würde, könnte sie nicht nur die frohe Kunde über eine weitere Woche mitnehmen, sondern ihm vielleicht auch einmal zuhören, was es mit diesem Juwel eigentlich auf sich hatte – oder mit Kikyou. Schon Naraku war ja darauf herumgeritten. War das etwa wirklich eine berühmte Vorfahrin? „Sie war eine der letzten Priesterinnen meiner Familie“, erklärte sie hastig, um sich nicht vor dem Fürstensohn zu blamieren. „Der Letzte ist mein Großvater.“ Weiter reden, irgendwie weiter reden, beschwor sich Inu Yasha. Ihr Geruch war mehr als angenehm, trotz ihrer gewissen Nervosität, und heute Abend im Chat würde er ihn sich wenigstens vorstellen. „Ach, dann haben Sie keine spirituellen Fähigkeiten? Oder wurden nur nicht ausgebildet?“ „Eher das erstere. Mein Bruder wurde getestet, Souta, aber da war nichts.“ Es gab einen Weg sie in seiner Nähe zu halten, auch in seiner Halbdämonenform, dachte er plötzlich erleichtert. Hier klang sie leider viel zurückhaltender, und auch vorsichtiger. Kaum verwunderlich. „Nun, vielleicht sollten Sie sich einmal testen lassen – oder auch nur einmal mit Miroku, das ist mein Assistent, oder Sango, der Dämonenjägerin, üben. Die können das sicher auch beurteilen. Falls Sie nichts Offizielles wollen. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass solche Macht im Laufe der Jahre einfach verblasst.“ „Wie Sie wünschen, Inu Yasha-sama.“ Sie schuldete ihm Fünftausend – und irgendwie kam ihr diese Aufforderung ehrenwerter, selbstloser, vor als die Narakus. Oh du liebe Güte, da musste sie sowieso noch irgendetwas erfinden. Oder heute Abend mit Opa reden. Vielleicht fand sie da etwas, was den Herrn des Gumo beruhigen würde. Ganz bestimmt würde der erfahren, dass sie jetzt hier gewesen war. „Sie dürfen wieder an die Arbeit gehen.“ „Danke.“ Er schien ja ganz nett zu sein. Und diese Idee! Vielleicht könnte sie dann als Priesterin nebenbei im Schrein arbeiten, auch die Souvenirs an Stelle ihres Großvaters verkaufen, bis der sich erholt hatte, etwas Geld in die Familie bringen. Und natürlich, falls Opa etwas zustoßen sollte, den Schrein, dessen Grund und Boden, in der Familie belassen, damit der nicht an den Fürsten ging. Schreine fielen an den Regenten und wurden von diesem neu vergeben, wenn niemand mit magischen Fähigkeiten mehr in der Familie existierte. Hm. Das musste der Prinz doch eigentlich wissen. Umso hilfsbereiter war er dann gewesen. Im Vorzimmer wandte sie sich an Sango und berichtete, was Inu Yasha ihr vorgeschlagen hatte. „Oh ja, kein Problem“, sagte die Dämonenjägerin. „Komm doch am Sonntag Vormittag zu mir. Um zehn? Weißt du, wo unser Anwesen ist?“ „Nicht genau, aber ich werde es schon finden.“ „U-Bahn Drei, Ausstieg Yoshi-Park, da ist es ausgeschildert.“ Miroku räusperte sich. „Ich möchte die Damen ja nicht beim Tee stören – aber das klang nach etwas, das auch in meinen Aufgabenbereich fällt. Vielleicht können wir gemeinsam, Sango, Fräulein Higurashi helfen.“ „Kagome,“ meinte die so Angesprochene unwillkürlich. „Danke, das ist nett.“ Sango warf ihrem Kollegen einen forschenden Blick zu, entschied sich dann jedoch dafür, dass es wohl wirklich berufliches, magisches, Interesse an Kagome war. Sie hielt ihre neue Freundin für deutlich naiver als sich selbst. Aber sie wäre ja auch noch dabei.   Auf dem Heimweg entging der aufgeregten Kagome der junge Mann mit langen, schwarzen Haaren in einem blaugeblümten Kimono, der ihr bis auf das Gelände des Higurashi-Schreins folgte, ehe er sich wieder auf die Straße begab und dort sein Handy nahm. „Bankotsu, du, das wird langweilig. Sie geht ins Kendama, sie fährt abends nach Hause. Oh, und gestern war dieser hochinteressante Treff mit irgendwelchen Schulfreundinnen im Eiscafé. Sie haben dämlich gekichert und sich über Lehrer und Mitschüler ausgetauscht. Zwei Stunden lang! Muss ich das weitermachen?“ Der Sicherheitsfachmann klang streng: „Ja, zumindest heute Abend noch. Ich werde dann Naraku Bericht erstatten. Du bleibst dran, Jakotsu, und machst deine Arbeit. Morgen lasse ich dich dann auf jeden Fall ablösen. Dir ist immer langweilig bei Mädchen.“ „Nicht immer, ich mag sie halt nicht, aber die ist schon besonders langweilig.“ „Pass heute Abend umso genauer auf.“ „Was meinst du?“ Sie kannten sich doch schon einige Zeit. „Jemand aus dem Kendama erwähnte, dass Kagome Higurashi heute bei Prinz Inu Yasha war. Und ich möchte zu gern wissen warum. Nicht, dass sie uns oder unseren Auftraggeber hinhängt.“ Das glaubte Bankotsu zwar nicht, das Mädchen hatte zu harmlos ausgesehen, aber man sollte immer vorsichtig sein. „Übrigens: falls sie ins Krankenhaus fahren, brauchst du nicht mit rein, da ist immer noch Mukotsu.“ „Immerhin was. Ich mag Krankenhäuser nicht.“ „Was magst du eigentlich, Jakotsu?“ Aber das wusste der Chef. „Vielleicht lässt sich da was arrangieren. Vielleicht.“ „Fein. Ich warte ja auch schon.“   Nach einem raschen Essen, bei dem Kagome ihrer Mutter stolz die Anweisung auf die Stiftung präsentierte, meinte diese: „Dann fahren wir und sagen Opa Bescheid. Die Zulassung für die Reha kam heute auch – wenn auch erst in zwei Wochen, aber bis in einer Woche geht es ihm sicher schon wieder so gut, dass er herkommen kann, ich ihn betreuen kann, ehe er in die Reha kommt. Das war wirklich nett von dem jüngeren Prinzen. Nur, wieso wusste er es?“ „Ich fragte ihn, natürlich höflich, und er meinte, ein Bekannter hätte es ihm gesagt.“ „Ja, aber wer?“ Die Mutter schüttelte den Kopf. „Man müsste sich doch bedanken.“ Sie tippte ja auf Reddemon, aber Mama war immer so besorgt wegen Internetbekanntschaften. „Ja, sollte man. Komm, fahren wir ins Krankenhaus. Ich möchte das Opa selbst sagen.“ „Oh, gut. Ich werde dann mit dem Arzt reden, ja, das ist sicher gut, wenn wir zu zweit hinfahren. Komm nur.“   Während die Mutter mit der Anweisung in das Krankenhausbüro ging um die Zahlung zu leisten und anschließend mit den behandelnden Ärzten zu reden, setzte sich die Tochter etwas zögernd an das Bett ihres Großvaters. Er sah so schwach aus, so alt, mit diesen ganzen Kabeln und Schläuchen. Aber er blickte sie an. Daher meinte sie doch erleichtert: „Guten Abend, Opa. Ich kann dir was Schönes erzählen.“ Sie berichtete von der Genehmigung der Stiftung und Inu Yasha. „Als er mich sah, meinte er, ich erinnere ihn an Kikyou. Das war doch deine Tante, oder? Stimmt das mit der Ähnlichkeit?“ „Ach, Dämonen. Natürlich sind für ihn fünfzig Jahre kaum was. Und, ja, eine gewisse Ähnlichkeit ist sicher da.“ Der Großvater dachte nach. Für einen Menschen war ein halbes Jahrhundert deutlich länger. Man sagte, dass das im Leben eines Dämons etwas mehr als ein Jahr sei, wie das bei Halbdämonen sein mochte, wusste ja wohl kaum jemand, denn außer Inu Yasha hatte er nie von welchen gehört. „Inu Yasha und Kikyou, ja. Habe ich dir das nie erzählt?“ „Ich weiß, dass das Juwel der vier Seelen immer in unserer Familie gehütet wurde und Kikyou eine der letzten Priesterinnen war. Jetzt ist das Juwel weg. Hatte da der Prinz irgendwas mit zu tun?“ „Kikyou, ja. Sie war die Hüterin, wie schon viele zuvor, aber sie hatte wirkliche Fähigkeiten spiritueller Natur. Mehr als viele andere, viel, viel mehr als ich. Aber man brauchte sie ja praktisch nicht mehr. Früher war es zum Kampf gegen Dämonen benötigt worden, vor dem Großen Krieg, aber dann … Jedenfalls, es ist schon gute fünfzig Jahre her, begannen auf einmal Überfälle auf den Higurashi-Schrein. Dämonen, nichts Hochklassiges, natürlich, aber mit dem eindeutigen Ziel das Juwel zu stehlen. Kikyou läuterte sie und schützte das Juwel, aber es wurde für sie, meinen Vater und deren kleine Schwester Kaede wirklich lästig, zumal ich unterwegs war und meine Mutter ihnen kaum mehr helfen konnte.“ Der alte Mann machte eine Pause. „Der Inu no Taishou bekam die Kämpfe mitten in seiner Hauptstadt natürlich mit und schlug vor, dass Kikyou samt dem Juwel den Higrurashi-Schrein verlassen sollte, um an einem geheimen Ort das Juwel zu hüten. Sie stimmte zu. Kaede, die ebenfalls Priesterin werden wollte, dem ihr Leben widmen wollte, ging mit, schon, damit immer eine da wäre, falls eine Schwester mal fort ging. Kaede und manchmal auch Kikyou kamen also allein jeweils auf Besuch und versicherten meinem Vater, dass seither kein Überfall mehr stattgefunden hatten, alles in Ordnung wäre. Und irgendwann einmal erzählte Kaede, natürlich nicht Kikyou, - Kikyou war da Mitte Zwanzig, höchstens, aber Kaede doch zehn Jahre jünger - dass Inu Yasha vorbeigekommen war. Er sei sehr nett und würde sich mit Kikyou gut verstehen. Oh nein, keine Liebesaffäre“, ergänzte er hastig, da er das Aufhorchen seiner Enkeltochter bemerkte, die ihm bestimmt noch nie so aufmerksam zugehört hatte. „Sicher nicht, Kikyou nahm ihre Aufgabe viel zu ernst dazu. Aber er kam öfter, und sie redeten und so. Freundschaft. Ich fürchte, weder der Halbblut-Prinz noch Kikyou hatten sonst viele Freunde. Jeder war auf seine Art ziemlich allein. Aber es war wohl auch so, dass Inu Yasha die Anziehung des Juwels spürte. Das tun alle Dämonen.“ „Warum eigentlich?“ „Sie glauben, dass es sie stärker macht, unbesiegbar. Nun ja, jedenfalls hat Inu Yasha dann den Schrein, wo das Juwel aufbewahrt wurde, überfallen und Kikyou ermordet.“ „Inu Yasha?“ Kagome konnte den netten jungen Mann, der ihr gegenübergestanden hatte, nicht mit einem Mord in Verbindung bringen. „Es gab Zeugen. Aber dann stellte sich heraus, zumindest offiziell, dass es jemand gewesen war, der sich für den Prinzen ausgegeben hatte. Inu Yasha, der richtige Halbdämon, hatte ein unanfechtbares Alibi. Der Fürst sprach ihn frei. Nun ja, der Vater und sein eigen Fleisch und Blut, aber ich glaube es fast. Der Taishou mag ein Dämon sein, aber soweit ich je hörte, konnte ihm niemand unehrenhaftes Handeln auch nur nachsagen. Kikyou war, das sagte auch mein Vater immer, eine sehr fähige Priesterin und sie hätte sicher etwas gegen einen halben Dämon unternehmen können – und sie war eine gute Menschenkennerin. Nun ja, wohl auch von Dämonen.“ Er schloss die Augen. „Opa? Ermüde ich doch? Soll ich gehen?“ „Nein, lass nur.“ „Und wo ist das Juwel jetzt? Es gehört doch unserer Familie?“ Naraku hatte doch da was erwähnt? Und, dass der Fürst es unterschlagen habe? „Zu unserer Familie. Das Juwel der vier Seelen gehört niemandem.“ „Du hast mir einmal erzählt, dass es das Herz einer Priesterin sei, Mirodiko, oder so, die einen Dämon bekämpfte und dabei starb.“ „Ja, so ungefähr. Midoriko. Man sagt, aber das weiß ich nicht, dass die Seele der Priesterin und des sehr starken Dämons darin liegen. Hütet es nun eine Priesterin, ist das Juwel hell und strahlt Reinheit aus. Würde es ein Dämon tragen, würde es schwarz. Nun, es geht wohl unter den Dämonen das Gerücht, dass … Gibst du mir etwas zu trinken?“ „Ja, natürlich, hier.“ Sie reichte ihm den Becher. Erst, als sie ihn zurückgestellt hatte, fuhr der alte Mann fort: „Das Gerücht besagt, dass jeder Dämon, der sich dem Juwel nähert, es um jeden Preis besitzen will, um seine Macht zu erhalten und selbst stärker, ja, unbesiegbar zu werden. Soweit ich weiß, war nur der Inu no Taishou in der Lage dem Juwel so nahe zu kommen ohne ihm zu verfallen, wohl auch Sesshoumaru, aber sonst wüsste ich von keinem.“ „Dann eben auch Inu Yasha? Er ist doch auch aus der Familie.“ „Er ist aber nur ein halber Dämon und möchte sicher stärker werden. Der Fürst hat ja wohl schon genug Macht für seinen Geschmack und sein Ältester wird alles erben. Das könnte den Unterschied machen. Für einen Menschen, so heißt es, erfülle das Juwel einen Wunsch, aber nur einen einzigen. Deswegen wollten es früher auch da viele besitzen.“ Wollte Naraku als Dämon deswegen das Juwel? Um den Inu no Taishou herausfordern zu können? Das wäre quasi Hochverrat. Wie war sie nur in diese Sache geraten? Was sollte sie dem Herrn des Gumo nur erzählen? Sie bezweifelte nicht, dass er ihr und ihrer Familie schaden könnte. Der Fürst würde doch bestimmt eher einem anderen, reichen, Dämonenherrn glauben als einem Menschenmädchen, das er als ziemlich tolpatschig kennengelernt hatte – und das auch noch Geld kostete. Der Großvater bemerkte, dass sie nachdachte. „Hast du Sorgen, Kagome? Um mich? Ich werde das hier schon überstehen. Ich bin froh, dass ihr es geschafft habt, dass ich so lange im Krankenhaus bleiben kann. War es schwer das Geld aus der Stiftung zu bekommen?“ „Ich habe da eigentlich fast nichts gemacht. Inu Yasha, ich meine, der Prinz, war anscheinend so freundlich, als er davon hörte, wie auch immer.“ „Schenk ihm doch das Amulett, ich meine, das Juwel, das ich immer verkaufe.“ Er kam manchmal auf krude Ideen. „Ach, Opa, was soll er damit? Er ist Fürstensohn, stinkreich ...“ „Du kannst ihm sicher nichts schenken, was er nicht schon hat. Aber es kommt von dir und ist eine nette Geste.“ „Vielleicht“, wiegelte sie ab. „Ich gehe jetzt mal Mama suchen. Schlaf gut.“ Draußen sah sie ihre Mutter in einem Gespräch mit einem sehr kleinen Mann, mit einer weißen Mütze, der sich allerdings eilig verabschiedete, als sie kam. „Was war denn?“ „Oh, nichts. Das war wohl der Apotheker hier im Krankenhaus. Er gab mir einige Ratschläge für die Pflege. - .Er scheint Großvater zu mögen, denn er war schon öfter bei ihm.“ „Opa hat lange mit mir geredet und ist müde. Willst du noch zu ihm?“ „Nein, ich komme ja morgen wieder. Lassen wir ihn schlafen.“   Zuhause durchsuchte Kagome dann doch die Hütte, in der ihr Großvater die Nachahmungen des Juwels der vier Seelen baute und aufbewahrte. Zu ihrer gewissen Überraschung fand sie dort einige Gegenstände, die ihr sehr eigen vorkamen, und die sie noch nie zum Verkauf oder auch überhaupt gesehen hatte. Als sie eine Kette aus Perlen und Fangzähnen berührte, leuchtete die förmlich auf. Eventuell wäre das ein Geschenk für den Prinzen? Sie nahm sie. Das sah nicht kostbar aus, wirkte aber wie selbstgemacht. Vielleicht war das besser als irgendwas anderes. Immerhin hatte die Kette aufgeleuchtet. Wieso eigentlich? Das passierte normalerweise nie. Probehalber stupste sie einige andere Dinge an: Amulette, Juwelen-Souvenirs, Schachteln. Aber nichts reagierte so. Das war wohl ein Hinweis, beschloss sie, und nahm die einfache Kette mit sich. Vielleicht konnte sie am Sonntag Sango fragen, wie man das einem Prinzen schenkte.   In ihrem Zimmer suchte sie Narakus Nummer. Sie musste sich wohl melden, ehe etwas passierte, das sie nicht einschätzen konnte. Und sie konnte ja ziemlich ehrlich bleiben. Kaguras Warnung lag ihr immer noch im Ohr und sie horchte mit klopfendem Herzen auf das Freizeichen. Tatsächlich hob der Konzernchef sofort ab. „Ah, Kagome, was wollen Sie mir berichten?“ „Äh, ich war heute bei Prinz Inu Yasha … Er … er hielt mich wohl im ersten Moment für meine Großtante. Anscheinend kannte er Tante Kikyou.“ Das war ihm nichts Neues, dachte Naraku prompt, stutzte dann. Ja, das Mädchen sah Kikyou ähnlich. Immerhin hatte der dämliche Bastard das auch erkannt. Hatte das was zu sagen? Eher nicht. Eine Familie, eben. „Weiter.“ „Er … er meinte, dass ich vielleicht auch etwas davon geerbt haben könnte, und empfahl mir mich testen zu lassen.“ Diese Hunde! Immer auf dem Beschützertrip! Diese Gene gehörten verboten. Zum Glück neigte wenigstens Sesshoumaru dazu berechenbar zu sein. „Nun, viel Spaß“, empfahl er jedoch kühl. Ihr davon abzuraten, wenn dieser Halbhund schon auf die Idee gekommen war, nein. Der würde sicher prompt zu Papa rennen, und den Taishou auf sich selbst aufmerksam zu machen, zu diesem frühen Zeitpunkt seines neuen Planes, war unklug. Geradezu selbstmörderisch. „Ich denke doch, Sie werden es tun?“ „Ja, muss ich ja.“ Sie sollte wohl auch nichts von Sango sagen, um nicht noch jemanden in diese Affäre mit hineinzuziehen. Aha. Ihr Verlangen Priesterin zu werden schien weitaus weniger ausgeprägt als das im Büro zu arbeiten. Gut, für den Fall, dass sie tatsächlich stärkere Kräfte geerbt hatte, als er vermutete und auc spüren konnte. „Ja, natürlich. Haben Sie auch etwas über das Juwel gehört?“ „Nein, also, ich weiß nur das, was Opa sagte, aber das werden Sie sicher schon wissen, ich meine, mit Midoriko und so.“ Damit müsste sie doch hoffentlich nichts von dem ominösen Mord an Kikyou erzählen oder der Verbindung Inu Yashas. „Ja. Gut, meine Liebe. Dann hören Sie sich weiter um. Sie sind wirklich ein bra … nettes Mädchen. Rufen Sie mich nächste Woche Mittwoch wieder an.“ Da das eindeutig ein Befehl war, schluckte Kagome. „Aber, wenn ich bis dahin nichts weiß ...“ „Oh, Sie haben jetzt doch Kontakt zu Inu Yasha, oder? Sorgen Sie dafür, dass er Ihnen erzählt, was er weiß.“ „Ich werde es versuchen.“ Irgendwie schien ein Knoten in ihrem Hals zu sein. Das nur Umhören war ihr zu Anfang so leicht vorgekommen, aber jetzt, wo der Fürst, der Prinz, ihrem Großvater geholfen hatten? Sollte sie ihnen sagen, was Naraku wollte? Doch Opa lag in dessen Krankenhaus. „Nun, Kagome.“ Es klang seidenweich. „Sie sind doch ein hübsches Mädchen. - Sie wollen doch nicht, dass Ihr Großvater bereits vorzeitig das Krankenhaus verlässt?“ „Wir haben bezahlt!“ „Es gibt mehrere Gründe ein Krankenhaus zu verlassen.“ Kagome hörte nur noch das Leerzeichen, als sie mit einem Schauder begriff. Hatte er ihr tatsächlich gerade gedroht ihren Großvater umzubringen, wenn sie keine Ergebnisse brachte? Und das so, dass ein Mithörer nichts verstehen würde? Opa musste da weg! Nur, wie? Sie konnte doch niemandem etwas erzählen ohne ihn in Gefahr zu bringen. Sie spürte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Reddemon? Nein, der war so nett gewesen und hatte Inu Yasha für sie gebeten … Das konnte sie doch nicht riskieren. Mama würde sich nur große Sorgen machen, Souta wäre in Gefahr ... Inu Yasha? Immerhin war der der Fürstensohn und schien nett zu sein. Ach, was sollte sie nur machen? Sie hätte das Geld um diesen Gefallen nie annehmen dürfen. Fragte sich jetzt nur, wo bei der Forderung des Prinzen, sie solle mit den Dämonenjägern üben, der Haken steckte. Sie war ein Lamm, an dem zwei Löwen zerrten.   Kapitel 7: Kikyou ----------------- Abends musste sich Kagome zwingen an den Computer zu gehen. Aber sie musste sich doch wenigstens bei Reddemon bedanken – egal, was sie fühlte. Sie hatte ja auch gegenüber ihrer Mutter so getan als sei alles in Ordnung. Aber da war Naraku. Sie musste den am Mittwoch anrufen und irgendetwas Neues bringen, sonst … ja, sonst war ihr Opa in Gefahr. Und sie vermutlich auch. Sie wusste nicht, ob sie es sich nur eingebildet hatte. Aber sie hatte das Gefühl gehabt, zumindest auf der Rückfahrt wäre dauernd das gleiche Auto hinter ihnen gewesen. „Hallo, Juwel“, meldete sich ihr Chatpartner sofort. Hatte er schon auf sie gewartet? Ja, es war fünf nach neun. „Hallo, Reddemon. Ich ...“ Ja, wie sollte sie das sagen? Wenn er das gar nicht gewesen war, wäre das doch auch peinlich? Aber wer hätte sonst Inu Yasha davon erzählen sollen? „Geht es deinem Großvater nicht gut?“ erkundigte er sich unverzüglich besorgt. „Doch, danke. Wir haben heute eine Spende von der Stiftung des Kendama bekommen, er kann noch eine Woche drin bleiben, ehe er auf Reha geht. Du … Warst du das? Ich erhielt einen Brief, dass der Fürst die Spende aufgrund der Bitte Inu Yashas bewilligte. Hast du das dem Prinzen gesagt?“ „Ja.“ Einfach so. Sie starrte auf den Bildschirm, ehe sie eingab: „Ich danke dir dafür, wirklich. Aber … hast du … Na ja, hast du Ärger mit ihm bekommen?“ „Mit dem Fürsten?“ „Nein, Inu Yasha.“ Der Halbdämon überlegte, was er sagen sollte, um nicht seine Doppelidentität preiszugeben, ehe er doch schrieb, was er spontan gedacht hatte. „Nein, wir verstehen uns sehr gut, keine Sorge. Sozusagen ein Herz und eine Seele.“ Das glaubte sie nicht. Dämonen und Menschen waren anders, aber nun, er hatte ja auch schon einmal gemeint, dass Halbdämonen anders wären. „Jedenfalls vielen Dank. Und der Prinz schlug mir vor, ich solle meine Fähigkeiten zur Priesterin überprüfen lassen. Ich bin am Sonntag bei Sango, also, den Dämonenjägern.“ „Das klingt doch gut. Hast du nie etwas davon bemerkt?“ „Äh, nein. Ich meine, da gab es mal Priesterinnen, die wirklich etwas konnten, in meiner Familie, aber das ist schon lange her, und Opa ist da nicht so fähig. Papa und mein Bruder haben gar nichts erbracht bei der Prüfung.“ Inu Yasha dachte nach, ehe er tippte: „Das muss ja nichts sagen, ich denke, ich habe mal gehört, dass sich bestimmte Fähigkeiten nur in der weiblichen oder männlichen Linie vererben. Vielleicht sind es bei dir eben die Frauen. Sag mir doch am Montag, wie es ausgegangen ist.“ Wie hatte er nur sie nicht bei ihrem ersten Treffen erkennen können? Sie sah Kikyou doch wirklich ähnlich, wenn auch etwas jünger. „Ja, aber … ach so. Du bist ja morgen und am Wochenende nicht da. Dein Vater möchte dich und deinen Bruder sehen, hast du gesagt.“ „Ja, er will uns dann um sich haben.“ Und auf heile Familie machen. Ob Vater überhaupt wusste, das Sesshoumaru seinen kleinen Bruder nicht leiden konnte? Oder war das auch nur wieder nur zu menschenhaft gedacht und gefühlt? „Das ist doch schön. Macht ihr einen Ausflug?“ Inu Yasha malte sich vergeblich aus, wie er und sein Halbbruder Hand in Hand mit dem Inu no Taishou durch den Zoo schlenderten, wie er es bei Menschen gesehen hatte. „Weniger. Aber wir werden zusammen Sport treiben.“ Das klang doch unverfänglich. Der Fürst hatte seinen Sprösslingen angekündigt sie am Sonntag auf dem Trainingsplatz sehen zu wollen, um ihre Schwertübungen zu überwachen. „Das ist gut. Ich werde mit Mama am Samstag Opa besuchen und am Sonntag eben zu den Dämonenjägern gehen. Immerhin, wenn ich irgendwie den Schrein behalten könnte, wäre das doch besser, als wenn wir ihn nach Opas Tod verlieren würden.“ „Ihr seid eine sehr alte Familie.“ „Ja.“ Er fragte nicht weiter, nahm er doch an, dass auch sie ihren eigentlichen Namen verschweigen wollte. Es war sowieso ein unfairer Vorteil, dass er beide Seiten von ihr kannte und sie nicht von ihm. Kagome tippte zögernd: „Reddemon, wenn du irgendwie … Ich meine, wenn du Schwierigkeiten bekommst, weil du für mich, für Opa, was gemacht hast ...“ „Nein, wirklich nicht, es ist in Ordnung. Wirklich. Inu Yasha ist nicht so, wie du denkst.“ Irgendwie ungewohnt sich selbst so verteidigen zu müssen. Was hatte er denn für einen Ruf bei Menschen? „Und der Fürst?“ Ja, das war ein Problem. Wenn Vater mitbekam, dass er mit ihr chattete und für sie gebeten hatte, würde der doch sonst was denken. Andererseits – er hatte ihn nicht angelogen. „Nein, da kriege ich auch keine Schwierigkeiten. Ich habe ja nur auf euer Anliegen aufmerksam gemacht, die Entscheidung traf ...“ Hoppla: „Traf der Fürst allein. Mach dir da bloß keine Sorgen. Und ich wünsche dir ein schönes Wochenende.“ „Viel Spaß mit deinem Vater.“ Ja, es war schon wieder Zeit. „Und dir bei den Dämonenjägern.“ Spaß bei einem Trainingskampf mit dem Inu no Taishou? Hm. Hoffentlich würde er sich gut genug halten, sonst würde er einige zusätzliche Einheiten aufgebrummt bekommen. Sesshoumaru allerdings auch, wenn der versagte. Da war Vater wirklich gerecht. Problem war nur, dass der liebe Halbbruder doch etwas besser mithalten konnte, war er bekanntlich älter und eben ein richtiger Dämon.   Als er im Dunklen im Bett lag, dachte er nach. Wieso hatte er Kagome Higurashi nur nicht sofort erkannt? Kikyou hatte er doch nie vergessen können, seine erste Freundin, etwas älter als er damals schien, nett, zum Reden - und ermordet.   Sie hatte mit ihrer jüngeren Schwester in einem winzigen Dorf mehr oder weniger direkt vor dem Schlosswald gewohnt und so hatte er sie kennengelernt. Nun ja, zuerst war er schüchtern gewesen und hatte sie nur beobachtet, aber das hatte sie rasch mitbekommen. So hatten sie miteinander gesprochen, sich immer besser kennengelernt, und er hatte geglaubt endlich einmal eine Freundin zu finden. Vater hatte das natürlich erfahren und war etwas besorgt gewesen. Kikyou hatte ihm, Inu Yasha, dann erklärt, dass es wohl daran läge, dass sie als Priesterin und Hüterin des Juwels der vier Seelen keine Beziehung eingehen dürfe, und der Fürst sich vermutlich deswegen Gedanken mache. Außer ihr gäbe es nur noch ihre jüngere Schwester, die Aussicht hätte das Juwel zu bewahren. Eines Tages war er wieder zu dem Dorf gegangen, dann gerannt, als er roch, dass ein Feuer ausgebrochen war. Der Schrein brannte, einige andere Häuser auch, und Kaede, Kikyous Schwester, war mit anderen Menschen vor seinem Vater gestanden, hatte dann aufgeregt auf ihn gezeigt. Er war herangekommen, erstaunt, das Juwel in der Klaue des Inu no Taishou zu sehen. Und dann war er erstarrt. Kikyou lag tot, fast zerrissen, auf dem Boden – und die Menschen beschuldigten ihn, dass er die Tat begangen habe. Er hatte die Welt nicht mehr verstanden. Wieso sollte er ihr etwas antun? Vater hatte den Menschen gesagt, dass er den Mord untersuchen und das Juwel zur Vorsorge verbergen werde – und ihn gefragt, ob er die Anziehung des Juwels spüre.   Inu Yasha schüttelte sich selbst den Kopf. Da erst hatte er verstanden, dass das der Grund für Vaters Bedenken war, wenn er zu Kikyou ging. Dieses dämliche Juwel!   Er hatte verneint, aber dennoch hatte der Fürst Wachen kommen und ihn unter Aufsicht abführen lassen. Zugegeben, er war zu geschockt gewesen um auch nur zu protestieren. Wieso war sie tot, und warum sagten alle, er wäre es gewesen? Im Arbeitszimmer des Fürsten hatte er warten müssen, bis sein Vater das Juwel einstweilen gesichert hatte. Da zu knien, zu wissen, dass jemand tot war, den man gemocht hatte – und zu wissen, dass da wohl eine Gerichtsverhandlung warten würde ... Nein, das waren mit die trübsinnigsten Minuten seines Lebens gewesen, zumal mit Dämonenkriegern hinter sich. Er war sich nur zu bewusst gewesen, dass im Fürstentum auf Mord die Todesstrafe stand. Aber, wieso hatten die Menschen gesagt ER habe Kikyou etwas angetan? Warum? Vater und Halbbruder waren dann gekommen und hatten sich vor ihm niedergelassen – eigentlich die Besetzung für einen Hochverratsprozess. Er war sicher, dass sie seinen Beteuerungen weniger glauben würden als den Aussagen so vieler Zeugen. Aber Vater müsste ihn doch gerochen haben, hatte er für einen Moment erleichtert gedacht, ehe ihm eingefallen war, dass das Feuer und der Rauch sicher selbst dessen feine Nase betrügen würden. Eine Handbewegung des Fürsten ließ die Krieger gehen. Der Inu no Taishou hatte ruhig gesagt: „Du hast mitbekommen, dass Kaede und die anderen Menschen dich gesehen haben, dass du das Dorf überfallen, das Juwel gestohlen, den Schrein angezündet und Kikyou ermordet hast. Du hast nur Glück, dass ein einziger Zeuge zu deinen Gunsten aussagen würde, dem ich bedingungslos glaube – mir selbst.“   Inu Yasha wusste, er hatte ihn gegen jede höfische Sitte angestarrt. Was war nur passiert?   „Darum solltest du auch hier sein, Sesshoumaru. Es könnte in der Zukunft entscheidend werden. - Ich ging zum Dorf um mit Kikyou zu sprechen. Zugegeben, Inu Yasha, ich wollte sie fragen, ob sie spüre, dass du an dem Juwel interessiert wärst, wie so viele Menschen und Dämonen. Als ich den Brand roch, fiel mir jemand ins Auge, der aus dem Dorf rannte, schnell, übermenschlich schnell, mit deinem roten Anzug, weißen Haaren. Er sah aus wie du, ja, hatte deine Witterung. Und er trug das Juwel der vier Seelen in der Hand. Ich vermutete natürlich, dass es sich um dich handelte, Inu Yasha, und wollte mein eigen Fleisch und Blut nicht ohne Anhörung töten, aber ich konnte und wollte das Juwel nicht in falsche Hände gelangen lassen und setzte nach. Mit einem Schlag schleuderte ich den … nun, den Dieb gegen einen Baum. Ich habe euch beide nie geschlagen, aber seid versichert, dass der Unbekannte so hart auf dem Stamm aufkam, dass er für einen Moment das Bewusstsein verlor und ich das Juwel an mich nehmen und einen Bann legen konnte. Wohlgemerkt, noch immer in dem Irrtum befangen, es handele sich um meinen jüngeren Sohn. Dann ging ich in das Dorf, wo mir Kaede und die Anderen bestätigten, dass Inu Yasha Kikyou getötet und das Juwel gestohlen habe. Ihr könnt euch beide gewiss meine Überraschung vorstellen, als Inu Yasha dann in das Dorf kam und sichtlich erstaunt von dem Vorgefallenen war. Und er trug weder eine Verletzung noch Anzeichen meines Bannes an sich. Ich schmeichele mir doch, dass ich das bemerkt hätte. So stellte sich die Frage, wer der zweite Halbdämon gewesen war. Während ich die Krieger mit dir in das Schloss schickte, nicht zuletzt, um dich vor einem weiteren Plan zu schützen, ging ich an dem Baum vorbei – der deutlich magiekundige Fremde war weg. Jemand, der es vermag selbst einem Vater sein Kind vorzutäuschen, Geruch und Aussehen zu manipulieren und das Juwel will, will eindeutig auch mich herausfordern.“ Inu Yasha atmete tief durch, als ihn ein Zittern überlief. Er war zu froh heil aus der Sache herausgekommen zu sein, mit dem unwahrscheinlichsten Zeugen von allen, als dass er weitere Schlussfolgerungen gezogen hätte. Sesshoumaru tat dies eher. „Er strebt nach dem Fürstentitel, wagt es jedoch nicht Sie einfach herauszufordern, verehrter Vater. Darum vermutet er irrtümlich, dass er durch das Juwel der vier Seelen mächtiger und stärker als Sie werden kann.“ Der Fürst stimmte zu. „Ja. Und er wird nicht aufhören, steht zu erwarten. Darum werde ich das Juwel auch durch Bannkreise fähiger Menschen und Dämonen hier im Keller versiegeln lassen, so dass die Krieger einen zusätzlichen Schutz bilden und nicht selbst angelockt werden können.“ „Aber … warum?“ fragte der Halbdämon dann etwas unsicher, da er von den Emotionen der vergangenen Stunde zitterte. „Weil ich sie kannte? Ich meine, Kikyou?“ War er schuld an ihrem Tod? Der Inu no Taishou schüttelte etwas den Kopf. „Der Dieb wollte das Juwel. Du wärst sozusagen die Dreingabe – ich hätte dich verurteilen müssen aufgrund der Zeugen. Und ich hätte dich zum Tode verurteilt. Das hätte mich ...“ Er sprach es nicht aus, aber Inu Yasha hatte verstanden. Dieses Urteil des Fürsten und Vaters hätte den zerrissen, geschwächt – und der Fremde hatte wohl gehofft, dann und mit Hilfe des Juwels stärker zu werden.   Und jetzt hatte er wieder eine Freundin, nun ja, eine Internetbekanntschaft. Kagome war, wie Kikyou, aus der Familie, die das Juwel hüten konnte. Ob sie jetzt auch in Gefahr war? Nein, das war unmöglich. Woher hätte dieser Fremde, von dem ja wohl auch Vater in all den Jahren nichts mehr gehört hatte, von dem abendlichen Chat wissen sollen. Überdies: die Server des Fürsten waren gut geschützt.   „Na, wenn das nicht das gefallene Mädchen ist.“ Kagome, die am Freitag Vormittag vom Kopierraum zurück an ihren Schreibtisch kehren wollte, sah sich um. Sie erkannte den jungen Dämon mit dem Fell und dem braunen Schwanz, der ihr bei dem unglückseligen Vorgespräch mit Frau Tausendfuß, oder genauer, ihrem Sturz, aufgeholfen hatte. Inzwischen wusste sie, dass das ein Wolfsdämon namens Kouga Okami war, einer der Boten des Fürsten, und ein recht ranghoher Dämon gleich dazu. Es war zwar peinlich darauf angesprochen zu werden, aber sie meinte nur: „Ich fürchte.“ „Schön, dass du, ich meine, Sie doch eingestellt worden sind. Ich hatte daran schon etwas gezweifelt, so, wie Sesshoumaru dreinsah.“ Er lächelte sie an. „Wo arbeiten Sie denn? Hier im Stock?“ „Äh, ja, da vorne.“ Er war nett, dachte sie. „Hier komme ich öfter durch.“ Ja, das konnte sie sich denken. Inzwischen wusste sie, dass diese Etage den einzigen Übergang von dem quadratischen Gebäude zu dem Turm der Geschäftsleitung war, nach den Plänen des Architekten wohl den Hals des symbolischen Hundes darstellen sollte. Und ein Bote des ersten Geschäftsführers musste hier durch. Sie war ein wenig erstaunt gewesen, dass manches trotz Internet und Telefon, was ja auch die Dämonen benutzten, durch Boten überliefert wurde, dann jedoch erfahren, dass das oft einfach der sicherste Weg sei, zumal Falken und andere Dämonen Nachrichten ebenfalls rasch überbringen konnten. Und Kouga sollte für einen Wolfsdämon geradezu rasend schnell sein. Er sah jung aus, wie Anfang Zwanzig und lächelte sie erneut an. „Ja, mag sein“, gab sie zurück, plötzlich in Gedanken an ihren Chatpartner, warum auch immer. „Aber ich muss ja arbeiten.“ „Stimmt auffallend.“ Wolfsdämon und Menschenmädchen fuhren herum. Ohne, dass sie es bemerkt hatten, war Inu Yasha herangekommen und musterte Kouga jetzt eisig. Das es doch einfach nicht! Der Mistkerl konnte sich an jedes Mädchen im Konzern heranmachen, und hatte das auch schon bei einigen getan – und suchte sich jetzt ausgerechnet seine einzige Freundin aus, den einzigen Menschen außer Miroku, bei dem er offen sein konnte, auch seine menschliche Seite zeigen konnte. Es hatte ihm einen regelrechten Stich versetzt, den sie so anlächeln zu sehen. „Kouga, ich denke mal, mein werter Bruder wird es nicht sonderlich schätzen, ebenso wie mein Herr und Vater, dass du deine eigenen Aufgaben versäumst und noch dazu die Belegschaft von der Arbeit abhältst.“ Der schnelle Wolf stutzte. Dieser Halbmensch wagte es ...? Nun gut, er hatte jemanden, mit dem er drohen konnte. Aber bislang hatte er nicht gewusst, dass Inu Yasha ähnlich eisig wie Sesshoumaru dreinblicken konnte. Was lief hier? Oder war das einfach, dass der kleine Halbhund erwachsen wurde und auch mitspielen wollte? Sich einen Platz an der Konzernspitze neben seinem Bruder erarbeiten wollte? Das konnte dann jedoch Intrigen der Brüder untereinander geben, um bei ihrem Vater gut dazustehen. Aus jahrhundertelanger Erfahrung unterschätzte der Wolfsdämon durchaus nicht den Rausch der Macht, dem Menschen und Dämonen gern unterlagen. Wegen eines Flirts der immerhin Nummer Zwei der Thronfolge dumm zu kommen, war es wohl nicht wert. Der Fürst hatte schon früh klar gemacht, dass er auch auf seinen jüngeren Sohn achtete. Wer war gleich noch mal der Narr gewesen, der dem Kleinkind damals den Ball weggenommen und den als Bastard beschimpft hatte? Gleich. Der hatte jedenfalls anschließend tagelang jeden Wunsch des Kleinen erfüllen müssen. Jeden. Und dass ein Kind es dann unter Anderem witzig fand Pferdchen zu spielen und auf einem Dämon zu reiten .... Kouga nahm sich zusammen und neigte ein wenig den Kopf. „Ich habe die junge Dame nur bereits kennengelernt und wollte wissen, ob sie sich von ihrem Unfall erholt hat.“ Nein, Inu Yasha-sama brachte er nicht über die Lippen. „Das war bereits alles und ich werde natürlich meinen Auftrag ordnungsgemäß und schnell wie immer erledigen. - Bis dann, meine Liebe.“ Er eilte davon. Inu Yasha blickte unwillkürlich zu Kagome. Stimmte das? Sie suchte den netten Dämon zu verteidigen und sich gleich dazu. Saß sie in der Klemme? „Äh, ja, er war so freundlich mir zu helfen. Bei meinem Bewerbungsgespräch stürzte ich, äh, etwas … unglücklich.“ Vermutlich hatten ihm Bruder oder Vater ja sowieso schon von einem derart tolpatschigen Mädchen erzählt. „Gut, Kagome.“ Ah, dabei. Frau Tausendfuß. Nun gut, das schien harmlos zu sein. „Jetzt gehen Sie wieder an Ihre Arbeit.“ Sie gehorchte eilig. Der Prinz hatte sich ihren Namen gemerkt? Hatte Sango nicht erwähnt, dass das Dämonen eigentlich nie bei gewöhnlichen Sterblichen machten? War das nun gut oder schlecht? So sollte wohl Montag Reddemon fragen, der kannte Inu Yasha doch anscheinend recht gut – und war ein wirklicher Freund gewesen.   Als Kagome am Freitag Abend nach Hause kam, reichte ihr ihre Mutter einen Brief. „Ohne Absender“, sagte sie mehr fragend. „Ein Mönch kam vorbei und sagte, es sei vertraulich für dich.“ „Ein Mönch?“ Miroku? Kam das von Inu Yasha? Warum? Wegen der Szene mit dem Wolfsdämon? Ihre Entlassung? Aber Kagome nahm ihn. „Vielleicht soll ich doch zu dieser Überprüfung der magischen Fähigkeiten?“ Sie öffnete ihn. Zwei Fotos lagen darin und sie schob sie hastig zurück: „Nein, das ist wohl mehr Werbung oder so. Nichts weiter.“ „Wirklich?“ Ihre Mutter betrachtete sie. „Du weißt, du kannst mit mir über alles reden.“ „Ja. Ich gehe jetzt in mein Zimmer, ich bin sehr müde. Aber morgen fahren wir zu Opa, ja? Ich muss ja am Sonntag zu Sango. Oder darf, eher.“ Sie wusste, dass ihre Mutter sehr feinfühlig war und vermutlich erriet, dass es eine unangenehme Nachricht gewesen war.   Erst in ihrem Zimmer nahm sie die Fotos noch einmal zur Hand, am ganzen Körper zitternd. Das war sie selbst in Narakus Büro, einmal wie sie die fünftausend nahm, einmal, wie sie unterschrieb. Von dem Herrn des Gumo sah man nur die Hand – niemand würde ihn darauf erkennen. Das war, daran zweifelte sie nicht, eine eindeutige Mahnung am Mittwoch etwas zu liefern. Ihr Blick fiel auf die Rückseite: auf einem der Fotos stand: Industriespionage? Auf dem zweiten: Hochverrat? Ja, das konnte, würde, der Fürst doch glauben – und das wäre ihr Verhängnis, ihr Untergang, ihr Tod. Sie begann zu weinen. Was sollte sie nur machen? Ihr würde doch niemand glauben, dass das anders gewesen war? Naraku hatte sich vorgesehen, oh ja. Und er hatte einen Mönch geschickt, damit der hier in einem Schrein unauffälliger war, denn der war sicher kaum echt gewesen. Vielleicht war ihr Gefühl verfolgt zu werden, das sie seit dem letzten Wochenende hatte, doch richtig gewesen. Was sollte sie nur tun? Was konnte sie tun? Reddemon konnte ihr dieses Mal doch nicht helfen, ihre Familie war sowieso schon in Gefahr. Ob sie sich an Inu Yasha wenden sollte, dem von ihrer Klemme erzählen sollte? Aber der würde bestimmt eher loyal zu dem Fürsten sein, seinem Vater, als zu einer Unbekannten, die ihm schon fünftausend aus dem Kreuz geleiert hatte...   Kapitel 8: Menschenmädchen und andere Kinder -------------------------------------------- Kagome schlief sehr schlecht in der Nacht zum Samstag, aber sie fand keine Lösung aus ihrer Zwickmühle – nicht, ohne jemand anders in Gefahr zu bringen. Auf was hatte sie sich da nur eingelassen! Wer war dieser Naraku nur, dass er sie so unter Druck setzte, oder schlimmer, was plante der? Es konnte einfach nichts Gutes sein. Aber ihr war klar, dass sie am Mittwoch ihm irgendetwas liefern musste, die Warnungen waren nur zu eindeutig gewesen. So befragte sie bei dem Besuch ihren Großvater bezüglich des Juwels der vier Seelen. Dieser war zwar erstaunt in seiner Enkelin diesmal eine so aufmerksam Zuhörerin zu haben, erzählte ihr jedoch zum wiederholten Mal von Midoriko.   Sie war eine Priesterin vor sechshundert Jahren gewesen und hatte die Menschen gegen die immer stärker werdenden Dämonenangriffe geschützt. Ihre Fähigkeiten waren herausragend. Eines Tages kam jedoch ein sehr starker Dämon. Sie bekämpften sich erbittert und dem Dämon gelang es die Priesterin schwer zu verletzen. Im letzten Moment ihres Lebens trieb sie jedoch ihr Herz aus sich und läuterte den Dämon, dessen Seele und die ihre sich zum Juwel der vier Seelen verbanden.   Kagome war nicht ganz klar, warum es dann vier Seelen hieß, aber ihr Opa erklärte das mit den buddhistischen Tugenden: Mut, Freundschaft, Weisheit und Liebe.   Danach war das Juwel entstanden – helle und dunkle Energie in sich. Der Kern war noch immer Midorikos Seele, das leuchtete hell, für jeden, der es sehen konnte. Falls jedoch ein Träger oder Hüter des Juwels dämonisch wäre, würde das Juwel auch vollständig dunkel werden, und so die Macht Midorikos dem tragenden Dämon zuführen. War der Wächter des Juwels dagegen eine Priesterin, so blieb das Juwel hell und richtete keinen Schaden an. Nur, so war es, durfte der Hüter oder die Bewahrerin des Juwels nicht eigensüchtig handeln, denn auch dann drohte die Gefahr, dass das Juwel und seine Macht der dunklen Seite zufallen würde.   Damit war zwar für Kagome klar, warum Naraku das Juwel wollte - Macht und womöglich gegen den Fürsten vorgehen - aber nicht, was sie dagegen machen konnte. Wenn sie ihm sagte, dass keiner wisse, wo das Juwel jetzt sei … Oh, sie durfte gar nicht daran denken. Opa lag noch immer hier im Hoi-Hospital und war damit in Narakus Gewalt. Eine Verlegung? Wie? Sie war nicht medizinisch notwendig. Zudem gehörten auch andere Krankenhäuser zum Gumo-Konzern. Wenn sie ihre Mutter von der Erpressung benachrichtigte, konnte die doch auch nichts machen, ja, wäre höchstens noch in Gefahr. Kagome glaubte inzwischen nicht mehr, dass Naraku davor zurückschrecken würde Opa einen Unfall haben zu lassen. Sie hatte heute genau aufgepasst und tatsächlich waren sie beschattet worden, bis hier zum Krankenhaus. Dann war der hochgewachsene Mann im dunklen Auto verschwunden, aber sie war sicher, dass er ihnen auch auf der Rückfahrt wieder folgen würde. Sie musste Naraku am Mittwoch irgendetwas erzählen, das ihn ruhig hielt. Und sie musste mit Inu Yasha reden. Vielleicht konnte der Prinz ihr Dilemma verstehen und seinen Vater benachrichtigen? Der Fürst würde doch eher gegen Naraku vorgehen können. Nur, wie? Der hatte ja Bilder, auf denen sie das Geld nahm, nicht umgedreht. Und wie sollte sie erklären, dass das doch alles so harmlos ausgesehen hatte? Dass sie nie Betriebsspionage oder Verrat begehen wollte, nur das Angebot für ihren Großvater angenommen hatte? Sie war schrecklich leichtsinnig gewesen, ja, aber wie hätte sie auch auf die Idee kommen sollen, dass jemand so gemein wäre, der so nett schien? Ob sie mit Sango morgen darüber reden konnte? Oder Montag Abend mit Reddemon? Sie hatte ja noch diese Kette, die sie dem Prinzen als kleinen Dank überreichen wollte. Womöglich wäre das eine unauffällige Gelegenheit mit ihm zu reden? Vermutlich hatte Naraku auch im Kendama seine Spitzel, und würde erfahren, dass sie sich an seine Anweisung gehalten hatte mit dem Prinzen zu sprechen. Ach du liebe Güte, in was war sie nur geraten? Sie nahm sich mühsam zusammen und lächelte ihren Großvater an, ehe sie begann von ihrer Arbeit im Großraumbüro zu erzählen.   Sesshoumaru schritt langsam durch den Wald, der das fürstliche Schloss umgab. Immerhin war es nicht weit zu seinem Pflichttermin. Obgleich er es hasste sich unter Menschen zu begeben, war das hier immer noch einer der erträglichsten Punkte auf der Liste seiner sozialen Verpflichtungen. Sein verehrter Vater hatte ihm bereits früh deutlich gemacht, dass ein Fürst eben nicht nur zu befehlen habe, sondern auch sich um die Menschen und Dämonen kümmern müsse. Oder, wie er es klar formuliert hatte: ein Fürst müsse danach handeln, wie es zur Machterhaltung am nützlichsten wäre. Was aber immer schade und nie nütze sei sich verhasst zu machen. Und genau das würde bei bestimmten Dingen passieren, die der Erbprinz inzwischen auswendig wusste. Nun ja, dachte er: etwas tun und nicht mögen war eben zweierlei. Immerhin würde er heute von quietschenden menschlichen Fangirls und Dämoninnen, die von ihm ein Kind wollten, verschont bleiben. Das Waisenhaus für Menschen nahm fast nur Kinder auf, die an körperlichen Gebrechen litten, die Meisten waren stumm, taub oder blind. Sie erhielten hier eine Ausbildung, die es ihnen ermöglichen sollte, später ein eigenes Leben aufzubauen. Sesshoumaru gab zu, dass er daran nie gedacht hätte, aber diese Einrichtung entlastete die staatlichen Kassen doch recht gut. Vater war wirklich ein sehr vernünftiger Mann. Sein törichter Halbblutbruder hatte dagegen das Vergnügen irgendwelche Sportler zu ehren. Samstag war in aller Regel der Tag der sozialen Dinge. Morgen, Sonntag, war allerdings ein Tag auf den er sich freute. Selten genug durfte er gegen seinen Vater kämpfen und zu sehen, wie weit er gekommen war, um den einzuholen, war stets eine gewisse Anregung. Natürlich durfte auch Inu Yasha dann ein wenig mit dem Schwert wedeln, aber das sah in der Praxis immer jämmerlich aus. Schwerttalent war dem Bastard eindeutig nicht in die Wiege gelegt worden. Nun ja, so einiges andere auch nicht. Aber da durfte er nichts sagen. Vater verstand keinen Spaß, wenn es um sein Nesthäkchen ging. Er, Sesshoumaru, musste perfekt sein, war der Erbe – und der Kleine leistete sich so manchen Ausrutscher, den kein wahrer Dämon je hinbekommen hätte. Sicher, er erhielt dafür auch Strafen, aber ... Ja, aber.   Da vorne lag ja schon das Waisenhaus. Mal sehen, mit welchen Blumen sie heute als Dankeschön ankommen würden. Er warf sie auf dem Rückweg bereits in den Wald. Seine arme Nase! Frau Teko Yoshi meinte es gut mit den Kindern – und er hatte lernen müssen, dass das seltsame Aussehen der menschlichen Leiterin persönlicher Natur war und nichts mit ihm oder einer Vernachlässigung ihrer Pflichten zu tun hatte. Sie war jung, wenn man das als Dämon sah, unter Menschen Ende Dreißig, Anfang Vierzig. Sie hatte ihre schwarzen Haare mehr als männlich kurz geschnitten und gefiel sich ebenso in einem Anzug. Er war zuerst wirklich irritiert gewesen, aber da sie sich um die Kinder sorgfältig, um nicht zu sagen liebevoll, kümmerte, von dem Personal keine Beschwerden kamen, war es ihm gleich gewesen. Irgendwann hatte er einmal erfahren, dass sie noch vor fast fünfzehn Jahren Ehemann und Kleinkind bei einem Unfall verloren hatte, und die Trauer in ein Engagement für das Waisenhaus umgesetzt hatte, ihrer Kinderliebe dort nachkam. Nun, das war ihm gleich. Sie arbeitete geräuschlos und machte ihm keine Avancen. Dass sie glaubte, in männlicher Kleidung vor Anmachen geschützt zu sein, konnte er sogar nachvollziehen. Er wünschte sich manchmal auch, umringt von ehrgeizigen Mädchen und Frauen, es gäbe einen Schutzbann, der die ihm vom Leib hielt. Dass seine Mutter jedes Mal, wenn er sie selten genug besuchte, mit seiner Cousine anfing, wie hübsch die doch sei, welch eine passende Fürstin ... Nein, danke. Die geschätzte Cousine Leiko, wie er das ausdrücken musste, würde er liebend gern seinem kleinen Bastardbruder aufhalsen, nur, um zu sehen, wie der sich gegen eine Hundedämonin schlug, gegen die selbst seine eigene Mutter wie ein Ausbund an Charme und Demut wirkte. Leider würde er Leiko früher oder später wieder sehen müssen und er wusste, dass da durchaus passende Worte gewünscht wurden. Sie war nun einmal die Hundedämonin aus mächtiger Familie in seinem Alter. Das war doch Frau Yoshi? Seit wann erwartete sie ihn bereits hier draußen auf dem Kinderspielplatz? Er blieb stehen. „Hat sich etwas verändert?“ Die Menschenfrau verneigte sich eilig tief, wie immer in einem dunklen Nadelstreifenanzug. „Willkommen, Sesshoumaru-sama. Nur eine Kleinigkeit, die ich mit Ihnen besprechen wollte, ehe wir zu den Kindern gehen. Sie erhalten den gewöhnlichen Blumenstrauß ...“ Ja, und einige Lieder, deren Timbre in den Ohren schmerzte. Zum Glück waren die Meisten hier stumm. „Ein Mädchen um die Zehn wird es Ihnen heute überreichen. Rin ist erst seit einer Woche bei uns. Sie dürfte nicht stumm im medizinischen Bereich sein, aber ihre Eltern und ihr Bruder wurden ermordet und seither, wohl aus Schock, verweigert sie das Reden.“ „Dämonen?“ erkundigte sich der Erbprinz sofort. „Nein, Menschen, steht zu vermuten. Ich hoffe jedenfalls, wenn sie einige kleinere Aufgaben hier erledigen kann, Ruhe findet, dass sie auch wieder sprechen lernt.Ich wollte Sie darum bitten, dass Sie ihr bestätigen, dass sie ihre Sache gut gemacht hat, auch, wenn ihr womöglich als Neuling ein Fehler unterläuft.“ Es gab sehr wenige Leute, Menschen dazu, die es wagten, Sesshoumaru vorzuschreiben, was er zu tun oder zu lassen habe. Zum Glück für Frau Yoshi schätzte er es viel zu sehr, wie viel Arbeit sie ihm hier sonst vom Hals hielt, als dass er nicht gesagt hätte: „Sie werden mich nicht für taktlos halten.“ „Selbstverständlich nicht, Sesshoumaru-sama“, murmelte die Leiterin, der soeben erst bewusst wurde, was sie da zu wem gesagt hatte. Ihre Kinder zählten bei ihr über alles. „Oh, und, aber das werden Sie sehen, Sesshoumaru-sama, wurde der Kleinen bei dem Überfall ein vorderer Schneidezahn ausgeschlagen. Sie ist natürlich momentan zwar über uns versichert, aber der Ersatzzahn eigentlich nicht. Darf ich das aus dem Basiskapital der fürstlichen Stiftung nehmen?“ „Ja.“ Den Rest würde sie machen, ordnungsgemäß – und er erhielt keine Rückfrage von seinem Vater, warum er einem Kind eine Heilung verweigerte. Praktisch. Jetzt musste er durch die nächste halbe Stunde. Zum Glück war das nur einmal im Monat, nein, alle drei Monate angesagt. Und er sollte lieber an den Kampf gegen Vater morgen denken, das wäre mal wirklich ein Spaß.   Eine halbe Stunde später fand er sich nach dem begeisterten Konzert der Kinder vor einem vielleicht acht bis zehn Jahre zählenden Mädchen wieder, dessen Haare offenkundig ebenso kaum zu bändigen waren wie sie selbst. Gegen jede höfische Regel starrte sie ihn an, den Blumenstrauß an sich drückend. Plötzlich begriff er. Sie zögerte die Blumen ihm zu geben. Frau Yoshi wurde bereits sichtlich nervös. Vermutlich rechnete sie mit Ärger, immerhin war er nun einmal ihr direkter Vorgesetzter. Ohne genau zu wissen, was er da tat, sagte er langsam: „Ich werde die Blumen in meine Zimmer stellen, Rin.“ Im nächsten Moment hätte er sich selbst lieber die Zunge abgeschnitten, denn das kleine Mädchen strahlte ihn förmlich an, ehe es ihm die Blumen überreichte, jetzt mit einer angedeuteten Kopfneigung. Nein, sie hatte kein Angst vor ihm, nicht als Dämon, nicht als Prinz – sie war nur um ihre Blumen besorgt gewesen. Woher hatte sie gewusst, dass er sie in aller Regel in den Wald warf? Eigenartiges Kind. Und doch, daran erinnerte er sich genau, hatte ihn in seinem ganzen, so langen, Leben, noch nie jemand derart offen, warm und ehrlich erfreut angelächelt. Noch dazu mit einem ausgebrochenen Schneidezahn. Er nickte ihr zu, seltsam berührt, dass er noch einmal ein Aufstrahlen in den dunklen Kinderaugen zu Gesicht bekam, ehe sie sich hastig zu ihrer Pflegerin zurückzog, so, wie es ihr wohl gesagt worden war. Er blickte zu der Heimleiterin. Frau Yoshi eilte prompt heran. „Wegen der Zahnreparatur“, sagte er nur. „Nehmen Sie das Geld nicht aus der Stiftung, sondern schicken Sie mir die Rechnung. Es ist nicht notwendig alle Kinder zu belasten.“ „Sehr wohl, Sesshoumaru-sama“, erwiderte die Heimleiterin mit einer tiefen Verneigung. Was da wohl los war? Der Erbprinz hatte doch noch nie ...? Nun, gleich. Er tat es jetzt und das war nur positiv. Sie musste bedenken, dass er früher oder später der Fürst des Westens sein würde, der absolute Herr über alle. Da war ein soziales Denken nur fein   Sonntag vormittags trafen sich die Halbbrüder in ihrer alten Tracht aus Seide der Spinnendämonen und Feuerrattenhaar auf dem Weg zum Trainingsplatz im hinteren Hof. Inu Yasha hatte bereits gehört, dass der Ältere gestern mit einem großen Blumenstrauß nach Hause gekommen war, und nahm dieses Wunder zum Anlass um zu sagen: „Guten Morgen.“ Falls der ihm wieder mal komisch kommen wollte, hatte er was zum Zurückgeben. „Inu Yasha“, lautete jedoch nur die Replik. Der Halbdämon sah fast fragend beiseite. Hatte er was verpasst? Blumen und sein Name? Wer war der Kerl und was hatte er mit Sesshoumaru gemacht? „Du erinnerst dich meiner Existenz?“ „Meist beansprucht etwas Intelligenteres meine Aufmerksamkeit, aber ja.“ „Ich hoffe, dass du dich gegen Vater richtig schön blamierst“, zischte der Jüngere unverzüglich. Schön, der Mistkerl war echt. „Kaum mehr als du.“ Auch Sesshoumaru hatte die Stimme gesenkt, näherten sie sich doch dem hinteren Hof, wo ihre Kampfmeister auf sie warteten – und der Fürst im Schatten eines Bambus stand, wie immer zuhause in weißer Seide gekleidet, die heute blau bestickt war, die Hände nachlässig herabhängend. Der Inu no Taishou wartete, bis sich seine Söhne höflich vor ihm verneigt hatten. „Guten Morgen. Macht euch nun an die gewöhnlichen Übungen. Ich werde zusehen.“ Es war immer etwas anderes so beobachtet zu werden, und nicht nur die beiden Prinzen sondern auch ihre Lehrmeister waren etwas nervös, was sich in der gewohnten Routine jedoch rasch legte. Erst ein kurzer Befehl des Fürsten ließ die beiden Paare auseinander weichen und zu ihm sehen. „Das genügt. Mein Schwert.“ Natürlich brachte ihm ein heraneilender Diener nicht das Höllenschwert, sondern ein gewöhnliches. „Inu Yasha.“ Dieser blieb daher abwartend stehen, während der Erbprinz und die Kampfmeister in den Schatten zurückwichen. Sein Lehrer hoffte, dass sich der Halbdämon nicht bloßstellen würde – sein Halbbruder erwartete das.   Inu Yasha wartete bis sein Vater vor ihn stand und nickte, ehe er unverzüglich angriff. Er wollte doch zeigen was er konnte, was er seit dem letzten Trainingskampf gegen den Taishou gelernt hatte. Er musste ihm doch beweisen, dass er auch ein guter Kämpfer wäre, ein wirklicher Dämonenkrieger, dass er seiner Achtung würdig wäre. Der Fürst wich aus, mit einer raschen Drehung, und die Attacke ging ins Leere. Im nächsten Moment warf sich der jüngere Prinz herum, schlug erneut zu, fast vergessend, dass man in einem solchen Übungskampf keine richtigen Attacken führen durfte. Zu sicher war er, dass sein Vater ihm überlegen war. Prompt spürte er auch einen harten Aufschlag seine beiden Arme zittern lassend, als er mit seinem Schwert auf die abwehrende Klinge traf. „Gut gemacht“, sagte der Taishou. Noch während sich sein Sohn über die gewisse Anerkennung freute, schleuderte ihn der plötzliche Gegendruck rücklings in weitem Bogen zu Boden. Instinktiv rollte er ab und riss seine Waffe erneut empor – gerade noch rechtzeitig um den nächsten Schlag abzufangen. Obwohl sein Vater außer Zweifel nicht seine volle Kraft einsetzte, schmerzte sein Handgelenk. Inu Yasha hatte jedoch gelernt auf derartige Schmerzen nicht achten zu dürfen, nicht in einem Duell, und ihm gelang es in der Drehung beiseite sich dem Druck zu entwinden und aufzuspringen, wieder abwehrbereit dazustehen.   Zu langsam, dachte Sesshoumaru. Vater spielte ja nur mit dem Welpen. Was sollte das? Wollte der ihn nicht richtig zu Boden schicken? Auch dieser Angriff jetzt – es war fast, als ob der Fürst etwas Bestimmtes sehen wollte. Ja, genau. Es ging nicht darum den Bastard zu besiegen, Vater suchte etwas. Es war eine Prüfung. Und das konnte nur bedeuten, dass ebenso für ihn eine kommen würde. Nur, was wollte Vater sehen? Wieder ein durchaus schneller, aber absolut hirnloser, Angriff des Halbdämonen. Das war keine Taktik, der bewahrte ja keinen kühlen Kopf. Nun ja, eben kein Dämon.   Inu Yasha sah den Schlag förmlich kommen. Unbewusst riss er seine Waffe hoch um abzuwehren, aber ihm war klar, dass die Schneide des scharfen Katana seinen Oberarm treffen würde – und ihm damit diesen durchtrennen würde. Im allerletzten Moment erst wurde die Klinge gedreht, so dass die breite Fläche relativ harmlos, nur eine Prellung hinterlassend, auftraf. Sein Vater hatte ihn geschont. Er ließ sein Schwert fallen. Er hatte verloren. Der Inu no Taishou nickte nur kurz. „Warte drüben. - Sesshoumaru.“ Keine Bewertung, dachte der Jüngere, als er zu den Kampfmeistern ging. War das jetzt gut oder schlecht?   Sesshoumaru stellte sich dem Fürsten gegenüber. Wie immer in solchen Momenten vergaß er seine Umgebung, ignorierte er die Zuschauer ebenso wie die Tatsache, dass man den Regenten nicht mit bloßer Waffe angreifen durfte. Das war ein Übungskampf, korrekter, einer, in dem er sehen würde, wie weit sein Weg noch wäre. Er machte einen Satz auf seinen Gegner zu und schlug zu, nach dessen linker Schulter zielend. Der Taishou wich der Attacke ebenso behände aus wie zuvor der des Jüngeren. Damit hatte der junge Hundedämon gerechnet und ging unverzüglich zum nächsten Angriff über, schlug jedoch erneut ins Leere. Das wurde frustrierend, stellte Sesshoumaru fest, und begriff gleichzeitig. Das sollte eine Prüfung sein, ob er auch unter solchen Konditionen einen klaren Verstand bewahrte Also, ein anderer Plan musste her. Keinen Angriff auf den Oberkörper, denn nach diesem Muster hatte er bislang immer angegriffen, sondern auf die Oberschenkel.... Sein Schwert streifte bereits die Seide der weiten Hose des Fürsten, als dessen Klinge irgendwie noch sich dazwischenschob. Metall klirrte auf Metall. Fast, dachte der Erbprinz. Nur noch ein wenig schneller. Im nächsten Moment riss ihm eine rasche Drehung der Waffe seines Vaters die eigene beinahe aus der Hand. Nur mit einem fast eiligen Überschlag gelang es ihm die im Griff zu behalten und wieder auf den Füßen zu landen, gerade noch rechtzeitig um die darauffolgende Attacke abzuwehren.   Beide waren sehr schnell, dachte Inu Yasha ein wenig sehnsüchtig. Sicher, er war auch stärker geworden, aber das war schon ... Na ja, fast seine Klasse, aber eben nur fast. Er würde jedoch älter werden und damit auch stärker. Man durfte nicht vergessen, dass das sozusagen sein großer Bruder war. Was machte der denn hier? Er drehte den Kopf von dem Duell, das sich jetzt in raschen Schwertstreichen fortsetzte, die alle immer pariert wurden. Tatsächlich. Der alte Toutousai. Außer, dass der die Abteilung der Metallverhüttung leitete, – und nach allem Gehörten mehr schlecht als recht – war das Vaters Lieblingsschmied. Und wieso kreuzte der hier auf? Mit gleich einem ganzen Sack dabei? Die erhöhte Energie ließ ihn doch wieder zum Kampfplatz blicken. Sesshoumaru versuchte offenbar einige Tricks und Kniffe, suchte immer die direkte Konfrontation – und traf immer nur entweder die abwehrende Klinge ihres Vaters oder die Luft. Genau in der Sekunde, in der Inu Yasha dem Training wieder seine volle Aufmerksamkeit schenkte, flog seinem Halbbruder das Schwert aus der Hand und dieser stand wehrlos da, die Spitze von Vaters Klinge an der Kehle, die kurz darüber strich, die Niederlage demonstrierte, ehe der Fürst zurücktrat und seine zwei Söhne abwechselnd musterte. „Ihr habt beide Forstschritte gemacht, wie ich sehe. Große Fortschritte. Und ich sehe auch, dass es Zeit ist euch neue Ziele zu setzen. Ihr werdet ab sofort nicht mehr mit euren Schwertmeistern üben, sondern gegeneinander.“ Die Prinzen sahen blickten sich unwillkürlich an, ehe sie eilig höflich wieder zum Fürsten sahen, um sich keinen Ärger einzuhandeln. Was sollte das? „Toutousai hat neue Waffen für euch dabei. Inu Yasha, du erhältst das Schwert Tessaiga, Sesshoumaru du erhältst zwei. Tenseiga und Tokejin. Es sind magische Waffen – und ihr werdet gegeneinander lernen müssen sie einzusetzen. Der Besitzer einer solchen wertvollen Klinge muss sie allein kennenlernen.“   Kapitel 9: Kampftraining ------------------------ Beide Prinzen neigten höflich – und überrascht - die Köpfe, sahen dann jedoch zu dem alten Schmied, den sie stets selten einig als kauzig empfanden, um kein härteres Wort zu verwenden. Aber er war ein Genie, das mussten sie zugeben, und Genies sah man eben auch Macken nach. Toutousai blickte zu dem Inu no Taishou. „Also, hier mal zuerst Tenseiga, für Sesshoumaru.“ Er reichte es dem Erbprinzen, während der Fürst erklärte: „Es handelt sich um magische Schwerter. Ich vermute, du wirst mit diesem erst einmal nicht zufrieden sein, aber sei gewiss, dass es auch seine Fähigkeiten besitzt, die du finden musst. Da du jedoch mit diesem Schwert nur sehr bedingt kämpfen und auch nicht töten kannst, erhältst du ein zweites.“ Toutousai zog mit sichtlichem Widerwillen eine andere Klinge, ohne Scheide aus seinem Sack: „Versuche es. Jetzt kann es dein Vater noch beherrschen, wenn etwas schief geht.“ Sesshoumaru musste wirklich überlegen, wer, außer seinen Eltern und, zugegeben, sein Halbbruder, ihn duzte und den Kopf auf den Schultern behielt, aber er streckte wortlos die Hand aus, nachdem er die elegante erste Waffe in der hölzernen Scheide in seinen Seidengürtel geschoben hatte. Was sollte er mit einem Schwert, das nicht töten konnte? Das hier, ja, das war etwas anderes. Er konnte die Aura um die Klinge förmlich wabern sehen, bösartig und nach Tod suchend. Behutsam schloss er die Finger um den Griff, als der alte Schmied ihn freigab. Ja, das war es. Ein wahres Kampfschwert, wie er es sich immer ersehnt hatte. Er merkte, dass der eigene Wille der Klinge sich des seinen bemächtigen wollte, und drängte den und die Aura zurück. Kleine Mühe für diesen Preis. Er hatte geübt für die Beherrschung des Höllenschwertes, da würde ihn doch diese Klinge nicht erledigen. „Es heißt Tokejin,“ meinte Toutousai. „Und während ich selbst Tenseiga und Tessaiga schmiedete – das stammt von einem meiner besten Schüler, leider auch einem der nichtsnutzigsten. - Ah ja, Tessaiga, das ich das nicht vergesse. Hier, Inu Yasha.“ Der jüngere Fürstensohn nahm die Klinge. Immerhin auch eine schöne Holzscheide, dachte er, aber er fühlte sich unwillkürlich wieder etwas hinter seinen Halbbruder zurückgesetzt. Er bekam nur ein Schwert und der zwei, auch, wenn ja angeblich dieses Tenseiga kein richtiges Schwert war. Das konnte er fast nicht glauben, denn Toutousai schmiedete keinen Schrott - und Vater hatte das immerhin in Auftrag gegeben. Das Schwert konnte also bestimmt etwas. Etwas anderes eben. Als er vorsichtig etwas seine Klinge aus der Scheide zog, konnte er kaum umhin seine Enttäuschung zu zeigen. Das war ja verrostet. Was sollte er damit? „Ihre unreifen Jungen sehen nur, was sie sehen wollen, Herr!“ murrte der alte Schmied. „Mach schon, zieh Tessaiga.“ Inu Yasha gehorchte verständnislos und musste prompt mit der zweiten Hand zufassen, als sich die Klinge ohne jede Vorwarnung mehr als doppelt so groß verbreiterte – und wirklich schwer wurde. „Nun,“ erklärte der Inu no Taishou. „Es ist das Schwert für dich, einen Halbdämon. Kein vollblütiger Dämon kann es führen – außer mir, denn mein Bannkreis liegt um den Griff und sorgt dafür. Umgekehrt kann auch kein Mensch etwas damit anfangen, denn ohne dämonische Energie bleibt es die scheinbar alte, rostige, Klinge, die du zuerst sahst. Es hat seine Fähigkeiten und wird dir helfen ... wenn du sie findest. Darum werdet ihr ab morgen beide jeweils zwei Stunden nach der Arbeit hier gegeneinander üben, bis ihr lernt eure Schwerter und eure Fähigkeiten gezielt einzusetzen. In einem halben Jahr möchte ich eure Fortschritte sehen. Viel Spaß. Komm jetzt, Toutousai.“ Die Prinzen sahen ihnen nach, ehe Inu Yasha meinte: „Naja, ich muss erst einmal das Gewicht einschätzen lernen. Das Ding ist ziemlich schwer. Dein, wie war das, Tokejin, natürlich nicht.“ „Nicht für mich. - Dann übe mal dein Schwert zu halten. Ich werde mit meinem ein wenig … spielen.“ „Keh!“ Erbittert starrte der Jüngere dem Älteren nach, als der sich demonstrativ in eine andere Ecke des Übungsplatzes begab. Manchmal könnte er ihn...!   Kagome war pünktlich um zehn an der U-Bahn-Station Yoshi-Park und war froh, dass es Hinweisschildern zu den Dämonenjägern gab, da sie sonst kaum den richtigen Ausgang gefunden hätte. Ein wenig überrascht sah sie sich in den wärmenden Strahlen der ersten Frühlingssonne um. Das dort auf der anderen Seite der Straße musste der Yoshi-Park sein. Vor ihr lag allerdings ein riesiges Anwesen, umgeben von einer hohen Mauer, gute fünfhundert Meter durch gepflegten Rasen von der Straße zurückgesetzt. Dazwischen befand sich ein kleines Speiselokal und eine Hütte, die sie sehr an die für Teezeremonien erinnerte. Diese schien jedoch zu zu sein und so ging sie den Hauptweg zu dem massiven Holztor, durch das sicher ein LKW durchpasste. Ein Mann im bodenlangen, schwarzen Gewand, der mit einem Motorrad davor stand, richtete sich auf und sie erkannte Miroku. „Hallo,“ grüßte sie, ihre Sorge verdrängend. Sie hatte beschlossen, dass sie sich erst einmal als Priesterin testen lassen musste, dann hätte sie auch Neuigkeiten für Naraku und er würde doch weiter warten, zumal, wenn sie irgendwie noch von einer Audienz beim Prinzen berichten konnte. Der Mönch und Sango würden ihr doch da sicher helfen können. Und der Herr des Gumo brauchte ja nicht zu erfahren, dass sie nur eine Dankeskette überreichen wollte. Jedenfalls war ihr in der U-Bahn wieder ein Verfolger aufgefallen, diesmal ein Mann wohl um die Dreißig, eher älter, mit kahlem Kopf. Sie hatte unwillkürlich an den angeblichen Mönch denken müssen, der ihrer Mutter die belastenden Fotos gebracht hatte. Der Mann im Auto war jünger gewesen und hatte einen Kimono oder so etwas ähnliches getragen, mit langen, schwarzen Haaren. Überdies war der auffallend geschminkt gewesen. Die Verfolger waren Menschen – aber sie jagten ihr instinktive Furcht ein, seltsamerweise mehr, als sie vor Inu Yasha empfunden hatte. Dazu konnte sie freilich möglicherweise dessen Mitarbeiter heute befragen. Und am Montag Reddemon. Sie musste ihrer Klemme entkommen – oder sie würde ihre gesamte Familie mit hineinreißen, daran zweifelte sie nicht mehr. Vorsichthaber hatte sie im Internet gesucht, was im Fürstentum auf Hochverrat stand. Eigentlich hatte sie es gar nicht wissen wollen, aber nun war klar, dass auf jeden Fall ihr Tod und ihrer Familie Enteignung drohte. Wirtschaftsspionage wurde meist nur mit Gefängnis für den Betroffenen geahndet. Aber auch das war nichts, was sie wollte. Sie musste eine Lösung finden und das heute erschien ihr eine gute Stelle um mit der Suche nach einem Ausweg anzufangen. Dämonenjäger genossen das Vertrauen des Fürsten – und Sango und Miroku saßen im Vorzimmer des jüngeren Prinzen. Da würde sie schon eine Idee bekommen. „Hast du auf mich gewartet?“ „Ja, da können wir zusammen klingeln. Ich bin mit dem Motorrad da.“ Ein Mönch, der Motorrad fuhr? Kagome stellte wieder einmal fest, dass sie recht wenig von Leben außerhalb des Schreins und der Schule wusste. Sie hatte fleißig gelernt, war auch mal mit Freundinnen Eis essen gegangen, aber ... Sie musste auf jemanden wie diesen Mönch recht naiv wirken. „Ich war hier noch nie,“ erklärte sie daher. „Das ist ja ein riesiges Haus. Dahinter liegt sicher auch noch ein Grundstück.“ „Ja, das reicht bis zum Meer. Ich war auch noch nie drinnen, aber man lernt ja doch so einiges. Bevor ich klingele – was weißt du über diese Menschen?“ „Dämonenjäger?“ Anscheinend wollte er verhindern, dass sie in ein Fettnäpfchen sprang. War das jetzt beleidigend oder nett? Nun ja, wohl eher nett. „Sie lebten schon immer ein eigenes Leben, vertrieben und vertreiben diese einfachen Dämonen, Wurmdämonen aus den Häusern und Dörfern. Im großen Krieg kämpften sie auf der Seite der Menschen, danach arbeiteten sie aber für den Fürsten, was sie noch heute tun, um eben die Häuser sauber zu halten. Ich denke, damit er keine eigenen Krieger einsetzen muss.“ „So ungefähr, ja. Nach dem Krieg bot ihnen der Inu no Taishou, der nunmehrige Fürst, an, ihre Arbeit weiter zu machen, wenn auch in seinen Diensten, und ihnen dafür ihr Grundstück und sonstigen Privilegien zu lassen. Sie haben eigene Gesetze und Rechtsprechung, sozusagen ein Staat im Staat. Und ihnen gehört hier praktisch ein ganzes Territorium, das sie aber auch zum Üben und für sonst was brauchen.“ „So eine hohe Mauer. Ist das gegen Wurmdämonen oder noch aus dem Krieg?“ „Das ganze Hauptgelände soll von einer Mauer umgeben sein, aber das werden wir gleich sehen. Immerhin sind wir Sangos Gäste. Sie hat übrigens einen jüngeren Bruder, der wohl mal der Anführer der Dämonen werden soll. Kouhaku, hat sie mir erzählt. Wir sitzen jetzt doch schon seit einer Woche gemeinsam bei Inu Yasha.“ Und sie verstanden sich recht gut, zumal die Jägerin erfolgreich aufpasste, ob und wie sie in seine Reichweite geriet. So sparte er sich die Anmache – und die prompte Ohrfeige. Er konnte ja wirklich nichts dafür. Seine Hand machte sich quasi selbstständig und sein Verstand schaltete sich aus, sobald er ein weibliches Hinterteil entdeckte. „Übrigens, ich klingele jetzt mal.“ Er drückte einen Knopf. Kurz darauf wurde eine Klappe geöffnet und ein Mann sah hinaus: „Guten Morgen, ich bin Miroku Miyatsu und das ist Kagome Higurashi. Wir sind mit Sango um zehn verabredet.“ Der Mann warf offenbar einen Blick auf eine Liste: „Ich sehe es, ja, gut, kommen Sie.“ Das schwere Tor schwang auf, offenbar elektrisch gesteuert.   Die beiden Jugendlichen traten in einen gepflasterten Hof. Kagome entdeckte rechts und links Garagen, dann jedoch endete der Platz auf der Linie des Haupthauses erneut in Mauern mit kleinen Pforten – und das Anwesen selbst hatte hier unten keine Fenster. Es wirkte fast wie ein Gefängnis, dachte sie, obwohl sie noch keines von innen gesehen hatte, folgte aber lieber wortlos dem Wächter zu einem Durchgang, der über ein Funkgerät offenbar Bescheid gab, denn die Tür wurde bereits geöffnet. Eine Frau, ebenso wie Sango im Kampfanzug der Dämonenjäger, machte auf. „Guten Morgen,“ sagte sie. „Sango ist gleich hier. Warten Sie doch dort auf der Bank.“ Erneut blickte sich Kagome neugierig in einem mit hohen Mauern umstandenen Hof um, der allerdings geradezu gigantisch war, wenn sie das so recht betrachtete. Sand war hier der Boden, sie bemerkte einige Männer und Frauen, ja, Kinder, die mit Schwertern übten oder auch mit Pfeil und Bogen auf Scheiben schossen. An der hinteren Mauer befand sich eine weitere kleine Pforte, gerade breit genug für einen Menschen. Ja, Miroku hatte ja erwähnt, dass sich das Anwesen bis zum Meer hinzog – das war doch bestimmt zwei Kilometer, wenn nicht mehr. Das war ein wahrhaft riesiges Grundstück. Neben der kleinen Tür befand sich ein Bambushain mit einer Art Steinbänke darum. In dem Haus, schätzte sie, als sie sich umdrehte, und die Tür im ersten Stock betrachtete, die wohl zu einer Halle führte, lebten sicher weit über hundert Menschen. Ob das alles Verwandte waren? Eher schon, denn soweit sie wusste, neigten Dämonenjäger dazu unter sich zu bleiben.   Sie lächelte unwillkürlich, als sie Sango erkannte, die eilig die Treppe hinunterlief. „Hallo, ihr seid wirklich pünktlich,“ rief die Jägerin schon aus Distanz. „Ich musste nur noch meine Katze füttern. - Hallo, Kagome, Miroku. Gehen wir doch nach hinten, zu den Bänken unter dem Bambus. Da ist es ruhiger.“ Diese Stelle lag am anderen Ende des länglichen Hofes und sie benötigten einige Minuten dorthin. „Hier trainieren wohl alle?“ erkundigte sich Kagome mit einem, wie sie hoffte, unauffälligen Seitenblick zu zwei Kindern, die unter dem wachsamen Blick eines Mannes mit Holzschwertern übten. „Ja. Man fängt früh an, neben der Schule, natürlich.“ Die Jägerin nickte. „Immerhin regnet es heute nicht, sonst hätte ich euch in die Übungshalle bringen müssen, da ist es lauter und auch viel mehr los. So verteilt es sich.“ „Wie viele Leute leben denn hier?“ „Oh.“ Sango dachte nach. „Hundertfünfundzwanzig, so ungefähr. Manche sind nicht hier, wenn sie auf Aufträgen sind, Onkel Dai starb gestern, er liegt im hinteren Hof.“ „Mein Beileid“, sagte Kagome unwillkürlich, erkundigte sich dann jedoch neugierig: „Da gibt es noch einen Hof?“ „Ja, aber der ist offener, dort liegen auch die Beete und Felder. Und ein Rhododendronhain, in dem unsere Toten begraben werden. Das findet heute Nachmittag statt. Momentan liegt er dort, und zwei Leute halten die Ehrenwache. Das ist bei uns so Tradition, auch, wenn es heutzutage und hier am Stadtrand nicht mehr nötig wäre. Totentanzkrähen gibt es so gut wie nicht mehr. - Habt ihr gleich hergefunden?“ „Ja,“ erwiderte Miroku und zuckte zurück, als er sah, dass seine Hand bereits abgefangen werden würde. Sie war wirklich schnell. Und nett. Und intelligent. Einfach super. „Aber ich mit dem Motorrad und Kagome wohl mit der U-Bahn. Ich kann dich ja später auch mit rein nehmen, Kagome.“ „Oh, danke, aber ich habe ja sowieso die Fahrkarte.“ Mit diesem Kerl auf einem Motorrad? Das Mädchen hatte die Geste durchaus gesehen und hatte auch von Sango schon über eigenartige Angewohnheiten erzählt bekommen. Die Jägerin lenkte auch prompt ab, seltsamerweise etwas eigen berührt von diesem Angebot, und meinte: „Hast du Bannzettel und so etwas dabei, Miroku?“ „Ja,“ bestätigte der Mönch eilig. „Wir können dann anfangen. Kagome, du hast wohl keine Ahnung von so etwas?“ „Nicht wirklich. Mich hat das nie interessiert und Opa hat es mir zwar erklärt, aber er ist da nicht gerade fähig. Die Letzte in der Familie, die so etwas wirklich beherrschte, war Kikyou. Und ihre Schwester Kaede. Aber die sind beide schon tot. Tanten meines Opas, oder so. Oh, ehe ich es vergesse: wäre es möglich, oder genauer, darf man das? Ich möchte Inu Yasha als Dank für seine Fürsprache eine Kette überreichen. Nichts Tolles, gebe ich zu, nichts, was er sich nicht selbst kaufen könnte, aber selbstgemacht.“ „Das würde ihn vermutlich freuen,“ erwiderte Miroku sofort. „Weißt du, er bekommt sehr wenig geschenkt, naja, wie auch der Fürst oder Sesshy … äh, ich meine, Sesshoumaru-sama, was wirklich von jemandem kommt, der es nett meint.“ „Das ist alles wohl mehr offiziell,“ bestätigte Sango. „Und die Menschen halten ja sowieso Abstand von allen Dreien, noch mehr als Dämonen. Wir können ihn ja nach einem Termin fragen. Jetzt aber: setzt euch auf die Steinbank und ich würde vorschlagen, ihr versucht es zuerst mit Bannzetteln. Das sollt Kagome doch eher liegen, wenn sie aus so einer Familie kommt.“ Kagome schauderte, als sie sich auf den kalten Stein setzte, froh, dass sie doch eine Jeans angezogen hatte. Aber die anderen Zwei schienen das für normal zu halten, also sollte sie da durch. Sie war wohl in deren Augen mehr als nur Anfänger. „Ja, genau.“ Miroku nahm bereits im Niederlassen einen beschriebenen Zettel aus seinem Umhang. „Der Fachausdruck lautet Ofuda. Das sind mit Segenssprüchen beschriebene und in einem Schrein oder durch einen Mönch oder Priesterin geweihte Papiere. Sie bewirken bei Dämonen den Entzug der dunklen Energie, läutert sie. Nun gut. Bei einfachen. Ich wage zu bezweifeln, dass der Inu no Taishou davon berührt werden könnte. Das müsste dann schon sehr mächtige Magie sein. Hochrangige Dämonen besitzen ja ihre eigene Zauberkraft. Hier, Kagome, nimm ihn mal zwischen die Fingerspitzen. Merkst du etwas? Eine Wärme? Ein Prickeln?“ Sie fasste behutsam zu, zumal die Beiden sie beobachteten, und wartete. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich bemerke gar nichts. Kein Prickeln, keine Wärme, keine Kälte – einfach wie ein Stück Papier,“ „Na schön.“ Miroku griff wieder nach seinem Bannzettel. „Probieren wir es hiermit. Das ist eine Gebetskette, kennst du bestimmt.“ Eine halbe Stunde lang versuchte Kagome etwas zu verspüren, vergeblich, ehe sie seufzte. „Na ja, Mama und mein Bruder haben ja auch keine solchen Kräfte, woher sollte ich das auch haben.“ „Warte mal,“ antwortete Sango. „Nicht so schnell aufgeben. Vielleicht geht bloß diese Art nicht und deine Fähigkeit äußert sich irgendwie anders. Über ein Schwert, oder so. Wartet hier.“ Sie eilte davon, quer über den Hof, der sich nun langsam leerte   .Miroku versuchte die etwas frustrierte Kagome zu beruhigen. „Selbst wenn du nichts hast, wäre das doch nicht schlimm, oder?“ „Schon, denn dann wäre Opa der letzte Priester, und wenn er … ich meine, wenn ihm etwas passiert, fällt der Schrein an den Fürsten.“ „Oh, ich verstehe. Ja, das wäre natürlich schlecht für euch. Sicher, ihr müsstet dann umziehen, wärt aber bestimmt nicht ohne Dach über dem Kopf, aber es ist schon etwas anderes da zu wohnen, wo auch die Vorgänger lebten, die Ahnen. Aber sehen wir mal, vielleicht hat Sango Recht und es manifestiert sich bei dir eben anders. Wenn ich mich recht entsinne, war doch Midoriko eine Vorfahrin?“ „Nicht direkt, aber aus der Familie. Sie war ja eine Priesterin, aber ihr Bruder hatte Kinder. Sie war die Priesterin, die das Juwel der vier Seelen erschuf.“ „Ja, und sie war eine überaus kämpferische Priesterin. Vielleicht hast du da was abbekommen.“ Es war nett von ihm, aber ihr war es wie stets etwas unangenehm, auf ihre Vorfahren angesprochen zu werden. So suchte sie abzulenken. „Was meinte Sango vorhin eigentlich mit Totentanzkrähen? Irgendwie sagt mir das etwas. Sind das dämonische Krähen?“ „Äh, ja. Sie sind größer als normale und haben rote Augen. Früher waren sie gefürchtet. Sie gehen auf Tote, vor allem Menschen, und fressen die quasi von innen heraus, um dann deren Hülle zu übernehmen.“ „Igitt. Darum also die Ehrenwache. Man wollte die Toten davor schützen.“ „Ja. Jetzt sind sie sehr selten geworden. Ich denke, auch hochrangige Dämonen schätzen sie nicht gerade.“ Der junge Mönch sah sich unwillkürlich um, erkannte dann, dass sich die kleine Pforte neben dem Bambushain geöffnet hatte und zwei Dämonenjäger den großen Hof betraten. Sie warfen ihnen nur einen raschen Blick zu, ehe sie den anderen der Familie in das Haus folgten.   Sango grüßte sie, als sie mit Bogen und einem Köcher in der Hand und einem Schwert an der Seite zu ihren neuen Freunden zurückkehrte. „Es ist Essenszeit,“ erklärte sie. „Aber ich habe schon gesagt, dass ich Besuch habe und später esse. - Hier, Kagome. Versuche es mal hiermit. Gehen wir zu der Scheibe, dort.“ „Danke. Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch nie mit Pfeil und Bogen geschossen habe. Ihr solltet besser hinter mir bleiben, ehe noch etwas passiert.“ Kagome war es ein wenig peinlich, dass sie anscheinend so gar nichts konnte. Aber da sich die Jägerin und Miroku solche Mühe gaben, durfte sie auch nicht aufgeben. Sango zeigte ihr auch nur gelassen, wie sie den Bogen halten sollte, wie den Pfeil anlegen, damit die zurück schnellende Sehne sie möglichst nicht berührte. „Genau. Und jetzt versuche die Scheibe zu treffen. - Na ja, fast“, kommentierte sie den Fehlschlag. „Gehen wir eben erst einmal näher heran.“ Kagome war heilfroh, dass sich außer ihnen kein Mensch mehr im Hof befand. Sie wollte erneut anlegen, als sie bemerkte, dass Miroku erstarrte. „Sango, habt ihr Dämonen hier?“ fragte er. „Ja, ein paar, die uns helfen, warum?“ Aber die Jägerin blickte sich alarmiert um. Sie nahm an, dass der junge Mönch dämonische Energien spüren konnte – und wenn er jetzt etwas wahrnahm, das zuvor nicht da gewesen war, konnte das eigentlich nichts Gutes bedeuten. Wurmdämonen sollten das Anwesen ihrer Erzfeinde zwar meiden, aber manchmal war der Eine oder Andere so töricht. Ihr Blick fiel auf einen Vogel, der über dem hinteren Grundstück kreiste. „Eine Krähe!“ Sie rannte bereits zu der kleinen Pforte, bemüht, ihren verstorbenen Onkel vor der Totentanzkrähe zu schützen. Kagome bemerkte angewidert, dass der Vogel sich jetzt deutlich vergrößert hatte und rote Augen besaß. Das musste eine von diesen leichenfressenden Dämonen sein, der wohl auf Sangos Onkel losgehen wollte. Ohne weiter nachzudenken ließ sie den Pfeil von der Sehne, der im Flug hell ausstrahlte. „Oh“, machte Miroku neben ihr, als der Pfeil sein Ziel traf. Es gab etwas, das Kagome am ehesten als eine helle Explosion bezeichnet hätte, als sei die Krähe förmlich zersplittert, und dann war nichts mehr von dem Dämon zu sehen. Gar nichts.   Kapitel 10: Angriffe -------------------- Kagome ließ den Bogen verstört sinken. „War … war ich das?“ Der junge Mönch nickte, sparte sich aber die Antwort, da Sango bereits eilig zurückkehrte und zu ihm sah. „Nein, ich war das nicht“, erklärte er daher. „Das war Kagome. Und mit was für einer läuternden Energie. Jetzt merkt man davon wieder überhaupt nichts.“ Er blickte zu der Bogenschützin, die verständnislos von Einem zum Anderen sah. „Anscheinend schlummert die Magie in dir und wird nur von bestimmten Dingen aufgeweckt, Gefühlen oder so.“ „Jedenfalls, danke.“ Die Dämonenjägerin guckte zu ihrer Freundin. „Sieh nicht so drein, Kagome. Du hast meinen Onkel gerettet.“ „Ja, aber … wie?“ erkundigte sich diese entgeistert. „Du hast die Krähe geläutert“, antwortete Miroku. „Und das mit wirklich starker Magie. Man sollte dich als Dämon nicht unbedingt ärgern, will mir scheinen. Jedenfalls ist der Bogen die richtige Sache für dich. Du solltest mal auch zuhause damit üben.“ Sango nickte. „Du kannst den hier behalten. Und jetzt üben wir noch hier.“ Normalität war wieder angesagt, so war sie ausgebildet worden.   Inu Yasha hörte die Nachricht von Miroku sofort am Montagmorgen und war zufrieden, dass er sich nicht getäuscht hatte, und so die Higurashis für noch eine Generation ihren Schrein behalten durften. Und er war begeistert, als er hörte, dass Kagome ihn noch einmal sehen wollte. Vielleicht wäre es doch möglich sich mit ihr irgendwie anzufreunden, ohne gegen Vaters Gebot zu verstoßen. Auf jeden Fall wollte er sich mit ihr nächste Woche als Reddemon treffen, da war Neumond und er wurde zu einem Menschen. So würde sie ihn bestimmt nicht wieder erkennen, nun ja, als ihren Chatpartner.   Als er sich abends kurz nach neun an den Computer setzte, hätte er fast geseufzt. Er spürte seine Armmuskulatur nur zu deutlich und auch einige Prellungen, die aber rasch verschwinden würden. Zwei Stunden jeden Tag Training mit Sesshoumaru? Das konnte nur heiter werden. Er kämpfte noch immer mit dem Gewicht Tessaigas, musste das mit beiden Händen halten – und hatte schon gesehen, dass sein Halbbruder mit seinem Schwert keinerlei Probleme hatte, ja anscheinend seine dämonische Energie mit der Klinge verbinden konnte. Zum Glück hatte der das heute noch nicht gegen ihn eingesetzt, sondern nur Stahl auf Stahl getestet. Inu Yasha gab sich allerdings nicht der Illusion hin, dass dies eine Rücksicht auf ihn gewesen war. Vermutlich morgen schon wäre das anders. Immerhin hatte sein Halbbruder merken müssen, dass er nicht so leicht zurückzudrängen war, auch Kraft besaß. „Hallo, Juwel!“ tippte er, als er sie online sah. „Wie war das Wochenende?“ „Guten Abend, Reddemon.“ Sie berichtete von der Totentanzkrähe. „Ich war wirklich erschrocken und überrascht, aber Miroku meinte, es sei kein Wunder, dass man bei einem Test nichts bemerken konnte. Das kann ich anscheinend nur, wenn ich wütend bin oder so. Jedenfalls habe ich zwei Zeugen, dass ich es kann.“ „Ja, da könnt ihr sicher den Schrein behalten.“ „Und am Freitag habe ich noch einmal Audienz bei Inu Yasha. Ich muss mich doch für seine Idee bedanken.“ Er freute sich schon darauf, aber davon sollte sie lieber nichts erfahren. „Ja, mach nur. - Juwel, nächste Woche bin ich wieder in der Stadt. Am Dienstag.“ Er warf einen raschen Blick auf den Kalender. Doch, das war die Neumondnacht. „Vielleicht können wir uns treffen? Nach der Arbeit?“ Er wartete mit einem seltsam pochenden Herzen. „Ja, gern. Eine gute Idee. Es gibt da ein kleines Lokal … “ Sie beschrieb es. „Kennst du das? Sie haben Sushi.“ „Äh, nein. Ich wollte eigentlich in das Tora-Tora. Kennst du das?“ „Ist das nicht recht teuer?“ „Keine Sorge, ich lade dich ein.“ „Das meinte ich nicht.“ Kagome spürte, dass sie rot wurde. „Das will ich nicht, ich meine, du bist auch in Ausbildung.“ „Ich habe eine Kreditkarte vom Kendama.“ Ach du je, war das etwa falsch gewesen? Er wollte sie doch nicht beleidigen. „Die ist nur dafür da, dass ich mir Essen kaufen kann, wenn ich unterwegs bin. Ich nutze sie sowieso kaum, da kann ich dich auch damit durchfüttern. Und keine Angst, das ist vollkommen legal.“ Keine Angst. Doch, die hatte sie, mehr als er glauben würde. Aber nicht vor ihm, sondern vor Mittwoch. Was sollte sie nur Naraku sagen? Hoffentlich wäre der zufrieden. Aber ein Treffen mit Reddemon wäre etwas Nettes. Oh, war das etwa ein Date? Nein, doch nicht mit einem Jungen, den sie nur einmal gesehen hatte. „Ja, in Ordnung. Dann treffen wir uns um sieben vor dem Tora-Tora. Ich weiß, wo das ist.“ „Gegenüber vom Rathaus.“ Inu Yasha atmete tief ein. Sie hatte zugestimmt. Und er hatte sich doch noch nie mit einem menschlichen oder dämonischen Mädchen verabredet. Nun ja, das musste er jetzt seinem Vater erzählen, schon, weil der bestimmt erwartete, dass er auch an diesem Abend mit ihm nach Hause fuhr, aber der hatte doch gesagt, er solle zu ihm kommen, wenn er mal mit einem Mädchen … Nein, das war ja der Tag dieses Wirtschaftsgipfels. Und Vater hatte ja schon gesagt, er stelle ihm einen Fahrer zur Verfügung. Hm. „Fein, ich freue mich.“ „Auf der Rückfahrt von den Dämonenjägern habe ich übrigens Kouga wieder getroffen, ich meine, Herrn Okami.“ Der Halbdämon starrte auf die Zeilen. „Kouga? Hat er dir etwa angeboten ihn beim Vornamen zu nennen?“ „Ja. Er war sehr nett.“ Verdammt, was machte dieser Mistkerl da mit Kagome? Ruhig bleiben, sich nicht verraten, ermahnte er sich. „Das solltest du jedenfalls nicht im Kendama machen.“ „Ja, das sagte er auch.“ Aha, das Wölfchen wollte sich also unauffällig an sie heranmachen, damit er selbst das nicht mitbekam, oder? Da hatte sich Kouga aber geschnitten. Sie ging mit IHM aus, nicht mit dem. Oder? Besorgt schrieb er: „Hast du dich auch mit ihm verabredet?“ „Nein, wie kommst du denn darauf? Das ist nicht nett.“ Und ein etwas grimmiges Smiley. Au weia, wie kam er da jetzt wieder raus? Er wollte sie doch treffen. „Entschuldige. Ich war nur erstaunt. Dämonen machen so etwas normalerweise nicht mit Menschenmädchen. Ich meine, ausgehen.“ Dieser Wolf sollte sich trauen sie anzufassen! „Macht er ja auch nicht. Er war nur nett. - Wie war dein Wochenende? Hast du mit deinem Vater Sport getrieben?“ „Ja, auch mit meinem Bruder.“ Er war froh, dass er das Gespräch in harmlosere Bahnen lenken konnte. Das war anscheinend jedenfalls ein Punkt, wie auch das Geld, bei dem er bei Menschen oder Frauen im Allgemeinen vorsichtig sein musste.   Am Dienstag wartete Kagome vergeblich auf ihren Chatpartner, ein wenig verwundert, dass er nicht gesagt hatte, dass er keine Zeit habe. Aber vielleicht musste er so lange arbeiten. Morgen war sie mit Sango in der Mittagspause verabredet und sie hoffte, dass sie bis zum Abend das unangenehme Gespräch mit dem Herrn des Gumo hinter sich gebracht hatte. Länger als zu dem von ihm angegebenen Termin wagte sie nicht zu warten. Da käme bestimmt irgendetwas, zumal ihr auch gestern und heute Verfolger in der U-Bahn aufgefallen waren. Allerdings auch nur, weil sie nach ihnen gesucht hatte. Naraku hatte sie am Haken, dachte sie. Und weder Reddemon noch Sango konnten ihr da helfen.   Inu Yasha musste in der Tat arbeiten – wenn man das abendliche Training mit seinem Halbbruder so bezeichnen konnte. Nachdem sie sich beide umgezogen hatten und mit ihren Schwertern auf den Übungsplatz gegangen waren, hatten sie sich angesehen. Sesshoumaru zog. „Heute werde ich dich nicht mehr schonen.“ „Keh, wie großzügig von dir das anzukündigen.“ Damit hatte er schließlich schon gerechnet. Wenn der Mistkerl ihn quasi mit Vaters Erlaubnis schlagen durfte, würde er die Gelegenheit nutzen. Da half wohl nur dem Halbbruder zu zeigen, dass er nicht ganz wehrlos und schwach war, ja, dem womöglich sogar Respekt einzubläuen. Immerhin hatte er sich in den letzten beiden Tagen an das Gewicht Tessaigas so gewöhnt, dass er die schwere Klinge mit beiden Händen führen konnte. Ohne weiter nachzudenken lief er los und schlug zu, nicht überrascht, dass Sesshoumaru Tokejin hochzog und Stahl auf Stahl parierte. Das war auch gestern schon so gewesen. Zum ersten Mal allerdings pressten sie so ihre Klingen mit stetig steigendem Druck aneinander, maßen in direktem Kontakt ihre Kräfte, beide bemüht, den Anderen zurückzudrängen. Der ältere Halbbruder stellte dabei mit gewissem Erstaunen fest, dass es nicht so einfach war wie zuvor gedacht den Mischling zu Boden zu schicken. Aber das gab er nicht zu erkennen. Vaters Anweisung lautete, sie sollten gegeneinander üben um ihre Techniken zu verbessern. Nun, das würde er tun – wenn der Junge dabei Schaden nahm, konnte er selbst kaum dafür verantwortlich gemacht werden. Zumindest, solange er nicht übertrieb. Blessuren passierten eben, wenn man nicht aufpasste oder zu schwach war. Inu Yasha sprang zurück um aus dem direkten Kontakt zu kommen. Ihm war bewusst, dass der Ältere auch der Stärkere war, und dass er so nur verlieren oder schlimmer, sich blamieren, würde. So blieb er stehen, beide Hände um Tessaigas Griff, die große Klinge vor sich haltend, um den Angriff zu erwarten. Zu seiner gewissen Überraschung machte sein Halbbruder einen Satz auf ihn zu und schlug mit Tokejin zu. Stahl auf Stahl, nicht, wie er es gestern, wenngleich bei Einzelübungen, schon gesehen hatte mit dämonischer Energie. Nun gut, damit konnte er umgehen. So parierte er, in dem er sein Schwert empor riss. Die nächste Attacke folgte sofort.   Minuten später fluchte Inu Yasha in Gedanken. Jetzt wusste er, was Sesshoumaru damit gemeint hatte, er würde ihn nicht schonen. Das war praktisch ein ernster Kampf, ein Duell. Angriff folgte auf Angriff, ohne dass er auch nur eine Pause erhielt. Er spürte, dass das doch ungewohnte Gewicht seines Schwertes sich in seinen Armen bemerkbar machte. War es das, was der Halbbruder beabsichtigte? Das er Tessaiga fallenließ? Oder schlimmer, da er ebenso bemerkte, dass der Stahl unter den dauernden Schlägen zitterte, dass es zerbrach? Vater würde alles andere als begeistert sein, wenn er das neue Schwert, das zudem bestimmt teuer gewesen war, gleich kaputtmachte. Die nächste Attacke. Verdammt, wenn das so weiterging .... Er musste sich zusammennehmen, besser konzentrieren, dachte er noch, als er begriff, dass es diesmal anders war. Nicht nur ein Schlagabtausch, sondern Sesshoumaru hatte den Druck beibehalten, drückte Tessaiga mit Tokejin beiseite und stand keinen Schritt vor ihm. Inu Yasha erkannte ein winziges Lächeln, das um den Mund des Älteren zuckte, ehe er dessen Linke auf sich zukommen sah, gegen seine Nase schlagend. Unter dem Schock des jähen Schmerzes und dem harten Aufprall taumelte er zurück, gerade noch erkennend, dass Sesshoumaru sein Schwert fallen ließ und mit der rechten Faust erneut nach ihm schlug. Diese leuchtete grün. Er begriff entgeistert, aber da setzte schon der brennende Schmerz ein. Sesshoumaru besaß, ungewöhnlich genug für einen Hundedämon, die Fähigkeit in seiner rechten Hand ätzende, giftige Säure zu bilden. Diese bewirkte jetzt bei ihm, dass er nichts mehr sehen konnte. Er sprang zurück und versuchte mit der Linken seine Augen freizureiben. Vergeblich. „Was sollte das? Das war unfair!“ „Vaters Anweisung lautete mich zu verbessern. In einem wahren Kampf ist alles erlaubt“, kommentierte Sesshoumaru kühl. War es das? Wollte der Mistkerl ihn durch einen scheinbaren Trainingsunfall umbringen? Ja, er hatte immer gewusst, dass der ihn nicht besonders leiden konnte, aber, dass der so weit gehen würde? Instinktiv wich Inu Yasha etwas weiter zurück und versuchte mit Hilfe von Nase und Ohren herauszufinden, was sein Halbbruder plante. Falls der ihn wirklich umbringen wollte, musste er sich wehren. Dämonische Energie, das musste Sesshoumaru sein. Er war offenbar hochgesprungen, das konnte er wittern. Aber da war noch etwas, wie er es nie zuvor wahrgenommen hatte. Er spürte, dass Tessaiga in seiner Hand zitterte, als ob es ihn auf etwas aufmerksam machen wollte. Zwischen der Luft und der Energie Sesshoumarus befand sich etwas anderes – eine Spalte, ein Riss? Im Nichts der Luft? Er würde keine andere Chance haben, wenn ihn sein Halbbruder ermorden wollte – und das nahm er stark an, warum hätte er ihn sonst blenden sollen. So schlug er mit Tessaiga zu, nach diesem seltsamen Riss im Wind zielend. Ein lautes Donnern klang über den Trainingsplatz, der Boden zitterte so, dass die Wachen aufmerksam wurden – und der Fürst selbst.   Inu Yasha lauschte. Was war denn jetzt los? Hatte er etwa Sesshoumaru besiegt? Wo war der? Der war doch kaum bewusstlos, oder? Oder wollte der doch nur einen Trainingskampf? Warum sagte der nichts? Seine Nase verriet ihm nur, dass der Boden aufgewirbelt sein musste, Staub und Erde. Nichts von seinem Bruder. Er ließ müde sein Schwert los. Sein Name. Er wandte den Kopf: „Vater? Sind Sie das?“ Der Inu no Taishou warf bloß einen Blick auf den Boden. Tiefe Scharten und Kerben, der aufgewirbelte Staub des zerstörten Übungsplatzes zeigten ihm, was passiert sein musste. Nur … „Du hast die Windnarbe also gefunden. Wo ist Sesshoumaru?“ „Das weiß ich nicht. Ich kann nichts sehen.“ „Was ist geschehen?“ Jetzt erst erkannte der Vater, dass sein Jüngster sich über die Augen rieb, wohl geblendet. „Wir kämpften, übten, wie Sie es wünschen. Auf einmal schlug Sesshoumaru mit der Faust zu, mit dieser Säure. Ich wurde geblendet. Und ich wollte mich wehren.“ Was bedeutete diese Windnarbe? War es dieser seltsame Riss in der Luft? „Aber wo ist Sesshoumaru?“ „Hast du gespürt, dass du ihn getroffen hast?“ Inu Yasha begriff, dass er gerade des Brudermordes verdächtigt wurde, und dachte hektisch nach. „Nein, ich glaube nicht. Es war nur dieser Lärm und er war weg.“ „Hatte er beide Schwerter dabei?“ „Ja, aber er kämpfte mit Tokejin.“ Der Taishou nickte ingrimmig, ehe er den Kopf zu seinen Kriegern wandte, die ebenfalls heran gelaufen gekommen waren, sich aber in höflicher Distanz hielten. „Bringt ihn in sein Zimmer. Und einen dämonischen Heiler zu ihm. - Und durchsucht den Park nach Sesshoumaru. Ich hoffe, dass Tenseiga sich nützlich gemacht hat.“ Ihm war nun klar, was passiert war. Inu Yasha hatte vermutlich durch die Blendung Angst bekommen und hatte instinktiv alles getan um sich zu verteidigen. Dabei hatte er die Windnarbe entdeckt, eine der Attacken, die Toutousai in diese Klinge geschmiedet hatte. Leider hatte er selbst nicht damit gerechnet, dass dies so bald geschehen würde – und dann auch noch in einem Übungskampf seiner Söhne miteinander. Immerhin hatte er den genialen Schmied gebeten dafür zu sorgen, dass sich die Beiden nicht gegenseitig umbringen konnten, eine Vorsichtsmaßnahme, gedacht für die Zeit nach seinem Tod, nicht nach drei Tagen. Jetzt war nur die Frage: wo war sein Ältester – und in welchem Zustand? Tenseiga hin oder her, die Windnarbe war als Attacke gegen ein Heer aus Dämonen gedacht, ein Distanzangriff. Nicht einmal Sesshoumaru konnte ihr auf eine solch kurze Entfernung ausweichen. Der Herr der westlichen Länder gab zu, dass er selbst auf diese Weise verletzt worden wäre, wie viel höher war die Gefahr für seinen kaum erwachsenen Sohn?   Sesshoumaru erwachte langsam. Was war nur geschehen? Der Übungskampf gegen Inu Yasha, ja. Er hatte den Jüngeren bewusst geblendet, um dem mal etwas mehr Vorsicht beizubringen im Kampf, aber dann hatte der … Ja, was hatte der gemacht? Er hatte nur noch eine ungeheure Energie auf sich zukommen gesehen, der er unmöglich ausweichen konnte. Jetzt lag er hier, offenbar verletzt, aber nicht in Stücken. Da war noch ein blaues Leuchten gewesen, ehe er das Bewusstsein verloren hatte. Er richtete sich mühsam auf. Ein Wald. War er noch im Schlosspark oder woanders? Seine Rüstung war geborsten, hatte ihn aber wohl ebenso geschützt wie .... Er sah zu seiner Hüfte. Tenseiga. Es konnte nur diese Klinge gewesen sein, die ihn hierher gebracht hatte. Tokejin lag wohl noch auf dem Kampfplatz. Etwas mühsam lehnte er sich gegen einen Baum. In seinem Anzug hätte er sein Handy dabei, aber hier musste er eben warten bis ihn jemand fand oder er sich erholt hatte. Beschämend, wenn Vater mitbekam, dass er gegen das Halbblut so schlecht ausgesehen hatte, noch dazu, weil er selbst leichtfertig gewesen war, Inu Yasha unterschätzt hatte. Genauer, dessen neues Schwert. Tessaiga verhalf anscheinend auch einem Halbdämon zu ungeahnter Stärke.   Naraku musterte die Pläne vor ihm auf seinem Schreibtisch, ehe er sich abwandte und aus dem Fenster sah. Der Besuch der kleinen Kagome bei den Dämonenjägern hatte sich auf jeden Fall für ihn gelohnt. Er hatte diese Gruppe vollkommen vergessen gehabt und war erst durch Bankotsus Nachricht, sie sei bei denen am Yoshi-Park, waren sie wieder in seinen Fokus zurückgekehrt. Interessant war natürlich nicht die Familie an sich, interessant war die Tatsache, dass ihnen ein wirklich riesiges Areal am Stadtrand gehörte, das direkt am Meer lag. Da ließ sich wirklich gewinnbringend etwas draus machen. Vielleicht ein ganzes Konzept aus Krankenhäusern und Rehakliniken, samt einem hübschen Wohnsitz, einem Schloss, für ihn selbst? Was dem Taishou recht war, sollte ihm billig sein. Grundstücke, die nicht dem Fürsten gehörten, gab es, waren aber gerade in der Hauptstadt dünn gesät. Nach dem Gesetz war es so, dass diese Böden und Häuser in der Hand der jeweiligen Familie blieben, bis diese ausstarb oder den Grund nicht mehr ordnungsgemäß nutzen konnte. Bei Schreinen und Tempeln erlosch dieses Recht, wenn niemand der Familie mehr über magische Fähigkeiten verfügte. Das würde für die Dämonenjäger kaum gelten. Also fiel dieses Grundstück wieder an den Fürsten, wenn die Familie ausgestorben war. Der Taishou verkaufte das dann wieder, in aller Regel, oder vergab das Recht für einen Schrein neu. Um an das Grundstück der Dämonenjäger zu kommen, durfte niemand der Familie mehr am Leben sein, folglich. Hm. Sinnvolle Arrondierung seiner Interessen oder verzettelte er sich? Er schätzte es allerdings mehrgleisig zu fahren. Dies war einer der Gründe für seinen großen Erfolg in den letzten Jahrzehnten. Er hatte nur einmal verloren, bedauerlicherweise kurz vor seinem Triumph, aber gegen den Inu no Taishou konnte man mal ins Leere laufen. Immerhin hielt seine Tarnung, und nicht einmal der alte Hund hatte ihn wiedererkannt – nicht nach dem Zwischenfall mit dem Juwel, aber auch nicht aus alten Zeiten in seiner früheren Gestalt. Auch da hatte sich seine Vorsicht ausgezahlt. Nun gut. Es würde in jedem Fall nicht schaden, wenn sich die sieben Krieger mal ein wenig das Anwesen der Dämonenjäger ansehen würden, Informationen sammelten. Dann könnte er noch immer entscheiden. Aber das Juwel der vier Seelen sollte Vorrang vor allem anderen haben. Sein Telefon klingelte und er wandte sich um. Da er sah, dass es sich um Bankotsu handelte, hob er ab. War etwas mit Kagome, die nach wie vor beschattet wurde? Der Sicherheitsfachmann klang ein wenig amüsiert. „Ich wollte Sie nur davon in Kenntnis setzen, dass es einen Zwischenfall im fürstlichen Schloss gegeben hat. Anscheinend hatten beide Prinzen miteinander einen kleinen Trainingsunfall.“ „Sollte ich sagen, dass mir das Leid tut? Was ist geschehen?“ Lebten die Welpen noch? „Wenn ich richtig informiert bin, weiß das momentan noch niemand. Zu Inu Yasha wurde ein Heiler gerufen und Sesshoumaru ist nicht auffindbar.“ Um Narakus Mund spielte ein zynisches Lächeln. „Wie ungemein peinlich für den werten Fürsten, dass sich sein Nachwuchs gegenseitig an die Gurgel geht.“ Würde das den Taishou ablenken? Möglich, aber kaum so sehr, dass der sein Schloss ohne Wachen lassen würde. Überdies war nicht gesagt, dass sich das Juwel der vier Seelen auch dort befand und nicht woanders. Das sollte ja Kagome für ihn überprüfen. Bankotsu wartete einen Moment, ehe er fragte: „Noch etwas zu der Kleinen?“ „Kagome? Nein. Sie soll mich am Mittwoch anrufen. Tut sie das nicht, seid ihr dran. Ist sie brav, habe ich einen neuen Auftrag für sie.“ Jahrelange Erfahrung im Bereich Erpressung hatte ihn gelehrt, dass man dem Opfer auch Pausen gewähren musste, damit es die Illusion hatte seinem Schicksal entkommen zu können, solange es mitspielte. Kagome wäre eine zu gute Zeugin gegen ihn und für seine Pläne – sie würde so oder so nicht überleben. Und Bankotsu benötigte ab und an etwas, das seine Männer besonders schätzten. Kapitel 11: Verletzungen ------------------------ Sesshoumaru lehnte noch immer müde an dem Baum. Was war das nur für eine Attacke gewesen, die das dämliche Halbblut da hervorgezaubert hatte? Oder vielmehr, Tessaiga? Das würde er ihm heimzahlen, irgendwie. Der Narr hätte ihn fast umgebracht. Leider würde sein verehrter Vater das Nesthäkchen wohl beschützen wollen. Aber Inu Yasha konnte sich schon mal darauf einstellen, dass die nächsten Trainingsstunden mehr als schmerzhaft für den werden würden. Ein Rascheln ließ ihn den Kopf wenden. Etwas Kleines, Schwarzhaariges, stand da und starrte ihn an. Das war doch das Mädchen mit den Blumen? „Rin?“ Sie strahlte auf. Ja, das war sie, dachte er erleichtert. Immerhin befand er sich noch im Schlosswald, nicht allzu weit weg. Folglich würde auch kein Fremder ihn in diesem beschämenden Zustand sehen, bis er sich erholt hatte. Das kleine Mädchen näherte sich und fiel neben ihm auf die Knie. Wenigstens konnte sie nicht sprechen, dachte er. Aber was wollte sie nur bei ihm? Sie ließ ihren Rucksack von den Schultern gleiten. Anscheinend waren sie auf einem kleinen Ausflug hier im Wald – Frau Yoshi oder eine Erzieherin würde sie bald suchen kommen. Ärgerlich, wenn er von Menschen so zugerichtet gesehen wurde. Was machte sie denn jetzt? Tatsächlich. Sie bot ihm ihre Trinkflasche an! Was kam als nächstes? „Ich habe keinen Durst.“ Er sollte sie wegschicken, aber irgendwie erschien ihm das Unrecht, immerhin hatte sie ihm angezeigt, dass er nicht weit weg von Zuhause war. Und sie nickte auch nur ernsthaft und packte ihre Trinkflasche wieder weg. Er musterte sie. Sie wirkte irgendwie anders. Ah, der Vorderzahn war repariert worden. Dann würde er ja bald die Zahnarztrechnung auf seinem Schreibtisch vorfinden. „Seit wann ist dein Zahn in Ordnung?“ erkundigte er sich – und wurde erneut verblüfft, als ihm diese, doch nun wirklich harmlose, Frage ein erneutes, strahlendes Lächeln eintrug. „Ah, du kannst ja nicht reden. - Ist Frau Yoshi in der Nähe?“ Sie schüttelte den Kopf und deutete hinter sich, dann auf sich, auf ihn und zurück. „Ob du sie herholen sollst? Nein. Ich erhole mich, dann gehe ich zurück ins Schloss.“ In der Erkenntnis, dass sie ihn zweifelnd ansah und wohl lieber nicht allein lassen wollte, ergänzte er: „Du solltest zurück zu deiner Gruppe gehen. Sie werden dich suchen.“ Wieso wollte dieses menschliche Kind ihm helfen, ja, anscheinend ihn beschützen? Das war geradezu lächerlich, zeigte aber wohl nur, wie er aussehen musste. Zum ersten Mal warf er einen Blick auf seine gewöhnlich blütenweiße Boa, auf der sich Blutspritzer zeigten. „Rin, geh.“ Sie nickte und stand auf, warf ihm jedoch noch einmal einen deutlich zweifelnden Blick zu, ehe sie gehorchte. Nicht, ohne ihn aufmunternd anzulächeln. Nun, er vermutete, dass das aufmunternd sein sollte, denn ihn hatte bislang noch nie ein Mensch so angelächelt. Alleingelassen schloss er die Augen. Es würde bestimmt Stunden dauern bis er einigermaßen gehfähig war, Tage, bis er sich ganz erholt hatte. Nun gut. Wenn Vater mitbekam, was geschehen war, würde er bestimmt Krieger ausschicken um ihn zu suchen, zumal dieser ja nicht wissen konnte, ob er noch am Leben war. Ein anderer Verdacht stieg in ihm auf. Hatte Inu Yasha das etwa geplant? War er aus dem Weg, der rechtmäßige Erbe, konnte der Mischling zumindest, wenn schon nicht auf den Fürstentitel, so doch auf das Vermögen hoffen. Aber dazu, erkannte er dann, hätte Inu Yasha wissen müssen, was sein Schwert konnte. Und sowohl Vater als auch Toutousai hatten ausdrücklich gesagt, dass keiner von ihnen beiden wisse, was ihre Klingen vermochten und das erst lernen mussten. Blieb also nur die Erkenntnis, dass sein kleiner Halbbruder entweder sehr viel Glück gehabt hatte – oder aber zu einem ernst zu nehmenden Gegner heranwuchs, vor allem, solange er dieses Schwert schwenkte.   Inu Yasha spürte, dass der Heiler erneut seine Augen auswusch. Diesmal blinzelte er heftiger, dann konnte er durch die Nässe verschwommen etwas erkennen. „Vater?“ „Kannst du wieder sehen?“ Der Inu no Taishou trat an das Bett. „Einigermaßen. Aber das wird schon. - Haben Sie Sesshoumaru gefunden?“ Immerhin war der Junge besorgt – tatsächlich um den Halbbruder, oder doch eher um sich, weil er unter Mordverdacht stand? „Noch nicht. Als du nichts mehr gesehen hast, hast du Angst bekommen?“ Er musste herausfinden, wieso sein Jüngster so schnell den gefährlichen Angriff in seinem Schwert entdeckt hatte. Toutousai hatte versichert das dauere Jahre, außer man würde in einem Krieg stehen, da ginge es wohl schneller. „Nicht deswegen“, verteidigte sich Inu Yasha sofort, der wusste, dass Angst vor etwas als menschliche Schwäche gesehen wurde. „Aber ich konnte einfach keinen Grund erkennen, warum Sesshoumaru so unfair in einem Schwertkampf handeln sollte.“ „Sagte er denn nichts dazu?“ Das klang selbst für seinen schweigsamen Erstgeborenen eigen. „Er sagte, Sie hätten ihm befohlen seine Kampftechnik zu verbessern. Und in einem echten Duell seien auch alle Mittel erlaubt.“ „Womit er Recht hat. Was dachtest du dann?“ Ja, wo lag denn das Problem? „Ich wusste es nicht. Aber ...“ „Nun?“ Das war ein eindeutiger Befehl und so erwiderte Inu Yasha mit gewissem Zögern doch gehorsam: „Ich war mir auf einmal nicht mehr sicher, was er vorhat. Ich dachte, er will mich wirklich umbringen.“ Damit war es klar. „Und Tessaiga reagierte.“ „Ja, es vibrierte.“ Der Herr der Hunde blieb sachlich. „Erstens solltest du etwas mehr Vertrauen in deinen großen Bruder haben, aus mehreren Gründen. Zweitens: Tessaiga ist das Beschützerschwert. Es wird dich schützen und dir helfen andere zu beschützen. - Ich werde jetzt selbst nach Sesshoumaru suchen.“ „Danke.“ Vater war bei ihm geblieben, bis er sicher war, dass es ihm gut gehe, und hatte nur die Krieger auf die Suche nach seinem Ältesten geschickt. War das, weil er ihn doch mochte? Oder weil er eben der Jüngere, der Schwächere, war und sich Sesshoumaru schon irgendwie helfen konnte? Gleich. „Wie spät ist es?“ fragte er. „Zehn, Inu Yasha-sama,“ erwiderte der Heiler. „Ich gebe Ihnen jetzt ein Schlafmittel.“ Der Chat! „Ab wann darf ich wieder aufstehen und an den Computer?“ „Aufstehen morgen früh. Sie haben recht gute Selbstheilungskräfte und werden morgen früh wieder Ihre volle Sehfähigkeit besitzen. Aber an den Computer erst am Freitag.“ Der junge Halbdämon seufzte. Da war es dahin, sein Gespräch mit Juwel, für diese Woche. Denn Freitag Abend bis Sonntag wollte Vater seine Söhne um sich haben. Und Vater würde auch von den Anweisungen des Heilers erfahren. Da gab es kein Mogeln. Zumindest nicht ohne Strafe. Und da wartete ganz bestimmt noch eine andere auf ihn. Den Erbprinzen um ein Haar umzulegen, gleich aufgrund welchen Missverständnisses, galt eigentlich als Hochverrat.   Sesshoumaru sah auf, als er einen vertrauten Geruch in die Nase bekam. Der große weiße Hund vor ihm verkleinerte sich und verwandelte sich in den nur scheinbar menschenähnlichen Fürsten. „Verehrter Vater.“ Er neigte höflich den Kopf. Immerhin hatte dieser ihn gefunden und nicht einfache Krieger. „Sie wissen, was geschah?“ „Ich weiß, dass Inu Yasha die Windnarbe entdeckte und dich damit ziemlich verletzt hat, ja, getötet hätte, wenn du nicht Tenseiga bei dir gehabt hättest. Ich weiß, dass du ihn zuvor geblendet hast.“ Der Inu no Taishou musterte seinen Ältesten. „Du wirst dich bald erholt haben.“ Hundekrieger hatten ihn informiert, als sie glaubten die Witterung des Erbprinzen in der Ferne wahrnehmen zu können, und er war dem Geruch gefolgt, besorgt, dass Blut dabei war. Aber das sah nicht so schlecht wie befürchtet aus. Tenseiga schien seinen Besitzer wirklich zu beschützen. Die Energie war niedrig, die körperlichen Wunden würden jedoch bald nicht mehr zu sehen sein. „Ja.“ Er blieb neben seinem Sohn stehen und betrachtete den Wald, ehe er fast nachdenklich sagte: „Weißt du, dass Inu Yasha die Windnarbe nur fand und einsetzte, weil er annahm du wolltest ihn umbringen?“ „Er sollte wissen, dass ich nicht dazu neige meine eigenen Handlungen ungeschehen zu machen.“ „Er weiß nicht, was damals geschah.“ „Sie haben es ihm nie erzählt?“ Sesshoumaru war erstaunt. Das erklärte natürlich manches, inklusive den von ihm oft genug getadelten mangelnden Respekt ihm gegenüber. Der Dämonenfürst sah ihn nicht an. „Auch ich habe meinen Stolz, mein Sohn. Du hast mir das Leben gerettet und auch Inu Yasha. Aber das wollte ich nicht einmal ihm gegenüber zugeben. Wohl ein Fehler. Er hatte allerdings keine Ahnung, warum du dein Gift eingesetzt hast.“ „Ich sagte ihm, dass man in einem echten Duell immer auch mit Finten und Fallen rechnen muss.“ „Du hast es wohl anders formuliert.“ „Ja.“ Dieses törichte Halbblut hatte wirklich gedacht, er wolle ihn töten, bei einem Trainingsunfall, anscheinend. Nun gut, das erklärte auch, warum der mit allen Mitteln zurückgeschlagen hatte. Eigentlich eine lobenswerte Sache bei einem dämonischen Krieger – zumindest, wenn man nicht das Opfer war. „Wie geht es ihm?“ „Er kann wieder sehen.“ Der Herr der westlichen Länder bemerkte, dass sich sein Ältester erhob, wenngleich noch ein wenig langsam und unelegant. „Wie kämpft er mit Tessaiga?“ „Keine Taktik. Aber mit dieser Windnarbe ein wirklich interessanter Gegner.“ „Selbst für dich.“ Das war ein großes Lob, aber das würde Inu Yasha nie zu hören bekommen. Sesshoumaru blickte seitwärts. „Verehrter Vater, Sie wissen, dass ich ihn nicht für voll nehmen kann. Aber ich werde nicht lügen. Und so verletzt hat mich seit dem Großen Krieg niemand mehr.“ Wenn denn je. „Ich wollte ihn wenig herausfordern, ja. Das ist mir gelungen.“ Der Vater wurde besorgt, wenn er daran dachte, was sein Nachwuchs anstellen würde, wenn sie sich mehr als nur „ein wenig herausfordern“ würden. Hoffentlich hatten sie beide aus dem heutigen Zwischenfall gelernt und hoffentlich würden die zwei Schwerter das halten, was er von Toutousai gefordert hatte: dass sich seine Söhne nicht gegenseitig umbringen konnten. Nicht einmal aus Versehen.   Im Schloss zog sich der Erbprinz mit Erlaubnis des Fürsten unverzüglich in seine Räume zurück. Der Inu no Taishou blieb in seinem Arbeitszimmer, stellte sich jedoch an das Fenster und blickte durch die Stäbe in die Dunkelheit. Das war knapp gewesen. Fast hätte er beide Söhne verloren. Hätte er nicht Toutousai ausdrücklich die Anweisung gegeben, dass sie sich nicht gegenseitig … Oh, nicht daran zu denken. Inu Yasha hätte Sesshoumaru auf Grund eines fatalen Missverständnisses ermordet. Und er hätte seinen eigenen Sohn wegen Hochverrates zum Tode verurteilen müssen. Dass es so weit kommen konnte. Nun gut. Sesshoumaru hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass er den Halbdämon nicht für vollwertig hielt. Er verachtete Menschen als die mindere Art und sah bei Inu Yasha auch immer nur die menschlichen Schwächen. Zugegeben, er selbst hatte gehofft, dass sein Erbe aus dem neu befohlenen Training auch lernen würde, dass der Jüngere ebenso dämonische Fähigkeiten zeigte, gerade im Kampf. Nur – SO war das nie geplant gewesen. Wie hatte Inu Yasha nur auf die Idee kommen können sein großer Bruder wolle ihn umbringen? Schön, sie hatten sich nie besonders gut verstanden, das war aber unter Dämonen, zumal Brüdern, nicht üblich. Da gab es Konkurrenz, und das war auch gut so, wie sollte man sich sonst weiter entwickeln. Aber … Kein Aber, du Narr, schalt er sich selbst. Inu Yasha war kein Dämon, auch, wenn er unter solchen aufwuchs und sein Sohn war. Das menschliche Erbe seiner Mutter lag desgleichen in ihm, durchaus ebenso stark. Hatte er selbst nicht schon lange erkannt, dass sich der Junge nach Zuneigung, in allerdings menschlicher Art, sehnte, und ihm darum auch manches erlaubt, was er Sesshoumaru im gleichen Alter untersagt hatte? Hatte dieser wiederum daraus nicht schließen müssen, Inu Yasha wäre weicher als er und müsse, um der Familie, um ihm, dem Inu no Taishou, als Sohn würdig zu sein, stärker werden, härter? War das der eigentliche Grund für das Vorgehen in einer schlichten Übungsstunde, mit der Blendung? Umgekehrt: hatte Inu Yasha nicht aus der Tatsache, dass er eben einiges durfte, Sesshoumaru aber als einziger Sohn mit ihrem Vater arbeitete, zu Besprechungen herangezogen wurde, nicht nur schließen können, dass er der Jüngere war und seine Zeit noch käme, sondern, dass er der Schwächere war, auch in den Augen seines Vaters? Oder schlimmer, dass er für Sesshoumaru und ihren gemeinsamen Vater nur einen Unfall bedeutete, die Familienschande war? Und der Fakt, dass er noch am Leben war, nur der Ursache zu verdanken war, dass es keinen rechtlichen Vorwand gab? Und jetzt? Ein geplanter Trainingsunfall? Wie lange lag dieses Missverständnis schon zwischen den Brüdern? Und ihm selbst, erkannte er resignierend. Es war seine Schuld. Hätte er Inu Yasha schon früher gesagt, was damals passierte … Aber er wollte eben immer den richtigen Zeitpunkt suchen. Es gab nie einen. Und es würde auch nie einen geben. Sobald sich die Zwei erholt hatten, gleich morgen, musste er mit dem Jüngeren sprechen, zunächst, dann ein Gespräch zwischen ihnen herbeiführen. Auch, wenn es ihm selbst unangenehm war. Heute war es noch einmal gut gegangen, aber wer wusste, was in der Zukunft lag. Er trug Schuld an so vielen Toten in den Kriegen der Vergangenheit – aber er wollte es nicht auch an dem seiner Kinder tun. Eine unangenehme Lage für seinen Stolz war nur ein geringer Preis.   Sango lächelte, als sie sich mit ihrem Tablett zu Kagome setzte. „Hallo, ich muss mich noch entschuldigen.“ „Warum?“ Diese war erstaunt, aber auch ganz froh von ihren trüben Gedanken an das bevorstehende Telefonat mit Naraku abgelenkt zu werden. Ihre Panik stieg jedes Mal in ihr auf, wenn sie an das Gespräch dachte, ein ums andere Mal schwerer zu verdrängen. „Dich am Sonntag gleich mit Pfeil und Bogen überfallen zu haben.“ Die Jägern nahm ihr Glas. „Ich dachte eben nur, wenn du kein Mönch bist, könntest du wie ich sein.“ „Ach, es hat ja irgendwie funktioniert. Du brauchst dich da nicht zu entschuldigen.“ „Irgendwie doch. Ich meine, wir hätten es auch mit einem Mönchsstab versuchen können, aber ich kam gleich auf die Idee mit dem Bogen oder Schwert.“ „Du bist eine Jägerin. Und ehrlich gesagt, Miroku hatte doch gar keinen Stab dabei, oder?“ „Nein, er war ja mit dem Motorrad unterwegs. Eben deswegen dachte ich ja nicht dran. Aber einer meiner Verwandten hätte bestimmt einen gehabt.“ Sango trank einen Schluck Wasser. „Aber immerhin: unausgebildet eine Totentanzkrähe zu läutern, das heißt schon was. Anscheinend merkt man daran doch aus welcher Familie du stammst. Sogar, wenn man sonst nichts erkennen kann. Übrigens, du kannst am Freitag um fünfzehn Uhr zu Inu Yasha, hat dir das Miroku schon gesagt?“ „Äh, ich glaube nicht.“ Kagome griff aber lieber zur Handtasche um es sich im Handy zu notieren. Das fehlte noch, dass sie sich, neben der ganzen Sache mit Naraku und ihren Befürchtungen, auch noch Ärger mit den Doggies einhandelte. „Hättest du Lust mit mir einen Tenniskurs zu machen?“ „Wie kommst du denn darauf?“ erkundigte sich Kagome, während sie hastig die Notiz tippte und alles wieder verstaute. „Wirke ich auf dich so sportlich? Ich meine, du bist sicher durchtrainiert.“ Die Dämonenjägerin seufzte unwillkürlich, gestand dann jedoch: „Ich bin immer mit meiner Familie zusammen, übe mit denen und so weiter. Jetzt, wo ich hier arbeite, auch Miroku und dich kennengelernt habe, möchte ich gern auch einmal etwas außerhalb des Hauses unternehmen. Und Tennis, das gebe ich zu, habe ich noch nie gespielt. Ich sah allerdings unten am Schwarzen Brett, dass ein Anfängerkurs nur für Mädchen angeboten wird, ganz günstig. Und nur zehn Stunden. Wenn es uns nicht gefällt, lassen wir es eben, ja?“ „Ich werde es mir ansehen,“ versprach Kagome, die ihre Freundin nicht enttäuschen wollte, aber auch wenig Lust auf Sport verspürte. Vielleicht warf sie einen Blick drauf, morgen, wenn sie das Telefonat erledigt hatte. Heute Abend musste sie anrufen oder ihrem Großvater würde etwas zustoßen, da war sie sicher. Sie wurde dauernd beschattet – eine wortlose Drohung. Selbst wenn sie zum Fürsten gehen würde: Naraku wüsste es bestimmt, ehe sie die Audienz beendet hatte. Und was Opa dann zustoßen würde, war ihr nur zu bewusst. Der Chef des Gumo wäre allemal außer Landes und ihr Großvater tot. Sango sah sie besorgt an und so meinte sie: „Entschuldige, mein Großvater liegt noch im Krankenhaus, ich bin in Gedanken immer bei ihm.“ „Natürlich, das verstehe ich. - Inu Yasha ist heute übrigens nicht hier, aber auch der Fürst und Sessy, äh, Sesshoumaru, nicht.“ Kagome erkannte den Versuch von ihrem Opa abzulenken an und lächelte etwas gezwungen. „Nun ja, sie haben ja eben auch die Regierung am Hals. Vielleicht ein Staatsbesuch?“ „Sie müssen sich natürlich nicht abmelden. Jaken oder auch Myouga, das ist der engste Mitarbeiter des Inu no Taishou, wissen sicher Bescheid, aber unsereins bekommt da nichts mit.“ „Schon klar.“   Abends, in ihrem Zimmer, griff Kagome mit rasendem Herzschlag zu ihrem Handy. Sie musste den Chef von Gumo-Enterprises anrufen, ihre Zeit lief ab. Oder genauer, die ihres Großvaters. „Äh, Herr Naraku ..“ „Wenn das nicht die liebe Kagome ist.“ Er klang freundlich. „Nun?“ „Äh, ich habe am Freitag ein erneutes Gespräch mit Inu Yasha. Und ich war bei den Dämonenjägern, um meine Fähigkeiten zur Läuterung zu überprüfen.“ „Weiter.“ Sie hätte das kleine Telefon fast aus der zitternden Hand verloren. „Sie können so nichts Besonderes feststellen, aber ich habe Fähigkeiten, sagten sie. Sie ruhen nur meist. Und ich kann nicht kontrollieren, wann sie erwachen.“ „Die Fähigkeiten einer Priesterin?“ Das klang interessiert. „Ja, wohl, so ungefähr.“ Sie konnte kaum sprechen. „Dann bin ich sicher Sie werden das Juwel spüren, wenn es in der Nähe ist, meine Teure. Inu Yasha am Freitag, also.“ Er schwieg einen Moment. „Nun, dann machen Sie folgendes: bei diesem Gespräch werden Sie den Halbblutprinzen dazu bringen Sie in das Schloss einzuladen.“ Was? „Ja, aber wie?“ Irrte sie sich oder lachte er? „Kagome, Sie sind eine Frau. Und der gute Inu Yasha hat nicht so viele Bekannte im Allgemeinen oder gar weibliche. Gehen Sie in das Schloss und suchen Sie das Juwel.“ Das wurde ja immer schlimmer. Ihr Hals schnürte sich zu. „Und, wenn es nicht da ist?“ brachte sie irgendwie noch hervor. „Sie werden es spüren. Das berichten Sie mir. Falls es nicht da ist, sollte Ihnen Inu Yasha sagen können, wo der Fürst es versteckt hat. Ich bin sicher, Sie schaffen das.“ Er sollte ein wenig den Druck nachlassen, riet ihm seine Erfahrung. „Gehen Sie nur in das Fürstenschloss und fühlen Sie. Mehr möchte ich gar nicht. Und nächsten Mittwoch rufen Sie mich wieder an.“ Sie hörte, das die Verbindung unterbrochen wurde und legte ebenfalls auf, ehe sie das Handy neben sich auf ihr Bett gleiten ließ. Du liebe Güte. Wie sollte sie den Fürstensohn dazu bekommen sie in das Schloss einzuladen? Oder sollte sie vielleicht Reddemon fragen? Der arbeitete doch im Schloss, ja, lebte dort. Dazu müsste sie ihm allerdings wohl erzählen, warum und was sie mit Naraku verband. Nein, das wäre nicht nur peinlich, sondern würde ihr vermutlich eine Anklage bescheren. Und Opa war in Gefahr. Aber das wäre er auch, wenn sie es nicht fertig bringen würde in das Schloss zu gelangen – und zumindest bis nächsten Mittwoch einen Termin dafür ankündigen zu können. Sie spürte, dass ihr Kater zu ihr aus Bett sprang und streichelte ihn. Ach, ihr konnte niemand helfen Keine Katze, kein Hund. Kapitel 12: Aufklärung ---------------------- Inu Yasha wurde am Mittwoch Vormittag in das Arbeitszimmer des Fürsten gerufen. Als er sich dort niederkniete, bemerkte er, dass ihn der Inu no Taishou forschend anblickte. War das, wie es ihm gehe, oder war Sesshoumaru doch schwerer verletzt als man denken sollte? Von dem hatte er nur gehört, er sei in seinen Räumen geblieben. Und eine der ersten Lektionen, die er von seinem älteren Halbbruder erhalten hatte, war, dass er diese Zimmer niemals zu betreten habe. Überdies hätte er keine Ahnung, wie der hochwohlgeborene Dämonenprinz auch nur auf den Versuch eines Krankenbesuches durch den Täter reagieren würde. Der Vater begann kühl. „Da du offensichtlich einem gewissen Irrtum, um nicht zu sagen, mehreren, in Bezug auf deinen Bruder unterliegst, habe ich beschlossen, dir etwas aus der Zeit deiner Geburt zu erzählen. Als ich deine Mutter heiratete, hatten die Menschen den Großen Krieg verloren, und Dämonen und Drachen stritten nur noch um die Hoheitsrechte und die Aufteilung des Landes. Nicht alle Menschen waren, nennen wir es glücklich, mit diesem Kriegsausgang, viele hatten auch Angehörige in Schlachten verloren und so sollte eine derartige Heirat auch die Spannungen zwischen den Völkern beruhigen.“ Er hatte es dämonisch-sachlich erzählt und bemerkte ein wenig verwundert, wie die Energie seines Jüngsten anstieg, der sich sichtlich beruhigen musste und den Kopf senkte. Die Öhrchen zuckten dennoch immer weiter heftig. Was war jetzt los?   Ja, genau, dachte Inu Yasha. Eine Zweckehe. Um die Spannungen zwischen den Völkern zu beruhigen. Hatte er es nicht immer gewusst, dass er nicht gerade das Ergebnis einer Liebesehe war? Warum tat das dann jetzt so weh? Immerhin waren seine Eltern bereits verheiratet gewesen, als er entstanden war, das war immerhin schon besser, als er gefürchtet hatte, sein Vater habe sich mal im falschen Bett amüsiert und Mama, als sie unerwartet schwanger wurde, dann eben heiraten müssen. Oder war das eben so bei Dämonen? Sie waren doch immer so kühl, und er hatte auch noch nie gehört, dass Sesshoumaru das Ergebnis einer Liebesheirat sei – dessen Eltern lebten seit Jahrhunderten getrennt. Hatte er nur wieder einmal vergeblich auf menschliche Gefühle gehofft?   Der Fürst entschloss sich mit seiner Erzählung weiter zu machen und den Jungen am Ende Rede und Antwort zu stehen, wenn der etwas nicht verstanden hatte. Es sollte zumindest zwischen ihnen Beiden und den Halbbrüdern keine so fatalen Missverständnisse mehr geben. „Izayoi, deine Mutter, lebte zu ihrem Schutz in einem Sommerschloss, das ihrem Vater gehörte, abseits, um weder bei Menschen noch Dämonen besonders auf sich aufmerksam zu machen. Als die Zeit deiner Geburt nahte, forderte mich Ryuukossusei zum Kampf. Nicht der jetzige Erbprinz des Nordens, sondern sein älterer Bruder. Der Jüngere wurde nach ihm benannt, als er wenige Tage später geboren wurde. Ihr seid ziemlich gleich alt. Ich musste das Duell annehmen, da er sonst in die Gebiete eingefallen wäre, die nun von mir beansprucht wurden. Izayoi hoffte, sie würde dich erst bekommen, wenn ich wieder zurück wäre, aber es kam anders. Ich überließ ihren Schutz einem menschlichen General namens Takemaru Setsuna. Er diente ihrem Vater und ihr seit ihrer Geburt und ich nahm an, dass sie dort sicher wäre. Ein fataler Trugschluss. Der Kampf gegen Ryuukossusei war sehr hart und ich war schwer verwundet, als ich zu dem Treffen mit Sesshoumaru am Meeresstrand zurückkehrte, sicher, dass ich mich einige Zeit erholen musste und würde. Zu meiner Überraschung war Myouga da, den ich bei Izayoi gelassen hatte. Er berichtete, dass General Setsuna Krieger zusammengezogen habe, und wild entschlossen sei mich umzubringen. Izayoi und dich gleich dazu. Womöglich wollte er sich für den verlorenen Krieg rächen, vielleicht war es einfache, menschliche, Eifersucht, das habe ich nie erfahren. Ich musste also, schwach und verletzt hin oder her, unverzüglich zum Schloss. Sesshoumaru wollte mich weder aufhalten noch begleiten. Ich glaubte, dass er gar nicht begriffen hatte, dass ich meine Frau und mein Kind in jedem Fall beschützen wollte.“   Beschützen, dachte Inu Yasha. Ja, das klang nach Vater. Hatte er doch irgendwelche Gefühle für Mama besessen? Und indirekt damit auch für ihn? „Nun, am Schloss angekommen, erwarteten mich eine ganze Reihe menschlicher Krieger, die ich beseitigen musste. Als ich in das Schloss rannte, hörte ich das Schreien eines Neugeborenen, aber auch den Befehl, das Schloss mit Brandpfeilen zu beschießen. Setsuna wollte in der Tat mich und meine Familie umbringen. Er war so … fanatisch, dass er mir sogar in Izayois Schlafzimmer folgte, wo ich euch beide gefunden hatte. Sie war noch geschwächt von der Geburt, ich war verletzt - selbst für einen Menschen kaum ein ernstzunehmender Gegner, zumal das Dach über uns Feuer gefangen hatte. Ich schickte Izayoi mit dir hinaus, nachdem ich dir deinen Namen gegeben hatte, und stellte mich dem Kampf mit Takemaru Setsuna, in der Gewissheit, das nicht mehr zu überleben.“ Der Fürst sah zu seinem Sohn, der ihm kaum je so aufmerksam zugehört hatte. „Einer der Balken traf mich und meine Kleidung fing Feuer. Es sah nicht besondere gut aus, nein. Ich taumelte zurück und Setsuna hob das Schwert. Dann packte mich irgendetwas und ich konnte noch erkennen, dass der General zu Boden ging, ehe ich tatsächlich bewusstlos wurde. Meine Energie war vollständig aufgebraucht. Das ist selten, aber es kann auch mir passieren. Als ich erwachte, lag ich außerhalb des Schlosses am Waldrand, Izayoi stand neben mir, dich im Arm – und Sesshoumaru. Er war mir nachgekommen und hatte mich fortgebracht. Izayoi berichtete mir später, da er das verschwieg, dass er auch von dem Feuer fliehende, menschliche Krieger, die euch beide angreifen wollten, getötet hatte. - Sesshoumaru hatte sich in diesem Moment dafür entschieden mich zu unterstützen und mir das Leben gerettet. Da er niemand ist, der seine Meinung ändert, ist er auch heute noch absolut loyal zu mir. Gleichzeitig hatte er sich aber auch entschieden, zugegeben um meinetwillen, Izayoi und dich zu retten. Darum wird er nie versuchen dich zu töten. Das widerspräche seiner Handlung von damals.“ Der Halbdämon versuchte das Gehörte zu verarbeiten. „Aber, er kam mit Mutter nie so zurecht,“ wandte er dann ein. Vater hatte sein Leben eingesetzt, um Mama und ihn zu beschützen? „Nein. Aber er hätte auch nie versucht sie umzubringen, aus eben diesen Erwägungen. Dass er sie für schwach wie alle Menschen hielt, und sie darum verachtete … nun, das ist so.“ „Warum haben Sie mir das nie erzählt?“ erkundigte sich Inu Yasha doch mehr als neugierig, die anerzogene, dämonische, Beherrschung vergessend. Der Taishou zuckte ein wenig die seidenumhüllten Schultern. „Ich bin in der Geschichte nicht gerade der Held, weißt du. Und ein Vater möchte vor seinem Sohn gern als Held dastehen.“ Bei diesem ungewohnt gefühlsmäßigen Eingeständnis lächelte sein Jüngster und sah ihn gegen die höfische Rolle an. „Aber Sie sind ein Held in der Geschichte, Vater. Sie haben einen Drachen besiegt und Ihr Leben eingesetzt um Ihre Familie zu beschützen. Was wäre das sonst.“ Oh, dann war wohl auch sein Halbbruder einer. Komisch, so an den zu denken. Aber ja, damit war zumindest diese, seine, Besorgnis hinfällig. Sesshoumaru bereute nie etwas, das er getan hatte, und sei es, indem er sich die Welt so zurechtbog. Und das erklärte auch, warum Vater so sehr auf seinen Ältesten setzte, ja, den als rechte Hand ansah. Nicht nur, weil das eben der Erbe war und er den mehr wert schätzte, wie er selbst immer geglaubt und sich darum ein wenig zurückgesetzt gefühlt hatte, sondern weil dieser Sohn schon seine absolute Loyalität bewiesen hatte. Das musste, sollte und würde er selbst irgendwie nachholen. Er wusste nur noch nicht wie. Und Vater hatte, wie auch immer das ein Dämon sah, sich bedingungslos für Mama und ihn eingesetzt. Das war so seltsam warm im Herzen. Hatte er selbst nur wieder dämonische Gefühle und menschliche verwechselt? Oh, er musste seinem Vater ja noch davon erzählen, dass er mit Kagome in der Neumondnacht zum Essen gehen wollte. „Äh, wegen nächsten Dienstag ...“ Das gleiche Problem wie jeden Monat. So unterbrach der Taishou: „Es ist Neumond, ja. Du brauchst nicht mit zu dem Empfang am Abend. Bei den Wirtschaftsverhandlungen untertags solltest du dabei sein, danach verschwinde einfach und kehre hierher zurück. Ich lasse dir einen Fahrer zur Verfügung. Sesshoumaru und ich werden wohl erst gegen drei Uhr nachts nach Hause kommen.“ Oh, wunderbar, da brauchte er gar nicht ausprobieren, wie Vater auf die Tatsache, dass er mit einer Angestellten des Kendama ausging, reagierte. Eigentlich war das ja verboten, aber Inu Yasha sah in ihr weniger die Angestellte als seine Chatpartnerin. Und eine mögliche Priesterin. Wenn sie den Schrein ihres Großvaters übernehmen konnte, wäre sie ja keine Angestellte des Kendama mehr … Als er den Fürsten verlassen hatte, versank er in angenehmen Tagträumen.   Als Kagome am Mittwoch erwachte und zu ihrem Fenster blickte, erschrak sie zutiefst. Dort klebte ein Umschlag an der Außenseite. Zögernd öffnete sie das Fenster und nahm ihn. Sie war sicher, dass das von Naraku stammte – aber natürlich gab es keinen Absender, nur ihr Name stand darauf. Vorsichtig fast öffnete sie. Ein Foto. Sie zog es heraus – und ließ sich auf ihr Bett sinken, an allen Gliedern zitternd. Das war ein Bild von Souta, ihrem kleinen Bruder, aufgenommen direkt vor seiner Schule. Erneut eine wortlose Drohung, dachte sie, als sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Nicht nur Opa, nein, auch noch ihr Bruder! Dieser Mistkerl von Dämon! Ihre Angst schlug jäh in Wut um. Was dachte sich dieser Idiot eigentlich sie so unter Druck zu setzen? Sie musste Souta beschützen, auch Opa – und sie musste sich etwas überlegen, wie sie den Chef von Gumo Enterprises irgendwie los brachte, ja, den vielleicht ins Gefängnis bringen konnte. Genau. Sie atmete tief durch. Der würde sich noch wundern! Sie war eine Higurashi, und wenn sie daran dachte, dass sie Naraku ebenso läutern könnte wie diese Totentanzkrähe … Oh ja, genau. Das war eine wunderbare Idee, leider undurchführbar, aber sie würde sich das jetzt immer vorstellen, bis sie einen Plan gefunden hatte. Vielleicht sollte sie doch mit dem Prinzen sprechen, wenn sie ihm übermorgen die Kette überreichte? Auf jeden Fall würde sie Sango fragen, ob die bereit wäre mit ihr am Wochenende wieder Bogenschießen zu üben. Falls Naraku es wirklich wagen sollte Dämonen auf ihren kleinen Bruder zu hetzen, würden die sich wundern. Und sie würde unter Umständen dann auch mit der jungen Jägerin reden können, ihr diese ganze missliche Lage erzählen. Schließlich kannten die Dämonenjäger den Inu no Taishou und womöglich konnte Sango ihr sagen, wie der Fürst auf solch einen Bericht reagieren würde. Nun ja, im schlimmsten Fall nahm er wohl Wirtschaftsspionage an und sie musste ins Gefängnis. Aber Naraku würde dann auch bestimmt nicht ungeschoren davonkommen. Ja, genau. Das war ein Plan. Sie würde am Wochenende mit Sango reden. Naraku hatte sich mit dem falschen Mädchen angelegt.   Der Herr von Gumo Enterprises saß an seinem Schreibtisch, diesem den Rücken zugedreht, und musterte durch die riesige Glasscheibe vor sich die Silhouette der modernen Großstadt, den in der Ferne stehenden Turm des Kendama, als er fragte: „Nun, Bankotsu?“ „Die Kleine fand den Umschlag sofort und nahm ihn. Soweit ich sehen konnte, begann sie zu weinen.“ Der Söldner saß im Besucherstuhl, die Beine nachlässig ausgestreckt. „Sind Sie sicher, dass sie das packt?“ „Was meinst du? Ich bedrohe sie doch nicht. Das ist nur die überbordende Phantasie eines Mädchens, wenn sie weint, nur, weil sie ein Foto ihres Bruders sieht. Ich tue doch nichts Strafbares.“ Naraku drehte seinen Stuhl um und lächelte ein wenig. „Nun ja, fast. Hast du Nachrichten von Kyoukotsu?“ „Noch nicht.“ Der Unternehmer verschränkte langsam seine Finger. „Hm, ich zweifle nicht daran, dass du deine Männer passend auswählst, aber warum schicktest du ausgerechnet ihn, um sich als Krieger im Schloss zu bewerben? Er erschien mir nicht wie das hellste Licht am Kranz.“ „Eben darum. Er ist stark, fast wie ein Dämon, aber jeder merkt, dass er nicht sonderlich intelligent ist. Ich hoffe, dass der Anführer der Wachen dort das auch sieht und ihn einstellt, auch, wenn er ein Mensch ist. Dämonen halten Menschen gern für dämlich. Ihr Auftrag hat mich übrigens verwundert, da ich doch weiß, dass Sie schon einen Spion dort haben.“ Aber natürlich hatte er die Anweisung ausgeführt. Naraku zahlte gut. „Nicht in den Wachen. Und man muss die Dienstpläne und anderes kennen, wenn man weitersehen will.“ Ein Attentat auf den Fürsten selbst war risikoreich, auch ohne die dämonischen Krieger. Aber er plante es auch auf Sesshoumaru. Der Junge war anscheinend zu arrogant um sich mit Leibwachen zu umgeben und oft genug allein unterwegs. Und er war kaum erwachsen, sicher schwächer als sein Vater. Der Tod seines Erben würde dem guten Taishou zu schaffen machen, zumal jedem klar war, dass Inu Yasha nie als Fürst in Frage käme. „Rufe Kyoukotsu an.“ Bankotsu zog sein Handy und drückte eine Taste. „Er geht nicht ran, vielleicht ist er noch im Schloss. - Weitere Anweisungen?“ „Sobald er sich meldet, auch, wenn er nicht genommen wurde, rufe mich an. Übrigens werde ich in den nächsten Wochen in meinem Ferienhaus sein, ein wenig, äh, entspannen. Ihr solltet alle mitkommen. Ich erwarte interessanten Besuch, der euch zwar nicht sehen sollte, aber ich bin lieber vorsichtig.“ Das sollte man bei einem Drachen immer sein, vor allem aber, wenn man mit diesem Hochverrat gegen den Taishou plante. Darum auch das Treffen diesmal am Berg Hakurei, wo er selbst eine Villa besaß. Dort lagen interessante Bannkreise, die im Notfall auch gegen Ryuukossusei helfen würden. Der junge Drachenprinz war stark und impulsiv. Naraku fuhr stets lieber zweigleisig. Der Drache und das Juwel der vier Seelen – beides zusammen wäre besser, aber jeder einzelne Plan würde ihn seinem Ziel, der nächste Fürst zu werden, näherbringen.   Kouga lief querfeldein, schnell, wie es kein anderer Wolfsdämon vermochte. Er hatte einen Auftrag des Taishou als Bote und überbrachte einen Befehl in das Kendama, genauer, in die Verwaltung der westlichen Länder, die sich ja ebenfalls in diesem Haus befand. Sowohl der Fürst als auch seine Söhne blieben an diesem Tag noch zu Hause und Kouga wäre neugierig gewesen, wie sehr Sesshoumaru von dem Trainingsunfall betroffen war. Inu Yasha hatte er heute schon im Schloss herumlaufen sehen, den Erbprinzen nicht. Aber es wäre wohl auch nur töricht gewesen danach zu fragen. Sollte es der Halbhund fertig gebracht haben seinen vollblütigen Bruder tatsächlich zu verletzen? Das wäre bemerkenswert. Bislang hatte er selbst immer angenommen, der Junge sei eben schwach aus seinem mütterlichen Erbe heraus. Das musste er wohl korrigieren. Es wäre interessant ... Er rannte gegen etwas erstaunlich Hartes und sprang zurück. So schnell und in Gedanken unterwegs zu sein war unklug. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, dass vor ihm ein sehr großer, massiger Mann stand, anscheinend ein Mensch – aber so einen hatte er nie zuvor gesehen. Und der Zusammenprall schien dem nichts ausgemacht zu haben, trotz der Geschwindigkeit und der Tatsache, dass er selbst ein Dämon war. Jedenfalls schien der ärgerlich. Kouga musterte den Unbekannten. „He, ich habe dich nicht gesehen.“ Er wollte weiter rennen, aber die Hand des Riesen, die fast so groß wie sein Kopf war, schoss vor. Der Wolfsdämon entkam dem Schlag mit einem Satz seitwärts. Was war das denn für ein aggressiver Typ? „Ich bin ein Bote ...“ begann er, als er dem nächsten Schlag ausweichen musste. Na schön. Noch in der Landung sprang er erneut ab und dem Fremden entgegen, um dem einen festen Tritt gegen die Brust zu verpassen. Der Riese taumelte zurück, fing sich aber, zur Überraschung des Wolfsdämons. Das war doch kein Dämon? Jedenfalls ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten. Schon wieder schoss die gewaltige Faust auf ihn zu. Kouga sprang eilig beiseite, erkannte unverzüglich, dass es eine Falle gewesen war und sich die große Hand nun hinter ihm befand. Wenn der Riese ihn zu packen bekam, oder auch nur einen Treffer landete, wäre das alles andere als positiv für ihn. So machte er einen gewaltigen Satz über die Schulter seines Gegners, der seinen Schlag nicht mehr stoppen konnte und die eigene Nase traf. Kouga drehte sich eilig um. „Wo schlägst du denn hin?“ Der Fremde fuhr mit einem wütenden Knurren herum und schlug sichtlich wutentbrannt wieder zu. Kouga entkam erneut, vernahm jedoch in diesem Moment ein Klingeln. Der wilde Kerl wurde angerufen? Was war hier los? Jedenfalls war der nun wirklich wütend und schlug blind drauflos. Der Wolfsdämon hatte jedoch eine Ausbildung als Krieger bekommen, im Großen Krieg gekämpft. Überdies war er ein Dämon und bewahrte als solcher auch in einem Duell den Überblick. So gelang es ihm den rasch aufeinanderfolgenden Schlägen zu entkommen und sich mit einem gewaltigen Satz förmlich empor zu katapultieren. Sein kräftiger Tritt gegen die Stirn ließ den Fremden zusammensinken. Vorsichtig blieb Kouga stehen und starrte den Mann an. War der tot? Da sich der Riese nicht mehr regte, trat er näher. Ja, der war tot. Hm. Er musste jedenfalls den Zwischenfall melden, sobald er im Kendama war. Leute, die wegen eines Zusammenstoßes gleich so reagierten, gehörten überprüft. Und der Kerl hatte ihm nicht intelligent genug ausgesehen, um sich bei diesem Temperament Vorstrafen erspart zu haben.   Naraku sah auf, als Kagura Bankotsu meldete. Als der Söldner hereinkam, runzelte der Herr des Gumo die Stirn. Statt eines Anrufes ein Besuch konnte nur Ärger verheißen. „Setz dich. Was ist passiert?“ „Kyoukotsu ist tot. Ich bekam gerade den Anruf von der Polizei, da nur meine Nummer in seinem Handy war.“ Der Sicherheitsexperte musterte seinen Auftraggeber. „Was hast du ihnen gesagt?“ „Das er seit langem für mich arbeitete, dass ich keine Familie kenne, und er nur seine Kameraden als Freunde hatte. Alles die Wahrheit. Ich behauptete allerdings nicht zu wissen, was er dort vor der Stadt gesucht hatte, er habe heute einen freien Tag.“ „Gut.“ Naraku verschränkte die Finger. „Wo und wie?“ „Er war wohl auf dem Weg in das Schloss, als er mit einem fürstlichen Boten zusammenstieß. Anscheinend war der arme Kyoukotsu so wütend, dass er den angriff.“ Sich mit einem Dämon anzulegen, war töricht, gleich, wie stark man als Mensch war. Ärgerlich war allerdings, dass er einen Söldner weniger hatte. Hm. Hoffentlich lenkte der Zwischenfall nicht das Augenmerk des Taishou auf ihn. Schließlich arbeiteten Bankotsus Männer für ihn. Aber nun gut, Bankotsu schien das ja schon geglättet zu haben. Der war sein Geld wirklich wert. „Hast du einen Ersatz für ihn?“ „Nein. Wir arbeiteten seit Jahren als Team zusammen. Und unsere Arbeiten sind nicht so, dass ich sie jedem auf die Nase binden möchte. Das wird sicher dauern. Lieber jedoch ein Mann weniger als leichtsinnig.“ Bankotsu klang abschließend. Die Sicherheit seiner Männer hatte für ihn Priorität. Naraku war das bewusst, überdies war auch er lieber zu achtsam. Bei Hochverrat sollte man das sein. „Da gebe ich dir Recht. Gut. Ich werde Sonntag in die Villa fahren. Habt ihr euch das Anwesen der Dämonenjäger angesehen?“ Ein vernünftiger Auftraggeber mit jeder Menge Geld und der Möglichkeit, dass man die eigenen Spleens ausleben konnte. Bankotsu war wieder einmal angetan. „Ja. Mukotsu ist aber noch draußen und überprüft die Windrichtung und so etwas. Jakotsu ist an Kagome dran. Soll er sie weiter beschatten? Sie unternimmt nichts weiter außer zu arbeiten und zum Opa ins Krankenhaus zu fahren, alle drei Tage.“ „Letztes Wochenende war sie bei den Dämonenjägern,“ korrigierte Naraku prompt. „Ja, aber sie scheint mit der Tochter deren Anführers befreundet zu sein. Apropos, wie lautet die Anweisung, wenn sie am Sonntag auch dort ist?“ „Sie hat Freitag ein Treffen mit Inu Yasha. Warten wir mit einer Entscheidung bis dahin. Sollte es ihr gelingen in das Schloss eingeladen zu werden, darf ihr nichts zustoßen.“ Zumindest nicht, bis sie ihm sagen konnte, ob das Juwel dort war, oder sogar, wo es sonst versteckt wäre. Dieser dumme Hund von Inu no Taishou hatte es ja verborgen und trug es nicht. Warum auch immer. Mit dem Juwel wäre der praktisch unangreifbar – oder doch nicht? Fürchtete der ach so mächtige Fürst, jemand könnte ihn des Juwels berauben? Gab es eine Schwäche, von der niemand etwas wusste? Oder zumindest nur seine Söhne? Dann könnte die kleine Kagome doch auch da nachforschen. Sie sollte genug Angst um ihre Familie haben, dass sie spurte. Und ebenso gegenüber Inu Yasha den Mund hielt, nichts von ihm, Naraku, erzählte. Sie sollte inzwischen nachsehen haben welche Strafe auf Hochverrat stand. Furcht war ein guter Grund seine Anweisungen zu erfüllen, zumal er ja eigentlich nicht viel und vor allem nichts Strafbares verlangte. Er sah auf und strich nachdenklich mit den Fingerspitzen über das dunkle Holz des Schreibtisches. „Ja, Bankotsu. Warten wir bis Freitag. Womöglich bekommen die Dämonenjäger auch noch etwas mehr Zeit. Ich brauche euch alle, wenn mich Ryuukossusei besucht. Mukotsu kann ja dennoch seine Vorbereitungen treffen.“   Kapitel 13: Die Kette der Priesterin ------------------------------------ Kagome war wirklich erleichtert, dass Sango zustimmte, sie könne am Wochenende an beiden Tagen zu ihr zum Üben kommen. Allerdings betonte die Dämonenjägerin erneut, dass sie doch an einem Tenniskurs teilnehmen sollten. Kagome nahm das als gewissen Ausgleich und sagte zu. Donnerstag nach der Arbeit meldeten sich die beiden Mädchen bei dem zuständigen Dämon im Personalbüro an. Dieser war ein mehr als rundlicher Dachs und die Zwei mussten sich das Lächeln verbeißen, als er ihnen in tiefem Ernst erzählte, dass derartige Sportkurse vom Konzern angeboten würden, um die Mitarbeiter gesund und fit zu halten. Einen Dämon auszulachen war nie sonderlich klug, wie viel weniger einen aus der Personalabteilung.   Donnerstag Abend nahm Kagome dann die gefundene Kette mit den Perlen und Raubtierkrallen. Diesmal leuchtete sie nicht mehr auf. Es war wohl wirklich ein Zeichen gewesen. Ihre Mutter hatte ihr eine passende Schatulle besorgt und sie packte die Kette sorgfältig ein. Immerhin war das Geschenk an sich wohl kaum wertvoll, aber sie überreichte es einem reichen Prinzen, da sollte der nicht die Nase rümpfen. Obwohl, Inu Yasha hatte auf sie netter gewirkt als sein Vater und Bruder, nun ja, korrigierte sie sich dann, einfach wohl menschlicher. Dennoch war sie unwillkürlich aufgeregt, als sie zu Sango und Miroku in das Vorzimmer des Prinzen kam. Die Beiden bemerkten es. „He, keine Panik“, sagte Miroku. „Soweit ich weiß, hat er noch nie jemanden gefressen. Und du willst dich ja nur bedanken, oder?“ „Ja.“ Kagome klammerte sich an das Päckchen. „Ich melde dich an.“ Der junge Mönch stand auf. „Ich bin am Wochenende übrigens dann auch dabei. Vielleicht können wir zwei Hübschen sehen, ob du einen Bannkreis legen oder brechen kannst.“ Das klang gar nicht schlecht, dachte Kagome. Einen Bannkreis, der Naraku ausschließen konnte? Sie hatte inzwischen in Erfahrung bringen können, dass die Klinik, in die ihr Großvater zur Reha gehen sollte, ebenfalls zum Gumo gehörte. Sie musste unbedingt vorsichtig sein, denn eine andere Kur war nicht möglich, da war die Krankenkasse streng gewesen. Aber sie schwieg dazu lieber. Sango etwas zu erzählen war schon heikel, aber dem ihr doch unbekannten Mönch? Womöglich plauderte der das bei Inu Yasha aus und der ging dann zu seinem Vater und dann ...? Ja, das stand dann in den Sternen, ob der Fürst ihr glaubte oder einem anderen Dämon, zumal einem so reichen und sicher mächtigen. Einen echten Beweis hatte sie ja nicht – außer den Fotos und die konnte ja genauso gut sie selbst beschriftet haben. Und ihr Großvater hatte unterdessen sicher einen Unfall, denn sie wurde noch immer überwacht, und sie vermutete schwer, dass dies sogar hier im Kendama geschah. So ging sie in das Büro des Halbdämonen, der an seinem modernen Schreibtisch saß, wie immer im schwarzen Anzug. So hatte ihn auch Reddemon getragen, aber das taten fast alle männlichen Mitarbeiter hier im Haus. „Guten Morgen, Kagome.“ Das klang nicht unfreundlich und sie verneigte sich eilig. „Guten Morgen, Inu Yasha-sama. Ich … Sie waren so freundlich meiner Familie zu helfen. Darf ich Ihnen das als kleines Geschenk überreichen?“ Irrte sie sich oder schien er für einen Moment zornig zu werden, ehe er nickte. „Es ist nicht Wertvolles, ich weiß“, beteuerte sie und bot das Päckchen an. Inu Yasha nahm es. Es war fast beleidigend, dass sie annahm, sie müsse ihm etwas schenken, wo er ihr doch nur einen Gefallen hatte tun wollen. Schließlich hatte sie im Chat so unglücklich geklungen. Aber woher sollte sie wissen, dass er und Reddemon die gleiche Person waren? Er gab sich schließlich alle Mühe das zu verbergen. „Ich werde es auch gleich öffnen“, bot er mit etwas schlechtem Gewissen an und riss das Papier auf. Kagome unterdrückte ihr Seufzen. Sie hatte sich solche Mühe mit dem Einpacken gegeben und er zerriss das einfach. Nun ja, er war bestimmt stark, stärker als ein Mensch, aber sicher auch schwächer als ein richtiger Dämon. Was war er eigentlich? Reddemon hatte ja auch schon mal gemeint, dass ein Halbdämon eben weder noch sei. „Es ist eine alte Kette aus dem Schrein“, erklärte sie. „Ich glaube, sie soll Glück bringen.“ „Sie hat was,“ erwiderte der Fürstensohn wohlerzogen, der damit eigentlich nichts anfangen konnte. „Aber ich kann sie schlecht über dem Anzug tragen. Ich werde sie darunter tragen. Auch unter meiner privaten Kleidung.“ Dafür war sie allerdings fast zu groß. Aber über dem Gewand aus Feuerrattenhaar konnte er sie tragen – bei der modernen Kleidung sähe das wohl einfach albern aus. Auch unter dem weißen Hemd würde sie sich wohl ein wenig abzeichnen. Mal sehen. Er wollte Kagome doch zeigen, dass er ihr Geschenk zu schätzen wusste, sie nicht wieder traurig machen. Er musste allerdings zugeben, dass ihm noch nie ein Mädchen etwas geschenkt hatte, und er nicht so ganz genau wusste, was er sagen sollte, abgesehen von dem antrainierten Verhalten bei Hofe. Kagome lächelte ein wenig. „Danke.“ Sie war froh darüber. „Wissen Sie was?“ Er stand impulsiv auf und zog sein Jackett aus. „Ich mache es gleich.“ Sie konnte nur ein wenig fassungslos zusehen, wie er sich die Krawatte abnahm, das Hemd öffnete und sich dann die Kette überstreifte. Sie leuchtete wieder auf. „He?“ fragte er. „Ich weiß nicht, was das bedeutet. Sie machte das auch, als ich sie fand. Es ist wohl ein Zeichen. Aber sicher kein Böses. Das hätte Opa nie im Schrein aufgehoben,“ beteuerte sie eilig. „Naja.“ Inu Yasha zog sich eilig wieder an, da ihm einfiel, wie er gerade so halb angezogen wirken musste, zumal mit einem Mädchen im Raum. Nicht auszudenken, wenn ihm sein lieber Halbbruder ausgerechnet jetzt einen seiner seltenen Besuche abstattete. Vater würde ihm jahrelanges Straftraining aufbrummen. „Sieht man die Kette sehr?“ „Nein, das Jackett verdeckt sie ja und die Krawatte auch.“ Sie musterte ihn kritisch, für einen Moment vergessend, wer er war. „Gut.“ Er lächelte und war froh, dass sie es auch tat. Vielleicht konnten sie sich auch so verstehen, ohne Reddemon und Juwel? „Sagen Sie mir dann, wie es Ihrem Großvater geht?“ „Ja, gern, wenn Sie möchten. Er kommt am Montag in die Reha für zwei Wochen, dann darf er bestimmt heim.“ Er war doch recht nett. Vielleicht sollte sie ihm von ihren Schwierigkeiten erzählen? Aber er war eben auch der Fürstensohn. „Darf ich Sie noch etwas fragen?“ „Ja.“ Was Privates? Er hoffte es. Umso enttäuschter war er, als sie ganz ein anderes Thema anschlug. „Kennen Sie den Besitzer von Gumo? Opa liegt in seinem Krankenhaus und in die Rehaklinik gehört auch zu diesem Konzern.“ „Naraku? Ja, ich habe ihn ein paar Mal gesehen.“ Wollte sie, dass er sich bei dem für ihren Großvater verwendete? Das konnte er knicken. Vater würde das nie zulassen, da sich das kaum mit der Würde und dem Autoritätsanspruch eines Fürsten vertrug. „Fanden Sie ihn nett?“ erkundigte sie sich zögernd. Sie musste vorsichtig sein, aber hier würde doch wohl niemand zuhören können, oder? Der Halbdämon zuckte die Schultern. „Schwer zu sagen. Wissen Sie, bei solchen langweiligen Empfängen stehe ich immer gleich neben meinem Vater – da sind alle Leute ziemlich nett.“ Er sah irgendetwas fast Ängstliches in ihren Augen, das ihn ehrlich ergänzen ließ: „Ich fand ihn ziemlich ... glatt. Was wollen Sie denn von ihm?“ Suchte sie sich etwa eine andere Stelle? „Oh, nichts besonderes, es hat mich nur interessiert. Er ist ja auch ziemlich reich.“ Also mochte Inu Yasha Naraku nicht. „Ja, für einen Spinnendämon erstaunlich geschäftstüchtig Die denken meist nicht gerade weit. - Oh, schon so spät? Ich muss gehen, Kagome. Bis dann.“ Er wartete noch bis sie weg war, um dann zu einer Besprechung mit der fürstlichen Häuserverwaltung zu gehen.   Abends, als sich der Inu no Taishou und seine beiden Söhne trafen, trug Inu Yasha die geschenkte Kette über seinem roten Gewand. Der Fürst erstarrte, als er sie sah. „Woher hast du das?“ „Ich habe es geschenkt bekommen. Von Kagome Higurashi,“ erwiderte der jüngere Sohn verwundert. Klang da ein Gefühl bei dem gewöhnlich so ruhigen Hundedämon mit? Auch seinem Halbbruder war das anscheinend aufgefallen, denn der ließ seine Lektüre sinken. „Als Geschenk für die Bitte, naja, wegen der Stiftung und dem Geld für ihren Großvater. Kennen Sie die Kette?“ Der Inu no Taishou atmete tief durch, ehe er meinte: „Higurashi, natürlich. Eine Priesterin. Hat sie sie dir umgelegt? Und, noch wichtiger, was sagte sie dann?“ War sein Vater wütend, weil er etwas von einer Angestellten genommen hatte? Man sollte sich ja nicht anfreunden, aber sie hatte es doch nur nett und höflich gemeint. Der klang jedoch fast besorgt. „Äh, sie sagte: danke, Inu Yasha-sama. Und ich habe sie mir selbst umgelegt. Sie ist aber keine Priesterin,“ wandte er ein. Nun ja, ein bisschen magisches Talent hatte sie geerbt, das hatten Miroku und Sango bestätigt, aber das war doch sicher nichts Wichtiges. „Genug magische Fähigkeiten dürfte sie als Mitglied dieser Familie besitzen. Was geschah, als du dir die Kette umgelegt hast? Leuchtete sie auf?“ „Ja.“ „Versuche sie dir abzunehmen.“ Der Fürst nickte nur, als sein Jüngster scheiterte, und ihn fragend ansah. „Eine Bannkette?“ erkundigte sich Sesshoumaru jetzt hörbar interessiert. „Eine ganz besondere.“ Der Herr der Hunde verfluchte ein wenig diese Woche, die sich anscheinend zum Ziel gesetzt hatte ihm zu beweisen, dass er auch dem Kleinen mehr aus der Vergangenheit hätte darlegen sollen. „Inu Yasha, hat dir die Higurashi erzählt, wie sie zu dieser Kette kam? Wie alt ist das Mädchen?“ Hatte es nicht geheißen, sie sei ein Neuzugang? „Sie hat gerade die Schule fertig, so achtzehn oder neunzehn, denke ich. Ich könnte Sango fragen, sie sind wohl befreundet. Sie sagte, sie hat sie im Schrein gefunden. Ihr Großvater sammelt anscheinend diese alten Dinge. Aber Kagome ist sicher keine ausgebildete Priesterin.“ Er wollte sie doch verteidigen. Allerdings war das mit der Kette schon eigenartig. Sollte er sie fragen? Nein, das ging ja nicht im Chat, zumindest nicht, ohne zu verraten, dass Inu Yasha Reddemon war. Keine ausgebildete Priesterin, nein. Nur ein Mädchen aus einer mit magischen Kräften begabten Familie, die ab und an wirklich bemerkenswerte Talente hervorbrachte. Ein ahnungsloses Mädchen mit läuternden Fähigkeiten und ein ebenso ahnungsloser, magisch untalentierter, Halbdämon – und eine der mächtigsten Bannketten, die es gab. Was taten die Beiden als nächstes, wenn er Inu Yasha nicht warnte? Das Juwel der vier Seelen beschwören? „Nun gut, Inu Yasha. Ich werde mich darum kümmern. Du darfst gehen.“ Das war zwar schön, aber Kagome, nein Juwel, wäre heute Abend bestimmt nicht im Chat, da sie wusste, dass er Freitag nie online gehen konnte. „Danke, mein Herr und Vater. Äh, soll ich sie fragen, ob sie die Kette wieder abnimmt?“ „Nein. Warten wir. Aber bleib ihr aus dem Weg.“ „Ja.“ Nun ja, bis Dienstag und ihrem Treffen war es noch eine Weile hin, vielleicht hatte Vater dann eine Lösung oder er konnte sie sich wieder abnehmen, wenn er zu einem Menschen wurde. Hoffentlich musste er nicht absagen.   Als sie unter sich waren, blickte der Erbprinz zu seinem Vater. Er kannte diesen und wenn der Taishou so da saß, den Rücken durchgedrückt, die Hände auf die Oberschenkel gestemmt, plante der eine Taktik, das wusste er noch aus den Tagen des Großen Krieges. „Darf ich fragen, was geschehen ist, verehrter Vater? Ein Attentat dieser Higurashi auf Inu Yasha?“ „In gewisser Hinsicht, ja. Es ist eine Bannkette, die Kikyou Higurashi fertigte, um sich damit gegen angreifende Dämonen schützen zu können, die das Juwel der vier Seelen begehrten. Nur jemand dieser Familie kann sie aktivieren – jemand mit erheblichen magischen Fähigkeiten. Und sie könnte nun Inu Yasha wohl zum Gehorsam zwingen.“ Sesshoumaru erkundigte sich nur: „Soll ich sie wegen Hochverrates verhaften lassen?“ „Nein, das würde nur die Hintermänner aufscheuchen.“ „Sie glauben, jemand hat sie vorgeschickt?“ Daran hatte er noch nicht gedacht, aber ja, natürlich, das klang logisch. Was hatte eine kleine Priesterin davon? „Magische Fähigkeiten hin oder her, dahinter steckt ein Plan, ein überaus raffiniertes Vorgehen. Das Mädchen ist gerade mit der Schule fertig, ihr Großvater, der letzte Priester der Familie, liegt im Krankenhaus. Ich werde alle Mitglieder der Familie überprüfen lassen, aber ich vermute eher, jemand hat sich den Hass der Higurashis gegen mich und wohl auch Inu Yasha wegen Kikyous kürzlichem Tod, ja, Ermordung, zu Nutze gemacht. Jemand, der überaus daran interessiert ist mich abzulenken.“ „Der Fremde von damals?“ „Möglich. Oder auch dieser arbeitete bereits im Auftrag. Ich muss daran denken, dass vor wenigen Wochen erst Ryuukossusei im Westen war, ohne sich hier vorzustellen, und ich das ohne die abonnierte Dragons Daily nie erfahren hätte. Es sähe den Drachen ähnlich eine Ablenkung zu erschaffen, damit ich in die falsche Richtung sehe, während sie tatsächlich einen Krieg vorbereiten. Wir sollten uns dafür rüsten.“ „Wollen Sie mit der Kerntruppe des Heeres nach Norden?“ Die anderen Krieger waren im Fürstentum verteilt und konnten nicht schnell zusammengezogen werden, zumindest nicht so rasch, wie es wohl notwendig war. „Nein. Und das ist ebenso ein Hinweis darauf, dass die Higurashi gesteuert wird. Ich kann hier nicht weg. Bereits übermorgen kommt der Fürst aus dem Süden zu den wichtigsten Wirtschaftsverhandlungen der letzten Jahrzehnte, die in dem Empfang am Dienstag ein gutes Ende finden sollten. Es wäre mehr als unhöflich, ja, ein Kriegsgrund, würde ich ihn hier allein sitzen lassen, um vorgebliche Manöver im Norden durchzuführen. Und nur ein Narr bricht einen Zwei-Fronten-Krieg vom Zaun.“ Der Taishou entspannte sich etwas. „Ich muss hier bleiben. Aber du wirst das Manöver durchführen. So sind die Krieger schneller zur Stelle, wenn die Drachen die Grenze überschreiten sollten. Und es muss einen Grund geben, warum Ryuukossusei hier war, warum die kleine Higurashi genau jetzt Inu Yasha die Kette gibt.“ Durchaus angetan, dass er wieder einmal solche Taktiklektionen erhielt, erwiderte der Erbprinz gehorsam: „Ich werde morgen mit den Kriegern aufbrechen, verehrter Vater. - Können Sie Inu Yasha diese Kette abnehmen?“ Hörte er da gewisse brüderliche Besorgnis? Darüber allerdings erfreut meinte der Fürst: „Vielleicht. Aber, wer auch immer dahinter steckt, hat gewiss Spione hier. Es würde auffallen, wenn dein Bruder die Kette nicht mehr trägt. Solange er der Higurashi nicht gegenübersteht, kann sie keinen Befehl anbringen. Zur Sicherheit sollen aber gute Leute, Dämonen, das Mädchen unauffällig beschatten. Und zwei besonders fähige Inu Yasha. Ich werde Myouga unverzüglich entsprechende Anweisungen erteilen.“ „Selbst im Kendama?“ „Selbst dort. Wer auch immer die Gegner sind, sie sind überaus gut über unsere Angelegenheiten informiert. Ebenfalls ein Hinweis auf Drachen.“ „Verzeihen Sie, verehrter Vater, aber könnte der Fürst aus dem Süden nicht auch dahinter stecken?“ „Theoretisch ja, da hast du Recht, mein Sohn. Aber dann hätte er sicher einen anderen Zeitpunkt als den der Wirtschaftsverhandlungen gewählt, wenn er sich selbst praktisch in meiner Gewalt befindet. Miki ist nicht töricht. Überdies ist er, wie auch die anderen dämonischen Fürsten, in der heutigen Zeit eher an Wirtschaft interessiert. Macht durch Reichtum ist auch eine gewisse Verlockung. Und deutlich bequemer, als sich auf dem Schlachtfeld gegenüber zu stehen. Drachen sind da eher ein Fall für sich, zumal ich nicht abschätzen kann, wie viel Einfluss Ryuukossusei inzwischen gewonnen hat. Und der ist ebenso wie sein älterer Bruder, den ich damals tötete, sehr an Stärke und Macht interessiert.“ „Ihm müsste doch bewusst sein, dass Sie ein Heer hier haben und das Höllenschwert besitzen. Von Tokejin oder Tessaiga könnte er auch wissen, wenn die Spione was taugen.“ „Darum wohl auch die Ablenkung mit den Higurashis. Geh nun und gib den Kriegern die Anweisungen. Ich werde am Sonntag Miki höflich empfangen und mit ihm verhandeln. Und werde die Überwachung der Higurashis und Inu Yashas mir dauernd berichten lassen.“ Mit einer höflichen Verneigung erhob sich der Erbprinz.   Kapitel 14: Naraku ------------------ Naraku sah fast nachdenklich hinunter, wo sich in einer kleinen, provisorisch zu nennenden, Arena im Felsgestein des Berges unter seiner Ferienvilla zwei Dämonen auf Leben und Tod bekämpften. Sie vermuteten, der Sieger dürfe endlich aus dem magischen Bann gehen – wie naiv. Er würde den Gewinner des Turniers anders benötigen. Und natürlich sollte es keine Zeugen dieses kleinen Abenteuers geben. Der gute Taishou konnte ziemlich unangenehm werden, wenn er mitbekam, dass man Leben nicht schätzte. Eigenartig für einen Heerführer und Fürsten. Aber das war wohl wieder das Hundeblut. Nun gut. Er sah auf, als er einen Schatten hinter sich bemerkte. „Bankotsu?“ Der Söldner strich unwillkürlich seinen Zopf zurecht. „Zwei Dinge. Mukotsu sagt, er könnte die Dämonenjäger ein für alle mal erledigen – wenn sie sich zufällig alle gemeinsam im Innenhof befinden. Der dortige Brunnen scheint ideal für seine Bedürfnisse zu liegen. Zweitens: sie scheinen sich dort nur gemeinsam zu besonderen Anlässen zu versammeln. Beerdigungen, Hochzeiten und solche Dinge.“ „Nun, für eine Beerdigung sollte sich sorgen lassen, nicht wahr?“ Naraku blickte in den matt erleuchteten Grund, verschränkte jedoch vielsagend seine Finger. Bankotsu hätte um ein Haar die Schultern gezuckt. „Wie Sie wünschen. - Oh, und die Kleine war heute bei Sango.“ „Kagome. Was wollte sie da?“ „Sie und ein Mönch. Soweit ich informiert wurde, ist das Miroku, der ebenso wie Sango im Vorzimmer Inu Yashas sitzt. Ein Weiberheld. Kagome und Sango sind wohl befreundet, sie ist jetzt jeden Sonntag dort.“ „Ja.“ Und, das, gab Naraku zu, gefiel ihm nicht sonderlich. Er hatte der kleinen Higurashi die Daumenschrauben angesetzt, damit sie für ihn das Juwel der vier Seelen finden sollte – nicht ihre Priesterausbildung beginnen. Andererseits, sie hatte ja gesagt, dass der dämliche Halbdämon ihr quasi befohlen hatte sich um diese Magie zu kümmern. Und sie wagte es gewiss nicht einem Mitglied der Fürstenfamilie den Gehorsam zu verweigern. Ja, das musste daher kommen, zumal sie ihm gegenüber nicht den Eindruck gemacht hatte, vom Leben einer Schreinjungfrau begeistert zu sein. Sie war ein modernes Mädchen. Der Herr von Gumo-Enterprises lächelte flüchtig, als er sah, dass in der Arena nur noch ein Dämon stand. „Du kannst gehen, Bankotsu. Falls sich Neues ergibt, halte mich auf dem Laufenden.“ Er erhob sich und zog ein wenig seinen grauen Fellmantel enger um sich. „Du hast gewonnen!“ rief er dem Dämon zu, wartete jedoch, bis sich sein Sicherheitsexperte entfernt hatte. „Darum sollst du auch die versprochene Belohnung bekommen.“ Noch ehe der grobschlächtige Dämon unten begriffen hatte, schossen unter dem Fell lange Fangarme hervor, die ihn packten und trotz aller schreienden Gegenwehr unwiderstehlich emporzogen, auf Naraku zu, der sich die zusätzliche Lebenskraft mit einem hauchdünnen Lächeln einverleibte. Nie Zeugen hinterlassen, war ein Motto, mit dem er in den letzten Jahrhunderten gut gefahren war.   Seine gute Laune verschwand erst, als er sich in seinem Arbeitszimmer hier in seinem Ferienhaus in den Bergen von Hakurei niederließ, und sein Handy klingelte. Es war ein Kartentelefon, dessen Nummer nur eine einzige Person besaß. Bald würde er es weg werfen. Vorsicht war stets der bessere Teil der Tapferkeit. Um so überraschender war der Anruf statt seines erwarteten Besuchers. „Mein Prinz?“ fragte er daher sofort. Ryuukossusei konnte bei mangelnder Höflichkeit unangenehm werden. Eine volle Minute lang lauschte er dem etwas zornigen Anrufer. „Oh, das ist in der Tat lästig und überraschend. Nein, ein Zufall, sicher. Ich werde Erkundigungen einziehen und Ihnen dann rasch schreiben. Bitte verzeihen Sie, aber ehe das Telefonat zu lang wird, muss ich auflegen.“ Zu lange Gespräche ins Ausland konnten geortet werden. Für den Fürsten arbeiteten gerade im technischen Bereich genügend Menschen und Naraku unterschätzte diese Spezies in keiner Weise. Telefonate mochten praktisch sein, konnten aber abgehört werden. So legte er auf und erhob sich. Wie ungemein ungemütlich diese Drachen werden konnten. Brauchte er Ryuukossusei wirklich? Und warum hatte er selbst nichts von diesen Neuigkeiten erfahren? Er öffnete die Zimmertür. „Bankotsu!“ Dieser kam sofort, da er bereits am Nachdruck an der Stimme seines Auftraggebers hören konnte, dass etwas nicht nach Plan gelaufen war. „Setzen wir uns“, schlug Naraku vor und nahm bereits wieder hinter seinem Schreibtisch Platz. Seine Handbewegung galt dem Stuhl davor. „Was weißt du über die Pläne unseres werten Fürsten an diesem schönen Sonntag und in den nächsten Tagen?“ „Fürst Miki ist heute eingetroffen, es geht um die Wirtschaftsverhandlungen. Pressetermine, Verhandlungen und am Dienstag ein Empfang als krönender Abschluss,“ erwiderte der Sicherheitsexperte prompt, wenngleich sichtlich verwundert. „Und Sesshoumaru?“ „Der sollte wohl dabei sein. Jedenfalls bei dem Empfang. Wieso?“ „Mich rief mein Besuch gerade wütend an. Auf dem Weg hierher stolperte er förmlich über ein Dämonenheer unter dem Befehl des Erbprinzen. Es gelang ihm allerdings sowohl einem Kampf als auch einer Entdeckung auszuweichen.“ „Das Heer ist hier?“ „An der Nordgrenze.“ Bankotsu dachte nach. „Davon habe ich nichts gehört. Das muss spontan gewesen sein.“ „Mein Teurer – der Taishou ist spontan, ja. Aber bei derart wichtigen Verhandlungen ohne den Erben zu erscheinen, nur um ein Manöver abzuhalten? Und genau so und zu einem solchen Zeitpunkt, dass mein Besucher nicht kommen kann?“ „Das konnte niemand wissen. - Und auch meine Männer wussten nur, dass sie heute Abend hier sein sollten, um Sie zu schützen, aber nicht, wer der Besuch ist.“ „Ah, du verstehst durchaus.“ „Ich verstehe Ihre Bedenken, mein Auftraggeber.“ Bankotsu klang plötzlich ungewohnt scharf. „Aber ich verstehe nicht, wie Sie an meiner Ehre zweifeln können.“ Naraku hob die Hand. „Nie, darum rede ich ja auch mit dir so.“ Nun, das stimmte nicht ganz. Er vermutete, dass der Sicherheitsfachmann, was für eine nette Umschreibung für Söldner, ihm nicht aus Ehrenhaftigkeit diente – das war viel zu unwahrscheinlich, nach all seinen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte - aber der und dessen Männer Spaß an den ab und an für einen Politiker und Geschäftsmann eben unvermeidlichen Morden hatten. Und noch benötigte er die sieben, nein, sechs, Krieger. War er erst einmal der Fürst, würden ihm alle anderen Dämonen folgen – und deren erstes Opfer wären diese Söldner. „Nur, bitte, denke strategisch. War es ein Zufall? Möglich. War es jedoch ein Plan des guten Taishou, weil der irgendetwas über meine Verbindung zu den Drachen mitbekommen hat, sollte man sich vorsehen. Noch ist hier jedoch niemand aufgetaucht?“ „Nicht, dass ich wüsste, wobei Jakotsu und Suikotsu noch Kagome beschatten. Mukotsu ist praktisch schon auf dem Weg her und Ginkotsu patrouilliert mit Renkotsu hier die Umgebung. So sind sie schneller – und die Beiden arbeiten stets zusammen.“ Der Sicherheitsexperte lehnte sich etwas entspannter zurück. „Sowohl für Nachrichten, als auch mit der Überwachung. Und ich bin ja auch noch hier.“ „In der Tat. Der Prinz wird heute nicht mehr hier erscheinen, aber, wenn ich ihm den unglücklichen Zufall schildere, vielleicht in einigen Tagen. - Schön. Lasse Suikotsu noch bei Kagome. Jakotsu ist doch der fähigere Kämpfer? Gut. Dann soll er lieber herkommen. Und teile Suikotsu mit, er solle sie nur beobachten, selbst, wenn sie, nun, sagen wir, mit Inu Yasha auf einen Ball geht.“ „Dann ist es jedenfalls besser, wenn Jakotsu ihn nicht zu Gesicht bekommt. Oh, Verzeihung. Jakotsu liebt die Ohren des Halbdämons so sehr, dass er sie sich gern an die Wand hängen würde – sobald Sie es erlauben, natürlich.“ Bankotsu beschloss, dass er nichts davon erwähnen sollte, dass sein Kampfgefährte seinem letzten Opfer künstliche Hundeohren aufgesetzt hatte. Das gehörte zum Privatleben. „Weitere Anweisungen?“ „Die Telefonüberwachung von Kagome läuft?“ „Ja, aber sie telefoniert nie zuhause auf dem Festnetz, mit ihrem Handy ruft sie Freundinnen an, harmloses Gewäsch. Das Einzige, was sie verdächtig macht: sie geht jeden Abend für eineinhalb Stunden in den Chat. Dort auch noch in ein Zweiergespräch, die nochmals abgesichert sind. Der Browser gehört dem Fürsten, und wir müssen extrem vorsichtig sein, da alles extra verschlüsselt ist und von keinem Anfänger. Allerdings ähnlich gut wie alle Computer des Schlosses und natürlich des Kendama. Ich weiß nicht, was der Fürst seinen Menschen da zahlt, aber es sind sehr fähige. Nach meiner Meinung trifft sich die Kleine dort mit Sango, das würde erklären, warum diese Chats erst begannen, seit sie sich im Kendama beworben hatte und da wohl Sango kennen lernte.“ Also wohl noch vor ihrem Treffen mit ihm selbst. Das klang dann harmlos, da sie zu diesem Zeitpunkt ja noch nichts von ihm wissen konnte. „Lass ihr Handy weiter überwachen, zur Sicherheit. Deine Männer sollen alle innerhalb des Bannkreises bleiben, so dass sie auch mögliche Späher des Heeres nicht zu Gesicht bekommen.“ Manöver? Daran glaubte er keine Sekunde. Der alte Hund von Fürst war alles andere, aber kein Idiot. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder, der hatte doch irgendwie etwas von den Drachen in Erfahrung gebracht und wollte vorbauen – oder der Gute hatte sich etwas mit seinem Erben entzweit und schickte den bei wichtigen Verhandlungen buchstäblich in die Einöde, als Bonbon mit dem Heer, um die Demontage nicht zu öffentlich werden zu lassen. Der kleine Halbdämon durfte bestimmt bei Papi sitzen und langweiligen Verhandlungen zuhören – oder war es genau das? Baute der Taishou zweigleisig auf? Den Jüngeren für das Geschäft, den Älteren als Heerführer? Das musste gut überlegt werden. Die letzte Möglichkeit bedeutete ja leider, dass es ihm Naraku, noch einmal schwerer fallen würde, an dem jetzigen Fürsten vorbei zu kommen. Kurz, er benötigte das Juwel der vier Seelen mehr denn je. Und da war die liebe Kagome der Schlüssel. Der Einzige. Aber, er sollte nicht nachlässig werden. Wenn der Drachenprinz nicht kommen wollte, oder konnte, denn auch dieser musste sich ja unauffällig bewegen, wäre es an der Zeit Bankotsu und dessen Krieger noch einmal gründlich zu beschäftigen. Erst recht, wenn Kagome versagte und es nicht in das fürstliche Schloss schaffen sollte. Hm. Die Dämonenjäger und ihr Grundstück waren zweitrangig. Zuerst kam das Juwel, die Drachen und die Beseitigung aller Zeugen und Beweise. Falls es notwendig werden sollte das Land zu verlassen – er besaß noch immer einen Flugschein aus einem Menschenkrieg. Damit konnte er sich jederzeit ein kleines Flugzeug für einen Rundflug mieten – und irgendwo auf dem Festland auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Da hatte er vor langer Zeit einmal Kontakte mit einem sehr für Schmeichelei empfänglichen Mottenherrn geknüpft. Galt sein Flugschein eigentlich noch oder musste er den irgendwie erneuern lassen? Eine Nachfrage wäre kaum auffällig, das sollte er am Montag gleich telefonisch erledigen. Und eine Bitte an seine Banken, natürlich wegen etwas vollkommen anderem, wie man Gelder auf das Festland oder besser noch ganz woanders hin transferieren konnte, ohne das das Geld beschlagnahmt werden konnte. Weiter. Reisepass besaß er keinen, war so aber auch nicht notwendig. Aber er sollte sich auf jeden Fall nicht mehr ohne Geld bewegen. Irgendetwas sagte ihm, dass der Taishou da buchstäblich einen Floh im Ohr hatte – und dieser Myouga, der so nebenbei den geheimen Teil der Polizeioperationen leitete, war trotz seiner Größe ein schlaues Kerlchen. Um so wichtiger war es vorausschauender zu sein. Eine Flucht ohne Geld wäre unmöglich – Geld oder irgendetwas dergleichen. Ah. Er griff zum Telefon. Natürlich war besetzt, aber er kannte das Spiel. Erst nach dem neunzehnten Klingeln, kurz bevor die Automatik unterbrach, wurde abgehoben. „Ah, meine Teure, schön, dass ich Sie erreiche.“ „Wer spricht?“ „Am Telefon, Namen? Sind Sie so unvorsichtig geworden? Ich würde ein Treffen zwischen uns vorschlagen, morgen Abend am alten Schrein des Ryuu Nishi. Ich denke, wir werden uns sofort erkennen, wir waren doch schon einmal Partner.“ Er wartete neugierig. Wenn die mehr als apothekenkundige, ehemalige, Priesterin zustimmte, bestanden gute Chancen von ihr Dinge zu bekommen, die ihm zwar auch Mukotsu besorgen konnte – aber Bankotsu würde daraus schließen, dass er eine Flucht vorbereitete. Unnütz zu sagen, dass er das nicht wollte. Wenn alles nach Plan lief, war das hier auch nicht notwendig. Sie zögerte, ehe sie meinte: „Ich werde nichts dabei haben.“ „Natürlich nicht. Ich bin nur sicher, ich werde Ihnen ... zu Ihrer Zufriedenheit dienlich sein können, danach sehen wir weiter.“ Tsubaki war hässlich seit eines misslungenen Zaubers, zumindest fühlte sie sich so, und es war eine Kleinigkeit gewesen ihr gewisse Zuneigung vorzuspielen. Schwierig war es nur danach geworden, sie höflich wieder los zu werden. Naraku wusste, dass man sich immer zwei Mal im Leben traf, und hätte jemandem mit dem Wissen über ihn, aber auch diesen Fähigkeiten, nie im Zorn scheiden lassen. Eine Vorsicht, die sich nun wieder einmal als mehr als sinnvoll erwies. „Ah, ich entsinne mich. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich … mit meinem Haustier komme?“ „Aber nein.“ Dieser Schlangendämon begleitete die alte Hexe überall hin – bei ihren Geschäften kein Wunder. Aber eine Million in Drogen war deutlich kleiner und leichter zu transportieren als eine in bar oder Gold – und genauso international gültig zu verkaufen. Falls der eine Notfall eintreten sollte, wäre er auf ihn gern vorbereitet. Kapitel 15: Treffen ------------------- Im Garten des alten Schreins von Ryuu Nishi wandelte Naraku in der Abenddämmerung fast allein durch den kunstvoll angelegten Garten. Menschen glaubten gern, dass hier der alte Geist des Drachen umging, der an dieser Stelle einst von überaus kundigen Mönchen geläutert worden war. Danach hatten sie dann den Schrein gebaut um eine Wiederauferstehung zu verhindern. Wie nutzlos. Aber, das war ja noch vor dem Großen Krieg gewesen. Der Taishou, wie stets nach seinem Sieg, um gutes Einvernehmen mit Menschen bemüht, hatte diesen Schrein ebenso wie alle anderen wieder an magisch kundige Familien vergeben. Umso wichtiger war es, hier abseits zu gehen, zu einem alten, verlassenen Turm, den er seit fünfzig Jahren kannte. Normalerweise sollte Tsubaki dort auch warten. Sie war eine ehemalige Priesterin. Nur, weil sie Schadenszauber gewoben hatte, war sie ausgeschlossen worden, und seither nicht sehr gut auf alles zu sprechen, was Mönch oder Schreinjungfrau hieß. Hm. Ob sie wohl auch etwas gegen die kleine Kagome unternehmen würde, wenn er die erwähnte? Aber noch brauchte er eine Higurashi, um das Juwel der vier Seelen aufzutreiben. Ach, da war sie. Lange, weiße Haare, schwarze Kleidung, die zerstörte Gesichtshälfte perfekt hinter einem Bannkreis verborgen. In der Tat, sie konnte etwas. Und, was um ihre Schultern lag, war ihr Haustier. Ein Schlangendämon, keine Boa, wie sie gewisse Hundedämonen zu tragen pflegten. Sie erkannte ihn, denn sie lächelte und wich etwas zurück, mit einer Handbewegung zu dem Turm. Dort hatte sie sicher schon alles vorbereitet für ihr kleines Liebesabenteuer – ohne zu ahnen, dass seine Gedanken schwärzer als eine mondlose Nacht waren, wenn er in ihre Arme kroch. Ach ja. Naraku seufzte nur still, während er das Lächeln zurückgab. Das war eben der Preis, den sie verlangte. Dafür würde das Rauschgift, das sie ihm besorgte, rein und handelbar quer durch alle Länder sein – und nicht zu teuer. So ließ er seine Augen bemüht feurig an ihr auf und abgeglitten. „Meine Teure, wie erfreulich. Sie sehen wie immer bezaubernd aus.“ Sie musterte ihn. Er schien unverändert seit ihrer letzten Begegnung, noch immer jung und gut aussehend. Nun ja, Dämon, eben, da konnte man als Mensch nicht ohne Magie mithalten. Wichtiger war jedoch, dass er mitspielen würde, ihr Momente des Glücks schenken würde. Und er hatte seine Zuverlässigkeit diesbezüglich bereits bewiesen. Sie musste einen unwillkürlichen Schauder unterdrücken, als sie seine Hände betrachtete. Ja, außer ihm gab es nur sehr wenige, die so verschwiegen waren und ihr solch Vergnügen schenkten. Erworbene Vorsicht ließ sie dennoch fragen: „Danke. Sagen Sie mir gleich, was Sie möchten?“ Er war erstaunt. „Nicht erst nach … einem kleinen Rendezvous?“ Er bemühte sich enttäuscht zu klingen. Tatsächlich, er würde erneut mitmachen. Sie musste ihre Begeisterung unterdrücken. Reiche, mächtige Männer, die ihr den Hof machten, waren seltenst. „Sowohl, als auch. Ich möchte wissen, ob es sich für mich lohnt.“ „Oh, davon bin ich überzeugt“, raunte er verheißungsvoll, um dann doch nüchtern zu ergänzen: „Eine Million möchte ich anlegen. Natürlich in Ware bester Qualität, wie nur Sie sie herstellen können.“ Verstellung war eine Sache, aber sich selbst vollkommen zu verleugnen eine andere. Ihr Lächeln sah warm aus. „Wenn ich in guter Stimmung bin.“ „Sie werden es nur zu bald sein. - Falls Sie sich überwinden könnten, Ihren Dämon hier draußen zu lassen. Ich mag keine Zuschauer.“ Die ehemalige Priesterin ebenso wenig. Allein ihre Erinnerung an das erste „Geschäft“ mit ihm jagte Wärme durch ihren Körper. „Nun, ein klein wenig Sicherheit, nicht wahr? - Sieh nach, ob er allein ist.“ Ihr anhängliches Haustier wickelte sich unverzüglich ab und flog davon. „Ihr Misstrauen sollte mich verärgern, aber ich verstehe es nur zu gut. Auch ich bin gern vorsichtig.“ Lächeln, dachte er, lächeln und sie anblicken.   Der Herr der westlichen Ländern, seinen Jüngsten an seiner Seite, wenngleich den höfischen Schritt hinter sich, erwartete seinen hohen Gast vor seinem Schloss, ohne seine Gedanken zu zeigen. Sesshoumaru hatte einen Falken als Boten gesandt, um ihm zu sagen, dass er in der Tat an der Nordgrenze auf die Fährte eines, zumal starken, Drachen gestoßen war, der es allerdings verstanden hatte, sich spurlos aus dem Staub zu machen. Also stimmte sein Verdacht und die Drachen steckten hinter diesem ominösen Attentat der kleinen Higurashi auf Inu Yasha. Die Tatsache, dass nicht einmal Sesshoumaru der Fährte hatte folgen können, deutete auf einen sehr magiekundigen oder mächtigen Drachen hin – womöglich Ryuukossusei? Jetzt allerdings sollte er sich zusammennehmen, denn er konnte gewaltige Energien spüren, die sich näherten, ehe magische Portale erschienen und den Fürsten des Südens, den mächtigen, neunschwänzigen, Fuchsdämon Miki und seine Begleitung freigaben. Inu Yasha kannte natürlich Bilder, aber dennoch konnte er nicht verhindern, dass er fasziniert die neun Schwänze des Fuchses anstarrte, die sich in weitem, eleganten Bogen über dessen Kopf erhoben, dann etwas irritiert die junge Dame in dessen Begleitung ansah, ehe er eilig höflich den Kopf neigte. Schon lange hatte er gelernt, dass es mehr als lästige und schmerzhafte Folgen hatte, würde er seinen Vater vor anderen Dämonen das Gesicht verlieren lassen. Der Inu no Taishou war ebenfalls über die Dame neben Miki erstaunt, zumal der Erbprinz Akito offenkundig nicht dabei war, neigte jedoch höflich ein wenig den Kopf, genau das Zeremoniell beachtend. Auch Fürst Miki war ein wenig überrascht den Erbprinzen des Westens nicht zu erblicken, beachtete jedoch seinerseits peinlich genau das Zeremoniell, das einst zwischen den mächtigsten aller Dämonen ausgehandelt worden war, um zum Einen Streitigkeiten wegen Beleidigungen untereinander zu vermeiden, aber auch, und nicht zuletzt, um den Großen Krieg gegen die Menschen zu gewinnen. Mochte er selbst auch der Dämon mit den weitaus größten magischen Fähigkeiten sein, so hatte er doch nie vergessen, was der Taishou da so manchmal buchstäblich im Kreuz hatte. Einmal hatte er das Höllenschwert in Aktion erleben müssen – oder dürfen, denn es war nicht gegen ihn gerichtet gewesen. Der Herr des Westens sagte, wie es von ihm erwartet wurde: „Willkommen in meinem Schloss, Fürst Miki. Ich bin überzeugt, wir werden angenehme Tage miteinander verbringen – und erfolgreiche.“ „Danke für Ihre Gastfreundschaft, mächtiger Taishou.“ Mikis Blick glitt zu dem Halbdämonen. Er hatte ihn nur in den Medien gesehen, bei seinem letzten Besuch war Inu Yasha wohl noch im Schulzimmer gesessen. „Ich darf Ihnen meinen jüngeren Sohn Inu Yasha vorstellen und gleichzeitig Sesshoumaru entschuldigen. Er ist in meinem Auftrag in einer Angelegenheit unterwegs, die bedauerlicherweise keinen Aufschub duldete.“ Mehr sollte er nicht erwähnen. Er war nicht erst seit gestern Heerführer und Fürst und Miki kein Narr. Dieser würde so schon auf gewisse Probleme im Westen schließen, das konnte für die folgenden Verhandlungen nur schlecht werden. Der Fürst des Südens nickte ein wenig, ehe er eine Handbewegung zu der jungen Dame neben sich machte, die eilig mit einer höfischen Verneigung in die Knie glitt und gesittet zu Boden blickte. „Nun, auch ich muss meines Erben entbehren, aber er führt für mich weitere Verhandlungen mit Ryuku, was die Schiffsverbindungen auf das Festland angeht.“ Ah, dachte der Taishou, gut. Dann vermutete er wohl Ähnliches für Sesshoumaru und das Festland. Aber, warum plauderte das der Herr der Füchse aus? Wollte er gut Wetter für die Verhandlungen machen? Warum? Oder wusste der gar etwas über die Drachen? War ein Zangengriff um den Westen geplant und sein Geheimdienst hatte nur nichts davon mitbekommen? „Ich darf Euch, Fürst, und Prinz Inu Yasha, meine Tochter Sara vorstellen.“ Darum, dachten Vater und Sohn gleichzeitig, deswegen vermisst er auch Sesshoumaru. Er hatte wohl auf Sympathie dessen für sein Mädchen gehofft. Kein dämonischer Vater schleppte seine Tochter ohne Hintergedanken zu Wirtschaftsverhandlungen, schon gleich gar nicht zu einem benachbarten, geschiedenen, Fürsten mit zwei unverheirateten Söhnen. Wobei Inu Yasha sich innerlich ergänzte, dass wohl der gute Fuchsherr nur an Sesshoumaru gedacht hatte. Der würde doch nie im Leben seine Tochter einem Halbblut überlassen. Abgesehen davon, dass er eigentlich noch gar nichts von einer Ehe hielt und so. Und da gab es außerdem jemanden, mit dem er morgen Abend zum Essen verabredet war. Aber er musste wohl höflich bleiben, und so warf er einen raschen Blick zu seinem Vater, erleichtert, dass der normalerweise das Reden übernahm. Tatsächlich meinte der Inu no Taishou lang geübt huldvoll: „Ich begrüße auch Sie, Prinzessin Sara, im Westen. Sie waren noch niemals hier? Es ist ein weites Land mit vielerlei Eindrücken, das ganz anders als der doch recht warme Süden ist.“ Die Prinzessin starrte zu Boden, ohne zu wagen sich zu rühren. Ach du je, dachte der Halbdämon. Die war ja wirklich noch sehr altmodisch erzogen worden. Nun ja, alle Dämonen, natürlich, schon aufgrund der kleinen Tatsache, dass sie eben Jahrhunderte alt waren. Aber außer der Cousine Leiko, für die er selbst ungefähr gleich unter Blutegeln oder so rangierte, hatte er eigentlich noch keine Dämonenprinzessin kennen gelernt. Und Leiko kam im Thema Arroganz und Kälte gleich nach seiner Stiefmutter. War ja auch eine reine Hundedämonin. Sekunde mal. War DAS etwa die für Sesshoumaru ausgehandelte Braut? Ach du je. Kein Wunder, dass der einen Riesenbogen um die Cousine machte. Moment. Was sagte Vater da? Er sollte sich konzentrieren, wollte er nicht noch einmal zu Fuß rund um den Westen spazieren, genauer gesagt, vor einem großen weißen Hund rennen, um das kennen zu lernen, was er so blamierte, wie es der Taishou das damals ausgedrückt hatte. Der Herr der westlichen Länder fuhr fort: „Es ist reizend, eine junge Dame als Zierde des Wirtschaftstreffens zu haben, zumal mein Ältester ja erst später dazu stoßen wird und somit auch seine Verlobte.“ Aha, dachte er dann. Davon hatte sein Kollege aus dem Süden wohl nichts gewusst, aber der Fuchs lächelte sofort wieder, und winkte seine Tochter auf. Was sollte da laufen? Der erfahrene Feldherr wollte austesten, wie weit Miki gehen würde. „Alter Freund, ich habe einen kleinen informellen Empfang vorbereiten lassen, schon damit Sie die wichtigsten Vertreter der hiesigen Wirtschaft kennen lernen. Ich vermute, die Damen und Herren in Ihrer Begleitung sind die Ihren?“ „Ja, da vermuten Sie ganz recht.“ Der Fürst des Südens hob ein wenig die Hand. „Wie fürsorglich, einen informelles Kennenlernen stattfinden zu lassen. Sie planen noch immer ausgezeichnet.“ „Danke. Dann darf ich Sie und Ihre Entourage in das Schloss bitten. - Oh, Inu Yasha, begleite doch die teure Prinzessin zu dem Empfang. Womöglich hat sie noch Fragen zu unseren Gebräuchen, die sich doch von denen ihrer Heimat unterscheiden.“ Er beobachtete den Herrn der Füchse möglichst unauffällig, aber der zuckte nicht mit der Wimper. Wollte er seine Tochter los werden, egal an wen? Dem Taishou war klar, dass ein Halbdämon durchaus unter jedem Dämon rangierte, Fürstensohn hin oder her, zumal in der höfischen Etikette der anderen Länder. Wenn Miki seine einzige Tochter nicht nur an den Erbprinzen als künftige Fürstenmutter geben wollte, sondern auch in Bezug auf diesen als Zweitfrau oder gar mit einem Halbdämon einverstanden wäre – wo lag der Haken bei der durchaus ansehnlichen und offenbar brillant dressierten jungen Dame? Gab es da einen Ansatzpunkt, eine Schwäche, die er selbst ausnutzen konnte?   Der junge Halbdämon wusste, was von ihm erwartet wurde, und stellte seiner Begleitung einige Wirtschaftslenker, dämonische und menschliche, des Westens vor, ehe er mit ihr an eine Glasscheibe trat, wo von aus man einen Blick in den Grünanlage hatte. „Ich vermute, obwohl der Süden wärmer ist, sieht der Garten bei Ihnen zuhause ähnlich aus.“ „Nicht ganz“, erwiderte Sara bemüht höflich, allerdings auch erleichtert, dass der jüngere Prinz aus dem Westen zwar ein Bastard, aber doch mit Manieren war. Ihre Hofdamen hatten besorgt von Gerüchten über Monster erzählt, die Halbdämonen waren. Aber gut, der Fürst hätte seinen Sohn kaum zu seinen Gästen gelassen, hätte er Sorge, dass der ihn blamiere. Vielleicht würde doch alles gut gehen und ihr eigener Vater zufrieden sein. Leider hatte der deutlich gemacht, dass er es nur mit einer pflichtgemäßen Ehe wäre – also mit Sesshoumaru oder Inu Yasha – um ihre Schande auszugleichen. „Ich vermute, das dort rechts ist ein Trainingsplatz?“ „Ja.“ „So etwas gibt es bei uns nur entfernt vom Haus. Mein mächtiger Vater und seine besten Krieger arbeiten mehr mit Magie.“ „Ja, ich weiß. - Gehen wir doch hinaus auf die Terrasse.“ Das wäre ihm auch lieber als in dem doch recht vollen Raum herumzustehen. Er bemerkte, dass sich die Prinzessin zögernd nach ihrem Vater umblickte. „Keine Sorge, durch die Glasscheibe sieht man uns, alles anständig. Ist Fürst Miki so streng?“ Akito, der Erbprinz, war da mal lockerer gewesen, als er auf einem Besuch hier war. Aber Jungen und Mädchen wurden gerade bei Dämonen sehr unterschiedlich gehalten. Sara atmete tief durch. Aber ja, er hatte Recht, draußen konnten sie sich ungestört unterhalten, sie blieb im Blick ihres Vaters – vielleicht konnte sie es wagen zu Inu Yasha offen zu sein? Der wirkte recht annehmbar. „Ja, natürlich gehe ich gern mit Ihnen, werter Prinz.“ Sie bemerkte beruhigt, dass er die Tür hinter sich zuzog, wurde dann aber von seinem nächsten Satz überrascht „Also ist Fürst Miki recht besorgt um Sie. Sie sind wegen ihm nervös, nicht wegen mir.“ „Äh, ja.“ Irgendwie hatte sie nicht damit gerechnet, dass der so jung aussehende Prinz Gefühle erriet, zumal sie geglaubt hatte, ihre wohl zu verbergen. Sie holte tief Atem. „Würden Sie mir versprechen zu schweigen?“ „Ja, klar.“ Er zuckte etwas die Schultern. Also hatte er doch Recht gehabt, dass die Prinzessin aus dem Süden irgendwie in der Klemme steckte. Sollte sie etwa seinen Halbbruder heiraten und wollte das gar nicht? „Ich meine ...“ Sara atmete erneut tief durch, ehe sie doch mit lang geübter Sachlichkeit sagte: „Mein Herr und Vater ist überaus erbost über meine Wenigkeit, da ich Schande über die Familie gebracht habe. Um das zu bereinigen unternahm er … Schritte. Jetzt soll ich heiraten, Sie, Ihren Bruder oder Ryuukossusei.“ „Ach du je. Den Drachen?“ Dann begriff er den Rest. „Schande über die Familie? Also, eine Affäre?“ „Ich weiß, dass das für Männer toleriert wird, und ich vermutete auch nicht, dass … Ich hatte mich verliebt, in einen Dämon. Ich wurde schwanger.“ Inu Yasha musste nicht nachdenken. „Ihr Vater bekam das natürlich mit, schätzte die Auswirkungen auf die Erbfolge ab und so weiter. Aber Sie sehen gar nicht schwanger aus. Überdies würde ein untergeschobenes Kind Riesenärger geben.“ „Das Kind, ein kleiner Sohn, wurde mir sofort nach der Geburt weggenommen und seinem Vater gegeben. Dieser wurde aus dem Süden geworfen. Ich weiß nicht, wohin sie sind, oder welchen Namen er dem Kleinen gab. Ich hoffe, dass sie hier im Westen sind. Im Norden sind die Drachen und die Wölfe im Osten und Füchse … Aber darum muss ich heiraten. Ich denke nicht, mein Prinz, dass mein Vater betrügen will. Er wird gewiss auch Ihrem Vater sagen, dass ich … nun, dass ich benutztes Geschirr bin, wie er es ausdrückte. Darum käme ich auch nie als Erstfrau für den Thronfolger in Betracht. Sie, mein Prinz, würden nicht in Erwägung ziehen, mich ….“ „Wieso denn ich?“ Inu Yasha hatte mit einem langweiligen Abend gerechnet – nicht damit, einen Heiratsantrag zu bekommen. Einerseits tat ihm die Prinzessin Leid. Ihre Familie war weg, sie würde ihr Kind nie wiedersehen und hatte eine Menge Probleme. Andererseits wusste er auch nur zu gut um die strikten Regeln gerade in den Fürstenhäusern, was da an Sitten und Moral galt, wenn es um die Reinheit der Erbfolge ging. Er selbst entstammte zwar einer gemischten Ehe – aber Vater hatte da schon einen echten Thronfolger gehabt, und die Hochzeit seiner Eltern war wohl auch mehr geplant als aus Liebe passiert, selbst, wenn das dann anders wurde. Aber zu allem Überfluss wollte er doch morgen Kagome treffen, und an der lag ihm wirklich was, auch, durch die gemeinsamen abendlichen Chats. Was sollte er denn jetzt Sara sagen? „Ich meine, das müssen unsere Väter entscheiden, und ehrlich gesagt, da ist immer noch mein Halb ... mein Bruder vor mir, nicht wahr?“ Sollte das Ganze etwa gelogen sein und ihn in eine unmögliche Lage bei seinem Vater bringen? Er sollte diese Zweisamkeit hier jetzt schleunigst beenden. „Ich werde aber mit meinem Herrn und Vater über dieses Gespräch reden, wenn Sie einverstanden sind.“ „Ja, doch.“ Die Fuchsprinzessin strich über ihren obersten Kimono. Immerhin hatte er nicht abgelehnt. „Ich hoffe ja, dass mein kleiner Shippou hier ist.“ „Shippou?“ „Ich nenne ihn so. Als … als alles noch anders war, und ich hoffte, gemeinsam mit meiner Familie leben zu können, haben wir uns diesen Namen ausgedacht.“ „Gut. Aber jetzt gehen wir hinein, ich muss mich noch um die anderen Gäste kümmern.“ Das war ein Vorwand, aber immerhin einer, den sie nicht ablehnen konnte.   Während er mehr oder weniger durch den Saal schlenderte, manche Leute grüßte, so, wie es von ihm verlangt wurde, dachte er wieder an das irritierende Gespräch mit der Fuchsprinzessin. Nein, eigentlich wollte er sie nicht heiraten, er wollte überhaupt noch nicht in den Hafen der Ehe einlaufen. Und überhaupt. Er hatte morgen sein erstes Date mit einem Menschenmädchen, das nett war, gut duftete und von dem er so einiges mehr wusste … Immerhin war Kagome doch im Kendama gelandet und nicht im Gumo bei diesem schmierigen Naraku. Unwillkürlich suchte er den in der Menge. War der Narr etwa gar nicht hier? Jetzt guckte er nochmals genauer, ehe er sich am Eingang bei dem dort stehenden Protokollchef die Bestätigung holte. Nein, Herr Naraku sei bislang nicht erschienen. Und das, fand der Halbdämon, war mehr als seltsam. Diese Spinne hatte auf ihn immer durchaus den Eindruck eines gewieften Geschäftsmannes gemacht, um nicht zu sagen, geldgierig zu sein. Wieso tauchte der ausgerechnet bei diesen groß aufgezogenen Wirtschaftsverhandlungen mit dem Süden nicht auf? Oder hatte der sich bei Vater entschuldigen lassen? Krank? Blödsinn. Das war ein Dämon, die wurden nur durch äußere Einwirkungen wie ein Schwert außer Gefecht gesetzt. Er machte sich auf die Suche nach dem Herrn der westlichen Länder und bat ihn leise ihm zu folgen. Irritiert folgte ihm der Taishou. „Was ist? Hat sich die Prinzessin...?“ „Nein, alles in Ordnung dazu. Das erzähle ich Ihnen später. - Aber, wissen Sie wo dieser Naraku steckt? Ich meine, er ist unter den Top Five der Firmen und drückt sich vor diesem Empfang?“ „Da hast du Recht. Ich habe ihn nicht gesehen.“ Der Fürst klang nachdenklich, aus mehreren Gründen. Wieso war Inu Yasha das aufgefallen und ihm nicht? War er nachlässig gewesen und hatte sich nur auf Fürst Miki konzentriert? Das mit Sara würde ihm sein Junge bestimmt später berichten. Der schien aufmerksamer zu werden, erwachsener. Vielleicht konnte er ihm mehr zutrauen, wenn … Sekunde. Der erfahrene Stratege verband einige Punkte, die er bereits kannte, mit Linien. Ryuukossusei war auf Nishishima gewesen ohne sich anzumelden. Sesshoumaru hatte damals schon gemeint, man solle prüfen, wer von den „treuen Untertanen“ sich mit dem getroffen hatte. Jetzt war sein Ältester im Norden auf die Spur eines mächtigen Drachen gestoßen und hatte den zumindest aufgescheucht. Naraku fehlte, obwohl der als Geschäftsmann höchlich an diesen Verhandlungen interessiert sein sollte. Zu allem Überfluss hatte die kleine Higurashi von irgendwem Hinweise und Hilfe für ein Quasi-Attentat auf Inu Yasha bekommen – und das Juwel der vier Seelen spielte auch noch eine Rolle. Drachen. Immer wieder Drachen. „Danke, mein Junge, geh wieder rüber, ich komme gleich.“ Er nahm sein Handy und drückte eine Kurzwahl. „Myouga, die Higurashi wird überwacht?“ „Ja, von zwei vertrauenswürdigen Kriegern. Und von noch jemandem, den sie nicht kennen, aber wohl ein Mensch ist.“ „In Drachenauftrag, womöglich. - Informiere dich, ob Naraku selbst, eine seiner Firmen oder auch unter einem falschen Namen ein Haus im Norden meines Fürstentums besitzt oder gemietet hat.“ „Ja. Bis wann wünschen Sie Ergebnisse? - Verzeihung, so schnell wie möglich.“ „Ja.“ Der Taishou legte auf. Eine raffinierte Intrige lief, und der Gegner hatte sich anscheinend sehr gut vorgesehen.   Kapitel 16: Rendezvous ---------------------- Inu Yasha berichtete auf dem Nachhauseweg dem Fürsten von Saras Klemme. Vater fuhr selbst, so dass die Diskretion gewahrt blieb, dachte der Junge. Der Taishou nickte. „Das erklärt natürlich manches. Interessierst du dich für sie?“ So oder so gab das einen Hebel bei den Verhandlungen. „Sie tut mir Leid,“ gab der Halbdämon ehrlich zu. „Aber heiraten, also, eigentlich fühle ich mich noch etwas zu jung dazu, Vater. Sagen Sie doch, wäre sie nicht was für Sesshoumaru?“ „Wie kommst du auf diese Idee? Ich dachte, dir wäre klar, dass er bereits versprochen ist? Übrigens natürlich an eine Hundedämonin.“ „Ja, Leiko, oder?“ Er genoss die milde Überraschung seines Vaters. „Naja, aber Erbfolge ist doch eine Sache, sagten Sie und … naja ... was Persönliches eine andere. Im Unterschied zu unserer Cousine ist Sara nett.“ Wärmer, vor allem, aber das sollte er einem Dämon lieber nicht erzählen. „Als Zweitfrau, meinst du? Das musst du schon Sesshoumaru überlassen.“ „Ja, klar. Kommt er denn her? Ich dachte, er ist immer noch im Norden.“ „Dort bleibt das Heer auch, zumal nach diesem Treffen mit einem Drachen, in dem ich einen sehr Hochrangigen, wenn nicht gar den Erbprinzen, vermute. Sicher ist sicher.“ Der Taishou machte eine kurze Pause, entschied sich dann jedoch dafür, nach allen Erfahrungen der letzten Wochen offener mit seinem Jüngsten zu sein. Das konnte nur besser für den und auch ihn selbst, ja, alle, sein. Und Inu Yasha hatte nicht zuletzt heute mit seinem Hinweis auf Naraku bewiesen, dass er mitdachte, erwachsen wurde. „Aber wenn der Erbprinz nicht zumindest Dienstag bei der Abschiedsfeier anwesend ist, würde Miki auf Schwierigkeiten hier im Westen schließen. Unnütz zu sagen, dass das nachteilig für unseren Teil der Verhandlungen wäre. Dein Bruder wird allerdings noch Dienstag Nacht wieder in den Norden zum Heer gehen. Irgendetwas läuft da. Und bislang hab ich keinerlei Nachricht bekommen, ob und wo Naraku ein Haus dort besitzt – oder wo er steckt. Natürlich wäre theoretisch auch möglich, dass er entführt wurde, aber niemand weiß etwas.“   Kagome warf am Dienstagmorgen in der U-Bahn trotz all ihrer Sorgen einen amüsierten Blick auf die Zeitungen. Die seriösen unter ihnen beschrieben die Wirtschaftsgespräche, aber immer wieder tauchten auch in der Klatschpresse Fotos auf – vor allem von Inu Yasha mit einer jungen Fuchsdame, wohl der Tochter des südlichen Fürsten. Es wurden Theorien über eine mögliche Ehe zur Förderung der Wirtschaft verbreitet, aber auch, dass das Liebe auf den ersten Blick sei. Letzteres eher nicht, dachte sie, wenn sie sich entsann, wie schüchtern ihr der Halbdämon erschienen war, als sie ihm die Kette geschenkt hatte. Aber, natürlich, das war eine junge, echte, Dämonen aus reichem und mächtigem Haus – da sah das womöglich auch anders aus. Energisch beschloss sie Inu Yasha aus ihren Gedanken zu verdrängen, und sich stattdessen lieber einen Plan zu machen, was sie heute Abend für Reddemon anziehen sollte. Immerhin war das doch ihr erstes Treffen so zum Essen mit einem Jungen, wenngleich natürlich kein Date, aber sie wollte sich auch nicht blamieren. Was der wohl mochte? Das Tora-Tora war recht nobel. Er hatte zwar gemeint, dass er da auf Kosten des Kendama essen könnte und sie gleich mit dazu einladen, aber sie hatte doch gar keine so vornehme Garderobe. Ihre Mutter hatte ihr zu einem kurzen schwarzen Rock geraten, den sie bei der Hochzeit irgendeines entfernten Verwandten getragen hatte und der seither unbenutzt herumhing, aber sie wusste nicht, ob das genügen würde. Und welches Oberteil dazu wohl passte? Schmuck hatte sie sowieso keinen berühmten. Oder sollte sie Opas Imitation des Juwels nehmen? Das sah doch wie eine Perle aus. Aber ihr Magen verknotete sich, wenn sie nur daran dachte – und damit an Naraku und seine Forderungen. Nein, befahl sie sich, nimm dich zusammen. Denke nicht an den Mistkerl, nicht an das Juwel, nicht an Großtante Kikyou oder auch nur an Inu Yasha, nur an Reddemon. Vielleicht würden sie sich sogar ihre richtigen Namen verraten? Er schien ganz nett, wenngleich doch manchmal recht vorsichtig. Aber sie war das ja auch. Ob ihn sein Vater, wie auch ihre Mutter sie, vor Internetbekanntschaften gewarnt hatte? Was sollte sie eigentlich im Tora-Tora essen? Nun ja, sie hatte sich zur Vorsicht schon die Online-Speisekarte angeguckt, denn, wenn sie schon eingeladen wurde, sollte sie es nicht übertreiben. Mama hatte ja gemeint, sie sollte sich etwas vorschlagen lassen – und ja mit einem Taxi direkt vom Lokal nach Hause fahren und nicht mit der U-Bahn, sich auch nicht überreden lassen, woanders hin zu fahren. Sie hatte ihr alles versprochen und sich die Kleidung zum Umziehen gleich mit ins Büro genommen. So machte sie Überstunden, musste nicht hin- und herfahren, und in ihrem Spind war Platz genug für eine kleine Sporttasche. Oh du je, fiel ihr ein, morgen war ja sowieso der erste Tenniskurs, den sie mit Sango ausgemacht hatte – und morgen musste sie auch mit Naraku reden. Morgen.   So stand sie kurz vor neunzehn Uhr vor dem Tora-Tora, gegenüber des neuen Rathauses der Stadt. Sie war etwas unsicher, aber das Lokal an sich war nicht zu verfehlen. Es befand sich im ersten Stock und man musste hier eine Treppe empor gehen. Die Tatsache, dass auf einem Schild gleich neben der Speisekarte ausdrücklich Waffen verboten wurden, bewies, dass wohl in der Hauptsache Dämonen hier zu Gast waren, genauer, waffentragende Dämonen des Fürsten. Jetzt ging noch niemand an ihr vorbei – aber gut, sieben war wohl für so eine Gaststätte noch etwas früh zum Essen. Ob das Reddemon mit Absicht so geplant hatte? Ach ja, er hatte ja gesagt das Treffen sei gleich nach der Arbeit, da würde er wohl auch nicht nach Hause fahren. Und er würde sich leichter mit der Garderobe tun, konnte er doch im Anzug bleiben wie im Kendama. Wo er nur blieb? Sie sah sich um, dann wieder empor. Zwischen den Häusern leuchtete in der Dämmerung die Kugel des Restaurants der Blitzbrüder. Immerhin konnte man sich in der Innenstadt kaum verlaufen, das war stets ein guter Markierungspunkt, abgesehen von der ringförmigen, vierspurigen Straße die das alte Stadtzentrum von dem neuen Geschäftsviertel und den Wohnquartieren, die meist aus Dörfern entstanden waren, trennte. Sie blickte sich erneut um, sah ihn dann erfreut um die Ecke schlendern.   Durch nichts verriet Inu Yasha seine Erleichterung, dass sie wirklich gekommen war und auch auf ihn gewartet hatte. Er war etwas später als geplant von den Wirtschaftsverhandlungen weg gekommen, schlicht, weil es noch zu hell war und die Verwandlung noch nicht eingesetzt hatte. Erst im Auto, das von einem Dämon gefahren wurde, hatte er seine menschliche Natur angenommen. Jetzt wartete der Fahrer drüben am Park des Kendama auf ihn. „Hallo, Juwel“, grüßte er. „Schön, dich mal wieder so zu sehen. - Gehen wir gleich hoch. Ich habe zwar einen Tisch reservieren lassen, aber das wird kaum nötig sein.“ Nun ja, es war nötig, anders bekam man hier keinen. „Oh, ja. Es scheint noch recht leer zu sein. Also, es kam niemand an mir vorbei.“ Sie folgte ihm die Treppe empor in eine Art Vorraum, wo ein schwarz gekleideter Kellner an einem Stehtisch lehnte und das junge Pärchen etwas kühl anblickte. „Sie haben reserviert?“ „Ja“, erwiderte Inu Yasha mit innerem Seufzen. Er aß hier gern, aber sie machten nie Zicken, wenn er als Halbdämon auftauchte, nur als Mensch. Nun ja, weiße Haare waren so etwas wie eine Steckbrieffrisur. Außerdem war dann meist Vater dabei. „Auf das Kendama, Geschäftsleitung.“ Wie er es schon kannte, zog er aus seinem Anzug die Kreditkarte und hielt sie hin. Das dort eingestanzte „Geschäftsleitung“ und das Zeichen des Konzerns beruhigte normalerweise. Der Kellner warf auch nur einen Blick auf die golden leuchtende Karte. Er kannte einige Kreditkarten des Kendama, aber Gold bedeutete fast unbegrenzte Spesen. Das musste wirklich jemand aus der Geschäftsleitung sein, vielleicht mit seiner Sekretärin. Hoffentlich würde sich die Ausgabe für den jungen Mann auch bezahlt machen. „Ah ja, ich sehe schon. Tisch Nummer 15. Wenn Sie mir bitte folgen würden.“   Als sich die beiden Jugendlichen gesetzt hatten und die gebrachte Karte studierten, fiel Inu Yasha siedend heiß ein, dass er ja unter dem Hemd immer noch die Kette trug, die sie ihm geschenkt hatte. Inu Yasha natürlich, nicht Reddemon. Wenn sie die unter seinem Hemd entdeckte, würde seine Doppelrolle auffliegen. Was sie dann sagen würde, wollte er lieber nicht wissen. Vermutlich wäre dann alles aus und er würde sie kaum je so wieder sehen. Möglichst schnell und unauffällig lockerte er den Knoten seiner Krawatte so weit, dass die Kette tunlichst verborgen blieb. Kagome sah verwundert auf ohne etwas bemerkt zu haben. „Auf der Karte stehen gar keine Preise?“ „Äh, nein. Das ist die Karte für Gäste. Such dir schon was aus. Ich nehme übrigens das Steak mit Salat.“ Ah, das war das, was Mama gesagt hatte: man bekam einen Hinweis, wie teuer es werden sollte. Kagome war ein wenig überrascht gewesen, dass ihre Mutter gelächelt hatte, als sie von einer Einladung ins Tora-Tora erzählte, aber hatte dann verstanden, als sie erfahren hatte, dass ihre Eltern stets zum Hochzeitstag hierher gegangen waren. Seltsamerweise hatte ihr das Reddemon noch einmal vertrauter gemacht. Sie hatten viel gemeinsam. Allerdings: „Ich mag kein Steak“, gab sie zu. „Warst du hier schon öfter? Ich hätte lieber Fisch oder so ...“ „Naja, da kenne ich mich nicht aus. Was magst du trinken?“ „Wasser.“ Sie entsann sich durchaus, dass er das in dem Café bei ihrem Kennenlernen getrunken hatte. Da er prompt eine Flasche Mineralwasser bestellte, ergänzte sie: „Ich mag keinen Alkohol.“ Wenn sie sagen würde, sie vertrug keinen – würde er sie doch betrunken machen wollen? Er war ja doch nur eine Internetbekanntschaft, auch, wenn sie sicher war, dass sie ihn im Kendama finden konnte, zur Not mit Sangos und Mirokus Hilfe über Prinz Inu Yasha. „Ich vertrage keinen“, gab der Halbdämon ehrlich zu. „Aber ich denke, die Wenigsten hierzulande.“ „Ja, das stimmt wohl.“ Sie studierte etwas verlegen erneut die Karte um ihn nicht ansehen zu müssen. Es war doch eine sehr ungewohnte Lage. Überdies – was war wohl passend zu essen? Da waren vertraute Speisen darauf aber auch ungewohnte wie Pizza. Teuer und exotisch, das wusste sie auch ohne den Preis zu sehen. „Äh, was ist das hier? Italienische Nudeln mit Bologneser Sauce?“ „Keine Ahnung, ich esse hier immer Steak. Aber das sind sicher keine Ramen. Bestell sie dir doch. Wenn sie dir nicht schmecken, lassen wir das zurückgehen und du bestellst was anderes.“ „Du, das ... ich will dich nicht ausnutzen.“ Sie wurde glühend rot. Es war doch etwas anderes, sich mal von Hojo, einem seit Kindertagen vertrauten Mitschüler, ein Eis am Stand spendieren zu lassen oder so etwas. Ach du je, dachte der Halbdämon in Menschenform. War das schon wieder falsch gewesen? Menschen waren wirklich anders als Dämonen. So suchte er hastig zu beruhigen. „Das geht auf Kosten der Firma, naja, des Fürsten. Und ehrlich, ich habe diese Karte noch nie ausgenutzt, das geht schon.Ich glaube eher, V... der Fürst wird nicht einmal bemerken, dass da Geld fehlt.“ Vorsicht, dachte er. Seine Doppelrolle sollte doch nicht auffliegen. Aber dauernd quasi zu lügen war schwerer als gedacht. Das mochte natürlich sein, aber sie wollte nicht als gierig erscheinen. So blickte sie vorsichtig auf. Irgendwie erinnerte er sie plötzlich an Naraku und sie sah lieber wieder auf die Karte. Nein, da gab es keine Ähnlichkeit, wirklich nicht. Reddemon war nett, er hatte ihr geholfen ohne selbst etwas zu wollen – was man leider von dem Mistkerl von Spinnendämon nicht behaupten konnte. Oh, sie wurde schon wieder wütend, wenn sie nur daran dachte, aber ihr war klar, dass diese Wut aus hilfloser Verzweiflung entsprang. Sie sollte sich lieber bemühen einen netten Abend zu haben – und Redemon den nicht zu verderben, bloß weil sie in der Tinte saß. „Naja, dann probiere ich sie eben,“ murmelte sie. Seine Handbewegung, die den Kellner rief, erschien ihr sehr selbstverständlich. Nun gut, in der Geschäftsleitung lernte man bestimmt auch mit solchen Situationen umzugehen. Überdies hatte er ja gesagt, er arbeite viel mit dem Fürsten zusammen, das Protokoll bei Hofe, das in der Firma ja verpönt war, war sicher streng, da lernte man gewiß auch so etwas. „Äh, ich werde morgen einen Tenniskurs anfangen.“ Das war doch bestimmt ein harmloser Gesprächsstoff. „Tennis? Wie kommst du denn darauf?“ Sie hatte nie etwas von Sport erwähnt? „Sango ist schuld.“ Kagome musste doch lächeln, aber sie begann zu erzählen.   Vor dem Rathaus fiel den beiden Dämonen, die weisungsgemäß Kagome beschatteten, plötzlich ein Duo auf. Die besten Leute des Fürsten kannten sich natürlich untereinander und sie fragten sich, was die Anderen hier wohl taten. Da sie annahmen, dass das Menschenmädchen sich eine Weile in dem Lokal aufhalten würde, gingen sie hinüber. „Na, was treibt euch denn her?“ „Das könnten wir auch euch fragen.“ Das Quartett musterte sich kurz, ehe der Dachsdämon ergänzte: „Es ist Neumondnacht. Wir beschatten Inu Yasha.“ Prinz Inu Yasha wäre zwar korrekt gewesen, aber wenn dieser ein Mensch war doch etwas zu unangenehm. Umgekehrt, zu sagen: „den Bastard“ war nicht sonderlich ratsam. Ein sehr törichter Kollege hatte dieses Wort vor Jahrhunderten verwendet, ohne zu bemerken, dass sich der Taishou knapp fünfhundert Meter hinter ihm, in Hörweite, befand. Dessen dämonische Energie war von „wohl verborgen“ auf Maximum emporgeschnellt und quer über den Übungsplatz gepeitscht. Dem unseligen Dämon war förmlich das Fleisch von den Knochen gefetzt worden und er hatte Jahre benötigt um sich zu regenerieren. Seither vermied jeder Denkende das „B“- Wort, da der Fürst klar gestellt hatte, dass er das als Beleidigung seiner selbst betrachtete. „Er hat hier wohl ein Rendezvous.“ „Ja, mit unserem Zielobjekt, Kagome Higurashi.“ Der Agent hätte nie zugegeben, dass sie alle Zwei versagt hatten, in dem sie den Halbdämon als Mensch nicht erkannt hatten. „Eigenartig, wenn sich zwei Zielobjekte treffen.“ „Sehr.“ Der Dachs griff zum Handy. „Das sage ich lieber mal unserem alten Myouga. Das hier ist immerhin für uns ein Sonderauftrag und wir sollen Inu Yasha auf jeden Fall beschützen.“ Das war klar. Ins Schloss zurück zu kehren und dem Herrn erklären zu müssen, dass dem jüngeren Sohn etwas zugestoßen war – nun, es gab einfachere Selbstmordmethoden, wenngleich wohl kaum eine schnellere. So ergänzte der Anführer des anderen Duos nur: „Wir sollen das Mädchen nur beschatten. Aber sag, dabei ist uns ein dritter Schatten aufgefallen, erst zwei, dann nur noch ein Mensch, der jetzt aber auch weg ist.“ Dann sparte er sich zum Einen den Bericht, zum Anderen mochte es wichtig sein, zumal, wenn sie sich mit dem jüngeren Sohn des Taishou verabredet hatte.   Den alten Flohgeist traf fast der Schlag. Er wusste nur zu gut, dass der Fürst Kagome Hochverrat unterstellte. Da war die magische Kette, die Verbindung der Higurashis zum Juwel der vier Seelen. Dass genau das Mädchen, das im Verdacht stand mit den Drachen zu kollaborieren, sich jetzt mit Inu Yasha traf, noch dazu in dessen Menschenform, wenn er wehrloser war als sonst, war ein Grund zum Alarm. Staatsempfang mit Fürst Miki hin oder her, das musste er dem Herrn unverzüglich mitteilen. Leider war ein Telefonat unangebracht, wer wusste schon, was da noch los war. Naraku war auch spurlos verschwunden. „Äh, haben die Kollegen ein Bild von den Verfolgern der Higurashi?“ erkundigte er sich dann doch noch. „Ja, sie haben Fotos. Sollen sie sie Ihnen schicken?“ „Ja, unverzüglich.“ Wer ließ denn das Mädchen noch überwachen? Die Drachen? Wieso sollten sie zu Menschen greifen? Weil es unauffälliger war? Das konnte bedeuten, dass diese Kagome gar nicht wusste, dass sie es mit Drachen zu tun hatte, aber diese Reptilien waren schon immer recht verschlagen gewesen. Myouga raufte sich mit zwei Händen seine schütteren Haare, während er mit der anderen Beiden seine Spezialanfertigung eines Telefons hielt. Nein, Taktik sollte er dem Herrn überlassen. Während er das übersandte Bild speicherte und hastig in der Datenbank der Polizei suchte, bedankte er sich bei seinen Leuten. Und dachte gleichzeitig nach. Jetzt war es acht Uhr, fast. Der Staatsempfang hatte gerade begonnen. Wie konnte er jetzt den Taishou erreichen? Ein Anruf wäre fatal, würde Miki nur darauf hinweisen, dass sein fürstlicher Kollege Probleme hatte. Er musste selbst dort hinaus. So bestellte er ein Auto, während der Computer ihm anzeigte, dass es sich um zwei Personen eines Sicherheitsdienstes handelte, der als die „Sieben“ bekannt war, geleitet von einem gewissen Bankotsu. Da alle Waffen trugen, waren sie auch polizeilich erfasst. Und diese kleine Firma war aufgekauft worden von … Der Flohgeist drückte hastig eine Taste. „Ich brauche einen Falkendämon, den schnellsten. Und er soll mich persönlich bringen, äh, in das Schloss Nishi. Dort findet der Staatsempfang statt.“ Naraku, Drachen … nur, was hatte eine Auszubildende damit zu tun? Und was Inu Yasha? Ach du je, seit der Junge auf der Welt war, rutschte er immer wieder in Probleme, da musste Myouga nur an die Affäre mit dieser Priesterin und dem Juwel der vier Seelen von fünfzig Jahren denken.   Sango und Miroku fuhren derweil auf dem Motorrad des Mönches eine dunkle Straße entlang. Der Verkehr kam ihnen entgegen, da die Ausflügler in die Stadt zurückkehrten. Leider musste Miroku zugeben, dass er nicht ganz freiwillig hier war. Normalerweise hätte er es genossen mit einem Mädchen auf einem Fahrzeug durch die Nacht zu gondeln, einen netten Abend zu zweit zu haben … Aber Sango saß zum Einen hinter ihm, zum Zweiten hatten sie eine Aufgabe. Er hatte sie eigentlich nur kurz besuchen wollen, um ihr die Schüssel des Vorzimmers zu bringen, da er einige Tage frei hatte, als sie sehr geheimnisvoll getan hatte. Erst bei einem Spaziergang im Yoshi-Park hatte sie ihm erklärt, dass die Dämonenjäger und ihr Anwesen seit Tagen überwacht wurden. Ein kleiner Mann, Mensch, mit einer weißen Mütze, sei einigen ihrer Verwandtschaft aufgefallen. Die dämonischen Mitbewohner machten einen weiten Bogen um ihn. Sango fand ihn verdächtig und wollte ihn stellen, obwohl ihr Vater es verboten hatte. Dessen Meinung, es seien immer wieder einfach Leute neugierig auf die Jäger, wollte sie nicht teilen. Schon um seiner Kollegin gegenüber den Helden zu spielen hatte Miroku allem zugestimmt. Leider war dieser Unbekannte jetzt weggefahren, mit einem Auto, und sie rasten, so schnell es mit seinem Motorrad ging, hinterher. Zum Glück herrschte auf der Landstraße nach Norden ein Tempolimit, so dass sie ihn nicht aus den Augen verloren. Sango klammerte sich etwas fester an ihren Vordermann, als sie rief: „Wohin will der nur?“ „Keine Ahnung!“ schrie Miroku zurück. „Aber dir ist hoffentlich klar, dass dein Vater wahrscheinlich Recht hat und alles ganz harmlos ist? Vermutlich fährt er nach Hause, pinnt sich Fanphotos von eurem Haus an die Wand und fertig!“ „Das würde ich gern glauben.“ Sango holte tief Atem. „Aber Kagome erzählte von Besuchen bei ihrem Opa. Ein Typ, auf den genau diese Beschreibung zutraf, klein, rundlich mit weißer Mütze und gern ein Tuch über dem Mund, stellte sich ihr und ihrer Mutter als Apotheker des Krankenhauses vor. Und jetzt erkläre mit mal, was der mit uns Jägern zu schaffen hat. Und wieso der mitten in der Woche so weit nach Norden fährt. Wir sind jetzt schon fast vierzig Kilometer außerhalb der Hauptstadt.“ „Pendler? Reg dich nicht auf, ich habe ja gesagt, ich mach mit.“ Der junge Mönch blickte geradeaus. „Und er biegt jetzt ab. Das geht weiter Richtung Norden. - Naja,“ musste er brüllen, da er wieder beschleunigte. „Eigentlich richtig in die Pampa. Da sind doch nur die Berge und das Naturschutzgebiet, bis zur Grenze. Da leben eigentlich keine Menschen mehr, nur Dämonen.“ „Folge diesem Auto!“ Da sich Sango an ihr drückte, fand Miroku, blieb ihm gar nichts anderes übrig. Kapitel 17: Staatsempfang ------------------------- Sesshoumaru war nicht sonderlich gut gelaunt. Natürlich gehörten solche Empfänge zu den Pflichten eines Fürsten und seines Erben, aber deswegen musste er sie nicht lieben, zumal, wenn er eine lange Anreise hatte, heute Nacht wieder zurück zu den Kerntruppen des Heeres sollte und diese im Moment ohne Führung an der Grenze zu den Drachen lagerten. Vater hatte nur zu Recht, natürlich immer, und überdies hatte die frische Fährte bewiesen, dass mindestens ein Drache sich im westlichen Fürstentum herumtrieb. Irgendetwas geschah im Norden und er wäre lieber dort als hier. Aber, faktisch waren die Wirtschaftsverhandlungen wichtig, und Miki hätte sich gewundert würde er hier nicht auftauchen. Was seine Laune endgültig in den Keller senkte war jedoch, dass er kurz nach seiner Ankunft bereits seiner Quasi-Verlobten in die Hände lief. Leiko lächelte ein wenig, ehe sie ihn um ein kleines, privates, Gespräch bat. Normalerweise scheute er solche Intimitäten mit Frauen, schon, um sich nicht erpressbar zu machen, aber früher oder später wäre er sowieso mit ihr verheiratet. Das Versprechen der Väter vor Jahrhunderten band sie beide. So befanden sich die beiden Hundedämonen nur kurz darauf in einem Séparée. „Nun?“ Der Erbprinz stellte sich an das Fenster und blickte hinaus. „Ich wollte zunächst mit dir sprechen, ehe ich zum Fürsten gehe, werter Cousin.“ Leiko klang sachlich. „Die Hochzeit sollte bald angesetzt werden. Heiratet der Bastard eher, sähe es nicht gut um unser Image aus.“ Sesshoumaru drehte sich sehr langsam um. „Falls du von meinem Halbbruder sprichst, Cousine, so möchte ich dich auf die Sprachregelung hinweisen. Weder mein verehrter Vater noch ich werden dulden, dass Inu Yasha herabgesetzt wird.“ „Natürlich.“ Sie zuckte die Schultern minimal. „Wenn du erst das Sagen hast, wirst du ihm sicher eine … passende Aufgabe geben, weit weg.“ Plötzlich begriff er und eine Woge Zorn schwappte über ihn hinweg. Sie wollte, wären sie erst verheiratet, ihm nicht nur auf die Nerven gehen, sondern auch noch seine Entscheidungen beeinflussen! Er sollte deutlich machen, dass sie damit vollkommen falsch lag. „Du möchtest also bald dein Leben beschließen.“ Leiko strich über ihre weiße Boa, die zu ihrem Bedauern nicht so lang wie die ihrer Tante war. „Sei versichert, werter Cousin, ich werde dir keinen Vorwand liefern mich wegen Ehebruchs hinrichten zu lassen.“ „Davon bin ich überzeugt. Du hast nur offenbar keine Ahnung, was auf dich in unserer Ehe wartet.“ Jetzt sah sie auf. „Du kannst nicht viel tun. Das Wort unserer Väter ist bindend. Und, wenn du mich schlecht behandelst, würde sich meine Familie rächen.“ Sesshoumaru kam drei Schritt auf sie zu und bemerkte zufrieden, wie sie instinktiv zurück zuckte. „Nein, ich werde dich nicht ohne Grund hinrichten lassen oder auch nur anfassen. Ich muss dich allerdings nachts besuchen bis ich einen Erben habe. Solange bleibst du in deinen Zimmern. Keine Macht für dich, teure Cousine, keine Teilnahme am Staatsrat, keine Einflussnahme. Und nach der Geburt meines Erben darfst du unverzüglich zu meiner Mutter ziehen. Das Schloss ist sehr passend für Fürstinnen, hörte ich, umso mehr für Erbprinzessinnen.“ Die Hundedämonin sah zu ihm auf. Als sie dem eiskalten Blick und einem fast sanftem Lächeln begegnete, spürte sie einen unwillkürlichen Schauder. Ja, er hatte sie durchschaut. Mochte sie auch davon geträumt haben, über ihn in Wahrheit selbst das Fürstentum zu beherrschen, ja, sich dessen sicher gewesen zu sein – es war eine Illusion. Er würde keine wie auch immer geartete Beeinflussung dulden. Ihre einzige Chance bestand also im Augenblick in ihrem zukünftigen Schwiegervater. Würde der sie anhören hätte Sesshoumaru keine Möglichkeit einzuschreiten. Und bis der selber Fürst war, brauchte sie unbedingt einen Sohn. Der künftigen Fürstenmutter standen Türen offen. Allerdings stutzte sie zum ersten Mal, warum ihre Tante sich so weit in das schwebende Schloss im Westen zurück gezogen hatte, statt sich um den Ausbau ihrer Macht und damit ihren Sohn zu kümmern. Gleich. „Nun, du musst mit mir auskommen, werter Cousin. Und ich bin sicher, du wirst mich und meinen Rat auch bald schätzen lernen.“ „Eher frage ich Inu Yasha!“ entfuhr es ihm ungewollt, ehe er sich abrupt abwandte. „Meine Pflicht wartet.“   Zum großen Bedauern des Erbprinzen wurde sein Abend nicht besser. Zwar konnte und sollte er sich kurz mit Fürst Miki unterhalten, ehe er allerdings an dessen Tochter weitergereicht wurde. Immerhin war diese Sara schweigsam und fast schüchtern. Nun ja. Vater hatte ihm bereits von derer Klemme erzählt. Nur, was ging ihn das an? Die Fuchsprinzessin sah seitwärts zu ihm auf. „Ich bitte um Verzeihung“, murmelte sie. „Es wurde mir befohlen mit Ihnen diesen Abend zu verbringen.“ „Mir ebenso.“ Nun ja, unter den Augen zweier Fürsten sollte er wohl besser die Höflichkeit wahren. „Darf ich Sie einigen einflussreichen Leuten hier im Westen vorstellen?“ „Oh, vielen Dank.“ Sara lächelte, ehrlich erfreut, das er seine Energie auf ihre Bitte in nicht nochmals erhöht, sondern in sich zurückgezogen hatte. Was auch immer ihn verärgert hatte, war also nicht sie gewesen. „Ihr Bruder, Halbruder, war bereits so freundlich. Es ist nicht notwendig.“ Was hatte Inu Yasha ihm erzählt? Dieser hatte nur gesagt, er würde ihre Patsche seinem Vater berichten – was wusste der Erbprinz? Zu ihrer Überraschung sah Sesshoumaru seitwärts. „Gehen wir zum Fenster und blicken hinaus.“ Mit dem Rücken zum Publikum wäre es selbst für Dämonen schwer mitzuhören, zumal ein gewisser Respektsabstand zu wahren war und das Stimmengewirr laut genug. „Ja, Sesshoumaru-sama.“ Ja, das wollte er von einer Frau hören. Leiko sollte sich ein Beispiel daran nehmen, statt ihn mit ihren Machtphantasien zu langweilen. Als ob es so amüsant war Erbprinz oder gar Fürst zu sein. Er wusste nur zu gut wie viel sein verehrter Vater um die Ohren hatte und bemühte sich ihm zu helfen. Er sollte jetzt irgendetwas zu der Füchsin sagen, sonst war deren Vater womöglich beleidigt. „Haben Sie an den Verhandlungen teilgenommen?“ „Nein, natürlich … ich meine, ich bin nur eine Frau. Sie waren wohl unabkömmlich.“ Das war eine reine Feststellung. „Wie Ihr Bruder Akito, ja.“ Sara sah in die Nacht. „Trotz aller Unterschiede zwischen Vätern und Söhnen arbeiten Fürsten und ihre Erben erstaunlich gut zusammen. Man liebt eben das gemeinsame Land, seit dem Großen Krieg.“ „Lieben Sie den Süden?“ Sie war ein wenig erstaunt, beschloss dann jedoch, das als rein höfisch-höfliche Frage zu sehen. „Ich wurde dazu erzogen den Süden eines Tages zu verlassen.“ Und diese Regel hatte sie gebrochen, als sie … Es tat so weh, sich an den Kleinen zu erinnern, an ihren geliebten Ito. Wo die Beiden jetzt wohl waren? Hoffentlich in Sicherheit. Sie musste an sich selbst denken. Ihr Vater machte keine Drohungen – wie bei jedem Dämonenfürsten war das ein Versprechen. Sesshoumaru war die kurz aufgewallte Energie nicht entgangen. Eindeutig hatte sein kleiner, törichter, Bruder hier recht – die Fuchsprinzessin steckte in einer Klemme. Sein Vater hatte ihn auf der Herfahrt nur kurz instruieren können, sowohl über die Diskussionen als auch die Lage der jungen Dame. Allerdings hatte das bei den Verhandlungen wenig genutzt. Miki war clever – der Taishou allerdings auch, und die Beiden kannten sich seit Jahrhunderten. „Was würden Sie denn in einem anderen Land tun?“ erkundigte er sich in Gedanken an seine Braut. „Ich meine, mit was sich beschäftigen?“ Sara sah ihn erstaunt an. Er meinte doch nicht etwa …? Nein, sicher nicht, er wollte nur höflich sein. „Ich spiele gern Flöte, aber Sie meinen als Fürstin oder so? Nun, das liegt bei meinem Gemahl, aber ich denke, soziale Projekte entsprechen der Stellung.“ Das klang schon einmal bedeutend bescheidener als Leiko. Soziale Projekte, wie ein Waisenhaus. Plötzlich dachte er an Rin, an die anderen Kinder. Moment. „Shippou.“ Sara starrte ihn gegen jede Etikette an. „Was meinen Sie, Sesshoumaru-sama?“ Jetzt musste er sich erklären, auch das noch. Er sollte sich konzentrieren. Die „teure Cousine“ schien ihn doch ein wenig berührt zu haben. „Inu Yasha sagte, Sie würden … ein bestimmtes Kind so nennen.“ Die junge Füchsin wäre gern rot geworden, aber das konnten nur Menschen. Immerhin formulierte er so, das ein Zuhörer keine Rückschlüsse ziehen konnte. „Ja.“ „Mir obliegt die Aufsicht über ein Waisenhaus. Dort lebt ein kleiner Fuchsjunge mit diesem Namen, an den ich soeben dachte. Seine Mutter … starb bei seiner Geburt, sein Vater hatte vor kurzem einen tödlichen Unfall mit einem bekannten Koch.“ Einem der Donnerbrüder, um genau zu sein. Dem war das teuer zu stehen bekommen, denn er musste nun eine Waisenrente in solider Höhe für den Kleinen zahlen. Nun, der Koch konnte sich das leisten. Sara fasste instinktiv nach ihren roten Haaren. „Ein Fuchsjunge.“ Sie holte tief Atem. „Sehr klein, wohl.“ Der Erbprinz blickte in das Fenster, in dem sich seine goldenen Augen spiegelten. „Sehr.“ „In Ihrem Waisenhaus geht es ihm sicher gut.“ Sie klang fast heiser. „Frau Yoshi, die Leiterin, sorgt gut für die Kinder. Sie ist ein Mensch.“ Tatsächlich, diese Prinzessin war wirklich erleichtert. „Ich danke Ihnen, Sesshoumaru-sama“, flüsterte Sara. „Und, seien Sie versichert, wenn es irgendetwas gibt, was ich für Sie tun kann, so werde ich es tun.“ Der junge Hundedämon wollte schon ablehnen, ehe ihm bewusst wurde, das Mikis Tochter, wie auch ihr Bruder, über eine gehörige Portion Magie verfügte, wenngleich natürlich weniger als der Herr des Südens selbst. „Ich könnte darauf zurückkommen, Sara.“ Sie lächelte etwas. Es tat weh zu wissen, dass Ito tot war, aber wenigstens war der Kleine in Sicherheit. „Prinz Inu Yasha hat Ihnen also erzählt. …?“ Er sah wieder aus dem Fenster. An Leiko kam er nicht vorbei, aber diese Füchsin würde ihm keine Probleme bereiten. War das eine Alternative? Weder sie selbst noch ihr Vater würden sich einem Heiratsantrag verweigern, sei es auch als zweite, rangniedere, Frau. Einfach jemanden haben, der sich um diese ganzen sozialen Projekte kümmerte, ja, um Rin? Die letzten Termin im Waisenhaus hatte er eigentlich nur für ihr Lächeln wahrgenommen. Wäre das eine Lösung für ihn, ein wenig Ruhe zu finden? Oder, sollte er gar an Inu Yasha denken, dass der ihn eines Tages unterstützen wurde? Immerhin schien der erwachsen zu werden. Aber er musste wohl antworten, zumal er aus den Augenwinkeln bemerkte, dass sich Fürst Miki näherte. „Ja. - Wenn Sie dort hinüber blicken, Prinzessin, können Sie vermutlich das Flussufer mit einem Park sehen. Dort werden seit Jahrhunderten keine Menschen geduldet, aber auch keine Gerüche, die unsereins so lästig fallen.“ Sara hatte ihren Vater nicht gesehen, aber sie ahnte, dass der private Teil des Gespräches beendet war und das kaum ohne Grund. Immerhin hatte er sie erleichtert. „Ich bin entzückt über die Schönheiten des Westens, verehrter Prinz. Ihr fürstlicher Vater hat vollkommen zu Recht behauptet, wie anders es hier sei als im Süden.“ Nun, dumm war sie nicht. Aber er sollte wohl den Ranghöheren, da Fürsten, zur Kenntnis nehmen und wandte sich um, höflich den Kopf neigend. Nur noch kurz hier die pflichtgemäße Rolle spielen, dann ging es eilig wieder in den Norden zu der Kerntruppe des Heeres. Hoffentlich war dort nichts weiter geschehen. Denn, wenn er sich so umblickte, wo war sein verehrter Vater, den er doch als überaus höflichen Gastgeber kannte?   Der Taishou hatte aufgeschreckt seinen kleinen Flohgeist heftig winkend an einer Tür gesehen und hatte sich möglichst unauffällig diesem angeschlossen. Sein treuer Berater wusste praktisch alles über ihn und diente ihm seit Jahrhunderten. Wenn der so aufgeregt zu einem Staatsempfang kam und ihn unangemeldet und unauffällig sprechen wollte, war etwas Wichtiges geschehen. Doch ein Einmarsch der Drachen, die ihn abgelenkt glaubten und Sesshoumarus Abwesenheit ausnutzen wollten? Es war zwar die Kerntruppe seines Heeres, aber das dann würde kaum reichen. Myougas Bericht war kurz und knapp. „Mein Herr, die Beschattung Inu Yashas hat ergeben, dass er sich mit einem Mädchen zum Essen verabredet hat. Mit Kagome Higurashi. Beide werden nach wie vor unauffällig bewacht. Allerdings wird die Higurashi auch von zwei Menschen beschattet, nun mehr nur von einem, der jetzt dann aber auch verschwand. Keine Drachen.“ „Inu Yasha!“ Der Fürst dachte eilig nach. Sein Sohn hatte ihm das also verheimlicht, obwohl er ihm befohlen hatte, er solle sich der Higurashi nicht mehr nähern? Nun gut, er war in seiner Menschenform, aber damit auch nur noch angreifbarer. Das würde diese Priesterin doch wissen. Oder zumindest die Drachen. Oder wirkte die magische Kette nicht auf Menschen? Eher schon. Er musste wirklich mal ein sehr ernstes Wort mit diesem leichtsinnigen Jungen reden. „Sie sind noch in dem Lokal? Welchem?“ „Das Tora-Tora.“ Immerhin. Der Taishou blickte zu seiner Schulter. Er selbst war mit Inu Yasha schon öfter in dieser Gaststätte gewesen. „Was reden sie?“ „Das konnten die Wachen nicht feststellen, da das Lokal um diese Tageszeit recht leer ist und Ihr Befehl lautete unauffällig zu bleiben.“ „Sobald die Higurashi sich von Inu Yasha trennt, weiter beschatten. Sie wird Bericht erstatten sollen, zumal, wenn die unbekannten Beschatter sich von ihr getrennt haben. Vermutlich wissen sie, wen sie da trifft, und das er bewacht wird. Sie wollten raffiniert unauffällig bleiben. – Sobald sie Bericht erstattet hat, nehmt sie wegen Hochverrates fest.“ Und da war mehr zu klären als die Kette. Myouga nickte. „Herr, Naraku ist seit zwei Tagen spurlos verschwunden. Nicht einmal seine Sekretärin, eine Kagura, weiß wo er ist. Und sie klang nicht gerade als ob sie lügt. Sie wisse nur, dass er mit zwei Leibwächtern in Urlaub fahren wollte und bis morgen Abend nicht zu sprechen sei.“ Urlaub? Der Fürst hob die Brauen. Bei den wichtigsten Wirtschaftsverhandlungen der letzten Jahre? Sicher nicht. War er krank? Ein Dämon? Unwahrscheinlich. Moment. War der anders krank? Eben so, wie auch Inu Yasha sich hier nicht sehen lassen sollte? Als Mensch? Deswegen auch die Leibwächter? „Kann es sein, dass Naraku ein Halbdämon ist?“ Der Flohgeist kratzte sich an seinem doch recht dünn behaarten Kopf. „Äh, das hat wohl noch nie jemand gefragt oder gar geprüft. Ich werde es unverzüglich veranlassen.“ „Ja. Und sage mir sofort, wenn Inu Yasha in das Auto steigt und sich nach Hause fahren lässt. Er weiß nichts von den Wachen?“ „Bislang gelang es ihnen wohl allen Vieren unauffällig zu bleiben, wie befohlen.“ „Gut.“ Dann waren im Augenblick insgesamt fünf seiner Männer um seinen Sohn, das sollte doch verhindern, dass ihn diese kleine Hexe irgendwie entführen ließ und den Drachen auslieferte. Was Ryuukossusei mit Inu Yasha anrichten würde, wollte er sich nicht einmal vorstellen. Der Fürst des Nordens war durchaus ein fairer Verhandlungspartner gewesen, aber durch sein Alter und seinen Sohn hatte der kaum mehr etwas zu sagen. „Dann lass das mit Naraku prüfen.“ „Sesshoumaru geht wieder in den Norden?“ Solche Dinge zu wissen gehörte zu seinen Aufgaben, auch, wenn Myouga wusste, dass man einen Fürsten nicht ausfragte. Aber, wenn er vernünftig arbeiten sollte, musste er alles wissen. „Sobald Miki weg ist.“ Der Inu no Taishou öffnete bereits wieder die Tür und präsentierte sich als vollkommen gelassener, höflicher, Gastgeber.   Erst mehr als eine Stunde später konnten sich Vater und Ältester rasch unterhalten. Sesshoumaru hatte sich umgezogen und trug nun wieder Rüstung und mittelalterliche Kleidung, dazu seine beiden Schwerter. „Ich breche unverzüglich auf, verehrter Vater.“ „Zu deiner Information – die Higurashi ist hinter deinem Bruder her. Sie haben ein Rendezvous.“ Der Erbprinz zog die logische Schlussfolgerung, meinte jedoch nur: „Er ist heute ein Mensch.“ Angreifbarer und allein. „Ich werde mich darum kümmern. Sieh du nach dem Heer. Oh, und Naraku ist seit Tagen spurlos verschwunden. Irgendetwas stimmt bei dem auch nicht.“ Sesshoumaru nickte nur. So viele Probleme für einen Fürsten. Allein war das wirklich eine Mammutaufgabe, zumal, wenn man auch noch einen weltweiten Konzern zu leiten hatte. Wer ihm wohl helfen würde? Sein eigener Sohn? Oder doch gar Inu Yasha? „Du hast mit Leiko und Sara geredet. Wann willst du deine Cousine heiraten?“ „Gar nicht. Verzeihung, ich weiß, dass ich an Ihr Wort gebunden bin, mein Herr und Vater,“ korrigierte sich der Sohn eilig. Auch das noch! Der Fürst wurde frostig. „Du wärst nicht auf der Welt, wenn ich mich so angestellt hätte.“ „Ich bitte um Vergebung.“ Weg hier, schnell, ehe Vater noch auf die Idee kam Leiko zurückholen zu lassen und ihn sofort zu verheiraten. Lieber einen Kampf mit Drachen. Einem ganzen Drachenheer! „Und Sara?“ Vorsicht, dachte Sesshoumaru nur, dem die deutlich angestiegene dämonische Energie im Raum missfiel. „Sie ist sanft und hübsch. Aber eine Füchsin.“ „Wir besprechen das Thema noch einmal, wenn im Norden Ruhe ist. Das letzte Mal. Geh.“ „Ja, verehrter Vater.“ Und das hieß auch, dass er seiner Cousine nicht mehr lange ausweichen konnte. Aber er war ganz der gehorsame Sohn, als er sich außerhalb des Schlosses in seine Hundegestalt verwandelte und fast fluchtartig in den Norden eilte. Kapitel 18: Pärchen ------------------- Inu Yasha bemerkte, dass seine nette Bekanntschaft ziemlich schweigsam war, und schluckte sein Steak. „Bist du aufgeregt, ich meine, gefällt dir das Lokal nicht?“ „Doch, schon, danke“, beteuerte Kagome hastig. Wie stünde sie denn da? Da wurde sie eingeladen und dann passte ihr alles nicht? „Es ist nur alles gerade ein bisschen viel für mich.“ „Den Großvater geht nächste Woche doch in die Reha, das wird dann schon alles wieder“, tröstete er sofort. Es musste schön sein, wenn man sich in einer Familie so verstand. Nun ja, Menschen, eben. Dämonen sahen das anders, das wusste er nur zu gut. Obwohl er zugeben musste, dass sein Vater sich in der letzten Zeit bemühte auch seine menschlichen Seiten zu sehen. Bemühte, ja, denn es war vielleicht wirklich zu viel von einem Dämon, noch dazu einem Dämonenfürsten, verlangt das nachvollziehen zu können. Sie waren immer so sachlich, nüchtern. Und auch das Angebot Vaters, ihm ein Mädchen vorzustellen, scheiterte ja schon an dessen Auflage es dürfe niemand aus dem Konzern sein. Als ob er woanders wen treffen konnte. Ach, war das alles schwer. „Ja, sicher.“ Kagome nahm sich zusammen. Ihre Sorgen bezüglich morgen mussten eben auch bis morgen warten. Reddemon war so nett und sie war dabei ihm den Abend zu verderben. „Wann bist du eigentlich wieder in der Stadt?“ „In vier Wochen, jedes Mal bei Neumond. Ich meine ...“ Er versuchte sich mit einem schiefen Grinsen zu retten. „Ich bin der mysteriöse Werwolf, oder so. Im Ernst, in vier Wochen.“ „Können wir uns dann wieder sehen?“ Das lenkte sie selbst - und ihn - doch ab. „Ja, gern. Wie du möchtest.“ Sein Herz machte einen Sprung. Sie wollte ihn wieder treffen? Ihn und nicht Kouga? Das Wölfchen sollte sich nur in Acht nehmen. „Das können wir dann ja im Chat besprechen.“ „Ja, natürlich.“ „Übrigens – möchtest du noch einen Nachtisch?“ „Nein, danke. - Ich, ich müsste dann sowieso langsam nach Hause.“ „Na schön.“ Mit der Aussicht auf ein Wiedersehen war Inu Yasha nicht so betrübt, dass der schöne Abend ein Ende finden würde, wie er es sonst gewesen wäre. Und immerhin, er würde in den folgenden Wochen immer ihr Bild, ihren Geruch, vor sich haben, wenn er mit ihr chattete.   Während er bezahlte, und sie langsam die Treppe hinunter gingen, dachte Kagome nach. Reddemon war freundlich, und er arbeitete doch in der Geschäftsleitung. Wenn sie sich von ihm versprechen ließ, dass er es niemandem weiter erzählte ...? Konnte er ihr doch aus ihrer Klemme mit Naraku helfen? Ihr sagen, ob das Juwel der vier Seelen im Schloss war oder sonst wo? Das wäre doch sicher schon ein weiter Schritt. Mehr konnte und würde der Herr des Gumo doch nicht von ihr verlangen. Sie schrak auf. „Was hast du gerade gesagt, entschuldige, ich war mit den Gedanken nicht da.“ „Das habe ich bemerkt. - Ich habe nur gesagt, dass ich dich bis zur U-Bahn begleiten werde.“ „Oh, danke.“ Das war höflich und nett gemeint. Sie zögerte, ehe sie langsam vorschlug: „Wir können doch auch noch ein bisschen spazieren gehen, oder?“ „Ja, gern.“ Hach, das war aufregend-schön! Das hatte noch nie ein Mädchen zu ihm gesagt, geschweige denn mit ihm gemacht! „Vielleicht rüber in den Garten des Kendama?“ „Äh, ja.“ Da war es wohl einsamer als hier auf der Straße, auf der sich doch Menschen und Dämonen befanden, und ihr Instinkt wollte sie warnen, andererseits war es womöglich eben auch die Chance ihm alles zu erzählen? Sie wusste allerdings nicht so ganz wie.   Sowohl die Beschatter des Prinzen als auch des Menschenmädchens schlossen sich in gewisser Distanz an. Das sah nicht so aus, als ob sich die Beiden so schnell trennen wollten, geschweige denn die mögliche Priesterin allein irgendwohin wollte um Bericht zu erstatten. Aber keiner der Dämonen wollte ausprobieren, wie der Fürst auf die Mitteilung, dass sein Sohn vor ihren Augen entführt worden war, reagieren würde. Als sich die beiden Jugendlichen im Park gemeinsam auf eine Bank setzten, blieben auch ihre Beschatter im Schutz der Dunkelheit stehen. „Was jetzt?“ flüsterte einer. „Näher heran! Es sind Menschen! Und wir sollen doch hören, über was sie sprechen.“ „Zu nahe ist riskant“, wandte ein Anderer ein. „Wenn Inu Yasha uns aus irgendeinem Grund bemerkt, sagt er es dem Taishou.“ „Wir handeln auf dessen Befehl!“ „Der aber sicher nicht lautet, uns erwischen zu lassen, oder? Dann sind wir wegen Ungeschicklichkeit dran. Verteilen wir uns etwas, dann können wir in jedem Fall eine Entführung verhindern.“   „Juwel ...“ Inu Yasha hätte um ein Haar sie mit ihrem richtigen Namen angesprochen, da er selbst in seiner Menschengestalt ihre Tränen bemerkte. „Hör mal, ich meine, ich mag nicht gerade der beste Zuhörer sein, aber du hast doch irgendetwas. Ist es wegen deinem Opa? Braucht er nochmals Geld und du willst es mir nur nicht sagen?“ „Ach nein, nein, danke.“ Sie wusste selbst, dass sie zu weinen begann, und suchte eilig nach einem Taschentuch, ehe sie hervorbrachte: „Ich sitze furchtbar in der Klemme, und, wenn der Fürst das erfährt, wird er mich hinrichten lassen! Dabei habe ich doch gar nichts angestellt.“ Der Sohn des besagten Fürsten stutzte, ehe er instinktiv den Arm um sie legte. „Keh, wenn du nichts getan hast, hast du auch nichts zu befürchten. Va... der Fürst lässt niemanden einfach so hinrichten, schon gar keine Menschen. Was ist los?“ „Reddemon … Es ist wegen Naraku!“ „Macht dir diese Spinne etwa Avancen?“ fragte der Halbdämon prompt empört. „Ach, wenn es das nur wäre!“ Sie nahm sich zusammen, ehe sie, immer wieder von Schluchzen unterbrochen, alles erzählte: von dem Bewerbungsgespräch, dem Geld, das Naraku ihr gegeben hatte, den wortlosen Drohungen, die immer deutlicher wurden, immer mehr, was von ihr verlangt wurde ... Irgendwann realisierte sie, dass er sie auf seinen Schoß gezogen hatte und umarmte, festhielt, ein stummes Versprechen von Schutz. Da brachen alle Dämme und sie weinte hemmungslos in seine Schulter, weinte all ihren Kummer, ihre Angst, ihren Zorn hinweg.   Inu Yasha hielt sie einfach nur fest, aber er spürte, wie eine unbändige Wut in ihm aufstieg. Er hatte diese Spinne noch nie leiden können, aber das ging eindeutig jetzt zu weit. Das Problem war nur, wie er Kagome beschützen konnte, bis er seinen Vater von dieser Erpressung in Kenntnis gesetzt hatte. Vor Morgen früh war das kaum möglich, da war doch heute dieser Staatsempfang und der Fürst da garantiert beschäftigt. Überdies bestand auch eine gute Möglichkeit, dass Vater nicht in das Schloss kommen würde, sondern gleich ins Kendama fahren würde, zumal Sesshoumaru nicht da war. In den letzten Tagen war der Konzern sowieso etwas vernachlässigt worden. Und er selbst konnte nicht weg, ehe er nicht wieder seine Halbdämonenform angenommen hatte, aber Kagome musste vermutlich liefern, sobald sie Naraku anrief. Was jetzt? „Keh,“ murmelte er in ihr Haar. „Es wird alles gut, das verspreche ich dir.“ Ihm kam eine spontane Idee. Das Juwel der vier Seelen befand sich tatsächlich im Schloss. Warum nicht? Und morgen früh würde er selbst unverzüglich seinen Vater informieren. Dann konnte niemandem etwas passieren und alles war in Ordnung. Er schob sie etwas von sich. „K ...Juwel, pass auf. Da vorne steht, das weiß ich, ein Auto des Fürsten mit Fahrer. Wir nehmen das jetzt und fahren ins Schloss. Ich zeige dir das Juwel der vier Seelen und du kannst das dann Naraku erzählen. Damit ist dein Opa, deine Familie, erst einmal sicher. Und ich gehe morgen früh gleich hin und sage es ihm, damit er deinen Großvater und alle beschützt.“ „Inu Yasha?“ fragte Kagome verweint. „Ja? Äh … Ich meine, dem auch, ja. Nein, dem Fürsten. Und ich bin sicher, der wird dir nichts tun. Du bist ja das Opfer. Aber dieser Mistkerl bekommt dann richtig schön Ärger.“ Vater schätzte absolut keine Hochverräter. Das klang gut, dachte sie erleichtert, aber … „Darfst du überhaupt? Ich dachte, dieses Juwel ist gut gesichert?“ „Ja, schon, aber du musst es ja nicht in die Hand nehmen, oder? Du sollst es nur spüren.“ „Ja, danke. Oh, Reddemon, vielen Dank.“ Sollte sie ihn nach seinem richtigen Namen fragen? Ach, lieber nicht. „Dann komm, Juwel. Gehen wir. Da vorne irgendwo müsste der Parkplatz sein.“ Kagome sprang eilig von seinem Schoß, fasste aber nervös seine Hand. „Bist du dir sicher? Ich meine, Naraku könnte auch dir was tun wollen.“ „Keh! Das kann er gern probieren.“   Miroku und Sango waren dem Unbekannten schon drei Stunden weit über die große Straße nach Norden gefolgt und erreichten langsam den Rand des Gebietes, in dem keine Menschen mehr lebten, ein Naturschutzgebiet, wie man es heutzutage nannte, einst jedoch eingerichtet, um den Dämonen, die sich nicht mit dem Zusammenleben mit Menschen abfinden wollten, ein Zuhause zu geben. Der junge Mönch wurde langsamer. „Wo ist er hin?“ erkundigte er sich bei Sango, die hinter ihm auf dem Motorrad saß. „Ich weiß es nicht. Doch, da vor rechts geht ein Weg ab. Aber ich höre auch kein Autogeräusch mehr. Park mal, dann gehen wir lieber zu Fuß nachsehen.“ Sie war froh, dass sie noch seit dem Training im Kampfanzug war. Schon wegen der Motorradfahrt war das praktischer gewesen. Überdies trug sie so zumindest ein Schwert bei sich. Ihren geliebten, übergroßen, Bumerang hatte sie freilich ebenso zurücklassen müssen, wie Miroku zuhause seinen Mönchsstab. Modernes Motorradfahren und altmodische Bewaffnung vertrug sich eben nicht. „Immerhin ist es verdächtig, wenn er hier wohnt und euch beobachtet. Obwohl, vielleicht hat er nur ein harmloses Interesse an euch. Wir sind hier schon nahe am Rande des Naturschutzgebietes und womöglich besucht ihn der eine oder andere Dämon in unfreundlicher Absicht.“ „Wenn er uns anheuern will, sollte er schreiben, eine mail schicken oder meinetwegen klingeln, aber nicht tagelang um unser Anwesen schleichen.“ Die Dämonenjägerin stieg ab. „Aber ja, vielleicht hast du recht und alles ist harmlos.“ „Fein. Wir gucken nach, dann fahren wir zurück, ja? Irgendwie wollte ich morgen nämlich in Urlaub fahren.“ Er stellte das Motorrad auf. „Ich mach das nur für dich.“ „Danke.“ Sie warf ihm ein rasches Lächeln zu. Trotz seines Spleens nach ihrem Hinterteil – und dem von anderen Frauen – greifen zu wollen, oder wie er ja sagte, zu müssen, war er ein netter Kerl.   Sie folgten möglichst leise der kleinen ungeteerten Seitenstraße. Hier unter den Bäumen war es noch dunkler als zuvor schon und sie waren froh, dass der Unbekannte die Scheinwerfer seines Autos angelassen hatte, die eine kleine Hütte beleuchteten, in die er hineinging. Deutlich leuchtete seine weiße Mütze in der Nacht. Anscheinend lud er aus, denn der Kofferraumdeckel stand offen und sie konnten im mageren Licht allerlei Kisten verschiedener Größe erkennen. Miroku tippte seiner Begleiterin auf den Arm, ehe er sich zu ihr bückte und flüsterte: „Der wohnt hier wirklich!“ „Näher ran!“ befahl die Dämonenjägerin aufgeregt. Ja, alles sah harmlos aus, aber wenn das wirklich der Mann war, von dem ihr Kagome erzählt hatte, der Apotheker aus dem Hoi-Hospital – dann hatte der einen sehr weiten Weg zum Pendeln. Überdies war das doch kein vernünftiges Haus, eher eine Hütte. Vielleicht sein Wochenenddomizil? Aber diese Kisten waren doch nie im Leben Koffer. Irgendwas stimmte hier nicht, da war sich Sango sicher.   Statt einer Ablehnung, die ihm eigentlich auf der Zunge lag, packte Miroku ihre Hand und zog sie weiter auf dem Weg, behutsam das Licht der Scheinwerfer meidend, denn der kleine Mann war schon sicher drei Minuten nicht mehr aus der Hütte gekommen. Räumte er was ein und holte dann den Rest? Detektiv spielen war anstrengender als gedacht. Nun gut. Wenn Sango sehen konnte, dass alles harmlos war, würde er selbst sie in die Stadt zurückbringen, konnte morgen in Urlaub fahren und hatte bei ihr einige Punkte gut gemacht. Das passte doch wunderbar. Dazu war nur notwendig, dass der Unbekannte sie nicht bemerkte. Der würde doch hier in der Einsamkeit sonst etwas vermuten und sicher die dämonische Polizei rufen, die für den Schutz von Menschen gegen Dämonen zuständig war.   „Er ist weg!“ Sango hauchte es nur. Tatsächlich brannte in der kleinen Hütte eine Kerze – und, vollkommen unmöbliert, wie sie war, erkannte man nun gleich rechts neben der Tür ein Gefäß, eine Bambusmatte auf dem Boden - und eine andere Tür, die hinten hinaus führte. Es handelte sich wohl um mitnichten um eine Wohnung, sondern um eine jener Hütten, die für Menschen, Wanderer, die von der Nacht oder einem Unwetter überrascht worden waren, eingerichtet wurden. Sie waren in aller Regel von einem Bannkreis umgeben, so dass die Menschen hier vor umherstreifenden Dämonen geschützt wurden. Langsam sah sie sich um, konnte aber keine weiße Mütze in der Nacht entdecken. Wo war der Kerl hin? Gab es da eine Falltür? Handelte es sich um einen Schmuggler oder Schwarzhändler? Behutsam schlich sie näher, dichtauf gefolgt von Miroku, der zwar einiges gegen dieses Vorhaben hätte vorbringen mögen, aber in der Hoffnung, seine Angebetete würde seinen Mut anerkennen, einfach mitmachte. Erneut blickten sich die beiden Jugendlichen um, ehe sie vorsichtig die Hütte betraten. Die hintere Tür war anscheinend von innen verriegelt – wo also steckte der kleine Mann? Miroku sah sich erneut um. Täuschte er sich, oder hatte direkt vor dieser Tür etwas anderes als Dunkelheit gelegen? Etwas, wie ein Schleier? In diesem Fall würden sie in eine Falle laufen, wenn der Fremde einen Bannkreis oder irgendetwas dergleichen legen konnte und sie bemerkt hatte. „Sango!“ Es war nur ein Hauch, ehe er auch schon einen heftigen Schubs erhielt, der ihn gegen die Dämonenjägerin fliegen ließ, sie mit sich, unter sich zu Boden reißend.   Im gleichen Moment ertönte etwas wie ein leiser Knall, so es so etwas geben sollte, und grünliches Gas strömte aus dem Gefäß neben dem Eingang in die Hütte. Jemand schloss hastig die Tür. „Gift!“ warnte Miroku seine Begleiterin, die eilig in ihren Anzug griff und eine Atemmaske heraussuchte, während der junge Mönch sich bemühte, zum Einen von ihr herunter zu gelangen, zum Anderen aufzustehen. „Ah, Dämonenjäger“, sage jemand laut von außen. „Genauer, das gesamte Vorzimmer des Bastards. Welche Überraschung. Nun, hier kommt ihr nicht mehr heraus. Nicht lebendig. Zu eurer Information: diese nette Maske nützt nichts gegen mein Gift, auch kein noch so hübscher Bannkreis, den ein Mönch herstellen kann. Ihr seid durch meinen schwarzen Rauch gegangen ohne ihn zu bemerkten und er verstärkt jetzt nur noch die Wirkung des Nervengiftes.“ „Nervengift!“ Sango erstarrte, ehe sie rief: „Was soll das? Wir wollten nur in Urlaub fahren!“ „Das erzähle wem anderes. Ich warte nur einige Minuten.“   Miroku spürte, wie es an seiner bloßen Haut von Gesicht und Händen zu prickeln begann. Das grüne Gas erfüllte nun die gesamte Hütte und verschaffte ihm Atemnot. So ein Mistkerl, auf bloßen Verdacht hin Leute umbringen zu wollen Was hatte der denn sonst noch vor? Hatte der Angst vor der Polizei, wenn er gleich derart zuschlug? Oder war es, weil er in ihnen das Vorzimmer Inu Yashas erkannt hatte? Woher eigentlich? Sie standen nie in der Zeitung oder den Medien? Er beschloss, das auf später zu verschieben, und konzentrierte sich hastig, als er sich erneut zu Boden fallen ließ, was etwas Erleichterung verschaffte, da ihn seine Beine fast nicht mehr tragen wollten. Das Gift lähmte. Sango fühlte sich förmlich in seine Arme gezogen, als er sich wiederum fast auf sie rollte. Instinktiv wollte sie ihm eine Ohrfeige verpassen, ehe sie begriff, dass um ihn, nein, um sie beide, nun ein rotes Flimmern lag. Er versuchte, das Gift mit einem Bannkreis abzuhalten. Aber das würde nicht funktionieren, das hatte der Unbekannte doch gesagt. Zumindest spürte sie auch durch ihre Atemmaske einen beißenden Geschmack im Mund. „Was ... machst du?“ Er zwang sich zur Ruhe. „Der Bannkreis hält das Gift nicht lange ab, aber wir gewinnen Zeit. Nervengifte sind eine scheußliche Erfindung.“ Sango schwieg. Was hätte sie auch sagen können? Sein Bannkreis erkaufte ihnen Minuten, aber in denen musste ihnen etwas einfallen. Schon jetzt spürten sie wohl beide die lähmende Wirkung des Giftes, als nächstes würden Schmerzen folgen, immer unerträglicher werden, bis sie endlich starben. Wirklich, der Mistkerl war mehr als skrupellos. Und niemand wusste, dass sie hier waren, niemand würde ihnen helfen können. Sie spürte, wie der Mönch auf ihr zitterte und sah auf. Der Schweiß tat ihm auf die Stirn und ihr wurde klar, wie sehr er sich anstrengen musste, um den Bann nur Minuten aufrecht zu erhalten. Das würde nicht lange gut gehen. Er wurde rasch müde. Sie musste eine Idee haben, irgend eine. Mühsam wandte sie den Kopf. Leider war die Hütte überaus dicht gebaut, so dass das Gift nicht abzog. Und ihre Arme und Beine wollten ihr bereits nicht mehr gehorchen. Wie schaffte das Miroku denn nur noch diese Magie aufzubauen? Er musste fähiger, stärker sein, als sie bislang gedacht hatte. Der Mönch wäre über das Lob erfreut gewesen, aber er war zu sehr darauf bedacht, seine letzten Kräfte in den Bann zu stecken. Er musste Sango schützen, er musste sie irgendwie hier heraus bringen. Nur, wie?   Kapitel 19: Sesshoumaru ----------------------- Naraku blickte nachdenklich über seinen Schreibtisch. Irgendwie fühlte er sich unwohl und er hatte schon lange gelernt solchen unterbewussten Gefühlen nachzugehen. Er plante eifrig Hochverrat, wollte sich mit einem Drachen treffen, nun, das waren Dinge, die ihm gewöhnlich nicht gerade den Schlaf raubten, ebenso wenig wie die Erinnerung an seine Opfer, Menschen oder Dämonen. Warum also war er unruhig? Er sah jedoch auf, als Bankotsu eintrat. Der Söldnerführer musste nichts von seiner gewissen Nervosität wissen. „Nun?“ „Jakotsu ist eingetroffen. Suikotsu ist unterwegs.“ Damit standen ihm schon einmal vier der noch verbliebenen sechs Söldner zur Verfügung. „Und Mukotsu?“ „Er fuhr in der Hauptstadt los, mit all seinen Giften, wie Sie es wünschten. Er rief mich an, als er sein Auto belud. Er sollte noch vor Sonnenaufgang hier sein, Suikotsu nur eine Stunde später. Ginkotsu und Renkotsu patrouillieren am Bannkreis, innen, so dass ein vorbei kommender Dämon sie nicht wahrnehmen kann.“ Auch hier, wie er sie angewiesen hatte. Gut. Ah! Er wurde wirklich nachlässig, wenn er das vergessen hatte. „Bankotsu, steht eigentlich dieses Kloster drüben auf dem Berg noch?“ „Das Mönchskloster, ja.“ Der Berg Hakurei besaß zwei Gipfel. Auf einem befand sich die so genannte Villa, in der Naraku saß, auf dem anderen stand ein Mönchskloster. Der Unternehmer verschränkte langsam die Finger. „So viele Zeugen für einen Drachen, nicht wahr? Nun, ich bin sicher, deine beiden Mitarbeiter werden sich darum kümmern. Das Kloster besteht gewiss aus Holz.“ „Ja.“ Bankotsu war durchaus angetan, dass sein Auftraggeber an den Spleen seiner zwei Kameraden mit Feuer dachte. „Sollen sie irgendwelche Kulturgüter retten?“ Natürlich, damit der Kunde sie verkaufen konnte. „Nein. So etwas ist immer nachvollziehbar, mein lieber Bankotsu. Da verzichte ich dankend.“ „Ich werde es ausrichten. Noch etwas?“ „Hat Jakotsu auch einen Wunsch?“ Naraku klang fast interessiert. Der Söldnerführer erlaubte sich ein verschmitztes Grinsen. „Keinen, den Sie ihm so leicht erfüllen können, fürchte ich. Er möchte den fürstlichen Bastard umbringen.“ Naraku lächelte fein. „Ich werde wirklich sehen, was sich da machen lässt.“ Und das am Besten vor den Augen des hilflosen Vaters? Hm. Das wäre doch einmal ein genialer Plan. Aber er hatte im Umgang mit dem Taishou nur zu gut gelernt, dass man dessen Fell nicht verkaufen sollte, ehe man ihn hatte. „Sag ihnen Bescheid. Ich werde nachdenken.“ Morgen sollte schließlich die Kleine anrufen, dass sie wusste, wo das Juwel war. Wenn nicht – Mukotsu stand auf junge Mädchen. So bekamen alle Söldner noch ein nettes Abschiedsgeschenk, wie die zwei Pyromanen mit dem Kloster. Ja, das war richtig liebenswürdig von ihm, ein Dank für Jahre treuer Dienste. Und Bankotsu würde er ehrenhaft von der fürstlichen Leibgarde im Kampf erledigen lassen, war er erst der Fürst. Nun gut. Das lag noch ein wenig in der Zukunft, aber schon die heutige Nacht und der morgige Tag würden diesbezüglich eine Entscheidung bringen. Immerhin wollte Ryuukossusei im Morgengrauen erneut die Grenze passieren und hierher kommen.   Inu Yasha befahl Kagome kurz zu warten, ehe er leise mit dem dämonischen Fahrer des Fürsten sprach. Dann wandte er sich um. „Komm, wir fahren ins Schloss.“ Er öffnete ihr den hinteren Schlag der Limousine. „Das geht“, seufzte sie, als sie in die weichen Poster sank. Sie war so erleichtert, dass Reddemon ihr wieder helfen wollte, ja, konnte, aber auch aufgeregt. Zum Einen, weil sie noch nie in einem Wagen mit Chauffeur gesessen hatte, zum Anderen auch noch nie im Schloss gewesen war, geschweige denn bei einem Quasi-Einbruch. „Du kannst ruhig reden“, sagte der Halbdämon in Menschengestalt, als er sich neben sie setzte. „Selbst Dämonen hören nichts durch diese Scheibe.“ „Ich bin so froh, dass du das machst.“ Instinktiv lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter und spürte sofort wieder seinen Arm um sich. Das war so angenehm, gab solchen Halt … Doch, es war richtig gewesen ihm alles zu erzählen. Er wusste bestimmt guten Rat.   Der Dämon am Steuer warf einen Blick in den Rückspiegel auf das eng umschlungene Pärchen, hütete sich jedoch sein Grinsen zu zeigen. Seine Anweisung lautete in einer solchen Nacht Inu Yasha zu fahren, wohin immer der auch wollte, aber nie zuvor hatte der Kleine … der Prinz ein Mädchen nach Hause geholt. Da wurde wohl jemand erwachsen. Vermutlich müsste er selbst das morgen dem Fürsten berichten, falls dieser fragte, aber der würde auch kaum an so etwas denken. Immerhin hätte sein Ältester die Möglichkeit jeden Abend zehn andere Mädchen abzuschleppen – und nahm nie auch nur eine wahr. Vielleicht lag das an der Menschengestalt? Dämonen waren da eben doch anders. Aber es wäre äußerst unklug von ihm selbst dem Halbblutprinzen in die Quere zu kommen. Der Thronfolger hatte vor etwas weniger als fünf Jahrhunderten wegen einer solchen Sache den Schuldigen fast buchstäblich in Streifen geschnitten und nur davon Abstand genommen, den endgültig zu erledigen, da der Taishou dazu gekommen war. Der Unglückliche hatte überlebt und sich regeneriert, aber geschworen, er würde als nächste Strafe lieber tagelang mit Stacheldraht umwickelt kopfüber in einem Wasserfall hängen.   Kagome richtete sich etwas auf. „Du, ich muss Mama noch sagen, dass ich etwas später komme ...“ „Ja, natürlich.“ Inu Yasha war angetan, dass sie immer an ihre Mutter und deren Sorgen dachte. „Aber sag ihr, und das stimmt ja fast, du hast eine Einladung von Inu Yasha ins fürstliche Schloss erhalten und möchtest die nicht ablehnen. Und du erzählst ihr alles morgen ausführlich. Das machst du dann doch?“ Sie war erleichtert, dass er auch da ihre Sorge verstand. Nun ja, sein Vater war bestimmt ebenso. „Ja, sobald … sobald alles vorbei ist.“ Ihre Stimme brach schon wieder. Ärgerlich über sich, nahm sie ihr Handy und schaltete es an. Eine Nachricht von Sango? Aber die konnte warten, war sie auch schon Stunden alt. So rief sie zu Hause an. Ihr Mutter war mehr als besorgt, sah aber doch ein, dass man das nicht ablehnen konnte. So meinte sie nur: „Sei vorsichtig, auch und gerade mit den Prinzen. Und vergiss nicht, dem Fürsten äußersten Respekt zu zeigen. Und bleib nie allein! Schon gar nicht mit einem der Prinzen.“ „Ja, Mama. Ich passe auf, ehrlich. Und es sind ja auch Menschen dabei, zumindest einer, den ich kenne.“ „Aus dem Kendama?“ „Ja.“ „Ich würde dir gerne viel Spaß wünschen, aber du klingst so schon so aufgeregt. Pass auf dich auf, Kagome.“ „Ich berichte dir morgen auch ausführlich, wie es da aussieht.“ „Gut, aber, wo bist du gerade?“ „In einem Wagen des Fürsten, mit Fahrer und … einem Jungen, der in der Geschäftsleitung arbeitet. Er bringt mich hin.“ „Ein dämonischer Fahrer und ein Mensch?“ Das klang wirklich nach einem offiziellen Auto. Kein Dämon sonst würde zwei Menschen fahren. „Und du hast das Kennzeichen des Fürsten gesehen?“ Was kein Kunststück war, das war nur die „1“. „Ja. Es sieht alles okay aus, Mama, ich habe schon geguckt.“ Sie sah irritiert beiseite, da Reddemon auf seinen Kopf tippte, dann, da sie offenbar nicht verstand Tüten anzeigte. Ach so. „Ja, und die Ohren des Prinzen sind unverkennbar, nicht? Ich lasse auch mein Handy an, da kannst du anrufen, wenn es dir zu spät wird, ja?“ „Gut. Dann trotzdem einen schönen Abend.“ Die Mutter legte auf, wenngleich beunruhigt. Wieso hatte Inu Yasha ausgerechnet ihre Tochter eingeladen? Nun ja, er kannte sie, hatte er doch für das Geld der Stiftung gesorgt, aber … Aber es schienen auch noch andere junge Leute aus dem Kendama dabei zu sein. Vielleicht lud er einfach Leute ein, die er kannte? Dann könnte es in der Zukunft, beruflich, nur gut sein, für Kagome an solch einer Veranstaltung teilgenommen zu haben. Und, in Einem konnte sie sicher sein, ihre Tochter trank weder Alkohol noch war sie leicht zu verführen. Überdies waren weder der Fürst noch seine Söhne für irgendwelche wüsten Parties bekannt. Das war wohl eher eine Art Geschäftstreffen. Das konnte dann nur gut für Kagome sein, in solche Kreise herein zu kommen.   Der alte Flohgeist wäre am Liebsten in Ohnmacht gefallen, als er den Bericht seiner vier Männer erhielt. Kagome Higurashi, die der Herr im Verdacht hatte mit den Drachen zu paktieren, sich an ihm und Inu Yasha für Kikyous Tod rächen zu wollen, ja, Hochverrat zu planen, setzte sich zu Inu Yasha ins Auto und sie fuhren gemeinsam ins Schloss? Oh du je. Das musste er unbedingt dem Taishou berichten. Leider war das nichts, was der gern hören würde. Nun gut. Immerhin neigte der Herr nicht dazu Boten und Nachricht zu verwechseln. Mehr als ein rasches Plattgedrücktwerden riskierte er wohl nicht. So sprang Myouga tapfer auf die Schulter des Fürsten, der sich soeben umgezogen hatte und ebenfalls nicht nur die altmodische Seidenkleidung, sondern auch die schwere Rüstung trug, jedoch kein Schwert. So´unga ruhte wohlverwahrt im Schloss. Dennoch bemerkte er das winzige Gewicht. „Myouga? Neues von Inu Yasha?“ „Äh, ja, Herr.“ Myouga spürte einen Schweißtropfen über seine Stirn laufen. Wieso immer er? Und dieser Bengel? Konnte der sich denn nicht einmal wie ein Dämon von Stand benehmen? Der Inu no Taishou kannte ihn seit Jahrhunderten. „Sag, was hat er angestellt? Und keine Sorge, du hast nichts zu befürchten.“ Diese Zusicherung hatte der Herr seit Jahrhunderten gehalten. So seufzte der Flohgeist einmal tief auf, ehe er sagte, was der jüngste Sprössling schon wieder angestellt hatte. Der Fürst zog einfache Schlüsse. „Er muss sich unter ihrer Kontrolle befinden. Und es geht um das Juwel der vier Seelen. Ich muss selbst ins Schloss. Die Wachen dort sollen auf meine Ankunft warten, ehe sie etwas unternehmen. Mit dieser kleinen Priesterin muss ich wohl selbst fertig werden.“ Wenn sie alles gesagt hatte, was sie über diese Drachenverschwörung wusste, war ihr immer noch eine Verurteilung wegen mehrfachem Hochverrates sicher. Aber zunächst musste er seinen Jungen schützen. Wer wusste, was diese scheinbar so harmlose Hexe mit ihm angestellt hatte.   Mukotsu, der Giftmischer der sieben Krieger, wartete derweil vor der kleinen Hütte. Hm. Diese Jugendlichen aus dem Vorzimmer des Bastardprinzen sollten bald draufgegangen sein. Eigentlich war er dumm gewesen, beide gleich mit dem Nervengift zu traktieren. Diese Dämonenjägerin war eine Hübsche. Und er liebte es, junge Mädchen zu Tode quälen zu können. Allerdings – das andere war ein Mönch und er war sich durchaus nicht sicher gewesen, wie fähig der war. Sicher war sicher, zumal Bankotsu und ihr Auftraggeber auf ihn warteten. Andererseits … Er ging zu dem offenen Kofferraum seines Wagens und suchte eine urnenförmige Kapsel. Warum nicht das Notwendige mit Spaß verbinden? Bankotsu konnte ziemlich hart sein, wenn Befehle missachtet wurden, und er hatte schon länger keine Belohnung dieser Art mehr erhalten. Von denen hier würde weder sein Chef noch ihr gemeinsamer Auftraggeber etwas erfahren, nun ja, schon von deren Tod, aber nicht von seinem zusätzlichen Vergnügen. So zog er das Tuch gerade über seine untere Gesichtshälfte, ehe er den Atem anhielt und die Tür öffnete, die Kapsel in den grünen Nebel warf. Mit der offenen Tür würde das Nervengift rasch verschwinden, sich dafür das Lähmungsgift ausbreiten. Damit würden die Zwei etwas länger leben, der Junge konnte nichts tun, Mönch hin oder her, und das Mädchen würde alles spüren, sich aber nicht wehren können. Er zählte langsam bis Dreißig, nachdem durch den Wurf der Behälter zerbrochen war. Ja, sie lebten noch, guckten sogar entsetzt. Herrlich. Jetzt das Mädchen, von dem Nervengift hatte er noch eine andere Dosis, das würde dann auch dem Mönch den Rest geben. Langsam ging er näher. „Narren, die mich verfolgen, ja?. Aber immerhin ist ein hübsche Närrin dabei.“   Sango starrte ihn an, aber sie konnte sich nicht bewegen, durch das Gift, den Schmerz. So konnte sie nur hilflos zusehen, dass der kleine Mann, den sie wohl zu Recht verdächtig gefunden hatte, langsam seine Hände um ihre Kehle legte und fest zudrückte. „Nein!“ brachte Miroku irgendwie hervor, aber auch ihm war jede Bewegung versagt. Mukotsu wollte das Mädchen noch nicht umbringen, aber er genoss es einfach zu sehr, zu sehen, wie sie vergeblich nach Luft rang. Oh, die Maske, so konnte er ihren Mund ja nicht erblicken. Mit einer Handbewegung zog er ihr die Atemmaske ab, hörte ihren hastigen, tiefen Atemzug, als das Würgen nachließ, ehe er sofort wieder nachsetzte. Nein, er würde sie nicht umbringen, noch nicht, aber allein dieses verzweifelte, vergebliche Ringen nach Luft zu sehen, zu bemerken, wie sich der Junge bewegen wollte – natürlich umsonst.   Sango rang nach Atem, ihre Lungen schmerzten, da ihnen der lebensnotwendige Sauerstoff verwehrt wurde. Alles, was sie noch hörte, war ihr eigener Herzschlag hämmernd in ihren Ohren, alles, was sie noch sah, war ein roter Vorhang vor ihren Augen, der langsam immer dunkler wurde, das Ende der Qual versprach. Dann wurde es Grün in ihrem Blick, sie fühlte sich freigegeben und rang keuchend nach dem Atem, den sie nie wieder erwartet hatte. Was war nur passiert? Spielte er nur mit ihr? Mühsam öffnete sie, noch immer nach Luft schnappend, die Augen und erblickte ihren Angreifer auf dem Boden, ein Stück entfernt von ihr. Hinter ihm stand … Der Erbprinz? Was tat denn Sesshoumaru hier? War das eine Halluzination durch diese Gifte?   Tatsächlich musterte der junge Hundedämon die Szene mit etwas, das man als Irritation bezeichnen konnte. „Wo ist Inu Yasha?“ Das waren doch die Leute aus dessen Vorzimmer? Dieser Narr, dem er gerade die Krallen über den Rücken gezogen hatte, rannte aus der Hütte, aber sollte ihn das interessieren? Er war hier sowieso nur nachsehen gekommen, weil das Gift seine Nase beleidigt hatte, als er in Hundeform nach Norden eilte, und zum Zweiten an dem Motorrad ein Hauch von Inu Yasha gehangen war. Jetzt war es klar, das waren dessen Mitarbeiter. Nur, wer war der Kerl, der sie umbringen wollte? Musste ihn das was angehen? „Inu Yasha … ich weiß es nicht,“ keuchte Miroku. „Der Kerl hat uns überfallen ... und die Dämonenjäger … ausspioniert.“ Hm. Hatte der sie nur einfach so überfallen oder hatte der Anschlag eigentlich seinem Halbbruder gegolten? Er sollte den Giftmischer mal fragen. So drehte sich der Erbprinz um und verließ die Hütte.   Mukotsu hatte inzwischen unter Schmerzen sein Auto erreicht. Tat so ein Krallenschlag weh! Dieser verdammte Dämon! Wer war das? Irgendwie kam er ihm bekannt vor. Gleich. Der Narr verfolgte ihn und würde jetzt sterben und dann die Jugendlichen! Er suchte hastig in seinem Giftvorrat nach dem auch für Dämonen tödlichsten Stoff, über den er verfügte, und warf es gegen den Störenfried, der überdies ziemlich altmodisch bewaffnet war. Schwerter. War der von der Wache des Fürsten? Umso wichtiger war seine Eliminierung. „Stirb!“ Sesshoumaru war fast beleidigt. Menschengift gegen ihn? Gleich. Das war Mordversuch an Beschäftigten des Kendama, ja, Inu Yashas, an ihm selbst. Man konnte die Verhandlung abkürzen. Er zog Tokejin. Mukotsu konnte nicht anders. Gelähmt vor jäher Todesangst war er außerstande sich zu bewegen, als der Erbprinz die Klinge hob. „Als ob das Gift eines Menschen mir schaden könnte“, äußerte Sesshoumaru mit gewisser Verachtung, ehe er seine Klinge niedersausen ließ. Miroku raffte sich mühsam zum Sitzen auf. „Sango? „Ja, es … es geht gleich.“ Die Jägerin rieb sich den Hals. „Der Erbprinz …?“ suchte sie die Bestätigung, dass es sich nicht um eine Erscheinung gehandelt hatte. „Ja. - Wir sind wohl ...“ Er musste erneut nach Luft ringen. „Ziemlich fertig und erschöpft.“   „Nur eine Stunde vor euch liegt das Kloster am Berge Hakurei. Dort werdet ihr Unterkunft finden.“ Sesshoumaru war zurückgekehrt und gab diese Anweisung, in der sicheren Überzeugung, Vater würde ihn zur Rede stellen, wenn den Zweien jetzt noch was passierte. „Oh, ja, danke, Sesshoumaru-sama.“ Sango versuchte sich formell hinzuknien, wirklich dankbar für den unwahrscheinlichsten Retter von allen. Inu Yasha hätte sie irgendwie weniger erstaunt. Doch ehe sie in ihrem Zustand auch nur aufrecht war, war der junge Hundedämon bereits verschwunden und verwandelte sich draußen erneut. Im Norden wartete ein Heer auf ihn – und vermutlich ein bis mehrere lebensmüde Drachen. Kaum eine Stunde später stoppte erneut eine unerwartete Sache seinen Lauf und er wandelte sich in seine menschliche Form zurück. Was war das denn? Das mussten die Berge von Hakurei sein. Aber das, was ihn angehalten hatte, war ein mächtiger Bannkreis, der rundum einen der beiden Gipfel lag. Er war vor Beginn der Dämmerung an dieser Stelle vorbei gekommen und hätte schwören mögen, dass sich dieser Zauber noch nicht hier befunden hatte. Was war los? Hatten die Mönche …? Oh. Das Kloster, dort drüben auf dem anderen Gipfel, schien zu brennen. Nun, nichts, was ihn direkt angehen müsste, nichts, wodurch er eine erneute Verzögerung von Vaters klarer Anweisung vor diesem rechtfertigen könnte, zumal der Fürst schon ein wenig ungehalten war. Hatten diese menschlichen Narren etwa versucht sich mit einem Bannkreis gegen die Flammen zu wehren? Aber das war schon wirklich ein sehr mächtiger. Nun, er käme hindurch, selbstverständlich auch sein verehrter Vater, aber insgesamt wohl kaum ein Dämon. Mutter, sicher. Nein, er sollte zum Heer, und das war wichtiger. Andererseits sollte er lieber … Er brachte sich mit einem hastigen Sprung rückwärts in Sicherheit, während er bereits zog. Mehrere Klingen verfehlten ihn nur um ein Haar. Was war das für ein schlangenartiges Schwert – und wer hatte ihn ohne Vorwarnung angegriffen? Ein wenig erstaunt blickte er auf den jungen, eindeutig menschlichen, Mann im hochgeschlagenen Kimono, der zwischen den Büschen erschien, und die seltsame Klinge mit einem raschen Griff wieder einholte. Wusste der Narr nicht wer er war und wollte mit ihm kämpfen? Immerhin hatte der in der für Menschen doch eigentlich stockdunklen Nacht zielen können. Das Sternenlicht reichte dem Unbekannten wohl. „Oh, schade“, konstatierte Jakotsu. „Ich dachte schon, du bist Inu Yasha. Aber, ich muss mal sagen, so als großer Bruder siehst du auch ganz manierlich aus.“ Inu Yasha? Das war schon das zweite Mal auf seinem Weg in den Norden, dass der oder seine Mitarbeiter als Ziel genannt wurden. Ja, er musste sofort, wenn er beim Heer war, Vater von diesen Merkwürdigkeiten in Kenntnis setzen lassen. Schnelle Boten standen ihm dort zur Verfügung. Da dieser unbekannte Narr bereits wieder seine Klinge hob, drehte der Erbprinz wortlos ab und machte einen gewaltigen Satz in die Dunkelheit. Zu seiner Verblüffung tauchten die rasiermesserscharfen Klingen des seltsamen Schwertes vor ihm, ja, um ihm, auf und wollten sich um seinen Oberkörper schlingen. Mit einem Laut, den man als Verdruss werten konnte, schlug Sesshoumaru zu und hebelte mit Tokejin die Klingenkette aus. Jakotsu konnte nur hilflos zusehen, wie sein Angriff pariert wurde, und musste sich zurück auf den Boden werfen, um seiner eigenen Attacke auszuweichen. „So was!“ Das hatte noch kaum einer vermocht. Allerdings waren die meisten seiner Gegner auch nicht in der Lage gewesen, sich in einen riesigen weißen Hund zu verwandeln, der weiter nach Norden rannte. Tja, Pech, den Erbprinzen bekam er nicht. Vielleicht doch den Jungen mit den Öhrchen. Jedenfalls sollte er Bankotsu von diesem Zusammentreffen in Kenntnis setzen. Dass Sessy wieder nach Norden eilte, konnte allerlei bedeuten, mit dem er selbst sich nicht den Kopf zerbrechen wollte. Dazu war schließlich Bankotsu als der schlaueste der Söldner auch deren Anführer. Kapitel 20: Murphys Gesetz -------------------------- Der Taishou ließ sich mit dem Wagen zum Schloss fahren, um nicht Gerede durch die Tatsache entstehen zu lassen, dass sowohl sein Ältester als auch er in ihrer wahren Gestalt durch die Lande oder eher in seinem Fall, die Stadt, galoppierten. Es war nicht erforderlich, dass die Drachen darauf aufmerksam wurden, dass er Bescheid wusste. Von den anderen beiden, dämonischen, Fürsten ganz zu schweigen. Er wusste nur zu gut, dass jede Schwäche beobachtet wurde. Und, ohne Übergang einen ausgewachsenen Dreifronten-Krieg zu haben, war nicht in seinem Sinn. Immerhin sollte Inu Yasha im Schloss selbst in der Begleitung der kleinen Hexe sicher sein, da waren genügend Krieger, um eine Auslieferung an die Drachen zu verhindern. Das, gab der Fürst zu, war durchaus auch eine Sorge. Nun, in nur einer Stunde war er selbst vor Ort und konnte sich ein Bild machen. Auf jeden Fall musste er die Higurashi zwingen seinem Jüngsten die Bannkette wieder abzunehmen. Vielleicht sogar mit einem Versprechen auf einen schnellen Tod. Momentan lag sie bei dreifachem Hochverrat, soweit er das überblicken konnte, womöglich eher mehr.   Bankotsu nahm sein Handy zum wiederholten Mal zur Hand. Suikotsu hatte sich von unterwegs gemeldet, er würde in drei Stunden hier sein, aber Mukotsu war nicht zu erreichen. War der seit Neuestem so gesetzestreu, dass er während der Autofahrt nicht an sein Handy ging? Er musste doch wissen, dass sein Vorgesetzter ihn anrief? Sie verteilten die Handynummern schließlich nicht auf dem Markt. Und wieso meldeten sich Renkotsu und Ginkotsu nicht? Das Kloster brannte, der Auftrag war erledigt. Saßen die Zwei etwa noch am Rand und erfreuten sich an den Flammen? Pyromanen, eben. Vermutlich hatten sie auch das Telefon ausgeschaltet, um ja in Ruhe das Schauspiel genießen zu können. Er musste, wenn alle da waren, mal ein ernstes Wort mit den Männern reden. So ging das nicht. Was sollte er denn ihrem Auftraggeber sagen, wenn der nachfragte, ob alle Leute, die er bezahlte, auch zu seiner Verfügung ständen? Immerhin wäre in sechs Stunden ein ausgewachsener Drachenprinz dessen Gast. Schön, davon wussten seine Kameraden noch nichts, aber dennoch. Schon aus Prinzip musste die Kommunikation klappen. Er ahnte es nicht, aber Naraku war diesbezüglich ganz seiner Meinung.   Der Unternehmer saß an seinem Schreibtisch und bewegte langsam seine Finger wie tastend darüber. Es missfiel ihm, dass Mukotsu nicht aufgetaucht war – sonst hätte ihm Bankotsu schon das gemeldet. Oder nicht? Das Kloster drüben brannte, wie er es verlangt hatte, aber war es denkbar, dass die Sieben Krieger, oder besser jetzt sechs, ihr eigenes Süppchen kochten? Da war die seltsame Tatsache, dass der Taishou ein Heer in den Norden schickte, genau zu dem Zeitpunkt des ersten Besuchs des Drachenprinzen. Davon hatte zwar nur Bankotsu gewusst, aber dennoch. Waren seine Sicherheitsleute im Moment schon auf ihre eigene Sicherheit bedacht und versuchten, ohne den Vertrag mit ihm zu brechen, sich bei dem Fürsten lieb Kind zu machen? Er hatte schon lange gelernt, dass man niemandem trauen durfte. Und Bankotsus Gerede von Ehre war nichts wert. Immerhin handelte es sich bei jedem der Männer um Mehrfachmörder mit ziemlich unmoralischen Neigungen. Sollte er sie loswerden? Ja. Aber erst, wenn Ryuukossusei hier gewesen war, da benötigte er womöglich unerwarteten Beistand, auch, wenn der Drache durch den Bannkreis doch erheblich beeinträchtigt sein sollte. Danach, hm. Nun gut, Kagome sollte ihm morgen Bericht erstatten können. Wenn nicht, war sie auch fällig. Er musste ordentlich bleiben und systematisch Zeugen beseitigen. Konnte sie ihm das Versteck des Juwels der vier Seelen sagen, war sie auch überflüssig. So oder so würde die Kleine den Donnerstag nicht mehr erleben. Ein Spielzeug für Mukotsu, genau. Das würde auch die anderen Söldner davon ablenken, dass sie entbehrlich waren. Für Jakotsu … der wollte den fürstlichen Bastard? Schwierig. Außer, wenn er selbst das Juwel hatte, den damit beeinflussen oder gar gefangen nehmen konnte. Jedenfalls sollte bis dahin Ryuukossusei mit einem Heer das fürstliche im Norden samt Erbprinzen erledigt haben. Beide Söhne tot … Nun, der Taishou wäre nicht der erste Vater, der daran zerbrach. Mit dem Juwel, da war sich Naraku sicher, würde er auch das legendäre Höllenschwert des Fürsten beherrschen und einsetzen können. Wie passend, käme der durch die eigene Waffe um. Er selbst liebte Schwertkämpfe nicht sonderlich, aber man musste eben auch einmal eine Ausnahme machen, um ein derart hochgestecktes Ziel zu erreichen. Waren alle drei Hunde tot, wäre er der unangefochtene Herr des Westens. Die anderen Fürsten würden ihn anerkennen. Und mit dem Höllenschwert und dem Juwel brauchte er auch einen kleinen Rachefeldzug der Drachen nicht zu fürchten, wenn Ryuukossusei dämmerte, dass er nur benutzt worden war.   Sesshoumaru erreichte die Kerntruppe des Heeres mit über fünfhundert kampferprobten Dämonen beiderlei Geschlechts in dem Bewusstsein, unverzüglich einen Boten an den Herrn der westlichen Länder abschicken zu müssen. Als er sich daher in seine Menschenform verwandelt hatte, winkte er sofort einen Falkendämon zu sich. „Schnellstens zu dem Fürsten ins Schloss. Am Berge Hakurei befindet sich ein überaus massiver Bannkreis, der noch heute morgen nicht dort war, das Kloster brennt. Auf dem Weg aus der Residenzstadt zum Berg Hakurei wurden die beiden Vorzimmermenschen Inu Yashas überfallen, ich konnte sie retten und schickte sie zum Kloster. Ab. - Kouga. Geh zum Berg Hakurei und sammele die zwei Menschen ein. Das Kloster brennt, aber sie müssen zum Fürsten gebracht werden, womöglich haben sie eine Erklärung dafür. Ab.“ Erst jetzt sah sich der Erbprinz um. Es hatte offenbar ein Gefecht gegeben. Mit gewissem inneren Seufzen erkannte er, dass in nicht allzu ferner Zukunft wohl der nächste Bote an seinen Vater fällig wäre. Wie beschämend. Der würde ja denken, er bekäme nichts allein auf die Reihe. „Was ist hier passiert?“ fragte er daher etwas schärfer als beabsichtigt. „Wir trafen auf die Spur von fünf Drachen, Sesshoumaru-sama“ erklärte der ranghöchste Offizier folglich etwas unbehaglich. Die Strafen nicht nur des Taishou, sondern auch von dessen Erben, kamen prompt und hart, wenngleich nie unberechtigt. Aber, wenn er einen Fehler begangen hatte, würde er es unverzüglich zu spüren bekommen. „Sie stellten sich uns zum Gefecht, aber wir konnten sie vertreiben.“ Der Erbprinz stutzte. Nur fünf? Gegen immerhin eine doch erhebliche Überzahl von Dämonen? Hatten sie gewusst, dass er selbst nicht hier wäre? Was sollte das? „Verluste?“ Das würde Vater als erstes interessieren. Ah, er kam doch nach seinem Vater. Sorge um die Untergebenen war vorrangig. „Nur Verletzte, Sesshoumaru-sama.“ Immerhin. Nur, was sollte das? Drachen im Westen, die geradezu herumspielten? Keine Toten, geschweige denn Gefressene? Hatte Vater wie gewohnt Recht und es war ein Austesten, eine Ablenkung, ehe der wahre Angriff auf den Westen erfolgen sollte? Aber er konnte ihn unmöglich um Rat fragen, was er jetzt tun sollte. Das würde ihn selbst das Gesicht vor dem Heer verlieren lassen, seinen Ruf bei Dämonen ruinieren – und ihm als künftigen Fürsten ein Armutszeugnis ausstellen. Er musste sich unverzüglich entscheiden. „Haben Kundschafter diese Drachen verfolgt? Nein? Dann tut es jetzt. Es muss sich um ein Ablenkungsmanöver gehandelt haben. - Und überprüft noch einmal in weitem Umkreis die Spuren Richtung Berg Hakurei.“ Hoffentlich war wenigstens dort etwas Wichtiges geschehen. Vater würde doch sonst denken, er sei unfähig. Denn irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, er habe etwas übersehen. Aber Drachen, hier – er musste sie auftreiben und verjagen, wenn nicht vernichten. Und das Ganze, ohne einen neuen Großen Krieg vom Zaun zu brechen. Und ohne Rückversicherung.   Kagome schluckte doch unwillkürlich, als sie die Dämonen vor dem äußeren Tor des Fürstenschlosses sah, bemerkte dann erstaunt, dass sie einfach beiseite gingen und das Tor aufschwang. Erst dann entdeckte sie das kleine Kästchen in der Hand des Fahrers. Natürlich, das hier war ein Auto des Taishou und der Fahrer konnte das Portal öffnen. Damit kamen auch alle Insassen einfach so durch die Kontrollen. Reddemon hatte gewusst, was er tat, und so richtete sie sich etwas von ihm auf. „Ich bin so froh,“ flüsterte sie. „Nur morgen noch, oder?“ „Bis morgen Mittag musst du diesen Mistkerl von Naraku ruhig halten, ja. Dann habe ich sicher alles V ... dem Fürsten sagen können. Keine Angst, alles wird gut, Juwel.“ Inu Yasha war wirklich bemüht. Sie hatte tatsächlich auf der guten Stunde Fahrt hier heraus ein wenig entspannen können, ja, er glaubte trotz seiner Menschenform, dass sie eine gute Viertelstunde in seinem Arm, an seiner Schulter, hatte schlafen können. Er wollte ihr doch helfen. Sie war so nett zu ihm, in beiderlei Varianten, und war so traurig, so verstört, gewesen. „Hör zu, sobald wir aussteigen können, nehme ich deinen Arm und wir gehen ins Schloss. Je nachdem, wie da die Wachen sind, gehen wir gleich oder etwas später in den Keller. Ich denke, da unten ist das Juwel. Tue einfach so, als ob du alles für ganz normal hältst. Und reg dich nicht auf. Da sind viele Hundedämonen, die können das mitbekommen.“ „Das sagst du so! Ich war doch noch nie im Schloss.“ „Klar, aber … aber denk dir einfach, das ist mein Zuhause. Ich wohne doch da. Es ist wohl etwas größer als euer Haus, aber im Endeffekt auch nichts anderes.“ Da hatte er wohl Recht und so lächelte Kagome zögernd. „Ich werde mir Mühe geben. - Bekommst du auch wirklich keinen Ärger?“ „Nein, sicher nicht, wenn ich dem Fürsten alles erklärt habe, ganz bestimmt.“ Naja, Vater würde es kaum gern hören, dass er Kagome in den Hochsicherheitstrakt mitgenommen hatte, aber dann doch bestimmt erkennen, dass es sich quasi um Hilfe in der Not gehandelt hatte. Und da war Vater immer schon großzügig gewesen.   Als die beiden Jugendlichen aus dem Auto stiegen, bemerkte Kagome ein wenig verwundert die Dämonen, die deutlich vom Eingang abrückten. Verlegen die Arme um sich schlingend, wartete sie, bis Reddemon neben ihr war und ihren Arm fasste, sie behutsam mitzog. Inu Yasha war etwas verwundert, dass die Krieger offenbar Kagome nicht kontrollieren wollten, schob es dann jedoch nicht auf eine Anweisung seines Vaters, sondern auf die Tatsache, dass sie wohl dachten, er habe etwas mit dem Mädchen und ihn nicht belästigen wollten. So nahm er demonstrativ die Kagomes Hand, als er sie in das deutlich mittelalterliche Schloss zog.   Das Mädchen musterte erstaunt die große Halle. Alles hier war aus Holz, Lack, sah vornehm und sehr altmodisch aus. Da Reddemon sie aber weiterzog, sollte sie sich weniger umsehen als beeilen. Er riskierte doch Ärger, dachte sie, und eilte förmlich mit ihm einen Gang entlang, zu einer weiteren Halle, von der aus viele Türen abgingen. Auch hier befand sich niemand. Das gesamte Schloss wirkte leer. Sie sah, wie ihr Begleiter stehen blieb und spürte, wie er sie losließ. „Moment“, flüsterte Inu Yasha unwillkürlich. Hier war alles wie ausgestorben. Wo steckten die Krieger, die Dienstboten? Nutzten sie etwa alle aus, dass Vater und Sesshoumaru weg waren? Er schob eine Tür zur Seite, aus dunklem Holzgitter, mit Papier bespannt. Dahinter zeigte sich eine Metalltür, eindeutig modern, und das blinkende Kästchen an der Seite zeugte von einer der modernsten Alarmanlagen. Der Halbdämon in Menschenform hätte fast gegrinst, als er die Finger hob und die Kombination eingab. Seit es solche Anlagen gab, hatte sein Vater genau zwei Passwörter verwendet – die Namen seiner Söhne. Tatsächlich stimmte sein eigener und die Tür schwang auf. Erleichtert flüsterte er: „Komm schon, Juwel.“   Die beiden Jugendlichen huschten die Treppe hinunter, ohne zu ahnen, dass oben ein Katzendämon ihnen nachblickte, ehe er ein Handy zog. „Myouga, Chef? Sagen Sie doch dem Herrn, dass Inu Yasha mit der Hexe in den gesicherten Keller ging. Wir brauchen neue Anweisungen.“ „Ach du je,“ erwiderte der Flohgeist, der hörbar die Neuigkeit weitergab, kurz wartete, um dann zu ergänzen. „Nichts tun! Der Fürst ist in dreißig Minuten bei euch.“ Er erwähnte nicht, dass die Energie des Herrn nahe daran gewesen war die Fenster des Autos zu sprengen. Zum Glück waren die Wagen diesbezüglich abgesichert. Nur der winzige Berater hatte wieder einmal mindestens drei seiner wenigen Haare verloren.   Inu Yasha war nicht erstaunt auf eine zweite schwere Metalltür zu treffen, eher darüber, das hier weder Wachen standen noch er sonst etwas von magischen Sicherungen wahrnehmen konnte. Dann jedoch erkannte er, dass Letzteres wohl auf seinen menschlichen Zustand zurückzuführen war, und gab als zweites Passwort den Namen seines Halbbruders mit Erfolg ein.   Dahinter öffnete sich ein langer, dunkler, Gang, in dem es eigen roch, selbst für die menschlichen Nasen der beiden Jugendlichen. Inu Yasha tastete nach dem Lichtschalter und fand ihn nach einigen Mühen. „Gut, komm“, flüsterte er und fasste einfach wieder Kagomes Hand, die sich das freilich nur zu gern gefallen ließ. Sie war schrecklich aufgeregt und das war doch ein bisschen Halt in dieser Lage. Aber, das gab sie gern zu, Reddemon wusste, was er da tat, und kannte sich hier wohl aus. Und er war unwahrscheinlich nett zu ihr, denn sie vermutete doch, dass er einiges für seine ihm doch unbekannte Chat-Partnerin riskierte, auch, wenn er immer wieder beteuerte, das würde schon gut gehen.   Der Gang und die darauffolgende Tür beinhalteten die besten magischen Bannsprüche, die die mächtigsten menschlichen Priester und Schreinjungfrauen, dazu die fähigsten Dämonen, vor fünfzig Jahren gemeinsam hatten hervorbringen können. Sie waren allerdings auf ebensolche Eindringlinge ausgelegt. Kagome besaß nur magische Kräfte, wenn sie emotional sehr beteiligt war, um nicht zu sagen, wütend wurde, und Inu Yasha war in dieser Nacht kein Halbdämon, sondern ein schlichter Mensch ohne jede dämonische Aura. So gelangten die Beiden ohne jeden Zwischenfall zu der letzten Tür, die der Junge einfach durch Beiseiteschieben öffnen konnte, und nach einem Lichtschalter suchte. „Oh, sieh nur, Reddemon!“ Kagome hauchte es nur, vor Aufregung und Begeisterung für das Lichtspiel. Er wandte den Kopf. In der, an sich dunklen, Kammer leuchtete eine kleine Kugel, fast wie ein Schmuckstück. Erst auf den zweiten Blick war in deren matten Licht zu erkennen, dass sich das Juwel an einer Kette aus weiteren Kugeln befand und an zwei metallenen Bändern an zwei Haken an der Decke, des, zugegeben niedrigen Raumes, aufgehängt war. Die Kette des Juwels bildete dergestalt ein gleichschenkliges Dreieck, unter dem die kleine Kugel hing. „Das ist das Juwel der vier Seelen?“ Kagome flüsterte unwillkürlich, trat jedoch näher, als würde das Schmuckstück sie rufen. Es gefiel ihr ausnehmend gut. Aber so mächtig sollte das sein? Das konnte sie nicht glauben. Inu Yasha folgte ihr. „Ja.“ Er blieb ebenfalls sehr leise. Irgendwo mussten doch Vaters Wachen sein? „Denke schon. Ich war hier noch nie.“ Natürlich, dachte sie. Das war bestimmt streng verboten. „Es sieht hübsch aus.“ Sie machte den Schritt rechts neben das Juwel, das plötzlich auf irgendeine Weise heller aussah. „Nett, aber irgendwie nicht gefährlich. Ich meine, als ich die Kette nahm, die ich dann Inu Yasha, ich meine, dem Prinzen, geschenkt habe, hat die aufgeleuchtet, aber das Juwel macht das nicht. Es ist wohl nichts für mich.“ „Du bist eine Higurashi,“ entfuhr es ihm. Inu Yasha wurde klar, dass er sich damit verraten hatte, und ergänzte hastig: „Wenn nicht, kann das Juwel natürlich nichts zeigen. Das steht angeblich nur auf diese Familie aus Priestern.“ Kagome war bei seinem ersten Satz schuldbewusst zusammengezuckt, entspannte sich jetzt. Das hatte er sicher nicht so gemeint. Es war nur ihr schlechtes Gewissen, das sie hören ließ, was nicht einmal gesagt worden war. Und das hatte sie. Reddemon war so nett zu ihr – und sie log ihn doch immer noch irgendwie an. „Ehrlich gesagt, das sieht so … harmlos aus.“ Sie suchte abzulenken. „Pass auf.“ Sie trat rechts neben das hängende Juwel und stieß es vorsichtig mit ihrem Zeigefinger an. Der leuchtende Stein flog etwas seitwärts, kehrte dann jedoch zu seinem Ausgangspunkt zurück. „Er leuchtet nicht, siehst du!“ Kagome kicherte. „Ich stupse, er kommt zurück.“ Es war reiner Spieltrieb, der Inu Yasha auf die linke Seite des Juwels gehen ließ. Als es auf ihn zu schwang, berührte er es behutsam und es kehrte zu Kagome zurück. Er musste selbst lachen. „Nein, das ist nur ein Ball, oder? Stups.“ „Stups.“ Kagome und er begannen zu lachen. Stups – stups.   Der Inu no Taishou hätte sich nicht vorhersagen trauen, welches Szenario er vorfinden würde, wenn er die gesicherte Kammer betrat, in dem er die Tür weit aufstieß. Aber ganz sicher waren es keine zwei kichernden Jugendlichen gewesen, die mit den Zeigefingern das kostbarste und mächtigste Schmuckstück des Landes sich zustießen. Immerhin hing es noch, aber … Er musste sie trennen! Er wandte den Kopf. „Verhaftet diese Beiden wegen Hochverrates. Ihn in mein Büro, sie in den Verhörraum!“   Kapitel 21: Der Taishou ----------------------- Auweia! Inu Yasha konnte sich nicht entsinnen seinen Vater schon einmal dermaßen erbost gesehen zu haben. So, als Mensch, konnte er dessen dämonische Energie nicht spüren, aber allein an dem etwas geduckten Verhalten der Krieger, die hereinkamen und nach ihm und Kagome griffen, schloss er, dass die Macht des Fürsten für Artgenossen praktisch die Luft gefrieren ließ. Was konnte er jetzt nur machen? Ungefragt reden würde seine Strafe nur erhöhen, aber … „Bitte, tun Sie ihr nichts!“ brachte er hervor, als er hinausgeschoben wurde. Arme Kagome! Sie steckte doch so schon in der Klemme. Was konnte, sollte, er jetzt nur seinem Vater sagen? Er hatte sich das so einfach vorgestellt – sie erzählte Naraku die Wahrheit, er seinem Vater und der ließ den Mistkerl verhaften. Leider hatte er in seinem schönen Plan nicht den Haken bemerkt – er durfte nicht ungefragt sprechen, wenn er nicht mindestens einen Schweigebann aufgehalst bekommen wollte. Von anderen Dingen gar nicht zu reden. Aber Kagome und Hochverrat? Nie im Leben. Was jetzt?   Kagome zitterte am ganzen Körper, als die Krieger ihre Arme fassten. Der arme Reddemon! Er saß jetzt um ihretwillen wirklich in der Patsche. Sie musste zumindest ihn da rausholen. Und natürlich dem Fürsten sagen, dass das hier doch nie im Leben Hochverrat war! Aber wie? Ihre Kehle war wie zugeschnürt, als die Dämonen sie einfach wegzogen und der Fürst keinen Blick für sie hatte, nur für das Juwel, offenbar dessen Zustand überprüfte. Verhörraum klang so schrecklich.   Inu Yasha ließ sich wortlos im Arbeitszimmer des Fürsten auf die Knie nieder, die beiden Krieger noch immer hinter sich. Wenigstens hatten sie ihn losgelassen, das wäre doch peinlich gewesen. Aber er steckte in der Klemme, natürlich die arme Kagome umso mehr. Irgendwie musste er das Vater doch erklären können.Wie kam der nur auf Hochverrat? Wieder, wie schon bei Kikyou, wegen des dämlichen Juwels? Er wollte das doch gar nicht, hatte da nie einen Sinn drin gesehen, sich so ein Teil um den Hals zu hängen. Und Kagome wollte es doch auch nicht. Naraku war gierig danach – aber um das erklären zu können, müsste er reden dürfen. Nun ja, irgendwann wohl schon, hoffte er. Schließlich hörte sich Vater Beschuldigte doch an. Aber, was passierte bis dahin mit Kagome? Verhörraum klang gar nicht gut. Er war nie dort gewesen, aber er wusste, dass dort Dämonen verhört und auch bestraft wurden. Arme Juwel! Er senkte den Kopf zeremoniell, als er hörte, dass die Tür beiseitegeschoben wurde, sicher, dass der Fürst eintrat, ebenso sicher, dass nur dessen Handbewegung die Krieger den Raum verlassen ließ. Schwarze Schuhe gelangten in sein Blickfeld. „Hat sie dich gezwungen, mit ihr dort hinunter zu gehen?“ „Nein, mein Herr und Vater.“ Oh, oh. Der Junge kannte seinen Vater seit Jahrhunderten, aber nur selten hatte dessen Stimme dermaßen eisig geklungen. Wieso sollte ihn Juwel, Kagome, denn zwingen wollen, ja, auch nur können... – ach du je, diese Bannkette, die er trug, weil sie sie ihm geschenkt hatte. Was dachte Vater denn nur von dem Mädchen? „Du hast sie freiwillig begleitet und alle Türen geöffnet.“ Das klang wie zersplittertes Glas. „Ich wollte ihr helfen ...“ begann Inu Yasha, aber der Fürst unterbrach ihn. „Ich meine mich zu entsinnen, dir befohlen zu haben, dass du weg von ihr bleiben sollst. Statt dessen triffst du dich mit der Hexe in deiner Menschenform und hilfst ihr beim Einbruch, ja, bei Hochverrat! - Du solltest dankbar sein, dass in einer Stunde die Sonne aufgeht und ich erst die Higurashi verhören will. Würde ich dich momentan behandeln, wie ich Lust darauf verspüre, wäre das als Mensch dein Ende. Und ich will nicht das Erzeugnis meiner Lenden zerstören. - Warte hier.“   Das tat so weh, dachte Inu Yasha nur. Weniger die angekündigte Strafe, die unter Garantie erfolgen würde, sondern diese Anrede. Nicht, mein Kind, mein Sohn – das Erzeugnis seiner Lenden. Das war fast so etwas wie ein Schlussstrich. Was konnte, sollte, er nur tun? Vielleicht durfte Kagome etwas mehr erklären? Vater war so wütend, so aufgebracht. Was glaubte der denn nur, was hier passiert wäre?   Kagome hatte fast aufgeatmet, als sie allein in eine dunkle Kammer geschubst wurde, sich dann abgefangen und umgesehen. Soweit sie es mit dem Tränenschleier vor ihren Augen erkennen konnte, handelte es sich um einen leeren, mit schwarzen Matten ausgekleideten, Raum, aus dessen Wänden ungewisses Licht drang. Immerhin war er leer, dachte sie fast erleichtert, da ihre Phantasie ihr schon einige unheilvolle Geräte vorgespiegelt hatte, zog sich aber instinktiv an die Wand zurück. Ihre Beine wollten sie nicht mehr tragen und so ließ sie sich nieder, jetzt erst in ihrer Handtasche nach Taschentüchern kramend. Zum Glück hatte sie sie sich quer über die Schulter gehängt, sonst hätte sie sie bestimmt verloren. Ach du liebe Güte! In was war sie jetzt nur geraten! Hochverrat, hatte der Fürst gesagt. Und das bedeutete die Todesstrafe! Dabei wusste der ja noch nicht einmal alles, und wenn Naraku ihm die Fotos gab … oh, nicht daran zu denken. Immerhin sollte es sie trösten, dass man nur einmal sterben konnte, oder? Aber Mama, Souta, Opa … sie würden alle das Dach über dem Kopf verlieren. Und Reddemon, der ihr doch nur hatte helfen wollen, wäre bestimmt auch mindestens seinen Job los, vermutlich dessen Vater und Bruder auch. Was konnte sie nur tun? Was würde jetzt passieren? Ihr würde doch niemand glauben! Dieser Naraku war schuld an allem, aber … würde sie überhaupt jemand danach fragen? Würde sie gleich umgebracht? Sie musste irgendwie mit dem Fürsten sprechen, aber sie vermutete schwer, dass der einer Verräterin kaum zuhören würde. Und Reddemon, was war mit dem? Das Letzte, was sie gehört hatte war, dass er den Fürsten noch für sie gebeten hatte, das konnte sie ihm kaum vergelten. Er hatte ihr immer helfen wollen, ja. Und dafür wurde er jetzt bestimmt schrecklich bestraft. Ach, was war sie nur leichtfertig gewesen, sich auf Naraku einzulassen. Aber der war doch so nett erschienen! „Zur Hölle mit ihm!“ flüsterte sie und putzte sich noch einmal die Nase, ehe ihr eiskalt wurde. Direkt vor ihr befanden sich schwarze Schuhe, eine weiße, seidene Hose, und, als sie vorsichtig etwas aufsah, erkannte sie die beiden weißen Fellteile und die Rüstung des Fürsten. Entsetzt rang sie förmlich nach Luft. Wie war er hereingekommen und das auch noch so lautlos?   „Was hast du mit meinem Sohn gemacht?“ fragte der Taishou eisig. Zur Hölle mit ihm, ja? Mit ihm oder Inu Yasha? Kagome schluckte. Sein Sohn? Welcher denn? Was meinte er? Sie hatte doch nie … oh, die Kette. Das musste er erwarten. „Die ... die Kette? Ich habe sie.... Inu Yasha … als Glücksbringer gegeben, weil er doch für Opa ...“ „Wer hat dir gesagt, dass du diese Kette nehmen sollst?“ „Niemand, also ...“ War ihm die Kette wichtiger als der Einbruch? Aber, warum? „Opa sagte, ich solle Inu Yasha, also, dem Prinzen, doch etwas schenken, als Dankeschön, und ich solle es aus dem Schuppen nehmen, wo er so etwas aufhebt.“ Sie versuchte aufzusehen, musste jedoch dazu den Kopf in den Nacken legen. Hastig senkte sie den Blick lieber wieder. Selbst für ein unerfahrenes Menschenmädchen lag ein gefährlicher, roter, Schimmer in den Augen des Hundedämons vor ihr. Und so naiv war sie denn doch nicht, dass sie nicht gehört hatte, das sei ein mehr als bedrohliches Anzeichen. „Da sie aufleuchtete, als ich sie nahm, dachte ich, sie ist etwas Besonderes. Und, na ja, sie ist eines Prinzen würdig … War das falsch?“ Warum nur war er dermaßen wütend? „Oh, bitte, tun Sie Reddemon nichts, er wollte mir nur helfen.“ „Wer ist Reddemon?“ erkundigte sich der Taishou, jetzt doch irritiert. „Der Junge, der … der bei mir war. Ich weiß seinen Namen nicht, wir haben uns im Internet getroffen“ Sie musste sich zusammennehmen, um ihn wenigstens aus der Patsche zu holen. Alles, was ihm und seiner Familie zustieß, war schließlich ihre Schuld. Sie wischte sich erneut die Tränen ab, um zu entdecken, dass der Fürst sich von ihr entfernt hatte und an der gegenüberliegenden Wand lehnte, die Arme verschränkte. Immerhin war er aus ihrer direkten Nähe gegangen und sie atmete zitternd etwas tiefer ein. Es hieß, dass Dämonen Menschen in Stücke reißen konnten, wenn sie wollten. Reddemon? Internet? Die stärkste Bannkette der letzten Jahrzehnte ein Glücksbringer? Der Inu no Taishou gab zu etwas zu stutzen. Sie log nicht, das wusste er aus langer Erfahrung. Nur, wie passte das dann mit den Drachen zusammen? Waren seine Vermutungen nur aufgrund einer, wenngleich verbotenen, Romanze seines Jüngsten mit einer Angestellten in die Irre geleitet worden? Nein, irgendetwas stimmte da nicht, das verriet ihm sein Instinkt und die in Jahrhunderten Krieg erworbene Erfahrung. „Was wolltest du mit dem Juwel der vier Seelen?“ „Ich, nichts, wirklich nicht. Ich ... ich sollte es nur finden.“ Aha. Also doch. „Für die Drachen.“ „Äh, nein, wieso die Drachen?“ Kagome machte eilig den Mund zu. In ihrer Lage sollte sie nicht widersprechen, schon gleich gar nicht dem Mann, dessen Urteil über sie unverzüglich vollstreckt werden würde. „Für wen dann?“ Sie senkte den Kopf. Opa war noch immer in einer Klinik des Gumo-Konzerns, Reha hin oder her. Was, wenn Naraku herausfand, dass sie verhaftet worden war, und ihren Großvater umbringen ließ? Nein, das würde schneller gehen als sie aussagen konnte. Oh, vermutlich wusste doch Naraku schon, dass sie hier war. Opa! Mama! Souta!   Sie wollte auf stur machen? Der Taishou hatte schon vor tausend Jahren Verhöre geführt, als er sich zum Herrn der Hunde empor gekämpft hatte, und kannte die Anzeichen. Nun, nicht, dass es ihr viel helfen würde. Es gab Grenzen, was ein Menschen, allerdings auch ein Dämon, verschweigen konnte. Was zu einer anderen Überlegung führte. Die Higurashis hatten genug Grund ihn und Inu Yasha zu hassen. Da war der vorgebliche Mord an Kikyou, aber auch der tödliche Unfall des Vaters dieser kleinen Hexe durch einen fürstlichen Boten. Genug Motive. Mittel, klar. Sie war vermutlich die einzige lebende Person, die das Juwel der vier Seelen spüren und sogar bedingt kontrollieren konnte. Und die Gelegenheit hatten ihr die Drachen verschafft, in dem sie ihr Hinweise darauf gegeben hatten, ihr oder ihrem Großvater, wie man an Inu Yasha herankommen konnte. Der Junge war verdammt töricht gewesen, aber er war in eine überaus kunstfertig gestellte Falle getappt. Wer rechnete in diesem Internet mit einem Hochverräter, der noch dazu so hilfsbedürftig schien. Inu Yasha hatte seinen eigenen Beschützerinstinkt geerbt. Was prompt zu einer anderen Frage führte. Wie geschickt war dieses Mädchen? Er hatte angenommen, sie könne ihn nicht anlügen. Aber sie besaß einige Fähigkeiten, die auch einen Hundedämon an der Nase herumführen konnten. War es das, warum man sie und nicht ihren Bruder genommen hatte? Sie konnte sehr gut lügen? Dann musste er selbst vorsichtiger sein. Man kam oft bei einem Verhör weiter, wenn man scheinbar harmlose Fragen stellte, die nichts mit dem zu tun hatten, was der Andere verschweigen wollte. Und, das gab der Taishou sich ehrlich zu, was ihn persönlich auch interessierte. „Reddemon. Du sagst, ihr habt euch im Internet kennen gelernt. Heute erschient ihr mir beide recht persönlich anwesend.“ „Ja, wir … wir waren zusammen essen. Es war erst unser zweites Treffen,“ versuchte sie zu erklären, erleichtert, dass er nicht wieder nach dem Juwel fragte. Vielleicht konnte sie wenigstens dem armen Reddemon doch helfen? „Ich habe ihn getroffen, als ...“ Ach du je. Sollte sie den Fürsten an die mehr als ungeschickte Bewerberin erinnern? Aber immerhin war sie ja im Kendama eingestellt worden. So erzählte sie von ihrem Bewerbungsgespräch und dem zufälligen Treffen im Café, dann, dass sie gechattet hatten. Mehr musste der Fürst ja nicht wissen, oder? „Gestern waren wir zum ersten Mal zusammen essen, da er in der Stadt war, das ist er ja nur selten ...“ Immerhin hatte Inu Yasha den Verstand besessen sich mit ihr nur als Mensch zu treffen, ja, hatte offenbar eine Doppelrolle gespielt. Oder hatte sie das gewusst? Kagome schluckte und sah etwas auf. Noch immer lehnte der Fürst an der Wand, die Arme verschränkt, wie immer unbestreitbar elegant, aber sie wusste nur zu gut, dass er die Macht und das Recht hatte über sie zu urteilen. Über sie und Reddemon. „Ich … ich erzählte ihm etwas und er wollte mir helfen.“ „Jetzt kommen wir zu dem Punkt, der mich am meisten interessiert, Kagome.“ Der Taishou richtete sich auf. „WAS hast du ihm erzählt, dass er dir helfen wollte?“ Und er würde auf einer Antwort bestehen, erkannte das Mädchen entsetzt. Opa! Reddemon! Musste sie sich etwa zwischen den Beiden entscheiden? War nur einer zu retten? Oh, was hatte sie nur mit ihrer Arglosigkeit angerichtet! Sie brach erneut in Tränen aus. Dass der Fürst zwei Schritte auf sie zumachte, konnte sie nur als Drohung empfinden. Panisch keuchte sie auf: „Oh, bitte, ich darf doch nichts sagen! Oder … können Sie sie retten, wenn er sie umbringen lassen will?!“   Der Taishou blieb stehen. Nein, sie log nicht. Die körperlichen Anzeichen verrieten es ihm. Kein Mensch log in diesem Zustand. Er wusste nicht, was es war, aber irgendetwas hatte das Mädchen vor ihm schrecklich gepackt. Sie hatte furchtbare Angst – nicht nur vor ihm, womöglich eher sogar weniger, denn immerhin hatte sie gerade an seinen Schutz appelliert. Für wen, eigentlich? „Wen soll ich vor wem retten?“ „Opa, Mama, meinen Bruder. Und, auch Reddemon.“ „Um Reddemon brauchst du dir keine allzu großen Sorgen zu machen.“ Sein unbändiger Zorn auf seinen leichtfertigen Sprössling war langsam der dämonisch-sachlichen Erkenntnis gewichen, dass hier etwas ganz eigen lief. Natürlich würde Inu Yasha es zu spüren bekommen, dass er gegen das Verbot mit einer Angestellten herum getändelt hatte, aber, wenn diese Kagome sich bei dem ebenso benommen hatte, wie jetzt hier, war es kein Wunder, dass der Junge sie beschützen wollte. Zumindest bei diesem konnte er bewussten Hochverrat ausschließen. Immerhin etwas. Und die kleine Priesterin? „Danke.“ Etwas erleichtert putzte sich Kagome die Nase und wischte die Tränen ab. Wenigstens schien der Fürst jetzt ruhiger. „Ich habe doch solche Angst“, gestand sie, ehe sie erzählte, wie sie zu dem persönlichen Bewerbungsgespräch bei Naraku gekommen war, das Geld genommen hatte, um ihren Großvater zu schützen, die Andeutungen, die Beschattung, die immer stärker werdenden Drohungen, doch unglaublich froh, dass der Dämon vor ihr kein Wort dazu sagte, sie nicht unterbrach. Ein zweites Mal hätte sie kaum den Mut aufgebracht das zu beichten.   Naraku. Der Taishou dachte nach. Der hatte bei den Wirtschaftsverhandlungen gefehlt, was Inu Yasha aufgefallen war. Der Spinnendämon, oder gar Halbdämon, also hatte das Mädchen erpresst, sicher, um an das Versteck des Juwels der vier Seelen zu gelangen. Was ein Dämon damit anstellen wollte, war ihm selbst nur zu klar. Das Juwel versprach ungeheure Macht. Nur, was hatten die Drachen damit zu tun? Hatte der Herr des Gumo es etwa nicht nur auf das Juwel abgesehen, sondern sich gleichzeitig auch noch Verbündete beschafft? Gefährliche Verbündete, aber der hoffte wohl mit dem Juwel auch mit Ryuukossusei fertig zu werden. Oder gar mit ihm selbst. Natürlich, das musste der Plan sein. Über Kagome das Juwel, mit dem Juwel, ihn, den Fürsten, ausschalten, an das Höllenschwert gelangen und dann die Drachen schlagen. Nur, wozu waren die Drachen notwendig? Er sah keinen Grund daran zu zweifeln, dass Ryuukossusei, als er sich vorgeblich auf einer Insel im Westen erholt hatte, sich in Wahrheit mit einem Hochverräter getroffen hatte. Und jetzt konnte er dem auch einen Namen geben. „Was weißt du über die Drachen?“ Kagome erschrak. Sie hatte doch davon keine Ahnung. Der Fürst hatte sich gerade beruhigt, ja, schien nachdenklich – und jetzt? „Ich, ehrlich, ich weiß nichts von Drachen. Nur von Naraku.“ Nun gut, dachte der erfahrene Stratege, das war sogar glaubhaft. Man gab einem Werkzeug nicht mehr Informationen als notwendig. Es existierte jedenfalls noch eine Möglichkeit, wie er überprüfen konnte, ob das Mädchen die Wahrheit gesagt hatte oder nur eine mehr als geschickte Lügnerin war. „Die Sonne geht gleich auf. Komm.“ „Äh, ja, natürlich.“ Was sollte das? Sie hatte einmal gehört, dass Hinrichtungen gern im Morgengrauen stattfinden sollten. War es das? Aber sie hatte keine Wahl. Kagome raffte sich mühsam auf. Ihre Beine zitterten. Die Aufregungen der letzten Stunde, die durchwachte Nacht, forderten ihren Tribut. Ihre Furcht vor dem, was kommen würde, gehorchte sie nicht, war größer als die, was tatsächlich vor ihr läge. So folgte sie dem Herrn der westlichen Länder aus dem Raum, fast schwankend, aber dann doch schlicht froh, dass sie hinter ihm hergehen durfte und die dämonischen Krieger nur aus dem Weg gingen. In der großen Halle befahl der Taishou niemand Bestimmtem: „Inu Yasha in den Hof.“ Kagome sah, wie unverzüglich eine Dämonin in Rüstung wegeilte. Gab es auch weibliche Krieger? Doch, ja, davon hatte sie gehört. Aber sie war so müde, so erschöpft … Was blieb ihr anderes übrig, als dem Fürsten vor das Schloss zu folgen. Wieso Inu Yasha? Ging es wieder um diese Kette? Warum war die so wichtig?   Der junge Halbdämon gehorchte eilig. In den Hof – das klang nach Straftraining. Mindestens. Aber, was war mit der armen Juwel passiert? Fragen brauchte er nicht. Wenn Vater nicht ausdrücklich gesagt hatte, er solle es erfahren, hatte würden alle Dämonen eisern schweigen. Nicht nur aus Angst vor der Macht des Fürsten. Vater war es, wohl schon vorher, aber mindestens, seit er der Taishou, der Heerführer aller Hundeartigen geworden war, gelungen, sich den Respekt, ja, eine ungeheure Achtung zu erwerben. Leider ging es ihm selbst ja ebenso. Etwas in ihm schrie danach, von seinem Vater so anerkannt zu werden wie Sesshoumaru, wie der vollblütige Sohn, wie der Erbe. Aber, das gab Inu Yasha traurig zu, das war wohl nach den letzten Sätzen, die der Fürst zu ihm gesagt hatte, endgültig vorbei. Er musste froh sein, wenn er nicht hingerichtet wurde. Obwohl, wenn er so daran dachte, was sonst geschehen mochte, wäre der Tod einem Leben in Verbannung und Schande vielleicht vorzuziehen. Nur, was war mit Kagome? Die konnte doch nun wirklich nichts dafür, sie war das Opfer. Nur Naraku. Und er hätte diesen Mistkerl nur zu gern dieses permanente Lächeln aus dem Gesicht gewischt. Die Sonne ging auf. Und da war Vater – und Kagome. Immerhin war ihr nichts passiert. Er wollte schon aufatmen, als ihm klar wurde, dass er sich jeden Moment aus Reddemon in Inu Yasha verwandeln würde. Oh, Vater! Wusste der nicht, was er da gerade machte? Nein, vermutlich wusste es der erfahrene Heerführer nur zu gut. Wahrscheinlich war das als Strafe für ihn selbst gedacht. Immerhin war sie nicht verletzt, aber sie hatte geweint und wirkte sehr mitgenommen. Sie starrte ihn an. Warum, war ihm nur zu bewusst, denn die ersten Strahlen der Morgensonne berührten ihn, und er konnte spüren, wie seine dämonische Energie erwachte. Gleich würden sich seine Haare färben, seine Finger zu Klauen werden und die Ohren auf dem Kopf erscheinen. Ach du je.   Das Mädchen bemerkte irritiert, wie etwas um Reddemon sich veränderte. Sie war schon froh gewesen, dass er noch heil war, aber was war jetzt los? Die Haare, die Augen, die Hände, die Ohren … Sie war so müde, dass sie fast eine Minute lang nicht begriff, was da geschehen war. Erst, als ihr Chatpartner, der Junge, nein, der Prinz sie schuldbewusst anguckte, begriff sie. Unglücklicherweise war sie durch die Aufregungen der durchwachten Nacht, ihre Müdigkeit und ausgestandenen Ängste am Ende ihrer Nervenkraft. Wie durch einen Tunnel starrte sie auf denjenigen, dem sie im Moment nur die Schuld für alles geben konnte, ohne weiter zu realisieren, wer noch neben ihr stand. Es zählte nur noch, dass DER Schuld an ihrer Angst, ihrer Verzweiflung der letzten Stunden trug – und sich ihre Emotionen in reine Wut verwandelten. „Du.... du hast mich belogen! Du hast mir vorgespielt ein Mensch zu sein! Von wegen, du willst mir helfen, ha! Du bist genauso verlogen wie Naraku, du verdammter Hund! Und ich habe mir Sorgen um dich gemacht, dass du entlassen werden könntest!“ Sie spürte, wie etwas in ihr aufstieg, war aber zu verwirrt, um es als das zu erkennen, was sie bei der Totentanzkrähe empfinden hatte. Ihre angeborene Magie erwachte. Statt dessen fauchte sie weiter. „Du hast mich hintergangen, betrogen. Man sollte dich wie einen Straßenköter treten, argh. Wärst du nur einer, ich würde nur sagen: mach Platz! Und dann....“ Sie brach ab, jäh aus ihrem Zornesausbruch gerissen. Denn die Kette, die Inu Yasha unter seinem Anzug noch immer trug, hatte selbst durch das Hemd aufgeleuchtet. Im nächsten Moment prallte der Halbdämon flach auf den Boden, sichtlich durch Magie gezwungen. Und eine Hand, nein, eine Klaue, fiel schwer auf ihre Schulter. Kapitel 22: Wandlungen ---------------------- Kagome spürte förmlich wie die heiße Wut aus ihrem Körper wich und ihr eiskalt wurde, als sie begriff, was sie da gerade getan hatte. Sie stand sowieso doch schon unter Anklage des Hochverrates – und bewies das auch noch, in dem sie den jüngeren Prinzen beschimpfte, ja, irgendwie durch Magie zu Boden schickte. War darum die Kette so wichtig? Gleich. Sie hatte es wohl soeben geschafft ihr eigenes Schicksal noch zu verschlimmern. Sie spürte, dass ihre Kraft zu Ende war und das Gewicht der Hand des Fürsten auf ihrer Schulter genügte, wenngleich nicht einmal schmerzhaft, dass sie zu Boden sank.   Inu Yasha bemerkte es. Mühsam brachte er den Kopf vom Kies. Was war das denn gewesen? Ja, dass sie sauer auf ihn war, konnte er verstehen, er hatte sie nun einmal beschwindelt. Aber, war das die Magie der Kette der Priesterin? War Vater deswegen so misstrauisch gewesen, der Kette und vor allem Kagome gegenüber? Jetzt schien der Fürst sie zu Boden gedrückt zu haben. Die Arme war doch nur am Ende mit den Nerven, nach allem, was sie durchgemacht hatte und war zusätzlich mehr als müde, da sie die gesamte Nacht nicht geschlafen hatte. Er wusste schließlich, wie sich das für Menschen anfühlte. „Bitte, vergeben Sie ihr, mein Herr und Vater, sie hat das nicht so gemeint!“ Und auch, wenn sie jetzt bestimmt nicht mehr mit ihm chatten wollte, er musste irgendwie den Fürsten überzeugen, dass sie harmlos war, sonst hätte er selbst mit seinem Wunsch nach einer einfachen, menschlichen, Freundschaft Schuld an allem, was ihr noch zustieß.   Kagome begann erneut zu weinen. Wieder. Wie schon im Keller versuchte er sie in Schutz zu nehmen. Er war eben doch Reddemon. Und, das gab sie mit einem Aufseufzen sich zu, auch als Inu Yasha war er nur nett zu ihr gewesen, hatte für Opa das Geld beschafft. Es gab keinen Grund sich so aufzuregen. Und schon gar keinen, sich dafür noch mehr in die Nesseln zu setzen. „Es tut mir Leid, Reddemon, ich meine, Inu Yasha,“ schluchzte sie. „Ich … ich bin so müde, ich weiß schon gar nicht mehr, was los ist.“   Der Taishou hätte um ein Haar den Kopf geschüttelt, eine durchaus seltsam menschliche Geste, die er sich angewöhnt hatte, wenn er mit sich selbst sprach. Was hatte er vor wenigen Tagen gedacht, als Inu Yasha mit dieser Kette um den Hals nach Hause kam? Ein ahnungsloses Mädchen mit den Fähigkeiten einer Priesterin und ein gleichfalls magisch untalentierter Halbdämon? Hatte er sich da nicht schon gefragt, was nach der Kette kommen würde, wenn er seinen Sohn nicht warnte? Ob die Beiden das Juwel der vier Seelen beschwören würden? Er hatte es geahnt – und dennoch nicht besser aufgepasst. Aus dieser Internetbekanntschaft war wohl mehr geworden, Freundschaft, offenbar, denn seit der Szene im Keller versuchten die Zwei permanent sich gegenseitig vor ihm zu schützen. Hochverrat sah eigentlich anders aus. Und er kannte jetzt auch den Namen des Schuldigen. Naraku. Der würde seinen Zorn weitaus gründlicher zu spüren bekommen als jetzt die beiden Jugendlichen, die hier vor ihm auf dem Boden knieten und sich ansahen, da sich sein Sprössling wieder aufrichten konnte. Er wandte jedoch abgelenkt den Kopf, da er einen Dämon über sich spürte, der eilig landete, seine menschliche Gestalt annahm. Ein Bote, und noch dazu einer von Sesshoumaru, wenn er sich nicht irrte. Was war im Norden passiert? Der Falkendämon tat das, was ihm aufgetragen worden war, und bemühte sich nur nicht zu dem zweiten Prinzen zu sehen, der irgendwie etwas derangiert wirkte, oder gar dem Menschenmädchen. „Sesshoumaru-sama lässt Ihnen mitteilen: Am Berge Hakurei befindet sich ein überaus massiver Bannkreis, der noch heute morgen nicht dort war, das Kloster brennt. Auf dem Weg aus der Residenzstadt zum Berg Hakurei wurden die beiden Vorzimmermenschen Prinz Inu Yashas überfallen, Sesshoumaru-sama konnte sie retten und schickte sie zum Kloster.“ „Danke.“ Der Inu no Taishou dachte rasch nach. Ein Bannkreis? Inu Yashas Menschen überfallen? Kein Wunder, dass sein Ältester ihn informieren wollte. Er entdeckte in sich überdies eine gewisse Zufriedenheit, dass dieser die Menschen beschützt hatte. Was nun? Er selbst sollte in den Norden, vermutlich. Aber am Berg Hakurei war ebenfalls etwas nachzusehen. Das alte Kloster brannte, obwohl die Mönche dort erfahren waren und sicher auch Bannkreise beherrschten? Hatten sie den Bann gelegt, um sich zu verteidigen? Gegen Drachen gar? Die waren dann wohl schon wieder Richtung Norden unterwegs, so dass dort diesbezüglich keine Gefahr bestand. Aber überprüft werden sollte das doch. Stammte der Bannkreis von den Mönchen oder wem anders? Der erfahrene Heerführer entschied sich für eine Strategie. „Inu Yasha, zieh dich um und nimm dein Schwert. Du gehst mit Kagome zum Berg Hakurei. Dort wirst du sicher Miroku und Sango treffen. Bring sie her. Sie und Kagome sollen zuvor allerdings den Bannkreis überprüfen. Wenn es überlebende Mönche gibt, will ich sie ebenso sprechen.“   Der Halbdämon hatte nicht gewusst, dass sich Erleichterung so schmerzhaft im Herzen bemerkbar machen konnte. Vater hatte eingesehen, dass Kagome keine Schuld trug? Und er auch nicht? Er durfte wieder etwas für ihn tun, ja, Kagome auch? Aber was war mit Miroku und Sango passiert? Gleich. Er sollte gehorchen und dann würde er es ja von ihnen erfahren. Immerhin hatte Sesshoumaru sie beschützt, etwas, das er noch vor Monaten nie von dem geglaubt hatte. Vielleicht war doch alles anders, als er immer gedacht hatte? So stand er auf. „Ja, mein Herr und Vater. - Ich bin gleich wieder da, Kagome.“ Er eilte davon. Das Mädchen sah ihm irritiert nach, ehe auch ihr dämmerte, dass der Fürst nicht mehr wütend auf sie war. Aber war Sango etwas geschehen? Nein, der Bote hatte ja gesagt, dass Sesshoumaru sie gerettet hatte. Nur … „Ich bin so müde.“ Sie flüsterte es, unfähig aufzustehen. Der Inu no Taishou sah etwas amüsiert zu ihr nieder. „Inu Yasha wird dich tragen, auf dem Rücken, da kannst du bestimmt schlafen. Und ich schicke Leute zu deiner Familie.“ Halbe Kinder. Ja, das waren die Zwei. Was auch immer Naraku da ausgebrütet hatte – sie waren unbedacht gewesen, vielleicht leichtfertig, aber ganz sicher keine bewussten Hochverräter. Er sollte besser auf sie aufpassen. Allerdings, was hatte sie ihm zuvor erzählt? Er sah sich um und winkte einem dämonischen Krieger, der aufmerksam in Distanz wartete. „Bring ihr Pfeil und Bogen.“ Wenn sie damit als Priesterin umgehen konnte, so, wie sie es berichtet hatte, war es zur Vorsorge bestimmt besser, wenn sie bewaffnet war. Dämon schloss von sich auf Mensch. Kagome sah das anders, reif fürs Bett, wie sie war. Sie wollte eigentlich nur noch schlafen. Aber, nachdem sie wohl gerade einer Anklage wegen Hochverrates entkommen war, sollte sie den Fürsten besser nicht abermals erzürnen. So nickte sie nur. Alles würde gut werden. Narakus Erpressung hatte jetzt seine Macht über sie verloren, der Herr der westlichen Länder wusste Bescheid, sie lebte immer noch, ja, sollte etwas noch mit einem Prinzen zusammen erledigen … Alles würde gut werden. Allerdings gab es ein Problem. „Ich kenne mich mit Bannkreisen nicht aus. Ich bin keine ausgebildete Priesterin.“ Durfte man das überhaupt gegenüber dem Fürsten sagen? Und, wie sollte sie ihn eigentlich ansprechen? Der Herr der Hunde klang amüsiert. „Nun, du beherrschst die Kette, wie gerade demonstriert. Meines Wissens können das in aller Regel nicht einmal ausgebildete Priester. Trau deinen eigenen Fähigkeiten.“ Und immerhin wären dort mit Mönch und Dämonenjägerin auch Leute, die ausgebildet waren. Ein wenig irritiert sah sie, dass Reddemon, nein, Inu Yasha in einem roten Gewand heran spurtete, ein Schwert an der Hüfte. Ohne weiter aufzublicken nahm sie automatisch den Köcher und den Bogen, den ihr der ebenfalls zurück gekehrte Dämon wortlos reichte. „Trage sie, Inu Yasha,“ befahl der Taishou. „Sie sollte schlafen. Selbst du wirst deutlich mehr als eine Stunde benötigen um zum Berg Hakurei zu kommen.“ Selbst du? Inu Yasha konnte das verräterische Grinsen um seinen Mund nicht unterdrücken. Er war wieder in Gnade aufgenommen worden, alles war nur ein Missverständnis gewesen! Und jetzt hatte er die Chance seinem Vater zu demonstrieren, dass auch er ein wertvoller Sohn war, loyal und nützlich. Das sollte er nicht aufs Spiel setzen. „Na, dann komm, Juwel. Ich meine, Kagome.“ Er streckte die Hand aus. Da sie sie nahm, fand sie sich keine Sekunde später auf seinem Rücken wieder, gestützt von seinen Händen. Mehr unbewusst zog sie sich den Köcher über und schob den Bogen auf ihre Schulter. „Ich bringe sie alle her.“ Das letzte Wort zum Fürsten, dann eilte der Halbdämon weg, deutlich erleichterter, als er sich heute Nacht schon gefühlt hatte.   Der Inu no Taishou sah ihm hinterher. Ja, er hatte sich geirrt. Inu Yasha hatte nie geplant ihn zu hintergehen, er war auch nicht dazu gezwungen worden. Gut. Er sollte seinem Jüngsten wohl auch mehr vertrauen. Ein Bote? Wieder von Sesshoumaru? Er betrachtete den nächsten Falken, der sich vor ihm in seine menschliche Gestalt verwandelte und niederkniete, etwas alarmiert. Sein Erbe neigte nicht dazu ihn mit Nachrichten zuzuschütten. „Bericht.“ „Sesshoumaru-sama ließ Späher aussenden. Es sind mit Sicherheit mehrere Drachen in den westlichen Ländern unterwegs. Vier davon konnten wir stellen, aber sie entwichen in Richtung Norden, über die Grenze. Eine Spur jedoch führt weiter Richtung Süden, Hauptstadt.“ Und Berg Hakurei, der auf halber Strecke lag. War es doch leichtfertig von ihm selbst gewesen, diese kaum erwachsenen Kinder gerade dorthin zu schicken? Aber … „Besteht die Möglichkeit, dass einer der Drachen der Erbprinz Ryuukossusei war?“ „Sesshoumaru-sama nimmt es an, ja, Herr. Allerdings kann man aus den Spuren nichts weiter lesen. - Der Prinz sandte Kouga zum Berg Hakurei, damit er die Menschen dort sichere und hierher bringe.“ Ah, gut. Damit war immerhin ein starker, wenngleich junger, Dämon auch dort. „Danke.“ Während der Bote sich erhob und verschwand, dachte der Taishou erneut nach. Sesshoumaru schien im Norden mit der Kerntruppe des Heeres die Lage im Griff zu haben. Drachen, wenn sie nicht gerade Ryuukossusei hießen, bedeuteten für seinen Ältesten gemeinsam mit den kampferprobten Kriegern kaum ein Problem. Eher war verdächtig, was am Berg Hakurei geschah. Und genau dorthin hatte er eigentlich gerade seinen Jüngsten geschickt. Hm. Er musste eingreifen, das war klar, aber wo genau lag das größere Risiko? Wo steckte Ryuukossusei und wo Naraku? Was planten die Beiden? Wo befand sich mit dem Erben der Drachen die größte Gefahr? Welchen seiner Söhne musste er beschützen? Denn, das gab er sich zu, mit Ryuukossusei konnte es nur er selbst aufnehmen. Ein leichtes Gewicht auf seinem Fell. „Myouga?“ Das konnte nichts Gutes bedeuten. Der alte Flohgeist seufzte. Warum musste immer er der Überbringer schlechter Neuigkeiten sein? „Äh, ich erhielt gerade die Information, dass Naraku unter einigen Deckfirmen und Tricks sich ein Haus am Berg Hakurei gekauft hat, genauer, unter dem Namen Onigumo.“ „Onigumo.“ Oh. Der Taishou hatte den recht erfolgreichen Gangster nie vergessen, allerdings angenommen, der sei seit Jahrhunderten tot. Naraku war vermutlich ein Halbdämon. Womöglich dessen Sohn? Das allerdings bedeutete, dass definitiv der Berg Hakurei interessanter war als die Ebene im Norden. Und, dass er sicher gehen sollte. Er selbst müsste das Juwel der vier Seelen bei sich tragen, um jedem Diebstahl vorzubeugen. Es war schließlich nicht gesagt, dass das nicht alles nur ein geniales Ablenkungsmanöver sein sollte, damit Naraku doch an das Juwel kommen konnte. Nach dem, was ihm Kagome heute Nacht erzählt hatte, hatte dieser eine ausnehmend gute Phantasie bewiesen, um an das legendäre Schmuckstück zu gelangen, um damit ganz sicher die Macht zumindest im Westen zu erhalten. Das wiederum führte zu der logischen Schlussfolgerung, dass er selbst neben dem Juwel So´unga, das Höllenschwert, nicht tragen durfte. Gleich zwei magische, beseelte, Gegenstände mit sich zu tragen, wäre leichtsinnig, ja, gefährlich. Und, dass er zum Hakurei musste. Diese halben Kinder steckten vermutlich nur zu bald in Problemen, wenn sich Naraku dort tatsächlich befand, Kouga hin oder her. Da gab es doch diese Gruppe aus Söldnern, die der beschäftigte. Der ominöse Bannkreis wäre sicher ebenso ein Problem. Um Sesshoumaru waren erfahrene Krieger. Nein. Erst zum Hakurei, dann nach Norden. „Weitere Neuigkeiten Myouga?“ „Nein.“ „Lasse alle deine Leute in Alarmbereitschaft versetzen. Irgendwo in den westlichen Ländern treibt sich Ryuukossusei herum. Sobald er entdeckt wird, will ich Nachricht. Ich hole mir jetzt nur das Juwel der vier Seelen und folge Inu Yasha zum Berg Hakurei.“ „Äh, ja, natürlich.“ Der alte Flohgeist machte lieber, das er davon kam. Die erhöhte Energie des Dämonenfürsten zeigte nur zu deutlich dessen Anspannung, keine Stimmung, in der man sich mit ihm anlegen sollte.   Naraku betrachtete den Sonnenaufgang mit gemischten Gefühlen. Bankotsu war nicht zurückgekehrt um ihm zu sagen, dass alle seine Männer kampfbereit wären. Was genau verheimlichte ihm sein Sicherheitschef? War das noch relevant? Das Kloster war niedergebrannt und es war davon auszugehen, dass dort niemand als Zeuge überlebt hatte. Perfekt. Eigentlich sollte der Drachenprinz bald aufkreuzen. Und damit erledigte sich der Unsicherheitsfaktor Bankotsu und seine Männer. Oh. Das Handy. Der Chef von Gumo-Enterprises nahm eilig das kleine Telefon. „Mein Prinz?“ „Wie überaus anstrengend es doch ist, dich zu treffen.“ Gab es schon wieder schlechte Neuigkeiten? „Sagen Sie nicht, es wäre Ihnen erneut das Heer begegnet.“ „Nein, ich lenkte sie ab. Ich bin in einer Stunde bei dir. Und ich hoffe, dass du alles vorbereitet hast.“ „Natürlich.“ Er sollte wirklich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. „Ich denke, ich habe einen netten kleinen Imbiss für Sie vorbereitet. Zusätzlich zu den Informationen.“ „Ich werde da sein.“ Ryuukossusei legte auf. Menschliche Handys waren für Drachen einfach zu winzig, um sie lange benutzen zu können. Nun, immerhin hatte dieser Naraku ihm Informationen versprochen, wie man an den Taishou und dessen Welpen herankommen konnte. War der Westen ohne Führung würde er leicht einmarschieren können. Nach allem, was ihm sein Vater aus den Tagen des Großen Kriegs erzählt hatte, war die Taktik des Taishou kriegsentscheidend gewesen. Und natürlich dessen Höllenschwert. Er selbst hatte daraus schlicht den Schluss gezogen, wenn der Taishou außerstande wäre zu planen oder sein Schwert einzusetzen, wäre der Westen leichte Beute. Dass ihm diese Spinne helfen wollte, erleichterte die Sache. Natürlich war es naiv von dem Idioten anzunehmen, dann wirklich Kanzler werden zu können. Macht teilte ein Drache nie. Naraku legte das Prepaid-Handy weg und nahm sein eigenes. „Bankotsu? Was treibst du gerade? In einer Stunde ist mein Besuch da.“ Er benötigte alle Männer auf einer Stelle, damit sich der Drache amüsieren konnte. Und, da war er sicher, nicht einmal diese legendären Söldner hatten große Chancen gegen Ryuukossusei. Dessen Schuppen galten als praktisch undurchdringlich und trotz aller Fähigkeiten waren sie Menschen. Der Sicherheitschef gab durch nichts seine Besorgnis zu erkennen. „Gut, ich hole alle meine Männer zusammen. Innerhalb des Bannkreises.“ Vor ihm standen nur zwei seiner Leute, Jakotsu und Suikotsu. Zu allen anderen hatte er keinen Kontakt mehr. Was war nur los? „Ja. Er sollte euch nicht sofort bemerken.“ Und umgekehrt, natürlich. Erst, wenn ihn der Drachenprinz anrief, er sei da, würde er ihm die Stelle sagen, an der er die Appetithappen finden konnte. Damit wäre auch sichergestellt, dass Bankotsu und seine Männer nicht vorzeitig verschwinden konnten.   Kagome hatte nur zu bald festgestellt, dass der rasende Lauf des Halbdämons trotz allem ruhig war und seine Hände sie sicher hielten. So war sie eingeschlafen und hatte ihr Gesicht in seinen weißen Haaren geborgen, etwas, das Inu Yasha einen Stich ins Herz versetzte. Sie vertraute ihm, trotz allem. Vielleicht würde sie doch weiter mit ihm chatten? Obwohl sie jetzt wusste, wer er war? Hoffentlich würde Vater das erlauben, immerhin war sie ja nun mal eine Angestellte des Kendama. Aber der Herr der Hunde hatte, nachdem wohl die Missverständnisse ausgeräumt waren, fast amüsiert geklungen. Vielleicht ging es doch? Nach was roch es denn hier? Er blieb stehen und witterte nochmals. Hm. Da war der Berg Hakurei mit seinen zwei Kuppeln – und Rauch stieg von einer empor. Da musste das Kloster gewesen sein. Bannkreis? Möglich, aber den konnte er nicht spüren. Das war ihm ehrlich nicht in die Wiege gelegt worden. Aber er konnte einen besorgniserregenden Geruch wahrnehmen. Umso besorgniserregender, als dass er den Verursacher kannte. „Reddemon?“ fragte Kagome verschlafen. „Sind wir schon da? Ich meine, Inu Yasha?“ „Du kannst auch Reddemon sagen. Ja, wir sind fast da, da vorne wäre der Berg Hakurei, aber da links ist etwas.... Naja. Ich gehe mal lieber nachsehen.“ „Wieso? Ich kann nichts sehen?“ Sie bemerkte, dass er wieder loslief. „Was siehst du denn?“ „Ich rieche Blut. Ziemlich viel. Und Wolfsblut ist dabei.“ „Du … riechst?“ Ach ja, Hundedämonen. Sie hatte es vergessen. „Wolfsblut?“ „Genauer, von Kouga.“ Er bemerkte, dass sie zusammenzuckte und spürte wieder gewissen Zorn. Aber er sollte sie beruhigen, sie konnte schließlich nichts dafür, dass der dämliche Wolf auf sie stand. „Er lebt wohl noch. Es ist ziemlich frisch. Aber auch anderes ist dabei. Wir sollten nachsehen, ehe der Typ in Schwierigkeiten steckt.“ Immerhin war das Vaters Chef der Boten. „Ja, natürlich.“ Der schnelle Wolf war immer liebenswürdig zu ihr gewesen. Und Inu Yasha schien wirklich Reddemon zu sein, der nette Junge. Das Andere war wohl einfach der Rolle als Prinz geschuldet. Er blieb stehen. „Juwel, ich meine, Kagome, steig mal ab. Wir sind gleich da.“ Sie gehorchte. „Und nimm mal lieber deinen Bogen.“ „Du meinst, ich soll schießen?“ fragte sie erschüttert. „Dazu hast du den doch, oder?“ „Ja, aber ...“ Sie hatte die ganze Nacht gewacht und war sicher auch angeschlagen. „Schon gut. Ich mach das. Warte hier.“ Sie standen in einem winzigen Wäldchen, aber er konnte vor sich nur zu deutlich den Blutgeruch wahrnehmen. Und jetzt auch einen Bannkreis, keine hundert Schritt weiter. „Bleib dann hinter mir.“ Er ging möglichst lautlos voran – und erstarrte als er durch das Gebüsch blicken konnte. „Kouga!“ Kagome wäre fast losgelaufen, fühlte sich aber gepackt. Sie wollte ihn schon empört anfauchen, als der jüngste Fürstensohn leise sagte: „Nicht nur er.“ Erst auf den zweiten Blick erkannte das Menschenmädchen vor sich eine Art Trümmerhaufen, wo ebenfalls Leute, Dämonen oder Menschen, regungslos und blutüberströmt herumlagen. Was war denn hier passiert? Und wer von denen lebte noch? „Wir müssen ihnen helfen!“ Sie flüsterte allerdings unwillkürlich. Inu Yasha wusste, dass er den Auftrag erhalten hatte, er war der Anführer, und musste sich entscheiden. Nur, was jetzt? In so einer Lage war er noch nie gewesen. Aber nur keine Schwäche zeigen, das befahl ihm seine dämonische Erziehung. „Keh, die Zwei da sind tot. Und Kouga ist ein Dämon, den bringt so schnell nichts um. Aber ja, wir gucken schon nach. Irgendwo sollten sich hier allerdings auch Miroku und Sango herumtreiben. Die müssen wir dann auch suchen. Und das Wölfchen sollte besser bald erzählen können, was hier passiert ist.“   Kapitel 23: Am Berg Hakurei --------------------------- Miroku bremste sein Motorrad etwas zu abrupt. Sango hielt sich gerade noch an ihm fest und schimpfte etwas Unverständliches. So erklärte er: „Da stimmt was nicht!“ So fertig war er denn auch noch nicht, zumal die frische Luft der Fahrt das Gift wohl mit beseitigt hatte. Sie blickte an ihm vorbei. „Da brennt es!“ Im nächsten Moment war sie vom Motorrad gesprungen, Müdigkeit hin oder her. „Hast du ein Handy dabei? Wir müssen die Feuerwehr anrufen!“ Der junge Mönch stieg langsamer ab und stellte etwas mühsam sein Motorrad auf, während er sagte: „Kein Handy. Ja, das schätze ich an dir, immer hilfsbereit und tatendurstig. Aber, guck doch mal genauer hin.“ Sie tat es verwundert. „Was meinst du?“ „Naja, Sesshoumaru hat gesagt, wir sollen zu dem Kloster hier, oder? Also denkt er, es ist bewohnt. Und siehst du da oben irgendwo Mönche?“ „Nein, das stimmt. Vielleicht wurden sie im Schlaf überrascht – oh, das wäre schrecklich!“ „Wir haben Sonnenaufgang. Und selbst bei Nacht ist eigentlich immer jemand wach genug, um solch ein Flammenmeer zu bemerken. Überdies – spürst du den Zauber vor uns?“ „Äh, nein“ Aber die Dämonenjägerin konzentrierte sich. „Ja, doch. Was ist das?“ „Ich habe keine Ahnung. Es weist mich auch ab, aber nicht so arg. Ich denke, das ist gegen Dämonen.“ „Doch vom Kloster?“ „Nein, der Bann liegt ausgerechnet um den anderen Berggipfel.“ Miroku überlegte. „Sango, da stimmt wirklich was nicht. Ich meine, Sessy war in Eile und nahm sich trotzdem die Zeit uns zu retten, wir sollen hierher und genau das Kloster brennt, ein Bannkreis – der, mit Verlaub, nicht von schlechten Eltern ist ...“ „Dann fahren wir in die Hauptstadt zurück und informieren … hm, Myouga?“ Sango dachte erneut nach. „Ich denke nicht, dass er wusste, ich meine, der Erbprinz, dass das Kloster brennt.“ „Nein, eher nicht. Genau das ist es ja. Und der Zauber hier – ehrlich, wer sollte in einem Fürstentum, das von Dämonen beherrscht wird, einen Bann gegen genau die machen?“ Die junge Dämonenjägerin seufzte. „Wir denken vermutlich zu menschlich. Wir sollen zum Kloster, so lautete der Befehl des Erbprinzen. Ich meine, schon im Kendama ist niemand erpicht auf ein tadelndes Gespräch mit ihm. Und das ist, so sagt es mein Vater, das Spielzeug des Fürsten und seines Erben in den letzten Jahrzehnten. Aber sie haben vor fünfhundert Jahren Japan in Schutt und Asche gelegt, um das Fürstentum zu bekommen. Ich habe keine Lust zu erfahren, wie Sesshoumaru reagiert, wenn das in Gefahr gerät. Wir müssen herauskriegen, was mit diesem Bannkreis ist. Darum hat er uns hergeschickt, ich meine, er weiß, was wir können. Das ist sicher ein Plan.“ So ausgesprochen klang es unlogisch, aber ... „Ja, vermutlich. Ich habe mich sowieso schon gewundert, warum wir her sollen und nicht zurück in die Stadt. Und wir wissen beide, dass dämonische und menschliche Gedankengänge manchmal nicht nur um ein Haar aneinander vorbeigehen, jahrhundertelanges gemeinsames Leben hin oder her.“ Das merkte man nicht zuletzt an Inu Yasha. Miroku atmete tief durch. „Wir sollen uns bestimmt diesen Bannkreis genauer angucken.“ „Da oben, ist das nicht ein Haus?“ Sango versuchte in der Morgendämmerung etwas zu erkennen. „Gut in die Landschaft eingepasst.“ Der junge Mönch versuchte sich an seine Ausbildung zu erinnern. „Dann ist dieser zweite Hügel auch bewohnt? Aber der Bann kann keinem Dämon gehören, das ist uralte, mächtige Magie, die ganz sicher ein mayoke oder etwas Ähnliches als Mittelpunkt hat. Und das kann und will kein Dämon legen.“ „Aber ein Mensch, der das kann ...“ „Richtig.“ Die Dämonenjägerin seufzte. „Du magst ja Recht haben, aber ein Mordversuch an mir reicht mir für einen Tag, eigentlich.“ „Dann versuche mal herauszufinden, wie Sesshoumaru reagiert, wenn du seinen Befehl missachtet hast. Das bleibt dann nicht nur beim Versuch. Wenn da jemand Hochverrat begehen will, natürlich nur. Wenn da irgend ein alter Mönch Kräuter züchtet, wäre es ja in Ordnung. Aber der braucht keinen solchen Bann.“ „Da hast du wiederum Recht. Überdies – Sesshoumaru war in Eile. Irgendetwas läuft da. Oh, guck mal, da ist eine Höhle. Sehen wir die uns an? Da auch. Der ganze Berg scheint aus Höhlen zu bestehen. Vielleicht führt eine tiefer hinein, da, wo der Bannmittelpunkt liegt?“ Überdies sank die Chance bemerkt zu werden, wenn da wirklich ein Bösewicht hauste. Miroku war der gleichen Ansicht. „Das ist schon im Bann. Ja, gut. Schade, dass du deine Waffen nicht dabei hast.“ „Nur das Schwert, das passte ja auf dein Motorrad.“ „Oh, habe ich gar nicht bemerkt. Na schön, aber warte, verstecken wir das Motorrad etwas.“   Keine drei Minuten später bewegten sich Mönch und Dämonenjägerin, sich vorsichtig umschauend, in den Bann. „Ich bemerkte gar nichts,“ flüsterte sie. „Doch, ein gewisses Ziehen, aber das war gleich vorbei.“ „Für die allermeisten Dämonen ist das undurchdringlich. Das ist sehr helle, weiße Magie, läuternd noch dazu. Nun gut, die Oberliga käme durch. So, Vater und Sohn, um keine Namen zu nennen, aber sonst ..?“ Miroku hätte nie gestanden, dass ihn der Bann abwies. Allerdings zugegeben erst in dem Moment, in dem er begehrlich auf das Hinterteil seiner Partnerin geguckt hatte. Das war wohl ein von den keuschen Mönchen da drüben gelegter Bann. Nur, was sollte diese Magie verstecken? Und in Einem hatte Sango wohl sowieso Recht – der Mittelpunkt des Zaubers musste IM Berg liegen, nicht oben bei dem Haus, das konnte er jetzt spüren. „Da rein!“ Er packte sie am Arm und zog sie in eine kleine Höhle, die deutlich nicht tiefer führte. Sango war schon versucht ihm eine Ohrfeige zu verpassen, als sie auch das Knirschen von Steinchen hörte, die von oben kamen. Jemand stieg den Berg hinunter, nun, sprang ihn wohl eher. Kaum ein Dämon, hier in dem Bannkreis, aber sicher ein Wächter. Sie zwei hatten Glück gehabt, dass sich hier eine Grotte befand – und sie selbst im Speziellen, dass Miroku zwar ein Weiberheld, aber doch aufmerksam war. Ein großer Schatten ging vorbei, sie erhaschten eiserne Krallen an der Hand, ehe er wieder aus ihrem Blick verschwand. „Puh!“ hauchte Miroku. „Hier ist was los. Wir müssen irgendwie tiefer in den Berg. Die nächste Höhle, die reingeht, ist unsere.“ „Einverstanden. Das war doch kein normaler Mensch? Aber ein Dämon in solchem Zauber?“ „Kein Wunder, dass unser lieber Erbprinz das überprüft haben wollte. Und wir haben kein Telefon dabei!“ „Wir gehen rein, überprüfen das, fahren dann ins Kendama, da wird schon jemand sein, der den Fürsten anrufen kann.“   Bei dem nächsten, tiefer aussehenden, Gang huschten sie hinein, nur, um stehen zu bleiben. „Das wird dunkel“, murmelte Miroku. „Gut, dass ich meinen Anzug habe.“ Sango griff in eine der unscheinbaren Schulterklappen und nahm etwas heraus. „Es hält nicht allzu lange, aber doch. Das ist ein Leuchtpulver. Frag lieber nicht weiter.“ „Schon gut.“ Der junge Mönch sah etwas erstaunt wie ein grünliches Licht auf der Handfläche seiner Gefährtin entstand, offenbar kalt, denn sie streckte die Finger nur vor sich aus. „Dann mal weiter mit uns. Es ist da drin, im Berg, ich kann es jetzt deutlich spüren. Und, ehrlich, das ist wirklich Klasse gemacht. Das war kein Anfänger.“ „So wie du?“ murmelte die Jägerin unwillkürlich, um eilig zu ergänzen: „Entschuldige.“ Miroku zuckte die Schultern. „Ich bin nicht so ganz der Anfänger. Mein Ziehvater war Mönch und da hatte ich ab drei Jahren eine gute Ausbildung. Also, los, geh voran.“   Inu Yasha blieb stehen, den schwer verletzten, bewusstlosen, Kouga noch immer auf dem Rücken, Kagome neben sich. Das Mädchen sah zu ihm. „Was ist?“ „Da riecht es nach Miroku und Sango.“ Und er konnte ebenso die Witterung seines Halbbruders wahrnehmen, aber, klar, der hatte ja den Boten geschickt. War der Berg Hakurei seit Neuestem der angesagteste Treffpunkt im gesamten Fürstentum? Kein Wunder, dass Vater das überprüft haben wollte. „Komm da rüber.“ Verständnislos folgte ihm Kagome, noch immer müde, noch immer schockiert von der vergangenen Nacht, die mit dem Auffinden von zwei Toten und einem verletzten, bekannten, Wolfsdämon auch am Tag nicht besser wurde. Kurz darauf entdeckte sie freilich in einem Gebüsch die Ursache des seltsamen Verhaltens des Fürstensohnes. „Das ist doch das Motorrad ...“ „Von Miroku, ja.“ Inu Yasha ließ Kouga zu Boden. „Sango war auch hier. Was treiben die Zwei denn, statt hier zu warten? Und wohin sind sie jetzt?“ „Vielleicht zum Kloster, um den Mönchen zu helfen“, schlug Kagome vor, kniete aber nieder. „Kouga? Geht es?“ „Keh, der ist ein Dämon, das sagte ich dir doch schon.“ Aber Inu Yasha drehte sich um, da der junge Wolf leise antwortete: „Ja, ich werde überleben, danke, meine Liebe. Aber was treibt euch … ich meine, was treibt Sie, Inu Yasha-sama, denn hier her?“ Der erkundigte sich prompt: „Hast du irgendwo meine Leute gesehen? Miroku und Sango?“ „Nein.“ Das war etwas peinlich so versagt zu haben und so erklärte Kouga, wenngleich mühsam: „Ich wollte ...“ Halt. Das war zwar nur ein Halbhund, aber wenn der seinem Bruder oder Vater von diesem Gespräch berichtete, was der sicher musste, sollte es für ihn selbst nicht noch unangenehmer werden. „Sesshoumaru-sama befahl mir sie zu sichern und sie ins Schloss zu bringen. Ich kam an, da war dieser Bannkreis.“ „Möchtest du etwas trinken?“ fragte Kagome besorgt. „Inu Yasha! Jetzt lass ihn doch in Ruhe. Ich suche Wasser.“ Sie hätte ihre Worte am liebsten verschluckt. Sie redete hier mit dem Fürstensohn! Sie sollte sich wirklich zusammennehmen, Müdigkeit hin oder her. „Geht nicht.“ Wie stünde er denn gegenüber Vater da, dem er versprochen hatte alle heil ins Schloss zu bringen? Außerdem: „Der ist ein Dämon, Kagome, zum dritten Mal. - Also, Kouga, was ist dann passiert? Leben die Zwei noch?“ fuhr er in plötzlicher Besorgnis fort. Jetzt erst begriff das Menschenmädchen, dass es wohl nicht nur um den jungen Wolf ging. Sie holte erschrocken Luft und betrachtete das sorgfältig abgestellte Motorrad. Ja, wo waren die Zwei? Was war ihnen zugestoßen? Wieso sollte Kouga sie sichern? Und wieso befahl ihm das der COO, nein, hier draußen war Sesshoumaru ja wohl der Erbprinz. Du liebe Zeit. Wo hatte sie nur ihren Kopf gelassen? In der Müdigkeit und den Aufregungen der letzten Stunden wohl irgendwo an der Garderobe abgegeben. „Keine Ahnung“, musste Kouga gestehen und rieb sich den schmerzenden Kopf. „Soweit kam ich gar nicht. Wie gesagt, ich blieb an dem Bannkreis stehen, wollte mal ihn mir angucken. Aber er ist wahnsinnig stark, ich wäre da nie durchgekommen. Ich konnte ja nicht einmal dahinter sehen. Es war wie Nebel. Und plötzlich hörte ich etwas, wie aus dieser Nebelwand. Tja. Und dann schoss förmlich eine Feuerlohe auf mich zu.“ Er musste eine Pause machen. Aufstehen wäre noch immer ein Ding der Unmöglichkeit. Da er erfreut jedoch bemerkte, dass Kagome ihn musterte, lächelte er sie an. „Ich werde mich erholen, sicher, meine Liebe.“ Inu Yasha musste seinen Ärger niederkämpfen. „Wie wäre es mit einem ordentlichen Bericht!“ knurrte er. Wieso hatte dieser dämliche Wolf dauernd Augen für SEINE Freundin? Und er hoffte doch, dass sie sich trotz dieser turbulenten Nacht vielleicht wenigstens wieder im Chat treffen würden. Während ihn das Menschenmädchen etwas anstarrte – das war eindeutig wieder die dämonische Seite und nicht Reddemon, sie MUSSTE sich zusammennehmen - , verstand der im Großen Krieg ausgebildete Kouga den Hinweis. „Wie gesagt, ein Feuerstoß, dem ich gerade noch ausweichen konnte, dann kamen noch so einige. Ich bin schnell, aber es erwischte mich doch immer wieder. Vor allem, weil ich diese dämlichen Typen nicht sehen konnte. Endlich kamen sie aus dem Bannkreis, als ich mal länger liegenblieb, um sie anzulocken. Einer sah ja aus wie ein Menschen, naja, wie ein Mönch.“ Kagome erinnerte sich mit einem gewissen Schauder an den Mönch, der ihrer Mutter Narakus Erpresserbrief gegeben hatte, und sagte das auch. „Naraku?“ Inu Yasha hatte mit dem sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen. Und auch sein Vater würde das haben, zumal, wenn dessen Leute einfach seine Boten angriffen. „Ein Mönch, na toll. Und der Andere?“ „Ein feuerspuckender Mönch, um genau zu sein.“ Kouga stellte fest, dass er es hasste auf dem Boden zu liegen und zu diesem Halbhund aufblicken zu müssen. Immerhin guckte der ihn an und drehte ihm nicht, wie der Erbprinz immer den Rücken zu. Arrogante Hunde! „Der Andere, ja, der war echt komisch. Er sah fast aus, als ob er auf einer Holzplatte saß, aber die war mit ihm irgendwie verbunden und vor allem – der hatte etwas wie ein Kanonenrohr. Du weißt schon, ich meine, Sie wissen schon, diese Dinger, die verboten sind. Da kam auch Feuer raus. Man, ich hüpfte ganz schön hin und her, wurde auch immer wieder getroffen, bis mir endlich was einfiel. Irgendwie, frage jetzt nur nicht wie, schaffte ich es, das Rohr zu verstopfen. Ich wollte noch zurück, war aber schon ziemlich langsam geworden, wenig Energie und viele Verletzungen. So hat´s mich auch noch erwischt. Und die Zwei?“ „Die sind tot.“ Inu Yasha dachte nach. Er sollte die doch alle heil zurück zu Vater bringen, oder? Wenn er jetzt sein komplettes Vorzimmer suchen ging, wer wusste, was den Beiden hier dann wieder einfiel. Er hatte nie zuvor ein Kommando erhalten und vermutete gerade schwer, dass das nicht an seinem Unvermögen gelegen hatte, wie er immer geglaubt hatte, sondern weil Vater wusste, dass eine Gruppe schwerer zu hüten war als ein Sack Flohgeister. „Ihr Beide bleibt hier und bewegt euch nicht von der Stelle. Ich suche Sango und Miroku.“ Naja, Kouga konnte momentan kaum weglaufen, aber womöglich beschloss Kagome, dass sie heute Nacht genug von Dämonen hatte? Und wenn Naraku in der Gegend war, der hatte doch so einige Leute. Schön, sicher zwei weniger, da die wohl Kouga in jeder Hinsicht getroffen hatten, aber immer noch zu viel für Miroku und Sango. „Du solltest, ich meine, Sie sollten dann nicht in den Bannkreis gehen,“ warf Kagome ein. „Sie sind doch auch ein Dämon.“ „Keh!“ Und weg war er. „Er ist immerhin der Sohn des Taishou.“ Kouga legte sich bequemer hin. „Aber, sag mal, Mädchen, Kagome, was tust du hier mit dem Halbhund?“ „Befehl des Fürsten!“ Sie wich aus, das war klar, aber sie wollte weder ihre Blamage noch die Sache mit Naraku an die große Glocke hängen. „Jetzt erhole dich etwas, auch, wenn du ein Dämon bist.“ „Alles, was du sagst, Kagome.“ Aber der junge Wolfsdämon schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Regeneration.   Bankotsu gefiel die Sache immer weniger. Inzwischen waren drei seiner Leute noch immer nicht ansprechbar und er meinte in der Entfernung Kampfgeräusche gehört zu haben. Mukotsu, Renkotsu, Ginkotsu, keiner war mehr zu erreichen. Da es taktisch mehr als unklug gewesen wäre, seinen Auftraggeber davon in Kenntnis zu setzen, schickte er Suikotsu und Jakotsu auf Patrouille innerhalb des Bannkreises – zur Sicherung, und uneingestanden auch auf die Suche nach den Kameraden. Laut Naraku sollte hier bald ein ausgewachsener Drachenprinz in schlechter Laune aufkreuzen – da wäre es besser, wären sie gemeinsam und vorbereitet. Als Jakotsu nach einer halben Stunde zurückkehrte und meldete, er habe zwei ihrer Kameraden tot außerhalb des Bannkreises aufgefunden, offenbar nach schwerem Kampf, schrieb der Sicherheitsexperte auch Mukotsu ab. Wer tötete seine Leute? Er sollt Naraku davon informieren, das war klar, aber den gleichzeitig auch sichern. Was jetzt? „Wo ist Suikotsu?“ „Wie du gesagt hast, geht er nach Norden, den Weg da runter, und guckt sich die Gegend im Bannkreis und wohl auch außerhalb an. Wieso?“ „Dann sichere du den Westen. Dort gibt es Höhlen, die bis hier her hochführen. Wir haben einen Auftrag.“ Der so feminin erscheinende Mann rückte sein Schwert gerade: „Der Erbprinz ist mir entkommen, aber vielleicht kommt der Kleine mit den Öhrchen mich besuchen.Und, was machst du?“ Gewöhnlich hätte Bankotsu eine solche Frage nicht geduldet, aber er konnte es sich nicht leisten seine letzten Mitstreiter zu verärgern. Und Jakotsu war einer der Besten. „Der sollte in Papas Schloss sitzen. Ich informiere Naraku, dann werde ich mir den Süden vornehmen. Im Osten liegt ja der Steilabfall, da kommt nur ein Flugdämon hoch. Und der sollte am Bann scheitern.“ „Ja, sicher, Dämonen kommen nicht durch den Bann. Aber – wieso waren die Zwei dann tot und draußen?“ „Weil sie Narren waren und den Bannkreis verlassen haben. Womöglich liefen sie Sesshoumaru in die Klauen oder sonst wem.“ Dem Drachen gar? Aber nein, erstens konnte der noch nicht hier sein und zweitens hätte der nichts von ihnen übrig gelassen. Sie hatten das Kloster angezündet, sich an den Flammen erfreut und waren daraufhin leichtsinnig geworden. So weit, so schlecht. Hm. Suikotsu wollte sich auch außerhalb des Bannkreises umsehen? Von wo kam der Drachen? Von Norden? „Gut, dann geh jetzt, ich erstatte Bericht und mache mich dann auf den Weg. Wir erledigen unseren Auftrag immer!“ Er griff jedoch zuerst zu seinem Handy. „Suikotsu?“ Der hob prompt ab.“ Ja?“ „Wo bist du?“ „Am unteren Ende des Hanges, im Norden. Bislang ist mir nichts aufgefallen.“ Der Mann in der blauen, altmodischen Kleidung hielt das kleine Telefon in der Linken, denn an seiner Rechten befand sich ein Handschuh aus Stahl mit scharfen, mörderischen, Klingen. „Gut. Pass auf.“ Für einen Augenblick überlegte der Anführer, ob er ihn nicht warnen sollte. „Und vor allem, wenn etwas nach Drache aussieht, verschwinde sofort im Bannkreis und erstatte Bericht.“ „Ja, verstanden. Hier sieht es aber nicht nach Drache aus. Und es ist schön übersichtlich, da ist ja nur die Straße Richtung Hauptstadt und ein kleines Wäldchen.“ Suikotsu sah noch einmal hinüber. In den Sonnenstrahlen des frühen Vormittags schien es ihm, als habe da etwas aufgeblitzt. Metall? „Äh, ich überprüfe hier weiter.“ „Gut.“ Bankotsu legte auf und wählte erneut. „Ah, Herr Naraku. Meine Männer sind nun rund um den Berg postiert. Von wo kommt der Prinz genau?“ Der Unternehmer ließ sich seinen Ärger nicht anmerken. „Das weiß ich leider nicht.“ Schließlich musste der vorsichtig sein, um nicht erneut dem Heer in die Pfoten zu laufen. „Sobald ich das weiß, rufe ich dich an, damit ihr euch dort zusammenziehen könnt.“ Um als Gastgeschenk für Ryuukossusei zu dienen. „Irrte ich mich, oder fand ein Kampf statt?“ „Sie kennen doch meine zwei Feuerfreunde.“ Bankotsu wollte nicht direkt lügen. „Das Kloster brennt ja.“ Freudensalute dieser Narren, also. Naraku seufzte. Nun ja, wer an die Spitze kommen wollte, musste eben auch mit Narren auskommen. Die konnte man später entsorgen, wie es der Taishou offensichtlich getan hatte, da sich in seinem Umfeld keiner mehr befand. „Wir sichern auch die Höhlenzugänge nochmals.“ „Gut.“ Nun ja, zumindest Bankotsu war sein Geld wert. Kapitel 24: Wenn etwas schief gehen kann ---------------------------------------- Miroku und Sango schlichen bemüht lautlos den Höhlengang im Berg Hakurei entlang. Noch brannte das matte Licht des Pulvers, das die Dämonenjägerin auf der Hand trug, aber beiden war bewusst, dass sie plötzlich in vollkommener Finsternis stehen konnten. Und das, wo hier anscheinend Wachen patrouillierten. Es war mehr jugendliche Neugier als Pflichtbewusstsein, das sie vorantrieb. „Warte!“ Der junge Mönch hauchte es nur. „Da rechts.“ Sango drehte sofort zu diesem Gang. In den letzten Stunden hatte sie gelernt, dass ihr Zimmerkollege ein wirklich gut ausgebildeter Mönch war, aufmerksam – und die Rolle des Weiberhelden wohl nur aufgesetzt war. Er konnte Bannkreise, und wohl auch hier den Mittelpunkt, deutlich besser spüren als sie selbst, und sie hatte durchaus das Gefühl bekommen, sich in dem, was sich langsam als Abenteuer ihres bisherigen Lebens entpuppte, auf ihn verlassen zu können. Sie erstarrte auch, als sich nach wenigen Schritten der Gang zu einer Grotte öffnete. Kleine Öllämpchen an den Wänden spendeten ein vages Licht – und bewiesen, dass die beiden Jugendlichen bei Weitem nicht die Ersten waren, die hierher kamen. In der Mitte des Raumes befand sich etwas, das Sango fast als Himmelbett eingeordnet hätte, ehe sie erkannte, dass es sich um einen Schrein handelt. „Ein Grab ...“ flüsterte sie. „Eines Heiligen.“ Miroku machte behutsam die Schritte an seiner Gefährtin vorbei. „Und da – das Amulett.auf dem Holz. Das ist sicher der Mittelpunkt des Bannkreises. Ja, klar.“ „Was meinst du? Der Heilige hat einen Bann gegen Dämonen gelegt?“ „Vermutlich. Keine Ahnung, wie alt das schon ist. Vielleicht ist es schon vor dem Großen Krieg entstanden. Aber das Amulett, das Mayoke, ist neu. Das ist doch Aluminium oder so. Mist.“ „Jemand hat sich die Magie des Heiligen zunutze gemacht, um den Bann um den Berg zu legen“, schloss die Dämonenjägerin. „Und ich glaube kaum, dass der Fürst hiervon weiß.“ „Stimmt. Kein Wunder, dass Sessy … ich meine, der Erbprinz, das überprüft haben wollte.“ „Kannst du den Zauber lösen?“ Miroku seufzte, sah sich aber außerstande den vertrauensvollen Blick seiner Angebeteten zu enttäuschen. „Ich versuche es“, gab er daher zurück. „Aber passe du auf. Hier scheinen öfter Leute herzukommen.“ „Ja. Wenn ich draußen was höre, verstecken wir uns.“ Sango sah sich rasch um. Leider war die kleine Grotte überaus übersichtlich. „Naja, da hinter dem Schrein, wohl.“ Sie ging zu dem Eingang und lauschte. „Jetzt ist alles ruhig,“ flüsterte sie. „Aber den Mann zuvor habe ich auch nicht gehört.“ Der junge Mönch nickte, ohne die Augen von dem Schrein zu nehmen. „Leise jetzt“, mahnte er. Selbst das Flüstern schien förmlich widerzuhallen. Er betrachtete das Amulett. Doch, ja, das musste der Mittelpunkt des Bannkreises um den Berg sein. Unglaubliche Magie – die ursprüngliche des Mayoke, verstärkt durch die Macht des hier Begrabenen. Da hatte jemand genau gewusst, was er machte. Und Miroku verspürte nicht die mindeste Lust diesem Jemand zu begegnen. Der war ihm sicher haushoch überlegen. Andererseits konnte er ja auch schlecht dem Erbprinzen erzählen, dass er aus persönlicher Feigheit dessen Befehl missachtet hatte. Vermutlich konnte er dann von Glück reden, wenn der ihm nur den Kopf abriss. Überdies – wie stünde er vor Sango da. Sie hatte sich doch schon über die Überwachung der Dämonenjäger gewundert und der Sache nachgehen wollen. Jetzt sah sie ihn so an … Nein, er konnte sie doch nicht enttäuschen. Allerdings wurde der Fall hier eindeutig immer heißer. Nun gut. Versuchte er eben den Bann zu lösen. Aber er hoffte inständig, sie beide wären aus diesem Berg wieder heraus, ehe der Urheber dieses Zaubers aufkreuzte.   Inu Yasha hätte fast aufgeschrien, als er den Bannkreis berührte, der um den Berg Hakurei lag. Allerdings war er wild entschlossen sein Vorzimmer, seinen Freund Miroku, zu suchen und seinen Vater nicht zu enttäuschen, und kämpfte sich trotz der Schmerzen weiter durch etwas, was auf ihn wie Nebel wirkte. Jetzt wusste er, was Kouga gemeint hatte. Man sah nichts, roch nichts. Und er fühlte sich schwach. Plötzlich war er im Freien und taumelte zu einem Fels, bemüht, sich zu orientieren. Dann erst erkannte er, was die Schmerzen verursacht hatte. Diese Magie läuterte Dämonen. Auch ihm war seine komplette dämonische Energie entzogen worden. Nur die Tatsache, dass er auch als Mensch überleben konnte, dass er ein Halbdämon war, hatte ihm das Leben gerettet. Ach du je. Kagomes Warnung war nur zu berechtigt gewesen. Toll. Nach einer Nacht als Mensch hatte er das eigentlich nicht schon wieder gebraucht. Überdies war ihm klar, dass er jetzt Tessaiga nicht benutzen konnte. Es war nur ein rostiges Schwert. Wie sollte er denn so seine Vorzimmermannschaft finden und retten? Miroku war der einzige Freund, den er in all den Jahrhunderten gefunden hatte, Sango war Kagomes Freundin. Er musste sie einfach finden und retten. Er zuckte instinktiv zusammen, als sich etwas Metallisches knapp vor seinen Augen bewegte, drehte sich aber in lang geübter militärischer, dämonischer, Manier um. „Na so was. Ich dachte schon....“ Jakotsu ließ seine Schlangenklingen zurückschnappen und musterte den menschlichen Junge vor ihm nochmals. „Also, du scheinst ja ein Mensch zu sein, aber nach den Klamotten zu urteilen … die trägt doch nur der Halbdämon, Inu Yasha. Hm.“ „Keh! Was willst du von mir?“ fauchte der besagte Halbdämon prompt – und erkannte, dass er soeben wohl einen Fehler begangen hatte. Der Sicherheitsexperte lächelte. „Ah, du bist also Inu Yasha, hm? Der Bannkreis hat dich zu einem Menschen gemacht? Naja, ich wusste, dass das was Gutes ist, aber dass dir jetzt deine Ohren fehlen macht es … weniger reizvoll. Obwohl, du siehst noch immer niedlich aus. Es wird mir auch ohne Öhrchen Spaß machen dich umzulegen.“ „Sonst noch Wünsche?“ fauchte der Fürstensohn unwillkürlich, obwohl ihm klar war, dass seine Chancen schlecht standen. Er war ein Mensch, spürte nur zu deutlich jetzt die durchwachte Nacht und die Aufregungen – und Tessaiga war schlicht ein rostiges Stück Metall. Miroku und Sango waren in Gefahr, Kouga schwer verletzt und die arme Kagome verstand weder etwas von kämpfen noch von Magie. Er musste sich wieder in einen Halbdämon verwandeln. Nur, wie? Der Bannkreis war das Problem. Nun ja, auch nicht mehr als der Typ vor ihm, der gerade sein Schwert wieder hob und sichtlich einen neuen Angriff vorbereitete. Er musste wieder hier raus. Nur wie?   Nein, auch als Mensch sah der niedlich aus. Jung, unerfahren, ja, geradezu unberührt. Jakotsu ließ die sich rasch verlängernde Klinge seines Schwertes erneut zuschlagen, diesmal allerdings bewusst knapp neben sein Opfer gezielt. Er liebte es langsam vorzugehen, fand in dem Hinauszögern stets seine höchste Befriedigung. Staub und Erde wirbelten auf, Steinchen. Als er wieder etwas erkennen konnte, musste er feststellen, dass der schwarzhaarige Junge vor ihm verschwunden war. Irritiert ließ er die Schlangenklinge wieder in sich zusammenfallen. Aber es gab nur eine Möglichkeit, wohin der Kerl sich so schnell verzogen haben könnte. Keine zwanzig Meter weiter befand sich eine Spalte, die in der Berg führte. Mit einem siegessicheren Lächeln folgte der Söldner.   Kouga hatte die Augen geschlossen und meditierte, um sich zu regenerieren, entzückt, dass sich Kagome neben ihn gesetzt hatte und an einen Baum gelehnt, offenbar auch eingeschlafen war. Es war auch ganz reizend von ihr gewesen sogar noch den Bogen und die Pfeile neben sich zu legen, gerade so, als ob ein Menschenmädchen einen Wolfsdämon beschützen könnte. Er musste sich rasch erholen, dann würde er auch auf sie aufpassen können. Der Halbhund konnte das ja kaum. So versank er immer tiefer in die Bewusstlosigkeit. Kagome hatte eigentlich gar nicht mehr schlafen wollen, schließlich musste sie doch den Verletzten beaufsichtigen, aber die Aufregungen der durchwachten Nacht forderten ihren Tribut. So war sie eingeschlafen. Es war nur ein uralter, menschlicher, Instinkt, der sie aufschrecken ließ. Unbewusst packte sie noch im Aufsehen die Pfeile neben sich – der Bogen neben ihrer linken Hand blieb jedoch unbeachtet. Sie erkannte einen großen, blau gekleideten jungen Mann vor sich – und, dass Metall an dessen Rechter glitzerte. Noch, während sie entsetzt bemerkte, dass es sich um metallene Krallen handelte, wie sie so etwas nur aus dem Fernsehen oder von Dämonen kannte, wurde ihr bewusst, dass der Unbekannte ausholte. Und sie war sich ganz sicher, er wollte sie umbringen. Sie und den verletzten Wolf.   Sesshoumaru atmete tief ein. Leider bestätigte das nur seine erste Witterung. Ein Drache war hier vorbeigekommen – und ein recht starker, der es zudem verstanden hatte sich vor den Kundschaftern zu verbergen. Eindeutig wies die Spur nach Süden und er hätte wetten mögen, dass sie zum Berg Hakurei führte. Was war da nur los? Andererseits hatte er den Auftrag erhalten die Nordgrenze zu sichern und konnte kaum mit dem Heer nach Süden gehen. War Vater selbst zum Hakurei gegangen oder hatte Leute geschickt? Gleich. Das Problem, das sich ihm stellte, war ein anderes. Es war noch dunkel, aber die Sonne würde bald aufgehen. Sollte er hier bleiben und die Grenze sichern oder dieser Fährte folgen? Es stand zu befürchten, dass sich an diesem Berg etwas abspielte, das Hochverrat war. Falls es sich bei dem Drachen, der hier entlang spaziert war, um Ryuukossusei handelte, wurde die Sache endgültig kritisch. Der Erbe des Nordens war ein sehr starker Drache, mit dem kaum einer mithalten konnte. Stark und skrupellos. Was sollte der hier wollen, außer dem Sturz des Fürsten? Nun gut. Er selbst würde wohl mit ihm fertig werden, wenngleich mühsam, aber … Ja, aber. Was sollte er jetzt machen? Wie würde sich Vater entscheiden? War der zum Hakurei gegangen, würde auch der Drache kein Problem darstellen, nicht mit dem Höllenschwert. Hatte der jedoch irgendwelche Dämonen geschickt, so waren die kaum ein Hindernis für Ryuukossusei. Was jetzt? Ihm war klar, dass er sich allein entscheiden musste. Ein, wenngleich künftiger, Dämonenfürst verlor sonst das Gesicht vor allen Untergebenen.   Naraku sah auf die Uhr. Bald würde der Drachenprinz auftauchen. Hoffentlich rief der ihn auch vorher noch einmal an, damit er die Söldner nett platzieren konnte. Damit war er gleich zwei Probleme los. Sein doch etwas unzuverlässig wirkendes Sicherheitspersonal und zugleich Zeugen waren damit beseitigt und es würde die Verhandlungen erleichtern. Ein satter Drache war ein einfacherer Gesprächspartner. Sein Telefon klingelte und er sah an der Nummer, das es sich um seine Sekretärin handelte. Hatte er Kagura nicht eingeschärft nur im äußersten Notfall anzurufen? Dass sie sich nicht daran halten würde, war nach einigen kleineren Disziplinarmaßnahmen auszuschließen. So hob er ab und hörte mit etwas zusammengepressten Kiefern, dass sich der fürstliche Sicherheitsdienst nach ihm erkundigt hatte, ob er krank wäre oder so. „Nun, ich hoffe, du hast dich an die Sache mit dem Urlaub gehalten.“ „Ja, natürlich,“ beteuerte Kagura eilig. „Allerdings rief mich heute Ihr Anwalt an. Er wurde nach einem Haus am Hakurei von Ihnen gefragt.“ Auch das noch! Zum Glück war heute das Treffen mit Ryuuukossusei. Absagen konnte er es nicht, nicht ohne einen wütenden Drachen auf den Fersen zu haben. Aber gleich danach würde auch dieses Haus eben niederbrennen. Er musste nur Tsubakis Rauschgift sichern, falls doch ein kleiner Flug über den Ozean notwendig werden sollte. „Wie überraschend.“ Schließlich lief das Anwesen noch unter Onigumo. Nun ja. Der Taishou hatte in der Tat keine Narren eingestellt. Was das Spiel um die Macht doch erschwerte. Natürlich nicht unmöglich machte. Er war klüger als jeder dumme Hund.   Der Fürst der westlichen Länder hatte sich das Juwel der vier Seelen um den noch scheinbar so menschlichen Hals, wenn gleich über seine Felle, gehängt, ehe er sich in seine wahre Gestalt verwandelt hatte und eilig nach Nordosten, Richtung der Berge von Hakurei, lief. Wie er es erwartet hatte, hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Nun ja, das Verdrängen war er durch das Höllenschwert gewohnt, und, er konnte dieses Gerede nach: ich kann dir mehr Macht geben, schon gar nicht mehr hören. Macht bedeutete Verantwortung, bedeutete Schutz für alle Schwächeren – und er hatte wahrlich genug von den beiden letzteren Sachen um die Ohren. Irritiert war er nur, als ob es ihm so vorkam, als ob es zwei oder gar drei Stimmen in seinem Kopf hören konnte. Ach du je. Natürlich. Juwel der vier Seelen. Es war eine brillante Idee gewesen, So´unga zu Hause zu lassen. Mit Naraku und dessen Söldnern würde er auch so fertig werden, zumal wenn doch Kouga, doch Inu Yasha mit Tessaiga, und dessen menschliche Anhänger mit gewissen magischen Fähigkeiten dabei waren. Nein, da gab es keinen Grund zur Panik. Schwieriger wurde die Lage dann erst im Norden, wenn er womöglich auf Drachen und sogar Ryuukossusei treffen würde. Aber da war eben auch das Heer und Sesshoumaru. Das würde schon alles gut gehen. Hauptsache, niemand konnte das Juwel bekommen. So´unga gegen das Juwel wäre vielleicht aus dämonischer Sicht ein interessanter Kampf – allerdings gäbe es seiner eigenen Meinung mehr danach weder die westlichen Länder noch irgendeine japanische Insel. Schon bei einem Kampf zwischen ihm selbst und dem Drachenerben würde der Boden danach anders aussehen. Und das ohne das Höllenschwert. Dämonen seiner Macht – und Ryuukossusei spielte fast in seiner Klasse – vermochten auch ohne Metall in der Hand genug Zerstörung anzurichten. Der große, weiße Hund hielt für einen Sekundenbruchteil im Laufe inne, als ihm eine schreckliche Idee kam. Was, wenn es dem Drachenprinzen gelungen war am Heer und Sesshoumaru vorbei zu gelangen? Sein jüngster Welpe, die anderen Jugendlichen – niemand könnte es doch mit dem und noch den Söldnern Narakus aufnehmen! Er sollte, musste, sich beeilen die Kinder zu beschützen. Auch ohne das Höllenschwert. Das musste einfach klappen. War am Berg Hakurei alles klar, konnte er erleichtert gen Norden, um dort seinem Ältesten zu helfen.   Ryyukossusei griff zu dem kleinen Handy, wie der Drachenprinz inständig hoffte, zum letzten Mal. Aber leider hatte dieser Naraku in diesem Fall Recht. Nur über zwei dieser, für einen Drachen zumal, winzigen Geräte, die direkt miteinander verbunden waren, konnte man eine einigermaßen vernünftige Verbindung aufrecht erhalten. Fliegende Drachen wären dem Sicherheitsdienst des Westens garantiert aufgefallen. Die schliefen nicht, das bewies das so plötzlich und unerwartet an der Nordgrenze stationierte Heer.   Im Juwel der vier Seelen herrschte eine geradezu unheimliche Stille. Das lag daran, dass die scheinbar endlosen und ewigen Kämpfe aufgehört hatten – aus einem dermaßen unglaublichen Grund, dass sich der Geist des Juwels höchstselbst bemüht hatte, Midoriko, die Priesterin, deren selbstloses Opfer es erst erschaffen hatte, und den Dämon, der damit mit hier hinein verbannt worden war, sozusagen an einen Tisch zu holen. Die drei Geister schwebten einander gegenüber, wobei Dämon und Priesterin sichtlich irritiert auf den Geist des Juwels starrten. „Was ist passiert?“ erkundigte sich Midoriko schließlich. „Ich spürte, wie die Macht einer Priesterin das Juwel erfasste und aufleuchten ließ, es wurde weiß. Jetzt jedoch ist wieder alles dunkel, als besitze es ein Dämon. Doch ...“ „Ein überaus starker Dämon,“ bestätigte ihr ewiger Widersacher. „Ich spüre seine dämonische Energie. Wo ist das Problem, Juwel? Lasse ihm wie immer einen Wunsch, er will mehr Macht, und da es ein eigensüchtiger Wunsch ist, landet er hier. Mehr Gegner für Midoriko. Es war dumm von dir, Priesterin, zu glauben, dass niemand selbstsüchtig wäre. Dich natürlich ausgenommen.“ Sie hörte lieber nicht darauf. „Juwel, dich hatte doch eine Priesterin in der Hand? Hat er sie getötet, um dich zu bekommen? Wollte sie sich mit dir verteidigen? Aber, wo ist sie dann?“ Sich selbst zu schützen galt als eigensüchtig – und verbannte die Seele hier hinein. Eine der vielen Nebenwirkungen, von denen sie nichts hatte wissen können, als sie sich für die Menschen opferte. Magie hatte in der Tat ihre Tücken. Der Geist des Juwels, unter diesen Beiden zur Neutralität verpflichtet, hätte fast geseufzt. „Was weiß ich denn. Er hat sich mich nicht freiwillig umgehängt, eher mit Widerwillen. Und er widerstrebte bislang jedem Angebot nach mehr Macht.“ Die Priesterin sah, dass ihr Gegner ebenso irritiert war wie sie selbst. „Er ist dein Träger.“ Das Juwel der vier Seelen nickte. „Ja, und wenn ich seinen Herzenswunsch kenne, werde ich ihm den erfüllen, so lautet meine Pflicht. Ist dieser Wunsch jedoch eigensüchtig, gleich, wie sehr, so landet eine Seele mehr hier. Und in diesem Fall, ein Gegner mehr für dich.“ So lautete die Bedingung. „Was diese Priesterin betrifft, die hier nicht ist, aber auch nicht mehr mich besitzt – ich weiß es nicht. Entweder, sie starb, ehe sie auch nur einen Wunsch an mich richten konnte, oder sie ist einfach weg.“ Der dämonische Geist zuckte fast die Schultern. „Biete ihm noch einmal Macht an. Er ist schon so ein mächtiger Dämon, der sicher bis zu den Knien in Blut waten will, was also hindert dich?“ „Er will offenbar keine. Und er hat sehr gut gelernt Einflüsterungen im Geiste zu widerstehen.“ Das Juwel sah zu seinen beiden unfreiwilligen Schöpfern. „Ich sehe nur eine Möglichkeit, zum Einen herauszufinden, was mit der Priesterin passiert ist, zum anderen, den Dämon ...äh...“ Der Blick, dem ihm Midoriko zuwarf, gefiel ihm nicht sonderlich. Mochte sie sich selbst hier auch eingesperrt haben – es war noch immer die einzige Seele hier, deren freie Entscheidung das gewesen war. „Ich meine, den innigsten Wunsch dieses mächtigen Dämons zu erfahren. Ist dieser selbstsüchtig, so landet die Seele hier und … nun ja. Falls nicht, allerdings, müsste ich ihm diesen Wunsch erfüllen und eure Macht dafür einsetzen.“ „Ein Dämon und nicht selbstsüchtig?“ Der Geist dieser Art lachte auf. „Gut, einverstanden. Was schlägst du vor?“ Die Verkörperung des Juwels zögerte ein wenig, ehe sie zugab: „Wir Drei vereinigen unsere magischen Kräfte und dringen in den Dämon ein. Das Juwel wird mit ihm verschmelzen und er wird keinen seiner Gedanken mehr vor uns zurückhalten können.“ Midoriko zögerte. „Das klingt nach dauernd. Er hat nur einen einzigen Wunsch frei.“ „Nicht für dauernd. Sobald er stirbt sind wir frei für einen neuen Träger.“ „Ich bin einverstanden.“ Der Dämon lächelte, sicher, bald Unterstützung in dem ewigen Kampf im Juwel zu bekommen. Und was für welche. Midoriko dachte nach. Aber das Juwel hatte Recht. Wo war die Priesterin, die ganz sicher jemand aus ihrer eigenen Verwandtschaft gewesen war und sie aus jahrelangem Schlaf geweckt hatte? Was war in der Welt geschehen? Schlimmstenfalls hatte sie die Welt erneut von einem starken Dämon befreit und musste sich ihm hier im Nichts stellen. „Einverstanden.“ Kapitel 25: Die Schlinge um den Hals ------------------------------------ Inu Yasha war in die Höhle geflohen. Peinlich, wie er fand, aber notwendig. Er war nichts als ein Mensch und dieser Sicherheitstyp samt seinem eigenartigen Schwert war ein Profi. Leider war er das nicht, jahrhundertelanges Training hin oder her. Tessaiga war so nichts als ein rostiges Stück Metall, und die Tatsache, dass der Idiot ihn gerade gefunden hatte und auf ihn zielte, machte seine Lage nicht besser. Sein einziger Trost war, dass der immerhin Kagome und Kouga, aber auch Miroku und Sango, nicht belästigen konnte. Dennoch japste er förmlich vor Schmerz auf, als ihn die Klinge traf und trotz des angeblich doch so schützenden Feuerrattenhaares in seine Haut schnitt. Seine Kampfausbildung war dämonisch und ihm war klar, dass der Söldner ihn bewusst nur am Oberschenkel verletzt hatte. Er hätte ihn ebenso gut auch jetzt schon umbringen können. Und bedauerlicherweise verhieß das absolut nichts Positives. Jakotsu lächelte. „Na, komm schon. Dein Atem geht schwer, das gefällt mir. Versuch doch wenigstens dich zu wehren, kleiner Fürstensohn.“ Fürstensohn? Das war alles, was dem Idioten dazu einfiel? Inu Yasha zog allerdings unwillkürlich Tessaiga. Es mochte eine rostige Klinge sein, aber es war noch immer eine. Er sah, wie dieses seltsame Schlangenschwert erneut auf ihn zuschoss und versuchte es abzufangen. Das war ja ebenso schnell wie sein Halbbruder. Dabei war der Typ doch ein Mensch, oder? Leider blieb es beim Versuch. Mehrere der scharfen Klingen schnitten in seine Schulter, seine Brust und er schrie unwillkürlich auf,. Jakotsu lächelte erneut. „Ja, so liebe ich dich. Und am Ende wirst du mich anflehen nett zu dir zu sein.“ Er holte seine Klingen zurück, so dass sein Schwert wieder wie nur eine aussah. Der Kleine hatte leider die Öhrchen nicht, aber das änderte nur wenig an seiner Freude endlich wieder jemanden umbringen zu können, so, wie er es liebte. Langsam.   Naraku griff zu seinem Handy, nachdem er einen Blick auf sein Handgelenk geworfen hatte. Es wurde Zeit, die Krieger dorthin zu schicken, woher der Drachenprinz kam. „Bankotsu? Mein Besuch ist gleich da. Geht nach Norden, am besten zu diesem kleinen Wäldchen dort und erwartet meinen Gast.“ „Ja,“ erwiderte der Sicherheitsexperte, ohne zu zeigen, dass er ein eigenartiges Gefühl im Magen verspürte. Noch immer war es ihm nicht gelungen zu seinen Männern Kontakt aufzunehmen. Schön, Jakotsu war unterwegs und Suikotsu auch, aber alle anderen schienen auf sehr elegante und stille Weise beseitigt worden zu sein. Von wem nur? Sie waren immer verschwiegen gewesen, waren äußerst fähige Kämpfer. Naraku konnte er praktisch ausschließen. Der würde kaum sie so herumkommandieren wenn er wüsste, dass sie nur noch zu dritt waren und er sein Geld damit praktisch verschwendete. Wer also war die dritte Partei? War er selbst in Gefahr? Nein. Er war der stärkste und fähigste der sieben Krieger. Er und sein Schwert bildeten schon seit langem ein gutes Team. Er war überzeugt, dass er und dieses mit allem fertig werden würde, war er doch der Beste aller der Sieben. Und so wandte er sich ab, um seine Klinge zu holen, ehe er durch die Höhlen nach Norden ging. Drachen waren manchmal doch etwas unberechenbar. Naraku allerdings nahm das andere Telefon. „Mein Prinz, vergeben Sie die Störung, aber ich bringe erfreuliche Neuigkeiten. Meine Überraschung wird Sie in dem kleinen Wäldchen nördlich der Berge von Hakurei erwarten. Sie werden es kaum übersehen.“ „Schön,“ murrte Ryuukossusei. „Ich werde dieses Telefon jetzt entsorgen.“ „Natürlich, wie Sie möchten.“ Naraku vernahm noch ein kurzes metallisches Kreischen, dann war die Verbindung tot. Drachen. Nun ja. Er benötigte sie zur Sicherheit. Der Inu no Taishou war eben nicht so ohne Weiteres in die Finger zu bekommen. Hoffentlich wäre der Prinz aus dem Norden mit seinem kleinen Geschenk so zufrieden, dass die Verhandlungen einfacher wurden. Aber es war durchaus mit unbekanntem Risiko behaftet gewesen sich mit diesen Reptilien einzulassen. Zum Glück hatte er nicht nur einen Plan B sondern noch einige weitere, die allerdings keinesfalls Drachen beinhalteten.   Sango hörte ein Geräusch irgendwo in den Gängen über ihr und fuhr herum. „Miroku!“ Sie zischte es förmlich, ehe sie auf den überraschten Mönch zuschoss und den mit sich hinter den Sarkophag zog. Vielleicht war es übertrieben und sie hatte ihn grundlos aus seiner Konzentration gerissen, aber sie war nervös. Trotz aller Ausbildung nagte ein Attentat auf sie an ihrer Ruhe. So etwas war irgendwie immer nur Theorie gewesen. Die Hände dieses Mannes um ihre Kehle dagegen schreckliche Realität. Und sie war zwar dem Erbprinzen dankbar, sie da gerettet zu haben, aber leider schienen die Probleme noch immer nicht vorbei zu sein. Was nur passierte hier in den westlichen Ländern, was wohl Jahrhunderte nicht geschehen war? Der junge Mönch wollte schon protestieren, ehe ihm auffiel, dass der Körper der Dämonenjägerin förmlich an ihm klebte. Auch sehr nett. Und kaum eine Sekunde später bemerkte auch er den fast lautlosen Schritt. Was war denn in diesem Berg nur los? Aber er war dankbar für ihr, wenngleich etwas sehr einfaches, Versteck.   Bankotsu warf im Vorbeigehen einen Blick in den von wenigen Öllampen erleuchteten Raum. Alles war ruhig, wie immer, das Amulett lag auch noch immer da, wo es sollte, und so ging er weiter. Das Wäldchen im Norden, ja? Da sollte sich eigentlich Suikotsu herumtreiben. Von dem hatte er nichts mehr gehört, also schien da alles sicher zu sein. Und der ehemalige Arzt war auch schlau genug in den Bannkreis zu gehen sobald der Drache aufkreuzte. Mochte die Anweisung Narakus auch lauten, sie sollten den Gast im Wäldchen erwarten – sicher waren sie nur in der Magie. Drachen waren nicht eben das, was man problemlose Gäste nannte. Aber natürlich war der, der zahlte, auch der, der Anweisungen gab.   Sango löste sich etwas hektisch, wenngleich bemüht lautlos, von dem jungen Mann unter ihr. „Hier ist was los, wie in der Fußgängerzone der Residenzstadt,“ flüsterte sie. „Wie weit bist du?“ „Leider nicht so sonderlich. Der alte Bann ist schon ….Ich habe keine Ahnung, wer dieser Mönch war, aber seine Fähigkeiten waren absolut hoch. Dazu kommt noch das dämliche mayoke, das das noch einmal verstärkt.“ Miroku stand mühsam auf. „Ich gebe dir nur Recht, wir sollten hier schleunigst weg. Aber der Bann ...“ Ja, der Bann. Das musste Sesshoumaru gemeint haben. Aber irgendwie schien das seine, Mirokus, Fähigkeiten gewaltig zu übersteigen. Oder übersah er etwas? „Sango, geh wieder an die Tür. Ich versuche es noch einmal.“ Wortlos gehorchte die Dämonenjägerin. Ihr war ebenso klar, dass sie hier besser nicht gefunden werden sollten, und wenn, dann wenigstens der Bann gelöst sein sollte. Sonst würden wohl weder der Fürst noch sein Erbe auch nur eine Klaue rühren, um sie hier wieder rauszuholen.   Bankotsu hatte sich entschieden. Seine Männer waren bis auf zwei spurlos verschwunden, aus der einstmals ruhmreichen Gruppe der sieben Krieger war ein jämmerliches Häufchen von drei geworden. Nur – solange er nicht sicher war, dass Mukotsu doch noch auftauchen würde … Gleich. Er hatte einen Auftrag angenommen und er musste ihn erfüllen, das erforderte die Kriegerehre, möglichst, ohne dass der Auftraggeber mitbekam, was da alles schief lief. Kein Streit, keine Probleme gegenüber dem angeben, der bezahlte, damit war er seit Jahren gut gefahren. Der Drachenprinz kam und musste empfangen werden – wenngleich so, dass Naraku nicht mitbekam, dass sie nur noch so wenige waren. Nach diesem kleinen Abenteuer würde er den Kameraden nahelegen spurlos zu verschwinden. Die Jahre mit Naraku waren eindeutig gezählt. Der war skrupellos und sehr gerissen – Eigenschaften, die ihm selbst, neben dem Reichtum, bislang durchaus gefallen hatten. Aber es war besser sich abzusetzen, ehe der beschloss, dass auch sie nur Zeugen waren. Natürlich, heute gegen den Drachen brauchte er sie noch, aber dann ...? Nein. Es war besser Hand in Hand der untergehenden Sonne entgegen zu wandern. Er blieb stehen, noch innerhalb des Bannkreises. Ja, da war das Wäldchen, und, wenn er das so richtig sah, stand Suikotsu an dessen Rand und musterte die Baumansammlung gründlich. Gut. Der passte also auf. Jakotsu würde das Gleiche in den Höhlen tun. Womöglich wäre es am Besten, jetzt allein nach Norden zu gehen und als Empfangskomitee den Erben des Nordens zu begrüßen, ihn dann hier an den Bannkreis zu führen. Das war höflich und der Prinz, dieser Ryuu … irgendwas, hätte keinen Grund sich zu beklagen. Danach sollte er selbst die restlichen Kameraden zusammen rufen. Naraku war mit dem Drachen beschäftigt und würde sie kaum vermissen. Im Osten bei den Wölfen wären sie vermutlich erst einmal sicherer. Auftrag hin oder her. Selbsterhaltung stand über Verträgen. Bankotsu lief fast einen Kilometer nach Norden, dabei kam er auch an der Stelle vorbei, an der Ginkotsu und Renkotsu auf Kouga getroffen waren. Er betrachtet die Überreste seiner Kameraden fast ein wenig wehmütig. Solange waren sie zusammen gewesen. Wer oder was nur hatte ihnen so zusetzen können? Sicher kein Mensch, aber auch bei Dämonen musste der Gegner in höheren Ligen spielen. Doch Sesshoumaru? Der war hier vorbei gekommen, das hatte ihm ja Jakotsu erzählt, aber warum sollte sich der Erbprinz für zwei Menschen interessieren, die ihm nichts getan … Sekunde. Ja, das war möglich. Seine armen zwei Feuerfreunde hatten das brennende Kloster gefeiert und den nächsten Dämon, der vorbei kam, in ihrem Enthusiasmus angegriffen, ohne weiter nachzudenken. Ach du je. Sein Fehler, er hatte vergessen ihnen zu sagen, dass sie unverzüglich zurückkehren sollten. Nun gut. Woher hätte er auch wissen sollen, dass der junge Hund hier aufkreuzte. Aber dennoch: eindeutig hatte er sie nicht gewarnt. Es war seine Schuld. Er blieb stehen. Das war weit genug vom Berg Hakurei weg, dass man das noch als höfliche Eskorte betrachten konnte, selbst wenn man Drache war. Diese Reptilien galten als sehr heikel. Unwillkürlich zuckte er fast zusammen, als er die Bewegung im hohen Gras bemerkte und wollte schon in langjähriger Übung nach seinem Schwert, das er auf dem Rücken geschnallt trug, greifen, ehe sich eine riesige, gewundene Masse vor ihm aufrichtete. Er verneigte sich hastig. „Werter Prinz, ich darf Sie im Namen von Herrn Naraku begrüßen. Wenn Sie mich bitte begleiten wollen?“ Wie viel lieber hätte er jetzt drei oder vier seiner Kameraden bei sich gehabt. Und zumindest bei den letzten Beiden wusste er sicher, dass sie tot waren – gestorben durch seine Schuld. „Eine recht magere Eskorte. Dort vorne ist der Bannkreis.“ Ryuukossusei klang fast vergnügt. Er konnte ihn also spüren. Nun ja. Dämonen, Drachen, sie alle besaßen eine angeborene Magie, die den meisten Menschen verwehrt war. „Äh, ja. Ich bedauere, dass ich nur allein Euch momentan zu Diensten stehe, aber meine Kameraden sichern die anderen Richtungen. Herr Naraku wollte keinerlei Risiko eingehen.“ „Oh, er erwähnte etwas von einer Überraschung. Weißt du etwas davon?“ Bankotsu schüttelte den Kopf. Dieser Drache, so direkt vor ihm – irgendwie verursachte ihm die kaum verborgene Heiterkeit eine Gänsehaut. Drachen! Aber er meinte nur: „Wenn Sie mir bitte folgen würden, Prinz ...“ und wandte sich mit einer einladenden Handbewegung zum Gehen. Fast sofort fühlte er die Ausstrahlung des Drachen direkt hinter sich. Narr, dachte er plötzlich und machte unwillkürlich einen Schritt seitwärts. Einem gefährlichen Wesen den Rücken zukehren! Der Tod seiner Kameraden schien ihn doch tief getroffen zu haben. Wie sollte er es jetzt schaffen, dass das riesige Reptil vor ihn ging? „Ich folge dir, meine kleine Überraschung,“ murmelte der Erbprinz aus dem Norden. Bankotsu spürte jäh ein warnendes Prickeln im Kreuz. Noch während er herumfuhr, mit der Hand nach seinem Schwert griff, schlossen sich die Kiefer Ryuukossuseis erbarmungslos um seinen Hals.   Der Herr der westlichen Länder stoppte kurz in seinem rasenden Lauf. Hatte er sich getäuscht, oder war da eine deutliche Menge dämonischer Energie zu spüren gewesen? Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, dann wäre er am Berg Hakurei – und er spürte jetzt sehr wohl einen Bannkreis, wenngleich noch entfernt und schwach, aber die schlichte Tatsache, dass er ihn aus dieser Entfernung wahrnehmen konnte, deutete auf dessen Stärke hin. Die dämonische Energie war dagegen wieder verschwunden. Da war jemand überaus Mächtiger in seinem Gebiet unterwegs, jemand, der auch sehr darauf bedacht war, dass er ihn nicht bemerkte. Leider sah der Taishou nur Grund zu der Annahme, dass es sich um Ryuukossusei handelte. Und irgendwo da vorne war sein Kleiner, waren die anderen Jugendlichen, sogar Kouga würde gegen den Drachenprinzen keine Hilfe sein. Und er selbst hatte das Juwel dabei, nicht das Höllenschwert. Musste denn in diesen Tagen alles schief gehen? Wo steckte dieser Mistkerl jetzt? Er konnte nichts wittern, nichts spüren. Aber, beschloss er, er musste zu seinem Jungen. Ein Halbdämon und ein paar menschliche Jugendliche würden sicher nichts gegen den Erben des Nordens vermögen, Tessaiga hin oder her.   Inu Yasha hätte in diesem Augenblick eine Menge dafür gegeben zu wissen, dass sein Vater auf dem Weg war. Irgendwie hatte er Tessaiga gezogen, das nun nur eine rostige Klinge, kein Dämonenschwert, war und er hatte getan, was er konnte, um sich vor der seltsamen Waffe dieses Söldners zu schützen. Es war vergeblich gewesen und selbst sein Feuerrattenhaar hatte ihn nicht mehr schützen können. Schnitte am gesamten Körper hatten ihn mit Blut verschmieren lassen. Jakotsu vermied es nur auf sein Gesicht zu zielen, nicht aus Nachsicht, wie der dämonisch ausgebildete Junge erkannte. Er sollte nur länger durchhalten, nicht bewusstlos werden. Es tat weh und in seiner Menschenform konnte er förmlich spüren, dass er langsam, aber sicher, am Ende war. Dennoch hob er Tessaiga wieder. Kagome, Kouga, Miroku und Sango – solange sich dieser Idiot mit ihm beschäftigte waren sie wenigstens in Sicherheit. Das musste ihm genügen. Vielleicht kam Sesshoumaru doch noch mal vorbei, immerhin hatte der doch sein Vorzimmer hierher geschickt, vielleicht fiel einem der Menschen was ein. Bis sich Kouga erholt hatte, Dämon hin oder her, würde es dauern. Aber vielleicht geschah ein Wunder … Er musste seine Leute einfach beschützen. Er hatte doch Vater versprochen sie alle heil ins Schloss zu bringen. Vater! „Oh, fein, komm nur!“ Jakotsu war begeistert, dass sich sein Opfer nicht einfach ergab. So machte es ihm doch viel mehr Spaß. Diesmal zielte er auf den rechten Oberschenkel. Bald sollte der Halbdämon in Menschenform nicht mehr stehen können. Es war sowieso verwunderlich, wie lange der durchhielt. Aber der Atem ging stoßweise und schwer, der Blutverlust musst hoch sein. Oh, was machte der jetzt? Sich tiefer in die Höhle zurückziehen? Ach, das war doch sinnlos. „He, hiergeblieben. Komm schon, du wirst nicht gleich sterben. Erst einmal werden wir noch Spaß miteinander haben.“ Mit zwei, drei weiten Sprüngen hatte er den Erschöpften eingeholt. Inu Yasha hatte darauf gehofft und seine letzten Kräfte für eine Verzweiflungstat gesammelt.. So rasch er es noch vermochte, fuhr er herum, mit Tessaiga nach der Kehle des Söldners zielend. Jakotsu entkam mit einem hastigen Sprung rückwärts. Er sollte nicht vergessen, dass der Kerl nur scheinbar ein Mensch war. Der hatte dämonisches Kampftraining erhalten, und anscheinend recht ausführliches. Naja, Papa Hund war ja Heerführer. Ohne seine negative Überraschung erkennen zu geben, wechselte er rasch seine Handhaltung und schlug den Schwertgriff brutal in den Bauch des Halbdämonen. Inu Yasha konnte nur mehr aufkeuchen und brach in die Knie. Seine Finger lösten sich von seinem Schwert, als er langsam vornüber kippte. Jakotsu trat Tessaiga vorsorglich etwas beiseite, ehe er fast genüsslich in den dichten, schwarzen Haarschopf griff und den beinahe Bewusstlosen empor zerrte, um ihm in das Gesicht zu sehen. „Jetzt mach nicht schon schlapp. Ich will noch hören, wie du bettelst!“   Kouga brauchte lange Sekunden um zu realisieren, dass das, was durch seine tiefe Meditation, die schon fast einer Bewusstlosigkeit geähnelt hatte, drang, das panische Schreien, oder eher schrille Kreischen, eines Menschenmädchens war. Dann erst begriff er, dass das, was ihm in die Nase stieg Blut war – Menschenblut. Und – es gab nur einen Menschen, der bei ihm gewesen war, als er einschlief, um sich zu regenerieren. Kagome! Er riss förmlich die Augen auf, wollte aufspringen, wollte als Dämon handeln – aber er sah sich außerstande mehr zu tun, als den Kopf zu wenden. Seine Energie war noch immer zu gesenkt, seine Verletzungen zu schwer.   Kapitel 26: Die Hoffnung stirbt zuletzt --------------------------------------- Miroku betrachtete das mayoke und den Schrein des verstorbenen Mönchs etwas frustriert. War dieser Kerl zauberkundig gewesen! Das konnte doch niemand brechen! Im nächsten Moment begriff er und hätte sich am liebsten selbst einen Tritt verpasst. Ja, der Bann war überaus mächtig – aber er schützte nur das Grab, nur diese Höhle, diese Grotte. Das mayoke wirkte schlicht als Verstärker, so dass der eigentlich kleine, aber wahrlich undurchdringliche, Zauber um den gesamten Berggipfel lag. Das mayoke war der Transistor, oder wie auch immer das ein Techniker nennen würde. Er musste nicht den ursprünglichen Bann bezwingen, statt dessen nur das Amulett. Das musste doch zu knacken sein, denn es war sicher nicht von dem alten Ordensbruder gelegt worden, sondern, wie das Aluminium bewies, war neumodischen Datums. Der junge Mönch atmete tief durch, ehe er sich nochmals konzentrierte.   Inu Yasha lag nach Luft ringend auf dem Höhlenboden. Vor seinen Augen tanzten Flecken in blutrot und schwarz. Alles, was er dazwischen noch erkennen konnte, waren die Füße in Sandalen dieses Sicherheitstypen. Verdammt, dachte er nur. Vater hatte ihm mal vertraut und er hatte es nicht einmal geschafft, die Menschen heil ins Schloss zu bringen. Was würde wohl Sesshoumaru dazu sagen? Vater … Ob der jetzt erst recht überzeugt war, dass er ihm nie hätte vertrauen dürfen? Er wollte doch so gern auch einmal Vater stolz machen, dem zeigen, dass er ein loyaler, wertvoller Sohn war – vor allem, nach dem Abenteuer der letzten Nacht. Kagome, Juwel … ihr sollte doch nichts passieren. Sie war unschuldig in diese ganze Affäre rein gerutscht. Naraku, ja, der war schuld. Miroku, Sango, wo steckten die nur? Etwas wie Vibrieren, ja, ein Pochen. Er war so erschöpft, dass er fast eine Minute benötigte, um es als das zu erkennen, was es war. Dämonische Energie. Er begriff es erst, als er die vertrauten Veränderungen an seinen Händen spürte, seine Ohren seitlich am Kopf verschwanden, um oben wieder zu erscheinen. Seine Kraft kehrte zurück. Mochten die Verletzungen, der Blutverlust, für einen Menschen erschöpfend wirken – bei einem Dämon, sei er auch nur ein halber, sah es anders aus. Kämpfen lag ihnen im Blut, im wahrsten Sinne des Wortes. Ohne ein weiteres Wort hechtete er förmlich beiseite, schnappte sich Tessaiga und stand auf. Sein Schwert verbreiterte sich unter seiner Energie – und er war erleichtert, bedeutete das doch Zugriff auf alle Fähigkeiten, sogar die Windnarbe, die er allerdings hier im Berg besser nicht einsetzen sollte. Das konnte nur bedeuten, dass der Bann um den Berg Hakurei zerstört war – und er kannte nur eine Person im weiten Umkreis, der er das zutraute. Miroku. Der und Sango lebten also, waren aktionsfähig … Ha. Er war unaussprechlich erleichtert. „Mann,“ brachte er hervor. „Du bist echt ein Idiot. Dass du mich nicht gleich umgelegt hast, bringt dich jetzt ins Grab.“ „Oh, wieder Halbdämon. Nette Überraschung.“ Der Söldner klang fast entschuldigend, als er fortfuhr: „Weißt du, es macht mir eben keinen Spaß jemanden schnell zu töten.“ Aber er hob seine Schlangenklinge. Er würde nur noch wenige Möglichkeiten haben den kleinen Fürstensohn umzubringen und die entzückenden Ohren mit nach Hause zu nehmen. Aber er würde die Gelegenheit haben. Halbdämon oder nicht – so viele Verletzungen schwächten, machten langsamer. Inu Yasha bemerkte die Angriffshaltung. Ihm war klar, dass er keine Zeit mehr hatte. Er war schlechter als gewohnt und sollte wieder ans Tageslicht. Er musste sein Vorzimmer suchen, nach der armen Kagome gucken … und sie alle heil ins Schloss bringen. Da hatte er wirklich keine Zeit sich mit diesem Kerl auf einen direkten Kampf einzulassen. Was sollte es. Ging er eben ein Risiko ein. Er schwang Tessaiga und suchte die Linien in der Luft, die er erst einmal gefunden hatte. „Windnarbe!“ Zu der unausgesprochenen Erleichterung des Fürstensohnes stand die Höhle soweit noch, als sich der Staub senkte, einzig der Sicherheitsexperte lag am Boden zwischen einzelnen Steinen, die bestimmt von der Decke hinuntergestürzt waren. So, wo steckten seine Leute und wie konnte er sich möglichst schnell regenerieren, falls hier noch so ein Typ herumlungerte? Es waren doch sieben gewesen? Er musste sie beschützen, er war der Einzige, der das vermochte. Inu Yasha lief aus dem Berg, ohne realisiert zu haben, das er zum ersten Mal in seinem Leben getötet hatte.   Naraku hatte naturgemäß bemerkt, dass sein Bann verschwunden war. War etwas mit dem mayoke passiert? Oder hatte sich ausgerechnet Ryuukossusei an dem Bann gestört und den beseitigen können? Der Drachenprinz sollte doch jeden Moment hier am Berg auftauchen. Gleich. Irgendetwas lief nicht nach Plan. Er dachte kurz nach, ehe er seine Schreibtischschublade öffnete und ein Notizbuch herausnahm, eine Nummer suchte. Er wählte rasch, wenngleich sichtlich ruhig. „Guten Morgen, ich möchte auf den Namen Onigumo ein Kleinflugzeug für heute Nachmittag für einen Rundflug mieten. - Ja, natürlich habe ich einen Flugschein. Moment, ich gebe Ihnen die Daten durch. - Vielen Dank.“ Vielleicht war es nutzlos, aber es war besser sich die Fluchtoption offen zu halten. Unten in einer Höhle stand der Jeep, der ihn hergebracht hatte – natürlich in einer anderen als die Wägen der Sicherheitsleute. Verhaftet zu werden, nur weil man versehentlich zugeparkt wurde, wäre ihm doch peinlich gewesen. Aber Vorsorge war stets besser. Er öffnete seinen Safe und nahm eine Tasche heraus, die er griffbereit auf den Schreibtisch legte. Darin befanden sich Papiere und das Rauschgift, das er von Tsubaki in gewohnter Qualität erhalten hatte. Dann nahm er ein Fernglas und trat an das Fenster. Einen ausgewachsenen Drachen sollte er so entdecken können, wenn der von Norden kam. Allerdings führte das Fenster nach Westen und so fiel sein erster Blick auf einen großen, weißen Hund, der sich rasch näherte. Naraku hätte fast das Fernglas fallen lassen. Der Taishou oder höchstens noch Sesshoumaru. Was machte der denn hier? Es war äußerst unangenehm sich zu erinnern. Schon einmal hatte er den Herrn der Hunde so auf sich zukommen sehen. Damals, als er noch Onigumo gewesen war. Er hatte alle seine Männer hinaus befohlen – durchaus mit dem Argument, gegen so viele Menschen würde sich auch ein Dämon schwer tun. Er selbst war hinten hinaus gelaufen, ohne auch nur noch etwas mitzunehmen. Das war sein Glück gewesen. Etwas, das er nur als höllisches Feuer bezeichnen konnte, war durch die Luft hinter ihm gefegt. Als er wieder wach wurde, hatte er Schmerzen gehabt, von denen er bislang nicht einmal gewusst hatte, dass sie so existieren konnte. Erst nach einer Weile hatte er mitbekommen, dass er zwar schwer verletzt, verbrannt, war, aber noch Glück gehabt hatte. Sein Haus, seine Männer waren buchstäblich verschwunden. Nur die Tatsache, dass er sich unbewusst in eine kleine Grotte geflüchtet hatte, hatte ihn soweit gerettet. Aber dennoch wäre er gestorben, hätte er nicht mit einfachen Dämonen paktiert, die sich aus gutem Grund ebenfalls in der Höhlung eingefunden hatten. Der Taishou besaß schon damals eine gewisse Macht. Aber er hatte überlebt und bislang hatte der Gute ihn nicht wieder erkannt.   Gleich. Er sollte nüchtern bleiben. In jedem Fall würde dem Fürsten der Drachenprinz nicht entgehen – und umgekehrt. Das würde kaum ein nettes Zusammentreffen mit Teetrinken hier direkt vor seiner Haustür werden. Gut, dass er das Flugzeug schon gebucht hatte. Es mochte wichtig sein. Aber noch gab es keinen Grund zur Eile. Er konnte abwarten, wer von den Beiden das Treffen überlebte, und seine neue Strategie entsprechend aufbauen. Keiner der Zwei konnte etwas von dem Bannkreis mitbekommen haben, und wenn doch, so lag der eben immer noch um die alte Gruft im Berg und derjenige war wohl hypersensibel. Nein, noch war nichts verloren. Alles, was er tun musste war, an das Juwel oder das Höllenschwert zu gelangen, je nach dem, was der Fürst dabei hatte. Am Liebsten natürlich alles beide, denn Ryuukossusei konnte weder mit dem Einen noch mit dem Anderen etwas anfangen, war jedoch für Schmeichelei empfänglich. Etwas, was man vom guten alten Hundi nicht behaupten konnte.   Kagome hatte in vollkommener Panik bemerkt, dass der Unbekannte sie wirklich umbringen wollte. In ihrem Entsetzen, ihrer Todesangst, reagierte sie vollkommen unbewusst. Sie begann wie wild zu schreien und ihre Finger umklammerten etwas, ehe sie einfach damit zuschlug. Es waren die Pfeile gewesen, die sie in ihrer blinden Aktion in die Kehle des Kriegers gerammt hatte. Suikotsu taumelte zurück, verwirrt durch den Schmerz und der Tatsache, dass er ausgerechnet bei dem kleinen Mädchen doch nie mit einem Gegenangriff gerechnet hatte. Er stürzte nach Luft ringend rücklings zu Boden. Kagome schlug entsetzt die Hände vor ihren noch immer offenen Mund, ehe sie hervorbrachte: „Oh, Verzeihung, das … das wollte ich nicht ...“ Irgendwann hatte sich ihr Verstand verabschiedet, spätestens, als das Blut aus der Wunde auch auf sie gespritzt war. Oder warum kam ihr der Mann plötzlich kleiner und jünger vor? Netter? Suikosu sah zu ihr. „Es ist gut, Mädchen ...“ würgte er irgendwie mit einem Lächeln hervor. „Ich bin... ich. Nicht mehr ER. Gut gemacht.“ Sie konnte ihn nur anstarren, als er die Augen schloss und sich nicht mehr bewegte. „Kagome?!“ Ihr Name von einer weiblichen Stimme ließ das geschockte Mädchen zusammenfahren. Da war auch Sango schon bei ihr und umarmte sie. „Ach du liebe Zeit! Was war denn hier los?“ Miroku stand ebenfalls neben ihr. „Das ist doch Kouga? Kagome? Was ist hier passiert?“ Das sah jedenfalls weitaus schlimmer aus als einen Bann in einer Höhle zu brechen und in völliger Finsternis wieder hinaus zu tappen. Immerhin hatte er dabei mit der Dämonenjägerin Händchen halten können. Die so Angesprochene musste ihren Würgereiz unterdrücken, ehe sie das Gesicht an die Schulter ihrer Freundin legte. „Ich kam mit ... Inu Yasha … her. Kouga war schwer verletzt. Und der Mann hier … er wollte uns umbringen!“ „Inu Yasha?“ Sango sah sich um. „Und wo ist er?“ „Er wollte euch suchen....“ „Schön.“ Sango sah von dem Toten zu Miroku. „Unser Verdacht stimmt also, dass die doggies was wissen, was von uns keiner weiß. Hoffentlich steckt er jetzt nicht in der Klemme. Hier scheinen einige Leute herumzugeistern. - He, Kagome, komm schon, weine ein bisschen. Das soll helfen.“ Trotz allem war die Jägerin dank ihrer Ausbildung etwas weniger emotional. Das misslungene Attentat auf sie selbst hatte sie für einige Zeit aus der Bahn gebracht, aber bei Weitem nicht so wie der erste Tote ihres Lebens Kagome, zumal nach allem, was dieser in den letzten Stunden und Wochen widerfahren war.   Der Inu no Taishou gab sich zu froh zu sein, dass das Juwel schon seit geraumer Zeit schwieg und seinen Geist nicht mit seinen törichten Einflüsterungen nach mehr Macht und Stärke belästigte. Er hatte so schon genug um die Ohren. Dieser Bannkreis dort vorne – kein Wunder, dass Sesshoumaru den nicht nur bemerkt hatte, sondern auch ihn informieren wollte. Das war uralte Magie, Jahrhunderte alt. Wer konnte das, wenn kein Dämon? Und, je näher er kam, desto mehr fühlte er auch die Präsenz eines Anderen, der sie jedoch zu unterdrücken versuchte. Das zuvor war wohl nur ein Aufflackern gewesen, unbeabsichtigt. Und er kannte herzlich wenig Drachen, die so etwas vermochten. Den alten König konnte er praktisch ausschließen. Soweit er sagen konnte, lebte der zumeist schlafend in seinem Schloss. Wobei, das gab er zu, er da durchaus Ryuukossusei als liebenden Sohn im Verdacht hatte, an der Tatenlosigkeit seines Vaters Schuld zu sein. Der Drachenkönig war erkrankt, sein Sohn war Regent geworden – und die Lage blieb stets gleich, obwohl sich solch ein mächtiges, altes, Wesen keine Krankheit einfing, geschweige denn nicht ausheilen konnte. Gleich. Das ließ leider nur die Schlussfolgerung zu, dass sich eben der Drachenerbe dort vorne dem Hakurei näherte – und damit seinem Jungen und den anderen Menschen! Wo steckte eigentlich Kouga?   Inu Yasha war noch nie so froh gewesen ein Halbdämon zu sein. Noch während er mehr taumelnd aus der Höhle lief und sich zu orientieren versuchte, spürte er, wie seine dämonischen Selbstheilungskräfte zurückgekehrt waren. Es war für ihn letztlich ein Glück gewesen, dass dieser Krieger so langsam vorgegangen war. Blut und Schmerzen lähmten Menschen, aber keine Dämonen, zumindest nicht lang. Es handelte sich um Kratzer, im Endeffekt, und in keiner Stunde wäre er wieder fast der Alte. Mit neuem Mut suchte er die Witterungen. Sango, Miroku …? Ja, sie waren da gewesen und eine frische Spur wies vom Berg weg. Puh! Sein Vorzimmer schien aus dem kleinen Abenteuer heil herausgekommen zu sein. So folgte er der Fährte erleichtert, die in Richtung auf das abgestellte Motorrad führte. Nur, um zu erstarren. Dort konnte er das alte Dämonenblut riechen, das von Kouga stammte. Aber da war auch Menschenblut dabei, frisch und eine gehörige Menge! Verdammt! Da war doch Kagome, dorthin waren auch Miroku und Sango unterwegs! Was war denn jetzt schon wieder los? Der jüngste Fürstensohn brach förmlich durch das Dickicht und war erst einmal froh keinen Kampf zu sehen. Aber war war hier geschehen? Wer war der Kerl, der da tot herumlag? Wieso guckte das Wölfchen nur auf Kagome? Und warum hielt Sango die im Arm? Sie sah blutig aus. „Kagome!“ brachte er hervor, um dann doch unter dem Blick des Wolfsdämons korrekt zu ergänzen: „Sango, Miroku, Kouga! Was ist hier passiert?“ „Reddemon! Ich meine, Inu Yasha!“ Kagome war schlicht erleichtert, dass auch er heil zurück war, ehe ihr bei einem auch nur flüchtigen Blick auf den Fürstensohn klar wurde, dass von „heil“ wohl keine Rede sein konnte. Blutflecken zierten fast überall sein rotes Gewand. Sie richtete sich entsetzt etwas auf. „Du bist verletzt? Was war mit dir?!“ „Keh! Da gab es einen Typen, der glaubte mich herumschubsen zu können. Ist erledigt. - Was war hier los?“ Das klang betonter und ihr wurde wieder bewusst, mit wem sie sprach. „Äh, Entschuldigung. Ich meine, Kouga wollte sich erholen und ich bin wohl auch eingeschlafen. Da stand plötzlich dieser Mann da und wollte mich umbringen. Ich habe … naja ... irgendetwas gemacht, und dann spritzte Blut und....“ Sie brach erneut in Tränen aus. Miroku übernahm das weitere Reden, da Sango ihre Freundin fest an sich drückte. „Mit dieser kaum gesteuerten Aktion gelang es Kagome wohl ihre Pfeile in die Kehle des Fremden zu stoßen, der daraufhin verstarb.“ Das war eine freundliche Umschreibung, aber auch aber auch der junge Mönch versuchte sich gegen die Geschehnisse der vergangenen Stunden irgendwie abzuschirmen, eine verständliche, menschliche Reaktion auf Überforderung. Keiner der Jugendlichen hatte außer im Fernsehen etwas von Kämpfen gesehen – und das waren Schauspieler gewesen. Einzig Kouga hatte im Großen Krieg als Botenjunge mitgemacht und war dort ausgebildet wurden, Inu Yasha immerhin das dämonische Kampftraining am Fürstenhof durchlaufen, nicht zuletzt gegen seine männliche Verwandtschaft. Aber, dachte der junge Halbdämon jetzt in gewisser Sorge: wie sollte er diesen Trupp ermüdeter, verletzter Menschen und Dämonen heil in das Schloss schaffen, wie er es doch seinem Vater versprochen hatte? Wer hatte den Bannkreis gelegt und aus welchem Grund wollten diese Krieger alle Leute umbringen, die sie sahen? Wäre es womöglich besser sie nach Norden zu bringen, zum Heer und Sesshoumaru, der doch immerhin gewusst hatte, dass auch am Hakurei etwas lief? Etwas näherte sich rasch, dämonische Energie, und er sprang eilig vor, die Rechte bereits am Schwertgriff. Was für ein Tag!   Der riesige, weiße Hund, brach im Lauf ab, als er die Situation erkannte. Zur gewissen Verblüffung der Menschen, die das noch nie zuvor gesehen hatten, verschwamm die Figur unter Magie und nur Sekundenbruchteile später stand der nur scheinbar menschliche Fürst vor ihnen und musterte mit einer raschen Wendung seines Kopfes die Lage. Inu Yasha entspannte sich und verneigte sich eilig. „Mein Herr und Vater!“ Jetzt war er wenigstens die Verantwortung los. Papa würde ihm doch sicher anweisen können, würde alles gut machen … Auch, wenn natürlich es nicht sonderlich schmeichelhaft war, dass der ihm prompt gefolgt war. Traute der ihm nichts zu oder war schon wieder etwas anderes passiert? „Mein Herr und Fürst!“ Kouga versuchte wenigstens in die formelle, kniende, Haltung zu gelangen. Der Taishou atmete auf. Sie lebten alle, sein Welpe, der junge Dämon, die Menschen. Er war nicht zu spät gekommen, er konnte sie noch beschützen. Allerdings: Inu Yasha und Kouga zeigten deutliche Spuren von Verletzungen, eines Kampfes, die Menschen wirkten erschöpft, ja, Kagome vollkommen verstört. Und, wer war der fremde Mensch, der hier tot herumlag? Gleich. Er konnte die Welpen noch beschützen. Vor lauter Erleichterung beging er einen gravierenden Fehler und ließ in seiner geistigen Konzentration nach. Das Juwel schlug unverzüglich zu. Noch ehe der Taishou realisieren konnte, in welcher Gefahr er schwebte, oder gar seine geistigen Barrieren wieder errichten konnte, leuchtete das Juwel der vier Seelen an seiner Brust auf. Vor den Augen von Mensch und Dämon drang es durch den Panzer und verschwand.   Der Fürst brach in die Knie, die Hand an seiner Rüstung, unfähig, dem jähen Angriff ohne Weiteres stand zu halten. Er stürzte. „Verdammt, was ist los?“ brüllte Inu Yasha entsetzt und ging neben den offenbar Bewusstlosen auf die Knie. „Vater? Vater!“ „Das Juwel versucht ihn zu übernehmen, denke ich.“ Miroku kam heran. „Da ist ungemein hohe Magie. Beider Seiten.“ „Vater?“ Inu Yasha wandte den Kopf und fauchte nur: „Kagome, was macht dein dämliches Juwel da mit meinem Vater?“ Das Mädchen begriff trotz ihres Schocks, ihrer Müdigkeit, dass ihr soeben die Schuld dafür gegeben würde, würde der Fürst sterben oder sonst etwas mit ihm passieren. Aber Kagome sah auch noch etwas anderes. In den Augen Reddemons, nein des Fürstensohnes, standen Tränen. Sie musste ihm doch helfen, er hatte so viel für sie getan … Irgendwie befreite sie sich von Sango und krabbelte hinüber. „Ich weiß es doch nicht, Reddemon,“ brachte sie hervor. „Ich weiß ja nicht einmal, was ich machen soll. Soll ich was läutern?“ „NEIN!“ Die vierstimmige Verneinung ließ sie in sich zusammensacken. So erklärte Miroku: „Kagome, du bist eine Priesterin, und eine recht gute. Der Fürst ist ein Dämon. Womöglich bringst du ihn damit eher um, als dass du ihm hilfst.“ „Aber, das Juwel gehört dir doch,“ ergänzte Inu Yasha etwas hoffnungsvoll. „Ich meine, versuche dem Teil doch klar zu machen, dass es schief gewickelt ist. Vater ist ein Dämon, kein Mitglied deiner Familie, oder so.“ „Ja, genau.“ Sango atmete durch. „Du ist müde, klar, und auch geschockt, es war kein leichter Tag für dich. Aber du bist vermutlich die Einzige, die dieses wild gewordene Schmuckstück zur Raison bringen kann. Konzentriere dich darauf, so, wie du es mit Miroku geübt hast.“ Sie warf einen Blick zu dem jungen Mönch. Der schluckte trocken. So teilte er ihre Ansicht. Wenn Sesshoumaru hier wieder aufkreuzte, oder auch später – er würde keinerlei Hemmungen haben sie alle einzusammeln und wegen Hochverrates auf die schlimmste Art, die er sich vorstellen konnte, hinrichten zu lassen, wäre seinem Vater etwas zugestoßen. „Ich versuche es ...“ Kagome konnte kaum mehr sprechen und legte nur zögernd die Hand auf den Brustpanzer des mächtigen Hundedämons. Da irgendwo sollte sie das Juwel des vier Seelen spüren, oder? Ja, da war etwas, aber auch ganz etwas anderes. Egal. Sie sah auf, ehe sie die Augen schloss – Inu Yasha oder Reddemon war kurz vor den Tränen. Er liebte doch seinen Vater, hatte seine Mutter schon verloren – für ihn musste sie sich zusammen nehmen. So atmete sie ruhig und gleichmäßig, vergaß dann ihre Umfeld völlig.   Der jüngste Fürstensohn wollte schon tief abspannen, als er sah, dass Kouga, der es noch immer kaum in die Knie geschafft hatte, zum Schwert griff, seine menschlichen Freunde herumfuhren, verteidigungsbereit. Erst jetzt bemerkte auch er die ungeheure Energie hinter ihnen.   Deren Urheber schwenkte sichtlich amüsiert den Kopf, ehe er sagte: „Na so etwas. Ich hätte diesem Naraku gar nicht den Humor zugetraut, mir gleich den Fürsten der westlichen Länder als Überraschung zu servieren, dazu noch mit Nachtisch. Er wäre vielleicht doch ein guter Kanzler.“       Kapitel 27: Kampf ----------------- Der Geist des Juwels hatte sich mit der Unterstützung seiner beiden Erschaffer unverzüglich auf den Verstand des Inu no Taishou gestürzt und war in dessen Körper, dessen Seele eingedrungen, ehe der doch recht vorsichtige Hund seine Barriere wieder aufbauen konnte. Nun schwebte die Verkörperung des Juwels der vier Seelen in der Dunkelheit und musterte vor sich Priesterin und Dämon, die ihn beide fragend anblickten. „Nun, was war der große Wunsch des mächtigen Verwandten?“ erkundigte sich Letzterer. „Ein Blutbad? Mehr Macht? Aber, warum ist er dann nicht hier in dir, wie alle, deren Wünsche eigensüchtig waren.?“ „Wohl, weil es seiner eben nicht war, mein Gegner“ erklärte die ehemalige Priesterin milde. „Oder, Juwel, warst du nur nicht in der Lage seinen innigsten Wunsch zu finden?“ Bevor das unheilvolle Schmuckstück antworten konnte, tat dies der ewige Widersacher. „Midoriko, du warst und bist eine Optimistin. Mensch und Dämon sind immer eigennützig. Schön, Ausnahmen, wie du, bestätigen die Regel, aber ...“ Die durchscheinende Seele des Dämons starrte auf das Juwel, dessen Geist geradezu verlegen schien. „Schön, was ist passiert?“ Dieser zuckte förmlich die Schultern, sah sich jedoch außerstande seinen Erschaffern die Antwort auf die nur zu berechtigte Frage zu verweigern. „Unser Träger hatte nur einen Wunsch, der alles andere übertraf. Er wollte die Welpen retten. Unter allen Umständen.“ „Das ist nicht selbstsüchtig“, erklärte Midoriko sofort. „Du hast also keinen Zugriff auf seine Seele.“ „Das ist wahr. So wirst du in ihm keinen neuen Gegner bekommen. Im Gegenteil. Ich sollte, ja, muss ihm jetzt helfen, diese Welpen, übrigens eine interessante Mischung: Menschen, Dämon und Halbdämon.... zu retten.“ Der Geist des eingesperrten Dämons fuhr förmlich auf. „Was soll das denn? Ein Dämon jagt Menschen, frisst sie – aber behütet sie doch nicht! Sind wir denn Hütehunde, die Schafe … Oh. Er ist ein Hundedämon. Die waren schon immer etwas … Nun ja. Aber, was soll der Blödsinn mit dem Halbdämon? So tief kann doch niemand sinken, sich mit einem nichtswürdigen Menschen zu paaren!“ „Es ist sein eigener Sohn, sein Welpe.“ Das Juwel schmunzelte förmlich. „Und ja, er wollte nicht nur seinen Sohn, sondern auch dessen Freunde oder so, kurz, alle diese Jugendlichen schützen. Und er will es immer noch, deswegen kämpft er gegen meine Kontrolle so an.“ Midoriko lächelte etwas. „Das kann ich kaum glauben. Ein Dämon, der Menschen beschützen will, der helfen will. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich wäre. Und ein Halbdämon gleich dazu. In der Welt muss sich viel geändert haben.“ „Ja, in der Tat,“ murrte ihr langjähriger Widersacher. „Menschen! Halbdämonen! Und ein so starker Dämon verschwendet seinen Atem, ja, sein Erbe, an diese Unwürdigen! Was ist nur aus unserem stolzen Volk geworden!“ „Etwas Gutes,“ erwiderte die Priesterin unverzüglich. „Jedenfalls, Juwel, dir gehört seine Seele nicht.“ „Nein.“ Aber der Geist des Juwels schien nicht unzufrieden, eher nachdenklich. „Vielleicht bekomme ich die von dem, vor dem er die Kinder schützen will. Ich habe sein Bild. Er heißt Naraku.“ „Ein Dämon?“ erkundigte sich die Seele dieser Art sofort in der Hoffnung, Unterstützung im ewigen Kampf gegen Midoriko zu finden. „Das weiß ich nicht.“ Das Juwel lächelte. „Nun, sehen wir mal, wie er sich gegen meine Kontrolle schlägt. Noch wehrt er sich, aber irgendwann wird er müde werden. Und dann beherrsche ich ihn. Und den Westen.“ „Sei dir nicht zu sicher.“ Midoriko hob den Kopf. „Er könnte Hilfe bekommen. Oder stärker sein, als du vermutest.“ „Du weißt ebenso gut, oder besser, als ich, meine Erschafferin, dass er dazu die Hilfe einer Priesterin bedarf. Und bitte, welche Priesterin hilft einem hochrangigen Dämon?“   Inu Yasha begriff erst auf den zweiten Blick, dass er hier einem Drachen gegenüber stand. Hinter ihm befanden sich seine Freunde, dazu sein offenbar momentan vollkommen hilfloser Vater, die liebe, arme Juwel, die schon doch genug mitgemacht hatte. Nun ja. Hatte er nicht vorhin noch gedacht, er sei der Einzige, der sie beschützen konnte? Allerdings hatte er da doch auf Vaters Hilfe gehofft. Was auch immer mit dem war – er musst irgendwie Zeit schinden, damit Papa sich erholen konnte. „Ein Drache, ja? So dämlich kann auch nur eine Blindschleiche daher reden. Oh, du musst Ryuukossusei sein.“ Er ging etwas vor und bemerkte dabei aus den Augenwinkeln, dass sowohl Sango als auch Kouga gezogen hatten. Netter Versuch, aber in deren Zustand und ohne magische Klinge – keine Chance. Nun ja, er hätte auch keine Wette auf seine eigene abschließen mögen, aber irgendwo musste doch sein Halbbruder samt Heer stecken. Immerhin hatte der doch Kouga hergeschickt, wusste also, das hier was lief. „Gut geraten. Ja, ich bin Ryuukossusei, der Erbe des Nordens. Und, aber da brauche ich nicht raten, wer sich mit Menschen eingelassen hat, und du bist Inu Yasha, der kleine Bastard des Westens.“ „Nicht schon wieder solche Sprüche.“ Reden, dachte Inu Yasha. Zeit schinden. Soweit er wusste, hatte selbst sein mächtiger Vater Respekt vor diesem Typen. Da sähe er selbst mit Tessaiga wohl schlechter aus. Aber vielleicht bekam Kagome das Juwel ja doch zur Vernunft, vielleicht besiegte sein Vater es … Doch, würde er, bestimmt. „Wie du willst, Kleiner. Keine Sprüche. Ich möchte auch nicht zu lange darauf warten, den einstigen Herrn der westlichen Länder zu verspeisen. Und dich und deinen Anhang gleich dazu.“ Inu Yasha zog prompt. „Spinnst du? Hier wird nichts und niemand gefressen, klar?“ Er spannte sich an, da sich der Drache vor ihm in die Höhe richtete. Da würde ein Angriff kommen, er spürte die etwas gesteigerte Energie. Toll. Und was jetzt? Er hatte Schwertkampf gelernt, aber doch nicht wie man einen Wurm verknotet. Er zuckte förmlich zusammen, als aus dem großen Maul des Drachen ein Feuerball aus dämonischer Energie schoss, auf ihn zu. Nur mit Mühe konnte er beiseite hechten und den Flammen entkommen. Auweia. Das sah nicht gut aus. Hinter ihm war Papa, waren seine Freunde, und alles hing an ihm. Wo steckte eigentlich der ach so tolle große Bruder, wenn man ihn mal wirklich brauchte?   Sesshoumaru starrte nach Süden, wohlweislich, ohne sich seine Gedanken anmerken zu lassen. Noch waren nicht alle Späher zurück, noch musste er keine Entscheidung treffen. Nur, was dann? Vaters Befehl lautete eindeutig hier mit der Kerntruppe des Heeres die Grenze zu sichern. Aber irgendetwas passierte dort am Hakurei. Blieb er hier, der Anweisung des Fürsten getreu, so konnte er nicht getadelt werden. Dennoch: dieser Bannkreis war zuvor nicht dort gewesen, eine ungeheure Energie, und auch die Drachen schienen sehr an dieser Himmelsrichtung interessiert. Ging er allerdings dahin, widersetzte er sich einem klaren Befehl seines Taishou, seines Feldherrn – und das galt in allen Heeren der Welt als Meuterei. Da verstand Vater keinen Spaß. Umgedreht: hatte ihm Vater nicht oft genug in den exklusiven, privaten, Lehrstunden gesagt, dass ein guter Soldat gehorche – aber nur ein potentieller Hauptmann auch nachdenke, wenn sich eine vollkommen neue Situation ergebe, als zum Zeitpunkt des Befehls geherrscht hatte? Würde Vater ihn verstehen – oder seinen Kopf auf dem Silbertablett verlangen? Schön, er war der Erbe, aber er traute dem Inu no Taishou durchaus die Fähigkeit zu einen anderen Sohn zu zeugen. Sicher konnte er selbst nie sein, wenn er zu weit ging. Was also sollte, konnte, er tun? Vater um Rat fragen war unmöglich, und schon drei Mal nicht einen der hier Anwesenden. Dort kam noch ein Späher, ein Hundedämon. Wohl der letzte. Jetzt musste er sich bald und sicher entscheiden. Es war bereits heller Vormittag, bis er wieder selbst am Berg Hakurei war würde mehr als eine Stunde vergehen. Und was konnte, würde, hier passieren? Was planten nur diese verdammten Reptilien? Entschied er falsch, würde er wegen Gehorsamsverweigerung im Feldzug hingerichtet – oder es gab kein Fürstentum mehr, das er erben konnte. Er musste einfach richtig liegen. Inu Yasha würde sein Dilemma verstehen, da war er sich plötzlich sicher. Wo steckte eigentlich dieser törichte Bastard, wenn man ihn mal was fragen wollte?   Naraku ließ fast ein wenig enttäuscht das Fernglas sinken. Hm. Der gute Hundefürst und der Drachenprinz waren in diesem Wäldchen – gemeinsam. Und noch standen alle Bäume, noch gab es keine magische Explosion. Waren die Zwei etwa am Verhandeln? Das konnte dann nur gegen ihn gehen. Das wäre eindeutig die schlechteste aller Möglichkeiten. Er warf einen Blick über die Schulter zu dem Beutel mit seinen lebensnotwendigen Kleinigkeiten. Sollte er bleiben oder gehen? Was wäre klüger? Instinkt riet zur Flucht und sein Bauchgefühl hatte ihn schon mehr als einmal gerettet. Er fuhr herum, als er mit seiner dämonischen Seite eine deutliche Energieentladung spüren konnte. Einige Bäume loderten nur kurz auf, ehe sie zu Asche wurden. Oh, also doch. Diese zwei ach so mächtigen Dämonen waren wohl immer noch beim Muskeln spielen lassen. Angeber. Wen man nicht wiedersehen wollte, musste man umbringen. Schnell und ohne Spielchen. Auf die stand allerdings Ryuukossusei nur zu sehr. Was natürlich andersherum bedeutete, dass der werte Herr Taishou entweder sein Höllenschwert gar nicht dabei hatte oder es nicht einsetzen konnte. Das Juwel galt ja wohl kaum als Angriffswaffe. Nein. Er sollte sich einen Stuhl holen, das Fernglas in der Hand, und abwarten, was da weiter lief. Zu frühe Flucht konnte ebenso schädlich sein wie zu späte. Womöglich lief doch alles nach seinem Plan. Er sollte nicht so nervös sein. Ah, Energie – und wieder mussten einige Bäume dran glauben. Das konnte noch sehr amüsant werden, wenn der Hundefürst und der Drachenprinz so richtig loslegten. Zum Glück war sein Haus weit oben am Berg, denn danach würde kaum jemand die Gegend wieder erkennen.   Kagome entsann sich eines Schulausfluges vor Jahren. Da war sie auf einem Berg gestanden und der Wind hatte ihr langen, schwarzen Haare förmlich flattern lassen, sie ihn überall um sich gespürt, als sie in die weite Ebene geblickt hatte. Im Unterschied zu jetzt, freilich. Es war ein heftiger Sturm um sie und sie legte einen Arm schützend vor ihr Gesicht. Aber um sie war nur Schwärze, ab und an unterbrochen durch Blitze, die weit über das, was wohl der Himmel war, zuckten. Einen Boden gab es nicht, aber nach dem ersten Schreck hatte sie verstanden, dass sie hier schwebte. Wo auch immer das „hier“ war. Sie war doch gerade eben noch neben dem Fürsten gekniet und hatte sich auf das Juwel konzentriert. War das hier das Innere des Juwels? Nein, begriff sie dann. Sie musste in der Seele des Inu no Taishou sein – und diese Blitze zeugten von seiner dämonischen Energie. Hoffentlich würde sie keiner treffen. Aber, was sollte sie jetzt tun? Wo war nur das Juwel? Es war ja in seinem Körper verschwunden? Sie konnte doch unmöglich in diesem Wetter herum schweben und nach etwas suchen, von dem sie nicht einmal wusste, ob es da war? Doch, sie konnte. Sie musste nur an den armen Reddemon denken, der so mühsam seine Tränen zurückgehalten hatte. Er hatte nichts weiter getan als ihr geholfen. Da musste sie zumindest versuchen seinen offenkundig so geliebten Papa aus dem Bann dieses Schmuckes zu befreien. Immerhin war die Erschafferin des Juwels ja eine Higurashi gewesen. Da war sie selbst quasi jetzt dafür verantwortlich. Überdies war ja sonst niemand hier. Zum Dritten hatte ihr der Fürst jedenfalls einen Einbruch in seinen Safe verziehen, da konnte sie ihn doch jetzt nicht hängen lassen. Erneut sah sie sich in dem Unwetter um. Täuschte sie sich oder kamen ihr die Blitze zum Teil bedenklich nahe? Aber keiner berührte sie. Moment. Sie musste blinzeln und länger hinstarren, ehe sie erkannte, dass sie sich nicht geirrt hatte. Mitten in dieser wirbelnden Dunkelheit leuchtete etwas entfernt. Natürlich. Opa hatte doch erzählt, dass eine Priesterin das Juwel erschaffen hatte und ihre Seele nun darin sei. Diese Energie war gewiss hier in der dämonischen der Gegenpart. Dort musste sie also hin. Diese Priesterin würde ihr doch bestimmt helfen, würde sie verstehen, dass sie doch nur helfen wollte. Kagome konzentrierte sich und bemerkte fast begeistert, dass sie wirklich auf diese Helle zuflog. „Midoriko?“ schrie sie. „Midoriko?“   Im Juwel der vier Seelen herrschte erneut eine fast gespenstisch anmutende Stille, ehe der Dämon fragte: „Was hast du gerade gesagt, Juwel?“ „Da will jemand unseren Körper fressen.“ „Ah, ein anderer Dämon hat wohl bemerkt, dass unser Hund hier bewusstlos ist durch seine Abwehr gegen uns. Nun gut, wenn der einen eigensüchtigen Wunsch hat, landet er eben hier.“ „Es gibt ein Problem.“ „Nur eines?“ Midoriko klang fast etwas spöttisch. „Auf diese Weise erhöht sich die Anzahl meiner Gegner drastisch. Aber die Menschen werden von ihnen befreit.“ „Äh, das sind gleich mehrere Annahmen, die falsch sind.“ Der Geist des Juwels sah von einer der Seelen vor ihm zu der anderen. „Erstens: es ist ein Drache, der den Taishou hier fressen will. Ja, das wäre an sich kein Problem, es gab wohl noch nie einen selbstlosen Drachen, er würde hier landen. Aber, wenn ihr zwei euch entsinnt: der Taishou hatte einen Wunsch, der absolut uneigennützig war. Nach allem, was mir auferlegt wurde, muss ich seinen Wunsch erfüllen.“ „Und...?“ dehnte der Dämon. „Um zu verhindern, dass jemand seinen Vater frisst, hat sich der Welpe in einen Kampf mit dem Drachen gestürzt. Ihn und die Anderen muss ich schützen – aber das würde nur gehen, wenn ich den Taishou aus meiner Kontrolle entlasse. Wird der Kleine gefressen und dann die Anderen, ist der Wunsch nicht erfüllt und ich samt euch werde vernichtet. Magie hat ihre eigenen Gesetze, ihr wisst.“ „Immerhin scheint dieses Halbblut dämonische Eigenschaften geerbt zu haben.“ Der Dämon dachte jedoch nach. „Du kannst den Taishou nicht freigeben?“ „Nicht, ohne dass er die Kontrolle über sich wieder bekommt. Das wäre auch nicht positiv für mich. Der Kampf, den ihr hier ausführt, in alle Ewigkeit, wird sich dann zwischen ihm und mir abspielen.“ „Unsinn. Er ist Dämon, ich bin Dämon, das andere hier sind Dämonen, wir werden uns verstehen. Und unsere gute Midoriko steht allein.“ „Du vergisst seine etwas ….undämonische Eigenheit des Beschützers. Ich bin momentan eher auf deiner Seite, aber er könnte zu Midoriko schwenken.“ „Selbst dann wäre es halb zu halb zwischen uns. Und du stehst auf meiner Seite.“ Der Geist des Juwel blickte zu der Priesterin. Sie wirkte nicht sonderlich glücklich – und er kannte sie. Sie schätzte ebenfalls die Möglichkeiten ab. „Wir müssen den Welpen beschützen,“ sagte er. „Nur, wie?“ „Du kannst doch die Seele des Drachen aufnehmen,“ schlug der Dämon prompt vor. „Nein, das geht nur, wenn er einen eigensüchtigen Wunsch an mich richtet oder das Bestandteil eines Wunsches war.“ „Also könntest du diesen Naraku übernehmen?“ „Ja, aber das hilft nicht bei dem Drachen.“ Das Juwel seufzte. „Der Junge wird anscheinend schwächer. Und dieser Drache spielt ja nur mit ihm.Wir müssen uns entscheiden. Und das schnell.“   Inu Yasha raffte sich mit einem inneren Fluchen auf. Diese Feuerbälle aus dem Maul dieser jämmerlichen Blindschleiche waren heiß, schmerzten und waren zu allem Überfluss äußerst zielgerichtet. Immerhin hatte er es zunächst geschafft, dass zuerst nur die Bäume des Wäldchens dran glauben mussten, aber einige Male hatte dieser Ryuukossusei auch ihn getroffen – und dann hatte ihm selbst sein Feuerrattengewand nicht schützen können. Nun ja, es hatte ihn geschützt, davon zeugten die schwarzen Brandspuren auf seiner Kleidung, aber dennoch war er einige Male verletzt worden. Und das zusätzlich zu den ganzen Schnittwunden, die er noch immer von dem Kampf gegen diesen Söldner hatte. Schön, die heilten, aber deutlich langsamer als geplant, da er sich hier gegen den Drachenprinzen doch verausgaben musste. Der hatte ein paar Mal auf seinen Vater und seine Freunde gezielt und ihn so gezwungen sich dazwischen zu werfen, wie gerade eben. Und die Windnarbe, die doch immerhin Sesshoumaru so verletzt hatte, half gegen die Schuppen dieses Drachen leider überhaupt nichts. „Verdammt, du zu groß geratener Regenwurm: ich bin dein Gegner! Lass die in Ruhe!“ schrie er. „Oh, Kleiner, so macht es doch mehr Spaß.“ Ryuukossusei rollte sich etwas zusammen, um Spannung in seinem Körper für den nächsten Angriff zu sammeln. Ja, das genoss er. Das Schicksalsspiel musste bis zum Ende gespielt werden, damit bekam das Mahl erst die Würze. Mit einem raschen Blick auf den Taishou erkannte er, dass der sich immer noch nicht regte. Überdies hatte der dumme Hund das Höllenschwert nicht dabei. Die Falle, in die dieser Naraku ihn gelockt hatte, musste wirklich heimtückisch gewesen sein. Hm. Vielleicht war der Kerl doch als Berater brauchbar. Fressen konnte er ihn später auch noch. Ach du je, wieder diese Windnarbe. Hatte diese halbe Portion denn noch immer nicht verstanden, dass die nichts gegen seine Panzerung half? Drachenhaut war stets schwer zu durchdringen, aber seine war absolut unbezwingbar. Das hatte nicht zuletzt sein älterer Bruder festgestellt, der nun im Jenseits das bezeugen konnte. Vielleicht sollte er die Sache jetzt doch beenden. Zuerst der Junge, dann, zur Sicherheit der Fürst, ehe der doch noch aufwachte, dann der Wolfsdämon und zum Schluss die Menschen, als letztes die Mädchen, ja. Die waren immer besonders zart. Und danach konnte er sich ja mal anhören, was Naraku ihm noch so an Vorschlägen machen konnte. Immerhin – diese Einführung war schon mal gar nicht schlecht gewesen. Und jetzt sollte er zur Sache kommen. Kapitel 28: Zeit für ein Duell ------------------------------ Sango, die noch immer unwillkürlich die Hand am Schwert hielt, sah zu dem jungen Wolfsdämon hinter sich. Der hatte es zwar auf beide Füße geschafft, wirkte aber immer noch deutlich unsicher. Auch hatte er das Schwert nicht gezogen. „Kouga?“ flüsterte sie, Höflichkeit gegenüber einem Angestellten der Konzernleitung hin oder her. „Wir müssen Inu Yasha helfen....“ „Nein.“ Dem militärisch erzogenen Dämon war das klar. „Mein Schwur lautet auf meinen Taishou. Ich muss meinen Fürsten schützen, gleich, was sonst passiert. Aber ehrlich, Menschenmädchen, wir hätten keine Chance. Das ist der Drachenprinz, Ryuukossusei.“ Das sagte ihr nur, dass der Kerl ab und an in der Klatschpresse auftauchte. Aber dank ihrer Ausbildung war ihr bewusst, dass Drachen nicht gerade unter „leicht zu besiegen“ fielen. Warum nur wachte der Fürst nicht auf? Wo steckte der Erbprinz? Und, wie lange hielt Inu Yasha noch durch? Der wurde soeben von einer Explosion förmlich zu Boden geschleudert und blieb mit dem Gesicht voran auf dem verbrannten Gras liegen. Irrte sie sich oder stieg Rauch von seiner Kleidung auf? Sie musste doch etwas tun! Was machte denn eigentlich dieser Mönch? Sie suchte seinen Blick. Miroku bemerkte es und schüttelte den Kopf, ehe er ihn zu ihr drehte, da sich Inu Yasha aufrichtete, mühsam, und sichtlich erschöpft. „Er opfert sich für seinen Vater,“ flüsterte er. „Machen wir das nicht vergebens. Der Fürst … oder, genauer, Kagome, sind wohl die Einzigen, die hier was ausrichten können.“ Kagome! Sango fuhr förmlich herum. Ihre Freundin lag offenbar nicht bei Bewusstsein auf dem regungslosen Fürsten, den Kopf an dessen Brustpanzer. Ein fast idyllisches Bild, aber, wenn so die einzige Hoffnung aussah … Hilfe! Genau, wo zum Henker steckte eigentlich ihr eigener Erbprinz, um dem Drachen mal selbst Feuer unter dem Schwanz zu machen? War etwa auch Sesshoumaru in eine Falle geraten? Was lief hier? Ein fataler Drachenplan? Und zwei Bewusstlose sollten die Rettung sein? Oh ihr Götter!   Sesshoumaru hatte sich den Bericht des letzten Boten angehört: Wieder eine gut verborgene Drachenspur nach Süden. Jetzt musste er sich entscheiden. Für Gehorsam oder Meuterei, für die Rettung des Fürstentums oder Hochverrat. Hoffentlich würde Vater ihn verstehen. Er sah eigentlich nur eine Möglichkeit allem gerecht zu werden. Die Krieger mussten die Nordgrenze schützen – und er selbst zum Berg Hakurei um dort die Lage zu überprüfen. In knapp drei Stunden konnte er wieder hier sein, wenn da nichts Weiteres passiert war. Würde er allerdings dort auf Ryuukossusei treffen, würde mit Sicherheit auf ihn ein harter Kampf warten. Und die Krieger stünden allein einer möglichen Invasion gegenüber. Nun, es half nichts, er musste sich entscheiden. So winkte er den Adjutanten zu sich. „Ich werde selbst der Spur folgen, nach Süden, um bis zum Berge Hakurei alles zu überprüfen. Wenn ich in drei Stunden nicht zurück bin, schickt unverzüglich einen Boten an den Fürsten mit dieser Nachricht: Krieger und, wenn möglich, mein Herr und Vater selbst, sollten zum Berg Hakurei, weitere Truppen hier an die Grenze. - Während meiner Abwesenheit hast du das Kommando. Und lasse alle in Alarmbereitschaft.“ „Ja, Sesshoumaru-sama.“ Was sollte man dazu schon sagen? Wenn der Erbprinz tatsächlich auf Drachen am Hakurei stieß, nun, so war er wohl der Einzige, der einen Kampf zumindest durchstehen konnte, bis der Fürst samt Höllenschwert eintraf. Wenn nicht, wäre er eben in drei Stunden wieder hier, und so lange sollte eine so große Truppe eines kampferprobten Heeres doch auch gegen Drachen überleben. Im nächsten Moment wich der Hundedämon zurück, da er die aufwallende Energie verspürte, die nur scheinbar menschliche Gestalt vor sich größer und verschwommener werden sah. Ja, das war der Sohn seiner Eltern – da war mehr Macht in einer Hand als in seinem eigenen, gesamten, Körper. So sah er nur dem riesigen, weißen Hund nach, noch immer etwas kleiner als der Fürst in seiner wahren Gestalt, der nach Südost galoppierte. Was half es. Der Adjutant gab die Anweisungen weiter.   Inu Yasha blieb länger auf dem Boden als es notwendig gewesen war, aber er wollte einen Moment Pause vor diesen stetigen Energieattacken erhalten. Tot stellen war peinlich, aber nur eine Sekunde durchzuschnaufen das wert. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sein Vater noch immer regungslos auf dem Boden lag – und Kagome irgendwie über den drüber gefallen war. Es sah ja fast rührend aus, aber hoffentlich bekam die arme Juwel nicht gleich wieder Ärger. Sie war bestimmt auch schon wieder ohnmächtig geworden. Verdammt, er musste sie doch beschützen! Mit gewisser Dankbarkeit realisierte er, dass sich Kouga, Sango und Miroku vor die Zwei postiert hatten, aber ihm war nach den letzten, so lange erscheinenden, Minuten nur zu klar, dass keiner der Drei auch nur eine Chance gegen diesen Drachenprinzen hatte. Niemand außer Vater, der bestimmt. Und solange musste er selbst eben durchhalten. Irgendwie. Die Windnarbe schien diesem dämlichen Ryuukossusei ja nichts anhaben zu können, aber sie beschäftigte den Idioten immerhin. Das musste erst einmal reichen, bis er entweder einen ganz brillanten Plan hatte oder Kagome das Juwel beruhigt hatte oder Papa eingreifen konnte. Am Besten alles zusammen. Denn allzu lange würde er selber hier auch nicht mehr durchhalten, das verrieten ihm die dunklen Flecken, die immer öfter vor seinen Augen tanzten, die scheinbar immer stärker werdenden Schmerzen überall. Als er sich aufraffte, dachte er, dass er wohl tatsächlich seinem Halbbruder dankbar ein sollte, ihn in den letzten Monaten so hart im Training ran genommen zu haben. Noch vor einem Jahr wäre er mit einem derartigen Kampf, mit Blut, Schweiß und Tränen, hoffnungslos überfordert worden. Hatten Vater und Bruder gewusst, dass solche Kämpfe kommen würden und ihn darauf vorbereiten wollen? Gleich. Er musste hier weiter machen, egal wie. Nur noch ein bisschen …   Ryuukossusei richtete sich etwas auf und betrachtete den sichtlich erschöpften Halbdämon. „Ach ja. Halber Dämon, halbe Kraft,“ spottete er. „Aber stur bist du ja. Nun gut. Spielen wir also weiter.“ „Keh! Ich schwöre dir, du wirst dich noch wundern!“ Aber Inu Yasha wusste selbst, dass er nicht so sicher klang, wie er es gern noch gehabt hätte. Vater, Kagome, Miroku, Sango, Kouga ...Er durfte nicht aufgeben. Und er würde nicht aufgeben. So hob er Tessaiga. Noch eine Runde einstecken, noch eine Runde mehr Verletzungen, aber mehr Zeit geschunden.   Naraku konnte den ungleichen Kampf inzwischen gut mit seinem Fernglas verfolgen. Die meisten Bäume des Wäldchens existierten nicht mehr und hinter dem Drachenprinzen hatten sich tiefe Scharten in den Boden gefressen. Dieser Angriff des Halbdämons war anscheinend nicht von schlechten Eltern, nun ja, schlechtem Papa. Es war allerdings deutlich zu sehen, dass der Kleine müde war, und keine Chance besaß, die Schuppen Ryuukossuseis zu durchdringen. Das bedeutete, er musste fast ein wenig schmunzeln, dass der Fürst, der anscheinend aus irgendeinem Grund bewusstlos geworden war, nur zu bald im Maul eines Drachen enden würde. Wie wunderbar stillos. Das wiederum hieß, dass Sesshoumaru dann sein einziger Gegner wäre, ehe er den Westen für sich reklamieren konnte. Und der sollte für den Drachen hier doch erst recht kein Problem sein. Er selbst musste dem nur zureden, dass der wieder in sein eigenes Fürstentum nach Norden ging, natürlich vorgeblich, um keine Rachegefühle aufkommen zu lassen, sobald der mit dem Erbprinzen fertig geworden war. Wunderbar. Dann konnte er selbst hingehen, das Höllenschwert nehmen, mit dem Juwel gleich dazu, und er war unangefochten der Herr der westlichen Länder. Was wiederum bedeutete, dass sich Ryuukossusei als entbehrlich erwies. Sollte der es wagen in den Westen einfallen, müsste er ihm eben dann das Heer entgegen schicken, im äußersten Notall selbst mitgehen. Er persönlich verabscheute zwar Kampf und das damit verbundene Risiko für sich, aber, was konnte ihm dann mit dem Höllenschwert schon passieren. Jetzt sollte er lieber noch dem so genannten Kampf des Kleinen gegen den Drachen zusehen – fast so schön wie im Fernsehen. Hm. Hatte er nicht irgend wo noch eine Tüte Wasabi-Erdnüsse?   Kagome war dem hellen Punkt irgendwo in der Seele des Taishou nahe genug gekommen, um zu erkennen, dass es sich um eine dunkle Kugel mit hellem Kern handelte. Das musste das Juwel sein, auch, wenn es jetzt irgendwie anders aussah als in der Kammer. Lebendiger, hätte sie fast gesagt, denn es schien im Dunkel zu leuchten. Die Energien des Fürsten zuckten hier förmlich herum, als wolle er sich dagegen wehren. Ein Blitz fuhr knapp an ihr vorbei. Au weia. Sie wäre gern verschwunden, aber Inu Yasha würde sehr traurig sein, wenn er seinen Papa verlor, sie wusste noch, wie sie geweint hatte, als der ihre starb. „Midoriko!“ schrie sie erneut. Was sollte sie auch sonst tun.   Zu ihrer grenzenlosen Überraschung zog etwas an ihr. Als sie sich erschreckt umsah, schwebte sie in einer schwarzen, aber ruhigen, Welt vor drei anderen Personen, von denen sie zwei anstarrten. Kagome war das völlig gleich, sie hielt sich an die einzige Seele, die sie ihrer Meinung nach unterstützen konnte. „Midoriko, ehrwürdige Ahnin! Bin ich froh, dich gefunden zu haben. Du musst mir helfen!“ Kagome entging der amüsierte Ausdruck, der über das Gesicht des Dämons huschte, ebenso wie der fast genüssliche des Geistes des Juwels. Midoriko stutzte dagegen. „Vorfahrin?“ Sie hatte doch keine Kinder, als Schreinjungfrau. „Nun ja, nicht direkt. Aber dein Bruder ist mein Vorfahre. - Bitte, das Juwel muss wieder raus aus dem Fürsten, damit er wieder zu Bewusstsein kommt.“ „Sekunde,“ unterbrach das Juwel, das schon eine zweite Priesterin in sich gesehen hatte, trotz der alles andere als passenden Kleidung. „Du hast einen Wunsch, aber nicht für dich?“ „Äh, ja. Darf man das nicht?“ Kagome wurde verlegen. Hatten diese anderen Beiden auch was zu sagen? Oh, es hieß ja Juwel der vier Seelen. Gab es dann irgendwo noch jemanden? Sie blickte sich zögernd um, aber da war nichts. „Dürfen, nun ja,“ erklärte Midoriko doch. „Es wundert mich nur, sagen wir, es ist sehr ungewöhnlich, dass jemand mit weißer Magie, denn die hast du eindeutig, Kind, für einen Dämon bittet.“ „Ach, es ist ja wegen Reddemon, er wäre doch so traurig, wenn mit seinem Papa was passiert.“ Kagome wäre gern rot geworden, aber das konnte sie hier wohl nicht. Was musste sie damit auch raus platzen. Aber diese Drei sahen sie so eigenartig an. Was war nur los? „Ist dieser Reddemon der Junge, der Halbdämon, der da gerade gegen einen Drachen kämpft?“ erkundigte sich der Geist des Juwels. Kagome erschrak. „Wieso macht er denn das? Ach, Inu Yasha!“ Er wollte bestimmt seinem Papa helfen. Aber, wo kam denn nur der Drache her? Und der Fürst wachte nicht auf! „Ja, wie heißt er denn jetzt? Reddemon oder Inu Yasha?“ erkundigte sich der Dämon. „Er ist jedenfalls ein Bastard.“ Kagome schnaufte empört über diese Bezeichnung. „Er ist der jüngere Sohn unseres Fürsten. Bitte, lasst seinen Vater aufwachen, damit er ihm helfen kann!“ Der arme Reddemon! Er hatte ihr nur helfen wollen mit diesem dämlichen Juwel, dem noch dämlicheren Naraku – und war jetzt in Gefahr für Leib und Leben, Gefahr seinen Vater zu verlieren … Sie sah, dass die drei Geister sie anstarrten. Konnten sie etwa ihre Gedanken lesen oder hatte sie laut gesprochen? „Naraku, ja?“ Der Geist des Juwels dachte nach. „Der hat dich bedroht und der Halbhund wollte dir helfen. Sein Vater wollte ihn und dich und die anderen Welpen beschützen, das war sein Wunsch an mich. Deiner ist ungewöhnlich, aber ich kann nicht behaupten eigennützig. Was ist nur aus dieser Welt geworden?“ „Das frage ich mich auch,“ murrte der Dämon, war jedoch andererseits froh, dass keine zweite Priesterin hier eingesperrt wurde. „Es gibt nur einen Weg,“ meinte Midoriko. „Du, Juwel, musst den Fürsten aufwachen lassen, seinen Wunsch erfüllen, so will es die Magie. Andererseits hat dieses Kind sein Gutes. Für mich, natürlich.“ Sie mochte sich für die Menschen geopfert haben, aber sie war keine Närrin und wusste wohl besser als sonst wer, was sie getan hatte. Der Geist des Juwels, der des Dämons und Kagome sahen sie auch überrascht an. So ergänzte sie: „Du bist mit deiner Seele im Juwel der vier Seelen. Auch, wenn der Fürst aufwacht, und es dir gelingt wieder in deinen Körper zu gelangen – wenn, sage ich -, so bleibt ein Teil deiner Selbst immer hier. Und das bedeutet, das Juwel, zumal wenn der Fürst, wie du ihn nennst, schützen will, bleibt rein, solange es mit ihm vereint ist. Und unser Kampf wird solange schweigen, bis er stirbt.“ „Ein Teil von mir bleibt immer hier?“ fragte Kagome erschüttert. Und es war gar nicht so einfach wieder zurück in ihren eigenen Körper zu kehren? „Du hast keine Ausbildung oder Ahnung von Magie, nicht wahr? Du bist einfach eine Higurashi und damit sehr talentiert. Wieso nur hat dich niemand ausgebildet?“ „Das, äh, ist sehr ungewöhnlich heutzutage. Ich meine, ich wusste bis vor Kurzem ja nicht einmal, dass ich talentiert wäre,“ erklärte Kagome verlegen. „Ich lerne Arbeit im Büro.“ „Was für eine Verschwendung!“ tadelte Midoriko sofort. „Aber, ich verstehe. Es ist nicht notwendig, Menschen vor Dämonen zu schützen, da der Fürst das tut?“ „Ja, seit die Dämonen den Großen Krieg gewonnen haben, herrscht er über den Westen. Andere im Osten und Süden, Drachen im Norden.“ „Dann ist der Hundejunge gerade dabei einen Krieg vom Zaun zu brechen,“ deutete der Geist des Dämons fast vergnügt an. „Das gibt Blut!“ „Unsinn!“ Das Juwel bewies sofort, dass es umgeschwenkt war und merklich heller geworden war. „Geh jetzt, Mädchen, und versuche dich wieder auf deinen Körper zu besinnen. Du kannst hier weg. Und ich werde wohl den Fürsten sich aus meinem Griff befreien lassen, sobald du aus ihm bist. Hat er eigentlich auch einen Namen?“ „Inu no Taishou.“ Kagome verneigt sich höflich. „Vielen Dank, euch allen.“ Sie sollte sich auf ihren Körper konzentrieren? Ja, aber wie machte man das? Das konnte dauern. Aber offenbar sollte der Fürst erst aufwachen, wenn sie aus ihm draußen war, nicht mehr mit ihrer Seele in der seinen steckte. Das war wohl gefährlich. Oh, gefährlich! Der arme Inu Yasha gegen einen Drachen! Sie sollt sich wirklich beeilen. Wie fühlte sich ihr Körper denn nur an? Wie war das? Sie erinnerte sich fast nicht mehr. Geschah das etwa, wenn man zu lange in diesem Juwel steckte? Dann war es wohl wirklich höchste Eisenbahn. Magie, nein, danke. Wenn sie hier heil herauskam, würde sie das nie wieder machen!   Inu Yasha blieb wieder auf dem Boden liegen. Jedes Mal, wenn diese überdimensionierte Eidechse ihn erwischte, tat es mehr weh, wurde es schwieriger noch einmal aufzustehen, Tessaiga zu erheben. Aber Aufgeben – nie! Als er sich mühsam erhob, stellte er fest, dass er fast am Ende war. Seine Klinge war groß, schwer und er konnte sie mit beiden Händen kaum mehr halten. Die Flecken, die vor seinen Augen tanzten, waren blutrot geworden, und ihm wurde bewusst, dass er keine Zeit mehr herausholen konnte. Alles, was ihm noch blieb, wäre ein einziger Schlag, eine einzige Abwehr. Dann war alles aus. Er hatte seine Freunde, seinen Vater nicht beschützen können, der Drache würde sie fressen. Ihn und sie. Er hatte versagt. Nein, das sollte nicht passieren. Wenn Sesshoumaru hiervon erfuhr, er der neue Fürst war, sollte er wenigstens erfahren, dass sein kleiner Bruder zwar versagt hatte, aber sich eine Lektion von ihm tatsächlich angehört hatte – in einem Kampf auf Leben und Tod sei alles erlaubt. Nein. Er würde seine letzte Kraft nicht in eine Abwehr setzen, er würde angreifen. Irgendwie. Mit der Windnarbe kam er nicht durch, das wusste er, aber er würde eben einfach dreinschlagen, irgendwie. Und er würde kämpfend untergehen. Der Junge fasste Tessaiga fester und richtete sich auf.   Ryuukossusei musterte ihn spöttisch. „Naja, war nett mit dir zu spielen, aber jetzt habe ich wirklich keine Lust mehr. Du kannst ja kaum mehr stehen. - Und, wie ich sehe, wacht dein Papi langsam auf. Wunderbar, da kann er sogar merken, dass er gefressen wird. Macht mehr Spaß, so von unten nach oben, bei vollem Bewusstsein. Mir natürlich, nur.“   Papa? Aber das dämonische Kampftraining des Fürstensohnes verhinderte, dass er den Kopf wandte. Es konnte eine Lüge sein um ihn abzulenken, ja, würde es. Er hatte ja auch von Kagome nichts mehr gehört. Und hinzugucken, die Augen vom Gegner abzuwenden, hatte er längst nicht gewagt. Ehrlich gesagt, er sah kaum mehr etwas. „Keh!“ gab er dennoch zurück, seine letzten Kräfte und dämonische Energie sammelnd. „Ich habe dir doch gesagt, dass hier niemand gefressen wird, du Vollidiot!“ Tessaiga! Es pulsierte, als wolle es ihm etwas zeigen. Hatte er etwas übersehen? Die Windnarbe hatte er ja auch nur gefunden, weil er buchstäblich blind seinem Schwert vertraut hatte, die dämonische Energie Sesshoumarus und deren Reibung mit der Luft gewittert hatte. Was konnte es nur hier sein? Ja, klar. Dämonische Energie besaß dieses Reptil auch, daraufhin hatte er es ja die ganze Zeit mit der Windnarbe versucht, aber diese Schuppen waren einfach zu dick. Er hatte nur noch eine Chance, nur einen einzigen Angriff. Und das musste einfach klappen. Dämonische Energie des Drachen, ja. Die musste er zerschlagen, das war es. Das hatte er noch nicht versucht. Und er hatte nur noch diesen einen Versuch. Ryuukossusei öffnete wieder das Maul – es würde gleich wieder einen Angriff mit dieser heißen Kugel geben. Das reichte ja leider auch. Egal. Ein letzter Schlag, ein letztes Mal, in diesem Kampf …   Als Kagome bewusst geworden war, dass sie sich wieder in der festen Umhüllung ihres Körpers befand, allerdings sicher kaum protokollgerecht auf dem Fürsten lag, hatte sie sich wenigstens hinunter rollen lassen, zu schwach, um aufzustehen. So konnte sie nur hilflos zusehen, wie der arme Reddemon gegen einen riesigen Drachen kämpfte. Wie es das Juwel gesagt hatte, versuchte er seine Freunde und seinen Vater zu schützen. Er war doch so ein netter Kerl!   Der Inu no Taishou öffnete mühsam die Augen und fasste unwillkürlich nach seiner Brust. Das Juwel! Es war mit ihm verschmolzen, hatte ihn förmlich übernehmen wollen, aber das hatte nicht funktioniert. Allerdings hatte dieser seelische Kampf seine Energiereserven massiv eingeschränkt. So schwach hatte er sich schon lange nicht gefühlt … Ihr Götter! Irgendwie gelang es ihm sich aufzurichten, in die Knie zu kommen. Sein Welpe! Ryuukossusei! Und, wie sah der Junge aus! Er kämpfte wohl schon länger gegen den übermächtigen Gegner. Tessaiga hin oder her, das war doch nicht zu schaffen! Und, er selbst hatte das Höllenschwert nicht dabei! Überdies war er momentan einfach mit einem zu niedrigen Energiepegel ausgestattet, um sich auch nur verwandeln zu können und einen Kampf Hund gegen Drache zu beginnen. Inu Yasha! Er musste ihn doch beschützen! Was machte der Kleine denn? War er schon so erschöpft, dass er die einfachsten Kampfregeln nicht mehr kannte? Der Vater sah ebenso entsetzt wie Kouga und die Menschen zu, dass der Halbdämon diesmal die Energiekugel nicht erwartete, sondern ihr förmlich entgegensprang.   Dämonische Energie, dachte Inu Yasha nur. Die musste er zerstören, das schien Tessaiga angedeutet zu haben, denn das Pulsieren wurde stärker, als er sich der massiven, heißen Drachenenergie näherte. Mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, schlug er dorthin. Seine Klinge zitterte und seine Arme schmerzten, als ob er förmlich festen Boden getroffen hätte. Ohne weiter Nachzudenken riss er seine Waffe hoch und warf die Macht Ryuukossuseis gegen diesen zurück, allerdings wie bei der Windnarbe mit all der eigenen, die er irgendwie noch besaß. Es entstand ein förmlicher Wirbelsturm aus dämonischer Energie, der sich rasch aufteilte und als viele, kleinere, Tornados auf den Drachenprinzen zuraste, der erst viel zu spät begriff, dass seine Panzerung gegen seine eigene Macht plus der des Gegners keinen Bestand haben würde.   Inu Yasha starrte für einen langen Moment auf die Überreste dessen, was eben noch ein mächtiges Reptil gewesen war, ehe er langsam den Griff um sein Schwert losließ, ebenso langsam in die Knie brach und zu Boden fiel, vollkommen am Ende seiner Kräfte. Dämonische Energie und eine Bewegung aus den Augenwinkeln ließ ihn jedoch den Kopf drehen.     Kapitel 29: Energie -------------------   Inu Yasha war so erschöpft, dass er kaum die Gestalt identifizieren konnte, ehe er doch seinen Halbbruder erkannte. Spät, aber doch. Sesshoumaru war endlich gekommen, er hatte lange genug durchgehalten. Der Junge blieb einfach auf der Erde liegen und entspannte sich.   Der Erbprinz hatte aus der Entfernung noch die Energien hier wahrnehmen können, ebenso, dass eine, mächtige, erloschen war. Da er der Spur des Drachen bis hier gefolgt war, dieser nicht mehr existierte und sein Vater offenbar einen niedrigen Energiepegel besaß, zog er einen einfachen Schluss. „Es ist Ihnen gelungen, mein verehrter Herr und Vater, Ryuukossusei zu besiegen.“ „Nein.“ Der Fürst erhob sich mühsam. „Das war dein kleiner Bruder.“ Der Blick Sesshoumarus glitt zu dem Halbdämon. Nun, er war sicher der Letzte, der nicht wusste, was diese Windnarbe vermochte – aber das gegen den Drachenprinzen? Oder war da noch etwas anderes im Spiel gewesen? Gleich. Hatte er sich nicht schon gedacht, dass mit diesem Tessaiga der Kleine zu einem bemerkenswerten Gegner heranwuchs? Er sah eilig wieder zu seinem Vater. Wie unhöflich, einen Fürsten zu missachten, ja, töricht, zumal, wenn man offenkundig dessen Befehl nicht gehorcht hatte. Vorsorglich neigte er den Kopf.   Der Taishou war sogar froh darüber, dass sein Ältester selbständig mitgedacht hatte, wusste jedoch, dass die strikte Kommandostruktur der Dämonen, die er auch seinem Erben eingebläut hatte, herrschte, und der auf einen Tadel wartete. „Gut, dass du gekommen bist. Offenbar hast du den Unterschied zwischen blindem Gehorsam und Verantwortung erkannt. - Komm, wir Zwei suchen nach Naraku. Etwas in mir schreit, dass er sich dort oben auf dem Berg befindet. Und etwas in mir schreit nach seinem Blut.“ Er blickte zu den Menschen. „Kümmert euch um Inu Yasha und Kagome. Ich denke, wenn der heutige Tag Helden hat, dann diese Zwei.“ Sie hatten beide etwas gut bei ihm, diese halben Kinder. Sein jüngster Sohn, weil er bewiesen hatte, dass er ihn in absoluter Loyalität beschützen wollte und, erschwerend, das auch konnte, dass er mehr als ein Dämonenkrieger leisten konnte, das Mädchen, weil er durchaus mitbekommen hatte, dass sie in seiner Seele gewesen war, dieses unglaubliche Risiko eingegangen war, sich dem Juwel selbst zu stellen. Sicher, sie war eine Higurashi, aber dennoch. Ohne sie hätte er nicht sein Bewusstsein zurückerlangt – höchstens als Sklave des Juwels, das anscheinend ebenso höllische Eigenschaften besaß wie sein Schwert. Immerhin war es nun ruhig und schien sich seinem Willen zu beugen. Darüber sollte er später nachdenken. „Sesshoumaru, geh links um den Berg, ich rechts. Wir werden den Verräter auftreiben.“ Der Erbprinz war zu strikt erzogen, um auch nur einen leisen Zweifel daran zu denken, dass sein Vater kaum in der Lage wäre diesen Naraku selbst zu erledigen. Noch immer war der Energiepegel des Fürsten recht niedrig. Sesshoumaru hoffte, dass er von seiner Familie doch erzählt bekam, was sich hier abgespielt hatte. Nun ja, wenn nicht, würde Kouga mit der Antwort herausrücken müssen.   Kaum, dass die zwei Hundedämonen weg waren, stürzte sich Sango förmlich auf Kagome und Miroku auf In Yasha. „He, wie geht’s dir?“ war die seltsam einhellige Frage, ehe sich doch die Ansichten trennten. „Arme Kagome,“ murmelte Sango. „Aber du hast es geschafft, du hast den Fürsten gerettet. Was ist jetzt mit dem Juwel?“ „Ich weiß es nicht so genau,“ murmelte Kagome und kuschelte sich einfach in den Arm ihrer Freundin, eine Geste, die Kouga ein inneres Seufzen entlockte. „Sie ...sie sagten, ein Teil von mir sei jetzt in dem Juwel, aber ich merke nichts. Vielleicht bin ich auch nur zu müde.“ „Das sicher. Du hast vermutlich, ebenso wie wir, die ganze Nacht nicht geschlafen. Das wird schon alles gut. Ein heißes Bad für uns, dann ab ins Bett. Bald.“ Ein Teil von ihr im Juwel und das wiederum im Fürsten? Sango war zu gut ausgebildet, um das nicht merkwürdig – und riskant – zu finden. Aber jetzt erst einmal sollte sie nichts dazu sagen. Kagome war an der Grenze der menschlichen Leistungsfähigkeit, ja, schlief ein, und sie selbst war auch nicht gerade das, was man fit nannte.   Miroku dagegen zog den Halbdämon etwas auf. „Mann, Kumpel jetzt lass dich doch mal ansehen. Schrecklich. Sicher, dass ich keinen Notarzt rufen soll?“ Ach ja, sie hatten ja gar kein Handy dabei. Er war offenbar auch erschöpft nach diesem unendlichen, nächtlichen, Abenteuer mit dem Giftmischer und dem Fluchbrechen. „Keh, ich bin kein Mensch, das heilt schon wieder. Der blöde Drache war nur der zweite Kampf nacheinander ...“ Inu Yasha sah langsam um sich. „Kagome hat alles überstanden?“ „Ja, sie ist nur sehr müde, aber du wohl auch.“ „War da nicht Sesshoumaru?“ Oder hatte er ihn sich nur eingebildet? „Ja, er und der Fürst sind weg auf die Suche nach einem Naraku.“ „Fein.“ Der jüngste Prinz grinste ein sehr dämonisches Lächeln. Miroku stutzte. „Was war denn los?“ „Der Mistkerl hat die arme Kagome richtig in Schwierigkeiten gebracht. Außerdem anscheinend die Drachen eingeladen. Das finden Vater und Sess vermutlich noch weniger witzig.“ Vater und Sess … Das war kaum protokollgerecht, oder auch nur für das Kendama passend. Miroku sah sich gezwungen zu sagen: „Da drüben steht Kouga, der ist auch langsam wieder fit. Dämonen heilen schneller. Sango ist auch da.“ „Ja, alles klar.“ Er spürte, wie seine Energie wieder floss und das war ein verflixt gutes Gefühl. Hinzu kam, dass ihm langsam bewusst wurde, dass er seinem Vater, seinen Freunden, das Leben gerettet hatte, mit einem Typen fertig geworden war, von dem selbst der Inu no Taishou mit Respekt sprach … Es konnte nur gut enden. Alles würde gut werden, das sollte er wohl Kagome sagen. Aber ein zweiter Blick verriet ihm, dass sie eingeschlafen war. Das war eine gute Idee. So schloss er einfach die Augen.   Naraku hatte sich soeben die letzte Handvoll Erdnüsse einwerfen wollen, als er sich verschluckte. Was war das denn gewesen? Und – wo war der Drachenprinz? Immerhin fiel der Kleine jetzt zu Boden, der war ausgeschaltet. Aber, wo steckte Ryuukossusei? Etwa schon im Berg? Fast hektisch blickte er sich um. Nein, diese Aura hätte er bemerkt, ebenso wie die da unten … Moment. Hastig sah er hinunter, nur, um sich zu erheben. Sesshoumaru in voller Lebensgröße und der Fürst stand jetzt auch. Schön, das wurde eng. Aber, bis die Beiden sich alles erzählt hatten, war er schon weg. Er durfte nur keinen Fehler mehr begehen und zu neugierig sein. Mit Vorbeigehen nahm er die Tasche von seinem Schreibtisch, die ihm das Überleben im Ausland mehr als nur einfach machen würde, ehe er einen Hebel löste und ein Bambusregal beiseite klappte. Davon hatten selbst seine Leibwächter nichts gewusst, aus gutem Grund. Er hatte schon lange gelernt, dass man niemandem vertrauen sollte. Diese kleine, zugegeben steile und nasse, Höhle, würde ihn direkt zu seinem Auto bringen. Und er sollte doch nicht umsonst das Geld für dreihundert PS ausgegeben haben.   Sesshoumaru wagte es seinem Vater einen raschen Blick zuzuwerfen, ehe er sich gehorsam nach links um den Berg Hakurei wandte. Ja, der Bannkreis, wenngleich extrem kleiner und jetzt in dem Hügel, war noch immer deutlich zu spüren, aber das schien nicht die Ursache für die unerwartete Schwäche des Fürsten zu sein. Freilich, er konnte spüren, wie sich Vater mit jeder Minute regenerierte. Irritierend war allerdings – neben der Kleinigkeit, dass es ausgerechnet mit Inu Yasha einem Halbmenschen gelungen war einen ausgewachsenen Drachenprinzen zu töten, - dass sich die Aura des Fürsten verändert hatte. So schwach seine dämonische Energie momentan auch wirkte, darunter lag noch ganz etwas anderes. Es war nicht zu durchschauen, fast, als ob viele Dämonen nun ihre Energie dem Herrn der westlichen Gebiete liehen. Viele Dämonen und noch etwas Ungewöhnliches. Nun, es würde sehr interessant sein zu erfahren, was in den letzten Stunden hier geschehen war. Kouga würde reden, und, darauf würde er setzen, auch das Vorzimmer seines Halbbruders, wenn er sie nur befragte. Jetzt sollte er sich lieber auf die Suche nach Naraku machen. Natürlich kannte er den Herrn des Gumo-Konzerns, aber er hatte ihn eigentlich stets ignoriert. Nie hätte er angenommen, das solch ein Schmeichler gefährlich werden könnte. Das wäre fast gewesen, als ob Jaken … Sekunde. Er sollte jetzt nicht paranoid werden. Ein Dämon, erst recht ein Dämonenfürst blieb sachlich. Aber er sollte wohl Jakens Machtbefugnisse ein wenig ….eingrenzen, ohne den treuen Diener zu beleidigen. Hm. Wenn der Kerl wirklich oben auf dem Berg hockte, würde er sicher als Hochverräter alles tun, um Vater nicht in die Klauen zu laufen. Also war das hier nur ein Kontrollgang, suchen müsste er erst hinten, auf der entgegengesetzten Seite des Berges. Der Erbprinz beschleunigte etwas seinen Schritt, ohne freilich das Spüren nach anderen Dämonen aufzugeben.   Der Inu no Taishou ging aufmerksam, die Nase im Wind, um den hier nur von Wiesen und Steinen belegten Berg Hakurei. Viele Höhlen, aber keine Witterung nach dieser Spinne. Oder diesem Halbdämon, denn er war sicher, dass der das war. Allerdings keiner im ehrlichen Sinn, wenn er so an Inu Yasha dachte. Irgendetwas mit Magie war dabei – und er war zu leichtfertig gewesen, um es zu bemerken. Oder hatte er es gar nicht erfassen können? Er spürte zwar, wie seine vertraute Energie Stück um Stück aus der Quelle seiner Seele wuchs, aber er war eigentlich sicher, dass er nun über eine Macht verfügte wie nie zuvor. Das Juwel? Bot der darin eingeschlossene Dämon ihm nun seine Energie mit an? Aber, was wäre mit der Priesterin? Midoriko? Kagome! Sie musste es gewesen sein. Irgendwie hatte dieses kleine Mädchen, das er noch gestern Abend für eine Hexe und Hochverräterin gehalten hatte, es vermocht haben, dass das Juwel der vier Seelen ihm seine legendäre Macht zukommen ließ. Das bedeutete vor allem eines: sie war, ohne es zu wissen, eine mächtige Priesterin und auf seiner Seite. Er durfte sie nicht mehr aus den Augen lassen. Überdies: sie war ganz offenkundig in seiner eigenen Seele gewesen. Schon das führte zu weiteren magischen Konsequenzen, musste es führen. Er vermutete allerdings, dass die Kleine davon noch nichts ahnte. Er sollte wohl behutsam vorgehen, in jeder Hinsicht. Sie war noch sehr jung, ein Mensch – und hatte Anspruch auf seine Dankbarkeit.   Naraku erreichte sein Autoversteck zwar etwas durchnässt, aber erfreut, alles beim Alten zu finden. Feuchte Höhlen machten ihm dank Spinnenahnen wenig aus und er konnte im Dunkel des Berges wie bei Tage sehen. Für einen Moment dachte er daran, sich hier im Hakurei erneut hinter einem Bannkreis zu verschanzen, aber er würde sich nur in der Grotte des Priesters und dessen Bannkreis sicher aufhalten können, um erneut einen derart machtvollen erschaffen zu können. Ganz offenkundig war es jemandem allerdings gelungen ebenfalls dorthin zu gelangen und den seinen zu brechen. Nein, das war eine schlechte Idee. Flucht war in diesem Fall wohl besser, zumal er sich die Stimmungslage des Fürsten recht gut ausmalen konnte. So warf er sein Paket auf den Beifahrersitz und schwang sich in den schweren Jeep. Als die dreihundert PS aufheulten, hallte das förmlich in der Höhle wieder. Das konnte die Hunde rasch auf seine Fährte bringen. Er sollte sich beeilen. So fuhr er hinaus, sich doch ein wenig sorgfältiger als sonst umsehend. Aber kein großer, weißer Hund kam um den Hakurei galoppiert. Störte der Bannkreis des alten Priesters trotz allem die Fähigkeiten der Dämonen? Umso besser. Er fuhr an, Richtung Osten, dankbar für seinen Einfall einen Wagen mit Vierradantrieb zu nehmen. Es wäre töricht gewesen nach Süden, zur Hauptstadt, zu fahren, und noch idiotischer einfach direkt zu dem gebuchten Flugzeug. Damit hätte er nur sofort seine Fluchtrichtung verraten. Das Flugzeug würde auf Onigumo warten – und er musste eben einen kleinen Umweg von einigen hundert Kilometern in Kauf nehmen. Sein Handy hatte er wohlweislich oben in der Villa liegen lassen. Schon jetzt war er fast einen Kilometer von der Höhle weg und noch immer kein Hund in Sicht. Sehr gut. Er wagte es zu beschleunigen, soweit der grasige Boden das gestattete. Und es würde bald zu regnen anfangen, damit wäre seine Spur endgültig verwischt.   Es hätte Naraku kaum beruhigt, dass sich Vater und Sohn soeben auf halber Berghöhe trafen und dem davonjagenden Auto nur einen Blick schenkten. Sesshoumaru sah aufmerksam zu seinem Vater. Der Fürst nickte etwas. „Halte ihn auf.“ Dem Erbprinzen war der eisige Unterton nicht entgangen, aber ihm war klar, dass sich das nicht auf ihn sondern sein Zielobjekt bezog. Wie von der Leine gelassen sprang er mit wenigen Sätzen den Berg hinunter, um mit aller Schnelligkeit, die ihm so zu Gebote stand, dem Fliehenden hinterherzujagen.   Naraku prallte mit dem Gesicht auf den Airbag, als ohne Vorwarnung sein Wagen stoppte. Der Motor lief noch, das bemerkte er, als er den Kopf etwas mühsam hob. Seine Lippe blutete und er wischte drüber. Diese Bewegung kam allerdings nie zum Abschluss, als er etwas Eisiges durch seine Adern schleichen spürte und sich sein Magen unangenehm verkrampfte. Sesshoumaru! Dieser Hundesohn stand direkt vor dem Jeep, lässig einen Fuß in dem Abfanggitter – und hielt damit sein Auto auf. Naraku starrte ihn fassungslos an. Als er jedoch einem Blick aus goldfarbenen Dämonenaugen erhaschte, durchfuhr ihn erneut eine nie gekannte Kälte, während sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Was jetzt? Den schlicht zu überfahren war wohl unmöglich – der hatte das fahrende Auto eingeholt und getoppt, würde solche Aktion wohl auch beantworten. Im Unterschied zu seinem kleinen Bruder hatte er offensichtlich auch nicht gekämpft, war also nicht angeschlagen oder müde. Der Fürst allerdings schien etwas schwächer zu sein, wenn er, Naraku, sich das so überlegte. Der war bewusstlos geworden. Vielleicht konnte er Sesshoumaru überreden der neue Fürst zu werden und Papa auszuschalten? Ryuukossusei war offenbar erledigt und auf die sieben Krieger brauchte er auch nicht mehr zählen. Ein Kampf allein gegen den jungen Hund? Schwierig, das war klar. Wohin guckte der Erbprinz denn jetzt? Naraku wandte den Kopf. Mist. Da kam der Taishou fast heran geschlendert, als ob er einem Schauspiel beiwohnen müsse, das ihm nicht sonderlich gefiel. Zumindest war die Miene nicht ausgesprochen freundlich. Leider war er sicher, dass Sesshoumaru im Zweifel eher auf Papa als auf ihn hören würde. Was nun? In solch einer Klemme war er nicht mehr gesessen, seit der Taishou damals sein Haus und seine Leute erledigt hatte. Allerdings hatte dieser da das Höllenschwert dabei gehabt, was er jetzt offenbar nicht trug. Immerhin etwas.   Der Taishou warf einen Blick auf den Verräter, der sichtlich keine Anstalten traf auszusteigen. Glaubte der Narr, er sei in dieser Blechbüchse sicher? „Öffne,“ befahl er daher seinem Sohn. Naraku hatte es gehört und sah seine Chance. In dem Moment, in dem der junge Hund seinen Fuß wegnahm, um die Fahrertür zu öffnen, was der Fürst ja anscheinend für unter seiner Würde hielt, würde er erneut losfahren. Möglichst unauffällig drückte er den Verriegelungsbolzen der Türen, den Fuß noch immer auf dem Gaspedal. Immerhin war er durch den Schreck nicht so töricht gewesen den Motor absterben zu lassen. Wieso hob Sesshoumaru jetzt die Rechte, und wieso leuchtete die so grün? Das hatte er nie zuvor gesehen – allerdings auch nicht die immer länger werdende grüne Schnur, die aus der Hand drang, und wie eine Peitsche über den Jeep zog, den damit säuberlich halbierte. Der Motor starb ab. Das war das Letzte, was Naraku dachte, ehe er realisierte, dass er zu Füßen des Fürsten im Gras lag. Er wollte sich aufrichten, wollte … Ein helles Licht drang aus dem Brustpanzer des Taishou, etwas zerrte an Naraku, dann hörte er: „Willkommen im Juwel der vier Seelen.“   „Verehrter Vater?“ wagte es der Erbprinz sich vorsichtig zu erkundigen. Solch eine Fähigkeit hatte er nie zuvor bei dem Taishou gesehen. Der Fürst blickte an sich hinunter, legte die Hand auf die Brust, ehe er langsam entgegnete: „Das war wohl die Macht des Juwels der vier Seelen. Es hat seine Seele eingenommen. Ich bin sicher, er ist tot.“ „Er ist jetzt in Ihnen?“ Sesshoumaru gelang es gerade noch seinen Abscheu nicht in seine Stimme zu legen, bevor noch ein Missverständnis auftrat. Immerhin hatte er anscheinend bislang alles richtig gemacht, ja, Vater hatte ihr gelobt. „Das ist wohl so.“ Als das Juwel versucht hatte ihn zu übernehmen, ja, da hatte er sich gewünscht die Kinder zu beschützen – vor Naraku, hauptsächlich, denn von Ryuukossusei hatte er da ja noch nichts wissen können. Offenkundig hatte das Juwel ihm diesen Wunsch erfüllen wollen. Er sollte ab nun mit Wünschen vorsichtiger sein. „Kehren wir zu den Anderen zurück .- Das Heer?“ „Ist im Norden, noch in Alarmbereitschaft. Ich vermute allerdings, verehrter Vater, dass sich die restlichen Drachen nach dem Tod des Erbprinzen zurückziehen werden. Der Plan ist wohl gescheitert.“ „Ja, das ist auch meine Meinung. Und ich hoffe, dem König, meinem alten Kampfgefährten, geht es bald wieder besser.“   In dem ehemaligen Wäldchen hatte sich inzwischen einiges verändert. Inu Yasha war mehr oder weniger zu Kagome gestolpert und hatte sich neben ihr niedergelassen, was Kouga zu einem sehr eigenartigen Blick und Sango dazu bewegte aufzustehen und zu Miroku zu gehen. „Es ist wohl vorbei,“ flüsterte die Dämonenjägerin. Der junge Mönch nickte. „Ich denke nicht, dass irgendjemand diesen Zweien entkommt, zumal unser werter Erbprinz ja noch recht fit erschien. - Darf ich dir übrigens etwas sagen, ohne dass du sauer wirst?“ „Du kannst es ja versuchen, aber ich bin ziemlich müde.“ „Wir alle, wohl. Na, du warst einfach klasse heute Nacht und heute Morgen.“ Sie sah ihn ungläubig an. „Ich? Wer hat denn den Bannkreis gelöst?“ „Ich. Aber es war deine Idee überhaupt diesem komischen Typen zu folgen. Ohne den wären wir zwar nicht in Lebensgefahr gekommen, gebe ich zu, aber wir hätten auch nicht Inu Yasha hier helfen können.“ Er legte sehr vorsichtig die Hände auf ihre Schultern. Da sie sich nicht rührte, sondern ihn nur ansah, für er mutiger fort: „Ich könnte mir nichts Besseres von der zukünftigen Mutter meiner Kinder wünschen.“ Die Tatsache, dass sie mit ihrem Mund ein erstauntes „Oh?“ formte, nahm er als Einladung.   Der Halbdämon betrachtete für einen Moment die schlafende Kagome. Was hatte die arme Juwel in der letzten Zeit durchgemacht: Erpressung, Angst um ihre Familie, Einbruch beim Fürsten und dann diese ganze lange Nacht, deren Morgen auch nicht viel besser wurde. Kein Wunder, dass sie nun wirklich müde war. Sie sollt allerdings doch nicht einfach so hier auf der harten Erde liegen. So zog er sie vorsichtig auf und nahm sie in den Arm. Kagome spürte es und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. „Reddemon ...“ murmelte sie, ohne die Augen zu öffnen. „Ist es vorbei?“ „Ja, ist es. Ich bin sicher, Naraku kann dir nichts mehr tun.“ Er roch möglichst unauffällig an ihrem Haar. Sie duftete selbst jetzt so gut, so weich. Es war bequemer und er war müde, so lehnte er sein Gesicht auf ihren Kopf. „Wie geht es dir?“ fragte sie und tastete nach seiner Brust.Der Stoff hatte so zerrissen ausgesehen, aber anscheinend verschwand auch das bereits. Dämonensohn und -stoff. „Geht schon. Ich brauche keinen Arzt. Die Energie kommt zurück und alles heilt, sehr praktisch. Du kannst bestimmt auch bald nach Hause und einfach schlafen. Vielleicht können wir morgen Abend dann miteinander chatten?“ erkundigte er sich hoffnungsvoll in ihr Haar.   Kouga hätte fast den Kopf geschüttelt. Prinz hin oder her, aber der hatte keinen Ahnung von Mädchen. Als ob Kagome von ihm noch etwas wissen wollen würde, nachdem der sie anscheinend in Lebensgefahr gebracht hatte. Er verneigte sich eilig, als er sah, wer da kam.   Der Fürst zog etwas die Augen zusammen, als er bemerkte, wie eng sein Jüngster Kagome an sich drückte und seinen Mund in ihrem Haar verbarg, ihn selbst und seinen Bruder offenkundig noch nicht einmal bemerkt hatte. Gegen alle guten Vorsätze sagte er kalt wie ein sibirischer Wintersee: „Vielleicht hast du die Güte, Inu Yasha, meine Gefährtin loszulassen!“     Kapitel 30: Überraschungen -------------------------- Seine Gefährtin? Für einen langen, zu langen, Augenblick breiteten sich vollkommene Stille und absolute Regungslosigkeit in dem verwüsteten Wäldchen aus, dann brachte Kagome etwas wie ein Quieken hervor und es kam Bewegung in die Szene. Inu Yasha ließ sie zwar, seinem Vater gehorsam, los, richtete sich aber im gleichen Moment auf ein Knie auf und schob sie mehr instinktiv als nachdenkend hinter sich. Kagome krallte sich ebenso ohne zu überlegen in seinem Rücken, in sein rotes Gewand, auf dem dunkle Flecken noch immer von dem Kampf zeugten, und schielte über seine Schulter auf den Fürsten. Dieser bemerkte, dass auch sein Ältester ihn anstarrte, als habe er ihn noch nie gesehen, und beschloss, da müsse die Erklärung her, wenngleich nicht vor den Ohren von Fremden. Offenbar hatte niemand außer ihm die logische Schlussfolgerung gezogen, wobei Sesshoumaru ja auch nichts von dem Vorgefallenen wissen konnte. „Kouga, gehe zum Heer und sage ihnen, sie können die Alarmbereitschaft aufgeben. Sie sollen aber noch zwei Tage an der Grenze patrouillieren. Drachen, die nach Norden ziehen, können sie passieren lassen. Danach können sie nach Hause. - Sango und … Miroku, war doch dein Name: ich sehe hier ein Motorrad. Geht in das Schloss, lasst euch unter Berufung auf meinen Befehl ein Zimmer geben und schlaft euch aus. Danach erwarte ich euren Bericht.“   Die Drei gehorchten wortlos, wenngleich in dem Bedauern den aufsteigenden Familienstreit nicht mitbekommen zu dürfen. Nun ja, Streit würde es in dem Sinn kaum geben, dazu war die Rangfolge bei Dämonen zu strikt, zumal das hier nicht nur der Vater, sondern auch noch der Herr der westlichen Gebiete war, aber keiner seiner Söhne schien glücklich über diese Aussage zu sein. Jeder der Drei vermutete, dass die Aussicht erneut eine menschliche Stiefmutter zu bekommen dem Erbprinzen ungefähr so behagte wie kopfüber über einem Geysir zu baumeln, und, dass der jüngere Fürstensohn ein gewisses Faible für Kagome hatte, war ja kaum zu übersehen gewesen. Es blieb Inu Yashas Vorzimmer überlassen, auch eben diese in ihre Erwägungen einzubeziehen – verheiratet ohne gefragt zu werden, war in diesen modernen Zeiten wohl nur noch unter Dämonen üblich, und sie würde vermutlich, wenn sie ihren Schock überwunden hatte, ziemlich sauer werden. Und das gegenüber dem Fürsten, zumal sie sichtlich erschöpft und übermüdet war, kurz, unberechenbar. „Au weia,“ sagte Sango, wohlweislich erst, als sie hinter Miroku auf dessen Motorrad saß und ein gutes Stück entfernt war. „Ich kann nur hoffen sie wird nicht zu böse.“ „Nun ja, Fürstin des Westens zu werden ist kein so arges Schicksal, oder?“ „So fertig, wie sie ist, ist ihr das egal. Abgesehen davon – ich denke, sie hat eher was für Inu Yasha übrig. Und der ist immerhin auch noch der Drachenbezwinger.“ „Und Inu Yasha etwas für sie. Oh, oh. Ich hoffe, die reden miteinander, statt dass der Fürst einen weiteren Befehl fallen lässt.“ „Und ich dachte es ginge heute Nacht nur darum einen eigenartigen Typen zu beschatten,“ seufzte die Dämonenjägerin, schlang die Arme fester um ihren Freund und Kollegen und lehnte die Stirn müde an ihn. „Vielleicht ist es unser Glück, jetzt erst einmal aus der Schusslinie zu sein. Drei doggies und Kagome – au weia.“   Inu Yasha realisierte, dass er Kagome erst einmal hinter sich gebracht hatte, sie deckte – auch, wenn das natürlich gegenüber seinem Vater unhöflich, gegenüber dem Fürsten sogar respektlos war. Aber … Das einzige Mädchen, das er so gern hatte, sollte seine Stiefmutter sein? Er träumte von einem Kuss von ihr - und sein Vater legte sich in ihr Bett? Wieso? Nie im Leben. Aber Kagome hatte ja schon im Chat gesagt, sie fände den Fürsten elegant und anziehend, dachte er dann bitter. Er war eben nur ein Halbdämon. Trotzdem … „Verzeihen Sie, mein Herr und Vater, ich habe da wohl etwas nicht verstanden,“ brachte er irgendwie höfisch erzogen hervor. Da er erkannte, dass Sesshoumaru um ein Haar genickt hätte, stand also nicht nur er auf der Leitung. Der Taishou senkte auch nur kurz zustimmend den Kopf, und wandte sich an denjenigen seiner Söhne, der überhaupt keine Ahnung hatte. „Ich sandte auf deine Nachricht hin Inu Yasha und Kagome her, um den Bannkreis zu überprüfen und die beiden Menschen ins Schloss zu bringen. Danach kam ein weiterer Bote, dass erneut Drachen Richtung Süd gegangen waren, und ich beschloss selbst herzukommen. Um zu verhindern, dass das Ganze nur ein raffinierter Schachzug Narakus sei, legte ich mir das Juwel der vier Seelen um, wenn auch um den Preis, dass ich So´unga nicht bei mir tragen konnte. Zwei beseelte, magische Gegenstände sind stets einer zu viel. Wie recht ich hatte, stellte sich bereits auf dem Weg hierher heraus, als das Juwel versuchte mich zu beeinflussen. Als ich herkam, waren alle, auch Kouga, hier, und ich war zunächst einmal erleichtert, dass sie lebten, allerdings alle erschöpft und verwundet waren. Nur kurz ließ ich in meiner Aufmerksamkeit nach und es gelang dem Juwel mit mir zu verschmelzen. Es wollte mich übernehmen und ich wehrte mich dagegen. - Was dann geschah, müsste Kagome wissen.“ Er war ja im wahrsten Sinne des Wortes beschäftigt gewesen.   Das Mädchen bemerkte, dass ihre Aussage gewünscht wurde, und nahm sich zusammen. Heirat? Eigentlich nein, danke. Sie hatte nicht vergessen, dass Sango erzählt hatte, dass selbst Sesshoumaru als Sohn schon vor fünfhundert Jahren im Großen Krieg mitgekämpft hatte. Wie alt war dann erst der Fürst? Oder war doch etwas ganz anderes gemeint? Es waren Dämonen und sie kannte doch deren Sprachregelungen nicht. „Äh, ja, Inu Yasha sagte, ich sollte das Juwel irgendwie aus Ihnen wieder herausbekommen. So setzte ich mich neben Sie und versuchte mich zu konzentrieren. Dann war ich in etwas Schwarzem, wo Blitze zuckten, erkannte aber auch einen hellen Schein und vermutete, das sei das Juwel. Ich wollte ... Midoriko, das ist die Priesterin, die es geschaffen hat, um Hilfe bitten.“ „Was dir auch gelang, offenbar,“ warf Inu Yasha prompt ein. „Aber, Vater ...“ Der Fürst zog etwas die Augen zusammen, was seinen Jüngsten gehorsam abbrechen ließ. „Begreift ihr noch immer nicht?“ Keine Ahnung von Magie! „Zwei Dinge: erstens, es gelang Kagome das Juwel der vier Seelen zu beeinflussen. Sie ist eine Priesterin von wirklich bemerkenswerter Kraft, mangelnde Ausbildung hin oder her. Das müsste übrigens nachgeholt werden. Da sie die Einzige ist, die das Juwel beeinflussen kann, muss sie zukünftig stets in meiner Nähe sein. Ich kann nur hoffen, dass ich bis zu ihrem Tod gelernt habe das Juwel vollständig unter Kontrolle zu halten. Zweitens: sie war in meiner Seele, unsere Seelen haben sich berührt. Man nennt das Seelengefährten.“   Und auch diese mussten nahe beieinander sein, das war zumindest dem Erbprinzen klar. Nun gut. Das erklärte, wie Vater auf diese unheilvolle Eheschließung kam. Gab es denn keine andere Lösung? Immerhin, da konnte er bei einem Blick auf seinen fassungslosen Halbbruder sicher sein, dass auch der hastig nach einer suchte. Der Kleine schien ja wirklich an diesem Menschen zu hängen. Kurz streifte Sesshoumarus Blick die Überreste Ryuukossuseis. Nein, er sollte ihn wohl selbst in Gedanken bei Namen nennen: Inu Yasha. Sein kleiner Bruder Inu Yasha. Hm. Half er diesem, würde der im Austausch vielleicht auch seinen Einfall unterstützen, bezüglich seiner eigenen Zukunft?   Der Fürst wollte nicht erwähnen, dass er auch seinen Jüngsten irgendwie vor einer überstürzten Heirat bewahren wollte, zumal der doch noch fast ein Kind war, und … Er sah zu den tiefen Scharten im Boden, dann zu den staubigen, vom Winde bereits zum Teil fortgetragenen, Resten des mächtigen Drachen, zu Inu Yashas Gesicht. Das war hart geworden, ja, verbittert, und der Welpe hielt Kagome noch immer mit der Linken hinter sich. Nein, erkannte der Taishou plötzlich. Das war kein Kind mehr, auch nicht nach dämonischen Maßstäben. Der Junge hatte gekämpft, gesiegt – und war zum Mann geworden. Und er würde für das, was er für sein Recht hielt, auch weiterhin kämpfen wollen. Leider änderte das nichts an der Magie, aber dem Fürsten wurde klar, dass er in diesem Augenblick die bedingungslose Loyalität Inu Yashas, die dieser gegen Ryuukossusei noch gezeigt hatte, verspielen würde. Hatte er nicht schon genug falsch gemacht mit dem Jungen? Das Verschweigen der Rettungstat Sesshoumarus über Jahrhunderte, um den eigenen Stolz zu schonen, hatte das Missverständnis, ja, Zerwürfnis, der Halbbrüder forciert, Inu Yasha hatte sich nie für voll genommen gefühlt, nicht einmal nach rein dämonischen Maßstäben, wie viel weniger nach menschlichen. Aber Magie war Magie und forderte nach ihren eigenen Gesetzen. Es gab keine andere Lösung.   Naraku fand sich in der Dunkelheit des Juwels schwebend wieder, vor sich drei Figuren, die er als Dämon und Priesterin identifizieren konnte, wohl auch Seelen, aber wer war die dritte? Das klärte sich sofort, denn der Geist des Dämons sah zufrieden zu der Verkörperung des unheilvollen Schmuckstücks. „Wunderbar. Damit bin ich wieder in der Überzahl. Ein Dämon mehr gegen unsere Lieblingspriesterin und diese Teilseele dieses Mädchens.“ „Falsch.“ Midoriko legte sich die Hand an die Brust. „Keine Teilseele. Sie ist mit mir verbunden, da sie nicht nur aus meiner Familie, sondern eine Art Wiedergeburt ist. Wir sind eines.“ „Erschwerend kommt hinzu,“ erklärte das Juwel bemerkenswert geduldig, was die Seelen, die es schon länger kannten, Übles ahnen ließ. Geduld bewies dieser Geist nur, wenn er sich amüsierte. „Dass das hier kein Dämon ist. Irgendwie nicht einmal ein Halbdämon, so wie der Welpe da gegen den Drachen. Seht euch doch nur einmal seine dämonische Energie an. Magiekenntnis, ja. Aber kaum Energie.“ Naraku war es sehr unangenehm so abqualifiziert zu werden und suchte hastig nach einem Schachzug, um sein Leben, oder eher seinen Tod, doch noch angenehm und erfolgreich zu gestalten. „Ihr seid also die Seelen, die das Juwel beherrschen. Augenblicklich scheint ihr ja dem Fürsten zu helfen, aber, ich könnte euch einen besseren Vorschlag machen.“ „Wir helfen ihm, ja, denn das war die Bedingung,“ erwiderte das Juwel prompt. „Und er wünschte sich, dass die Kinder vor dir gerettet werden. Das hat funktioniert. Jetzt werden wir ihn kaum mehr unterstützen. Und müssen.“ „Was gehen euch denn die Kinder an? Welche Kinder, überhaupt?“ Midoriko griff lieber ein. „Eine junge Priesterin namens Kagome, ein Welpe namens Inu Yasha oder Reddemon, zwei andere Menschen ... Du entsinnst dich. Oh, ich spüre es jetzt auch. Kein Dämon kein Halbdämon, in Liebe gezeugt, nur ein Sammelsurium abgehalfterter Dämonen. Ich fürchte, mein Gegner, der ist nicht einmal dir das wert.“ „Also, Moment mal,“ protestierte Naraku unverzüglich. „Ihr, das Juwel, ihr scheint einem gewissen Irrtum zu unterliegen. Ich bin viel klüger, machtbewusster als dieser dumme Hund … ich wäre mit Sicherheit ein besserer Herr für den Westen.“ „Möglich,“ gab der Dämon zu. „Aber du bist mir so nicht nützlich, als Nicht-Dämon. Midoriko hier, und die Kleine, haben im Augenblick die Hälfte des Juwels. Und solange wir mit dem Taishou verschmolzen sind, hilft der ihnen. Leider. Damit gehört das Juwel zu den ätzend Guten. Erst nach seinem Tod können wir wieder um unseren Sieg kämpfen. Und du bist schlicht unnütz.“ „Oh,“ sagte der Geist der Priesterin so plötzlich, dass alle zu ihr blickten. „Ich weiß nicht, warum, aber Kagome wird gerade wütend. Das kann nicht gut enden, für sie, für die Dämonen bei ihr, für uns. Was da wohl los sein mag?“ „Gleich,“ beschloss das Juwel. „Naraku ist ein Muster ohne Wert. Er wird ebenso wie die anderen Seelen behandelt, die Eigennutz hierher brachte.“ „Was?“ Das Letzte, das der Spinnenabkömmling bemerkte, waren feine Fäden, die sich aus der Dunkelheit kommend, um ihn schlangen, ihn umwanden, so dass er nur mehr mit dem Kopf herausblickte. Und dann schlief er ein, ohne zu ahnen, dass seine Kräfte und sein Wissen nun dem Juwel – und damit dem Taishou – zur Verfügung standen. Midoriko seufzte nur kurz, ehe sie meinte: „Es gibt ein Problem.“ „Schon wieder?“ stöhnte der Geist ihres Gegners auf. „Was wurde nur aus den guten alten Kampfsitten?“ „Kagome ist auf unseren Träger wütend. Wir sollten ihm helfen – aber sie ist ein Teil von uns.“ „Oh.“ Das Juwel prüfte hektisch seine magischen Fähigkeiten. „Nichts. Wir müssen ihn schützen, aber mehr auch nicht, was immer er getan hat, um sie wütend zu machen.“ „Oder war er doch eigennützig und brachte Menschen um?“ erkundigte sich der Dämon hoffnungsvoll. „Nein, das nicht.“ Die Priesterin seufzte. „Ich fürchte sogar, er wollte sich opfern – und deswegen wird sie so wütend.“   Sango zuckte dermaßen zusammen, dass es Miroku trotz der holperigen Fahrt bemerkte. „Soll ich langsamer werden?“ erkundigte er sich. „Querfeldein bin ich noch nie gefahren.“ „Nein, ich will nur bald schlafen. Und mir ist gerade eingefallen, dass der Befehl lautete, wir sollen uns EIN Zimmer geben lassen. Komme mir bloß auf keine dummen Ideen. Ich werde mein Schwert zwischen uns legen,“ drohte die Dämonenjägerin und spürte erstaunt, wie der Körper des Mannes, an dem sie sich festhielt, vor Lachen zitterte. „Sango, glaub mir, selbst bei besten bösen Absichten,“ gab Miroku dann zu: „Ich könnte nicht. Ich bin viel zu müde. Es ist ein Gerücht, dass Männer immer können wollen oder können … oder so.“ „Gut. Wie weit ist es noch?“ „Keine Ahnung. Kein Navi, kein Handy ...aber ich denke, noch eine Stunde. Leider.“   Kagome dämmerte derweil etwas ganz anderes. Der Fürst hatte gesagt, sie sei seine Gefährtin? Und im Zweifel war das wortwörtlich gemeint? Ja, du lieber Himmel! Dämonen waren altmodisch, okay, das konnten sie untereinander auch sein, aber bei Menschen war es seit geraumer Zeit üblich zu fragen, ob die Dame oder der Herr überhaupt in den Stand der Ehe eintreten wollte. Und sie wollte nicht! Nicht jetzt schon und schon gar nicht mit einem Mann, dessen Alter zwar ehrfurchtgebietend sein mochte, aber genau darum nicht! Überdies war ja wohl die letzte Fürstin irgendwohin in die Pampa verabschiedet worden, naja, Inu Yashas Mutter war gestorben, aber … nein. Schlicht und ergreifend nein. Außerdem war sie hundemüde, ihr war kalt und sie hatte überhaupt die Schnauze voll von Dämonen, Drachen, Wirtschaftsbossen, Staatsaffären, Naraku und allem drum und dran. So sprang sie auf. „Falls es jemand vergessen hat, ich bin auch noch da,“ fauchte sie und steigerte sich weiter in ihren Zorn. „Ich werde nie heiraten, niemanden und schon gar keinen uralten Dämonen! Das dämliche Juwel kann mir gestohlen bleiben, von Magie will ich nie wieder was hören und … AH!!“ Sie ballte ihre Fäuste und schlug symbolisch Richtung Boden. Leider war mit ihrem Zorn auch ihre angeborene Magie erwacht und etwas wie ein golden leuchtender Kreis bildete sich um sie, eine Kugel, die rasch sich vergrößerte und ausschlug.   Der Taishou und sein Ältester sahen das Verhängnis auf sich zukommen und schafften es gerade noch aus ihrer eigenen und der des Juwels, nicht unbeträchtlichen, Energie einen Schutzschirm aufzubauen. Allerdings sah sich der Erbprinz zu einem Schritt rückwärts genötigt. Zum zweiten Mal, seit er dieses Mädchen kannte, dachte er sofort. Sein Vater hatte das besser weggesteckt, natürlich, er war stärker. Überdies trug der ja irgendwo das Juwel in sich, das jetzt mit Kagome verbunden war. Wie verworren war diese Angelegenheit doch geworden.   Kagome hätte gern weiter geschimpft, aber ein Schmerzensschrei riss sie aus ihrem Zorn. Inu Yasha besaß im Augenblick fast keine dämonische Energie, jedenfalls nicht genug, um dem Angriff einer mächtigen Priesterin aus einem Meter standhalten zu können, zumal der von hinten kam, und er durch nichts vorgewarnt wurde. So war er auf den Boden geprallt und die Verletzungen durch den Drachen brachen zum Teil wieder auf. „Aua!“ brachte er hervor. „Was sollte das denn? Kagome? Spinnst du?“ Sie sah schuldbewusst, wie unter ihm Blut in den Boden sickerte, und fiel neben ihm auf die Knie. Nicht doch, Reddemon, der ihr doch immer nur hatte helfen wollen, der arme Hund, der wohl am Meisten hier litt und nichts dafür konnte. „Entschuldige, das wollte ich nicht. Ich … ich muss wohl erst lernen, mit dieser Kraft umzugehen. Tut es sehr weh?“ „Es geht schon.“ Der Halbdämon ließ sich jedoch gern von ihr aufziehen. Sie wollte also seinen Vater gar nicht heiraten? Gab es doch noch Hoffnung für ihn? Aber sie hatte auch gesagt, sie wolle überhaupt niemanden heiraten. „Aber du solltest besser den Mund halten,“ ergänzte er leiser, obwohl ihm klar war, dass seine Verwandtschaft ihn hören konnte. „So was gilt als Hochverrat.“ Nicht schon wieder, dachte Kagome, die sich kaum erinnern konnte, was sie da eigentlich gesagt hatte. Aber den Fürsten anzuschreien war sicher nicht in Ordnung - und ihn als Priesterin samt seinem Erben zu attackieren auch nicht. So sah sie vorsichtig in Richtung der Herren des Kendama.   „Sie haben selbstverständlich Recht, verehrter Vater,“ meinte Sesshoumaru sachlich. „Jemand mit diesen Fähigkeiten und der Möglichkeit das Juwel zu kontrollieren muss in Ihrer Nähe bleiben.“ Er dachte noch einmal kurz nach. Vorsicht war geboten, denn sein Vorschlag ging gegen Vaters ausdrücklich ausgesprochenen Willen. Überdies könnte der ihm Eigennutz unterstellen, wenn er nicht behutsam blieb. Aber, er sah in der Rettung für seinen Halbbruder, und dessen ach so menschlicher Zuneigung, auch eine Chance für sich. Davon sollte der Fürst freilich besser nichts erfahren. „Da dieser Mensch aber so offenkundig gegen eine Heirat mit Ihnen ist, nach der sich, da bin ich sicher, alle Dämoninnen sehnen, darf ich etwas anderes vorschlagen?“ Der Taishou nickte. Wenn es ein praktikabler Vorschlag war, warum nicht. Es war ganz augenfällig, dass er sich eine mehr als widerwillige Braut ins Bett legen würde. Das hatte er eigentlich absolut nicht nötig, aber er vermutete schwer, dass Kagome sein eigenes Opfer im Moment nicht erkannte, nicht einmal erkennen konnte. Sie war wahrscheinlich viel zu müde. Wie lange hielt ein menschlicher Körper ohne Schlaf aus? Und sie saß schon wieder auf dem Boden, den Arm um seinen Jüngsten. Eindeutig, wem ihre Vorliebe gehörte. Nun ja, er sollte sich den Vorschlag seines nüchternen Ältesten anhören. Im Zweifel war alles besser als eine erzwungene Ehe mit einer Frau, die ihn hasste und seinen Sohn liebte. Jedoch musste sowohl das Juwel bewacht werden, als auch seine und ihre Ehre bewahrt bleiben.   Sesshoumaru überdachte noch einmal kurz alle Optionen, ehe er langsam sagte: „Kagome muss nahe des Juwels sein, das ist klar. Aber meines Erachtens würde das auch ohne Heirat gehen. - Sie wird im Kendama Inu Yashas Vorzimmer zugeteilt.“ Der Fürst stutzte. „Ja, die Menschen kennen sich, aber, du weißt, dass Inu Yashas Büro und meines auseinander liegen.“ „Nun, dann wird Inu Yasha eben, ebenso wie ich, einen Bürotrakt neben Ihnen beziehen. Dort hat sein rein menschliches Vorzimmer dann auch mehr Platz.“ Der jüngere Halbbruder starrte den älteren an. Hatte das gerade der gleiche Typ vorgeschlagen, der dafür gesorgt hatte, dass sein Büro am äußeren Rand des Zentralturms des Konzerns lag? Was lief denn hier? War dieses Juwel anscheinend wirklich so wichtig? Eigentlich war es ihm vollkommen egal, aber wenn Kagome dann jeden Tag bei ihm arbeiten würde, das klang doch schon einmal nicht schlecht. Ihr Arm lag um ihn und er konnte sich an sie lehnen, und sie duftete so gut … „Weiter,“ murmelte er. Der Fürst nickte nur. Sesshoumaru wusste, er musste jetzt sehr behutsam formulieren.     Kapitel 31: Zukunftspläne ------------------------- Der Erbprinz hätte fast zu tief Luft geholt. Er hasste lange Reden, aber diesmal würde er kaum drum herum kommen – nicht in Vaters Interesse, in seinem eigenen. Und, naja, auch in dem Inu Yashas. Die Lösung aller, nun gut, fast aller, in den vergangenen Wochen aufgetretenen Probleme, die nun in einem fatalen Heiratsidee und einem Drachenprinzen gegipfelt hatten, und an denen Naraku schlicht schuld gewesen war, waren auch lösbar. Es war ihm ergangen wie einem Rater beim Sudoko. Hundert Mal hatte er alle Fäden gesehen, alle losen Enden – und erst, als er mehr oder weniger sinnlos an der Grenze stand und auf die zurückkehrenden Fährtenleser wartete, hatte er erkannt, dass man praktisch jede Menge dieser Schwierigkeiten mit einem Schlag lösen konnte. Alle Zahlen passten. Falls Vater zustimmte. „Damit wäre diese Priesterin schon einmal tags über in Ihrer Nähe, und der des Juwels, verehrter Vater. Nachts und im Urlaub, sicher, da muss sie in das Schloss ziehen. Wenn ich das, was Sie sagten, richtig verstanden habe, darf das Juwel nicht mehr unbewacht bleiben.“ Er warf einen Blick zu Kagome. Ihre Augen sahen ziemlich rot aus, aber er wusste, dass das bei Menschen keine Verwandlung auslöste, eher ein Zeichen für Krankheit war. Nun ja, sie waren eben schwach. Obwohl, der kleine Zornesausbruch vorhin hätte einige Dämonen, die er kannte, geläutert. Interessant war sie schon. „Damit sehe ich nur Gewinner: Sie erhalten die Macht des Juwels, Kagome wird befördert im Kendama und erhält als Vorzimmerdame Inu Yashas deutlich höheres Gehalt, kann umsonst im Schloss leben. Überdies könnte man sie als Lehrerin einstellen.“   Jetzt starrten ihn alle Anwesenden mehr oder weniger deutlich verblüfft an.   Gut, denn gegenwärtig näherte er sich seinem eigentlichen Ziel. „Inu Yasha hat heute bewiesen, dass er dämonischen Regeln folgt, aber mir scheint, er hat im menschlichen Bereich noch einiges nachzuholen. Das können weder Sie, mein Herr und Vater, noch ich leisten.“ Das stimmte freilich, dachte der Inu no Taishou. Hatte er nicht in den vergangenen Wochen nur zu gut begriffen, wie sehr und wie viel er bei dem nur halbdämonischen Jungen falsch gemacht hatte? Kagome erkannte, dass der Erbprinz, aus welchem Grund auch immer, ihr Aufgaben im Umkreis der fürstlichen Familie zuschanzen wollte, die immerhin offenbar sehr gut bezahlt wurden. Vorzimmer und Lehrerin Inu Yashas klang jetzt nicht mal so verkehrt ... Überdies war alles besser, als eine Heirat mit einem Mann, der wohl auf Jahrtausende zurückblicken konnte. Auch, wenn man das dem Fürsten nicht ansah, aber wer wusste schon, was unter der Rüstung steckte: Hundehaare? Von gewissen anderen, männlichen, Stellen ganz zu schweigen? Sie überlief ein Schauder.   Inu Yasha dagegen schwankte. Kagome dauernd um sich, fein. Aber – Lehrerin? Andererseits, hatte er sich nicht genau das vom Chat erhofft? Einführung in normale, menschliche, Verhaltensweisen? Meine Güte, das arme Mädchen schlief ja fast ein. „Äh, in Ordnung, klingt toll, aber ehrlich gesagt, ich fürchte, die arme Juwel, ich meine, Kagome, ist wirklich am Ende. Können wir den Rest nicht nach einer Mütze Schlaf besprechen?“ Ungewohnt höflich ergänzte er, aber, soweit er wusste, hatte sich der Kerl doch noch nie so viele Gedanken um ihn gemacht: „Mein Herr und Vater, mein großer Bruder?“ Der Fürst blickte zu seinem Ältesten. „Ich denke, den Rest können wir auf dem Rückweg besprechen. Inu Yasha, trage sie, Kagome du kannst sicher etwas schlafen. Er wird dich nicht fallen lassen.“ „Ich weiß, danke,“ murmelte sie. „Aber, darf ich dann unseren Schrein behalten?“ „Ja.“ Der Inu no Taishou sah sehr wohl, wie behutsam sein Kleiner das Mädchen auf den Rücken schwang, wie sehr sie sich an ihn schmiegte. Nein, alles war besser, als mit dieser erzwungenen Heirat seine eigene Familie zu zerstören. Sollten die Kinder nur beisammen bleiben. Der Rest würde sich von allein ergeben., da vertraute er der Zeit. „Du hast deine Magie zu Genüge bewiesen. - Weiter, Sesshoumaru.“ Vorsicht, dachte der Erbprinz, jetzt wurde es heikel. „Wenn sich Inu Yasha und sie einigen könnten zu heiraten, könnte man ihr, später, natürlich, auch soziale Projekt für Menschen übertragen. Denn, mit Verlaub, mein Herr und Vater, die Cousine Leiko hat für Menschen nichts übrig.“ Das stimmte, da musste der Taishou nur an seine erste Gemahlin denken. Immerhin bedeutete das, dass sich Sesshoumaru nicht länger weigern würde seine Cousine zu heiraten. Ja, warum nicht. Arbeitsteilung in einer Familie war nur sinnvoll. „Und, falls sie nicht heiraten würden?“ Immerhin guckte sein Jüngster etwas irritiert. „In diesem Fall, oder auch zusätzlich, würde ich mir erlauben Ihnen den Vorschlag zu machen, dass ich Prinzessin Sara aus dem Süden heirate.“ „Sie ist eine Fuchsdämonin und würde nie Kinder von dir bekommen können,“ wandte der Herr der westlichen Länder unverzüglich ein. „Dessen bin ich mir bewusst, verehrter Vater. Aber wir würden uns Fürst Miki verpflichten, und die Prinzessin deutete mir gegenüber bereits an, dass sie ihr Leben gern mit sozialen Projekten verbringen würde.“ Jetzt nochmals behutsamer … Nur wie? Seine Kehle wurde jetzt schon trocken. Törichtes Gerede! Aber da war ein Lächeln, das er wieder sehen wollte, in allen Ehren und unauffällig.Immerhin hatte er nun einen Weg entdeckt. „In diesem Fall, wenn ich weiter Vorschläge äußern darf, mein Herr und Vater, würde ich der Fuchsprinzessin anbieten, die Projekte mit Menschen zu übernehmen. Um sie zu beruhigen, denn in der Tat würde sie nie selbst Kinder von mir bekommen können, würde ich eine Adoption zweier Waisen vorschlagen, eines Menschenmädchens und eines Dämonenjungen, oder so, um allen Völkern die gleiche Berücksichtigung widerfahren zu lassen.“ War das vorsichtig genug? Der erfahrene Heerführer bedachte die Taktik. „Ich vermute, du hast ein spezielles Dämonenkind im Sinn? Ein kleines Fuchskind?“ Eine geniale Lösung, Prinzessin Sara ihr eigenes Kind adoptieren zu lassen, das Menschenkind würde nur die Tarnung bieten. Sie wäre damit mehr als nur durch die Ehe an den Westen gebunden und würde gewiss loyal zu ihm und seinem Erben stehen. Sesshoumaru hatte beileibe viel gelernt. Sein Vater war ein wahrer Meister im geschickten Nutzen einer gegebenen Lage, erkannte der Erbprinz an. Nun ja, es stimmte, zumal dieser nichts von Rin wissen konnte und sollte. „Ja, das hatte ich im Sinn. Und ein Menschenmädchen im Waisenhaus verträgt sich gut mit diesem Jungen, ich habe bereits Nachforschungen angestellt.“ Natürlich machte sein Ältester keine Vorschläge ohne sie zu untermauern. Der Fürst sah beiseite. „Inu Yasha, laufe doch schon vor, Kagome ist eingeschlafen, sie sollte wirklich ins Bett. Wir sehen uns dann, wenn ich den Bericht deines Vorzimmers erhalten habe. Bis dahin hast du frei.“ Der junge Halbdämon grinste. „Vielen Dank, Vater!“ Das bedeutete, er könnte sich neben Kagome setzen und sie bewachen, ihren Schlaf bewachen – oder vielleicht auch selbst etwas schlafen. Diese zwei Duelle hatten doch sehr an ihm gezehrt. Das war er einfach nicht gewohnt. „Bis dann, großer Bruder!“ Denn immerhin hatten die harten Trainings mit dem doch dazu geführt, dass er auch diesen Ryuukossusei besiegen konnte. Sesshoumaru wusste vermutlich, wie schwer das war, und hatte ihn drauf vorbereiten wollen – etwas, das er ihm noch vor Monaten nie zugetraut hatte. Aber er hatte inzwischen durchaus gelernt, dass etwas, was er vor einem halben Jahr noch für Todfeindschaft gehalten hatte, wohl tatsächlich im dämonischen Sinn eine Art großer Bruder hatte sein sollen. Seit dem kleinen Zwischenfall mit der Windnarbe schien Sesshoumaru jedenfalls deutlich konzilianter zu sein – nun ja, auch nach Vaters Erklärung, was damals bei seiner eigenen Geburt so alles passiert war. Und seit er netter zu Sesshoumaru war, war der es auch zu ihm. Jedenfalls sollte es wohl so wirken. Überdies hatte der elegant Kagome vor der Heirat mit Vater bewahrt – und ihn selbst davor, damit leben zu müssen. Da konnte man schon lieb sein. Er spurtete los. Der Taishou sah ihm etwas nach, ehe er zu seinem Ältesten sagte: „Einverstanden.“ Sesshoumaru hätte fast aufgeatmet.   Sango erwachte, als sich etwas an ihr bewegte. Verschlafen blickte sie sich um, um in das ebenso müde Gesicht ihres Kollegen zu gucken. „Was...?“ fuhr sie auf. „Dir auch einen schönen, guten Morgen, oder eher Nachmittag. Irgendein Dämon kam herein und hat uns das da hingestellt auf Befehl des Fürsten.“ Miroku grinste etwas schuldbewusst, da er wach geworden war, und die Jägerin nicht. „Wir sollen essen und dann zum Bericht erstatten.“ „Oh, ja.“ Sango wurde bewusst, wo sie war und was geschehen war. „Ja, natürlich. Tee und Kekse.“ „Ich fürchte,“ sagte der Mönch, sich bereits aus dem Bett schwingend: „Das ist hier möglich. Es ist ein Dämonenschloss, sie haben wohl keine Küche für Menschen.“ „Ja.“ Das Mädchen nahm ihr Schwert wieder an sich, das sie halb unbewusst zwischen sich und ihren Kollegen gelegt hatte. „Was über Kagome hat er nicht gesagt?“ „Nein. Aber dazu müssen wir wohl zum Fürsten.“ Ja, das war ihr klar. Gleich, ob jemand dem Herrn der westlichen Länder diese unselige Heirat ausreden konnte oder es doch alles ganz anders gemeint war – darüber würde niemand sprechen, schon gar kein Dämon – und andere Wesen gab es im Schloss nicht. Nach dem hastigen Frühstück verließen die Beiden das offenkundige Gästezimmer und baten einen vorbeikommenden Krieger um eine Wegbeschreibung. So befanden sie sich kurz darauf im Arbeitszimmer des Herrn der westlichen Länder, der sich nun bereits wieder in einen dunklen Anzug samt roter Krawatte gehüllt hatte, sichtbares Zeichen, dass er an diesem Nachmittag oder eher Abend noch zum Konzern wollte. Sango übernahm den ersten Teil des Berichts, wie sie den seltsamen Mann um das Haus ihrer Familie hatte schleichen sehen, den verdächtig gefunden hatte, und Miroku überzeugt hatte, den zu verfolgen. Dann erzählte der junge Mönch von dem Giftanschlag – und dass Sesshoumaru sie gerettet hatte. Fragend sah er etwas auf, aber der Fürst winkte nur weiter. Er hatte von seinem Ältesten das ebenfalls bereits gehört. Richtig interessant wurde es aus Sicht des Inu no Taishou erst, als Miroku von dem Bannkreis erzählte, der uralt gewesen sei und wohl erst in jüngster Zeit verändert worden war. „Jedenfalls gelang es mir, den zweiten, äußeren, Zauber zu brechen. Anscheinend war das günstig für Inu Yasha, ich meine, den Prinzen, der zu diesem Zeitpunkt gegen jemanden kämpfte. Wir ahnten davon nichts und kehrten zu meinem Motorrad zurück, wo wir Kagome und Kouga vorfanden und einen Unbekannten, der sie überfallen hatte. Kagome gelang es in einer verzweifelten Aktion, ihr sicher unbewusst, den Mann zu töten. Darf ich den ehren werten Geschäftsführer fragen, wie es ihr geht?“ Er war hier nicht im Kendama, durchfuhr es ihn siedendheiss. Das war kaum protokollgerecht, aber diese halben Kinder hatten ihn und sein Fürstentum gerettet. „Kagome schläft noch.“ Nun, das erklärte zusätzlich zu der durchwachten Nacht, der Angst und Aufregung der letzten Wochen und vor allem Tage, warum sie dermaßen erschöpft gewesen war. Selbst Dämonen reagierten auf ihren ersten Toten, wie viel mehr Menschen der Jetztzeit, die seit dem Großen Krieg nie mehr gekämpft hatten, es sei denn zu Sportzwecken. Und es war offenbar nur zu gut, dass Naraku aus dieser Welt verschwunden war, allerdings auch umso wichtiger das Juwel zu kontrollieren. „Ehe ich es vergesse, sie wird ab morgen eure Kollegin im Kendama sein. Inu Yasha und damit auch sein Vorzimmer zieht neben mich. Ihr werdet dort auch zu dritt genügend Platz haben.“ Sango und Miroku hätten ihn fast angestarrt, verneigten sich aber nur gehorsam. Immerhin klang das nicht so als ob ihre Freundin die neue Fürstin wäre. Gut für sie und Inu Yasha, denn nur einem mehr als Dummen wäre nicht aufgefallen, dass da etwas lief. „Dann könnt ihr zwei jetzt nach Hause fahren. Morgen früh im Kendama.“   Auf dem Motorrad wartete Sango noch einige Minuten, ehe sie zu Recht annehmen durfte, dass nicht einmal Dämonen zuhören konnten. „Also doch Kagome und Inu Yasha?“ „Da sagte er nichts davon. Wir werden es ja bald aus erster Hand erfahren. Ich fahre dich zu den Dämonenjägern, und dann nach Hause. Mein Urlaub am Meer ist ja wohl gestrichen.“ Eigentlich hatte er doch vor scheinbar unendlicher Zeit dorthin wollen. War das erst gestern Morgen gewesen? „Ich mach es wieder gut,“ sagte Sango schuldbewusst. „Ich weiß noch nicht wie, aber ich mache das wieder gut.“ „Vorschlag: wenn dieser Umzug erledigt ist und alles wieder in geordneten Bahnen läuft, fahren wir zusammen. Getrennte Zimmer, natürlich,“ ergänzte er hastig. Die Jägerin lehnte ihre Stirn an seinen Rücken. „Ich bin zu müde für so etwas, und du auch. Aber frag mich wenn ich wieder fit bin. Und vielleicht brauchst du dann keine getrennten Zimmer.“ Vielleicht? Das klang schon deutlich besser, als er es nur erhofft hatte. Miroku beschleunigte mit einem Lächeln. „Vorsicht, ich komme sicher darauf zurück!“   Der Fürst sah auf, als Sesshoumaru sich melden ließ und mit einem Blatt aus Maulbeerpapier in der Hand eintrat, sich verneigte und sich auf die einladende Handbewegung niederließ. „Du warst schnell,“ bemerkte der Taishou mit einem Blick auf das teure Papier und die vollendeten Zeichen aus Tinte. „Der Brief an Fürst Miki.“ „Ja, verehrter Vater.“ Er hatte ihn wohlformuliert,wollte ihn aber noch einmal vorlegen. „Ich bitte um die Ehre seine Tochter Sara ehelichen zu dürfen, die üblichen Versprechen über angemessene Versorgung und so weiter.“ „Du hast erwähnt, dass es eine erste Gemahlin geben wird.“ „Ja.“ „Und wann willst du Leiko davon in Kenntnis setzen?“ Das würde die junge, stolze Hundedame verärgern, war aber andererseits vollkommen legal. Und Sesshoumaru hatte Recht – Sozialprojekte auf die Nummer Zwei abschieben zu können, würde Leiko eher gefallen. Sie war mehr für Macht und Repräsentation, während Sara auf ihn doch einen sehr ruhigen Eindruck gemacht hatte, wohl auch und gerade durch ihre Klemme. Und das Schloss war groß genug, dass sie sich kaum zufällig über den Weg laufen würden. „Sobald die Zustimmung aus dem Süden angekommen ist. Dann kann es eine Doppelhochzeit geben, alles in einem.“ „Dir sagen derartige öffentliche Zeremonien nicht zu. Aber es gehört dazu.“ „Dessen bin ich mir bewusst. - Inu Yasha?“ „Oh, Kagome? Sie sind sehr jung, nach menschlichen und dämonischen Maßstäben. Geben wir ihnen ein oder zwei Jahre. Ich bin sicher, dass sie sich dann nie wieder trennen wollen. - Ja, sehr gut formuliert, ich denke, nicht einmal Miki kann daran etwas aussetzen. Ich werde den Drachenkönig auch noch in einem Brief über Tod seines Sohnes informieren.“ „Könnte es zu einem Krieg kommen?“ „Nein. Der Berg Hakurei liegt nun einmal mitten im Westen, dass macht die Lage eindeutig. Schon als Erbprinz ein anderes Fürstentum zu besuchen, ohne sich bei dem Landesherrn zu melden, ist ein aggressiver Akt. Sich mit einem Hochverräter treffen zu wollen oder gar auf einen Prinzen loszugehen, unentschuldbar. Lass den Brief in den Süden abgehen.“ „Ja, verehrter Vater.“ Sesshoumaru erhob sich. Miki würde kaum ablehnen, damit würde Sara schon bald, sobald die Mitgift ausgehandelt war, in den Westen kommen. Sie wäre sicher froh ihren Shippou zu bekommen und würde schon deswegen auch gut für Rin sorgen. Und er konnte das Mädchen ohne jedes Aufsehen oft besuchen. Er konnte nur gewinnen.     Kagome drehte sich verschlafen um, ehe sie realisierte, dass sie sich nicht in ihrem eigenen Bett befand. Dann fiel ihr das Geschehene ein und sie richtete sich auf. Ein Zimmer, ein Bett, ein Schreibtisch mit Laptop, Türen. An dem Schreibtisch saß Inu Yasha und schlief offenkundig sehr unbequem auf der Platte. Warum war er denn nicht ins Bett gegangen? Hatte er sie bewachen wollen? Nett, aber nutzlos? Moment. Er hatte gar nicht ins Bett gehen können, erkannte sie auf den zweiten Blick. Das war sein Zimmer und sie hatte darin geschlafen. Noch niedlicher – und noch dümmer. Man sollte doch annehmen, dass es im Schloss auch andere Gästezimmer gab? Jedenfalls war er wieder Reddemon gewesen, der nette, freundliche Junge. Das war er ja wohl auch, aber trotzdem – dieser Kampf gegen den Drachen … Nun ja. Sie hatte den Fremden auch getötet. Sie spürte den Schauder. Ja, sie beide hatten heute Nacht jemanden ermordet, wenn auch um sich selbst oder andere zu schützen. Sonst wären sie selbst, Inu Yasha, Miroku, Kouga und die liebe Sango doch schon alle tot. Und nicht zuletzt der Fürst auch. Dieser Naraku hatte so viel Unheil angerichtet! Oh, ihre Familie! Der Fürst hatte doch gestern Nacht oder heute Morgen noch gesagt, er würde Leute zu ihnen schicken, aber, wie ging es ihnen? Hatte Naraku es noch geschafft Opa oder Souta etwas anzutun? Irgendwie bezweifelte sie nicht, dass dieser Mistkerl inzwischen zu nichts mehr in der Lage wäre. Jemand, der den Fürsten und den Erbprinzen auf dem Hals hatte, hatte wenig Chancen.   Inu Yasha richtete sich auf. „Hallo, Juwel, Ausgeschlafen?“ „Einigermaßen. Wie geht es dir?“ „Besser. Guck, sogar meine Kleidung wird schon wieder.“ „Ich würde gern nach Hause. Mama macht sich sicher schon Sorgen.“ „Sie weiß Bescheid. Vater denkt an so was. - Aber, okay. Ich gehe jetzt dann mal. Da ist die Dusche und Vater ließ dir andere Kleidung schicken.“ „Danke. Du, was sollte das mit deinem Vorzimmer?“ Sie schlug die Decke zurück. Nun ja. Ihre Kleidung war auch ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Es hätte ein Date sein sollen, nicht diese unendliche Nacht und der noch längere Tag. „Das bedeutet, dass ich morgen oder so im Kendama umziehen darf und neben meinen Halb ... neben meinen Bruder geparkt werde und ihr gleich dazu.“ Der Halbdämon grinste. „Beförderung für uns alle.“ „Und, meinte dein Vater ... ich meine, meinte der Fürst das ernst, dass ich jetzt immer um ihn sein soll?“ Er wurde ernster. Aber sie hatte wohl einiges nur am Rande mitbekommen. „Vater meint immer, was er sagt. Bei einem Dämonenfürsten gibt es weder Lügen noch Drohungen. Aber, meine liebe Juwel, du sollst anscheinend dieses wildgewordene Schmuckstück im Zaum halten. Stell dir doch nur vor, was passiert, wenn das meinen Vater verhext. Oder es gar jemand wie dieser überdimensionierte Regenwurm in die Klauen bekommt. Der einzige Mensch, der das verhindern kann, bist eben du.“ Er sah, dass sie ängstlich guckte. „He, Kagome. Immerhin hast du meine Hilfe dabei, und sicher auch die von Miroku und Sango. Wir sind zusammen, da kann doch alles nur klappen.“ „Ja,“ seufzte sie etwas überfordert. „Ich geh mal unter die Dusche. Und du gehst raus!“ „Ja, klar. Ich bin vor der Tür, du willst doch sicher dann was essen.“ „Ehrlich gesagt, essen, nein. Ich möchte was trinken und dann nach Hause.“ „Wie du willst. Dann bringe ich dich zum Auto.“ Er wollte doch noch etwas in ihrer Nähe sein. „Und morgen sehen wir uns im Kendama. Danach sollst du ja sowieso herziehen. Es gibt hier einige Zimmer frei.“ Nun, bald nicht mehr, wenn Sesshoumaru gleich zwei Frauen herbrachte und zumindest einer schon mal Kinder auf den Hals hetzte. Obwohl, Vater würde das Tapsen kleiner Pfoten und Füße vermutlich sehr gefallen. Er gab sich solche Mühe mit ihr, dachte sie zerkirscht. Und er hatte solche Probleme bekommen, nur weil ihr Opa krank war, weil Naraku sie erpresst hatte. So lächelte sie. Es war nur der Schatten dessen, was sie vor Monaten gehabt hatte, aber es freute den jüngsten Prinzen doch. Und sein Herz hüpfte auf und ab, als sie leise meinte: „Morgen im Kendama, ja, Prinz Inu Yasha. Aber heute Abend im Chat, ja, Reddemon?“ „Klar.“ Und er schwor sich, sie würde nie in ihrem Leben mehr mit einem anderen chatten.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)