The Darkness Inside Me von robin-chan ================================================================================ Kapitel 35: L'addio. -------------------- Abschied 1. Dezember 2012 Zorro war hundemüde als er kurz nach Mitternacht nach Hause kam. Ins Bett, war alles voran er dachte, aber das Gefühl sagte ihm, dass das nicht so funktionierte, wie er es sich wünschte. Immerhin stand ein harter Brocken noch bevor und zu allem Überfluss brannte Licht. Dabei hatte er gerade erst das Telefonat mit Nami hinter sich gebracht (und verdammt, sie war fuchsteufelswild!), ihr eine glatte Lüge aufgetischt und Zorro fühlte sich miserabel. Er deckte gerade einen Pack Mörder. Mörder, die er leider mochte und diese Mörder hatten jene Frau gerettet, die er liebte. Deshalb hielt sich Zorro gerne aus allem raus. Einmischen kostete Nerven. Brummend ließ er den Kopf hängen, massierte die pochenden Schläfen. Statt besser wurde es schlimmer. Einfach ins Bett und später, mit klarem Kopf an die Sache rangehen. „Hey!“ Oder auch nicht. „Bist früh dran.“ Zorro blickte auf, erkannte Sanji, der taxierend im Türrahmen lehnte. Eine nicht angezündete Kippe im Mundwinkel. Zorro schwante Übles. Schweigend starrten sie sich eine Weile an, ehe Zorro einen tiefen Seufzer ausstieß und sich langsam der Winterjacke entledigte. „Wir müssen reden.“ Wow. Den abgedroschenen Satz kannte Zorro lediglich aus dem Fernsehen. Nun benutzte er ihn. Lang hatte er, auch mit den anderen, überlegt, wofür er sich entschied. Bonney wollte die Sorgen in Grenzen halten, also musste Zorro ihre Entscheidung akzeptieren und ins kalte Wasser springen. „Du hast sicher Hunger – Ruffy schläft, also sei ruhig.“ Damit stieß er sich ab. Zorros Mundwinkel zuckten matt. Als ob sie von einem Kind sprachen. Leider führte sich ihr Freund gerne auf, als wäre er noch jünger. Schlief er, so konnte Zorro ein ruhiges Gespräch führen, was ihm momentan wesentlich lieber war. Träge folgte er dem Koch in die Küche, warf dabei einen kurzen Blick auf Ruffys Zimmertür. Ja, ohne den Hitzkopf war es bestimmt besser. „Wo steckt sie?“, fragte Sanji sogleich während er sich an den Herd stellte. Zorro hingegen schritt schnurstracks zum Kühlschrank, er brauchte ein Bier, obgleich es ihm vermutlich wieder nicht so recht schmeckte. Dennoch war Bier ein Balsam. Leicht verzog er das Gesicht, als Zorro der Inhalt des Topfes ins Auge stach. Cremesuppe. Er mochte keine. Jeden Winter dasselbe. Laut Sanji die perfekte Vorspeise um den Körper aufzuwärmen. Und Zorro aß sie immer wieder, entweder aus reiner Höflichkeit oder wie in diesem Fall, um keinen Streit vom Zaun zu brechen (oder weil ihm Sanji schon mal gedroht hatte, er würde ihm nichts mehr kochen). Eher lugte er zum Ofen, das Essen darin interessierte ihn vielmehr und sein Magen knurrte. Verrückt. Tagsüber hatte er kaum einen Bissen zu sich genommen und plötzlich rumorte sein Magen. Entweder hatte er enormen Hunger oder sein Magen rebellierte gegen die kommende Unterhaltung. Vielleicht eine Mischung aus beidem. „Bonney ist … Bonney hat die Stadt verlassen … also für eine Weile“, brachte Zorro irgendwie hervor und während er einen Schluck trank, beobachtete er jede einzelne Reaktion. Erwartungsgemäß hielt Sanji inne, brauchte ein paar Sekunden eher er sich entgeistert umdrehte. „Braucht ein wenig Abstand oder so. Kennst sie ja, hat oft genug davon gesprochen. Nicht?“ Der Versuch es lachend, einfach locker rüberzubringen, scheiterte kläglich. Vermutlich hatte er sich wie ein Irrer angehört. „Ist heute aufgewacht und hat sich gedacht, sie haut ab? Einfach so?“ Wütend griff Sanji in seine Hosentasche, holte das Feuerzeug hervor. Zorro fragte sich, wie lang er sich das Anzünden verkniffen hatte. „Mach das Fenster auf.“ Bonney zu liebe, rauchte Sanji selten in der Wohnung. Wenn, dann eben in der Küche oder auf seinem Zimmer. „Können wir nicht ändern.“ Ohne nachzudenken folgte er. Jetzt, da er nur das dünne Shirt trug und die Anspannung verschwunden war, spürte Zorro die kühle Nachtluft deutlicher. Der Winter stand bevor. „Und dir hat sie Bescheid gegeben? Dir allein?“ Ein berechtigter Einwand. Leider hatte man Bonney das Handy abgenommen. Schreiben oder gar anrufen funktionierte nicht. War Zorro ehrlich, dann war die Ausrede, die sie sich für Robin ausgedacht hatten, wesentlich durchdachter – hätte er den Mund lieber nicht allzu voll genommen. „Anscheinend?“ Bei Nami hatte er besser gelogen, war dem Plan gefolgt. Warum wohnte er mit dem Idioten zusammen? Am Telefon ging ein Gespräch überraschend leicht von den Lippen. „Wir brauchen uns keine Sorgen machen. Sie kommt wieder.“ Der Holzlöffel brach entzwei, als Sanji ihn wütend gegen die Kante schlug. So viel zum Thema leise sein um Ruffy nicht aufzuwecken und das Chaos perfekt zu machen. Vorwürfe waren allerdings unangebracht. „Du bist ein jämmerlicher Lügner!“ „Bonney ist gegangen, find dich damit ab!“ In dem Punkt log Zorro eben nicht und er war derjenige, der sie einfach hatte gehen lassen, ohne andere Option in Erwägung zu ziehen. Hatten andere überhaupt existiert? Vielleicht. Warum sonst fühlte sich das Richtige so falsch an? „Verdammt, nenn einen Grund! Hat sie Probleme? Wir helfen ihr!“ „Wir sind ihr keine Hilfe!“, knurrte Zorro verbissen, frustriert über seine eigenen Worte. „Denkst du, mir gefällt das? Wir sind nutzlos. Momentan ist die Stadt zu gefährlich – ihr geht’s gut, okay? Ist beschissen gelaufen, aber ihr geht’s gut.“ Wo auch immer. Bonney hatte selbst keine Information erhalten und Franky hielt den Zielort auch vor ihm unter Verschluss. Reine Vorsichtsmaßnahme. „Wie oft haben wir ihre verrückte Ader belächtet? Geglaubt, sie hat einen an der Klatsche, wenn sie von ihrem Verfolgungswahn gesprochen hat? Wer sollte ausgerechnet ihr auflauern?“ Immer und immer wieder. Bis ein Satz alles verändert hatte. Und plötzlich vergaß Zorro die Abmachung, sprach sich in Rage. „Wir haben versagt, haben es einfach ignoriert. Jetzt ist alles aus dem Runder gelaufen und sie ist fort, andere passen auf sie auf. Irgendwann hat sich alles beruhigt und Bonney wird zurückkehren!“ Das hatte sie versprochen und darauf vertraute er. Sanji warf den Stummel einfach aus dem Fenster während sein Blick durchdringend auf Zorro ruhte. „Scheiße!“ Ungläubig schüttelte der Blonde den Kopf, zündete die nächste Zigarette an. Immer wieder schüttelte er den Kopf. Woran zum Teufel dachte er? Lachend blies er den Rauch aus. „Du bist verknallt!“ Zorro verkrampfte, der Kiefer stach hervor. Und wenn schon! Was zur Hölle hatten seine Gefühle mit ihrem Abgang zu tun? „Hast du zugehört? Sie ist weg!“ „Und du kennst die Gründe und bist – für deine bescheidenen Verhältnisse – verdammt emotional! Spuck’s aus, auf deine Lügerei habe ich keinen Bock! Du magst verknallt sein und bildest dir wohl mehr darauf ein, aber zu deiner Info: Wir sind ihre Freunde und haben ein Recht auf die Wahrheit!“ Keinen Streit vom Zaun brechen. Wie immer, wenn Zorro sich vornahm ruhig zu bleiben, brachte ihn dieser Idiot auf die Palme. „Tut mir leid, dass sich Bonney bei mir gemeldet hat und nicht bei dir!“, platzte es aus ihm heraus und knallte die Bierflasche auf die Anrichte. „Sei froh, dass du nicht die Wahrheit kennst. Bonney ist in Sicherheit und kehrt sie eines Tages zurück, dann klärt sie euch auf. Finde dich damit ab!“ Unbewusst kroch eine unsagbare Wut hoch. Auf Bonneys langes Schweigen. Auf seine Untätigkeit. Seine Schwäche. Auf Sanji. Auf die Tatsache, dass der Koch aus einer abgefuckten Familie stammte. Nie ein Wort über seine Brüder verloren hatte, die ebenfalls hinter Bonney her waren und die ihre Rettung beinahe verhindert hatten. „Erwartest also wir drehen Däumchen und vergessen sie?“, brüllte Sanji und schritt bedrohlich näher. „Wenn du schon das Maul halten willst, dann lern das auch! Ist nicht mein Problem, dass sie dich hat abblitzen lassen oder dass du was wusstest und zu dumm warst, ihr beizustehen!“ Da riss der Faden und aus einem Reflex heraus, noch bevor er einen Gedanken fasste, schlug Zorro zu und traf den anderen seitlich im Gesicht, wodurch Sanji perplex zurück torkelte und schmerzhaft aufstöhnte. Die Zigarette fiel zu Boden. Viel hatte sich, besonders in den letzten Stunden, aufgestaut und der Koch gab plötzlich das perfekte Ventil ab. Schnell atmete Zorro und bevor er die Zeit bekam die Genugtuung auszukosten, spürte er bereits das Bein des anderen, das seine Rippen in Mitleidenschaft zog. So waren sie. Der eine ließ seine Fäuste sprechen, der andere benutzte ausschließlich seine Beine. Wutverzerrt starrte sie einander nieder, gingen in Position, denn Zorro war klar, dass das anders nicht mehr zu regeln war. Jetzt, wo beide Blut geleckt hatten, wo sich in beiden die Wut angestaut hatte. Unverständlicherweise grinste Sanji, dessen Wange gerötet war. Ein bisschen tiefer oder zur Seite und er hätte eine aufgeplatzte Lippe oder eine gebrochene Nase. „Reden ist dir eindeutig zu hoch, was? Weißt nicht weiter, lässt du deine Muckis spielen. Echt jämmerlich.“ „Was macht dich besser? Trittst sofort zurück. Aber was wundere ich mich. Liegt dir ja im Blut, deine Sippe macht ja vor nichts Halt“, ließ sich Zorro hinreißen, obwohl er diesen Punkt tunlichst totschweigen wollte. Das Grinsen wich, machte einem äußerst betroffenem Ausdruck Platz, als ob Zorro bereits den nächsten Treffer gelandet hätte und er wusste, was er damit herauf beschwor. „Wiederhol das!“, presste Sanji zähneknirschend hervor. „Vergiss es.“ Der Drang, Sanji die Seele aus dem Leib zu prügeln, verschwand plötzlich, wurde Zorro eben bewusst, welche Türe er geöffnet hatte. Beschwichtigend sanken seine Arme und als er zum Herd blickte, grinste Zorro schief. Perfekt. „Der Topf geht über.“ Hastig drehte sich Sanji, fluchte laut. Auf das Essen vergaß Sanji eigentlich nie. „Bonney verschwindet, gibt nur dir Bescheid. Redest von unserem Versagen. Du bist vor fünf Uhr aus dem Haus. Bist früh zurück. Schneidest ein Thema an, von dem du keine Ahnung hast“, zischte der Koch während er die Platten sauber machte. „Du bist eingeweiht, in was auch immer – so viel zum Thema Freundschaft.“ Gekränkt stellte Sanji den Topf, zusammen mit einem Teller, auf den Tisch und Zorro bereitete sich bereits auf die nächste Runde vor. Stattdessen würdigte ihn Sanji keines Blickes und ging. Einfach so und Zorro blieb irritiert zurück. Wann hatte der Blonde je eine Chance ausgelassen, um ihn die Leviten zu lesen? Da wusste Zorro – er hatte Scheiße gebaut. × × Schimpfend stapfte Sanji den Kanal entlang. Frische Luft. Ein paar Minuten an der frischen Luft, die ein oder andere Zigarette. So ging der erste Gefühlsschub meist rasch vorbei und er fasste wieder klarere Gedanken – im Normalfall. Warum hatte er den Dreckskerl nicht einfach windelweich getreten! Sanji kochte vor Wut, selbst das Nikotin verlor seine lindernde Wirkung. Was war los mit seinen Freunden? Sanji vergötterte Frauen, tolerierte fast alles, aber dieses Mal konnte er nicht stumm akzeptieren. Denn war Zorro eingeweiht und hielt ihnen die Wahrheit vor. Zudem schnitt er eine Thematik an, von der der andere nichts wissen durfte. Nie hatte Sanji von seiner eigentlichen Familie erzählt. Lediglich von Pflegefamilien. Die Wahrheit hatte er tief in sich vergraben. Also konnte jemand wie Zorro unmöglich an die notwendigen Informationen kommen, zumal er nie einen Fuß auf französischem Boden hatte. Fröstelnd zog Sanji den Schal enger. Entweder hatte jemand Sanji erkannt oder … allein der Gedanke, an das mögliche Szenario, löste einen beklemmenden Druck in seiner Brust aus, führte zu einem krampfhaften Ziehen des Magens. Plötzlich verblasste seine Wut, denn jene Erkenntnis traf in härter, als ein Schlag es je könnte. Hielt sich seine Familie in der Venedig auf? Wild klopfte sein Herz. „Hey!“ Sanji schreckte hoch. „Gehst du Bonney suchen? Da verschwendest du bloß deine Zeit.“ Ruffy näherte sich und bei genauer Betrachtung erkannte Sanji das schwere Atmen, sein Gesicht zeichnete einen leichten Schweißfilm ab. „Was hast du getrieben?“, fragte Sanji verwirrt. „Konnte nicht schlafen. Hab mir die Beine vertreten.“ „Seit wann schleichst du dich raus?“ Die gesamte Zeit über hatte Sanji das Wohnzimmer nicht verlassen. Die Wohnungstüre hätte er definitiv gehört. „Durchs Fenster. Will euch nicht aufwecken und hält mich fit.“ Automatisch schoss Sanjis Augenbraue in die Höhe. Ruffy und Feingefühl? Passte nicht gerade zusammen. Niemand stören. Derselbe, der morgens wie ein Irrer nach Essen brüllte, stieg also durchs Fenster, um niemanden aufzuwecken? Als ob. „Schon klar.“ Nein, er zweifelte an dessen Erklärung und auf eine Diskussion war Sanji nicht aus. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war Ruffy durch das Fenster, um heimlich nach ihr zu sehen. Immerhin hatten sie darüber gesprochen, dass Sorgen unnötig waren. Nun war Ruffys Gefühl bestätigt worden. „Hör mal – Bonney unternimmt einen Trip. Art Urlaub oder so. Bleibt eine Weile fort.“ Sichtlich entglitten – und solche Sekunden konnte Sanji an einer Hand abzählen – dem anderen sämtliche Gesichtszüge. „Kennst sie ja. Ein Wirbelwind lässt sich nicht halten.“ Verletzt wich Ruffy aus, blickte zu Boden und Sanji schluckte. „Oh. Okay.“ Eine Weile schwiegen beide. Dann holte Ruffy tief Luft, hob den Kopf an und grinste verdächtig zufrieden – er spielte. „Du hast Recht behalten. Ein Glück.“ Er schob die Hände in die Jackentasche, wippte unschlüssig. „Zorro hat heut frei. Komischer Tag. Was soll’s.“ „Ist schon eine Weile zu Hause.“ Bevor Sanji nachfragen konnte, ob er etwas brauchte, rückte Ruffy ihm eine Spur zu aufdringlich auf den Leib. „Was soll das!“ Als er nicht locker ließ, drückte Sanji den anderen unsanft von sich. „Was hast du da gemacht?“, hinterfragte Ruffy und deutete auf seine eigene Wange. „Ach das. Kleine Meinungsverschiedenheit, reg dich nicht auf.“ „Mit wem?“ „Ist unwichtig, okay? Na los, gehen wir rein. Ich mach dir eine Kleinigkeit.“ „Bei Bonney ist alles in Ordnung … also dreh ich noch eine Runde. Nacht!“ Unschlüssig sah Sanji hinterher, sagte aber nichts. Ruffy brauchte wohl Freiraum. × × Zum Glück hatte er den Tag zum Ausschlafen. Sein Kopf dröhnte immer mehr und Zorro hoffte auf ein rasches Einschlafen. Einfach abschalten und später über den nervenreibenden Gedanken brüten. Erneut massierte er die Schläfen. So beschissen hatte sich Zorro lange nicht gefühlt. Zuerst hatte er dem SUV keine Beachtung geschenkt. Dann war Franky ausgestiegen. Ein stummes Nicken. Das Warten war vorbei. Erleichterung kam jedoch erst in jener Sekunde auf – Franky hatte deutliche Blessuren davon getragen – in der er Bonney erkannte und lediglich ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Unversehrt. Je länger Zorro sie betrachtete desto bewusster wurde es ihm. Bonney fehlte nichts. Nichts! Und sie war hier. Bei ihm. „Ciao“, murmelte Zorro nach gefühlter Ewigkeit. Plump, doch eine bessere Begrüßung fiel ihm nicht ein, sein Kopf war einfach leergefegt. Einzig und allein vernahm er sein Herz. Verrückt, wann hatte er das letzte Mal ein solches Herzklopfen gefühlt? Verdammt, das war er nicht! Aufgeregt atmete Zorro, obwohl er abgeklärt wirken wollte, so wie man ihn kannte. Sein Herz hörte nicht und wollte sich vehement durchsetzen. „Ciao?“ Gewieft grinste Bonney, schüttelte verspielt den Kopf. „Idiot!“ Ehe Zorro in der Lage war sich zu rühren, stand Bonney bereits dicht vor ihm, schob die Arme in seinen Nacken und presste ihren Körper fest an seinen. Zorro schluckte. Neben dem Widerstand und der angenehmen Wärme, die davon ausging, registrierte er das unangenehme Kitzeln des Haares, aber mehr noch nahm Zorro der süßliche Duft ein, den er so mochte und sein Herz – er hasste das – noch schneller zum Schlagen brachte. Unbewusst atmete er tiefer ein. Und er gab nach. Gab endlich nach und schlang die Arme um Bonney während er das Gesicht in ihrem Haar vergrub. „Es tut mir leid“, schluchzte sie gegen seinen Hals und Zorro spürte das Zittern – sie weinte. Vermutlich suchte ihn die Erinnerung in Zukunft heim. In erster Linie war Bonney für ihre fröhliche und leicht durchgeknallte Art bekannt. Zudem wusste sie stets, was sie wollte und nebenbei hatte sie es faustdick hinter den Ohren. Manchmal war sie traurig, tief in ihre Welt versunken, aber das Weinen … das Weinen war neu. Vollkommen unbekannt und doch verständlich. Immerhin hatte sie eine Rettung ausgeschlossen, sich gar mit ihrem Schicksal abgefunden. Solche Gefühlsausbrüche überforderten Zorro. Unfähig in paar Worte über seine Lippen zu bringen, hatte er sie einfach schweigend gehalten und abgewartet. „Als ob sie dein Untertauchen beruhigt. Ohne Nachricht“, spottete Zorro und demonstrativ verschränkte er die Arme. Natürlich durften ihre Freunde nicht die gesamte Wahrheit erfahren. Nur brauchte es einen hilfreichen Anhaltspunkt, warum Bonney über Nacht einfach verschwand. „Ruffy geht an die Decke! Du kennst ihn.“ „Willst du ihnen etwa alles unter die Nase reiben? Ruffy dreht erst recht durch!“ Ermüdet fuhr sie sich durchs Haar. „Vom Abhauen hab ich oft genug gesprochen. Ob du mitspielst oder den Unwissenden gibst, überlasse ich dir, aber mir wäre wohler, wenn sie rausgehalten werden.“ Er schnaubte. „Tut mir leid.“ „Hab mich irgendwie selbst in die Lage manövriert. Andererseits bist du wohlbehalten rausgekommen.“ Hätte er sich nicht auf seine Weise eingemischt, dann hätte er Bonney verloren. Hätte sich stets gefragt, wo Bonney steckte. Für sich akzeptierte Zorro den Umstand – irgendwann. Leider trat der Fall bei ihren Freunden ein. „Ist kompliziert, aber warum verabschiedest du dich nicht auch von ihnen?“ Wenigstens eine knappe Erklärung. Besser als wortlos abzuhauen. „Weil unser Treffen schon riskant genug ist und wer weiß, ob das überhaupt einen Sinn macht. Du bist eingeweiht und glaub mir, ich bin mehr als glücklich darüber, dass du dich eingemischt hast.“ Während sie jeden Blickkontakt vermied, legte sich ihre Hand ungewohnt und zaghaft auf seine Brust. „Deine Stimme wollte ich hören. Für den Fall der Fälle. Deshalb mein Anruf und dann lässt du mich retten.“ „Sei froh“, grinste er schief, nicht wissend, was er sonst sagen oder tun sollte. „Ich will dich nicht verlassen“, murmelte Bonney, gerade laut genug, damit er sie hörte und lehnte vollends gegen ihn, „und weil ich immer in Angst gelebt habe, habe ich meine Gefühle ignoriert. Ziemlich bescheuert.“ Der Plan schien simpel. Ihre Freunde so gut es ging zu beruhigen. Ihnen einfach eine Auszeit verdeutlichen. Stattdessen hatte Zorro sich unnötig provozieren lassen, hatte dummerweise das Falsche gesagt. Wie immer, wenn er mit dem Koch stritt, trat diese unüberlegte Ader hervor. Bei anderen horchte er kaum hin oder gab einen abfälligen Kommentar ab und fertig. Sogar bei Ruffy funktionierte seine Masche, aber nein, bei Sanji geriet selbst ein banaler Streit rasch außer Kontrolle. Zwar weniger mit Taten, aber brüllten sie sich oft genug an. In dem Fall hatte er einmal mehr ganze Arbeit geleistet und vermutlich wartete die Quittung bereits. Erfuhr Bonney, oder gar Franky, vom Ausrutscher … da durfte sich Zorro eine Standpauke anhören. Bonney. Ob Zorro sich je daran gewöhnen würde? Das leere Zimmer. Zu dritt wohnen. Sie weder sehen noch hören. „Du musst wirklich los.“ Franky stand räuspernd bei ihnen. Die Zeit war gekommen. Natürlich. Das Treffen war waghalsig und verminderte den Vorsprung. Andererseits, suchte der Kerl tatsächlich in Venedig nach ihr? „Okay. Ist wohl besser so.“ Bonney nickte ihm zu, wich aber keinen Zentimeter. Unschlüssig biss sie sich auf die Lippe, hob den Kopf und sah Zorro an. „Halt die Ohren steif!“, lachte sie gequält. Wieder kam ihm vor, als ob das Herz einen Schlag aussetzte und automatisch, ohne nachzudenken, umfassten seine Hände ihr Gesicht. Ein Wimpernschlag eines austauschenden Blickes bis sich ihre Lippen berührten und Bonney sich an seine Jacke klammerte. Für ihn war der Kuss ungewohnt anders. Weder fordernd noch animalisch, wie er es bei seinen Sexabenteuern handhabte. Stattdessen gefühlvoll, geprägt von Sehnsucht und vor allem Traurigkeit. Er schmeckte schließlich Salz, spürte die verräterischen Tränen auf seiner eigenen Haut. Er hasste die Liebe. Zorro schlug das Auge auf. Es klopfte und in dieser Wohnung lebte nur einer, der halbwegs Manieren besaß und Privatsphäre respektierte. Bis zu einem Grad. Beim siebenten Mal fragte sich Zorro bereits, wie lange das Holz noch hielt, denn mittlerweile drosch der Koch förmlich dagegen. Da wollte er wohl sicher gehen, gehört zu werden. „Beweg dein Arsch rein oder hau ab!“, keifte Zorro. Aufstehen würde er nicht. Immerhin suchte der andere das Gespräch, worauf Zorro liebend gern verzichtete. Die Tür knarzte leise und ohne Vorwarnung wurde das Licht angemacht, weswegen Zorro knurrend das Gesicht unter seinem Arm verbarg. „War klar. Du bist wieder der, der seelenruhig pennt“, spottete der Blonde. „In der Zwischenzeit durfte ich Ruffy die Nachricht überbringen. Er hat gar nicht geschlafen. Ist durch die Stadt gejagt, leider ohne Erfolg.“ Reichlich spät um an sein Gewissen zu appellieren. Es plagte Zorro seit Stunden. Was der Vorfall auslöste, war ihm rasch bewusst geworden. Und was das für Ruffy bedeutete, brauchte ihm niemand zu erklären. Jeder trug seine Päckchen und Ruffy zeigte, warum auch immer, manchmal Verlustängste. Freunde kamen zuerst und er suchte ihre Nähe. Er hasste Meinungsverschiedenheiten. Nun war ausgerechnet eine seiner wertvollsten Bezugspersonen einfach abgehauen. Zorro respektierte Ruffy. Mehr als er je bereit wäre öffentlich zuzugeben. Ruffy war der Freund geworden, den er nie haben wollte und anfangs mochte er den Bengel überhaupt nicht. Weder seine übertrieben gutgelaunte Art noch seine Einstellung nie locker zu lassen. Und irgendwann entstand dann doch diese recht merkwürdige Freundschaft. Ihre Charaktere waren zu verschieden während sie in anderen Aspekten fast perfekt harmonierten. Neben Sanji stieß schließlich Bonney hinzu. Erneut hatte Zorro festgestellt, wie rasch Ruffy Freunde machte, Vertrauen fasste. Zorro wiederum wahrte die Distanz, blieb lange skeptisch. Vertrauen und Loyalität mussten sich erarbeitet werden. Bonney hatte sich zu einer weiteren Konstanze entwickelt, für Ruffy besonders wichtig. Natürlich würde dieser darunter leiden. Die Zeit brauchen, um sich daran zu gewöhnen. „Ist schwer, aber er wird klar kommen“, murmelte Zorro – überleben, weil Ruffy sich zu arrangieren wusste, obgleich das Loslassen definitiv zu den Schwächen des jüngeren zählte. Als eine Antwort ausblieb, holte Zorro tief Luft und streckte den Arm aus, wodurch er den Blonden erspähte, der bestimmt nicht wegen Ruffy hier war. Jedenfalls nicht allein deswegen. „Scusi. Vorhin … vergiss meine Worte einfach. Hab Mist verzapft.“ Vermutlich sinnlos, doch einen Versuch war es wert. „Du verheimlichst wichtige Details. Bonney steckt in Schwierigkeiten, in ziemlich großen. Bislang hat sie stundelang Panik geschoben. Abgehauen ist sie nie. Bis jetzt.“ Auffällig sah Sanji sich um. „Also, was erwartet ihr? Brav nicken und weitermachen? Zudem stell ich mir automatisch die Frage, was Bonney angestellt hat.“ „Nichts Illegales, versprochen. Vom Gesetz her ist alles in Ordnung.“ „Klasse“, gab Sanji angesäuert zu verstehen. „Null Vertrauen, was?“ „Schwachsinn.“ Zorro setzte sich auf. „Ist halt eine beschissene Situation und sie hat ihre Entscheidung getroffen. Wir müssen sie respektieren.“ „Du hast dich nie für andere interessiert. Machst was du willst, lebst vor dich her. Hab ich sie angesprochen, hat sie abgeblockt, sogar Ruffy ist nie durchgedrungen und siehe da. Dich lässt sie ran und wir stehen vor einem Haufen Fragen. Ist nicht gerade fair von euch.“ Sanji grinste schief. „Wir arrangieren uns halt, kein Thema, dann solltest du dich allerdings aus meinen Angelegenheiten raushalten und aufhören in meinem Leben herumzuwühlen. Das geht dich einen Scheißdreck an.“ „Freiwillig habe ich mich nicht mit dir beschäftigt und eigentlich interessiert’s mich überhaupt nicht. Leider sitzt das Problem tiefer.“ Verachtend schnaubte der Blonde. Seine Familiengeschichte musste ihn beschäftigen, sonst würde er nie und nimmer so reagieren, sofort daran denken. Immerhin hätte er über jede seiner angeblichen Pflegefamilien reden können, aber Zorro war sich sicher, Sanji hatte sofort verstanden. „Tiefer!“, spottete Sanji. „Hast meine Abstammung herausgefunden und was? Dir darauf eine Meinung gebildet, ohne genauere Hintergründe zu kennen? Gratuliere!“ „Lass gut sein.“ „Soll ich deine Vergangenheit durchleuchten?“ Sanji wurde laut, ließ seiner Wut freien Lauf. „Ich höre nicht auf. Nicht solange es um mein Leben geht. Ja, ich komme aus einer brisanten Familie, und hey, ich bin früh genug abgehauen. Du fängst damit an und ich muss kuschen, weil dir das Thema zu unangenehm ist. Schon mal darüber nachgedacht, dass dich das nichts angeht? Wer hat’s dir überhaupt gesteckt?“ „Deine Brüder sind ein Teilgrund, warum Bonney fort ist“, gab Zorro nach, da er Sanjis Misere durchaus verstand und nachvollzog. Niemand wollte mit dem konfrontiert werden. Vor allem nachdem es über Jahre geheim gehalten wurde. „Bonney sollte von ihnen, sagen wir … entführt werden.“ War definitiv nicht Zorros bester Tag, denn er hielt normalerweise dicht, plauderte nie ungewollt Details aus. Neugierig blickte er zum Blonden, der geschockt stillhielt. „Sanji?“ Dieser reagierte nicht auf ihn sondern taumelte schließlich drei Schritte zurück, bis er an der Wand lehnte und langsam zu Boden glitt. Ab jetzt hatte Zorro keinen blassen Schimmer, was er unternehmen sollte. Für Sanji, der allem Anschein nach eine Abneigung gegenüber seiner Familie empfand, musste sich deren Anwesenheit wie ein Schlag anfühlen. „Wo sind sie?“, fragte der Blonde nach einer Weile benommen. Unbewusst griff er in seine Hosentasche. In seinem Zimmer war Zorro strikt gegen das Rauchen, aber irgendwie konnte und wollte er keinen provozierenden Kommentar ablassen. Und als ob es Sanji bewusst wurde, hob dieser Kopf, hielt eine Zigarette hoch. „Darf ich?“ Zorro nickte. Jeder hatte sein eigenes Mittel. Er hätte sich Alkohol geschnappt. Sanji rauchte. Ruffy kam mit Essen runter. Bonney auch, aber meist explodierte sie kurz und war wieder beruhigter. „Wo sind sie?“, wiederholte Sanji nach dem ersten Zug, wirkte wesentlich klarer (Zorro fragte lieber nicht, wie viel er schon geraucht hatte). „Nicht in Venedig.“ „Sind sie tot?“ Sanji neigte den Kopf, starrte ihn förmlich nieder. „Ist eine berechtigte Frage.“ „Ja. Tut mir … leid?“ Leid tat es Zorro sicher nicht. „Wer hat sich um sie gekümmert?“ „Unwichtig und in dem Fall musst du bitte aufgeben.“ Und das Bitte fiel ihm schwer. Sanji nickte, schien noch zu verdauen. „Bonney ist Jahre nicht nur vor einem Mann sondern auch ihrer eigenen Familie geflohen. Der Grund ist auch mir unbekannt. Letzte Nacht sind sie ihr nach und alles ist ins Rollen gekommen. Deine Brüder sollten sie – im Auftrag der Familie – mitnehmen. Ein Bekannter hat Freunde, und die kümmern sich um solche Zwischenfälle. Die drei sollen ordentliche Schwierigkeiten gemacht haben.“ „Verständlich“, murmelte der Blonde und sprang auf. „Bei der Ausbildung … die können nur Probleme bereiten.“ Das Fenster wurde geöffnet, er schnippte die Zigarette. Zorro beobachtete ihn schweigend, aber verwirrt. „Ich war der Außenseiter, mehr oder weniger der Gute – klingt bescheuert, was?“ Mit dem Rücken lehnte er an die Fensterbank. „Früh begann unsere Ausbildung. Taktik. Kämpfen. Töten. Meine Brüder lebten dafür, verloren sämtliches Mitgefühl. Das Ziel anvisieren und das Notwendige tun. Gefühle waren Schwäche. Vater tolerierte keine Schwäche … Maman – sie war so anders. Die Ausbildung … ich verabscheute sie. Ich versagte, sie baute mich auf. Unterstützte meine Liebe zum Kochen – ich fragte mich immer, was sie an diesem Tyrann fand und ob sie verstand, was er da tat.“ Unwillkürlich verhärteten sich Sanjis Züge. „Sie erlag der Krankheit und ihr Tod veränderte alles. Mein Vater wurde unnachgiebiger. Und während einer Übung, bei der ich auf ganzer Linie versagte, hatten mich meine Brüder halbtot geprügelt. Noch heute höre ich ihr verhöhnendes Lachen.“ „Irgendwann hast du dich also abgekoppelt“, stellte Zorro starr fest. „Versagen war für meinen Vater das Schlimmste. Er wollte mich loswerden, aber das eigene Kind töten? Nein. Vermutlich hatte er sich etliche Male den Kopf darüber zerbrochen, was er mit mir tun sollte. Die Entscheidung nahm ich ihm ab. Bin einfach getürmt. Waren harte Zeiten.“ Das Fenster wurde geschlossen. „Das ist die Eisbergspitze. Verstehst du, warum ich darüber kein Wort verliere und lieber erzähle, ich sei ein Waisenkind?“ Zorro nickte und realisierte, was Franky gemeint hatte. Sein Umfeld wurde in ein vollkommen neues Licht gerückt. Von einem Tag auf den nächsten. „Fehlt noch Ruffy“, scherzte Zorro. „Also bleibst du ohne Leiche im Keller?“ „Tote Freundin und Versagen. Ihr wisst Bescheid.“ Über sein Leben hatte er nie eine Lüge erzählt. Das Erlebnis, das sein Leben veränderte, war seinen Freunden bekannt. „Tu mir einen Gefallen und-“ „Ich halte den Mund. Versprochen. Dafür bleibt Bonneys Problem unter uns.“ „Einverstanden – nur solltest du am Lügen arbeiten.“ „Werde ich nicht. Ist eine Ausnahme.“ Von jetzt an wollte sich Zorro aus allem heraushalten. Wurden die Themen nicht angesprochen, würde er kein Problem damit haben. Und selbst wenn, das Schlimmste hatte er hinter sich gebracht. „Übrigens … ich weiß, du darfst nicht darüber reden, wer meine Brüder aus dem Weg geräumt hat – was ich verstehe, ich komme aus so einer Familie“, begann der andere und Zorro wurde misstrauisch, „aber ich hoffe, sie haben ihre Spuren verwischt? Wirklich verwischt?“ „Warum?“ Irgendwie missfiel Zorro der Ton. „Ich habe noch eine Schwester“, gestand Sanji zögernd. „Sie ist älter und genauso gefährlich. Findet sie eine Spur … wer weiß, was dann kommt.“ „Was?!“ Fassungslos taxierte er den Blonden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)