The Darkness Inside Me von robin-chan ================================================================================ Kapitel 4: Curiosità. --------------------- Neugierde 7. Jänner 2012   Von Wut innerlich zerrissen, eilte Nami hastig durch die Gänge des Krankenhauses. Eine Schwester hatte ihr mittgeteilt, wo sie den Bastard finden konnte. Immer wieder sah sie sich um, ob sie tatsächlich den richtigen Weg nahm. Auf dem Gang, inmitten einer Gruppe Ärzte fand sie ihn. Kaum stach ihm ihre Gestalt ins Auge, lächelte er sanft. Stets verblüffte es die junge Frau, wie fehlerfrei sein Schauspiel doch war. Er verabschiedete sich von seinen Kollegen und passte sie in der Mitte ab, signalisierte ihr keine Szene zu machen, die sich bereits in ihrer Gedankenwelt zusammenbraute. Bestimmend legte er seinen Arm um sie und schleifte sie somit mit sich in sein Büro, welches im nächsten Gang lag. Eilig drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen, suchte die Umgebung nach möglichen Zuhörern ab, die er zu seinem Glück nicht vorfand. Hinter ihr schloss er die Türe, drehte den Schlüssel. Mit ihrem Auftauchen hatte er unlängst gerechnet. „Sag mal, tickst du noch ganz? Was soll der Scheiß, Law?!“, entwich ihr sogleich. Wutentbrannt schubste sie ihn gegen die Wand. Trotz ihrer aufbrausenden Art blieb er bedächtig ruhig, ihrer Meinung nach zu ruhig. „Schlechte Laune?“, entgegnete er belustigend und richtete den Kittel. Ungeniert ging er an Nami vorbei, deren Atmung sich beschleunigt hatte, und flanierte sich in seinen Ledersessel. Gelassen gab er die Beine überkreuzt auf die Tischplatte, wippte. Überheblich wie eh und je. „Spiel nicht den Idioten. Ein Arschloch wie du, ist mir noch nie untergekommen! Macht dir das Spaß? Eine Beziehung zu zerstören?“ „Ihr habt euch getrennt? Wie schade“, heuchelte der Schwarzhaarige. Nami biss den Kiefer aufeinander und trat vor den Schreibtisch. Energisch stützte sie sich mit ihren Armen darauf ab. „Du bringst das wieder in Ordnung!“, fauchte sie lautstark. Belustigend schüttelte er mit dem Kopf. „Warum sollte ich deine Beziehung retten können?“ „Du bist krank“, brachte sie gepresst hervor. Keines ihrer Worte zeigte eine gewünschte Reaktion. Er wirkte vollkommen unbeteiligt. „Zu dumm, dass ich hier derjenige bin, der eine fachmännische Ausbildung hat um solche Unterstellungen zu tätigen.“ Nami atmete tief durch. Ein Kotzbrocken, wie er im Buche stand. Nicht dazu imstande ein normales Gespräch zu führen, zuzugeben, er tat das gerne mit Absicht. „Wenn sie dich so schnell abserviert, dann war eure Liebe wohl lediglich ein Hirngespinst.“ Ihre Augen weiteten sich. Warum hatte sie sich überhaupt die Mühe gemacht hierher zu kommen? Bevor sie vollkommen die Kontrolle verlor, richtete sie sich auf und sah ihn verachtend an. „Du widerst mich an.“ Dann musste sie sich eben eine andere Lösung einfallen lassen. Irgendwie. Trotz der Hindernisse und der Tatsache, dass Law ein solch leichtes Spiel hatte, wollte sie die Beziehung nicht zu schnell aufgeben. Sie musste hier raus, dringend. Seine Getue versetzte Nami zunehmend in Rage. Sie zog an der Türklinke, nichts. Kopfschüttelnd legte sie den Schlüssel um, weiter kam sie nicht. Law blockierte ihr Vorhaben. Streng hielt er ihre Hand, während er sie mit seinem Körpergewicht gegen die Türe drückte. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie seine Lippen an ihrem Ohr spürte. „Ich habe dich gewarnt. Wenn du auf Spielchen stehst, dann such dir jemanden auf Augenhöhe. Ich bin ein größeres Kaliber, als du womöglich gewohnt bist“, raunte er lachend. Namis Puls schnellte in die Höhe, eine Gänsehaut breitete aus. Seine Hand wanderte unverfroren über ihren Körper. „Ich gewinne immer.“ Nami schloss ihre Augen, nahm mehrere tiefe Atemzüge. Ihre Lippen, geziert von einem schwer deutbaren Lächeln. Zum ersten Mal zeichnete sich Verwirrung auf seinem Gesicht ab. Verführerisch sah ihn von der Seite aus an, drückte sich ihm entgegen. In all seinen Überlegungen hatte er diese Reaktion nicht einberechnet. Somit gab er Nami Freiraum, den sie dafür nützte um sich umzudrehen und mit dem Rücken gegen die Tür zu lehnen. Ihre Hände glitten über seinen Oberkörper, streiften den Kittel über seine Schultern. Sinnlich leckte sie sich über die Lippen, trat auf die Zehenspitzen um auf Augenhöhe zu sein. Law verblieb regungslos. War es am Ende so einfach? Ihre Nasenspitze strich an seinem Hals entlang. „Das möchtest du doch, richtig?“, hauchte sie ihm gegen die Lippen. Merklich spürte Nami die Anspannung seiner Muskeln. Provokant bewegte sie ihre Hüfte gegen seine. Er sah ihr in die Augen, konnte schwer glauben, dass das tatsächlich geschah, trotzdem verspürte er den Wunsch dem Drang nachzugeben. Langsam hob Law seine Hand, die sich in ihrem Haar vergrub. Er gab nach, wollte ihre Lippen spüren. Auf diesen Moment hatte Nami gewartet. Ein schmerzlicher Aufschrei erfolgte. Mit Genuss krallten sich ihre Fingernägel in seine Schulter, während sie ihr Knie zurückzog. „Fuck, du hast sie nicht mehr alle!“, schrie Law ihr entgegen, während er ein paar Schritte nach hinten torkelte. Nami lachte rau auf. „Am Ende bist du genauso simpel gestrickt wie jeder Mann.“ Nami öffnete die Tür, blieb stehen und drehte ihren Oberkörper nochmals in seine Richtung. „Ah ja, ich bin zwar keine Ärztin, empfehle deinem kleinen Freund dennoch eine ordentliche Portion Eis.“ Lachend schlenderte sie den Gang entlang. Vielleicht hatte sie für ihr Problem keine Lösung parat, doch diesen Idioten auflaufen zu lassen, hob ihre Laune auf jeden Fall an.   14. Februar 2012   Elegant trat Nami durch den Saal, betrachtete die Gesellschaft und hielt schwach lächelnd inne. Obwohl es nicht gerade zu einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen gehörte, fühlte sie sich an diesem Abend deutlich wohler, als sonst. Kein Wunder, bisher hatte sie kein bekanntes Gesicht erkennen können. Ein immenser Pluspunkt. Hier lag die Aufmerksamkeit auf Vivi und ihrem Vater. Die junge Frau tanzte mit Korsa, einem alten Kindesfreund, den Nami schwer einschätzen konnte. Beiläufig hatte sie Eindrücke sammeln können. Sowohl Korsa als auch Kaya und wie die anderen sonst noch hießen, passten wie angegossen in das übliche Schema. Kein Wunder, dass sich Vivi somit zu jemand wie Zorro oder Ruffy hingezogen fühlte. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. „Sind sie nicht hinreißend?“ Nami erspähte aus dem Augenwinkel heraus Vivis Vater, der lächelnd seine Tochter beim Tanzen beobachtete. Nami nippte an ihrem Getränk. „Vom Optischen her, keine Frage. In anderer Hinsicht glaube ich kaum, dass sie harmonieren“, sprach die junge Frau offen, vernahm kurz darauf sein Lachen. „Äußerst bedauerlich. Mir ist durchaus bewusst, dass meine Tochter ihren eigenen Kopf hat. Dennoch wäre ich alles andere als bestürzt, wenn mehr zwischen ihnen wäre. Sie kennen sich von klein auf und er ist durchaus ein Gentleman, jedenfalls dann, wenn er ein aufrichtiges Interesse hegt.“ Korsa war ein junger Mann, der gerne das eine oder andere Abenteuer hatte. In dem Alter wunderte es Kobra nicht. Trotzdem kannte er ihn und wusste, wie er war, wenn jemand sein Herz eroberte. „Liebe und Freundschaft, darin liegt ein großer Unterschied. Wir haben keinerlei Macht darüber, in wen wir uns verlieben. Hört sich nach einem Frauenheld an.“ Kobra seufzte auf, vergrub seine freie Hand in der Hosentasche. „Gewiss. Dennoch ist es naheliegend, dass ich mir einen Mann für sie wünsche, der sie liebt und achtet. Manchmal denke ich beinah, dass diese Werte überaltert sind, trotzdem wünsche ich ihr, jene Liebe zu erfahren, die mir zu Teil geworden ist. Ich möchte sie glücklich sehen, auf dieselbe Weise, wie ich es mit meiner Frau war. Möchten das nicht alle Eltern?“ Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, ihr Blick wandte sich von ihrer besten Freundin ab und Nami trat leicht auf der Stelle. „Manche Väter sehen das anders“, murmelte Nami und festigte den Griff um ihr Glas. Eigentlich hoffte sie seit jeher darauf, dass ihr Vater sie verstand, ihr den Rücken stärkte und ihren Lebensstil akzeptierte. Kobra betrachtete die junge Frau und trat näher. „Glaub mir, eines Tages wird er verstehen, dass das keinen Sinn hat. Wir versuchen gerne unseren Kindern eine Richtung aufzudrücken. Irgendwann wird er jedoch einsehen, dass du auf deine eigene Weise glücklich wirst. In der heutigen Zeit ist nichts Unmöglich und eine wahre Norm existiert mit Sicherheit nicht mehr. In der Liebe ist alles möglich und wir sind ihr hilflos ausgeliefert.“ Aufmunternd drückte er ihre Schulter. Immerhin sah er in Korsa zwar einen geeigneten Schwiegersohn, an dessen Seite Vivi sorglos leben konnte, doch hatte er keinen Einfluss darauf. Lediglich Vivi wusste, wen sie als passend ansah. Den richtigen Weg musste sie alleine finden, daher mischte er sich in diese Angelegenheit mit Sicherheit nicht ein. „Haben Sie nie daran gedacht erneut zu heiraten?“, warf sie kleinlaut ein und sah vorsichtig zu ihm. Überrascht runzelte Kobra die Stirn, ehe er verträumt zur Decke hoch starrte. „Ja, ich habe hie und da mit dem Gedanken gespielt. Ich verabredete mich auch. Allerdings hapert es an der Umsetzung. Du musst wissen, ich habe meine Frau früh kennengelernt. Zur damaligen Zeit lachte ich, wenn es darum ging, man fände früh die Liebe des Lebens, oder es gäbe Liebe auf den ersten Blick. Meiner Meinung nach hörte sich das nach Humbug an. Am Ende reichte eine einzige Begegnung aus. Wir hatten unsere Zeit, wenn auch äußerst begrenzt. Zwar wünschte ich, wir hätten mehr gehabt, doch ich habe jeden Augenblick genossen und würde keine Sekunde daran ändern. Ihr Tod war mit Abstand die schlimmste Erfahrung meines Lebens. Anfangs habe ich gedacht, ich würde nie darüber hinweg kommen, bis mir eines Tages klar geworden ist, dass nicht alles verloren war. Immerhin blieb mir Vivi. Obwohl ich versucht habe mich auf eine neue Beziehung einzulassen, habe ich nie eine weitere Frau gefunden, die solche Gefühle in mir ausgelöst hat. Keine konnte ihr das Wasser reichen. Heute kann ich aufrichtig sagen, dass sie die Liebe meines Lebens ist. Da bevorzuge ich lieber alleine zu bleiben.“ Aufmerksam hatte sie seinen Worten gelauscht und lächelte gegen Ende hin sanft. „Ich bezweifle, dass ich solch eine Person finde“, sprach sie leise lachend und leerte ihr Glas. Kobra lächelte aufmunternd. „Ich habe gelernt, dass das der einzige Part im Leben ist, den man nicht durchplanen kann. Er trifft dich vielmehr aus heiterem Himmel. Wichtig ist, dass du im richtigen Moment keinen Rückzieher machst und es zulässt. Wenn du jenen Menschen betrachtest und spürst, das ist er, dann darfst du nie aufgeben, sondern versuchen dem Schicksal zu trotzen. Du ahnst nicht, wie schnell so etwas geht.“ Nami beobachtete die Paare, die sich im Saal befanden und seufzte auf. „Hätten meine Eltern ein Mitspracherecht, dann wäre ich womöglich bereits verlobt. In meinen Augen ist am Horizont allerdings nichts erkennbar.“ „Ein Grund mehr, hierher zu kommen?“ Entgeistert sah sie den älteren Mann an, der wissend lächelte. „Vivi hat mich bereits darüber informiert. Seit dem Tod meiner Frau ist das Haus für uns beide zu groß, zu leer und dennoch können wir uns aufgrund der Erinnerungen nicht davon trennen. Ich arbeite viel, bin oftmals unterwegs und nach all den Jahren seid ihr weiterhin Freundinnen geblieben. Du kannst gerne bei uns wohnen. In dieser Hinsicht brauchst du dir keine Gedanken zu machen und vielleicht tut dir der Abstand zur Familie gut.“ Obwohl Nami bekannt war, dass sich Kobra sehr um seine Tochter sorgte und bei seiner Fürsorge gerne zu viel als zu wenig tat, unterschied er sich sehr von ihrem eigenen Vater. Solche Gespräche waren mit ihm unvorstellbar. „Danke, ich weiß das sehr zu schätzen“, entgegnete sie und fühlte sich bei diesem Gedanken wohler als anfangs gedacht. Ja, diese Reise hatte ihr bisher eine andere Sicht auf die Welt gezeigt. Die Menschen, die sie hier getroffen hatte, waren anders, als jene aus ihrer Heimat. Sogar Vivi und ihr Vater, die den gleichen Lebensstil pflegten, repräsentierten andere Werte. Ein paar Monaten in dieser Stadt dürfte mit Sicherheit kein Fehler sein, vielleicht brachten sie ihr sogar die Zeit, die sie benötigte um endlich den richtigen Weg zu finden.   19. Mai 2009   Aufgelöst trat Nami auf der Stelle. Immer wieder strich sie sich über die Wangen, entfernte die Tränen, während ihr Blick starr auf die Tür vor ihr gerichtet war. Er schien nicht zu Hause zu sein. Seit Minuten stand sie da, versuchte einen klaren Kopf zu bekommen, von den Gedanken abzulassen, zwecklos. Schließlich setzte sie sich auf die Stufe, vergrub das Gesicht in den Handflächen. Immer wieder ertönte ein Schluchzen. Die Situation lief zu sehr aus dem Ruder, zu schnell. Ihr Onkel schien die einzige Person zu sein, zu der sie gehen konnte, wenn alles dunkel aussah. „Zoff?“, hörte sie eine raue Stimme neben sich, spürte eine Hand, die um ihre Schulter gelegt wurde und sie zu sich zog. Nami blieb in ihrer Position, nickte kaum merklich. „Darf ich ein paar Tage bleiben? Bitte Genzo.“ Der Mann lächelte sanft, strich ihr sanft über den Rücken. „Sicher. Solange du möchtest.“Genzo wartete ab, drängte Nami nicht. Erst als sich diese beruhigt hatte, zog er sie mit sich auf die Beine. Schweigend öffnete er die Haustüre, ließ sie zuerst eintreten, ehe er ihr folgte, ihre Tasche an der Garderobe abstellte und durch den Flur in Richtung Küche ging. Nami selbst ging ins Wohnzimmer, ließ sich auf das Ledersofa nieder und wartete bis ihr Onkel zurückkam. „Erzähl mal“, sprach er sanft, hielt ihr eine dampfende Tasse Tee entgegen. Genzo setzte sich ihr gegenüber und wartete ab. Vermutlich gab es keine wirkliche Neuigkeit und es handelte sich einmal mehr um eine Neuauflage. „Und was? Ich hätte mehr zu erzählen, wenn sich unser Streitpunkt ändern würde, allerdings ist das nicht der Fall. Ich erkenne ihn kaum wieder.“ Bis zu diesem Zeitpunkt war ihre Beziehung zu ihrem Vater unerschütterlich. Die Änderung kam abrupt. Ihre Beichte hatte einen mächtigen Stein ins Rollen gebracht. „Und Bellemere?“ „Sie versucht zu vermitteln. Wie auch Nojiko. Doch seinen Grundgedanken teilt sie in gewissem Maße, garantiert. Lediglich wie die Situation behandelt wird, ja, darin unterscheiden sie sich.“ Genzo nickte nachdenklich. Eigentlich hätte er von ihr mehr erwartet. „Wie du weißt, habe ich nie verstanden, was sie genau an ihm findet. Versteh mich nicht falsch, er hat durchaus seine guten Seiten, eigentlich war er stets ein guter Vater, für euch beide. Er liebt dich, wie auch deine Schwester. Nur ist das ein Punkt, der nicht in seine Weltanschauung passt. Er ist vom alten Schlag, sein Vater war schlimmer. Gib ihm Zeit.“ „Und wie viel? Er darf mich anschnauzen und ich soll Ruhe geben und warten? Ich bitte dich, wie soll das gehen? Als ob es nicht genug ist, dass er mich nicht akzeptiert. Nein, er muss mir unter die Nase reiben, dass es ja so kommen musste, da ich nicht sein leibliches Kind bin! Wie soll ich das hinnehmen? Damit umgehen? Derzeit halte ich es kaum aus in seiner Nähe zu sein.“ Genzo ließ den Kopf sinken, sah auf seine Tasse. Oftmals hatte er ihnen gesagt, dass sie wohl irgendwann die Wahrheit herausfinden würde, doch hatte er stets gehofft, dass das nicht innerhalb eines Streites geschah. „Wir finden eine Lösung, versprochen.“ Ein verzweifeltes Lachen drang über ihre Lippen. Ja, er versuchte sie aufzumuntern, ihr Hoffnung zu geben, doch in Anbetracht der Situation glaubte sie nicht daran. Eine passende Lösung war vorerst nicht absehbar.   14. Februar 2012   „Du scheinst mir kein Freund dieser Feste zu sein.“ Die Stimme kam ihr durchaus bekannt vor. Langsam warf die Orangehaarige einen Blick über die Schulter, musterte ihr Gegenüber, ehe sie sich mit einem spitzbübischen Lächeln abwandte und dem Barkeeper dabei zusah, wie er ihren Drink machte. „So durchschaubar?“, fragte sie schließlich glucksend und schüttelte schwach mit dem Kopf. Die Schwarzhaarige trat neben sie und tippte mit den Fingerspitzen auf das Holz, während sie ihre Bestellung aufgab. Einen Augenblick schwiegen beide, ehe es die Archäologin war, die das Wort ergriff. „Nicht direkt. Allerdings wirkst du in meinen Augen gespielt.“ „Ich bin positiv überrascht. Selten, dass mir das jemand anmerkt. Solche Anlässe langweilen mich. Alles ist stets gleich, wie eine elende Endlosschleife. Sag bloß, dir gefällt das?“ Dankend nahm sie ihren Drink entgegen, drehte sich zur Seite um ihre Gesprächspartnerin besser betrachten zu können. Die Ausstrahlung, die von ihr ausging, wirkte an diesem Abend merklich anders. Woran das lag, erahnte Nami nicht. Jedoch konnte sie nicht bestreiten, dass diese umwerfend aussah. „In gewisser Hinsicht sind sie alle Schauspieler. Ich hoffe dein Aufenthalt beschränkt sich nicht bloß darauf?“ Schmunzelnd führte Nami das Glas zu ihren Lippen. Ihr Blick streifte über die Gesellschaft. Die Situation kam ihr bekannt vor, anders als bei dem letzten Mal, entpuppte sich ihr Gegenüber als angenehm. „Und wenn das der Fall ist?“ Die Schwarzhaarige lachte rau. „Eine Schande. Venedig hat weitaus mehr zu bieten, als das hier.“ „Das trifft auf alle Städte zu. Allzu freiwillig ist mein Erscheinen nun auch wieder nicht. Sagen wir, ich habe einer Freundin einen Gefallen getan. Von dem habe ich bereits zu Hause genug.“ „Manchmal gibt es eben kein Entrinnen.“ Ohne die Aufmerksamkeit zu erregen, sah sich die Schwarzhaarige vorsichtig um. Bisher schien alles nach Plan zu verlaufen. Niemand schien sein Ableben mitbekommen zu haben. Noch nicht. Um nicht aufzufallen, blieb sie bei solchen Menschenmassen meist noch vor Ort, zeigte ihre Präsenz. Außerdem, wer würde ausgerechnet an sie denken? „Also bitte, es gibt nichts Schöneres als einen Valentinstag auf diese Weise zu verbringen“, sprach Nami übertrieben fröhlich. „Ich schätze, es gibt dann niemanden an deiner Seite, der dir den Abend ein wenig versüßt.“ Eine Feststellung, keine Frage. Nami hob eine Augenbraue, schnalzte mit der Zunge und nahm einen größeren Schluck. „Wenn es so wäre, würde ich mich kaum an die Bar zurückziehen. Und von dem Tag an sich, halte ich generell nicht sehr viel. Ich bin der Überzeugung, dass man keinen eigenen Tag braucht, um jemanden mit einer Geste zu überraschen. Insbesondere, wenn Offerten und großes Tamtam erwartet wird. Da bevorzuge ich lieber spontane Aktionen.“ Diese Einstellung hatte sie seit jeher. War sie zu diesem Zeitpunkt allerdings in einer Beziehung, machte sie dennoch mit, obwohl es ihr in gewisser Hinsicht tatsächlich zuwider war. „Da ich generell keine Beziehungen eingehe, erspare ich es mir automatisch.“ Aufhorchend lehnte sich Nami an der Theke an und strich mit den Fingerspitzen über den Rand des Glases. „Du sagst also, du bist kein Beziehungsmensch?“, hinterfragte sie neugierig, woraufhin die Schwarzhaarige nickte und von ihrem Drink trank. „Ich glaube eher, dass du bisher nicht den richtigen Menschen getroffen hast, der einen Weg gefunden hat um deine Meinung zu ändern.“ Überrascht drehte ihr die Schwarzhaarige den Kopf entgegen, wodurch Nami ihr in die Augen sehen konnte. Diese Farbe, dachte sich die junge Frau und erhaschte sich bei dem Gedanken, dass diese wunderschön waren, einluden um sich darin zu verlieren. Das Blau, dunkel und doch leuchtend. Wie das Meer an einem seiner tiefsten Punkte. „Findest du?“ Nami blinzelte mehrmals und wandte sich ab, räusperte sich leicht. Die Andere schmunzelte in sich hinein und versuchte neugierig zu erkennen, worauf die Orangehaarige ihre Aufmerksamkeit lenkte. „Ja. Irgendwann findet jeder die eine Person, die alle bisherigen Einstellungen über Bord werfen lässt. Jedenfalls möchte ich die Hoffnung darauf nicht aufgeben.“ Der Blick der Schwarzhaarigen wurde sanft. Die Einstellung wusste ihr in gewissem Maße zu gefallen. Dennoch glaubte Robin nicht daran, ihre Lebenssituation gab ihr keine Chance für etwaige Beziehungen. Nähe konnte sie zunehmend ins Verderben locken. Schweigen kam auf. „Wen haben wir denn da? Nami Catrall, lange nicht gesehen.“ Innerlich stieß die Angesprochene ein tiefes Brummen aus. Ausgerechnet auf diese Frau musste sie treffen. Mit einem aufgesetzten Lächeln und einer gespielten freundlichen Art, begrüßte sie die Schwarzhaarige. „Alvida, schön Sie zu sehen.“ Sie hasste diese Frau. Sie hielt sich für die Schönste auf Erden. Ihr plastischer Chirurg verdiente sichtlich gut an ihr. Robin betrachtete das Szenario schweigend und musste lächeln. Dieses aufgesetzte Getue kannte sie zu gut. Eine Gemeinsamkeit war keineswegs zu übersehen. Kopfschüttelnd leerte sie ihr Glas. „Nett“, kommentierte die Schwarzhaarige, als Nami zurückkehrte und einen angewiderten Gesichtsausdruck zu Tage legte. „Sehr. Unerträglich die Frau. Den Reichtum hat sie ihrem Mann zu verdanken. Sie lässt sich aushalten und jettet durch die Welt und hat gern die eine oder andere Affäre.“ „Lass mich raten, darunter fällt auch ihr Chirurg?“ Nami runzelte die Stirn. „Aufgefallen?“ Die Andere nickte und Nami lachte auf. Schließlich stellte sie das Glas auf den Tresen und sah nochmals quer durch den Saal, ehe sie der Schwarzhaarigen ihre Aufmerksamkeit schenkte. Allmählich sank die Lust länger zu bleiben deutlich. „Ich mag nicht mehr. Lieber möchte ich durch die Stadt spazieren und die Nacht auf mich wirken lassen“, brummte sie entnervt und betrachtete ihre Hände. Vielleicht sollte sie sich einen passenden Ausweg einfallen lassen oder Vivi die Wahrheit erzählen. Im Grunde konnte sich Nami gut vorstellen, dass sie Vivi sogar begleitete. „Dann muss ich mich wohl ebenfalls zurückziehen. Du hast den Abend gerade noch annehmbar gemacht.“ „Nur annehmbar? Na, herzlichen Dank“, gab sie theatralisch zurück, hörte die Schwarzhaarige anschließend glucksen. Wieder spähte sie zur jungen Frau, musterte diese unauffällig und einmal mehr an diesem Abend musste sie sich eingestehen, dass sie leichtes Interesse hegte, mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Eine Seltenheit. Mit einem schwer deutbaren Ausdruck beugte sie sich vor. „Ich hole mir meinen Mantel und warte wohl die eine oder andere Minute vor dem Gebäude. Eventuell hat ja eine gewisse junge Frau, deren Name ich endlich kenne, Interesse daran, mir ein wenig länger Gesellschaft zu leisten.“ Ein verschmitztes Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie die Irritation der Jüngeren erkannte. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke. Schließlich war es die Schwarzhaarige, die sich wortlos abwandte und Richtung Empfangshalle schritt. All die Zeit über spürte sie deutlich den Blick der anderen in ihrem Nacken. Nami verharrte, perplex von dem Angebot, an Ort und Stelle. Ihre Gedanken kreisten darum, den Schritt zu wagen. Die Vorstellung empfand sie alles andere als abschreckend. Nachdenklich biss sie sich in die Innenseite ihrer Unterlippe, ehe sie leise gluckste und sich auf die Suche nach Vivi machte. „Wo warst du? Ich dachte, du tauchst gar nicht mehr auf“, entgegnete die Schülerin sogleich und zeigte sich skeptisch. Namis breites Grinsen trug einiges dazu bei. „Hast du ein Problem damit wenn ich schon gehe?“ Langsam runzelte Vivi ihre Stirn, legte den Kopf leicht schief. „Grund?“ Namis Grinsen vergrößerte sich und allmählich konnte Vivi erahnen, worum es hierbei ging. „Wer ist sie?“ „Ich verspreche dir, ich erzähle dir später jedes noch so kleinste Detail, okay? Ich weiß zwar nicht direkt, woran du gerade denkst, aber nein, darauf läuft die Situation mit Sicherheit nicht hinaus. Ich kann das schwer einschätzen, aber es ist durchaus verlockend.“ „Natürlich, ich lerne hier einen Idioten nach dem anderen kennen und du? Hier, mein Schlüssel. Ich gehe dann mit meinem Vater, wie es aussieht, wird er wohl nicht mehr allzu lange bleiben, hoffe ich mal.“ Dankend nahm sie diesen entgegen. Manchmal konnte selbst Vivi die unkomplizierteste Person sein, leider wirklich nur manchmal. „Bis später.“ Sie umarmte ihre beste Freundin und wandte sich bereits um, ehe sie nochmals Vivis Stimme vernahm. „Darauf kannst du wetten, ich werde mit Sicherheit warten.“ Nami trat an die kalte Luft, nahm einen Atemzug, der sie erschaudern ließ. Am Treppenansatz stand die Archäologin, abwartend, den Blick auf den Nachthimmel gerichtet. Leichtfüßig nahm Nami eine Stufe nach der anderen, blieb auf der vorletzten stehen und versuchte zu erahnen, welches Sternenbild die Aufmerksamkeit der anderen erhielt. „Entweder reizt dich das Unbekannte oder du bist lediglich daran interessiert, dem Zirkus dort drin zu entkommen“, warf die Schwarzhaarige ein. Nami grinste und ließ sich auf die letzte Stufe. „Womöglich beides. Nun gut, ohne Basisinformationen lasse ich mich garantiert nicht ein.“ Interessiert senkte die Schwarzhaarige ihren Kopf und betrachtete die jüngere Frau, die lächelnd die Arme um ihren Oberkörper schlang. Sie fröstelte, wie bei ihrer ersten Begegnung. „Ich höre?“, fragte sie neugierig nach, mit Sicherheit nicht auf die folgende Antwort vorbereitet. „Ich kenne deinen Namen, deinen Beruf und dein Alter“, bemerkte Nami deutlich amüsiert und machte ein paar Schritte. Verwundert blieb die Schwarzhaarige regungslos, lauschte den Absätzen der anderen. „Natürlich neben der Information, dass du dem Ganzen genauso entsagst wie mir und du denkst, du seist unfähig um eine ernsthafte Beziehung zu führen.“ Die Hände der Älteren wanderten automatisch in die Manteltaschen und äußerst langsam folgte sie der Orangehaarigen. Nami merkte, wie die Schwarzhaarige sich in Bewegung setzte und lächelte vor sich hin, während sie den Kanal entlang ging und das Wasser beobachtete. „Wenn dem so ist, dann finde ich es nur gerecht, wenn ich wenigstens dieselbe Basis hätte, Nami.“ Einen Augenblick lang, blieb die Orangehaarige stehen und drehte sich um. „Ich schätze, dass musst du selbst herausfinden, Robin.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)