Whitebeards Söhne & Töchter von Votani (Marco x Ace x Nojiko | Law x Nami) ================================================================================ Teil 1: Had Me From Hello [3] ----------------------------- I Sie hatte sich verrannt. Irgendwie hatte sich Nojiko von ihren Prioritäten ablenken lassen. Sie hatte sich von einem charmanten Lächeln und furchtbar intelligenten Augen einwickeln lassen, wie eine Raupe sich in einen Kokon spann. Allerdings bezweifelte sie, dass aus ihr jemals ein Schmetterling werden würde. Zumindest würde sie zu keinem ansehnlichen werden, nicht mit dieser Wut im Bauch, die sie sich selbst nicht erklären konnte. Was kümmerte es sie, ob diese beiden Kerle zusammen waren? Sie waren Verbrecher. An dieser Tatsache konnten auch kein Charme und keine weisen Sprüche etwas ändern. Nojiko stieß ein frustriertes Seufzen aus, als sie die reifen Orangen pflückte. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und brannte auf sie herab. Nur der Wind, der sich den Weg zwischen den Orangenbäumen hindurchsuchte, frischte die Luft auf. Trotzdem wischte sich Nojiko mit dem Rücken ihres Gartenhandschuhs den Schweiß von der Stirn. Der Korb war voll und die anderen Orangen hatten noch immer einen grünen Stich. Die Arbeit hatte gut getan, aber sie hatte nicht ausgereicht, um die Gedanken an Marco und Ace zu vertreiben. Ganz im Gegenteil, die Erinnerung an den gestrigen Abend, an Marcos Hand auf Aces Oberschenkel, war noch immer glasklar. Ebenso wie das Gefühl des Verrats noch immer greifbar war, obwohl Ace ihr nichts versprochen hatte. Er hatte mit ihr geflirtet, aber das taten viele Männer, ohne sich etwas dabei zu denken. Im Nachhinein war sich Nojiko beinahe sicher, dass Ace es nicht einmal bemerkt hatte und das Flirten stattdessen einfach einen Teil seiner Persönlichkeit darstellte. Und Marco... auch ihn hatte Nojiko verkannt. Das, was sie als Interesse an ihrer Person angesehen hatte, war lediglich Eifersucht gewesen. Er musste gedacht haben, dass sie sich an Ace herangeschmissen hatte und ihn Marco auszuspannen. Hitze stieg ihr bei diesem Gedanken in die Wangen. Schnaufend hievte sie sich den Gurt ihres Korbs auf die Schulter und schleppte ihn zum Haus. Andererseits erschien ihr Marco ein schlaues Kerlchen zu sein, der solche gedanklichen Fehler nicht beging. Wenn Nojiko näher darüber nachdachte, kam es ihr im Nachhinein sogar mehr so vor, als hätte er das Interesse, das er hinter ihrer Bekanntschaft mit Ace vermutete, befürwortet und selbst mit ihr geflirtet. Vielleicht waren die beiden nicht nur Verbrecher, sondern durchgeknallte Verbrecher, auf die einmal zu viel im Leben geschossen worden war. Mit dieser Tatsache konnte sie leben, denn in diesem Fall war das Missverständnis nicht ihre Schuld. Das war um einiges einfacher zu akzeptieren und linderte die Scham, die sie mit jeder Faser ihres Seins verspürte. Schnaufend stieß Nojiko die Hintertür zu dem kleinen Haus auf, welches schon seit Ewigkeiten ihrer Familie gehörte. Die Klimaanlage hatte im letzten Sommer den Geist aufgegeben, weshalb das Innere stickig und warm war. Sie hatte vergessen die Fenster zu öffnen, um den Wind hineinzulassen und für Durchzug zu sorgen. Nojiko stellte den Korb ab, um das nachzuholen. Sie schob die dreckigen Scheiben auf, die schon länger keinen Lappen mehr gesehen hatte, und ließ nicht nur die frische Luft, sondern auch das Singen der Vögel hinein. Einige Möwen flogen in der Ferne und zogen ihre Kreise am blauen Himmel, als würden sie auf etwas warten. Womöglich übertrug Nojiko aber auch nur ihre eigenen Emotionen auf die Tiere. Allerdings brauchte sie nur an ihr Erspartes zu denken, um zu wissen, dass es noch dauern würde, bis sie endlich ihre Sachen packen und aus Key West verschwinden konnte. Der Drang, genau das zu tun, war groß, um einiges größer als er in der letzten Woche noch gewesen war. Ace und Marco hatten sie abgelenkt, vollkommen unabhängig voneinander, obwohl sie doch zusammengehörten. Das Klingeln des Telefons holte Nojiko in die Realität zurück. Sie wandte den Blick vom Fenster, von dem Himmel ab, unter dem sie sich furchtbar klein und nichtig fühlte. „Wer spricht?“, entrann es ihr schroffer als beabsichtigt, als sie den Hörer von der Gabel nahm. Das Telefon hing an der Wand des offenen Durchgangs, der von der Küche direkt in das helle Wohnzimmer führte, in dem sich eine breite Fensterfront befand. Sie gab Nojiko eine uneingeschränkte Sicht auf die Veranda und auf den schmalen Weg vor dem Haus, der von dichten Hecken abgetrennt war. »Hey, Nojiko, ich bin’s«, antwortete eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Nojiko würde sie immer erkennen, selbst unter Tausenden und ihr Herz stolperte in ihrer Brust. „Nami...“ »Überrascht?« Nojiko konnte Namis Grinsen heraushören und ihre Mundwinkel hoben sich. „Was? Dass meine kleine Schwester sich die Mühe macht und anruft, obwohl sie sonst eine notorische Nicht-Anruferin ist?.“ Nami lachte, amüsiert, aber halbherzig, was sie stutzen ließ. »Ich wollte einfach mal hören, wie es dir geht. Und was der Hausverkauf macht.« Daraufhin wanderte Nojikos Blick durch die angrenzenden Zimmer. Die einst weiße Farbe der Wände wirkte vergilbt, selbst im einströmenden Tageslicht, während Nojiko an die wenigen Interessenten zurückdachte, welche sich das Haus angeschaut und genau diese winzigen Mängel angesprochen hatten. „Sagen wir einfach, dass es wohl noch eine Weile dauern wird, bis ich einen Käufer an der Angel habe“, antwortete Nojiko schließlich. „Aber wir wussten ja, dass es etwas Zeit bedarf, um das Haus für einen ordentlichen Preis loszuwerden.“ Es fühlte sich falsch an, über ihr Zuhause wie über einen ungeliebten Gegenstand zu sprechen, der mehr Arbeit als Freude bereitete. Dieselbe Vertrautheit würde Nojiko nirgendwo anders finden, niemals. Andererseits war ihre kleine Familie auseinandergebrochen und es gab niemanden mehr, zu dem man nach Hause kommen konnte. Bellemere war tot und Nami studierte für zwei weitere Jahre. Was danach geschah? Nun, Nojiko hatte sich erkundigt. Jobs in der Designerbranche gab es auf den Key Inseln kaum, zumindest nichts, das auch nur annähernd Namis Ehrgeiz entsprechend war. »Ich finde es immer noch ein wenig schade, dass du es verkaufst«, gestand Nami und Nojiko nickte, ehe sie es überhaupt bemerkte. „Ich hab diese Insel einfach satt.“ Eine kurze Stille folgte, bevor Nami fragte: »Bist du sicher?« Die Gesichter von Ace und Marco huschten vor Nojikos Augen vorbei und sie versuchte den Kloß in ihrem Hals herunterzuschlucken. „Ja“, sagte sie erstickt, festigte ihre Stimme jedoch. „Ja. Natürlich, warum sollte ich es sonst tun?“ Nami hatte keine Antwort auf ihre Frage, ebenso wenig wie Nojiko selbst. »Dann wirst du sicher bald einen Käufer finden. Wart’s nur ab«, erwiderte sie stattdessen voller Heiterkeit und Optimismus, die genauso gespielt waren, wie Nojikos Selbstsicherheit. II Sie entdeckte Marco, bevor sie den Markplatz überhaupt erreicht hatte. Allerdings war das bei seiner recht einwilligen Frisur auch ein Kinderspiel. Soweit Nojiko das beurteilen konnte, war er obendrein der einzige Mann, dem sie stand. Das hatte garantiert etwas mit seinem markanten Kinn zu tun... Nojiko verdrehte die Augen. Sie konnte es scheinbar nicht lassen, nicht einmal jetzt, da sie wusste, dass er vergeben war. Vor allem jedoch jetzt, da sie wusste, dass er das eigene Geschlecht bevorzugte. Ohne einen weiteren Blick in Marcos Richtung zu werfen, mischte sie sich unter die Menschen, die sich am frühen Vormittag stets hier tummelten, um die frischste Ware abzustauben. Trotzdem dauerte es nur wenige Minuten, bis eine raue Hand ihre Schulter berührte. Sie war warm und sanft und unerwünscht. „Nojiko.“ Die Hand war genauso unerwünscht, wie ihr Name aus Marcos Mund. Nojiko hatte sich eine der bereits leeren Obstkisten von Louis geben lassen, um sie mit ihren Einkäufen für das Grandline zu füllen. Durch den eigenen Stand, den sie zweimal die Woche betrieb, kannte sie all die Verkäufer bereits. Einen Anteil ihrer Orangen verkaufte sie jedoch immer direkt an Makino, was ihr überhaupt erst ermöglicht hatte, eine Bekanntschaft zu der Geschäftsführerin aufzubauen und den Job als Barkeeperin zu bekommen. Andererseits... wäre der Job in der Bar nicht, hätte sie auch Marco und Ace nicht kennen gelernt und das hätte ihr nun einige peinliche Momente erspart. „Was willst du?“, entwich es Nojiko kühl, als sie ein paar der besten Mangos aus der Auslage heraussuchte und in die Holzkiste legte. „Reden“, erwiderte Marco, beließ es vorerst jedoch bei diesem einen Wort. Nojiko bezahlte die Mangos und erst danach wandte sie sich Whitebeards Sohn zu, der die Tätowierung seiner Organisation mit Stolz auf dem Brustkorb trug. Durch seine offenstehenden Hemden war sie unentwegt und für die gesamte Welt sichtbar. Ihre Augen wanderten von seiner Tätowierung hinauf zu seinem Gesicht, welches genauso ausdruckslos wie immer war. Es wirkte zwar einen Deut ernster als gewöhnlich, aber das konnte genauso gut Nojikos Einbildung sein, die ihr einen Streich spielen wollte. „Wenn du schon reden willst, kannst du dich auch nützlich machen“, sagte sie und hievte ihm die Obstkiste in die Arme. Marco ging wortlos neben ihr her, als Nojiko zum nächsten Stand wanderte, um Weintrauben und Beeren zu kaufen. Seine Gesellschaft hatte sich nicht verändert; sie erinnerte Nojiko an ihren ersten gemeinsamen Besuch auf dem Markt, der nur wenige Tage zurücklag und bei dem sie auch lieber auf Marcos Anwesenheit verzichtet hätte. Das war jedoch aus einem völlig anderen Grund gewesen. Nojiko kam sich wie eine Heuchlerin vor. Hatte sie sich vor einer Woche nicht noch gegen Kriminelle ausgesprochen? Sie hatte einen Bogen um Whitebeard und seine Männer gemacht, denn Leute, die mit ihnen verkehrten, endeten oftmals mit einer Kugel im Kopf. Es wurde nicht in den Nachrichten ausgestrahlt und auch die örtliche Polizei kehrte diese Vorfällen in regelmäßigen Abständen unter den Teppich. Das alles änderte jedoch nichts daran, dass Key West praktisch ein Dorf war und sich Gerüchte wie Laubfeuer verbreiteten. Jeder wusste, dass Whitebeard einen Deal mit den Ordnungshütern ausgehandelt hatte, dass Menschen starben, die namenlos blieben. Damit wollte Nojiko nichts zu tun haben und trotzdem hatte sie es Marco und Ace furchtbar einfach gemacht, sie um den Finger zu wickeln. Unerhört einfach. Sie hatte beide Männer zu nah an sich herangelassen, obwohl sie es besser gewusst hatte. „Es mag vielleicht nicht so aussehen, aber wir haben nicht geplant, dass du so davon erfährst“, sagte Marco irgendwann, als die Kiste gänzlich mit Obst gefüllt war und ein ordentliches Gewicht haben musste. Auch wenn er es nicht direkt ansprach, war sich Nojiko sofort bewusst, dass er auf seine Beziehung mit Ace anspielte. „Ace wusste nicht, dass wir uns kennen“, fügte Marco hinzu, da Nojiko nicht reagierte. Seine Stimme klang gelangweilt, beinahe so, als versuchte er ihr nicht einmal etwas zu beweisen. „Ich war eifersüchtig und deshalb habe ich dich in der Bar angesprochen, als Ace nicht da war. Oder dachtest du, dass das Zufall war?“ Er hob eine Augenbraue und sah sie von der Seite her an. Doch Nojiko blieb abrupt stehen, so dass Marco an ihr vorbeilief, bevor auch er zu einem Halt kam und sich zu ihr umdrehte. Sie sahen einander an. „Ist das dein Ernst?“ Nojiko stemmte die Hände in die Hüften. „Du dachtest tatsächlich, dass ich dir deinen Freund ausspannen wollte?“ Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Sie hatte tatsächlich mit ihrer Befürchtung recht gehabt! „Nicht ausspannen“, korrigierte Marco und sein Blick wanderte an Nojiko vorbei, hinein in die Menschenmenge, in der er sich verlor. „Manchmal kann man nichts dagegen tun, wenn man sich unerwartet zu jemand anderen hingezogen fühlte. Selbst, wenn man sich bereits in einer Beziehung befindet.“ Nojikos Stirn kräuselte sich. „Redest du über dich, mich oder Ace?“ „Vielleicht über uns alle.“ Marco zuckte mit den Schultern, überlegte jedoch nicht einmal, bevor er diese vage Antwort ausspuckte. Nojikos Herz raste unangenehm in ihrer Brust, was es nicht zum ersten Mal in dieser Woche tat. Sie stieß den angehaltenen Atem aus. Was sollte das bitteschön bedeuten? Was wollte Marco ihr damit sagen? „Ich weiß nicht, wovon du redest“, erwiderte sie, als die Hitze in ihre Wangen kriechen wollte. Ein Mundwinkel seinerseits zuckte in die Höhe. „Du weißt, wovon ich rede. Du weißt es immer.“ Und plötzlich befand sich Nojiko wieder im geschlossenen Grandline, mit Marco direkt vor ihrer Nase, der von Streunern und Familien sprach. Marco, der ihr sagte, dass sie genau wusste, was er meinte. Dass sie verstand. Nojiko schluckte, bevor sie ihre Stimme wiederfand. „Falls du es vergessen hast, ziehe ich bald hier weg.“ Ein freudloses Lächeln erstreckte sich auf ihren Lippen und sie nahm Marco die Obstkiste ab. „Ich muss jetzt auch wirklich los. Im Gegensatz zu euch habe ich feste Arbeitszeiten und Richtlinien, an die ich mich halten muss.“ Mit diesen Worten und einer unbeschreiblichen Verwirrung ihrerseits ließ sie Marco mitten auf dem Marktplatz stehen. „Ich bin sicher, dass ich auch in Aces Namen spreche, wenn ich sage, dass du herzlich eingeladen bist, dich jederzeit zu uns an den Tisch zu gesellen“, sagte Marco, gerade laut genug, um noch hörbar zu sein. Nojiko presste die Holzkiste an ihren Körper, als sie weiterging. III Die Fragen verschwanden nicht, sondern kreisten auch weiterhin durch ihren Kopf. Antworten fand sie keine. Vielleicht gab es sie nicht. Auf was wollte Marco hinaus? Was hatte er ihr mit seinen Worten sagen wollen? Unterstellte er ihr Gefühle entwickelt zu haben? Für Ace? Oder doch für Marco selbst? Oder dachte er, Ace würde etwas für sie empfinden? Oder mochte Marco sie, obwohl er sie aus Eifersucht heraus angesprochen hatte? Nojiko schüttelte den Kopf, während sie dem schmalen Weg zwischen den Hecken folgte, der sie zu ihrem Haus auf dem Hügel brachte. Es lag versteckt zwischen den Bäumen, so dass es aus der Ferne kaum sichtbar war. Warum verschwendete sie überhaupt so viele Gedanken an Marco und Ace? Es brachte doch eh nichts. Mit geballten Fäusten stieg Nojiko die Stufen ihrer Veranda hinauf und angelte nach dem Schlüsselbund in ihrer Hosentasche. Bevor sie den Schlüssel jedoch ins Schloss schob, fiel ihr Blick auf einen weißen Briefumschlag, der in einem der Blumentöpfe lag, die Bellemere vor Jahren rechts und links von der Tür aufgestellt hatte. Der war heute Morgen ganz sicher noch nicht da gewesen, obwohl der Postbote bereits bei ihr vorbeigekommen war, bevor sie sich auf den Weg zum Markt gemacht hatte. Der Umschlag war unbeschrieben, als Nojiko ihn aufnahm und hin- und herdrehte. Er wog schwer in ihrer Hand. Ein Blick über die Schulter versicherte ihr, dass sie allein war. Wer hatte ihn hier abgelegt? Dass es kein Versehen war, war ihr bereits klar. Mit einem Zögern betrat Nojiko ihr Haus und sackte auf das kleine Sofa im sonnigen Wohnzimmer, das nach den langen Jahren mit zwei Kindern im Haus, die es als Trampolin benutzt hatten, durchgesessen war. Vorsichtige Finger öffneten den Briefumschlag, im nächsten Moment rutschte er ihr jedoch bereits durch diese hindurch und fiel auf den Teppich. Die Hundertdollarscheine glitten heraus und verteilten sich auf dem Boden, während sich ihr Herz in der Brust überschlug. Wie viel Geld war es? Nojiko traute sich kaum die Scheine aufzuheben und zu zählen. Das Gefühl beobachtet zu werden schlich sich ihr auf, doch ein Blick zu den Fenstern hinüber versicherte, dass es Paranoia war. Man konnte nicht über eine solche Menge an Geld stolpern und sich nicht verfolgt fühlen. Von dem Sofa rutschend saß sie auf dem Teppich neben dem Umschlag und seinem Inhalt. Sie schob die Scheine auseinander, um sie zählen zu können. Es waren hundert Scheine. Zehntausend Dollar. Nojiko schluckte. Das musste ein Versehen sein. Sie selbst erwartete jedenfalls keinen Cent, andererseits vergaß man einen Briefumschlag mit so viel Geld nicht einfach in einem Blumentopf, der einem nicht mal gehörte. Für Minuten verweilte Nojiko in ihrer sitzenden Haltung, während ihre Gedanken wirr kreisten und sie die grünen Scheine anstarrte. Hatte sie jemals so viel Geld auf einem Haufen gesehen? Auf dem Bankkonto vielleicht, aber... nein, nicht einmal da. Sie sammelte das Geld auf und stopfte es zurück in den Briefumschlag, bevor sie ihn auf den kleinen Tisch vor ihr warf. Bisher hatte sie kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie ihr Haus verkaufte, weil sie das Geld brauchte, um hier wegziehen zu können. Aber sie konnte sich nur eine Person vorstellen, die dumm genug war, um ihr helfen zu wollen: Ace. IV Die Musik aus dem Grandline war bis vor die Tür hörbar. Sie war vertraut und lebenserweckend, obwohl Nojiko noch nie einen Fuß in die Bar gesetzt hatte, bevor sie angefangen hatte dort zu arbeiten. Bisher hatte sie immer einen beabsichtigten Bogen um sie gemacht, weil sie nichts mit Whitebeard und seinen Leuten zu tun haben wollte. Doch zusammen mit dem Annehmen des angebotenen Job als Barkeeperin war sie gleichzeitig auch in Marco und Aces Welt eingetaucht. Ohne es zu bemerken war sie ein Teil von ihr geworden. Der schwere Umschlag in ihrer Umhängetasche bestätigte es ihr. Eine Hand presste die besagte Tasche an ihren Körper und sie stieß die Tür zum Grandline auf. Die Musik schwoll an und der Sänger, dessen Stimme aus der alten Jukebox drang, sang von faulen Nachmittagen am Strand, während Arme und Hüften zur Melodie geschwungen wurden. Nojikos Augen galten jedoch einzig und allein Marco und Ace, die zusammen mit Makinos Freund am Tisch saßen. Auf halbem Weg zu ihnen hinüber fing Ace ihren Blick auf. Ein Grinsen, welches ihn viel zu jung erscheinen ließ, tauchte auf seinen Lippen auf, als er ihr winkte. Auch Marco drehte den Kopf daraufhin in ihre Richtung und sein verschlafener Gesichtsausdruck hellte auf – und Nojiko erinnerte sich unwillkürlich an seine Worte, dass sie sich doch zu ihnen an den Tisch gesellen konnte. Vielleicht hätte sie einen anderen Moment wählen sollen, um Ace zu konfrontieren. Sie kam sich plötzlich vor, als habe sie mit ihrem Auftauchen zugestimmt ein Teil von etwas zu sein, was sie selbst nicht benennen konnte. Ihre Schultern strafften sich, als sie vor dem Tisch zum Stehen kam und die Aufmerksamkeit der drei Männer auf ihr ruhte. „Ich will dein Geld nicht haben, Ace“, platzte es aus ihr heraus. Marco hob eine Braue und seine Augen wanderten zu Ace herüber. „Wovon redest du?“, fragte dieser. „Von dem Geld, was du im Blumentopf vor meiner Tür abgelegt hast“, erwiderte Nojiko. Sie zog den Briefumschlag aus der Tasche und warf ihn Ace mit so viel Wucht vor die Nase, dass das Bier in seinem Glas über den Rand schwappte. Doch es war Marco, der ihn in die Hand nahm und hineinschaute. „Das ist eine ganze Menge...“ „Tut nicht so unschuldig“, blaffte Nojiko und sah von einem zum anderen. „Ich weiß, dass das Geld von euch kommt und ich brauche euer Mitleid nicht. Ob ihr es glaubt oder nicht, aber ich komme sehr gut allein klar.“ „Ich bin sicher, dass du das tust“, sagte Ace und nahm einen großzügigen Schluck aus seinem Glas, als würde er annehmen, dass sie den Inhalt als nächstes gänzlich verschütten würde. Ein Pflaster klebte auf seiner Wange, das die Schramme und seine Sommersprossen an dieser Stelle verdeckte. „Aber ich weiß trotzdem nicht, woher das Geld kommt. Es ist jedenfalls definitiv nicht von mir. Ich bin pleite.“ „Ich kann das bestätigen“, mischte sich Makinos Freund ein. „Ace ist immer pleite. Du solltest seine offen stehende Rechnung sehen. Er ist der Grund, warum Makino neuerdings sofort bei allen Kunden abkassiert.“ Ein grölendes Lachen drang aus seiner Kehle, welches Nojiko die Röte in die Wangen trieb. Es stimmte. Makino hatte es ihr selbst erzählt, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst hatte, wer Ace eigentlich war. Nojikos Lippen bewegten sich, doch kein Ton entkam ihrer Kehle. Marco rettete sie, bevor sich das Schweigen zwischen ihnen allen endlos hinziehen konnte. „Vielleicht solltest du das Geld vorerst aufbewahren, bis wir herausbekommen, wen es gehört“, schlug er vor und reichte ihr den Briefumschlag, den sie mit tauben Fingern aufnahm. „Allzu viele Möglichkeiten gibt es ja nicht. Ich werde mich gern etwas umhören.“ Das Kinn wurde auf die offene Handfläche gebettet, als Ace sich herüberlehnte und ihm auf die Schulter klopfte. „Ich werde dir helfen. Zusammen kriegen wir sicher raus, wem es gehört“, fügte er hinzu. Sie hatte keine Argumente parat, aber sie wusste, dass einer von ihnen log und dahinter steckte. Wenn nicht sogar beide von ihnen involviert waren und sie wieder einmal um den Finger wickeln wollten. Den Umschlag mit dem Geld wieder in ihre Tasche stopfend marschierte Nojiko davon. Sie ignorierte die Blicke der drei, als sie hinter die Bar schlüpfte und im Hinterzimmer verschwand, um ihre Sachen abzulegen und ihre Schürze zu holen. Ihre Schicht begann in wenigen Minuten und sie hatte keine Zeit für diese Kinderspielchen, die sie aus einem unbekannten Grund nicht einmal gewinnen konnte. V Blicke wurden ausgetauscht, ein schmales Grinsen, als würden sie Geheimnisse teilen. Nojikos Platz am Tresen bot einen perfekten Blick auf Marco und Ace, auf die Hände, die sich verirrten und zu lange in der Nähe des anderen verweilten. Schnaufend trocknete sie die Gläser ab. Lange blieben ihre Augen jedoch nicht auf ihre Arbeit gerichtete, sie wanderten in regelmäßigen Abständen zu den Jungs herüber. Sie erwischte sich immer wieder dabei, bis sie das Handtuch beiseite legte, um die Bestellungen der neuen Gäste aufzunehmen. Makino unterhielt einige Damen am anderen Ende des Tresens, doch kein Wortfetzen schaffte es bis zu Nojiko herüber, ohne vorher von der Musik verschluckt zu werden. Es war seltsam, wie allein man sich in einer Menschenmasse fühlen konnte, die den Raum mit ihrer angestauten Körperwärme trotz Ventilatoren flutete. Die Klimaanlage funktionierte schon seit Jahren nicht mehr, soweit Nojiko wusste. Das war fast wie bei ihr im Haus, obwohl es dort ruhiger war, nicht ganz so einsam. Bellemeres Aura füllte es auch heute noch, hauchte dem Haus Leben ein. Merkwürdig, dass es ihr erst hier und jetzt auffiel. Sie schob die gemischten Cocktails zu den jeweiligen Gästen und kassierte ab, bevor sie zu Makino hinüberging. Eine Berührung ihrer Schulter genügte, damit sie sich zu Nojiko herumdrehte. „Ich gehe eine Pause machen“, sagte sie und Makino nickte mit einem Lächeln auf den Lippen, das viel zu warm und herzlich war. Es stellte einen Kontrast zu Nojikos Gedanken dar, zu allem, was Nojiko war. Die Luft, die nächtliche Dunkelheit, umfing sie, als die Tür hinter ihr zufiel. Die Anspannung fiel von ihr ab und sie streckte die Arme, legte den Kopf in den Nacken und atmete aus, ungesehen und unbemerkt. Sie merkte erst, dass sie die Augen geschlossen hatte, als Nojiko sie bei einem Krachen wieder aufriss und herumfuhr. „Was...!?“, stieß sie aus, doch da erkannte sie bereits Makinos Freund, dessen Namen sie sich einfach nicht merken konnte. Er rieb sich die Stirn und kam aus der Bar getorkelt. „Bist du etwa gerade gegen die Tür gelaufen?“, entfuhr es Nojiko und sie stemmte eine Hand in die Hüfte. Seine Augen fokussierten sich auf ihre Gestalt und ein faules Grinsen zeigte sich auf seinem bärtigen Gesicht. Er legte einen Finger an die Lippen. „Pssst! Verrat es keinem. Schon gar nicht Marco und Ace. Das muss ich mir sonst ewig anhören.“ Nojikos Mundwinkel hoben sich in Belustigung. Dieser Mann war ein absoluter Witzbold und trotzdem besaß er in seiner Art einen gewissen Charme. „Keine Sorge, ich glaube nicht, dass ich noch mal ein Wort mit ihnen wechseln werde.“ Sie wandte sich ab und schlenderte planlos über den kleinen Parkplatz, auf dem kaum Autos standen, aber einige Fährräder an den Laternen festgekettet waren. Andere waren nur angelehnt, als würde niemand vorbeikommen und sie stehlen. Doch Nojiko wusste es besser, sie wusste dass Menschen alles klauten, was nicht niet- und nagelfest war. Schlürfende Schritte folgten ihr. „Weißt du... Marco und Ace, die beiden sind gar nicht so schlecht. Und du kannst jetzt nicht einfach so tun, als ob es sie nicht gibt.“ „Und warum kann ich das nicht?“, fragte Nojiko. Sie blieben unter einer Laterne stehen und Thatch lehnte sich schwankend an sie, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Weil sie unausstehlich sind, wenn sie verliebt sind.“ Er verzog das Gesicht und schüttelte sich. „Man kann dann überhaupt keinen Spaß mehr mit ihnen haben. Ace ist immer geistig abwesend, als würde seine Seele einfach mal kurz seinen Körper verlassen oder er ist ernst – und Ace ist nie ernst. Und Marco...“ Er lachte. „Marco ist noch ruhiger als sonst. Er beschwert sich nicht einmal mehr, wenn ich ihn nach Tipps wegen Makino frage. Stattdessen nimmt er sich wirklich die Zeit, um mir Ratschläge zu geben. Kannst du dir das vorstellen? Unsere ganze Routine – unsere Freundschaft! – ist durcheinander geraten und alles nur wegen dir.“ Er sah sie an, wobei die Bestürzung sich langsam in Verwirrung wandelte. „Wie heißt du eigentlich?“ Nun war es an Nojiko ein Lachen auszustoßen, laut und kehlig. Ihre Wangen fühlten sich warm, beinahe heiß, an und ihre Knie waren weich. „Nojiko. Mein Name ist Nojiko.“ „Oh, okay“, erwiderte Thatch und streckte ihr förmlich die Hand entgegen. „Ich bin Thatch. Makinos zukünftiger Ehemann und Marco und Aces bester Freund.“ Sie schüttelten einander die Hände, bis Thatch sie hinter sich her und zurück zum Grandline zog. Sein Griff war sanft, aber bestimmend, warm und fest. Proteste lagen Nojiko auf der Zunge, doch sie schluckte sie herunter. Auch ohne eine Erklärung wusste sie, was Thatch im Sinn hatte und der Gedanke stellte ihr die Nackenhaare auf. Wie Nojiko bereits geahnt hatte, war sie bereits ein Teil dieser Welt, ihrer Welt. VI Thatch bugsierte sie ungefragt zu seinem Sitzplatz herüber. Die verwirrten Gesichter von Marco und Ace sagten Nojiko jedoch, dass es nicht geplant war und dass man sie nicht auf den Arm nahm. Thatch hatte sich diesen Plan, falls es überhaupt mehr als eine Kurzschlussreaktion gewesen war, selbst ausgedacht. Der Optimismus vermischte sich mit Nervosität. Was erhoffte sie sich überhaupt davon? Es hatte doch keine Zukunft. „Ich muss zurück—“, begann sie, als er sie auf den Stuhl drückte. „Ich übernehme deine Schicht“, unterbrach Thatch mit einem Glucksen, bevor er bereits schwankend in Richtung des Tresens schwankte. Nojiko und Marco sahen ihm nach, während sie Aces Blick ganz deutlich auf der Haut spüren konnte. „Bedeutet das, dass du uns auch gern hast?“, erkundigte sich Ace mit einem Lächeln auf den Lippen, welches kaum über das Zögern oder seine gewählte Wortwahl hinwegtäuschen konnte. „Vielleicht sollten wir Nojiko nicht gleich so überfallen, sondern ihr erst einmal etwas zu trinken bestellen“, lenkte Marco ein. Er erhob sich und schlenderte hinter Thatch her, um ihr ebenfalls ein Bier zu kaufen. „Ich hab euch gern, irgendwie“, sagte Nojiko, nachdem er außer Hörweite war und sie allein mit Ace am Tisch saß. Es zunächst einer Person zu gestehen war einfacher und rief bereits gemischte Gefühle in ihr hervor. Zeitgleich war es erfrischend etwas Neues zu tun und ausnahmsweise nicht die Probleme, welche dieses Geständnis mit sich brachte, in den Vordergrund zu stellen. „Gut“, erwiderte Ace. „Wir waren uns nämlich nicht ganz sicher mit den ganzen verschiedenen Signalen, die du einem sendest. Und weil... nun du weißt schon, Marco und ich.“ Er kratzte sich grinsend am Kinn. Nojiko verschränkte die Beine. „Seid ihr schon lange zusammen?“ „Einige Monate.“ Ein Zucken der Schultern folgte. „Wir haben uns auf dem Weg nach Texas kennen gelernt, weil Marco da etwas für Paps zu erledigen hatte.“ Er ging nicht ins Detail, besonders schade fand es Nojiko allerdings nicht. Andererseits war die Organisation und Whitebeard ein Teil von Marco und Ace, den man nicht außen vor lassen oder gar vergessen konnte. „Im Grunde weiß ich rein gar nichts über euch“, sprach Nojiko ihren Gedanken aus und hob die Mundwinkel zu einem freudlosen Lächeln. Es war absurd, alles war absurd. Raue Finger tasteten nach ihrem Arm und verursachten Nojiko mit ihrer Sanftheit eine Gänsehaut. Ace suchte ihren Blick. „Dann lernst du uns eben kennen.“ Und Nojiko wollte auflachen, weil er so tat, als hätten sie eine Ewigkeit Zeit dazu, nachdem er ihr genug Geld beschafft hatte, damit sie für ihren Umzug und alle Unkosten aufkommen konnte, ohne ihr Haus verkaufen zu müssen. Doch sie brachte es nicht übers Herz, ihm zu widersprechen. Marco kehrte zurück und stellte ihr eine Bierflasche vor die Nase, die sie dankbar entgegennahm. Das hatte sie jetzt dringend nötig. Sie nahm einen großen Schluck, während Marco eine der anderen Bierflaschen Ace reichte, der seine Hand von ihrem Arm zog. „Ich habe Nojiko gerade erzählt, wie wir uns kennen gelernt haben“, erklärte Ace und Marco schnaubte. „Hat er dir erzählt, wie er in irgendeinem Diner die Zeche geprellt hat und einfach beim Fahren durch das offene Fenster in meinen Wagen geschlüpft ist?“, fragte Marco an Nojiko gewandt, welche mit skeptischen Blick zwischen beiden Männern hin- und herschaute. „Wirklich?“ „Wirklich“, bestätigte Marco und Ace lachte, bis er seine eigene Bierflasche umwarf und sich der halbe Inhalt über seine schwarze Dreiviertelhose ergoss. Doch selbst das trübte die Stimmung nicht, nichts konnte sie trüben, als alte Geschichten über Stripperinnen, die Wohnungen ausräumten, und über wilde Verfolgungsjagden ausgetauscht wurden. Wie lange sie dort saßen, konnte Nojiko nicht sagen, doch ihre Getränke leerten sich stetig, bis sie irgendwann die Meute und die Musik des Grandline hinter geschlossener Tür zurückließen. Die Dunkelheit verschluckte sie, als sie zu dritt auf dem Parkplatz standen. „Wir sehen uns morgen?“, fragte Ace und Nojiko nickte. Ihr war warm und ihr Herz pochte in kräftigen Schlägen hinter ihren Rippen. Er schob seinen orangenen Hut ein Stück nach hinten, als er sich vorbeugte und ihre Wange küsste. Marco berührte ihre Hand, verhakte sekundenlang ihre Finger miteinander, bevor beide sich auf den Weg nach Hause machten und Nojiko die entgegengesetzte Richtung einschlug. VII Der Morgen brach mit einem neuen Gefühl an. Die Besorgnis war von Sorglosigkeit ersetzt worden, die das Aufstehen vereinfachte. Zusammen mit dem Sonnenaufgang war Nojiko auf den Beinen, um zu frühstücken, bevor sie einen Abstecher zu ihren Sträuchern machte, um die reifen Orangen zu ernten. Heute war Markttag. Sie mochte nun einen Briefumschlag voller Geld besitzen und zwei gutaussehende Männer mehr oder weniger an ihrer Seite haben, aber das bestimmte noch lange nicht ihr Leben. Sie hatte eine feste Routine, feste Pläne, und sie war von keinem abhängig. Nachdem sie die Orangen in dem Korb verstaut und diesen zurück zum Haus geschleppt hatte, machte sie sich daran, sie ordentlich in die vorgesehenen Kisten zu sortieren, die sie mit zum Markt nehmen würde. Allerdings blieb es schwer zu ignorieren, dass sich ihr Leben im Nachhinein ziemlich schnell gewandelt hatte. Zusammen mit dem Kennenlernen von Marco und Ace war wieder etwas Leben und Freude eingekehrt, was nach Namis Umzug und Bellemeres Tod kaum mehr greifbar gewesen war. Die Wut hatte sich gelegt, die stets unter der Oberfläche gelauert hatte und von der Nojiko kurzzeitig gedacht hatte, dass sie nun ewig ein Teil von ihr sein würde. Es war seltsam, wie das Leben spielte... Aber vielleicht hatte sie genau das gebraucht, um endlich den ersehnten Neuanfang zu starten, nach dem sich Nojiko sehnte. Einfach würde es nicht sein, aber machbar – und sie war sich sicher, dass Marco und Ace das verstehen würden. Dass sie einsahen, dass sie nicht mehr nach Key West gehörte, nicht in ihre Welt, obwohl es verlockend einfach war, es sich einzubilden. Nojikos Gedanken wurden unterbrochen, als sie etwas klappern hörte. Ihren Ohren horchten auf. War das die Haustür? Die Orange wurde fest umklammert, denn da schloss eindeutig jemand auf. Im selben Moment, in dem dieser Erkenntnis zu Nojiko durchdrang, schallte Namis Stimme durch das Haus. „Nojiko? Ich bin zu Hause. Bist du da?“ Die Orange rutschte ihr aus den Fingern und rollte vergessen über den Küchenfußboden, als Nojiko zur Tür eilte. Ihre kleine Schwester, die roten Haare furchtbar lang gewachsen, stand im Rahmen, neben ihr die gepackte Reisetasche, die sie beim Auszug mitgenommen hatte. „Was machst du hier, Nami?“, fragte Nojiko in demselben Atemzug, in dem sie ihre Schwester umarmte. „Warum hast du nicht vorher angerufen? Ich hätte dich vom Flughafen abgeholt.“ Nami strahlte über das ganze Gesicht, was ihre Augen leuchten ließ und Nojiko an ihre Kindheit erinnerte, an all die Zeiten, in denen sie etwas ausgeheckt und Bellemere somit in den Wahnsinn getrieben hatte. „Ich wollte dich überraschen.“ Das Lächeln verlor sich, als sie ernster wurde. „Hör mal, Nojiko. Ich möchte nicht, dass du das Haus verkaufst. Das ist unser Zuhause. Es ist wichtiger als irgendeine dumme Uni. Das Designprogramm war ohnehin nicht das Beste, da mach ich das lieber hier zu Ende, auch wenn ich dazu ein bisschen weiter fahren muss.“ Sie zuckte mit den Schultern. Es war ihr vollkommen egal, dass sich die nächste Universität auf dem Festland befand und das nicht nur einen unnötigen Zeit-, sondern auch Geldaufwand darstellte. „Du ziehst wieder ein?“, fragte Nojiko mit erhobener Augenbraue und Nami knuffte ihr in die Seite. „Ich hoffe, du freust dich“, mahnte Nami. „Nicht, dass ich gerade meinen Studiumsplatz und meine Wohnung umsonst aufgegeben habe.“ Ihr Mund öffnete sich, als Nojiko nach passenden Worten suchte. Am Ende griff sie nach dem Riemen von Namis Tasche und schleppte sie gänzlich ins Haus, um die Tür schließen zu können. „Ich hab alles in deinem Zimmer so gelassen, wie es war.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)