Whitebeards Söhne & Töchter von Votani (Marco x Ace x Nojiko | Law x Nami) ================================================================================ Teil 2: Calm Before The Storm [1] --------------------------------- My mom always said, there are two kinds of love in this world: the steady breeze, and the hurricane. The steady breeze is slow and patient. It fills the sails of the boats in the harbor, and lifts laundry on the line. It cools you on a hot summer’s day; brings the leaves of fall, like clockwork every year. You can count on a breeze, steady and sure and true. But there’s nothing steady about a hurricane. It rips through town, reckless, sending the ocean foaming up the shore, felling trees and power lines and anyone dumb or fucked-up enough to stand in its path. Sure, it’s a thrill like nothing you’ve ever known: your pulse kicks, your body calls to it, like a spirit possessed. It’s wild and breathless and all-consuming. - Melody Grace, Unbroken I Das Rohr in der Wand dröhnte, als Nami den Wasserhahn zudrehte. Nojiko hatte nicht gelogen, als sie gesagt hatte, dass sie nichts in ihrem Zimmer verändert hatte. Sie hatte höchstens untertrieben, denn sie hatte rein gar nichts im Haus geändert. Jeder Makel war noch immer vorhanden, zusammen mit jedem einzelnen Möbelstück, egal wie verschlissen es war. Vielleicht hatte Nojiko nie vorgehabt das Haus zu verkaufen, ging es Nami durch den Kopf, als sie ihre Haare in zwei Zöpfe teilte und sie jeweils zusammenband. Wahrscheinlich wollte sie es verkaufen, hatte aber jeden Interessenten weggeschickt, weil er nicht gut genug für diese Bruchbude gewesen war. Immerhin hatte Nami Augen im Kopf und wusste, dass dieses Haus nicht mehr viel hergab. Das hatte jedoch nichts mit seinem sentimentalen Wert zu tun, den nichts ersetzen konnte. Die Dielen quietschten vertraut, als Nami die Treppe hinunterstieg. Ein seichter Windzug drang durch die offenen Fenster in der Küche ein, die einen wunderbaren Blick auf den Garten verliehen. Nojikos violetter Haarschopf tauchte zwischen den Büschen auf, als sie die reifen Orangen für den Markt pflückte. Vor ein paar Jahren noch war es Bellemere gewesen, die Nami nach dem Aufstehen im Garten hatte arbeiten sehen. Die Traurigkeit war immer noch da, aber ebenso war es die Präsenz ihrer Mutter, die in jedem Zentimeter dieses Hauses steckte, weil sie es mit Liebe gefüllt und zusammengehalten hatte. Sie waren nie reich gewesen und obwohl Nami gern Geld besaß, konnte sie im Nachhinein nicht sagen, dass es ihr an irgendetwas gefehlt hatte. Nami angelte sich eine Kaffeetasse aus dem Schrank und schenkte sich den übrig gelassenen Rest ein, bevor sie in ihre Latschen an der Hintertür schlüpfte. Sie trug nur Hotpants und ein T-Shirt, aber für alles andere war es bei diesen Temperaturen ohnehin zu warm. Die Sonne brannte zusätzlich sogleich auf sie herab, als sie durch den Garten zwischen den Orangenbäumen hindurch schlenderte. Sie streckte die Finger der freien Hand aus, um ein paar der Blätter zu berühren. „Guten Morgen“, begrüßte sie Nojiko. Nojiko sah auf und pustete sich einige schweißnasse Haarsträhnen aus der Stirn, die unter dem roten Band hervorgerutscht waren. „Endlich auf den Beinen?“, fragte sie mit einem Lächeln. „Ich dachte schon, du kommst niemals aus dem Bett. Du hast in der letzten Woche mehr geschlafen, als in all den Jahren zusammen.“ „Ich habe eben Nachholbedarf“, erwiderte Nami und zuckte mit den Schultern. Sie nahm einen Schluck Kaffee, als Nojiko mehr Orangen in dem Korb vor ihr verstaute. Schweigen breitete sich aus, welches trotz der langen Abwesenheit immer noch vertraut und befreiend war. Anders als Nami hatte Nojiko Bellemeres Platz eingenommen. Sie hatte sich diesem Haus und diesem Garten und dem Stand auf dem Marktplatz angenommen, während Nami Geld gespart hatte und auf die Universität geflüchtet war. Diesen Plan hatte sie schon vor Bellemeres Unfall verfolgt, aber ihr Tod war der Auslöser gewesen, um es wirklich umzusetzen. Doch obwohl auf den ersten Blick so einiges gleich aussah, hatte sich in Wirklichkeit alles verändert. Nami kannte die Ausmaßen noch nicht, aber sie konnte die Veränderung mit jeder Faser ihres Körpers spüren. Beinahe so deutlich, wie der Sturm, der in ein paar Tagen anreisen und sie unter Regenwolken begraben würde. Diese Schwingungen in der Luft hatte sie schon seit dem Kindesalter wahrgenommen, intuitiv und mit ihrem ganzen Sein. „Ein Sturm wird aufziehen“, sprach sie ihren Gedanken aus, ließ Nojiko jedoch nicht die Gelegenheit etwas zu erwidern. „Werde ich ihn kennen lernen?“, fragte Nami stattdessen aus heiterem Himmel und Nojiko hob beim Arbeiten die Augenbrauen in stummer Frage. „Den Typen, mit dem du neuerdings ausgehst“, erklärte Nami und ein Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. „Oder dachtest du, dass ich es nicht bemerken würde, dass du dir einen angelacht hast?“ Die Röte stieg Nojiko in die Wangen, für Nami trotz Nojikos Bräune deutlich sichtbar. „Woher weißt du das?“ „Du kommst später als gewöhnlich nach Hause, selbst wenn du nicht arbeitest. Obwohl ich immer noch nicht verstehe, warum du ausgerechnet in dieser dummen Bar mit diesen Kerlen arbeiten musst.“ Nami schüttelte den Kopf, denn sein Ruf eilte dem Grandline voraus. Es gab nur zwei Meinungen dieses Lokals und seiner Kundschaft betreffend, entweder man ging dort trinken oder man machte einen riesigen Bogen um es. „Außerdem bist du gestern mit Fast Food nach Hause gekommen.“ Nojiko packte die letzte Orange in den Korb und richtete sich auf, um sich den Dreck von ihrer verwaschenen Jeans zu klopfen. Ein Schnauben folgte. „Und das beweist irgendwas? Seit wann das denn?“ „Seit ich zwölf gewesen bin und weiß, dass du nie Fast Food kaufen gehst“, antwortete Nami und konnte dabei nicht verhindern, dass ihr Grinsen breiter wurde. „Also warst du mit jemandem essen. Mit einem Mann.“ „Okay, du hast recht“, bestätigte Nojiko schließlich mit einem Seufzen. „Bist du nun zufrieden? Du kennst alle meine Geheimnisse.“ „Ist es ernst?“ Nun war es an Nojiko mit den Schultern zu zucken. „Ich weiß nicht.“ Mit diesen Worten nahm sie den Korb und trug ihn zurück zum Haus. Nami folgte ihr dicht auf den Fersen. „Was soll das bedeuten? Du musst doch wissen, ob du ihn magst oder nicht. Oder ist er etwa so ein Frauenheld, der jeder Frau hinterher lächelt? Von denen solltest du dich fernhalten, Nojiko.“ Zugegeben, Nami flirtete ebenfalls gern und machte daraus keinen großen Hehl, aber sie suchte auch nicht nach einer festen Beziehung. Nojiko war jedoch anders, verschlossener und ernster – und Nami würde einen Rachefeldzug gegen diesen Kerl einleiten müssen, wenn er Nojiko das Herz brach. „Das ist es nicht. Es ist kompliziert“, entrann es Nojiko und sie trug den Korb in die Küche, nachdem Nami die Tür für sie geöffnet hatte. „Es ist nur so kompliziert, wie du es machst. Und ich würde den Mann, der dich dazu bringen kann, Fast Food zu essen und generell mehr unter Menschen zu kommen, sehr gern kennen lernen“, sagte Nami. Der Korb wurde neben der Spüle abgestellt. Nojiko stemmte eine Hand in die Hüfte, als sie Nami mit misstrauischem Blick musterte. „Wenn du mir hilfst, die Orangen abzuspülen und zum Markt zu tragen, denke ich darüber nach.“ „Da kann ich dann wohl nicht nein sagen“, erwiderte Nami, wohl wissend, dass es ein guter Deal war, denn die Orangen lächelten sie ohnehin bereits die ganze Zeit an. II Musik spielte im Hintergrund, als die Gäste nach und nach eintrudelten und die Tische des Grandline besetzten. Doch es waren Marco und Ace, nach denen Nojiko Ausschau hielt. Die Drinks mischten sich inzwischen von allein, sie musste kaum noch hinsehen oder auf die Karte schauen, um zu wissen, welches Getränk welches war. Höflichkeitsfloskeln wurden ausgetauscht und das Geld abkassiert. Der Großteil der männlichen Kundschaft gehörte ohnehin Whitebeards Söhnen an, was immer noch ein sehr lächerlicher Name war, wie Nojiko fand. Es hörte sich wie ein Zweig der Mafia an, obwohl sie nicht mit Gewissheit sagen konnte, ob das Übertreibung war oder nah an die Wahrheit heranreichte. Marco und Ace redeten nicht über die Organisation und Nojiko fragte nicht nach. Es war ein stilles Einverständnis zwischen ihnen, für das sie dankbar war. Genauso wie fast an jedem Nachmittag in den letzten Tagen ließen die beiden nicht lange auf sich warten. Führten sie überhaupt noch irgendwelche ihrer sogenannten Aufträge aus? Auch diese Frage, die nur eine von vielen war, stellte Nojiko nicht laut. Stattdessen holte sie zwei Bierflaschen aus der Kiste unter dem Tresen hervor und öffnete sie, um sie Marco und Ace vor die Nase zu stellen, als diese sie erreichten und auf den Barhockern vor ihr Platz nahmen. „Es ist ganz schön schwül draußen geworden“, sagte Marco und verzog das Gesicht, als er an seinem violetten Hemd zupfte, das ihm wie gewohnt offen um die Schultern hing. Ace fächelte sich Luft mit seinem orangenen Hut zu, während er sich einen Schluck des kalten Biers genehmigte. „Es liegt an dem Sturm, der auf dem Weg ist“, antwortete Nojiko und zog die Schale mit den Erdnüssen weg, bevor sich Aces Finger danach ausstrecken konnten. „Die willst du nicht. Da hatte gerade der Kerl dort drüben seine Hand drin.“ Sie nickte unauffällig zu einem drahtigen Mann hinüber, der sich der Jukebox annäherte und sich halb die Seele aus dem Leib hustete. „Was für ein Sturm? Davon war nichts im Wetterbericht heute morgen“, entrann es Marco. Er hatte das Kinn längst wieder auf der Handfläche gebettet. „Es war nicht im Wetterbericht, weil sie es noch nicht wissen“, erwiderte Nojiko und schob das Schälchen unter den Tresen, um eine andere hervorzuholen und mit neuen Erdnüssen zu füllen, welche sie Ace reichte. Ein Grinsen lag auf seinen Lippen und er stülpte sich den Hut wieder auf den Kopf. „Danke.“ Sofort schaufelte er sich die Erdnüsse in den Mund. „Woher weißt du dann, dass ein Sturm aufziehen wird?“, fügte Ace schmatzend hinzu. „Nami weiß es“, korrigierte sie. „Sie kann diese Dinge spüren. Das war schon immer so. Bellemere hat immer gescherzt, dass sie doch Meteorologin werden sollte.“ Ein schmales Lächeln tauchte bei dem Gedanken an ihre Mutter auf ihrem Gesicht auf, bevor sie sich daran erinnerte, dass Nami wusste, dass sie mit jemandem ausging. Mit einem Mann, was zwar stimmte, aber doch nicht ganz akkurat war. Nojikos Blick wanderte zu Marco und Ace hinüber, die ihr Interesse alles andere als versteckten. Sie verbrachten Zeit miteinander, tauchten stets hier am Tresen auf und luden sie zum Essen ein. Mehr war noch nicht passiert, was Nojiko ganz recht war. Sie wollte sich in nichts hineinstürzen und es später bereuen, auch wenn ihre Pläne sich scheinbar geändert hatten. Nami war zurück und wirkte auf Nojiko nicht so, als würde sie so schnell wieder gehen wollen. Daher gab es keinen Grund für Nojiko Key West zu verlassen. Nein, plötzlich gab es sogar mehr Gründe, um zu bleiben und sich hier etwas aufzubauen. Das Schlimmste an der Sache war jedoch, dass es zu einfach wäre, diesem Impuls nachzugeben. Das Leben hier schien inzwischen nicht mehr so trostlos, denn sie hatte Nami und Marco und Ace. Aber genügte es? „Hört mal...“, begann Nojiko und senkte die Stimme, da sich die Bar langsam füllte. Sie konnte einige Gäste sehen, die zu ihnen hinüberschauten und darauf warteten, dass Nojiko ihre Bestellung aufnahm, während Makino bereits zwischen den Tischen herumtänzelte. Für den Augenblick war ihr das alles jedoch egal, denn sie wusste, dass wenn sie jetzt nicht fragte, dann würde sie es nie tun. Wahrscheinlich war es ohnehin eine schlechte Idee für ein derartiges Treffen. Es war zu früh dafür. „Wollt ihr heute Abend zum Essen kommen? Nami würde euch gern kennen lernen“, fragte sie trotzdem. Marcos Augenbrauen hoben sich in Erstaunen, aber Ace grinste. „Natürlich wollen wir das“, platzte es aus ihm heraus. „Wir wollen Nami auch kennen lernen. Es ist bestimmt verdammt praktisch, jemanden zu kennen, der das Wetter so genau voraussagen kann. Gerade hier unten in Key West.“ Ace stieß Marco den Ellenbogen in die Seite. „Stimmt’s oder habe ich recht?“ „Beides“, antwortete Marco und trank sein Bier. „Aber musst du nicht eigentlich heute Abend arbeiten?“, fragte er an Nojiko gewandt. Nojiko schüttelte den Kopf, als sie ihren Notizblock und ihren Stift schon vorsorglich aus der Tasche ihrer Schürze hervorzog. „Makino hat eine neue Barkeeperin eingestellt. Sie übernimmt meine Abendschicht.“ Ein nachdenkliches Nicken seitens Marco folgte. „Ich nehme an, Nami weiß nicht, wem wir angehören?“ Nojiko schnaubte. „Was glaubst du denn?“ Nami mochte Kriminelle mindestens genauso wenig wie Nojiko, obwohl sie selbst ganz besonders flinke Finger besaß, die sich schon oft in fremde Taschen verirrt hatten. Dennoch hatte die Erziehung einer ehemaligen Polizistin gewisse moralische Werte vermittelt. In dieser Hinsicht war Nami glatt noch dickköpfiger als Nojiko, die sich viel zu einfach von Marco und Ace hatte um den Finger wickeln lassen. Was war aus ihren Werten und Prioritäten geworden? „Ich denke immer noch darüber nach, wie ich ihr das hier beibringen soll“, fügte Nojiko hinzu und bewegte den Stift zwischen Marco, Ace und sich selbst hin und her. „Ihr dann auch noch zu sagen, dass ihr zu dem Mann gehört, von dem jeder weiß, dass er Key West in Wirklichkeit kontrolliert, erscheint mir etwas viel auf einmal.“ „Wir verstecken nicht, wer wir sind“, sagte Ace. Ein harter Ton schlich sich in seine Stimme hinein, obwohl er immer noch lächelte. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen, wurde Nojiko klar. „Das ist nicht, was ich damit meinte“, korrigierte sie. Marcos Blick wechselte von einem zum anderen und zurück. „Nicht verstecken, sondern es einfach nicht in die Welt herumposaunen“, erklärte er monoton. „Genau. Danke, Marco.“ Dieser deutete ein Nicken an, was nur bedeuten konnte, dass er verstand und sich darum kümmern würde. Nojiko stieß ein erleichtertes Seufzen aus, um sich endlich den Bestellungen zu widmen. „Seid einfach so bei Abenddämmerung da. Ace weiß ja bereits, wo ich wohne.“ Sein unschuldiger Blick folgte ihr, als sie den Tresen umrundete. „Tu ich das?“, rief er ihr hinterher, aber Nojiko machte sich nicht die Mühe zu antworten. Auch wenn Ace es immer noch leugnete, wusste sie ganz genau, dass das Geld, welches sie in ihrem Blumentopf gefunden hatte, von ihm stammte. Es lag immer noch in einer der Küchenschubladen, zusammen mit den stumpfen Brotmessern. Sie musste unbedingt einen besseren Platz dafür finden oder sich etwas einfallen lassen, damit sie es Ace heimlich unterjubeln konnte. Erst einmal galt es jedoch, das Abendessen zu überstehen. III Das Haus roch nach der Orangensoße, die Nojiko nach Bellemeres Rezept zu dem Fleisch und den Kartoffeln zubereitet hatte. Sie ließ Nami wortwörtlich das Wasser im Mund zusammenlaufen, während es eine festliche Atmosphäre kreierte, die Nami schon lange nicht mehr gespürt hatte. Es erinnerte sie an all die Weihnachten und Geburtstage, die sie zu dritt in diesem Haus verbracht hatten. Nicht alle waren ohne Streitigkeiten vorübergegangen, doch ab einem bestimmten Alter hatte sie einsehen müssen, dass das nicht besonders dramatisch, sondern vollkommen normal in Familien war. Nami war nach und nach erwachsen geworden und die Diskussionen zwischen Bellemere und ihr hatten abgenommen, waren stetig kürzer geworden. Schweigend deckte sie den Tisch. Sie stellte Teller hin, legte Besteck daneben und betrachtete ihr verzerrtes Spiegelbild in der Rückseite der Gabel. Sie trug ihre Haare offen, die ihr inzwischen bis zu den Ellenbogen hinunterreichten. Warum Nami sie wachsen gelassen hatte, wusste sie selbst nicht. Früher hatte sie lange Haare nie gemocht, aber inzwischen musste sie sich eingestehen, dass sie mit ihnen wirklich gut aussah. Andererseits sah sie eigentlich immer gut aus. Die Türklingel holte Nami aus ihren Gedanken und ließ sie aufsehen. Sie legte die Gabel hin. „Ich gehe schon“, rief sie zu Nojiko in die Küche, in der das Geschirr klapperte. Doch als Nojiko im offenen Durchgang zum Wohnzimmer auftauchte, war Nami bereits an ihr vorbeigelaufen und auf dem Weg zur Tür. Da war er endlich! Ein Blick auf die Wanduhr über dem Kamin verriet, dass er pünktlich war. Das machte schon mal einen guten und vor allem zuverlässigen Eindruck. Genau so jemanden brauchte Nojiko. Das Lächeln, welches auf Namis Lippen geruht hatte, verlor sich nach und nach, als sie zwei Männer vor ihrer Tür vorfand. Ganz besonders die Hemden der beiden zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich, denn sie trugen beide einen violetten Farbton, der in dem schlechten Licht der Laterne vor dem Haus identisch wirkte. Abgesehen davon hätten die beiden kaum unterschiedlicher sein können. „Kann ich euch helfen?“, fragte Nami. Der blonde Kerl zog die Augenbrauen zusammen, doch in dem Moment, in dem er den Mund öffnete, deutete sein Begleiter bereits eine lockere Verbeugung an. Nami konnte nicht behaupten, dass sie jemals so in ihrem eigenen Haus begrüßt worden war und runzelte die Stirn. „Nojiko hat uns zum Abendessen eingeladen. Es riecht schon sehr gut. Dürfen wir reinkommen?“, sagte er und war den Bruchteil einer Sekunde später bereits an Nami vorbeigeschlüpft. Sprachlos sah sie ihm hinterher, während der blonde Mann einen resignierten Laut ausstieß. „Mach dir nichts draus. So ist Ace immer“, sagte er. „Ich bin übrigens Marco und ich bin sicher, dass wir nicht das sind, was du erwartest hast.“ „Das kann man wohl sagen“, erwiderte Nami und stemmte eine Hand in die Hüfte, als sie sich wieder Marco zudrehte. Sein Gesichtsausdruck wirkte noch immer verschlafen, doch seine Augen waren aufmerksam, als er sie abwartend anschaute. Er erweckte den Eindruck, als ob er bereits wusste, wie ihre nächste Frage lauten würde, weshalb Nami diese hinunterschluckte und stattdessen die Tür weiter öffnete. „Komm rein“, sagte sie. Auch ohne die Frage würde sie während des Abendessen herausbekommen, wer von ihnen denn nun mit Nojiko ausging und wer nur als moralischer Beistand mitgekommen war. Vielleicht war das Ganze auch abgekartet, damit ihr Nicht-Date inzwischen mit Nami anbändelte. Dachte Nojiko etwa, dass Nami sich allein fühlte, weil Nojiko nun weniger Zeit hatte und diese womöglich lieber mit jemand anderen verbringen wollte? Nein, so etwas würde Nojiko nicht tun, oder etwa doch? Marco trat ein und spazierte zur Küche, was Nami versicherte, dass beide sich schon hier im Haus auskannten. Nachdenklich schloss sie die Tür und folgte ihm, aber auf halben Weg schallte ihr bereits Nojikos Lachen entgegen, hell und heiter und ungewohnt. „Du hast wirklich kein Beherrschen, Ace“, entrann es ihrer Schwester, als Marco und Nami die Küche erreichten. Nojiko hielt Ace den Kochlöffel mit etwas Soße hin und er probierte. „Nicht bei so etwas Leckerem“, erwiderte dieser mit einem schrägen Grinsen und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Anrichte neben dem Kocher, an dem Nojiko herumwerkelte. Es war Ace, Nojiko ging mit Ace aus. Das war vermutlich auch besser, denn Marco schien nun doch schon einige Jahre mehr auf dem Buckel zu haben. Nicht, dass sie etwas gegen ältere Männer hatte, aber... „Seit ihr beide schon lange in Key West?“, fragte Nami, da keiner von ihnen aussah, als wollten sie besonders viel über sich selbst preisgeben. Marco, der im Türrahmen lehnte, löste den Blick von Ace und Nojiko, um sich stattdessen ihr zuzuwenden. „Ungefähr ein Jahrzehnt. Ace dagegen erst ein paar Monate.“ Er verschränkte die Arme, aber obwohl es bei jedem anderen abweisend gewirkt hätte, verlieh es Marco einen nachdenklichen Eindruck. „Was ist mit dir? Warum bist du wieder nach Key West zurückgekommen, Nami?“ Auf Namis Lippen tat sich ein Grinsen auf. „Ich sehe schon, Nojiko plaudert über mich.“ Sie warf ihrer Schwester einen wissenden Blick zu, die zurück lächelte, bevor sie das Essen in Schüsseln füllte, die Ace zum Tisch brachte, um nebenbei naschen zu können. „Ich hab Key West vermisst, schätze ich“, erklärte Nami mit einem Schulterzucken. „Es mag ein kleines Kaff sein, aber es wird immer mein Zuhause bleiben. Wahrscheinlich weißt du, was ich meine. Du bist ja auch schon ewig hier.“ Marco legte den Kopf zur Seite, nickte jedoch verstehend, als sie Ace und Nojiko in das angrenzende Esszimmer folgten. „Was ist mit dir, Ace? Wie bist du nach Key West gekommen?“, fragte Nami, als sie alle gemeinsam am Tisch saßen und sich auffüllten. Ace hatte seinen Teller bereits beladen und das Fleisch sowie die Kartoffeln in Orangensoße ertränkt. „Durch Marco“, presste er mit vollem Mund hervor und deutete mit der Gabel auf Marco, der neben ihm Platz genommen hatte. „Er hat mich mitgenommen. Seitdem bin ich hier.“ „Hast du vor hier zu bleiben?“, fragte Nami weiter und Aces belustigter Blick wanderte zuerst in Marcos Richtung, ehe er zu Nojiko hinüberschwang, die schweigend aß. „Definitiv.“ „Ich glaube, niemand von uns hat vor wegzuziehen“, räumte Marco ein. „Außer vielleicht Nojiko.“ „Ich ziehe nicht weg“, erwiderte Nojiko knapp, wobei ihr Blick auf ihren Teller gerichtet blieb. Ihr Gesicht war ernst, aber Nami kannte sie schon ihr gesamtes Leben lang und wusste, wenn sie verlegen war. „Das will ich auch schwer hoffen!“, sagte sie und Ace lachte vergnügt auf. Er war eindeutig derjenige, der Nojikos Herz zu gewinnen versuchte – und wenn Nami richtig lag, hatte er gute Chancen, dass ihm das auch gelang. „Immerhin wäre ich nicht die einzige, die dich vermissen würde.“ „Stimmt“, fügte Marco hinzu und nahm einen Schluck aus seinem Weinglas. „Ich glaube, es wären mindestens drei.“ Sein Blick lag auf Nojiko, die ihn für einen Moment zu lang hielt. Erneut kräuselte sich Namis Stirn. Hatte sie sich geirrt? War es doch Marco, mit dem Nojiko ausging, und Ace war nur ein Freund? Sie war sich so sicher gewesen, aber der Blick gerade eben... „Marco hat recht“, sagte Ace. Sein Teller war bereits leer und er füllte sich einen großzügigen Nachschlag auf. „Eigentlich wäre es ziemlich gemein, wenn du Marco und mich jetzt einfach so hängen lassen würdest.“ Das Grinsen verweilte auf seinem Gesicht und obwohl sich eine gewisse Ernsthaftigkeit hinter seinen Worten versteckte, schien er Nojiko dennoch die Wahl zu lassen. „Ich sagte doch, dass ich nicht wegziehe“, erwiderte Nojiko. „Wieso reden wir noch darüber?“ Doch Nami hörte nur halbherzig hin, weil die Vertrautheit zwischen den Dreien ihr den Kopf schwirren ließ. Sie legte die Gabel beiseite und fasste sich an die Stirn. „Einen Moment mal“, entrann es ihr. „Wer von euch beiden geht nun mit meiner Schwester aus?“ Marco und Ace sahen einander an, bevor ihre Blicke zu Nojiko hinüberwanderten, die ebenfalls beim Essen innehielt. „Wir beide natürlich“, sagte Ace, als würde das auf der Hand liegen. „Ich würde niemals mit Nojiko ausgehen, wenn Marco nicht mitkäme. Ich gehe nicht fremd.“ Marcos Mundwinkel zucken verdächtig. „Was Ace damit ausdrücken möchte ist, dass wir schon eine Weile zusammen sind und nun eben zu dritt ausgehen, um zu sehen, wohin es uns führt.“ „Wollt ihr mich auf den Arm nehmen?“, platzte es aus Nami heraus, schroffer als geplant. Doch ein Blick in Nojikos Gesicht sagte ihr, dass dem nicht so war, sondern dass es der Wahrheit entsprach. Sie gingen zu dritt aus, weil... Nami hatte keine Erklärung. Stattdessen schob sie den Stuhl nach hinten und erhob sich langsam. „Ich glaube, ich brauche etwas Luft.“ „Nami...“, rief ihr Nojiko hinterher, aber Nami drehte nicht mehr um, als sie ihre Schlüssel nahm und aus dem Haus spazierte. IV Insekten schnarrten, während ein Blick hinauf zum Firmament einen klaren Himmel preisgab. Eine leichte Brise wehte und ließ die Sträucher rascheln, welche den Weg säumten. Nojiko sah sich um, doch von Nami war keine Spur zu sehen. Wahrscheinlich war sie in irgendeiner Bar etwas trinken gegangen. Verübeln konnte sie es Nami nicht, denn Nojiko hatte ihr aus der eigenen Unsicherheit heraus nicht einmal einen kleinen Hinweis darauf gegeben, was sie erwarten könnte. Nojiko hatte sie praktisch ins eiskalte Wasser gestoßen und erwartet, dass sie es schon verstehen würde. Eine Hand berührte ihre Schulter und holte sie aus ihren sinnlosen Gedanken, die sie schon bei dem Abwasch begleitet hatten. „Sie wird sich dran gewöhnen“, sagte Ace, als er neben ihr zum Stehen kam. „Jedenfalls wirkt Nami sehr anpassungsfähig und cool.“ Das kecke Grinsen auf seinen Lippen brachte auch Nojiko zum Lächeln. Nur Ace kam auf die Idee, Nami als cool zu beschreiben, denn für gewöhnlich benutzten Männer gänzlich andere Adjektive für ihre kleine Schwester. „Du bist auch ziemlich anpassungsfähig und cool“, erwiderte sie mit einem spöttischen Unterton, auch wenn er genau das war. Er nahm das Leben auf die leichte Schulter und machte sich keinen allzu großen Kopf um solch alltäglichen Dinge. „Danke.“ Mit diesen Worten wanderten Aces Finger von ihrer Schulter zu ihrem Nacken hinauf, seine Berührung hauchzart, als er sich vorlehnte. Es erinnerte vage an den ersten Abend, an dem er ihre Wange geküsst hatte. Ein Schmunzeln lag noch immer auf seinen Lippen und sein Atem streifte ihre Haut, ehe Nojiko ihm entgegenkam und ihn küsste. Mit einem breiteren Lächeln spazierte Ace die Treppen von der Veranda hinunter und den Pfad entlang, der von ihrem Haus wegführte, seinen Hut ins Gesicht ziehend. Nojiko sah ihm hinterher, bis sie Marcos Präsenz neben sich wahrnahm. Mit einem skeptischen Blick drehte sie den Kopf in seine Richtung. „Jetzt willst du wohl auch einen Kuss, was?“, fragte sie, obwohl sein Gesichtsausdruck rein gar nichts verriet. Sie konnte sich beim besten Willen nicht entscheiden, ob Marco oder Ace nun das Buch mit den meisten Siegeln war. Die beiden konnten kaum verschiedener sein und wirkten auf unterschiedliche Weise offen und verschlossen zugleich. Marco wandte sich ihr zu und ein Mundwinkel zuckte in die Höhe. „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich einen nehmen, ja. Ich finde, das wäre nur gerecht in Anbetracht der Umstände.“ „Ihr beide seid wirklich unglaublich.“ Nojiko schüttelte den Kopf, bevor sie Marco an seinem zugeknöpften Hemd packte, was noch immer furchtbar ungewohnt und irgendwie falsch aussah. Doch er hatte sein stummes Versprechen nicht gebrochen und beide hatten ihren Wunsch, Nami vorerst nicht wissen zu lassen, dass sie Whitebeards Söhnen angehörten, eingehalten. Mehr konnte sie nicht verlangen. Stattdessen zeigten sie immer wieder in diesen kleinen Gesten, dass man ihnen vertrauen konnte und dass Nojiko – dank Thatchs ungewollter Hilfe – richtig entschieden hatte, als sie sich an dem Abend im Grandline zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte. Marcos Lippen waren rauer als die von Ace, aber auch sie lösten ein Kribbeln in Nojikos Bauch aus. „Danke“, sagte Marco und Nojiko boxte ihm spielerisch gegen die Brust. „Bedank dich noch einmal für einen Kuss und es wird der letzte gewesen sein“, mahnte sie. „Der Letzte, eh?“, wiederholte Marco, bevor auch er sich auf den Weg machte und mit Ace aufholte. Mit einem Schnauben drehte sich Nojiko um und marschierte zurück ins Haus. Die beiden machten es ihr schwer, sich um Nami zu sorgen oder darüber nachzudenken, was sie tun würde, wenn Nami gegen ihre Beziehung war. Das galt besonders, wenn sie auch noch beim Abwasch halfen und Nojiko dann nichts anderes mehr zu tun hatte, als zu entspannen. Es war ungewohnt. Sie hatte all die Monaten allein gewohnt und sich eine Routine aufgebaut, um den Hausputz, die Arbeit und alles andere unter ein Dach zu bekommen. Nun war nicht nur Nami zurück, die überraschenderweise mit anpackte, obwohl sie sich sonst vor dem Haushalt gedrückt hatte, sondern auch Marco und Ace halfen mit, wenn sie hier waren. Wobei Ace eine Katastrophe war und sich immer wieder ablenken ließ, aber... der Gedanke zählte. Das alles wirkte fast ein wenig zu perfekt. Vielleicht würde sich Nami doch nie damit anfreunden können, dass sie mit Marco und Ace zugleich ausging. Ein Seufzen bahnte sich den Weg über Nojikos Lippen, als sie im Türrahmen zur Küche stand und sich nach irgendetwas umsah, was keinen Aufschub duldete und womit sie sich die Zeit vertreiben konnte. V Es war still im Haus, was nur bedeuten konnte, dass Nojiko noch immer schlief. Gut. Nami schwang die Beine aus dem Bett und schlüpfte in ein neues Top und band sich ihre Haare zusammen. Sie war gestern zu müde gewesen, um sich umzuziehen. Das war jedoch nicht verwunderlich, da sie erst um drei Uhr morgens zum Haus zurückgekehrt war. Zu dieser Zeit hatte Nojiko bereits geschlafen, hatte aber die Lichter im Wohnzimmer für sie angelassen. Es verbesserte Namis schlechtes Gewissen nicht, einfach so in Schock herausgestürmt zu sein. Für die Erkenntnis, dass sie hätte besser reagieren sollen, war es nun allerdings zu spät. Auf leisen Sohlen, um das Quietschen der Dielen zu vermeiden, sammelte Nami ihr Zeichenmaterial ein, verließ ihr Zimmer und stieg die Treppe hinunter. Sie wollte Nojiko auf keinen Fall wecken. Was sollte Nami ihr sagen? Sich entschuldigen? Nein, sie wusste schließlich immer noch nicht genau, was sie von dieser Dreierbeziehung halten sollte. So etwas konnte auf Dauer doch wohl kaum funktionieren, oder? Nachdenklich legte sie ihre Sachen auf der Anrichte ab und stöberte im Kühlschrank. Wahrscheinlich hatte Nojiko deshalb nicht darüber reden wollen. Nami hatte es ihr vermutlich nicht geglaubt, sondern viel eher gedacht, dass Nojiko sie auf den Arm nahm, obwohl sie niemals über solche Dinge scherzen würde. Nami schob den Kühlschrank zu und nahm sich stattdessen einen der Äpfel aus der Obstschale. Vielleicht machte sie sich zu viele Gedanken darüber. Eine Schublade nach der anderen wurde aufgezogen, als sie nach den Messern suchte. Nojiko hatte doch nicht alles gelassen, wie es gewesen war. Bei der dritten Küchenschublade wurde sie schließlich fündig, obwohl ein schwerer Umschlag sie bedeckte. Nami hob ihn heraus und legte ihn auf die Anrichte, bevor sie ihren Apfel durchschnitt und die Kerne entfernte. Ihr Blick ruhte jedoch auf dem Briefumschlag, der halboffen vor ihrer Nase lag und Geld enthielt. Doch es war die Anzahl der Geldscheine, die Namis Aufmerksamkeit auf sich zog. Während sie den Apfel aß, lauschten ihre Ohren unweigerlich für Geräusche in der oberen Etage, als sie ihre Finger nach dem Umschlag ausstreckte, um sich die Scheine besser ansehen zu können. Es waren alles 100-Dollar-Scheine! Wo hatte Nojiko so viel Geld her? Hatte sie das Haus doch schon verkauft, nur Nami nichts davon gesagt? Das würde allerdings bedeuten, dass Nojiko gestern gelogen hatte, als sie darauf beharrt hatte, nicht länger wegziehen zu wollen. Was ging hier vor? Und seit wann war Nojiko diejenige, die Geheimnisse hatte? War es nicht immer Nami gewesen? Nami, die heimlich die Bewerbung für die Universität ausgefüllt und abgeschickt hatte, die als Kind gern einige Bücher aus der Bücherei behalten und diese stets unter ihrem Bett versteckt hatte? Nami schüttelte kaum merklich den Kopf. Bevor sie Nojiko gegenüberstand, musste sie erst einmal ihre Gedanken ordnen und das konnte sie hier drinnen nicht tun. Nicht mit diesem erdrückenden Gefühl in ihrer Brust, welches sie immer bekam, wenn das Wetter kurz davor war, sich drastisch zu ändern. Doch bis die Sturmfront sie erreichte, würde es noch ein paar Tage dauern, da war sich Nami sicher. Nachdem sie aufgegessen hatte, legte sie den Briefumschlag zurück in die Schublade, nahm ihr Zeichenmaterial und schlüpfte in ihre Schuhe. Abermals flüchtete sie aus dem Haus, in dem sie aufgewachsen war, denn das tat sie bereits seit sie das Laufen gelernt hatte. Es war der Ort, von dem sie stets davonlief und zu dem sie genauso oft wieder zurückkehrte, der Anfang und das Ende eines ewigen Kreislaufs. Draußen war es schwül und sonnig, wie die Stille vor dem wortwörtlichen Sturm, als sich Nami auf den Weg zum Strand machte. Die mitgenommene Sonnenbrille fand den Platz auf ihrer Nase, als sie den sandigen Wegen über die Insel folgte. Auch das Meer breitete sich ruhig und mit sanften Wellen vor ihr aus. Am unteren Rand drehten ein paar morgendliche Jogger ihre Runden, während andere bereits in das blaue Nass eintauchten. Nami verweilte jedoch am oberen Rand, an dem sie sich in den Sand sinken ließ. Das leichte Pochen hinter ihren Schläfen sagte ihr, dass sie gestern in Shakky’s Rip-off Bar selbst für ihre Trinkfestigkeit zu viel getrunken hatte. Zwar war das Grandline näher gewesen, aber dort setzte sie keinen Fuß hinein. Sie wusste schließlich, wer dort regelmäßig ein- und ausging. Die Rip-off Bar war hingegen nur eine winzige Bar, in die es fast nur Touristen trieb, da sie sich genau im Zentrum von Key West und inmitten einem Haufen anderer Lokale befand. Es gab sie schon so lange, wie sich Nami erinnern konnte, genauso wie die Besitzerin Shakuyaku, eine Frau, die zu viel rauchte und ganz genau wusste, was in jedem Winkel der Insel vor sich ging. Nami bezweifelte jedoch, dass sie von Nojikos Beziehung zu Marco und Ace wusste... Dieser Gedanke ließ sie schmunzeln, als Nami ihren Blick vom Meer nahm und stattdessen ihren Zeichenblock aufschlug. Die ersten Blätter zeigten skizzierte Kleider und Röcke, die sie für ihre Designklasse entworfen hatte, doch sie blätterte weiter, bis sie eine leere Seite gefunden hatte. Anschließend fischte sie einen der Bleistifte aus der kleinen Federtasche, die neben ihr im Sand landete. Mit feinen Linien versuchte sie das Meer mit seinen Joggern und Schwimmern, den herumfliegenden Möwen und den fernen Fischerbooten einzufangen, während die Sonnenstrahlen auf seiner Oberfläche glitzerten. Da war keine Unsicherheit und auch kein Zittern in ihrer Hand, als sie zeichnete. Erst ein Schatten, der sich über sie legte, ließ sie schlussendlich innehalten. „Das ist eine sehr detaillierte Zeichnung“, sagte eine Stimme und Nami musste den Kopf drehen, um den Mann zu sehen, der direkt hinter ihr stand und ihr schamlos über die Schulter sah. Trotz der Wärme trug er einen dunklen Pullover, der mit einer weißen Mütze, die schwarze Punkte hatte, abgerundet war, die er tief ins Gesicht gezogen trug. „Und ich bin sicher, dass sie dich nichts angeht“, erwiderte Nami mit erhobener Augenbraue und klappte ihren Zeichenblock vorerst zu. „Hast du noch nie davon gehört, dass man fragt, bevor man sich einfach die Arbeit eines Künstlers ansieht?“ Anstatt ihre Ablehnung anzuerkennen und seinen Weg fortzusetzen, spazierte er mit gemütlichen Schritten um Nami herum, damit sie sich nicht weiterhin halb den Hals verrenken musste, um ihn ansehen zu können. „Du bist eine Künstlerin, Miss?“ Bei der seltsamen Mischung aus dem Duzen und Siezen schob Nami nun doch die Sonnenbrille hinauf in die Haare, um sich diesen Mann genauer anzusehen. „Vielleicht. Und was bist du? Außer aufdringlich, meine ich.“ „Aufdringlich“, wiederholte ihr Gegenüber und seine Mundwinkel hoben sich, als er dieses Wort testete. „Sag mir nicht, dass ich der Erste bin, der dir jemals beim Zeichnen über die Schulter geschaut hat.“ Der Ton, in der das sagte, gefiel Nami nicht, weshalb sie die Stirn in Falten legte. Flirtete er gerade mit ihr? Für gewöhnlich hatte sie kein Problem damit, diese Dinge zu erkennen, da Männer mehr als nur offensichtlich und einfach gestrickt waren. Bei den trockenen Worten, seiner ganzen Art, die furchtbar unnahbar wirkte, konnte sie jedoch nicht sicher sein. „Du hast meine Frage nicht beantwortet“, antwortete Nami, anstatt auf seine Aussage einzugehen. Er lächelte nicht, sondern zuckte lediglich mit den Schultern. „Vielleicht bin ich ja ein Tourist, der sich einfach mal die Beine vertreten wollte. Das Wetter ist hier gut genug dafür.“ Sein Blick ging zum Himmel hinauf und er kniff die Augen bei der Helligkeit zusammen. Nami beobachtete ihn dabei. Wie ein Tourist sah er aus, das stimmte. Jedenfalls war seine Kleidung alles andere als angebracht auf den Key Inseln. Während sie Sandalen, kurze Shorts und ein Top trug, hatte er obendrei noch eine lange Hose und Stiefel an. Wer tat sich das bei diesem Wetter an? An einer gesunden Bräune war er jedenfalls nicht interessiert, obwohl er auch nicht sonderlich blass wirkte. „Nicht mehr lange“, sagte Nami, ohne näher darüber nachzudenken. Sein Blick kehrte zu ihr zurück, doch er fragte nicht nach. „Bald wird sich ein Sturm bilden. In ein paar Tagen wird er hier sein“, erklärte Nami und nun war es an ihr achtlos mit den Schultern zu zucken. Kein Muskel in seinem Gesicht regte sich. „Wie lautet dein Name, Miss?“ „Nami.“ „Nett dich kennen zu lernen, Nami-ya. Ich bin Law.“ Seine Mundwinkel hoben sich ein Stückchen. „Wir sehen uns sicher noch. Bei der Größe der Insel ist es jedenfalls wahrscheinlich.“ Mit diesen Worten setzte er seinen Weg fort und ließ Nami sitzen. Verwirrt sah sie ihm nach, doch er drehte sich nicht mehr um. Womöglich hatte sie sich geirrt und er hatte nicht mit ihr geflirtet, sondern war einfach von der sonderbaren Sorte. Sie hatte lange genug auf Key West gelebt, um zu wissen, dass sich hier viele Egozentriker herumtrieben. Und was sollte das –ya am Ende ihres Namens? War das japanisch? Es klang ein wenig danach, obwohl er nicht sonderlich japanisch ausgesehen hatte und auch sein Name nicht unbedingt darauf hinwies. Ihren Zeichenblock wieder aufklappend beendete sie ihre Skizze von einem weiteren Morgen in Key West, anstatt weiter über diese Begegnung nachzudenken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)