Whitebeards Söhne & Töchter von Votani (Marco x Ace x Nojiko | Law x Nami) ================================================================================ Teil 4: Crossfire [5] --------------------- XVII Der Kloß, der die ganze Zeit über in seiner Kehle festgesteckt hatte, löste sich bei dem Anblick der vertrauten Villa. Das Anwesen war ein schwarzes Ungestüm in der Nacht, das auf einem Hügel stand. Die lange Einfahrt führte zum Vorgarten, der verwildert war. In der Dunkelheit waren die Ranken und der Efeu nicht zu sehen, welche den Hauswänden im Laufe der Jahre auf allen Seiten hinaufgeklettert war, so dass nur Fenster und Türen frei lagen. Die Gemeinschaftsräume und die Küche befanden sich auf der Rückseite der Villa, so dass die Fenster auf dieser Seite dunkel blieben. Ace wusste jedoch, dass man sich ihrer Anwesenheit dennoch bewusst war, denn irgendjemand von seinen Brüdern hatte immer ein Auge auf die Einfahrt. Zusammen mit Thatch schritt er diese hinauf. Seine Fäuste waren so fest geballt, dass seine Knöchel schmerzten. Vielleicht war es auch der Fausthieb gewesen, den er Law heute Morgen verpasst hatte. Allerdings schien das eine halbe Ewigkeit her zu sein, ebenso wie viele andere Dinge. Bevor sie den Eingang des Anwesens erreichten, öffnete sich bereits die Tür. Ein fahler Lichtschein stahl sich durch den Spalt nach draußen, nur unterbrochen von der Person, die sie hineinbat. Haruta stand im Türrahmen, seine Gestalt klein und schlaksig mit zu weiter Kleidung. Sein braunes Haar hing ihm in die Augen, doch sein Blick war wachsam, vor allem jedoch abschätzend. Als ob er etwas ahnte. Etwas wusste. Doch Ace schüttelte den Gedanken ab. Das war nur seine Einbildung, die da aus ihm sprach. Niemand wusste von den Geschehnissen, von Namis Entführung oder von Marcos Plan. Niemand außer ihnen. „Ich muss mit Paps sprechen“, presste Ace hervor, anstatt Haruta zu begrüßen. Dieser trat einen Schritt zur Seite, um ihnen Eintritt zu gewähren. „Wo ist Marco?“ Ace blieb abrupt im Türrahmen stehen, die Augenbrauen zusammen gezogen. „Warum fragst du? Wo-“ Thatch stieß ein lautes Lachen aus. „Was Ace meint ist, dass Marco Zuhause ist. Also bei Nojiko. Wo soll er auch sonst sein?“ Mit einer Hand an Aces Rücken bugsierte Thatch ihn den restlichen Weg in das Anwesen, bevor er die Tür hinter ihnen schloss. Haruta hob eine Augenbraue. „Ich meine nur, da du nie ohne Marco hier auftauchst.“ Aces Mund klappte auf, aber bevor er Protest gegen diese Aussage einlegen konnte, schubste Thatch ihn bereits weiter. „Irgendwo hat Haruta recht“, warf er ein, schüttelte im gleichen Moment aber den Kopf. „Aber ist das wirklich wichtig jetzt? Haben wir nicht etwas Besseres zu tun, Ace?" Er musste sich auf die Zunge beißen. „Wo ist Paps?" „Im Bett. Er hatte zu viel Sake. Außerdem ist heute einer seiner schlechteren Tage“, erklärte Haruta. „Also macht es kurz, wenn es so wichtig ist, dass ihr ihn wecken müsst.“ Sein Vorsatz, Paps alles zu erzählen und sich schuldig zu bekennen, schwächte bei diesen Worten ab. Ace war so entschlossen gewesen, aber das Letzte, was er tun wollte, war Whitebeard zu stören. Sein Gesundheitszustand hatte sich in dem letzten Jahr zunehmend verschlechtert, auch wenn Ace für eine lange Zeit die Augen davor verschlossen hatte. Er wollte nicht wahrhaben, dass selbst ihr alter Herr sich allmählich dem Alter beugen musste, da dieser immerhin bereits die siebzigste Jahregrenze erreicht hatte. Doch der Gedanke ihn zu verlieren war unerträglich und furchtbar unrealistisch. Ohne Whitebeard gab es ihre Organisation nicht mehr und ihre Familie würde einfach nicht mehr komplett sein - und Ace war zu spät zu ihnen gestoßen und hatte bereits zu viel von dem Leben seines Vaters und seiner Brüder, von Marcos, verpasst. „Thatch...“, murmelte Ace. „Tu mir den Gefallen und warte hier unten.“ Ohne Thatchs fragendem Blick Beachtung zu schenken, stieg Ace hastig die Treppe hinauf. Im Obergeschoss war es still. Fotos hingen in prunkvollen Bilderrahmen an den Wänden zwischen den einzelnen Türen, die in weitere Schlafzimmer führten. Eines davon war das Zimmer, dass Marco und er sich teilten. Whitebeards Schlafzimmer befand sich abgeschotteter und ganz am Ende des Flurs. Einen Moment betrachtete Ace die Tür ihres Zimmers im Vorbeigehen. Nur dieser Raum war ihnen geblieben, denn ihre Wohnung war abgebrannt und zu Nojiko konnten sie nun nicht mehr zurückkehren. Dass sie mit ihnen schlussgemacht hatte, war immer noch nicht richtig in Aces Kopf angekommen und würde es wahrscheinlich auch nicht, bis sie Marco gefunden und nach Hause gebracht hatten. Der Knauf gab ein leises Quietschen von sich, als Ace die Tür zu Whitebeards Schlafzimmer öffnete. Der Raum lag in Dunkelheit und nur das einfallende Licht vom Flur erhellte ihn und gab die Schemen der Möbel und die riesige Gestalt auf dem Bett preis. Auf leisen Sohlen trat Ace ein und wanderte zu dem Stuhl neben dem Bett hinüber, auf dem er sich niederließ. „Paps?“ Seine Stimme war leise und rau und sein Mund fühlte sich plötzlich furchtbar trocken an. Er lauschte, doch Whitebeard reagierte nicht. Die Sauerstoffmaschine, die auf der anderen Seite des Bettes stand und Whitebeard zusätzlich mit einer Atemmaske mit Luft versorgte, brummte in monotonen Abständen. Eine dünne Bettdecke lag über dem muskulösen Körper ihres alten Herren ausgebreitet, obwohl das Zimmer trotz des Ventilators an der Decke aufgeheizt war. Ace bettete die Arme auf den Oberschenkeln und verschränkte die Finger beider Hände ineinander. Sein Blick galt der schattenbesetzten Gestalt seines Vaters, während er seine Gedanken ordnete. Was hätte er für eine Antwort gegeben... Whitebeards Erwachen hätte alles vereinfacht und Ace eine Lösung auf all seine Fragen gegeben. Er hätte alle anderen Entscheidungen getroffen und gewusst, wie und wo sie mit der Suche nach Monet und Marco anfangen sollten. Key West war nicht allzu groß, aber mit dem Boot konnten sie längst auf einer der anderen Inseln sein. Wie lange er dort im Halbdunkel neben der schlafenden Gestalt seines Vaters saß, konnte Ace nicht sagen. Seine Stirn war fest gegen die verschränkten Finger seiner Hände gepresst, die Lider gesenkt, während er seinen Gedanken nachhing. Irgendwann vernahm er ein fernes Stimmengewirr, das ihn aufsehen ließ. Die vorige Stille im Anwesen, die nur aufgrund Whitebeards Zustand und der nächtlichen Uhrzeit herrschte, war mit einem Mal zerbrochen. Aces Herz hämmerte sogleich gegen seinen Brustkorb und er saß kerzengerade auf seinem Stuhl, als er den Stimmen lauschte. Mehrere redeten durcheinander und schallten vom Erdgeschoss hinauf. Das Gesagte fing Ace nicht auf, doch die allgemeine Aufruhe konnte nur eines bedeuten: Irgendetwas war geschehen. XVIII Der Schmerz in seiner Schulter war heiß und beißend. Er zog den gesamten linken Arm bis in die Fingerspitzen hinunter und auch jede Bewegung seines Oberkörpers, das Atmen eingeschlossen, schickte ein Ziehen durch seinen Arm. Sein Denken war eingeschränkt und im Nachhinein konnte Marco nicht einmal sagen, wie er es soweit geschafft hatte. Er war von seinen Instinkten geleitet worden und von dem primitiven Drang zu überleben. Er kannte dieses Gefühl, das aus purem Adrenalin bestand und in Notsituationen die Kontrolle an sich riss. Dieses Gefühl hatte ihm schon oft das Leben gerettet. Sein Hemd hatte er irgendwo im Meer verloren, nach dem es versucht hatte ihn zu ertränken, ebenso wie seine Sandalen. Ein winziger, irrationaler Teil von ihm fand es schade, dass er sie nicht hatte retten können, obwohl er wusste, dass materielle Sachen ersetzbar waren. Marco schleppte sich weiter. Seine Hose war durchweicht und klebte wie eine zweite Haut an ihm. Doch es war sein Arm, den er zu ignorieren versuchte. Als er es endlich aus dem Wasser an Land geschafft hatte, hatte er einen flüchtigen Blick auf die Wunde geworfen. Der Pistolenschuss hatte ihn gestreift, nichts weiter. Allein darüber war Marco froh, auch wenn er dennoch einiges an Blut verloren hatte. Erstaunt war er jedoch mehr über die Tatsache, dass er relativ nah ans Ufer geschwemmt worden war. Sie hatten sich immer noch vor der Küste von Key West befunden, auf die Marco nach seinem Sturz aus dem Motorboot zugeschwommen war. Den Weg zu Whitebeards Villa fand er blind. Marco musste sich nicht orientieren, denn er kannte jeden Winkel dieser Insel. Trotzdem spürte er, wie seine Hände sich entkrampften, als das vertraute Anwesen in Sicht kam, das ihm schon seit einer gefühlten Ewigkeit ein Zuhause war. Es war das einzige Zuhause, das er je wirklich anerkannt hatte. Es war Haruta, der ihm die Tür öffnete. Marco hob einen Mundwinkel zum stummen Gruß, während Harutas Augen sich weiteten. Im nächsten Moment war sein Bruder bereits an seiner Seite, um ihn stützend in die Villa zu bugsieren. „Was ist mit dir passiert?“, raunte Haruta und sein Ton war merkwürdig belegt, als überraschte ihn Marcos mitgenommener Zustand nicht so sehr, wie dieser es erwartet hatte. Wusste er etwas? Hatte Whitebeard etwas von ihren Problemen mitbekommen? Doch diese Gedanken waren flüchtige. Wenn doch, konnte Marco nichts daran ändern. Außerdem war es nicht so, als hätte er nicht vorgehabt, Whitebeard und die anderen nicht doch im Nachhinein einzuweihen. Namis Sicherheit war einfach vorgegangen und— „Marco? Marco, was ist passiert?“, fragte Haruta erneut und Marco wurde bewusst, dass er nicht geantwortet hatte. Die Tür krachte zu, nach dem Haruta ihr einen Schubs gab und er Marco ins Wohnzimmer stützte. „Ich erkläre es euch später“, murmelte Marco. Der Fernseher lief im Wohnzimmer und einige Jungs hatten sich auf den Sofas gesammelt, während Bierflaschen verstreut auf den Tischen und Schränken standen. Irgendeine Komödie flimmerte über die Mattscheibe und Gelächter lag in der Luft. Jedenfalls bis dieses von mehreren vertrauten Stimmen unterbrochen wurde, die verwundert seinen Namen ausriefen. Seine Brüder sprangen auf und Marco wurde zu einem der Sofas hinüber geleitet, das zuvor noch bis auf den letzten Platz besetzt gewesen war. Als er die Couchkissen im Rücken hatte, sackte Marco tief in sie hinein, den Kopf im Nacken gelegt und die Augen geschlossen. „Ist Paps wach?“, brachte er über spröde Lippen hervor, das Meersalz noch immer in jedem Winkel seines Mundes schmeckend. „Oder habt ihr von Thatch gehört? Von Ace?“ Doch die gute Laune, die zuvor noch geherrscht hatte und nun von einer geladenen Stille ersetzt worden war, beantwortete Marcos Frage bereits. Wenn auch nur einer seiner hier anwesenden Brüder von der Entführung und ihrem Rettungsplan gewusst hätte, wäre niemand so ausgelassen gewesen. Hatte Marco einen Fehler begangen? Hatte er Law doch falsch eingeschätzt und er hatte sie verraten? Ging es den anderen gut? Was war mit— „Marco?“, durchbrach eine vertraute Stimme seine Gedanken. Sein Name wurde so leise ausgesprochen, doch Marco hörte ihn, da es das wahrlich das einzige Geräusch im Raum darstellte. Er schlug die Augen auf. Fragende Gesichter schauten zwischen Marco und Ace hin und her, der im Türrahmen zur Eingangstür aufgetaucht war. In dem Licht der Wohnzimmerlampe wirkte Ace bleich wie ein Stück Papier, während dunkle Ränder unter seinen Augen lagen. Sein Mund war geöffnet, als wollte er etwas sagen, erneut Marcos Namen nennen, aber er brachte nichts weiter über die Lippen. Stattdessen wanderte Aces Blick an seiner Gestalt hinunter und blieb an seiner blutigen Schulter hängen. Sein Gesicht verzog sich und so viele verschiedene Emotionen huschten darüber, dass Marco sie nicht alle entschlüsseln konnte. Doch er meinte eine ihm unvertraute Angst in Ace herauslesen zu können, die er nicht deuten konnte. Er hob die Hand seines unverletzten Arms und winkte Ace heran. „Marco, deine Wunde...“, gab Haruta zu bedenken, doch dieser schüttelte den Kopf. „Die kann noch fünf Minuten warten“, sagte er. „Dann hole ich wenigstens schon mal den Verbandskasten“, murmelte sein Bruder, während ein anderer Marco eine Bierflasche in die Hand drückte und seine Schulter tätschelte. Der Fernseher wurde wieder lauter gestellt und die anderen Sofas wieder besetzt, um ihnen wenigstens ein bisschen Privatsphäre in diesem Gemeinschaftsraum zu geben. Es war eben schon lange kein Geheimnis mehr, was Ace und ihn verband. Doch es war Ace, der nur langsam einen Fuß vor den anderen setzte und auf ihn zukam. Die Hände, die zur Faust geballt waren, lockerten sich, aber Aces Augenbrauen zogen sich zusammen, als er neben Marco auf den Couchrand sank. Sein Oberschenkel presste sich gegen Marcos Knie, als er halb zu Marco herumgedreht war. „Was ist passiert?“, brachte Ace krächzend hervor. „Law hat gesagt, dass Monet mit dir verschwunden ist. Dass...“ Marcos Hand, die sich nach ihm ausstreckte, ließ ihn verstummen. Seine Finger berührten Aces Kinn, während er beobachtete, wie seine Unterlippe bebte. Der Zorn war verpufft und es wunderte Marco, dass er das erst jetzt feststellte. „Du bist ganz schön erwachsen geworden, Ace“, brummte Marco und zog Aces Blick auf sich. Doch es stimmte, denn vor gut einem Monat wäre Ace nicht zur Villa zurückgekehrt, sondern wäre Monet und ihm planlos hinterhergejagt. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, zischte Ace und seine Kiefernmuskeln spannten sich wieder an. Seine eigenen Hände ruhten auf seinen Oberschenkeln und verkrampften sich in dem Stoff seiner Dreiviertelhose. „Ich dachte, du wärst tot. Oder dass sie sich wirklich nach Texas verschleppt hat. Ich war so kurz davor, Paps alles zu erzählen und—“ Marcos Finger wanderten in Aces Nacken und zogen ihn heran, bis ihre Stirnen sich berührten. Aces Haut war warm und verschwitzt, während sein Atem schwer war und eine Gänsehaut bei Marco auslöste. Er schloss die Augen und genoss die Stille, die von Ace ausging und ihnen eine Auszeit gönnte. XIX Die Nacht kam ihr endlos vor. Es war die längste Nacht ihres Lebens. Hatte sie überhaupt ein Auge zugetan, seit sie nach Hause gekommen waren? Nojiko setzte sich auf und die Decke rutschte on ihrem Körper, ehe sie von dem Sofa auf den Boden glitt. Gähnend fuhr sie sich mit einer Hand durch das Haar. Erst dabei bemerkte sie, dass sich das rote Band gelöst hatte, das ihre Haare für gewöhnlich zurückhielt. Sie wandte sich um und fand es in der Couchritze. Doch anstatt es umzumachen, schob sie es in die Tasche ihrer Jeans. Sie hatte sich gestern Nacht nicht einmal mehr umgezogen, fiel ihr dabei auf. Alles, was sie im Moment wollte, war eine lange Dusche und frische Kleidung, aber gleichzeitig war es unglaublich schwer, sich aufzuraffen und produktiv zu sein. Zu viele Dinge schwirrten ihr durch den Kopf, all die bruchstückhaften Erinnerungen an den gestrigen Tag und die Nacht, die ihr endlos vorgekommen war. Doch Nami war in Sicherheit, das war alles, was zählte. Nojiko hätte sie verlieren können, wie sie auch schon Bellemere verloren hatte und all das nur, weil sie sich auf Marco und Ace eingelassen hatte, obwohl sie gewusst hatte, dass es nicht gut ausgehen würde. Es war nicht ihre Schuld, denn sie hatten nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie zu Whitebeards Organisation gehörten und dies Gefahr mit sich brachte. Nein, Nojiko hatte gewusst, worauf sie sich einließ - und das Schlimmste war, dass sie Marco und Ace bereits vermisste. Sie schloss die Augen, als sie an den Anruf von vor ein paar Stunden zurückdachte, an Aces Stimme, die rau und erschöpft geklungen hatte. Aber auch ein Hauch von Erleichterung hatte in ihr geschwommen, als er sie informiert hatte, dass es Marco gut ging und er ebenfalls in Sicherheit war. Auch Nojiko war in diesem Moment ein Stein vom Herzen gefallen. Immerhin hatte Marco sich geopfert, damit sie Nami zurückbekamen und das würde sie ihm niemals vergessen. Nojiko sog tief die Luft in die Lungen, stand auf und streckte sich. Ihre Augen öffneten sich. Es war ein neuer Tag und sie konnte nicht ewig traurig auf dem Sofa herumsitzen. Stattdessen stieg sie auf leisen Sohlen die Treppen hinauf und wanderte durch den Flur zu Namis Zimmer. Die Tür war angelehnt, aber das erste Tageslicht kroch durch den Türspalt, da keiner von ihnen in der Nacht noch die Vorhänge geschlossen hatte. Es hatte keine Rolle gespielt und es hatte ohnehin gedauert, bis Nami eingeschlafen war. Nojiko hatte Wache an ihrem Bett gesessen, bis sie dort selbst halb eingenickt und nur nach unten gegangen war, um sich noch ein Glas Wasser zu holen. Irgendwie musste sie dann doch auf der Couch eingeschlafen sein. Nojiko schob die Tür ein Stück auf, fand Nami jedoch sitzend in ihrem Bett vor. „Guten Morgen“, murmelte Nojiko und schenkte ihrer Schwester ein Lächeln. Die orangeroten Haare waren zerzaust und Schatten lagen unter ihren Augen, doch ihre Mundwinkel hoben sich trotzdem. Nami rutschte ein wenig zur Zeit, um Nojiko Platz zu machen und diese nahm die stumme Einladung an. „Wie fühlst du dich?“, fragte Nojiko. Die Beine an ihren Körper ziehend stützte Nami die Unterarme darauf. „Wären die Alpträume nicht gewesen, dann wesentlich besser“, gestand sie, wobei ein Hauch der Selbstironie sich in ihren Ton schlich. Dieser bestätigte Nojiko, dass Nami das Ganze doch besser wegsteckte, als sie befürchtet hatte. Andererseits war ihre Schwester schon immer stark gewesen, soviel stärker als Nojiko. Während sie fast an dem Tod ihrer Mutter zerbrochen wäre, hatte sich Nami ein neues Leben aufgebaut. „Ich bin sicher, die legen sich wieder“, sagte Nojiko, obwohl sie das eben nicht wissen konnte. „Ich werde nachher jemanden anrufen, damit er die Schlösser austauscht. Außerdem habe ich beschlossen von dem restlichen Geld, das nicht für die Reparaturen am Haus draufgeht, eine Alarmanlage installieren zu lassen. Wenn ich hiermit fertig bin, wird es das sicherste Haus auf Key West sein.“ Nami hob den Blick und schmunzelte. „Fort Knox.“ „Genau“, erwiderte Nojiko, doch bevor sie fortfahren konnte, ertönte die Türklingel, die schrill die Treppe hinaufschallte. Beide Schwestern zuckten zusammen, aber Nojiko unterdrückte den Anflug von Panik. Stattdessen rieb sie Namis Oberarm und stand auf, sich ein Lächeln aufzwingend. „Ich werde mal gucken gehen, wer das ist. Bestimmt Thatch.“ Wahrscheinlich hatte er die Nachricht, dass Marco, Ace und sie nicht länger zusammen waren, nicht bekommen oder aber er war gekommen, um sie umzustimmen. Doch das wollte sie im Moment nicht mit Nami besprechen, da ihre Schwester sich erst einmal von den nächtlichen Geschehnissen erholen musste und Nojiko nicht einschätzen konnte, wie Nami auf diese Neuigkeiten reagieren würde. Zuerst war sie gegen diese Beziehung gewesen, danach hatte sie diese unterstützt, aber Nojiko machte sich nichts vor, dass bei ihr nicht ebenfalls nach diesen Geschehnissen etwas hängen geblieben war. Mit einem letzten Lächeln verließ Nojiko Namis Zimmer, schloss aber die Tür hinter sich, bevor sie die Treppe zum Erdgeschoss hinunterstieg. Ihr Blick huschte zur Küche und der Schublade hinüber, welche die Fleischmesser hielt. Sie schüttelte den Kopf über sich selbst, denn nach einem zu greifen wäre nun wirklich ein bisschen zu paranoid. Niemand würde hier so früh am Morgen auftauchen und sie bedrohen oder gar entführen. Abgesehen davon hatte Ace ihr gesagt, dass diese Monet fort war und sie die Sicherheitsvorkehrungen auf der Insel verstärkt hatten, was auch immer das bedeuten mochte. Trotzdem vertraute sie Ace genug, um seine Worte hinzunehmen, ohne sie auseinander und hinterfragen zu müssen. Tief durchatmend öffnete sie die Tür, woraufhin sich ihre Augen weiteten, als sie sich ausgerechnet mit den beiden Personen konfrontiert sah, die so viele ihrer Gedanken einnahmen, aber mit denen sie im Moment nicht gerechnet hatte. „Ace... Marco...“, entwich es ihr. „Was macht ihr hier?“ Ace brachte ein schiefes Grinsen zustande, als er locker an ihrem Türrahmen lehnte. Sein dunkelblaues Hemd, das ihm offen um die Schultern hing, biss sich mit seinem orangenen Hut, während die alte Dreiviertelhose schon bessere Zeiten gesehen und ein Loch im Knie hatte. Marco hingegen trug eines seiner üblichen violetten Hemden und Stoffhosen, aber es war seine Blässe und der Verband, der trotz des Hemdes sichtbar war, die Nojikos Blick auf sich zogen. „Wir wollten unsere Sachen abholen“, sagte dieser, die Stimme rau wie Sandpapier, so dass sie Nojiko einen unangenehmen Schauer über den Rücken fahren ließ. „Oh“, entwich es ihr und sie schulte ihr Gesicht, als sie beide hineinbat. Natürlich waren sie deswegen gekommen. „Wie geht es deiner Schulter? Ace meinte, es sei nicht so schlimm. Ganz schön blass siehst du dafür aber trotzdem aus.“ Sie hob eine Augenbraue und Marco bedachte sie mit einem langen, vollkommen ausdruckslosen Blick. Obwohl Nojiko gedacht hatte, dass sie seine Gesichtsmimiken inzwischen besser lesen konnte, war sie sich dessen nun nicht mehr so sicher, denn im Augenblick gab er rein gar nichts von seinen Gedanken und Gefühlen preis. Andererseits nahm sie an, dass sie kein Recht mehr auf diese hatte. „Marco ist hart im Nehmen“, warf Ace ein und klopfte ihm gegen die heile Schulter. Ein schmerzhafter Zug huschte über Marcos Gesicht, doch da erklomm Ace bereits die Treppe. „Ich geh unsere Sachen holen“, verkündete Ace, hielt jedoch noch einmal inne, um Nojiko einen fragenden Blick zuzuwerfen. „Ist Nami oben?“ „Ja, aber... sie schläft.“ Ace nickte verstehend und Nojiko konnte nicht mit Genauigkeit sagen, ob er ihr diese Lüge abkaufte oder nicht. Im Grunde verstand sie selbst nicht, weshalb sie zu dieser Halbwahrheit griff, denn Ace würde Nami niemals etwas tun. Vielleicht hatte sie Angst, dass er Nami von ihrer Trennung erzählte... Sie schaute zu Marco hinüber, nach dem Ace oben verschwand. Dessen Blick ruhte noch immer auf ihr, denn nichts konnte an seinem Selbstbewusstsein kratzen. „Brauchst du Schmerztabletten?“, fragte Nojiko, da man einen Streifschuss bestimmt nicht einfach so wegstecken konnte. Nicht einmal Marco, wie sein Blick verraten hatte. Marcos Mundwinkel zuckte. „Ich hab schon einige genommen. Trotzdem danke.“ Schweigen breitete sich aus und Nojiko unterdrückte den Impuls von einen Fuß auf den anderen zu treten. „Ace hat mir erzählt, was ihr besprochen habt“, sagte Marco schließlich und verschränkte mit vorsichtigen Bewegungen die Arme vor der Brust. Merkwürdig, dass ausgerechnet Ace zu dem Vermittler zwischen ihnen beiden geworden war, ging es Nojiko durch den Kopf. „Meine Gefühle haben sich nicht geändert“, antwortete sie, anstatt ihren Gedanken auszusprechen. Sie stellte auch nicht klar, ob sie damit nun ihre Gefühle für Marco und Ace meinte oder doch der Trennung betreffend. Es war schwer zu sagen, denn alle ihre Gefühle und Gedanken waren furchtbar miteinander verstrickt. Marco nickte und auf Nojiko wirkte es nicht wie eine leere Geste, sondern als verstünde er tatsächlich. „Wir halten weiterhin nach Monet Ausschau, aber ich denke, dass wenn sie überlebt hat, sie nach Texas zurückkehren wird.“ „Was ist mit diesem Flamingo?“, fragte Nojiko und verschränkte nun auch ihrerseits die Arme. „Er wird nicht begeistert sein, dass sein Spion aufgeflogen ist, während sein erster Spion...“ Doch sie beendete ihren Satz nicht, denn eigentlich verstand sie nicht, was mit Law war. Zwar würde sie nicht zulassen, dass er jemals wieder einen Fuß in dieses Haus setzte oder mit Nami sprach, aber letztendlich hätten sie Nami nicht ohne seine Hilfe heil zurückbekommen. „Ich habe den Eindruck, dass er seine Lektion gelernt hat“, sagte Marco schließlich kryptisch und Nojiko runzelte die Stirn. „Du meinst, er steht auf unserer - eurer - Seite?“ Marco lächelte freudlos. „Ich weiß es nicht, aber ich habe vor es herauszufinden. Jedenfalls, wenn er sich dazu entscheiden sollte in Key West zu bleiben.“ Diese Idee, Law für immer hier zu haben, war neu. Sie war immer davon ausgegangen, dass sein Urlaub bald vorbei sein und er nach Hause fliegen würde, wo auch immer sich dieses Zuhause befand. Vielleicht war es ihr deshalb anfangs so leicht gefallen, ihn in ihrem Haus und in Namis Leben zu akzeptieren, da sie gewusst hatte, dass es nicht dauerhaft war. „Mach dir keine Sorgen, Nojiko“, sagte Marco. „Wir werden nicht zulassen, dass noch einmal etwas geschieht. Ihr habt nichts mehr mit uns am Hut. Das wird auch bald nach Texas durchsickern. Wenn nicht, dann sorgen wir selbst dafür.“ Es sollte sie froh stimmen, denn das bedeutete Sicherheit für Nami und sie, aber stattdessen erfasste Nojiko eine Traurigkeit, die sie in dieser Form nicht kannte. Ihre Augenwinkel brannten und sie wandte sich ab, um stattdessen die Küche anzusteuern. „Kann ich dir wenigsten etwas zu trinken anbieten?“ XX Das Grinsen verblasste auf den Stufen, sobald Nojiko und Marco außer Sichtweite waren. Plötzlich fühlte er sich unerwünscht in diesem Haus, dass ihn in den letzten Wochen so furchtbar vertraut geworden war. Es war ihm wichtig geworden. Vor allem waren jedoch die beiden Frauen, die hier lebten, zu einem Teil seiner Familie geworden - und nun wollte Nojiko Nami von ihm fernhalten, dies hatte er deutlich zwischen den Zeilen gelesen. Ace hielt im Flur inne, betrachtete Namis Schlafzimmertür, riss sich jedoch los und marschierte in den gegenüberliegenden Raum. Die Reisetasche, die Nojiko erst vor ein paar Tagen für sie ausgepackt hatte, lag noch immer im Schrank. Ace packte sie und zog die Hemden und Hosen von ihren Bügeln, um die Kleidung in die Tasche zu stopfen und den Reißverschluss zuzuziehen. Ein heißes Glühen breitete sich in seinem Magen aus. Er wollte nicht länger als nötig an einem Ort verbringen, an dem man nicht länger wollte. Diese Tatsache kroch langsam von seinem Bauch zu seiner Speiseröhre hinauf, bis ihm die Zweifel bitter aufstießen. Natürlich wusste er, warum Nojiko so entschieden hatte und das es rein gar nichts mit ihren Gefühlen für ihn oder Marco zu tun hatte. Hierbei ging es um Nami und Sicherheit, aber... vielleicht war das, was sie verband, doch nicht stark wie Ace angenommen hatte. Immerhin kannten sie einander noch nicht allzu lange, obwohl Ace sich haargenau an ihre erste Begegnung erinnerte, an das Kribbeln in seinem Körper, als Nojiko bei ihm am Tisch in der Bar aufgetaucht war. Bereits da hatte er etwas geahnt und instinktiv gemerkt, bevor sie ihn mit ihrer kühlen, unabhängigen Art um den Finger gewickelt hatte. Es war ihre Stärke gewesen, die ihn verführt hatte - und die ihm nun ein Strick aus seinen Gefühlen drehte. Ace presste den Daumen gegen ein Augenlid, als er Nojikos Schlafzimmertür hinter sich zuzog und die Treppe ansteuerte. Ehe er diese jedoch erreichte, öffnete sich Namis Tür. „Ace...“, entwich es ihr und sie strich sich blinzelnd ein paar Haarsträhnen hinter das Ohr. Ringe lagen unter ihren Augen und sie wirkte merkwürdig blass und farblos. Ace hatte sie noch nie ohne wenigstens einen Hauch an Make-up gesehen, fiel ihm auf. „Gehst du?“ Ace folgte ihrem Blick zu der Tasche in seiner Hand hinunter. „Ja, ein bisschen Abstand tut uns allen gut.“ Die Worte fühlten sich scharf wie Glas in seinem Mund an, doch seine Lippen verzogen sich dennoch zu einem schiefen Grinsen. Namis Stirn kräuselte sich, bevor sie ihn mit einer stummen Handbewegung in ihr Zimmer bat und die Tür weiteröffnete. „Alles in Ordnung?“, fragte Ace, als er sich beinahe automatisch in Gang setzte. Nojiko würde es nicht gutheißen, das wusste er, aber Nami war ihm ebenfalls wichtig geworden. Sie schloss die Tür und wanderte zurück zu ihrem Bett, auf dem sie niederplumpste. „Nojiko hat mit euch Schluss gemacht, stimmt's?“, erkundigte sie sich. Ace hatte angenommen, dass Nojiko bereits mit Nami darüber gesprochen hatte, aber vielleicht wollte sie Nami diesen Stress vorerst ersparen und hatte deshalb nicht gewollt, dass Ace sie aufsuchte. Aber scheinbar hatte sie da die Rechnung ohne ihre kleine Schwester gemacht, die zu viel Intelligenz besaß. „Es ist zu gefährlich, da ihr beide in unsere Angelegenheiten hineingezogen werdet“, erklärte Ace. „Unrecht hat sie nicht.“ Immerhin konnte er es seit gestern nicht leugnen, auch wenn er es gern tun würde. Auch wenn er alles dafür geben würde, um Nojiko sowohl Nami vor allem und jedem zu beschützen. „Das war mir völlig klar“, redete Nami sogleich weiter und fasste sich an die Stirn. „Nojiko verrennt sich gern in ihren Zweifeln. Und sie denkt, dass sie mich immer noch vor der Welt da draußen beschützen muss, obwohl ich inzwischen erwachsen bin.“ Sie zögerte. „Außerdem bin ich es doch gewesen, der dumm genug gewesen war, um den Feind gleich mit nach Hause zu bringen.“ Namis Stimme senkte sich bei den letzten Worten und sie schüttelte den Kopf, bis ihr ein paar orangerote Haarsträhnen über die Schultern wallten. „Das ist nicht deine Schuld, Nami“, sagte Ace und überbrückte den Abstand zwischen der Tür zum Bett, um sich auf die Kante niederzulassen. Die Tasche landete zwischen seinen Beinen und er streckte die Hand nach Namis aus, um diese zu umfassen. „Wir hätten alle besser aufpassen müssen. Wir... ich habe Law auch mit offenen Armen empfangen und bin nicht einmal auf die Idee gekommen, dass er...“ Ace brach ab und schluckte den schweren Kloß in seinem Hals hinunter. Er konnte nicht glauben, dass er so blind und naiv gewesen war. Marco und er. Sie waren die Verantwortlichen, Nojiko hatte Recht damit gehabt, nicht Nami, die sich selbst die Schuld dafür gab. „Ich bin nicht wütend“, entwich es Nami und sie drückte seine Hand. Als er aufsah, lächelte sie bereits wieder tapfer und Ace konnte nicht sagen, wie viel Wahrheit in ihrer Aussage steckte. „Aber ich habe Fragen“, fügte sie nachdenklicher hinzu. „Ich will wissen, warum er geholfen hat ich zu retten, obwohl er doch mit dieser Monet zusammengearbeitet hat. Auf wessen Seite steht er?“ Ace biss sich auf die Zunge. Law hatte zwar gesagt, dass er nicht auf Doflamingos Seite stand, aber das machte ihn nicht sonderlich vertrauenswürdig in Aces Augen. „Er ist ein Verbrecher und Lügner, ganz gleich, ob er uns am Ende geholfen hat oder nicht, Nami“, sagte er und entzog Nami die Hand. „Jemanden wie ihm kann man nicht vertrauen.“ Er wusste nicht, ob er nicht auch sich selbst an diese Tatsache erinnerte. Namis Blick ausweichend griff Ace nach seiner Tasche. „Gebt Nojiko etwas Zeit“, rief Nami ihm hinterher, als er aus ihrem Zimmer marschierte und die Treppe runterstieg. Marco und Nojiko fand er in die Küche wieder, zusammen mit einer drückenden Stille. Die Verschränkung von Marcos Armen löste sich, als er Ace bemerkte, während Nojiko auch weiterhin an einem der Küchenschränke lehnte. „Hast du alles gefunden?“, fragte sie. Aces Blick hielt ihren, bis Nojiko blinzelte und er nickte. „Nojiko, ich—“ „Ace“, fuhr Marco ihm über den Mund und schüttelte den Kopf. „Wir sehen uns“, sagte er an Nojiko gewandt und bugsierte Ace an der Schulter zur Tür. Marcos Berührung brannte sich förmlich durch den dünnen Stoff seines T-Shirts und durch seine Haut. Ace war süchtig nach seinen Berührungen, aber seit gestern Nacht sträubte sich auch etwas gegen ihn und seine Art, gegen die Kontrolle, die er auf Ace ausübte. Er schüttelte Marcos Hand ab, als sie die Haustür hinter sich schlossen und sich auf den Rückweg zum Anwesen machten. Aber noch im selben Moment bereute er es, als Marco es nicht kommentierte und stattdessen ein wenig hinter ihm zurückfiel, so dass es Ace vorkam, als liefe er allein. XXI „Kneif mich, Marco.“ Dieser hob die Augenbrauen und musterte Thatch, der pompös in seinem besten, strahlend weißen Anzug die Treppe hinunter kam. Er tätschelte das samtene Kästchen, das er bei sich trug und einen Ring mit einem winzigen Diamanten enthielt, der ihn bereits ein halbes Vermögen und sämtliche Ersparnisse gekostet hatte. „Wieso trägst du keinen Anzug?“, entwich es Thatch, als er Marco in einem leicht zerknitterten Hemd ins Auge fasste. „Weil ich nicht derjenige bin, der Makino den Antrag macht“, antwortete Marco und eine Blässe erhielt Einzug in Thatchs Gesicht. „Jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher“, fügte Marco hinzu und verschränkte die Arme, als sie allein in der Eingangshalle des Anwesens standen. Die Stille, die ihre Brüder hinterlassen hatten, fühlte sich fremdartig für Marco an. Er kannte sie nur aus seiner Wohnung, aber das war bevor Ace sich ungefragt, aber nicht unerwünscht, dort eingenistet hatte. „Weil Makino schon schwanger ist?“, fragte Thatch, der das Kästchen aufklappen ließ, um den Ring darin zu bestaunen. „Das auch“, bemerkte Marco. „Aber ich dachte eher daran, dass du alle schon eingeweiht hast und sie im Grandline auf uns warten.“ Den Versuch, Thatch zu zügeln, damit er die überstürzte Hochzeitsidee noch einmal überdachte, hatte Marco im Keim erstickt, denn das hatte grundsätzlich wenig Sinn. Sobald sich Thatch etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man ihn nicht mehr umstimmen, daher war Marco nur ein stummer Beobachter gewesen, als Thatch herumgerannt war, um die Jungs und Paps in seinen Plan der Verlobungsfeier einzuweihen, die zumindest für Makino eine Überraschung sein sollte. Daher hatten sie den Abend genutzt, um alle bereits zur Bar zu schicken, bevor Thatch und Marco zu ihnen stoßen würden, damit Thatch Makino den Heiratsantrag machen konnte und sie ihm hoffentlich nicht das Herz brechen würde. Obwohl er regelmäßig im Grandline ein- und ausging, kannte er Makino nicht gut genug, um ihre Reaktion diesbezüglich oder ihre Beziehung mit Thatch einzuschätzen. Diese war an ihm vorbeigegangen und er hatte den leisen Verdacht, dass das daran gelegen haben konnte, dass er zu sehr mit seinem eigenen Liebesleben beschäftigt gewesen war. „Was ist mit Ace? Ist mit den anderen bereits zur Bar gegangen?“, erkundigte sich Thatch und nahm einen tiefen Atemzug. Das Kästchen mit dem Ring schnappte zu und er schob es in die Tasche seines Jacketts. „Ja. Aber das liegt an mir, nicht an dir.“ Immerhin war es kein Geheimnis, dass seine Beziehung zu Ace in der letzten Zeit gelitten hatte. Namis Entführung war nun gut eine Woche her, aber das einzige, was sie im Moment miteinander teilten, war das Bett und gelegentliche Unterhaltungen. „Mach dir nichts draus“, sagte Thatch, der seiner Haartolle entlang tastete, um sicherzugehen, dass sie saß und keine Haarsträhnen abstanden. Etwas Farbe kehrte in sein Gesicht zurück, weshalb Marco schweigend die Tür ansteuerte. Er hatte keine Lust sich über Ace oder den Geschehnissen zu unterhalten, aber wenigstens lenkte es Thatch ab und Marco war ihm das schuldig. Für all seine Fehler hatte Thatch nicht nur ihre Beziehung zu Nojiko unterstützt, sondern war auch bei Namis Entführung für sie da gewesen. „Ace hat ein gebrochenes Herz“, plapperte Thatch weiter und Marco war sich nicht sicher, ob er bemerkte, dass er ihn aus dem Anwesen und zum Grandline folgte. „Glaub mir, ich kann darüber ein Liedchen singen. Über Hundert Frauen haben mir im Leben schon das Herz aus der Brust gerissen und sind darauf herumgetrampelt. Aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass unser junger Freund sich erholen wird.“ Er legte Marco einen Arm um die Schultern und zog ihn heran. „Außerdem wissen wir alle, dass Ace nicht lange die Finger von dir lassen kann. Du bist die wichtigste Person in seinem Leben. Das hat sich nicht geändert.“ Natürlich war sich Marco dessen bewusst. Allgemein zweifelte er nicht an Aces Gefühlen für ihn oder ab ihrer Beziehung, aber wie Thatch bereits sagte, hatte die Situation, hatte Nojiko, sein Herz gebrochen und Ace war nicht gut auf ihn zu sprechen aufgrund... nun, Marco war sich da selbst nicht so sicher und hatte das Thema mit Ace auch nicht angeschnitten. Solange eine unterschwellige Wut von Ace Besitz ergriffen hatte, machte es keinen Sinn. Ganz besonders, da dieser sie nicht freiwillig mit Marco teilte und stattdessen so tat, als existierte sie nicht, obwohl sie beide wussten, dass dies eine Lüge war. „Marco“, holte Thatch ihn aus seinen Gedanken, als die kleine Bar in Sicht kam. Surrend erhellte die Leuchtschrift der Bar die Nacht und Musik drang aus dem Inneren. Thatch kam zum Stehen und sein Arm fiel von Marcos Schultern. „Bist du sicher, dass ich das Richtige tue? Was ist, wenn nicht dafür gedacht bin, ein Ehemann und Vater zu sein?“ „Du bist ein guter Mann, Thatch“, erwiderte Marco und übertrieb dabei nicht einmal. „Du musst dich nur anstrengen und am Ball bleiben.“ Flink fuhr sich Thatch mit dem Handrücken über die Augenwinkel. Ein Schiefen ertönte, das sich jedoch schnell in ein wackeliges Lachen verwandelte. „Ach, du weißt aber auch immer, was du sagen musst!“ Marco klopfte ihm auf den Rücken, ehe sie gemeinsam das Grandline betraten. Rauch hing in der Luft, vermischt mit dem Geruch von Schweiß und Alkohol. Alle Tische waren besetzt, die meisten davon von ihren Brüdern, während Whitebeard einen davon allein einnahm. Ein Grölen ertönte und erhob sich selbst über die Musik aus den Lautsprechern, als man sie bemerkte und einige Jungs tuschelten sogleich hinter vorgehaltener Hand. Marcos Blick wanderte durch den Raum, bis er an Nojiko hängen blieb, die zusammen mit Makino hinter dem Tresen stand und Bestellungen aufnahm, während Nami am Tresen saß und an ihrem Getränk nippte. Thatch hatte sie also ebenfalls eingeladen, ging es Marco durch den Kopf, als er sich den Weg zu dem Tisch hinüber bahnte, an dem Ace mit Vista, Haruta und einigen anderen saß. Sein Freund nickte ihm zu, doch seine Finger verkrampften sich minimal um sein Bierglas. Es war Vista, der ihm ein Bier holte, während Thatch mit zittrigen Schritten auf den Tresen zuging. Nojiko musste er auch eingeweiht haben, denn diese wanderte zu der Jukebox hinüber. Den Bruchteil einer Sekunde später verstummte die Musik und abrupte Stille herrschte in der Bar. Makinos Augen weiteten sich und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen in stummer Frage, doch da ging Thatch bereits vor ihr auf die Knie, um ihr den Ring zu präsentieren. „Makino, heirate mich!“, entfuhr es ihm und Makino presste sich die Hände vor den Mund, bevor Tränen ihren Wangen hinunterkullerten. Marco wandte sich Ace zu, der die Szene schweigend beobachtete, obwohl er für gewöhnlich einer der ersten wäre, der sich für Thatch und Makino gefreut hätte. „Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Thatch mal heiraten würde“, sagte er. Aces Blick wanderte träge zu ihm hinüber. „Er hat es sich verdient.“ „Das hat er“, stimmte Marco zu. „Hör zu, Ace. Ich bin diese Spannungen...“ Doch er verlor den Faden, als sein Blick an Aces Kopf vorbeiwanderte und hinaus aus dem Fenster ging. Die Laterne auf dem Parkplatz gab eine einzelne Person preis, die Marco inzwischen nur allzu vertraut war. „Marco?“ Dieser blinzelte und sah zurück zu Ace, doch der Moment war vorbei. Das Gesicht, das von Sommersprossen besprenkelt war, war eben noch ruhig gewesen, aber nun sprachen die zusammengezogenen Augenbrauen Bände. Marco tätschelte Aces Knie unter dem Tisch, bevor er sich erhob. „Entschuldige mich kurz. Ich werde etwas frische Luft schnappen.“ Damit wandte er sich ab und verließ die Bar, was bei dem Trubel im Grandline nicht auffiel. Die meisten Augen galten Thatch und Makino, die einander umarmten und kaum voneinander losließen, während angestoßen und gelacht wurde. Die gute Stimmung blieb gedämpft hinter Marco zurück, als dieser nach draußen trat und die Tür hinter ihm zufiel. „Bist du gekommen, um mit Nami zu sprechen?“, erkundigte sich Marco und schob die Hände in die Hosentaschen. „Bist du gekommen, um es mir auszureden?“, stellte Law die Gegenfrage. Er befand sich am Rande des Kreises, den das Licht der Laterne auf den Asphalt warf. In der Dunkelheit war es Marco nicht möglich das Gesicht des anderen zu sehen, aber er hatte den Eindruck, dass Law es so beabsichtigt hatte. Marco blieb einige Meter von ihm entfernt stehen, während er die Motten beobachtete, die wild um die Laterne flatterten, angelockt von dem gleißenden Licht in der Finsternis. „Ich würde es nicht ausreden nennen“, sagte Marco. „Es ist eher ein Ratschlag, den ich dir geben möchte. Einen, den ich mir ebenfalls in der letzten Zeit häufig geben muss.“ „Und der wäre?“, erkundigte sich Law. „Aber ich muss dich warnen. Ich lasse mir ungern etwas befehlen.“ Marcos Mundwinkel hob sich zu einem faulen Schmunzeln. „Ein weiterer Grund, warum du Doflamingo hintergangen hast, nehme ich an.“ Doch Law hüllte sich in Schweigen. Er konnte es ihm nicht einmal übel nehmen, denn an seiner Stelle hätte er ähnlich reagiert. „Nami braucht etwas Zeit. Gras muss erst einmal über die Sache wachsen“, sagte er schließlich, sagte es zu Law, aber auch zu sich selbst. „Wenn sie dir tatsächlich wichtig ist, wirst du ihr den Freiraum geben und warten bis sie dich aufsucht. Wenn sie das tun wird. Alles andere wäre erzwungen.“ Abermals antwortete Law nicht, doch er meinte seine Silhouette nicken zu sehen. „Doflamingo wird das nicht einfach auf sich sitzen lasen. Das wissen wir beide.“ Sich abwendend wurde Law von der Nacht verschluckt und nur seine Warnung hallte weiterhin durch seinen Kopf. Ob er damit Monets fehlgeschlagenen Plan oder seinen eigenen Verrat meinte, blieb unklar. Marco sah ihm hinterher und starrte viel zu lange die Stelle an, wo Law eben noch gestanden hatte. Obwohl seine Worte der Wahrheit entsprachen und Marco sich dessen bewusst war, konnte er sie nur mit einer Resigniertheit akzeptieren. Hinter ihm ertönte das Quietschen der Türscharnieren, woraufhin Marco sich umdrehte. Im Türrahmen stand Ace, die markanten Züge hart und ernst, aber er war gekommen, um nach ihm zu sehen. Dies konnte er aus den dunklen Augen ablesen, die nach seinen suchten. Marco senkte den Blick und ein schmales Lächeln huschte über seine Lippen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)