Stories from the Pridelands von brightest-star ================================================================================ Kapitel 10: Unverhoffte Rettung ------------------------------- Sie hatten mich gewarnt. Meine Mutter Sari, Großma Zira und sogar meine sonst so taffe Cousine Vitani. Aber ich war so dumm gewesen, nicht auf sie zu hören. Deawegen baumelte ich jetzt an einem Ast, während unter mir ein Dutzend hungriger Krokodile mit geifernden Mäulern nach mir schnappte. “Haut endlich ab!”, schrie ich und schlug meine Krallen in die morsche Rinde. Lange würde ich das nicht mehr aushalten können. Im schlammigen Wasser bewegten sich die Krokodile. Ein Silberreiher zog seine Kreise über der Schlucht - er würde der einzige Zeuge meines Todes sein. Bein dem Gedanken daran schluchzte ich leise auf. Nein! Ich durfte jetzt nicht weinen! Ich war eine Kriegerin! Wütend biss ich die Zähne zusammen. Der Silberreiher war verschwunden. Stattdessen meinte ich, Pfotenschritte zu hören. Oder bildete ich mir das in meiner Todesangst nur ein? Die Schritte wurden lauter, da war ich mir jetzt sicher. Doch sie kamen nicht von dem Ufer, wo mein Zuhause war, sondern von der anderen Seite der Schlucht. Egal - wer immer da auch war, er musste mir helfen! “Hilfe!”, kreischte ich, “Hiiilfe!” Ein Krokodil schnellte aus dem Wasser und schnappte nach meiner Schwanzspitze. Ich verfiel in Panik. Meine Pfoten brannten, ich rutschte langsam ab… Pfoten trommelten über den Boden. Stimmen riefen sich einander etwas zu, es klang wie Befehle. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Das Gras am Ufer teilte sich, und heraus kam - ein Honigdachs. Ich traute meinen Augen nicht. Mein Erstaunen wurde noch größer, als das kleine Tier mit einem wilden Kriegsgeschrei kurzerhand auf den Rücken eines Krokodils sprang. Ich musste in einem Todeswahn sein. Alles nur Einbildung. Doch als ich die Augen zukniff und wieder öffnete, war der Honigdachs immer noch da und sprang flink von Krokodil zu Krokodil. Die Echsen schnappten nach dem Plagegeist, doch immer wenn ihre Kiefer zuschnappten, war dieser schon längst an einer anderen Stelle aufgetaucht. Auf dem Kamm erschien nun die anmutige Gestalt einer Gepardin, gefolgt von einem Nilpferd. Ich musste träumen. Auch der Silberreiher war zurückgekehrt, er schwebte als weißer Punkt vor dem Blau des Himmels. Krack! Das war der Ast gewesen. Mein Herz rutschte irgendwo in die Magengegend. “Fuli! Beshte!” Ein junger Löwe kam angesprungen, die rote Mähne glänzte im Sonnenlicht. Für einen Moment vergaß ich die Schmerzen und die Angst, sah nur ihn im Kreis des Lichtes. Ich wusste, dass Rettung gekommen war. “Los geht´s!” Das war das Zeichen. Die Gepardin rutschte den Hang hinab, wendig und schnell war sie einige Herzschläge später unten angekommen. Ihre grünen Augen musterten mich. “Bist du okay?” “Glaub schon…” “Gut. Dann lass los.” “Was!?” “Komm, du kannst uns vertrauen!” Das Knurren der Krokodile drang an meine Ohren, der taffe Honigdachs hatte sie inzwischen von meinem Ast weggelockt. Sollte ich es wagen? Hatte ich überhaupt eine andere Wahl? Kraaack! “Jetzt!” Ich ließ los. Der Wind zerrte an meinem Fell, einen kurzen Moment fiel ich einfach nur. Dann packte mich etwas am Nacken und trug mich davon. Die Gepardin hatte es auf wundervolle Weise geschafft, schnell genug zu mir zu gelangen, um mich aufzufangen. Jetzt raste sie mit unglaublicher Geschwindigkeit durch das flache Wasser, die Welt um mich herum verschwamm. Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr: Die Krokodile nahmen die Verfolgung auf! Voller Panik überschlugen sich meine Gedanken - meine Retterin war zwar schneller, aber wie lange konnte sie dieses Tempo durchhalten? "Bereit, Beshte?" Das war der junge Löwe! "Ja!" Ich erkannte verschwommen die Silhouette des Nilpferds, das sich einem gewaltigen Felsblock näherte. Was hatten meine Retter vor? Die Gepardin rannte inzwischen immer noch in konstantem Tempo weiter, links und rechts steile Felswände. Es gab kein Entkommen, und die Krokodile kamen immer näher... Ein lautes Polterun und ein Krachen. Ich blickte auf und sah voller Entsetzen - den riesigen Felsblock auf uns hinabstürzen! Ich schrie, wie ich noch nie in meinem Leben geschrien hatte. Wir würden sterben! Wir würden sterben! Wir... lebten? Ich blinzelte vorsichtig. Öffnete die Augen. Hinter uns - der Felsen. Fest und unerschütterlich, als hätte er immer schon dort gelegen. Dahinter das Scharren scharfer Krallen. Wir waren gerettet. "Komm hoch, Fuli!", rief eine Stimme von oben. Die Gepardin namens Fuli kraxelte mithilfe ihrer Freunde die Schlucht hinauf. Dort setzte sie mich ab. Ich staunte, als ich ein fruchtbares, grünes Land mit Akazienbäumen erblickte. Am Horizont erhob sich majestätisch ein riesiger Felsen - ich hatte noch nie so etwas Schönes gesehen. "Na, gefällt´s dir?" Der Löwe war neben mich getreten, seine Augen glänzten freundlich. "Willkommen im Geweihten Land!" "D-danke, dass ihr mich gerettet habt", stammelte ich. "Das ist unser Job!", scherzte der Silberreiher, der sich zu der Gruppe gesellt hatte. "Ich bin übrigens Ono!" "Kion, Anführer der Lion Guard!" Der Löwe verneigte sich höflich. "Das sind Fuli", er deutete auf die Gepardin, "und Beshte", er nickte in Richtung des Nilpferds. "Mein bester Freund Bunga müsste eigentlich jeden Moment wieder zurück sein." Mir schwirrten tausende Fragen im Kopf herum. Was war die Lion Guard? Woher kam sie? Was war dies für ein Land, das so anders war als meine Heimat? Bunga, der Honigdachs, riss mich aus meinen Gedanken. Er war gerade den Hang hochgeklettert und begrüßte mich nun umschwänglich. "Halt, Bunga, das ist genug", meinte Kion mit einem Grinsen. Ich war es nicht gewöhnt, von einem potenziellen Beutetier umarmt zu werden, deshalb war ich ziemlich froh darum. "Also", begann ich, "was genau ist die Lion Guard?" "Sie schützt das Geweihte Land - " "Wovor?" Diese Frage schien die Guards zu beunruhigen, ich hörte sie aufgeregt tuscheln. Kion wandte sich zu mir; seinem Blick war alles Freundliche gewichen. Trauer und auch Wut und etwas, was ich nicht deuten konnte - vielleicht Mitleid? - standen darin. "Geh jetzt nach Hause. Wir haben unsere Pflicht erfüllt", sagte er mit einer Kälte in der Stimme, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte. Ohne ein Wort drehte ich mich um und lief. Mein Herz fühlte sich an, als hätte jemand seine Krallen hineingeschlagen. Immer wieder stellte ich mir die gleiche Frage: Wovor musste dieses Land beschützt werden - und was hatte ich damit zu tun? Ich war angekommen, zu Hause, aber es fühlte sich nicht wie zuhause an. Der Boden war trockener, die Sonne brannte heißer. Kein Baum spendete mir Schatten in diesem trostlosen Land. Ich sehnte mich nach dem frischen Gras, das ich vor einigen Momenten noch unter meinen Pfoten gespürt hatte... "Amali!" "Mama!" Noch nie war ich froher gewesen, die Stimme meiner Mutter zu hören. "Wo bist du nur gewesen?", flüsterte sie. "Wir haben uns schreckliche Sorgen gemacht!" Ich kuschelte mich in ihr weiches Bauchfell. "Ich bin froh, wieder hier zu sein", log ich. Die Krallen bohrten sich tiefer in mein Herz. Meine Mutter strich mir zärtlich übers Fell. "Ich bin auch froh, dass du wieder hier bist." Ich lächelte, Doch insgeheim dachte ich an Kion, meinen unverhofften Retter. Und seit diesem Tag wünschte ich mir nichts sehnlicher, als ihn wiederzusehen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)