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Let me be your favourite hello and hardest goodbye

von

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Drei Momente

Kalt. Mir ist so unendlich kalt. Mein olivgrüner Pullover hängt an mir wie ein Kartoffelsack. Viel zu groß und viel zu schwer, bedeckt meine viel zu dünnen Ärmchen, und meinen viel zu dünnen Bauch, geschweige denn von der kaum vorhandenen Oberweite. Ich hatte mal von allem mehr, aber dann kam er und nahm mir alles. Ich hätte nie gedacht, dass es im Leben nur einen kleinen Augenblick, nur einen winzigen kleinen Moment braucht, um dein ganzes bisheriges Leben zu verändern. Bis jetzt hatte ich drei dieser Momente erlebt.

Der erste, als meine Mutter starb. Ich war vierzehn und von einem Moment auf den anderen auf mich selbst gestellt. Klar, ich hatte noch meinen kleinen Bruder, aber für den musste ich ab dann Sorge tragen und so musste ich lernen, die Schule und das Geldverdienen und meinen Bruder unter einen Hut zu stecken. Irgendwie gelang es mir tatsächlich. Ich konnte meinen Schulabschluss machen und nebenher arbeitete ich in einem kleinen Café, dessen Besitzerin wirklich gutmütig war und mich auch bezahlte, wenn mein Bruder mal krank war und ich deshalb ausfiel. Aber die Krankheitstage häuften sich immer mehr, immer öfter, wenn ich heimkam, lag mein Bruder gekrümmt vor Schmerzen im Bett, hatte Blessuren am ganzen Körper und Platzwunden im Gesicht. Ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte, also hab ich mich an meine Chefin gewendet, ihr mein ganzes Leid geklagt, sie um Unterstützung angefleht. Ich wusste nicht, was mit meinem kleinen Bruder passiert war, er redete nicht mit mir und meine Angst um ihn steigerte sich jeden Tag ein kleines Stückchen mehr. Francis, meine Chefin, half mir so gut es ging. Sie unterstützte mich nicht nur finanziell, sondern auch im Umgang mit meinem Bruder. Sie hatte fünf Kinder und wusste sofort, was mit ihm passiert war. Er wurde gemobbt, weil seine Schwester im Alter von vierzehn Jahren arbeiten gehen musste und sie trotzdem zu arm war, um ihm neue Klamotten zu kaufen. Stattdessen zogen wir die alten meiner Mutter und die noch Übrigen ihres Freundes an, da sie groß genug waren und für den Winter reichten. Ich hab nie verstanden, weshalb man ein Kind deswegen so behandeln kann. Und ich hab wirklich alles innerhalb der vier Jahre, bis ich 18 wurde und den Abschluss gemacht habe, versucht, um dem Ganzen entgegenzuwirken, zu zeigen, dass wir auch anders können. Nicht nur er wurde ausgegrenzt, sondern auch ich, aber mir hatte das nie etwas ausgemacht. Ich konnte auf keine der legendären Partys gehen, die Ino, das beliebteste Mädchen der Schule, schmiss, oder mich mit den anderen über die neusten Shows und Schminke unterhalten, denn wir hatten keinen Fernseher und ich konnte mir auch keine Schminke leisten. Alles, was ich an Geld verdiente, steckte ich in die Miete, in den Strom, das Essen und zuguterletzt in Haru, meinen Bruder. Wenigstens er sollte etwas Schönes haben, also bekam er an Weihnachten entweder neue Markenschuhe geschenkt von mir, die ich mühsam über das Jahr angespart hatte oder er bekam andere Kleidung, einen Ranzen oder Schulsachen. Für alles fehlte mehr oder weniger das Geld, aber ich versuchte wirklich immer mein Bestes zu geben. Um das Essen musste ich mir ab meinem 16. Lebensjahr keine Gedanken mehr machen, denn Francis kochte jeden Tag in ihrem Café für uns mit und steckte uns auch Brot und Obst in die Ranzen für die Schule am nächsten Tag. Irgendwie war alles okay so wie es war. Wir kamen ja zurecht und ich machte schließlich einen wirklich guten Abschluss. Ich wollte studieren. Medizin. Das war schon immer mein Traum. Ich wollte Menschen helfen, sodass sie nie wie meine Mutter leiden müssten und auch nicht an ihrer Krankheit sterben. Meine Mutter hatte Leukämie, aggressiv und widerspenstig. Und todbringend für sie. Also setzte ich alle Hebel in Bewegung, beantragte meine Studienförderung, welche ich auch komplett übernommen bekam, bewarb mich mit dieser an der Columbia University in the city of New York und wurde auch an dieser angenommen. Mit mir studierten dort noch einige Leute, aber das interessierte mich nicht, ich ging abermals nicht auf Partys, nahm an keinen Treffen teil und ging nach jedem Vorlesungsende brav in Francis Café arbeiten. Danach ging ich heim und kümmerte mich um meinen Bruder, der mal wieder den ganzen Tag nur vertieft in seinen Büchern verbrachte. Er fand noch immer keine Freunde und das hatten wir wohl einfach gemeinsam. Mein hübscher Haru, 16 Jahre alt und doch so zurückgezogen. Ich merkte nicht, wie er immer mehr zurückgezogen lebte, sich immer mehr verschanzte, denn zu mir war er normal und ich war den ganzen Tag nicht da. Ich bemerkte nicht einmal mehr, dass er nicht mehr ins Café kam, sondern ich das Essen wie selbstverständlich mit nach Hause nahm. Die anrufe der Schule musste ich gekonnt ignorieren, denn ich hatte während den Vorlesungen keine Zeit dort zurückzurufen, noch danach, denn da musste ich ja arbeiten. Umso mehr traf mich der Schock, als ich eines Tages nicht nur einmal von der Schule angerufen wurde, sondern auch sieben weitere Male von der Polizei. Ich hatte mir nichts zu Schulden kommen lassen, und deswegen ging ich auch dieses Mal nicht ran. Ich saß ja eh grade in einer Vorlesung über die Stoffwechselreaktionen in Körper bei Einfluss durch Alkohol. Es war ziemlich interessant und lenkte mich gut von meinem dauernd vibrierenden Handy ab. Ich wäre lieber rangegangen, denn dann hätten mich nicht zwei Polizeibeamte mitten in der Vorlesung abgeholt, mir wären die Blicke der anderen erspart geblieben und ich hätte nicht in einem Streifenwagen davon erfahren, dass sich Haru das Leben genommen hatte. Der zweite Moment. Er hatte das ganze Mobbing nicht mehr ertragen und mir in einem letzten Abschiedsbrief geschildert, weshalb er sich das Leben nimmt und er stolz auf mich ist, dass ich ihn trotzdem immer gut behandelt habe, nie aufgegeben habe. Zuhause war er glücklich, wenn wir abends die Zeit zusammen verbrachten, nur die Tage zogen sich in einer unendlichen Qual. Zwei Monate besuchte ich die Universität nicht mehr, brauchte die Zeit für mich, um das alles zu verdauen, die Beerdigung zu organisieren, für die all mein Geld draufging, aber es war mir viel zu wichtig, dass Haru ein schönes Grab bekam. Nach diesen zwei Monaten hatte ich keine Tränen mehr, die ich vergießen konnte und ich hatte wieder einigermaßen Hoffnung geschöpft, ihm innerlich versprochen, dass ich alles dafür tun werde, dass Menschen nicht mehr leiden müssen, auch Kinder, die Mobbing zum Opfer fielen. Ich schloss mich einer Wohlfahrtsorganisation an, die sich um Kinder kümmerte, die Opfer von Mobbing wurde und den Familien eine psychische Betreuung zur Verfügung stellten. Diese nahm ich in Anspruch, lernte auch meine Angst vor Zurückweisung abzulegen und ich hatte wirklich die Hoffnung, dass ich irgendwann in der Lage wäre, soziale Kontakte zu knüpfen.

Diese Zeit lag drei Jahre zurück, als mich der dritte Moment eiskalt erwischte. Ich fiel noch nie in der Universität auf, bis auf das eine Mal, als mich die Polizisten abholten und dann ein weiteres Mal, als ich zwei Monate später wieder zur Vorlesung erschien und der Professor mich mit meinem Namen ansprach und nach meinem Wohlergehen fragte. Er wusste natürlich Bescheid. Aber seitdem fiel ich nie wieder auf. Ich bemerkte zwar immer und das wirklich ständig einen Blick auf mir ruhen, so, als würde jemand über mich wachen wollen, aber ich konnte nicht ausmachen, wer mich da die ganze Zeit beobachtete. Irgendwann in einer Vorlesung über den Konsum von LiquidE und seinen Folgen für die Nervenstränge, bemerkte ich wieder diesen Blick auf mir ruhen. Ich ließ meinen durch den ganzen Vorlesungssaal wandern, bis ich die Person bemerkte, die mich mit ihren schwarzen Augen anstarrte. Eigentlich hätte ich Angst bekommen sollen, aber aus irgendeinem Grund, tat es mir gut zu wissen, dass da jemand auf mich aufpasst, auch wenn er mich die ganze Zeit begafft. Ich stand dem Blick damals stand, lächelte ihn sogar schüchtern an. Ich wollte nicht flirten, einfach nur zeigen, dass ich nett sein konnte. Und er lächelte zurück. Verhalten, aber ein kleines Lächeln war es doch. Und seitdem merkte ich seinen Blick immer öfter, fand ihn immer öfter, bekam ein Lächeln immer öfter. Von einem Tag auf den anderen war er nicht mehr in den Vorlesungen, also bekam ich kein Lächeln mehr und irgendwie kam ich mir sehr unbeschützt vor ohne seinen Blick, der immer auf mir ruhte. Aber er kam nicht mehr. Das ganze Jahr kam er nicht mehr. Und dann am Ende meiner letzten Klausur für das Jahr und somit meiner Abschlussklausur für das Studium, brach ich zusammen. Man brachte mich ins Krankenhaus und untersuchte mich. Leukämie. Wie bei meiner Mutter. Die Anzeichen hatte ich nicht gemerkt, dafür kamen sie zu schleichend und langsam. Sofort fing ich mit der ersten Chemotherapie an, die alles von mir abverlangte. Ich war eh schon nicht die kräftigste Person, eher zierlich und klein, deswegen schlug der heftige Medikamentencocktail noch mal richtig zu. Ich verlor meine Haare, grade zu der Zeit, als uns die Ergebnisse mitgeteilt wurde und die Abschlussfeier mit Zeremonie stattfand. Ich brachte alles hinter mich, meine Glatze mit einem Tuch bedeckt, und auch ein Kleid hatte ich mir angezogen, wobei mein Körper schon da langsam abbaute. Und ich fiel auf. Man sah mir die Krankheit an und ich fiel dermaßen auf. Als ich mein Abschlusszeugnis in der Hand hielt war ich froh, allerdings wusste ich nicht, ob ich jemals wirklich Ärztin werden könnte, immerhin wusste ich nicht mal, ob ich sterben oder leben werde. Und ich musste da alleine durch. Ich hatte keine Familie mehr, Francis konnte auch nicht dauernd bei mir sitzen und Freunde hatte ich ja schon erst recht nicht. Ich war ein wirklich untypisches Mädchen. Ich war noch nie verliebt, hatte keinen Freund, war somit noch Jungfrau, und ich hatte auch keine normalen Freunde. Mir war es echt vergönnt, ein normales Leben zu führen.
 

Drei Momente. So viele hatte es gebraucht um mich an diesen Punkt zu bringen. Ich resegniere. Grade. Hier im Krankenhaus. Meinen großen Pullover über meinem Körper gezogen, die dicke, viel zu große Jogginghose an den Beinen, welche viel zu dünn waren, um überhaupt eine Hose zu tragen, eine Decke fest um meinen Körper gewickelt. Ich hab grade mein Frühstück verspeist, was mir hoffentlich nicht wieder in einer halben Stunde hochkommt. Ich habe grade eine Woche Pause von der Chemo, erhole mich sozusagen von den Strapazen, versuche etwas an Gewicht zuzulegen, damit die nächste Chemo nicht allzu anstrengend wird. Immer noch wurde kein Stammzellspender für mich gefunden. Wie immer, kein Glück im Leben.

Da ich keine Lust habe, meine letzten grauen Zellen im Kopf durch das eintönige Programm im Fernsehen zu zerstören, lese ich in einem Wälzer, den ich damals für die Uni gekauft hatte. Ich will mein Wissen auffrischen, denn hoffentlich wird das alles in einem Jahr vorbeisein und dann werde ich mich hier auf der Onkologie als Assistenzärztin bewerben. Ich hab mich dafür entschieden, Onkologin zu werden. Hier würde ich allen am meisten helfen können. Ich bin dermaßen vertieft in einen Artikel über das Aicardi-Syndrom, dass ich nicht bemerke, wie der Chefarzt, Dr. Dr. Lewis , mit ein paar Studenten in den Raum tritt. „Na, so interessant?“, witzelt er, als ich endlich meinen Blick hebe und ihm ein kleines aber schwaches Lächeln schenke. Ich kenne ihn schon seit meinem ersten Semester, da ich bei ihm hier im Krankenhaus ein Praktikum gemacht habe. Umso erschütterter war er, als er erfuhr, dass ich nun als Patientin hier liege.

„Ja, klar, Aicardi-Syndrom. Sagt dir das noch etwas, oder hast du schon alles vergessen, alter Mann?“, witzle ich zurück. Schon lange duzen wir uns, es macht ja eh keinen Sinn meine engste Vertrauensperson zu siezen. Er lacht auf, und setzt sich zu mir auf die Bettkante, eher er meine Hand in seine nimmt und einem der Studenten zu verstehen gibt, meine Daten vorzulesen. Bis dato hab ich mir die Studenten nicht näher angeschaut, es war mir immer egal, ich war eifersüchtig, weil sie das machen konnten, was ich so sehr wollte und nicht durfte. Bevor der äußerst unsichere Brillenheini allerdings anfangen konnte, unterbreche ich ihn harsch und rattere meine Daten runter: „ Haruno, Sakura, geboren am 28.3. 1990, in New York, momentaner Aufenthalt wegen der Diagnose AML, schleichende Symptome, Behandlung mit Cytosin-Arabinosid, kurz ARA-C., Ct-Ergebnisse stehen noch aus, Blutergebnisse stehen noch aus, weil die Deppen im Labor nicht hinne machen. Ok, ich schweife ab…kein Stammzellspender vorhanden, ohne Stammzellspende wird die Patientin nicht überleben, falls die Chemo nicht anspricht.“, damit beende ich meinen Vortrag, und schaue die anderen Studenten an. Doch einer von ihnen scheint kein Student mehr zu sein, er trägt einen langen weißen Kittel, wie die Studis auch, aber er hat seinen Namen schon eingestickt, nicht als Schild umhängen und er hat ebenfalls kein Klemmbrett für Notizen in der Hand. Vorsichtig schaue ich ihm ins Gesicht und erschrecke, als ich in ihm den Jungen erkenne, der mich an der Uni mit seinen Blicken verfolgte. Er scheint genauso überrascht wie ich zu sein, allerdings erkenne ich in seinen Augen nicht nur die Überraschung, dass wir uns wiedersehen, sondern auch Mitleid und Sorge. Es ist schrecklich, so angesehen zu werden, ich könnte jetzt auch an ihrer Stelle stehen, mit meinem 1,0 Abschluss und versuchen den Menschen zu helfen, stattdessen sitze ich hier und kämpfe ums blanke Überleben.

„Ach Sakura, ich hab dir ja noch gar nicht unseren neuen Kollegen vorgestellt. Er ist wie du grade fertig mit der Uni und hat sich dazu entschieden, hier seine Assistenzarztzeit abzuleisten. Sie müssen alle wissen, Frau Haruno ist auch Ärztin, allerdings ist sie direkt nach ihren letzten Prüfungen erkrankt, bzw da hat es sich geäußert. Aber sobald wir die Scheiße hier rumhaben, fängst du auch hier an, hm?“, er strahlt mich förmlich an, während ich meinen Blick kaum von dem anderen Mann abwenden kann.

„Also, das ist Sasuke Uchiha. Er wird deine Behandlung mit übernehmen, du bist – das hab ich dir ja schon oft gesagt – gottseidank kein allzu schwieriger Fall, solange alles klappt, wie wir es uns vorstellen und deswegen ist das ein guter Einstieg für ihn. Ist das okay für dich?“ ich weiß nicht, ob das so okay für mich ist, denn dieser Junge hätte mir ja damals schon fast den Kopf verdreht, bevor er einfach so verschwunden ist. Aber er ist mir keine Rechenschaft schuldig und er will ja auch ein guter Arzt werden, deswegen kann er an mir üben.

Noch bevor ich meine Einwilligung geben kann, drehe ich meinen Kopf zur Seite und kotze im Schwall auf den Boden. Jetzt muss ich nochmal frühstücken. Na ganz toll.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey:) das ist meine erste FF, und ja, Sasuke ist hier kein Eisklotz, denn so würde er nicht in die Geschichte passen :) viel Spaß beim weiterlesen ❤️ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  sama-chan
2018-10-28T20:01:01+00:00 28.10.2018 21:01
Was für ein toller Schreibstil! Ich schwärme gerade vor mich hin! Du kannst Situationen so toll, so eindringlich beschreiben und verlierst dabei nie die Ironie. Ich bin begeistert! Deine FF kommt gleich zu meinen Favoriten!
Von:  twunicorn
2018-10-03T17:03:29+00:00 03.10.2018 19:03
Huhu, dafür dass es deine erste FF ist finde ich den Anfang bis jetzt sehr gelungen!
Von:  Cosmoschoco1209
2018-05-14T06:40:44+00:00 14.05.2018 08:40
Ein sehr schönes Kapitel, es macht definitiv neugierig auf mehr. Bin schon gespannt wie es weitergeht. :)


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