Sturm & Drang von die-in-darkness ================================================================================ Kapitel 61: Die bittere Wahrheit -------------------------------- Kapitel 61 Am anderen Morgen wurde Hilary unsanft aus ihrem, viel zu kurzen Schlaf geweckt. Emilia schlief in der Nacht auch überhaupt nicht gut. Auch kein Wunder bei der Aufregung am gestrigen Tag. Max klopfte zum wiederholten Male an die Schlafzimmertür. „Hil? Bist du wach?“, er bekam eine Antwort. „Hiiiil, komm wach auf! Du musst mir sagen wo Kai die ganzen Unterlagen für das Zentrum hat! Hil?“, das Türschloss klackte zweimal und verschlafen öffnete die junge Frau die Tür. „Was willst du denn?“, müde rieb sie ihre Augen. Die junge Frau schaute durch einen kleinen Türspalt auf den Flur. „Wo sind die Unterlagen fürs Zentrum? Ich brauch die, wenn ich Kai vertreten muss.“ „Warte kurz...“, sie schlug die Tür zu und zog sich etwas über. Aus Gewohnheit schlief sie nur in Top und Hotpants. Mit einem dicken Pulli, der ihr fast bis zu den Knien reichte, kam sie erneut heraus. „Kai hatte eine Mappe in der er alles geordnet hat...wo war die noch gleich...“, im Halbschlaf taumelte die braunhaarige voraus ins Wohnzimmer. „Hm...eigentlich müsste sie hier liegen.“ „Und?“ „Keine Ahnung wo er die hingelegt hat. Ich glaube, da waren sowieso nur Bewerbungen drin.“ „Okay. Dann mach ich mich auf den Weg und schaue was ich dort an Unterlagen finde. Bin dann gegen Mittag zurück!“ „Bis nachher.“ Früh am Morgen im Krankenhaus. Der Halbrusse lag noch bis spät am Abend wach. Grimmig hatte er noch auf die Vorhänge geschaut, die gegen seinen Willen wieder zugezogen wurden. Nach zweimaliger Ermahnung der strengen Nachtschwester, hatte er aber den Kampf gegen die Müdigkeit aufgegeben. Es klopfte kurz laut an der Tür bis die Schwester hereinkam. „Guten Morgen, Herr Hiwatari!“, stürmisch rannte die grimmige Schwester zum Fenster und riss die Vorhänge auf. Kai, der mit dem Gesicht zum Fenster lag, bekam die volle Ladung Morgensonne ab. Genervt drehte er sich weg. „Los! Die Augen auf! Hätten Sie gestern nicht so lange wach gelegen, wären Sie ausgeschlafen! Hier Ihr Frühstück. In einer halben Stunde holen meine Kollegen Sie für die heutigen Untersuchungen.“, eilig holte sie das Essen herein, welches noch abgedeckt war. Dann trabte sie schnell weiter zum nächsten Zimmer. „So ein Stress...und mir sagt sie, dass ich Ruhe brauche...“, angestrengt rieb er die Augen und setzte sich leicht auf. Soweit es sein Körper zuließ. Wenigstens schien die Sonne an diesem beschissenen Tag. Der blau-haarige aß nicht viel, ihm war nicht danach. Obwohl er damit riskierte wieder eine Standpauke der nervigen Schwester zu bekommen. Es klopfte erneut. Mit einem Mal kamen gleich zwei Schwestern herein. Die alte nervige verabschiedete sich so knapp es eben ging und stellte die Schwester der Tagschicht vor. Mitte zwanzig, Anfang dreißig, schätzte der Russe. Freundlich war sie auch. Sie nahm das Tablett mit und meldete sich an in fünf Minuten wieder bei ihm zu sein. So war es auch. Das Krankenbett schob die Frau etwas angestrengt durch die Gänge zum gewünschten Untersuchungszimmer. Als er in den Raum kam wurde Kai schon keck grinsend von Doktor Starck erwartet. Normalerweise durfte er keinen Patienten behandeln den er privat auch kannte, doch Kai's Vater hatte es mal so arrangiert. „Na? Gut geschlafen?“, grinste er weiter. Angesprochener erwiderte nichts. „Keine Lust zu reden? Auch nicht schlimm.“, er zog sich blaue Latexhandschuhe über und streckte die Finger. „Was wir jetzt machen ist ein Herzultraschall, dauert nicht lang, vielleicht 15 Minuten und du bist hier raus.“ „Hm.“ Den ganzen Vormittag ging es so weiter. Sein Terminplan war voll gequetschter als bei ihm im Zentrum. Weitere Untersuchungen, Tests und Arztbesuche auf dem Zimmer. Es war schon fast Mittag und Kai spürte wie sehr ihn dieses hin und her anstrengte. Doch eine Untersuchung stand ihm noch bevor, dann hatten die Ärzte hoffentlich ihre dämlichen Ergebnisse. Ein weiteres Mal wurde seine Zimmertür aufgerissen. Verdammt, er hatte doch nur kurz die Augen schließen wollen! Er fühlte sich wie unter Beobachtung. „Ich hoffe, du hast dich etwas ausgeruht. Jetzt darfst du Sport machen.“ „Wie soll ich denn ausruhen, wenn ständig jemand hereinplatzt?!“, giftete Kai den dunkelhaarigen Arzt an. „Dafür kann ich nichts. Also los. Ich will nur sehen, wie dein Herz auf Belastung reagiert.“, zwei blutjunge Frauen kamen mit ihm herein. Wohl Auszubildende oder Studenten. Wie er das hasste. „Schaut genau zu und lernt.“, ermahnte Doktor Starck zur Aufmerksamkeit. „Deine Visage ist Belastung genug!“ „Selten so gelacht. Steh bitte auf.“ „Hm?“ „Du darfst aufstehen!“ Das ließ sich der junge Mann nicht noch einmal sagen. Prüfend legten sich die rubinroten Augen auf Gregor, doch aus dem Gesicht konnte er nichts lesen. Was sollte das nun wieder? Abwartend verschränkte der Arzt die Arme vor der Brust. Und Kai setzte sich mit einem Ruck auf. Wohl etwas zu schnell. Alles drehte sich urplötzlich, ihm war schwindelig. Er stützte sich mit den Händen und bewegte die Beine nacheinander heraus. Eine der jungen Frauen stellte ihm Schlappen hin in die er schlüpfen sollte. Gott, verdammt. Er kam sich vor wie ein alter Knacker. Dabei war er gerade mal zwanzig Jahre! Gregor notierte alles was die Geräte anzeigten. Positiv oder negativ konnte der blau-haarige nicht erkennen. Er rutschte langsam vom Bett herunter, dann stand er. Kurz. Denn schon Sekunden nachdem er stand, wollten seine Beine ihn nicht mehr tragen und gaben nach wie Pudding. Gregor griff ein und stützte ihn indem er unter seine Schulter griff. „Mist!“, mit sich selbst unzufrieden fluchte Kai vor sich her. „In Ordnung...wir haben alles was wir brauchen. Du kannst dich wieder hinlegen. Weiterhin strenge Bettruhe!“, die Frauen halfen ihm beim Hinlegen und Zudecken. Was für eine Demütigung. „Sobald ich alle Ergebnisse ausgewertet habe, komme ich zu dir.“ „Ja.“, die Antwort presste er nur heraus. Innerlich kochte der Halbrusse vor Wut. Keiner gab ihm Antworten, nur die dämlichen Tests, bei denen er sich vorkam wie ein kleines Kind. Kurz nach der letzten Untersuchung klopfte er wieder an der Tür. „Ja, verdammt!“ Darauf trat ein älterer Herr herein. „Entschuldigen Sie, ich bringe Ihr Mittagessen.“ Als Kai den älteren Mann sah, tat ihm dieser forsche Ton leid. Jetzt mussten die anderen wieder unter seiner schlechten Laune leiden. „Stellen Sie es hier her. Danke...“ „Ich wünsche Ihnen einen guten Hunger.“, leise und zügig schlappte er aus dem Raum heraus. Ein lautes, einsames Seufzten ertönte ihm Zimmer. Stumm öffnete er den Deckel vom Tablett. „Nudeln...wenigstens was...“ Langsam aß er die Portion Nudeln und Soße auf. Und schloss den Deckel wieder. Und starrte wieder auf die Wand ihm gegenüber... Endlich hatte er Ruhe. Dass, worauf die Krankenschwester gestern so pochte. Am liebsten würde er sich jetzt in Arbeit stürzen, doch Max hatte ihn am Telefon abgewürgt. 'Lass mich das nur machen!', sagte der blonde zu ihm. Wenn er das sagte, ging meist etwas schief. Doch kontrollieren konnte er es von hier aus auch nicht. Wieder ein Schnaufen. Das nichts Getue machte den Russen noch verrückt. Schließlich ermahnte er sich selbst zur Ruhe, drehte sich auf die Seite und schaute aus dem großen Fenster. Vereinzelt flogen Vögel vorbei. Nach wenigen Augenblicken der Ruhe übermannte ihn die Müdigkeit... Irgendwann, noch bevor die Besuchszeit begann, kam Gregor in das Krankenzimmer von Kai. Als er aber den jungen Mann schlafen sah, schmunzelte er. „Du schläfst immer noch wie damals...“ Eine Hand unter dem Kopfkissen, die andere locker auf seiner Hüfte abgelegt. Sein Gesicht entspannt, doch auch die Anstrengung vom Vormittag sah man ihm an. Leise trat der Arzt zurück, verließ den Raum wieder und ging einer anderen Aufgabe nach. Die Zeit verging und die Besuchszeit nahte. Hilary sehnte diese Zeit des Tages seit dem Morgen herbei. Am liebsten wäre sie schon früh nach dem Aufstehen zu Kai ins Krankenhaus gefahren. Jetzt saß die brünette im Zug, der sie zu ihrem Mann bringen würde. Verträumt spielte sie an ihren Fingernägeln herum und sah die vorüberziehende Landschaft aus Häusern an. Wie es Kai wohl ging? In nicht einmal 15 Minuten würde sie es erfahren. Die Aufregung stieg in ihr, als käme sie zu ihrem ersten Date mit Kai. Schnell stieg sie aus und lief weiter Richtung Hospital. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte, dass sie gut in der Zeit lag. „Kurz vor Drei.“, murmelte die Japanerin beim Laufen vor sich her. Sie achtete dabei nicht auf ihre Umgebung und stieß prompt mit jemandem zusammen. „Oh, sorry!“, entschuldigte sie sich umgehend, erntete von der Frau aber nur ein müdes Lächeln. Sie hatte die Frau gestern Abend schon gesehen, als sie mit Max aus dem Krankenhaus kam. Die braunhaarige dachte nicht weiter darüber nach. Jetzt wollte sie zu Kai. Ungeduldig wartete sie auf den Fahrstuhl. Hilary hätte auch die Treppen nehmen können, doch dann wäre sie durchgeschwitzt gewesen. Das wollte sie nicht. Ein angenehmer Ton signalisierte ihr die richtige Etage. Tief Ein- und Ausatmend trat sie heraus. Ein Glück konnte sie die Schwester vom Vortag nicht finden. Vor seiner Tür blieb sie kurz stehen. Klopfte dann vorsichtig an und trat ein. „Hey Kai.“, Hilary ging weiter in den Raum und bemerkte, dass sie keine Antwort bekam. „Kai?“, fragte sie mit zittriger Stimme noch einmal nach. Er lag zum Eingang und beim näheren Herangehen, sah die junge Frau, dass er schlief. Sofort schlich sie auf Zehenspitzen zu ihm. Ein glückliches Lächeln zierte die Lippen der Frau. Leise holte Hilary sich einen Stuhl heran. Sie konnte die Augen nicht von ihrem schlafenden Mann lassen. „Hm...Hilary...?“ „Hey...ich wollte dich nicht wecken...“, zärtlich küsste sie ihn. „Das wäre nicht das erste Mal heute...“, sprach er noch recht brummig und lächelte verschlafen. Kai drehte sich dann auf den Rücken und schien verwirrt. „Wo ist Emilia?“ „Max hat sich angeboten. Du kennst ihn ja.“ „Ja...“ „Wie sind die Untersuchungen gelaufen?“ Ein trotziger, zugleich genervter Blick von Kai funkelte ihr entgegen. „Man Kai! Was soll das? Warum machst du so ein Geheimnis daraus!“ „Keine Ahnung. Gregor war noch nicht da.“ „Hm...“ Es klopfte und kurz darauf trat besagter Arzt noch einmal ins Zimmer. „Ah, endlich bist du wach. Vorhin hast du geschlafen wie ein kleines Baby.“ „Lass den Mist...“ „Hallo Hilary.“ „Guten Tag, Doktor.“, sie reichte ihm die Hand. Gregor stützte sich darauf aus Gewohnheit heraus mit den Unterarmen wieder am Gitter des Bettes ab. Ernst schlug er die Mappe auf. „Ich habe die Tests ausgewertet.“ „Und??“, fiel Hilary ungeduldig dazwischen. „Ehm...ich muss dich bitten heraus zu gehen. Das sind vertrauliche Daten.“ „Sie bleibt. Ich habe keine Geheimnisse vor ihr.“ „Na gut. Folgendes...wie du selbst schon bemerkt hast, Kai...rebelliert dein Körper derzeit schon bei den kleinsten Anstrengungen. Allein das aufrecht Sitzen hat dir Probleme bereitet, vom Stehen nicht mal gesprochen...“ „Hn...“, Gregor hatte sogar das bemerkt. Kai ärgerte sich sehr. „Aber was heißt das nun?“ „Das heißt im Klartext, und dir dürfte es auch schon dämmern, Kai, dass du nicht weiter medikamentös behandelt werden kannst.“, Kai schaute ihn verständnislos an. Gregor stieß die Luft laut aus. „Eine Operation ist unumgänglich.“ „Und was ist, wenn ich das nicht will?“ „Darüber haben wir damals schon gesprochen, Kai...“ „Ich will keine Operation!“ „Die OP ist lebensnotwendig für dich! Länger können wir die nicht herauszögern!“ „Wird er...sterben?“ „Nicht, wenn er operiert wird. Die OP birgt zwar auch Risiken, aber die Chance auf Erfolg ist deutlich höher als ohne. Also?“ „Nein.“, Gregor schüttelte missmutig den Kopf. „Hach...für den Fall habe ich diese Einverständniserklärung dabei. Du unterschreibst, dass du die OP freiwillig ablehnst und mit den Konsequenzen lebst. Überleg' es dir gut.“, Gregor hielt ihm einen A4-Zettel hin. Von oben bis unten beschrieben. Beidseitig. „Kai! Du musst diese Operation machen! Willst du etwa sterben?!“ „Halt dich da heraus.“ Hilary konnte nicht fassen, was sie gerade hörte. Kai lehnte im Ernst eine lebensnotwendige Operation ab, die ihm das Leben retten konnte? Und da sollte sie sich einfach heraushalten? Innerlich spürte sie wie Wut und Trauer in ihr aufstieg. Mit einem Mal kam ihr auch noch das Gespräch mit Max in den Sinn, 'Ich kann ihm doch keine Vorschriften machen.', 'Klar, ihr seid verheiratet!'. „Du unterschreibst das nicht!“, schrie sie ungehalten heraus. Sowohl Kai als auch Gregor sahen erstaunt zur brünetten. „Du hast das nicht allein zu entscheiden, Kai. Bitte!“ Gregor räusperte sich. „Ähem...er ist volljährig und ein Mann ohne Verpflichtung. Warum sollte er auf dich hören?“, kühl sprach er zu ihr. „Weil wir verheiratet sind!“ Jetzt sah der Arzt Kai mit hochgezogenen Augenbrauen an, doch Kai schwieg. „Wenn das stimmt, zählt ihre Stimme auch dazu. Und meine Meinung zur OP kennst du seit knapp 10 Jahren. Du wärst überstimmt.“ „Denk doch mal an die anderen...das Zentrum...Max...Emilia...“, betroffen sah der blau-haarige zur Seite weg, kniff die Lippen aufeinander. „Bitte!“, Hilary flehte ihn an... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)